1897 / 21 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 25 Jan 1897 18:00:01 GMT) scan diff

Hältnisse ftets von neuem wieder, und so liegt es auch auf veterinärem Gebiet. 2

Meine Herren, auf einen anderen Umstand möchte ich dann noch hinweisen: darauf, daß auch von einer Seite behauptet wird, daß die Handhabung der Veterinärpolizei zu lax sei, und daß von der anderen Seite geklagt wird, wie das heute der Herr Abg. Werner ausgeführt hat, daß die Veterinärpolizei zu scharf gehandhabt werde. Meine Herren, daraus kann man folgern, daß die Handhabung eine richtige ist. Diejenigen, welche von der Kalamität betroffen sind, welche Un⸗ bequemlichkeiten und finanzielle Nachtheile durch die Handhabung einer ftrengen Veterinärpolizei erleiden, wollen von den Fesseln, die ihnen angelegt werden, befreit sein; und die bis dahin noch von dieser Plage nicht heimgesucht sind, rufen stets nach der Polizei und fordern mehr, als was die Polizei zu thun befugt ist, der, wie ich bereits hervorhob, die Gesetzgebung feste Schranken zieht.

Meine Herren! Die Ausführungen des Herrn Grafen von Stol⸗ berg, der sagte, daß eine sachgemäße, strenge Handhabung der Veterinärpolizei für die Landwirthschaft ein dringendes Bedürfniß sei, unterzeichne ich vollständig. Auf die Exkursion, die dabei auf die Getreidepreise gemacht ist, habe ich keine Veranlassung einzugehen.

Ich erkenne auch als richtig an, daß wir vollständig in der Lage sind, unseren inneren Fleischkonsum zu decken. (Zuruf rechts.) Ich erinnere an die Behauptungen, die früher von der linken Seite des Hauses, stets wiederkehrend, aufgestellt wurden: daß, wenn wir besonders die Einfuhr von Schweinefleisch von auswärts beschränken oder beseitigen, dann die deutsche Landwirthschaft nicht in der Lage sein werde, den Bedarf an Fleischnahrung zu decken. Ja, meine Herren, wir haben vielfach sogar Neberproduktion gehabt (sehr richtig! rechts), und diese Ueberproduktion hat vorübergehend zu einer bedenklichen Verminderung der Preise geführt, die dann dazu führte, daß die Produktion mehrfach wieder eingeschränkt wurde. (Sehr richtig! rechts.) ;

Meine Herren, was speziell die Klauenseuche betrifft, Und das ist der Punkt, an den die ganze Verhandlung angeknüpft hat, so gestatte ich mir, Ihnen folgendes mitzutheilen.

Wir sind darüber ganz zweifellos, daß ganz abgesehen davon, ob die Einschleppung der Klauenseuche dem Auslande zur Last fällt, oder ob sie spontan bei uns auftritt allein mit polizeilichen Maß— regeln die Krankheit nicht bekämpft und beseitigt werden kann. Die preußische Veterinärverwaltung hat sich daher schon seit längerer Zeit mit der Frage beschäftigt: welches ist denn das Kontagium der Klauenseuche? und weiter mit der Frage: kann man nicht Präventivmaßregeln ergreifen? Meine Herren, nach längeren Ver handlungen ist in Aussicht genommen, für Preußen ein Jnstitut für die Seuchenerforschung und die Thierhygiene zu gründen, und zwar in Berlin in Verbindung mit der Thierärztlichen Hoch⸗ schule. Diese Verbindung ist wünschenswerth: einerseits, um dem Institut die Mitarbeit der vorzüglichen wissenschaftlichen Kräfte zu ermöglichen, und sodann, um das Institut auch für Unterrichtszwecke nutzbar zu machen. Der preußische Herr Finanz⸗Minister hat sich bereit erklärt, in den Etat des nächsten Jahres diejenigen nicht ge⸗ ringen Mittel einzustellen, welche erforderlich sind, um baulich, in⸗ strumental und nach allen sonstigen Richtungen hin das Institut so auszurüften, daß es allen Anforderungen genügt. Da aber bis zur Vollendung dieses Instituts noch einige Jahre vergehen werden, so werden im nächsten Jahre in dem preußischen Institut für Infektions⸗ krankheiten Untersuchungen über die Maul⸗ und Klauenseuche in großem Maße angestellt werden, und sind die dazu erforderlichen Mitiel auch in den preußischen Staatshaushalts-Etat eingestellt worden. Wir sind auf diesem Gebiet fortwährend mit Ermittelungen beschäftigt. Wenn der Baeillus der Maul⸗ und Klauenseuche auch noch nicht entdeckt ist obgleich auch neuerdings wieder die Be⸗ hauptung auftriti, daß er gefunden sei —, so muß man doch die Hoffnung hegen, daß doch wenigstens ein Mittel entdeckt werde, welches der Verbreitung der Krankheit vorbeugt. In wenigen Tagen oder Wochen werden die Versuche abgeschlossen sein, die mit den neu⸗ entdeckten Mitteln nach allen Regeln der Wissenschaft und Kunst an— gestellt werden.

Meine Herren, das sind die allgemeinen Bemerkungen, die ich glaubte machen zu sollen. Ich will dann noch Folgendes hervorheben. Die Handhabung der Veterinärpolizei ist eine der schwierigsten Auf⸗ gaben der landwirthschaftlichen Verwaltung und des Reichsamts des Innern, weil von Tag zu Tag neue Erscheinungen auftreten, neue Wahrnehmungen gemacht werden, und weil infolge dessen von Tag zu Tag das Bild der Maßnahmen, die zur Abwehr nach innen und außen ergriffen werden müssen, sich verändert. Infolge dessen sind auch neuerdings wieder sehr wesentliche Einfuhrbeschränkungen zur Ausführung gelangt.

