1897 / 21 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 25 Jan 1897 18:00:01 GMT) scan diff

ver Aufsatz über den Wagenmangel und seien Ursachen, der in der Vereinszeitung des deutschen Eisenbahnvereins gestanden hat, weder vom Ministerium, noch von irgend einer Eisenbahn⸗ behörde beeinflußt worden ist, sondern das Spezialprodukt eines Beamten ist, der offenbar mit diesen Verhältnissen nicht vertraut ist. Das ift dem Betreffenden auch zu erkennen gegeben. .

Sndlich hat Herr Graf von Frankenberg erwähnt, daß nicht nur die Kohlenindustrie durch den Wagenmangel in Mitleidenschaft ge⸗ zogen werde, sondern daß sich auch nicht selten der Uebel⸗ ftand ergäbe, daß ein Tage lang vorher beftellter Langholi- wagen nicht zur rechten Zeit an der betreffenden Station bereit gestellt würde. Meine Herren, das kann vorkommen. Gs ift sehr bedauerlich, aber es ist erklärlich durch mancherlei Zu⸗

fälligkeiten im Betriebe. Die Langholjwagen sind naturgemäß nicht in so großer Anzahl vorhanden und können nicht auf den kleinen Stationen, wo die Verladung der Langhölzer, der Stämme vor sich geht, wamer vorräthig gehalten werden, sondern müssen in der Regel aus weiter Ferne herangeführt werden. Da kann es wohl vorkommen, daß aus irgend welchen Gründen, weil der betreffende Zug keine Wagen hat können mitnehmen, oder weil der Wagen sich heiß gelaufen hat, oder aus anderen Gründen kein Wagen mehr hat herangeschafft werden konnen. Es ist infolge dessen angeordnet worden, einmal daß in solchen Fällen das Holz unentgeltlich auf den Stationen gelagert werden kann, und zweitens, daß von dem Nichteintreffen des Wagens dem betreffenden Besteller thunlichst rechtzeitig Mittheilung gemacht werde.

Endlich kann ich mich nur einverstanden erklären mit den Be⸗ strebungen, die Herr Graf von Frankenberg in dankenswerther Weise seit Jahren verfolgt, um dem Fischtransport bessere Bedingungen zu verschaffen und die Fische als Volksnahrungsmittel in dem Lande immer weiter zu verbreiten.

Meine Herren! Wenn ich glaube, diejenigen Punkte hier erörtert zu haben, nach der Anregung des Herrn Grafen Frankenberg, die einer speziellen Erörterung noch bedurften, so möchte ich schließlich noch hervorheben, daß für die Staatseisenbahnvvmerwaltung, und ich glaube auch für das Land, doch aus den Erfahrungen, die wir in diesem Jahre wiederum in Bezug auf den Wagenmangel gemacht haben, ein Trost hervorgeht. Nirgendwo hat uns der eigentliche Eisenbahnbetrieb im Stiche gelassen. Die Leiftungen des Betriebes im Zugverkehr, im Stationsdienst sind im Großen und Ganzen untadelhaft gewesen und das berechtigt zu der Hoffnung, daß der Wagenmangel, wenn er auch nicht gänzlich ausbleibt, doch bei dem sehr stark sich vermehrenden Park an Wagen wie an Maschinen in den zukünftigen Jahren nicht mehr die Bedeutung haben wird, wie das in den letzten Jahren leider noch der Fall gewesen ift. (Bravo!)

Prinz zu Carolath: Die Vermehrung der Betriebsmittel, die der Minifter angekündigt hat, ist schon ein Erfolg des Antrages. Wir wünschen aber mehr, als die Kommission wünscht. Kenntniß genommen hat ja die Regierung längst. Wir wünschen Berücksichtigung. Der Antrag ist ja auch nicht von heute, sondern stammt schon aus dem November b. J. Nicht bloß die Kohlenindustrie, sondern auch die Textilplätze der Niederlausitz haben berechtigte Klagen über Wagen— mangel zu erheben, insofern, als sie durch denselben im Bezuge des Brenn⸗ materials ganz erheblich behindert wurden. Die Lieferung der Lausitzer Steinkohle ist für diesen Bezirk durchaus nothwendig, da die ober— schlesische viel teurer ist. Der Fabrikantenverein zu Kottbus hat sich an die betreffende Eisenbahnverkehrs⸗ Inspektion im Oktober

ewendet und den Bescheid erhalten, daß sein Antrag der Eisenbahn⸗

irektion in Halle vorgelegt sei; von dort aber kam bis nach 14 Mo— naten keine Antwort, und in dieser Zeit machte sich ein täglicher Wagenmangel geltend. Der Fabrikantenverein wandte sich dann an den Minister, und ich bin überzeugt, daß der Minister thun wird, was er kann, um die Direktion anzuweisen, thatkrärtig und bald thänlichft einzugreifen. Als Vorsitzender des Deutschen Fischereivereins