Was den Schutz gegen die Tuberkulose betrifft, so hat, glaube ich, der Herr Staattzsekretär des Innern gestern schon mitgetheilt ˖ daß gegen die Tuberkuloseeinschleppung durch die Quarantäne ⸗Anstalten, sowohl durch die Landquarantäne⸗Anstalt in Hvidding wie durch die Seequarantäne⸗Anstalten, die Anordnung getroffen ist, daß jedes Stück Vieh aus Dänemark, Skandinavien u. s. w. mit Tuberkulin geimpft werden muß, und daß dat jenige Vieh, welches darauf reagiert, sofort an der Grenze abgeschlachtet werden soll. Es ist richtig, daß, nachdem man in Dänemark, wo, glaube ich, die Tuberkulose noch stärker verbreitet ist als in Deutschland (sehr richtig! rechte), durch die TuberkulinimZpfung den Umfang der Gefahr festgestelt hat und es ist das naturgemäß, die Menschen sind in dieser Beziehung Egoisten, die Staaten auch —, daß man das Vieh, welches sich als verdächtig erwiesen hat, abzu⸗ schieben sucht. Sowohl das tuberkelverdächtige Vieh ist lebend zu uns herübergebracht, auch ist tuberkulöses Fleisch anscheinend in erheb- lichem Umfang nach Deutschland gebracht. (Hört! hört! rechts.) Geschähe das nun in öffentlichen Schlachthäusern, die unter polizei⸗ licher Aufsicht stehen, und in denen jedes Stück Fleisch auf Tuber— kulose wie auf alle anderen bedenklichen Erscheinungen schon aus sanitätspolizeilichen Gründen untersucht wird, so wäre die Sache nicht so bedenklich. Aber es geht auch viel tuberkulsses Fleisch in den freien Verkehr, und der Uebergang in den freien Verkehr ist aus sanitären und veterinärpolizeilichen Gründen in hohem Grade be— denklich.

Jetzt, meine Herren, wende ich mich zu den einzelnen Be- merkungen, die hier gefallen sind. Zunächst hat Herr Graf Stolberg auf die Schweineausfuhr aus Rußland hingewiesen und hat durchaus zutreffend mitgetheilt, daß wir gegen Rußland sowohl gegen lebendes wie gegen todtes Vieh gesperrt sind, mit Ausnahme einer kontingentierten Zahl von Schweinen, die direkt in vier Schlachthäuser im ober

schlefischen Industriegebiet zur sofortigen dortigen Abschlachtung ein⸗ geführt werden dürfen. Meine Herren, während ich die Ehre batte, die landwirthschaftliche Verwaltung in Preußen zu führen, ist bereits eine zweimalige Einschränkung dieses Kontingents eingetreten. Auf einmal die ganze Einfuhr von Schweinen aus Rußland in das Industriegebiet zu verbieten, wurde sowohl von allen dortigen

Staatsbehörden wie auch von den sonst Betheiligten als unausfübrhar.⸗

bezeichnet (sehr richtig! aus der Mittes, weil das für die Industrie⸗ bevölkerung bedenkliche Folgen zeitigen werde. Wir haben jetzt durch die zweimalige Einschränkung feststellen können, daß die Preise für Schweinefleisch trotz der Reduktion wieder auf den Standpunkt zurückgegangen sind, den sie einnahmen, als in viel größerem Umfang die Schweineeinfuhr aus Rußland in das schlesische Industriegebiet stattfand. (Hört! hört! rechts Das beweist, daß jetzt die Einfuhr von Schweinen aus Rußland ausreicht, um den Bedarf in dem Industriegebiet zu befriedigen.

Dann hat Herr Graf Stolberg schon darauf hingewiesen, daß wir Maßregeln getroffen haben, um die für später bereits in Aussicht genommene vollständige Beseitigung der Schweineeinfuhr aus Rußland eintreten zu lassen, dagegen die Zufuhr von Schweinen aus dem deutschen Gebiet nach dem Industriegebiet möglichst zu erleichtern. Wir haben nun die merkwürdige Erfahrung gemacht, daß neben der Einfuhr aus Rußland und der eigenen Produktion im Industriegebiet dasjenige, was an lebenden und geschlachteten Schweinen durch den erleichterten Eisenbahnverkehr dorthin geführt werden sollte, minimal war. Woran das liegt, weiß ich nicht. Aber, meine Herren, ich glaube hieraus die Folgerung ziehen zu sollen, daß, wenn wir jetzt die Schweineeinfuhr aus Rußland weiter beschränken, keine Gefahr für die Industrie vorhanden sein würde, und es ist deshalb in Erwägung genommen, in späterer Zeit die Einfuhr aus Rußland nach dem oberschlesischen Industriegebiet weiter zu beschränken und ganz zu beseitigen. (Lebhaftes Bravo rechts.)

Interessant war auch, daß nach dem Verbot der Rindvieheinfuhr aus der Bukowina eine Steigerung der Preise für Schweinefleisch nicht eingetreten ist. (Hört! hört) Es beweist das doch, daß die früheren Behauptungen, die mit der vollsten Entschiedenheit in dortigen Kreisen aufgestellt wurden, daß ohne Zufuhr aus dem Auslande die Industriegebiete nicht leben könnten, nicht in vollem Umfange zutreffend sind. (Zuruf rechts.) Mir wird eben zugerufen: „Händler!“ Da haben wir allerdings eine interessante Wahrnehmung gemacht. Als wir das Kontingent beschränkten, machten die Händler, die gewissermaßen die Einfuhr aus Rußland als Monopol in Händen hatten, großen Lärm. (Heiterkeit rechts Sie glaubten den Nachweis erbringen zu können, einmal, daß die Industriegebiete zu Grunde gingen, zweitens, daß sie auf das allerempfindlichste geschädigt wurden. Sie haben allerlei Machination gemacht, um nachträglich den natürlichen Lauf der Dinge zu stören; aber es ist mit Strenge vorgegangen, und der Erfolg, meine Herren, liegt jetzt vor. (Bravo! rechts.)

Meine Herren, eine fernere Aeußerung des Herrn Grafen Stol— berg, daß eine nicht genügende Berücksichtigung der nationalen Inter⸗ essen stattfinde, habe ich schon beleuchtet; es erübrigt nur, auf die Be— merkung desselben Herrn über England einzugehen. Meine Herren, es ist eine bekannte Thatsache: England ist dem Auslande gegenüber das Land des Freihandels und behauptet, auf allen Gebieten den Grundsatz des Freihandels strikte durchzuführen. Wenn aber materielle Interessen England rathen, von diesen Prinzipien abzu⸗ gehen, dann ist England der entschiedenste Schutzzöllner (sehr wahr! rechts); dafür haben wir genügende Beweise in der rückwärts liegenden Geschichte. Ich erinnere nur an die Rigorosität, mit der England lediglich im Interesse des Schutzes der englischen Produktion den ganzen Import von Schlachtvieh aus Schleswig -Holstein nach England unterbunden hat. Aber, meine Herren, was für ein Insel· reich wie England paßt, das vollständig unabhängig ist, weder durch die innere Gesetzgebung noch durch Verträge nach außen gebunden ist, das können wir nicht nachmachen. Unsere territoriale Lage jwingt uns schon in dieser Richtung, eine neuere Politik zu befolgen, als es England kann.

Eine Bemerkung des Herrn Abg. Werner, der sich darüber be— schwerte, daß im Innern des Reiches die Veterinärpolizei zu rigoros gehandhabt werde, habe ich bereits beleuchtet. Es ist das ein Beleg dafür, wie verschiedenartig die Dinge beurtheilt werden.

Dann hat der Herr Abgeordnete Werner auf die Mängel bei der Desinfektion der Eisenbahnwagen bingewiesen. Meine Herren ich be— zeuge ausdrücklich, daß seitens der Behörden die Desinfektion im In— lande mit der größten Strenge gehandhabt wird; ob ebenso im Aus— lande, entzieht sich meiner Beurtheilung. Aber Menschen sind Menschen. Daß in der Beziehung hin und wieder nicht alles so ausgeführt wird, wie es vorgeschrieben ist, kann vorkommen. Ich möchte indessen glauben, daß daz vereinzelte Fälle sind, und daß darauf die starke Ver⸗ breitung der Seuchen allein nicht zurückgeführt werden kann.

Auf die Ausführungen, daß der Herd der Seuchen an den Grenzen liege, und daß möglichste Absperrung nöthig sei, glaube ich nach meinen allgemeinen Darlegungen nicht nochmals eingehen zu sollen. Der Herr Abg. Gerstenberger hat darauf hingewiesen, oder ich habe ihn so verstanden, daß er eine zehntägige Quarantäne auf— richten will, sowohl im Inlande gegen verseucht: Gebiete des In— lands, als auch an der Grenze. (Zuruf) Nun, meine Herren, dann habe ich den Herrn Abgeordneten mißverstanden und werde auf diesen Pꝛnkt nur eingehen, weil er von anderer Seite, wenn ich recht unterrichtet bin, gestern angeregt ist. Eine inländische Quaran⸗ täne einzurichten, also, ich will beispielsweise sagen in Bavern gegen Württemberg, ist, abgesehen ven dem Umstand, daß das außer⸗ ordentlich schwer durchführbar ist, auch mit der Reichsgesetzgebung nicht vereinbar. Wohl ist es zulässig und dieses Recht wird auch gehandhabt wo direkte Gefahr vorliegt, durch die Einführung von Ursprungsattesten und durch thierätztliche Untersuchung jedes aus einem verseuchten Gebiet in andere Gebiete übergehende Stück Vieh auf seinen Gesundheitszustand zu prüfen und es einer gewissen polizei⸗ lichen Beobachtung, sei es in den Ställen des Empfängers, sei es in den Ställen der Händler, zu unterwerfen. Diese polizeilichen Maß⸗ regeln sind bereits längere Zeit in Anwendung, aber nur da zulãssig, wo die Gefahr der Einschleppung von Seuchen von einem verseuchten nach einem nicht verseuchten Gebiet staitfigden soll.

Meine Herren, die Frage, ob und wie weit wir uns durch Quarantäne schützen können und wollen gegen den Import von Vieh aus dem Auslande, ist Gegenstand der Erwägung. Sie ist außer⸗ ordentlich schwer durchführbar, und diese Maßregeln haben auch ihre großen Bedenken. Jedenfalls sind die Erwägungen darüber, ob es

möglich, rathsam und zulässig ist, so vorzugehen, noch nicht zum Ab. schluß gekommen.

Dann hat der Herr Abg. Gerftenberger behauptet, der Herd der Maul und Klauenseuche liege permanent in den Schlachthãusern. Meine Herren, dem muß ich auf das entschiedenste widersyrechen. Sobald ein verseuchtes Thier in einen Schlachthof hinein kommt, wird

safort die Äbschlachtung unter Kontrole der Veterinãrpolizel aus.

gefübrt, und wenn es bedenkliche Seuhen sind, wird das Fleisch ver. nichtet, wenn es unbedenklich ist, wird das Fleisch unter Kautelen in den Verkehr gegeben; kurzum, in dieser Beziehung findet die aller. schärfste und strengste Kontrole statt. Ueber zu rigoroses Vorgehen in dieser Richtung werden bäufig auch Klagen erhoben.

Meine Herren, dann hat der Herr Abg. Gerstenberger noch darauf hingewiesen, die Großhändler würden milder behandelt als der Bauer, gegen den Bauer würde viel zu strenge vorgegangen. Dieser Be⸗ hauptung muß ich entschieden widersprechen. Soweit mir die Ver⸗ hältnisse bekannt sind und in Preußen kann ich das mit Be, stimmtheit behaupten —, sind sämmtliche Staatsorgane gewillt und bemüht, ohne Rücksicht auf Großgrundbesitz, auf Kleinbesitz, auf Großhandel und Kleinhandel, die veterinärpolizeilichen Maßregeln auszuführen. Meine Herren, es ist eine undankbare Thätigkeit, welche in dieser Beziehung sowohl in der oberen, wie in der mittleren Instanz und in der unteren Instanz entwickelt wird. Man mag thun, was man will, man mag noch so streng vorgehen und man mag mit dem besten Willen handeln es beweisen das die Verhandlungen, welche über diese Dinge im Reichstage oder im preußischen Landtage geführt werden Allen kann man's nicht recht machen. Die einzige Beruhigung für mich liegt darin, daß ich das Bewußtsein habe, eingeschränkt durch Verträge und Gesetze, meine Pflicht im Interesse der deutschen Landwirthschaft treu und gewissen⸗ haft gethan zu haben, und meine Pflicht werde ich fernerhin thun, ich mag gelobt oder angefochten werden. (Bravo!)