schliefe ich mich den Wünschen des Grafen Frankenberg an, danke—

aber gleichzeitig dem Minister für die Umsicht und Sorgfalt, mit welcher schon jetzt die Fischtransporte expediert werden.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Das Lausitzer Kohlenrevier hat an dem Wagen— mangel theilgenommen, wie alle anderen Produktionsstätten, und zwar um der Gerechtigkeit willen. Ob aber in dieser Beziehung das Nieder lausitzer Kohlenrevier nicht vielleicht etwas zu scharf angefaßt worden ist, und ob nicht die Eigenthümlichkeiten der dort produzierten Kohlen, wie sie der Prinz Carolath ebenfalls hervorgehoben hat, nicht eine ausnahmsweise Berücksichtigung nothwendig machen, das soll demnächst und dazu sind die Anregungen schon gegeben von der Direktion Halle und dem dortigen Ober-⸗Bergamt erörtert werden. Der Hauptübelstand in der Kottbus-⸗Forster Industrie liegt darin, daß sie bisher nicht gewohnt war, und vielleicht auch mit Rück— sicht auf die Beschaffenheit der Kohle nicht im stande gewesen ist, sich Vorräthe zu halten. Die höchsten Vorräthe beziffern sich auf 3 Tage, und das ist für den Herbst und Winter zu wenig; denn selbst vom Wagen mangel abgesehen, können elementare Hindernisse, z. B. ein großer Schneefall, es zu stande bringen, daß drei Tage lang keine Kohle nach Kottbus oder Forst hinkommt, dann ist die Industrie sofort in großer Ver⸗ legenheit. Meines Erachtens müßte die Industrie doch in der Be— ziehung auch ihrerseits etwas mehr thun und größere Lager sich halten, und zwar um so mehr, da es sich doch im Großen und Ganzen nicht um sehr erhebliche Mengen handelt; es handelt sich ja nur um die erforderlichen Maschinenkohlen.

Was nun speziell die Vorwürfe betrifft, die das Forster Tage— blatt der Staattzeisenbahn gemacht hat, und die Schlußfolgerung, die das Forfler Tageblatt aus den zu wenig gestellten Wagen für Kohlen transporte nach Forst u. s. w. gezogen hat, so möchte ich mir gestatten, doch aus den Berichten, die mir aus diesem Anlaß zugegangen sind, dem hohen Hause einige Mittheilungen zu machen.

Die Fabriken in Forst beziehen ihre Kohle zum weitaus größten Theil von den Stationen Teuplitz, Kölzig und Döben, und zwar nicht direkt von den Gruben, sondern durch Vermittelung von Agenten, um geringen Theil von dem Niederlausitzer Revier und Vetschau. Die Agenten haben nun in diesem Jahre, wie gemeldet wird, größere Abschlüfsse gemacht, als die Kohlenwerke produzieren konnten. Nun spricht, wie angenommen wird, eine größere Wahrscheinlichkeit dafür, daß der Mangel an Lieferungen ausschließlich auf den bestehen— den Wagenmangel geschoben wird. Außerdem ist eine der Gruben infolge eines Wolkenbruchs Tage lang im Betrieb gestört worden; auch das hat die Eisenbahnverwaltung ihrerseits austragen müssen. Dann konnten die betreffenden Gruben, namentlich in Teuplitz, zu der Zeit, wo es sich darum handelte, eine starke Förderung eintreten zu lassen, diese nicht bewirken, weil sie keine Arbeiter haben konnten; sie konnten keine Nachtschichten einfübren; infolge dessen blieben die Lieferungen weit hinter dem ge— forderten Maß zurück. Es sind infolge dessen in der Zeit vom

1. September bis 30. November im Ganzen 1392 Wagen Koblen in Teuplitz weniger als im Vorjahr zur Verladung gekommen, weil weniger gefördert worden ist. Diese 1392 Wagen sämmtlich oder auch nur zum größten Theile dem Wagenmangel der Eisenbahn auf das Konto zu setzen, wäre meines Erachtens nicht gerechtfertigt. Die Grube Phönix in Költzen bat infolge einer Betriebsstörung seit 12. November überhaupt keine Koblen mehr nach Fort bringen können. Die täglichen Lieferungen an Kohle hatten bis zu dem genannten Tage täglich nach Forst 6 Wagen betragen; die sind ausgefallen, sodaß unter dem dem Wagenmangel zugeschriebenen Ausfall doch mindestens von dieser einen Grube in der betreffenden Periode 90 Wagen in Betracht

kommen.

Am Schlusse meiner Ausführungen kann ich indessen nur die Versicherung geben, daß die betreffende Frage auf das genaueste unter- sucht warden foll, namentlich nach der Richtung, ob nicht in Zukunft das Niederlausitzer Revier auf Grund seiner eigenthümlichen Ver⸗ hältnisse besser bedacht werden kann, als es bis jetzt der Fall ge⸗

wesen ist.

Graf von Rothkirch-Trach spricht dem Minister gleichfalls seinen Dank für die billige Frachtberechnung der Fischtranporte, kann aber nicht zugeben, daß der Verkehr auf der Staatsbahn völlig tadellos sei, und führt ein Beispiel des Gegentheils aus seiner eigenen Praxis an.

Damit schließt die Diskussion. Der Antrag L des Grafen von Frankenberg wird der Regierung zur Berücksichtigung überwiesen. ;

Hierauf wird über die Anträge U und III und den Kommissionsantrag die Diskussion eröffnet. ö

Graf von Frankenberg: Der Aufschwung der Industrie ist unleugbar; im Gegensatz dazu befindet sich die Landwirthschaft in . Lage. Bie Industrie ist durch ibre ausgezeichnete Vertretung viel weiter in der Erfüllung ihrer Wünsche bei der Eisenbahnverwaltung hinsichtlich der Tariffrage als die Landwirth⸗ schaft, die jetzt erst in den Landwirthschaftskammern eine Ver— tretung gefunden hat, welche ihre bezüglichen Wünsche zur Geltung bringen kann. Die ostelbischen Provinzen müssen durch ein Staffel tarifsystem berücksichtigt werden, welches so konstruiert werden muß, daß es auch dem Westen entgegenkommt. Die geographische Lage dieser 1 verlangt dies. Von einem ungünftigen Einwirken dieser Staffeltarife auf die Preise kann nicht die Rede sein. Ich empfehle Ihnen den Antrag der Kommission.

Freiherr von Landsberg kann diesen Ausführungen nicht bei⸗ treten. Westfalen würde von den Staffeltarifen unbedingt Nachtheil haben; das gelte großentheils von dem ganzen Westen und Süden Deutschlands. Wahrend des Bestebens der Staffeltarife habe sich das Preisverhältniß des . zwischen dem Osten und Westen ganz bedeutend verschoben. Redner sucht das an einer Reihe von mit Zahlen belegten Beispielen im Einzelnen nachzuweisen. Die Land— wirthschaft nicht nur, sondern auch Handel und Gewerbe hätten im Westen von den Staffeltarifen nur Nachtheile zu besorgen. Es habe sich ja auch seiner Zeit eine Reihe von Bezirks⸗Eisenbahn⸗Räthen von Hannover, Köln u. J. w. gegen die Staffeltarife ausgesprochen. Redner bittet deshalb, den Antrag des Grafen Frankenberg abzulehnen. Nach⸗ dem die Handeleverträge zu stande gekommen seien unter der Voraus⸗ setzung, daß der Identitätsnachweis und die Staffeltarife aufgehoben werden, müsse man auch daran festhalten. Die Einführung der Staffeltarife würde eine ganz gewaltige Erbitterung im Westen hervorrufen. Je ernster die Lage sei, desto einiger müßten die Land— wirthe zusammenstehen und nicht künstlich in ihren eigenen Reihen Schwierigkeiten erzeugen. Das Ziel des Grundbesitzes sei die Erhöhung des Getreidepreises. Dieses Ziel sei allen Landwirthen ge— meinsam, ebenso wie das Streben nach Entlastung des Grundbesitzes und nach Besserung der Arbeiterverhältnisse. Diese drei großen Ziele müßten die Landwirthschaft zusammenhalten, und namentlich die Rücksicht auf den zukünftigen Reichstag sollte dabor bewahren, im ernsten Moment die Landwirthschaft zu spalten. Der Konkurrenz der Wasserstraßen werde man mit dem Staffeltarif doch nie gleichkommen.

Graf von Kleist⸗ Schmenzin beantragt, die weitere Verhand« lung dieses Gegenstandes beute abzusetzen, da noch eine große Zahl von Rednern gemeldet, die Zeit aber schon vorgerückt sei.

Berr von Bemberg⸗Flamers heim spricht gegen, Graf Udo zu Stolberg für diesen Antrag, da die Sache nicht dringlich, aber der Gegenstand selbst zu wichtig sei, um den gemeldeten acht Rednern das Wort abzuschneiden.

Dem Antrage des Grafen von Kleist gemäß wird der Gegenstand von der Tagesordnung abgesetzt.

Das Haus erledigt hierauf noch eine Reihe von Petitionen.

Ueber die Petition des Gerichtsschreibergebilfen Schul; in Elbing um Anstellung als Gerichtsschreiber wird zur Tagesordnung über gegangen, ebenso über die Petition der Gerichtsschreibergehilfen Domnick und Genossen in Berlin um Vereinigung der Stellen der Gerichts⸗Assistenten, soweit letztere die Qualifikation als Sekretäre besitzen, mit den Stellen der Sekretäre zu einer Besoldungsklasse, unter Anrechnung von sechs Jahren der Assistentendienstzei?.

Zur Berücksichtigung überwiesen werden die Petitionen des Hof— besitzers Martensen in Heisch und des Hofbesitzers Witthohn in Neuenwisch, Kreis Süderdithmarschen, um Rückerstattung eines Grund— steuerentschädigungsbetrages. Ueber eine Petition gleicher Tendenz des Hofbesitzers Ansbabs zu Sommerländer Riep, Kreis Steinburg, wird zur Tagesordnung übergegangen, da sich Petent hinsichtlich seiner An— sprüche im Irrthum befinde. Auch die Petition des Schneidermeisters Knoop in Frankfurt a. M. um Aufhebung des 5 13 des Gemeinde verfassungsgesetzes für Frankfurt vom 25. März 1867 wird durch Uebergang zur Tagesordnung erledigt. .

Schluß 5 Uhr. Nächste Sitzung unbestimmt, etwa am 16. Februar. Ein Antrag des Grafen von Frankenberg, am Montag seine Anträge weiter zu berathen, wird unter all⸗

gemeiner Heiterkeit abgelehnt.

Haus der Abgeordneten.

25. Sitzung vom 23. Januar 1897.

ö den ersten Theil der Sitzung ist vorgestern berichtet worden.