Nach dem Abg. Dr. ö. (b. k. 79) nahm im weiteren Verlauf der Sitzung der Minister für Landwirthschaft . Frei⸗ herr von Hammerstein das Wort zu nachstehender Rede:

Ich habe nicht die Absicht, auf die letzten Ausführungen des Herrn Vorredners einzugehen.

Mir giebt eine Aeußerung des Herrn von Ploetz zu einer kurzen Erwiderung Anlaß.

Wenn Herr von Ploetz behauptet, meine Aeußerung, daß eine Divergenz zwischen dem Reichsamt des Innern und dem preußischen landwirthschaftlichen Ministerium hinsichtlich der Verwaltung der Veterinärpolizei nicht bestanden habe, stehe im Widerspruch mit einer Aeußerung, die ich im vorigen Jahre gemacht habe, so ist das ein Irrthum. Herr von Ploetz hat mir die Aeußerung nicht näher bezeichnet; soweit ich mich erinnere, habe ich mich sehr hãuftg darüber ausgelassen, daß der Dualismus und die Konkurrenz der Be— hörden des Deutschen Reichs und der Einzelstaaten in der Hand⸗ babung der Veterinärverwaltung eine gewisse Erschwerung für beide herbeiführe, nicht aber habe ich ausgesprochen, daß eine Divergenz der Ansichten über die praktische Handhabung der Gesetze vorhanden sei und daß darin die Schwierigkeit liege. Ich habe schon in der ersten Rede, die ich zur Entwickelung meines Programms im preußischen Landtage hielt, auf die Schwierigkeiten hingewiesen; sie sind aber in ganz anderer Richtung von mir gemeint gewesen, als sie Herr von Ploetz angedeutet hat.

Meine Herren, ich habe im allgemeinen keine Veranlassung, auf die Aeußerungen des Herrn Abg. Dr. Habn einzugehen; aber soweit sie sich auf das veterinärwissenschaftliche Gebiet verstiegen haben, ge—⸗ statte ich mir folgende Darlegung. Ich glaube, daß die preußische Veterinärwissenschaft und ihre gegenwärtigen Vertreter die größten Autoritäten in der Veterinärwissenschaft vielleicht in der ganzen Kultur⸗ welt sind; denn wenn irgendwo wichtige Fragen auf diesem Gebiet in anderen Staaten auftauchen, werde ich fast regelmäßig ersucht, dieselben von der Deputation für das Veterinärwesen oder durch einzelne unsere Veterinäre prüfen und untersuchen zu lassen. Schon daraus folgere ich, daß ich mich mit Fug und Recht in allen Fragen veterinär⸗ technischer Natur ausschließlich auf unsere wissenschaftlichen Autoritäten stätze. Ich bin selbstverständlich nicht in der Lage, die wissenschaft⸗ liche Darlegung, die Herr Dr. Hahn bier mit großem Eifer und Geschick vorgetragen hat, auf ihre Richtigkeit hin zu prüfen. Auch bin ich nicht in der Lage, eine Autorität wie den Hamburger Staats-Thierarzt Vollers, den Herr Dr. Hahn angeführt kat, hinsichtlich seiner Bedeutung zu beurtheilen, obgleich mir bekannt ist, daß er ein tüchtiger Herr ist. Der Reichstag ist nach meinem Dafürhalten ebensowenig in der Lage, auf Grund der veterinärwissenschaftlichen Darlegungen des Herrn Dr. Hahn veterinärtechnische Beschlüsse zu fassen, und ich werde Ver⸗ anlassung nehmen, die interessanten Sachen nach ihrer stenographischen Aufijeichnung der Deputation für das Veterinärwesen zugänglich ju machen. Ich glaube aber, daß die meisten der Darlegungen den von mir bezeichneten wissenschaftlichen Autoritäten längst bekannt sind.

Einiges aus den Darlegungen des Herrn Dr. Hahn will ich herausgreifen. Herr Dr. Hahn sagte, die Ansteckungsgefahr bei der Maul⸗ und Klauenseuche erstrecke sich über 10 Tage hinaus. Die exakten Versuche, die gemacht sind, um festzuftellen, wie lange die Inkubation dauert, haben erzeben, daß über 10 Tage hinaus der Seuchenstoff in keinem Thiere verborgen blieb. Herr Dr. Hahn hat auch schon angeführt, daß häufig nicht die unmittelbare Ansteckung von Thier zu Thier die Ursache der Verbreitung der Maul⸗ und Klauenseuche sei, sondern daß der Ansteckungsstoff der Maul⸗ und Klauenseuche oft in den Haaren, den Exkrementen u. s. w. sich finde. Es ist zweifellos, daß der Ansteckungsstoff, der auf diese Weise dem Thier anhaftet, weit über 10 Tage hinaus wirksam ist. wahrscheinlich weit über die Frist, die Herr Dr. Hahn ar gegeben hat. Also diese Gefahr wird durch Verlängerung der Frist, auch über die 4 Wochen hinaus, garnicht zu verhindern sein. Es ist ein Uebelstand bei Maul⸗ und Klauensenche, daß ihr Kontagium an⸗ scheinend durch alle möglichen Gegenstände und Thiere äußerlich ver⸗ schleppt werden kann. Ich habe schon hervorgehoben, meine Herter daß die Frage, welches der Ansteckungsstoff ist, Gegenstand der wissen⸗ schaftlichen Untersuchung sei. Ich führte vorhin in meiner Rede aus, die polizeilichen Maßregeln genügten nicht, wir müßten der Sack noch weiter auf den Grund kommen und sehen, wo der Anfteckungt= stoff läge, ob es ein Bacillu oder was sonst sei; und mit Losuns dieser Frage sind die Herren Veterinäre, Aerzte und sonstigen Fer cher seit langem beschäftigt.