Bei der Berathung des Gesetentwurfs, betreffend die ö, der Gemeinden und öffentlichen Unstalten im Regierungsbezirk Wiesbaden, mit Aus⸗ schluß des vormals Dun rgb hessen⸗homburgischen Gebietes und des Stadtkreises Frankfurt a. M, bemerkt der Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammer⸗ tein:

Meine Herren! Ich habe nicht die Absicht, auf Sxezialbestim— mungen des Gesetzentwurfs einzugeben, da ich annehme, daß nach den bisher gefallenen Aeußerungen der Gesetzentwurf zur Vorprüfung an eine Kommlssion, wie ich annebme, an die Kommission verwiesen werden wird, welche die Gemeindeordnung von Hessen⸗Nassau berathen soll. Als selbstverständlich habe ich es angesehen, daß der Herr Re⸗ gierungs⸗Präsident für Wiesbaden zunächst das Wort ergriffen hat, da fast aueschließlich für seinen Verwaltungsbezirk das Gesetz zur Anwendung gelangen soll. Mit seiner Begründung für den Gesetzentwurf kann ich mich im wesentlichen einverftanden er— klären. Ich würde überhaupt das Wort zu ergreifen nicht

für nöthig gehalten baben, wenn nicht ein formaler Gefichtepunkt hier erörtert werden müßte. Eigentlich sollen Gesetze für bestimmte Landestheile durch den Kommunal oder Provinzial Landtag diesez Bezirks vorgeprüft werden. Die Herren wollen aus der Begründung die Darlegung der Gründe, aus denen eine Verweisung dieser Vor⸗ lage an den Kommunal · Landtag für Wiesbaden nicht für nothwendig erachtet ist, entnehmen. Zunächst. bat diese Vorlage der Prüfung der Kommission für die Landgemeindeordnung unterlegen, und diese hat sich im wesentlichen mit dem Inhalte einverstanden erklärt. Dann hat die Staatsregierung nochmals Vertreter der betheiligten Lande. theile gebört und die vorgebrachten Wünsche berücksichtigt. Unter diesen Umständen glaube ich, daß materiell völlig der Be. stimmung Genüge geleistet ist, daß bei Spezialgesetzen für bestimmte Landestheile zunächst den Betheiligten Gelegenheit gegeben werden soll, Stellung zu der Vorlage zu nehmen. Die Frage, ob die Angelegenheit sofort im Plenum zu erledigen oder jweckmäßiger an die Kommission ju verweisen ift, möchte ich dahin entscheiden, daß ich glaube, es ist richtig, da schon eine Reihe von Bedenken laut ge— worden sind, die Vorlage durch eine Kommissionsberathung vorprüfen zu lassen.

Nach Ueberweisung der Vorlags an die Kommission für die hessische Landgemeindeordnung folgt die erste Berathung des Antrags der Abgg. Dr. Langerhans und Genossen auf Annahme eines He nter betreffend die Ver⸗ pflichtungen der bürgerlichen Gemeinden bezuglich der Bauten und Reparaturen von Kirchen- unnd und Küstergebäu den. Danach sollen diese besonders auf der Visitations⸗- und Konfistorialordnung des Kurfürsten Johann Georg von 1573 und der Flecken⸗, Dorf, und Ackerordnung ö 16. Dezember 1702 beruhenden Verpflichtungen aufgehoben werden.

Nachdem Abg. Dr. Langerhans seinen Antrag ein⸗ gehend begründet hat, nimmt das Wort der

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten D. Dr. Bosse:

Meine Herren! Als ich Ihre heutige Tagesordnung gelesen babe, habe ich die Empfindung gehabt, man würde es im Lande nicht verstehen, wenn ich mich um diese Frage garnicht kümmere. Man dürfte wohl die Erwartung begen, daß die Kultus. verwaltung, sowobl wegen der Interessen der evangelischen, wie der katholischen Kirche denn beide sind bei diesem Antrage in gewisser Weise, wie ich Ihnen nachher darthun werde, engagiert doch einigermaßen Stellung dazu nehmen müsse, und das will ich denn auch thun.

Meine Herren, mit einem großen Theil der Ausführungen des Herrn Abg. Dr. Langerhans kann ich mich einverstanden erklären. Ich muß namentlich ihm darin zustimmen, daß, als das Reichs gerichtserkenntniß vom Jahre 1892 bekannt wurde, man unwillkürlich den Eindruck batte, diese großen Bauperpflichtungen, die durch die Visitationsordnung den Städten, den politischen Gemeinden in der Maik auferlegt sind, beruhten doch auf völlig anderen thatsächlichen Verhältnissen als diejenigen es sind, die wir heute haben, und deshalb wird wohl jedermann den Eindruck haben, daß die heutigen thatsächlichen Kirchengemeindeverbältnisse mit diesen Veipflichtungen in diesem Umfange nicht mehr vollständig im Einklang stehen. Darin stimme ich also dem Herrn Abg. Dr. Langerhans bei. Weniger glücklich scheint mir der Versuch zu sein, die materielle Begründung des Reichsgerichtserkenntnisses anzugreifen. Das Reichsgericht hat sich die Sache sehr genau überlegt, und wir haben solche Rechtsverhält⸗ nisse, die aus alter Zeit herstammen und bei denen die Voraussttzungen, unter denen sie begrüasdet sind, nicht mehr ganz genau zutreffen, auch solche, wo das Recht mit der modernen Anschauung auseinander— gebt, und der Richter ift sehr häufig nichtsdestoweniger genöthigt, aut Grund der pesitiven Rechtsgrundlage Ansprüche dieser Art anzuerkennen. So hat es meines Erachtens auch hier gelegen, und nach dieser Rich= tung bin haben wir immer daran festgehalten, daß wir vor unseren höchsten Gerichten den größten Respekt haben. Diesen Respekt wird auch der Herr Abg. Dr. Langerhans haben. Das bindert aber nicht, daß man allerdings daran denken kann, Verhältnisse, die auch juristisch als zu Recht bestebend anerkannt