Meine Herren, dann darf ich noch eine kurze Bemerkung binzu⸗ füzen. Gz ist gesagt worden, ich glaube, von Herrn Dr. Hahn, jeden falls von Herrn von Ploetz und auch noch von anderen Rednern des Hauses: auf diesen und auf anderen Gebieten würden immer goldene Berge versprochen, es werde aber wenig geleistet. Die kleinen Mittel, welche in Aussicht gestellt seien, werden nicht angewandt. Dagegen

muß ich entschieden Widerspruch erheben. Reine Herren, unter 5en

kleinen Mitteln der Ausdruck ist mir eigentlich nicht gerade sym= pathisch (Heiterkeit) versteht man in der Regel alle diejenigen Maßregeln, welche ich in meiner ersten Programmrede im preußischen Landtage dargelegt habe. Wenn Sie die Güte haben wollen, die Denkschrift über die Maßnahmen auf landwirthschaftlichem Gebiet in den letzten Jahren zu lesen, welche das Staats. Ministerium Seiner Maiestät dem Kaiser und Könige überreicht hat, welche nachher Seine Majestät weiter zu verbreiten befohlen hat, so werden Sie finden, daß in den letzten paar Jahren für die Landwirthschaft auf allen Gebieten, auf legislativem Gebiete, auf dem Gebiete der Verwaltung, durch direkte und indirekte Unterstützung der Landwirthschaft viel mehr ge—⸗ scheben ist, als vielleicht in 28 Jahren vorher. Auf diesem Wege wird man weiter vorwärts gehen und wird das, was von den da— maligen Zusagen noch unersüllt ist, ganz zweifellos einlösen und die Mitwirkung der Parlamente dabei in Anspruch nehmen, soweit es sich um Maßnahmen auf legislativem Gebiet handelt.

Noch einen Punkt muß ich berühren. Neuerdings haben die Herren, die den Bund der Landwirthe vertreten, eine Eingabe an mich gerichtet, die sich auf das Veterinärgebiet bezog. Ehe ich die Eingabe zu Händen bekam, war sie bereits in der Presse verbreitet. Ich habe Veranlassung genommen, thatsächliche Mittheilungen aus dieser Ein⸗ gabe zu berichtigen; denn die gesetzlichen Bestimmungen waren unvoll— ftändig wiedergegeben, auch enthielt die Begründung verschiedene Un richtigkeiten. Ich habe diese Berichtigung durch die Presse eintreten lafsen und damit denselben Weg betreten, den die Herren ihrerseits betreten haben. Aber ich bedaure es, daß dieser Weg beschritten werden mußte. Es verbreitet sich häufig durch solche sofort der Oeffent⸗ lichkeit übergebene Mittheilungen eine irrige Auffassung über das, was die Staatsregierung gethan hat bezw. zu thun gewillt ist. Wenn man abgewartet hätte, bis ein Bescheid auf diese Eingabe erfolgt war, so hätte man eine Irreführung in obiger Richtung vermieden, es wären nur Ausführungen in die Oeffentlichkeit gekommen, welche unanfecht bar waren. Ich richte die Bitte an die Herren, wenn sie mit solchen Eingaben hervortreten, zu versuchen, eine objektive Beurtheilung auf diesem Gebiet auch in weiteren Kreisen herbeizuführen; denn wenn durch eine nichtobjektive Darstellung, vielleicht unbewußterweise, eine falsche Darlegung über die Thätigkeit der landwirthschaftlichen Ver— waltung in weitere Kreise getragen wird, so nützt man damit nicht der Landwirthschaft, schadet ihr vielmehr und untergräbt verkehrterweise das Vertrauen zur landwirthschaftlichen Verwaltung, dessen dieselbe nicht wohl entbehren kann, wenn sie helfen soll. (Sehr richtig h

Nun, meine Herren, ich glaube, daß ich sine ira et studio diese Mittheilung gemacht habe; ich will keine weitere Kritik daran knüpfen, ich habe mich nur für verpflichtet gehalten, diese Dinge zur Sprache zu bringen, weil ich wünsche, daß in künftigen Fällen anders verfahren werde.

Zum Schluß, meine Herren, mache ich noch auf eins aufmerksam. Wir haben heute etwa vier Stunden uns mit der Veterinärfrage be— schäftigt; im vorigen Jahre hat Gleiches hier und im preußischen Landtage stattgefunden. Ob es immer zum Vortheil der Landwirthschaft gereicht, wenn diese Fragen so in die Oeffentlichkeit getragen werden, erscheint mir nach hinter mir liegenden Erfahrungen in hobem Grade zweifelhaft. Ich erkenne aber an, daß die Verhandlungen für heute durchaus objektiv lediglich vom veterinärpolizeilichen Standpunkte aus geführt sind. Wären sie geführt in der Weise wie im vorigen Jahre im Abgeordnetenhause, so kann ich mir nicht ver— lehlen, daß unser Verhältniß zu den Nachbarstaaten nicht erleichtert, sondern ganz erheblich und, wie ich glaube, zum Nachtheil der Land— wirthschaft erschwert worden wäre. Im übrigen bin ich dankbar, daß mir hier Gelegenheit zur Aussprache gegeben worden ist. Die Er— örterungen, die heute hier stattgefunden haben, werden schon in einigen Tagen im preußischen Landtage von neuem stattfinden; letztere sind durch die heutige Verhandlung, wie ich glaube, wesentlich erleichtert worden. Uebrigens werde ich auch ferner bemüht sein, eine möglichst objektive Stellung, wie bisher so auch in den noch bevorstehenden Ver⸗ handlungen, einzunehmen. (Bravo! rechts und in der Mitte.)

160. Sitzung vom 23. Januar 1897, 1 Uhr.

Tagesordnung: Fortsetzung der zweiten Berathung des Reich sßaushalis-Gtalsè für 18M 3, und cher beun Etat der Reichsschulden.