werden, entweder durch eine Verständigung der Betheiligten, oder,

wenn es sein muß, auch durch die Gesetzgebung zu ändern. Meine Herren, daß die Verbältnisse damals ganz anders lagen als bente, gebt schon daraus hervor: damals batten wir, namentlich bier in der Mark das ausschließliche Territorialprinzip, die politijchen Gemeinden und die Konfessionsgemeinden deckten sich vollkommen; das ist längst dorbes. Damals hatten wir noch den Begriff des Eintretens der Obrigken für die Untertbanen auch in kirchlicher Beziebung, für ihre kirchlicher Bedürfnisse. Dieser Begriff wurde auch auf die Magistrate der Städte den Bürgern der Städte gegenüber übertragen; das alles hat sich heute vol⸗ kommen geändert. Das Territorialprinzip ist überall durchbrochen, za, man kann geradezu sagen, die Vermischung der Konfessionen in unseren politischen Gemeinden ist beutzutage die Regel. Nun, meine Herren. heute gilt allgemein und als Regel in der That für die lirchlick= Lasten der Grundsatz: die Befriedigung der kirchlichen Bedürfniffe R zu bewirken durch die kirchlichen Interessenten. Aber, meine Herter auch dieser Grundsatz bildet zwar die Regel, ist aber viel fach durchlöchert und durchbrochen durch das bestehende Reckt auch durch die moderne Gesetzgebung. Darin kann * dem Herrn Abg. Dr. Langerhans garnicht beiftimmen, daß dier evangelische Kirchengemeinde, und Synodalordnung für die ere⸗ gelische Landeskirche der alten Provinzen diesen Grundsatz als =* schließlich hinstelle. Im Gegentheil, ich will nur darauf aufmwerkfa⸗— machen, meine Herren, der 5 31 der Synodalordnung sagt dies ** drücklich:

Bei der Beschaffung der zu den kirchlichen Bedärfem fer erforderlichen Geldmittel und Leistungen, soweit solche nis: nach bestebendem Recht aus dem Kirchenvermöäger oder von Patronen oder von sonst spejziell Verpflis⸗ teten ju gewähren sind, insbesondere auch bei Feftsetzang dr auf die Gemeinde zu repartierenden Umlagen u. s. w. bedarf ** Gemeinde ˖Kirchenrath der Mitwirkung der Gemeindevertretung.

Kur, meine Herren, das Interessentenprinmip ist die Regel T= diese Ausnahmen von speziellen rechtlichen Veipflichtungen sind 2 drücklich aufrechterhalten, und ebenso ist etz geschehen in den S8 äber die Verwaltung des Vermögens der katholischen Kirchengemeieren. und das ist auch meines Grachtenz ganz notbwendig, denn pars **. heben wird man derartige Verpflichtungen nicht können, urd des auch mein Hebenten, bag Bebenten, bat ich qegen den Vorschla **

Herm Abg. Dr. Langerbant habe, einfach durch einen Paragraphen der Gesetzgebung diese Dinge aus der Welt zu schaffen.

Wenn Sie diese Verpflichtungen, die ja für Berlin sehr läftig find, die ich gern auf verständige Weise beseitigt sehen möchte, mit einem Schlage streichen, so schenken Sie damit der Stadt Berlin den Werth der Leistungen, um die es sich hier handelt, und die auf einem speiiellen Rechtstitel beruhen ich wůll ganz dahingestellt sein lafssen, ob die 20 Millionen, die die Kirchengemeinde gefordert batte, richtig berechnet waren; sie waren vielleicht etwas hoch; aber sie waren doch schon bei den Verhandlungen zwischen den Gemeinden bis auf 5 Millionen ermäßigt; also, die kirchlichen Organe haben sich doch auch große Zurückhaltung auferlegt kurz, auf den Werth will ich garnicht eingehen, ich weiß das nicht, wie viel die Sache werth ist; aber ich will darauf aufmerksam machen: es ist ein Geschenk, das man zunächst Berlin macht im Betrage des Kapitalwerths der Leistungen, die bier durch das Reichsgerichtserkenntniß als rechtlich begründet an erkannt worden sind. Bei Berlin kann man das noch allenfalls be⸗ rechnen; das haben wir bei den Verhandlungen gesehen, daß man zu gewissen Werthen und Forderungen auf beiden Seiten kommen kann. Von den anderen Städten der Mark wissen wir das nicht. Dazu kommt, daß diese Gesetzgebung ohne weiteres die anderen Städte der Mark mit umfaßt. Für die anderen Städte der Mark ist die Sache nie streitig gewesen; da ist stets anerkannt, daß die politische Gemeinde für kirchliche Baulasten einzutreten habe, und höchstens sind im Einzelfalle Streitigkeiten gewesen, die natürlich auf dem Wege des Prozesfes, des Rechts, entschieden werden mußten. Die finanzielle Tragweite aber, meine Herren, die die Sache hat für die anderen Städte der Mark, ist garnicht u übersehen. Für Berlin könnte man sie allenfalls zur Zeit noch übersehen; aber die anderen Städte der Mark in Bausch und Bogen hier hineinzubringen, das ist unmög— lich, weil unberechenbar.

Nun mache ich weiter darauf aufmerksam: wir haben eine ganze Reihe Fälle, wo die kirchliche Last, namentlich auch die kirch⸗ liche Baulaft, dinglich ift. Namentlich haben wir sehr schwere Fälle dieser Art, mit denen wir uns auch schon befaßt haben, mit der Tendenz, ob wir ihnen nicht durch eine entsprechende Gesetzgebung bei—⸗ kommen können. Wir haben einen ganzen Landstrich im Regierunge— bezirk Danzig, wo die katholischen Höfe die evangelische Kirchenbaulast tragen müssen, wo das außerordentlich schwer empfunden wird, und jeder, der die Verhältnisse dort kennt, muß sagen, auch das sind Ver⸗ hältnisse, die in die heutige Zeit nicht mehr recht hineinpassen. Die Sache ist aber dinglich, sie steht im Grundbuch. Und nun denken Sie fich einmal: Wenn alle Leute, die dadurch betroffen sind, wir haben auch den Fall gerade umgekehrt; ich komme darauf noch zurück jetzt kommen wollten und sagen: ihr müßt uns von unseren Ver— pflichtungen, von unseren kirchlichen Leistungen und namentlich von unserer kirchlichen Baulast befreien durch einen Akt der Gesetzgebung; denn was der Stadt Berlin und den märkischen Städten recht ist, ist doch uns selbstverständlich billig. damit würden Sie in eine große Verlegenheit kommen. Nach meiner Meinung ist es ganz unmöglich, diesen Weg ohne weiteres zu gehen, und so einfach, wie Herr Abg. Dr. Langerhans sich die Sache vorstellt, daß man hier so kurzer Hand die Sache abmachen könnte, ohne daran zu denken, welche ungeheuren weittragenden Folgen ich will das garnicht ausführen; die Konsequenzen ergeben sich ganz von selbst damit verbanden sein würden für beide Kirchen wiederum und für viele politische Ge—⸗ meinden, so einfach ist die Sache nicht. Sie so leichter und kurzer Hand hier abjumachen, dazu ist, meine ich, diese Frage durchaus nicht angethan.

Nun mache ich ferner darauf aufmerksam: im ganzen Kurfürsten⸗ thum Hessen gilt dasselbe Recht auf Grund einer unbestrittenen Observanz. Das ganze Kurfürstenthum Hessen würde sofort kommen und ähnliche Ansprüche erheben an die politischen Gemeinden. Das alles kann man doch nicht kurzer Hand entscheiden, ohne die Ver⸗ hältnisse gründlichst geprüft zu haben, ohne von der Tragweite der Beschlüsse, die beim Zustandekommen eines solchen Gesetzentwurfs gefaßt werden sollten, ein klares Bild zu haben. Meine Herren, ich glaube, daß das nicht angängig ist.

Ganz anders lag seiner Zeit die Sache bei dem Zustandekommen des Gesetzes über die Bestreitung der Kosten für die kirchlichen Be⸗ dürfniffe der Kirchengemeinden des linken Rheinufers vom 14. März 1880. Danach, sagte man und das führte ja auch Perr Dr. Langerhans aus —, ist die Verpflichtung der bürgerlichen Gemeinden zur Beschaffung und Unterhaltung der Pfarrhäuser ohne weiteres auf die Kirchengemeinden übergegangen. Das ist auch richtig, meine Herren, aber der Fall liegt absolut nicht analog dem⸗ jenigen, den ich hier behandele; ich werde das nachweisen. Die Bau⸗ laft ging infolge jenes Gesetzes zwar auf die Kirchengemeinden über, aber den Kirchengemeinden wurde dafür eine erhebliche Gegen— leifstung gewährt, und diese Gegenleistung bestand in dem Eigen thum der Gebäude und der dazu gehörigen Grundstücke, die bis dahin tm Eigenthum der politischen Gemeinden gestanden hatten. Diese Grundstlcke wurden den Kirchengemeinden ausdrücklich übereignet. Das ist in den Motiven des Gesetzes als der Grund, der gewisser⸗ maßen das Fundament der Gerechtigkeit für diese gesetzgebertsche Maß⸗ regel bildet, ausdrücklich und weitläufig ausgeführt.