Abg. Dr. Lieber (Zentr.): Ich beabsichtige nicht, die Erörte⸗ zungen über die Reicht Finanzpolitik von neulich heute fortzusetzen. dreh glaube ich, daß es angebracht ist; bei dem Kapitel der Reichtszschulden die Aufmerksamkeit des Reichstages und der berbündeten Regierungen darauf zu lenken, daß ein Grund der schweren Verschuldung des Reichs der Umstand ist, daß wir offenbar ju früh mit der Begebung dreiprozentiger Anleihen vorgegangen sind. In den Anlagen zum Konvertirungsgesetz sind Tabellen enthalten, aus denen dieser Beweis zu führen ist. Ich bedauere, daß nicht gleiche Tabellen dem preußischen Konvertierungsgesetz beigegeben sind. Statt des ausgegebenen Nominalbetrags von gg 255 160 M haben wir Netto nur 761 793 56ß3 M erhakten, also rund 14 des Kapitals derloren, und der Rest wurde nicht mit 3, sondern rund mit 35 M ver— linst, und wenn die Tilgung beginnen wird, werden wir 123 Mill. mehr zu tilgen haben, als wir an, erhalten haben. In Preußen sind s3ß Millionen 3 prozentiger Anleihen begeben zum Nettopreise von zz Millionen, und der Zins stellte sich sogar 'über 31 oö; bei der Tilgung sind 58 Millionen mehr erforderlich, als Kapital gezahlt ist. Der Schatzfekretär bleibt dabei . Verantwortlichkeit, während die Iprozentigẽ Aera in Preußen mit dem Amtgantritt des preußischen nam g i tere zusammenfällt. Man kann also für Preußen und ür das Reich ein Konto von weit über 200 Millionen Mark ins Debetkonto schreiben, die wir mehr schuloig geworden sind, als wir Fapital erbalten haben. Das ist um so bedenklicher, als die 3) pro— Untigen Papiere zum theil weit über pari begeben sind. Wir haben dabei d Millionen mehr erhalten, und der hof stellt sich daher ar als 36 o6bE. Es genügt mir für heute, diese Thatsachen

ustellen.

Staatssekretär des Reichs- Schatzamts r. Posadowsky⸗Wehner:

Meine Herren! Thatsächlich gestatte ich mir zunächst zu bemerlen, deß im Jahre 1890 dreiprofentige Papiere ausgegeben sind gleich iätig vom Reich und von Preußen in gegenseltiger Ueberelnstlmmung, and jwar wurden damals 170 Milllonen dreiprosentige Yelch— Anleihe und 65 Millionen preußtscher Anleibe durch elne gleich—

Graf von

reitige Bekanntmachung des Reichsbank. Direktoriums und der See⸗ handlung vom 4. Oktober 1890 zur öffentlichen Zeichnung aufgelegt. Die Gründe, warum man damals von dem 3 prozentigen zu dem 3 prozentigen Typus überging, lagen zunächst darin, daß nach Auskunft der sachverständigen Kreise und auch nach den Erklärungen des

Banguierkonsortiums, mit dem man wegen der Begebung in Ver · bindung trat, der Markt mit 3 prozentiger Reichs- Anleihe überfättigt

war, und man befürchtete, daß bei weiterer Begebung einer größere Menge 3 Iprozentiger Anleihen voraussichtlich der Kurs der 34prozentigen wesentlich gedrückt werden würde. Im allgemeinen ist es erwünscht, Papiere auszugeben, deren Kurs sich nicht über Pari stellt, weil eine Kündigung und Zurückahlung von Papieren, die über Pari ftehen, die Finanzverwaltung in ihren Verfügungen zu genieren pflegt. Wir haben das ja aus zahlreichen Reden gehört, die hier in diesem Hause und im preußischen Abgeordnetenhause gehalten sind und die sich gegen eine Konvertierung aussprechen, weil eine Konvertierung von Werth— papieren, die über Pari ftehen, nicht nur mit einem Zins-, sondern auch mit einem Kapital-Verlust für die Gläubiger verbunden sei. Es empfiehlt sich deshalb, den Zinstypus so festzusetzen, daß die Schuldtitel möglichst in der Nähe des Parikurses sich bewegen. Für eine Begebung z3prozentiger Papiere ist aber ferner der Grund ins Gewicht fallend, daß es erwünscht ist, unsere Anleihen möglichst im Inlande unter⸗ zubringen, und um das zu erreichen, empfiehlt es sich, Papiere unter Pari auszugeben, weil dann dem Käufer immer noch die Aussicht auf einen kleinen Gewinn infolge der möglichen Kurssteigerung verbleibt. Die Ausführungen des Herrn Vorredners sind ja nach ihrer arithmetischen Seite ganz unzweifelhaft richtig. Es ist richtig, daß nach dem neuesten Abschluß, den ich Ende Dezember habe auf— stellen lassen, wir gegenüber dem Nominalbetrage der 3 prozentigen Anleihe 123 562312 an Valuta verloren haben, und daß die 3prozentige Anleihe noch mit 0,020“, höher zu verzinsen war, wie die 3 prozentige. Ich glaube aber, die Schlüsse, die aus dieser arithmetischen Thatsache gezogen werden, würden nur dann zutreffend sein, wenn man annehmen könnte, daß bei weiterer fortgesetzter Be⸗ gebung 3 prozentiger Papiere der Kurs immer, derselbe geblieben wäre, wie er dieser vergleichenden Statistik zu Grunde gelegt ist. Diese Annahme kann man aber als ohne weiteres zutreffend nicht hinstellen. Eine ganz genaue Vergleichung, wie sich die schließliche Bilanzierung im Interesse des Reichs und in Preußen gestellt hätte, wenn man fernerhin 39 . Schuldtitel ausgegeben hätte gegenüber dem neuen Typus von 3 Y ließe sich nur dann aufstellen, wenn man auch gleichzeitig 35 0/0 und 3 J Schuldtitel, und zwar in gleichen Summen realisiert hätte und dann berechnete, wie viel Valuta wir für jeden Typus bekommen haben und wie sich demgemäß die Ver— zinsung gestellt hat. Alle anderen Berechnungen vergleichender Natur werden aber nie vollkommen beweiskräftig sein, aus dem einfachen Grunde, weil ja nach den augenblicklichen Geld. und politischen Ver— hältnissen die Valuta der realisierten Anleihetitel sich verschieden stellt und nach dieser verschiedenen Valuta, die abhängig ist von äußeren Konjunkturen, sich selbstverständlich auch der Prozentsatz verschieden stellt, den wir für eine aufgelegte Anleihe thatsächlich zu entrichten haben. Da aber, wie Sie aus den Anlagen zum Konvertierungsgesetz ersehen, die Valuta der 3 prozentigen geschwankt hat von 83,8078 bis 99,3280, so hat sich natürlich nicht nur der Zinsfuß für jede einzelne Anleiheaufnahme verschieden gestaltet, sondern auch der Durchschnittszinsfuß, der aus der Begebung sämmtlicher 3 prozentiger Anleihen herausgerechnet ist, hat sich aus diesen wechselnden Faktoren der einzelnen Anleihebegebungen gebildet. Wenn man also jetzt den Grundsatz aufstellt, wir wären mit der Begebung 35 prozentiger Titel voraussichtlich besser fortgekommen, weil sich thatsächlich die Verzinsung der 3 prozentigen Anleihetitel etwas höher gestellt hat, so muß man dagegen sofort den Einwand erheben, dieser Vergleich wäre nur berechtigt, wenn man 3 prozentige und 3 prozentige in gleichen Summen und gleichzeitig, d. h. unter gleichen Verhältnissen, ausgegeben hätte; denn sonst kann man nicht wissen, welchen Erlös die 3 prozentigen zu der Zeit gebracht hätten, wo die 3 prozentigen thatsächlich ausgegeben sind.