Meine Herren, an einem solchen Korrelat fehlt es hier in der Mark Brandenburg vollständig; denn die Kirchengemeinden in der Mark Brandenburg sind entweder selbständige Stiftungen oder die kirch⸗ lichen Gebäude stehen im Gigenthum der Gemeinden. Nun, meine Herren, wo es bei den anderen, den bürgerlichen Gemeinden des linken Rheinufers an obliegenden Leistungen, an einem solchen Korrelat fehlt, da hat man auch die kirchlichen Lasten nicht ohne weiteres den Kirchengemeinden auferlegt, sondern man hat eine Ablösung ermöglicht und hat dafür in den §§ 7 ffg. des Gesetzes ein ausdrücklicheß, besonderes Verfahren vorgeschlagen. Ich will dabei noch darauf aufmerksam machen, daß das Gesetz von 1880 weniger ju Gunsten der evangelischen, als vielmebr zu Gunsten der katholischen Bewohner deKz linken Rbelnusers erlassen worden ist. So hatte z. B. eine katholische Dorfgemelnde jur Reparatur eines evangelischen Pfarrhauseß 206 Thaler beitragen müssen, obwobl in diesen Dorf nur jwel Gyangellsche waren. Pas waren natürlich Zustände, die sehr schwer empfunden wurden, auch auf evangeltscher Seite, weil die anderzgläublge Mebrbelt der betreffenden polttischen Gemeinde nicht gerade sebr berelt war, den Manschen der Minderbelt entgegenzukommen. Um dlese unerqulcklichen Merbalinisse aus der elt iu schaffen, wählte man blese Nugglelchüůng und errelchte, daß

alle Betheillgten obne Ausnahme in dem Streben, diesen obsoleten Rechtszustand zu beseitigen, einig waren.

Nun, meine Herren, nichts wünschte ich mehr, als daß in dem Falle, der uns beschäftigt, dieselbe Einigkeit herbeigeführt werden könnte. Ich glaube, daß wir nahe daran waren; wenn dieser Antrag hier nicht gestellt worden wäre, der lediglich aus der Stadtverordneten⸗

Versammlung der Stadt Berlin hervorgegangen ist, so wäre

in den Vergleichsverbandlungen ein Abschluß nahe gewesen; denn auf beiden Seiten bestand der dringende Wunsch, dem jetzigen Zustand durch ein verständiges Entgegenkommen im Ver— gleichswege ein Eade zu machen. Das würde, glaube ich, auch für die Stadt Berlin der geeignetste Weg sein, auf dem man, ohne irgendwie anderen Rechtsverhältnissen zu präjudizieren, zu einem ge— deihlichen und friedlichen Resultat kommen könnte. Wenn Sie das nicht wollen, wenn Sie die Sache im Wege der Gesetz. gebung regeln wollen was ich für sehr schwierig halte —, dann bleibt nichts übrig, als sich zu überlegen, wie man zu einem Ablösungsgesetze kommen, und welche Aequivalente man dann gesetzlich festlegen muß oder welche feste Normen zu geben sind, wo⸗ nach dies in billiger, verständiger und gerechter Weise berechnet werden kann. Wie Sie die Sache hier geschäftlich behandeln wollen, muß und will ich ja dabingeftellt sein lassen; davon bin ich aber überzeugt, daß, wenn Sie den Antrag so annehmen, wie er hier gestellt ist, Sie damit Konsequenzen übernehmen, deren Tragweite auch Sie garnicht zu übersehen vermögen. Deshalb trage ich Bedenken, Ihnen die einfache Annahme dieses Antrages zu empfehlen. Ich wünsche dringend, daß der jetzige Zustand beseitigt wird durch eine für beide Theile billige Vereinigung, und ich empfehle Ihnen die Behandlung dieses Antrages nach der Richtung hin, daß durch die Vorgänge hier im Hause und Ihre Beschlüsse einem Vergleich nicht präjudiziert wird.

Ich will auch nicht verhehlen, daß ich, wie die Dinge liegen ich hoffe, mich ganz objektiv ausgedrückt zu haben große Zweifel hege, ob die beiden anderen Faktoren der Gesetzgebung geneigt ssein werden, einer solchen Anregung, wie sie in dem Antrage des Herrn Abg. Dr. Langerhans enthalten ist, unbedingt Folge zu geben. Ich für meinen Theil bezweifle es sehr, und deshalb rathe ich, nicht ohne weiteres kurzer Hand den Gesetzentwurf anzunehmen, sondern zunächst die Sache so zu erledigen, daß die Vergleichsverhandlungen wieder

aufgenommen werden können. Das ist der Weg, auf dem man für

beide Theile zu einem guten Ziele kommen kann.

Abg. Haacke (fr. kons.): Wir stehen gerade auf dem entgegen. gesetzten Standpunkt wie der Antragsteller. Es handelt sich nur um die Stadt Berlin, kein Abgeordneter aus der Provinz Brandenburg hat den Antrag mitunterschrieben. Außerhalb Berlins wird die Ver— pflichtung nicht so schwer empfunden. Auch in Berlin handelt es sich jährlich nur um etwa 150 000 M Der Grund, daß auch Angehörige anderer Konfessisnen für die evangelische Kirche mit beitragen müssen, ist nicht durchschlagend; denn für die auf Grund des fiskalischen Patronatzrechts geleiteten Verpflichtungen tragen auch alle Steuer- zabler bei. Einseitig ohne Abfindung darf eine Aufhebung eines be— stehenden Rechts nicht ftattfinden. Lehnen Sie daher den Antrag ab!

Abg. Hr. Porsch (Sentr) stimmt dem Antragsteller darin zu, daß der jetzige Zustand unhaltbar sei. Es handle sich auch für Berlin keineswegs um eine Bagatelle; denn ohne gesetzliche Aenderung würden sich die Verpflichtungen ö bedeutend steigern. Aber mit der Aenderung eines bestehenden Rechts müsse man sehr vorsichtig ver— fahren. Das Material müsse deshalb in einer Kommission von 14 Mitgliedern genau geprüft werden, und er beantrage die Ueber⸗ weisung an eine solche.