Ich glaube deshalb, mit dieser Sicherheit kann man aus der Verschiedenheit der Grundlagen, welche bei der Vergleichung heran—⸗ gezogen sind, nicht schließen, daß die Begebung der 3prozentigen an sich eine finanziell unrichtige Maßregel war.

Abg. Dr Enneccerus (nl): Die Rechnung des Herrn Lieber wäre richtig gewesen, wenn eine baldige Einlösung und Konvertierung der 3 prozentigen Anleihe beabsichtigt wäre. Da aber die Gläubiger nicht kündigen können, so kommt es nicht auf den Nominalbetrag, sondern nur auf den Zinsfuß an. Das beweist der Zinssatz in dem gleichen Jahre. 1895 verzinsten sich die 3 prozentigen mit 3, 35 0lo, die 3prozentigen mit 3, 02 0, also 6/9 niedriger.

Abg. von Kardorff (Rp.): Ich weiß, daß der Finanz⸗Minister Miquel sehr schwankte, ob man den 3. oder 39 prozentigen Typus wählen sollte. Er hat sich wesentlich durch das Votum der Finanz⸗ autoritäten bestimmen lassen. Sie werden dafür gute sachliche, nicht egoistische Gründe gehabt haben; auf das Votum der Finanzkräfte muß etwas gegeben werden. Ich bin der Ansicht gewesen, daß man bei dem 3 prozentigen Typus bleiben solle.

Staatssekretär des Reichs-Schatzamnts Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner:

Zur Klarstellung der damaligen Situation wird es vielleicht beitragen, wenn ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten einen Passus aus einem Bericht verlese, der damals erstattet wurde, als die Genehmigung Seiner Majestät des Kaisers für den 3 Proz. Typus eingeholt wurde. In diesem Bericht vom 8. September 1890 findet sich folgende Ausführung:

„In Bankkreisen wird die Meinung vertreten, daß der in— ländische Markt mit 34 prozentigen Papieren übersättigt sei. und daß ein 3 prozentiges Anleihepapier willigere Aufnabme finden werde, sich auch zu günstigeren Bedingungen werde begeben lassen. Für diese Auffassung scheint der verhältnißmäßig bobe Kurs der sächsischen 3 prozentigen Rente zu sprechen, welcher am 4. September d. J. 91 0̃0 betrug, während sich bei Zugrundelegung des Kurses der 3h prozentigen Reichs -Anleihe vom gleichen Tage für ein 3pro— zentiges Rentenpapier nur ein Kurs von 85,80 ergeben würde.“

Es war also mit anderen Worten bei der sächsischen Rente eine Differenz von 91: 85,80 zu Gunsten des 3 prozentigen Typus. Der Zprozentige Tvpus ist gewählt in Uebereinstimmung des YVerrn Reichslanzlers, des preußischen Herrn Finanz. Ministers und des Herrn Reichsbank ⸗Präsidenten, und maßgebend dafür waren die Kurs« erscheinungen, die sich bei der 3 prozentigen sächsischen Rente gegen— siber den 39 projentigen Reichg⸗ und preußischen Anleiben gezeigt hatten. Ferner die Thatsache, daß der Markt mit 3rprojentigen

Papieren überfüllt war und daß endlich das Konsortium, mit welchem über die Begebung neuer Reichs. und neuer preußischer Anleihen ver⸗ handelt wurde, nicht geneigt war, fernerhin 3 prozentige Papiere ju übernehmen.

Abg. Fritzen (Zentr.) hält es doch für richtig, daß ein Verlust bermeiden können. Jedenfalls stände diefe Kahstälberlust keine Verminderung des Zinssatzes gegenüber. Redner bezeichnet es als erfreulich, daß die Verzinsung der Reicheschuld nur unerbeblich zu⸗ 6 habe, aber bedenklich sei es, daß die Zinsen für die a n, sich vermehrt hätten.

ö bg. Dr. Enneccerus al): Eine Verminderung des Zins fußes hätte erreicht werden können, wenn man die Kurs steigerung bätte voraussehen können; dazu war aber auch Herr Fritzen nicht 3 . denn durch die Begebung der Anleihe ändert sich er Kurs.

Staatssekretär des Reichs- Schatzamts Dr. Graf von Posadowsky⸗-Wehner:

Meine Herren! Ich möchte mir gegenüber den Ausführungen des Herrn Abg. Fritzen noch eine ganz kurze Bemerkung erlauben. Ich glaube, darin hat der Herr Abg. Enneccerus Recht: man kann nicht die eventuellen Chancen der 3 prozentigen oder z prozentigen Anleihen nach kleinen Summen bemessen, die aus solchen An— leihen, die schon verausgabt waren, nur in andere Hände übergegangen sind. (Sehr richtig) Obgleich ich auch da im praktischen Leben die Erfahrung gemacht habe, daß man manchmal den Kurs von Staats. und Kommunalpapieren schon wirft, wenn man auch nur 30 00 M an der Börse verkauft. Der Fall, der hier zu beachten, ift ein anderer. Im Jahre 1890 sollte ein Anleihetvpus, für den schon so erhebliche Beträge am Markt waren, allein für das Reich 790 Millionen, verstärkt werden durch weitere Begebung von 33 prozentigen Anleihen in Höhe von 170 Millionen, und wenn man den Betrag dazu rechnet, der damals noch von Preußen verausgabt werden sollte, so wären sogar gleichzeitig 235 Millionen 3 prozentige am Markt erschienen. Diese Summe hätte natürlich ganz anders auf den Kurs der 31 prozentigen Papiere gewirkt, wie der Uebergang eines Quantums bereits begebener 33 prozentiger Papiere in die Hand eines anderen Besitzers. Wenn schließlich der Herr Abg. Fritzen sagt, es wäre doch nicht nöthig, daß zu dem Be⸗ weise, den man führen will, eine gleichzeitige Ausgabe von 33⸗ und Z prozentigen Papieren, und zwar in gleich hohen Beträgen, die Vor— aussetzung bildete; man hätte sich ja ohnedies genau berechnen können: wie hoch stehen die 35 prozentigen Papiere, und wie hoch werden sich also voraussichtlich die 3prozentigen stellen, und danach hätte man sich auch die Konjunkturen für beide Typen anderweit berechnen können, so ist eben diese Berechnung damals angestellt für die Kurtznotierung der 3 prozentigen Reichs-Anleihen und preußischen Staats-A1nleihen gegenüber der 3 prozentigen sächsischen Rente, und auf Grund dieses Vergleichs ist man dazu geschritten, 3 prozentige Titres in Preußen und im Reiche abzugeben.

Abg. Dr. Lie ber (Zentr) bleibt dabei, daß man zu früh mit der Ausgabe 3 0 o iger Anleihen angefangen habe.

Der Etat der Reichsschuld wird genehmigt, ebenso der des Rechnungshofes.

Es folgt die erste Berathung des Gesetzentwurfs, be⸗ treffend die Abänderung der Unfallversicherungs— gesetz e.

Abg. Rösicke (6. . F): Es läge wohl Ursache vor zur Er— örterung der Frage der Vereinfachung, wenn diefelbe nicht vom Bundesrath bel der Novelle zur Invalidenversicherung erledigt worden wäre. Der Vorschlag, an die Stelle der Berufsgenoffenschaften territoriale Verbände zu setzen, ist namentlich von den Sozialdemo— kraten gemacht worden. Von dem territorialen System ist man aber abgekommen, weil man die Lasten richtig vertheilen wollte; das Gewerbe sollte die Lasten selbst nach der Unfallgefahr vertheilen und hat sich dabei auch mit den Lasten am besten abgefunden. Bei einem Durchschnitt von 9 pro Kopf betragen die Kosten in den einzelnen Berufsgenossenschaften 3 bis 22 ; innerhalb der Genoffen⸗ schaften sind auch noch große Verschiedenheiten, so in der Brauerei von 11 bis 36 S, in der chemischen Industtie von 3 bis 37 ½ und in der Feinmechanik 2.50 bis 366 S6 Für einen Bezirk hätte man einen alle diese Verschiedenheiten berücksichtigenden Tarif nicht aufstellen können. Etwas Ideales ist allerdings bezüglich der Unfallverhütung noch nicht erreicht worden, allein bei territorialen Verbänden hätte man in dieser Beziehung noch weniger erreichen können. Die Klagen über die Höhe der Verwaltungskosten sind ein Märchen aus akter Zeit, als die Zahl der entschädigten Unfälle noch eine geringe war. Jetzt sind die Kosten schon erbeblich zurückgegangen und im Be— harrungszustande werden sie 9 100/ der Eantschädigungen betragen. Zudem tragen die Arbeitgeber allein die Kosten. Die Invalidenversicherung kostet, trotzdem es sich nur um die Feststellung des Alters und der Invali' dität handelt, 0 J pro Kopf; die Berufsgenossenschaften baben viel mehr zu leisten, namentlich die Unfallverhütung und die Beitragseinziehung zu besorgen. 64 Millionen werden jetzt, und zwar infolge der Selbst⸗ verwaltung, ohne Opposition getragen. Ic kann mein Bedauern nicht unterdrücken, daß das Reichs Versicherunge amt nicht durch seinen be= währten, in der Praxis bewanderten Präsidenten vertreten ist. (Zuruf des Staatssekretärs, Staats-Ministers Dr. von Boetticher: Das Amt ist vertreten) Ich sebe allerdings Herrn Gebeimen Rath Zacher; aber das Fehlen des Präsidenten bestaͤtigt die Bebauptungen von der Uneinigkeit des Reichkamts des Innern und des Versicherungs— amts. Die Vorlage enthält Bestimmungen, die die Stellung des Versicherungsamts lLerabdrücken, so bezüglich der Bildung der Schiede. gerichte, bezüglich der Beaufsichtigung der Vermögensverwaltung, der Entscheidung der Beschwerden gegen Berufsgenossenschaften., in der Besetzung der entscheidenden Rekursbebörde, der Vermebrung der Mit« glieder des Bundesratbs, von denen zwei demselben nicht anzugebören brauchen. Die Mitglieder des Bundesratbs sind keine unab- abbängigen Richter, sondern ihren Regierungen verantwort. lich. 8 spreche mich persönlich, nicht im Namen aller Berufsgenossenschaften, für die Ausdebnung auf das Handwerk aus,

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