Abg. Bröse (kons.): Es handelt sich hier gewissermaßen um geheiligte Rechte, und wir müssen deshalb mit Vornehmheit und ohne Schärfe in der Diskussion an die Sache herantreten. Wir stimmen dem Abg. Haacke bei. Nach den bestehenden Gesetzen hat der Patron die Materialien für den Kirchenbau zu liefern, und die politische Ge— meinde hat im übrigen den Bau zu leisten, wenn kein Kirchenvermögen vorhanden ist. Die höchsten Gerichtshöfe, Kammergericht und Reichsgericht, haben stets die Bestimmungen der Visitationsordnung von 1573 als zu Recht bestehend anerkannt. Durch die Kirchen⸗ gemeinde und Synodalordnung sind die Rechte und Pflichten Dritter nicht berührt worden. Aeltere Gesetze sind durch die neuen Kirchen gesetze nicht stillschweigend aufgehoben worden; dazu hätte es einer ausdrücklichen Gesetzesbestimmung bedurft. Daß Andersgläubige für die evangelische Kirche beitragen müssen, ist kein entscheidender Grund; denn es kommt auch der umgekehrte Fall vor, daß Evangelische . die katholische Kirche mitleisten müssen. Meine Freunde sind daher gegen den Antrag. Der Antrag will ohne weiteres die Ver— pflichtungen der politischen Gemeinden den Kirchengemeinden über— tragen. Das ist im Hinblick auf die bestehenden Gesetze nicht folge—⸗ richtig, es kommen auch noch die Bestimmungen über die Pflichten der Patrone ꝛc. mit in Betracht. Wir beantragen ohne weiteres die Ablehnung des Antrages, widersetzen uns aber der gewünschten Kommissionsberathung nicht, wenn wir uns auch nichts davon ver— sprechen.

Abg. Schmidt-⸗Warburg (Sentr.) steht zwar nicht als Berliner, aber als Schöneberger dem Antrage sympathisch gegenüber, ohne im Namen seiner Partei zu sprechen, die über die Sache noch keinen Be— a gefaßt habe. Es komme bauptsächlich darauf an, ob eine Ent⸗ chädigung gegeben werden solle oder nicht. Wohlerworbene Prirat-«

rechte dürfe man obne i n dnn nicht aufheben, die Visitations⸗

ordnung von 1573 sei aber eine generalis lex, die durch eine andere generalis lex einfach aufgehoben werden könne. Ein Privi— legium sei dadurch den Kirchengemeinden nicht gegeben, es brauche also auch nicht durch eine Abfindung abgelöst zu werden. Alle diese Fragen würden sich in der Kommission erledigen lassen. Die Säkularisatton der katholischen Kirche sei eine Verletzung der Gesetze gewesen, eine solche dürfe nicht noch einmal , ,, . werden.

Abg. Dr. Irmer (kons.) will als Betheiligter und als Mitglied der Synode nicht schweigen. Die Gründe des Abg. Langerhans hätten ihn nicht überzeugt, und er stimme dem Abg. Haacke bei, daß der Antrag nicht pure anzunebmen sei. Aus dem Wortlaut des Antrages

ehe hervor, daß auch der Abg. Langerhans zugebe, daß die Visitationgordnung von 1873 noch zu Recht bestebe, denn sonst würde er die Aufhebung nicht beantragen. Die Sache sei jedenfalls sebr schwierig; er (Redner) erkenne an, daß die Konsistorialordnung von 1573 unseren heutigen Verbältnissen nicht mehr entspreche, aber es handle sich darum, ob sie mit oder obne Entschädigung auf— ehoben werden solle. Die Aufhebung obne Entschädigung sei ein gur in die Rechte der evangelischen Kirchengemeinden, der der Billigkeit nicht entspreche. Berlln babe in den letzten Jabriebnten seine Verpflichtungen in Bezug auf Kirchenbauten nur sebr mangelhast erfüllt, die Entschädigung solle dafür gegeben werden, nicht für die Zukunft. Sache Berlins sel es, Vergleichaverschläge ju machen. Der Antrag babe die Vergleichéverbandlungen gestert und sei daher nicht am Platze gewesen. Seine Partei würde am iedsten über den Antrag zur Tagesordnung übergeben, sei aber mit der Kommissionsberatbung einverstanden. .

Abg. Dr. Krane hn Aug dem Antrag läßt sich losisch nedt folgern, daß der Antragsteller das Fortbesteben der Visitatlenerd kung anerkenne. Das Reicht gericht bat nicht ausgesprechen. daß die Bin. tatlongordnung noch bestebt diese Frage batte es gar 3 u prüfen —, sondern aus anderen juristischen Gründen das är Rerln ungünstige Urtheil gefällt. Bis in die sechnger Jabre i garde aaf die Visitationgordnung von 1873 zurückgegriffen werden. Wen n

sie noch zu Recht bestebt, so ift es nur billig, sie aufzuheben, da den heutigen Verhältnifsen gar nicht mehr entspricht. Die politis Gemeinde hat ja auch nicht mehr den geringsten Einfluß auf dle Kirche, wie es in früheren Zeiten der Fall war. Der Kultus. Minister scheint anzuerkennen, daß es sich nicht um ein Privileg bandelt, sondern um ein allgemeines Gesetz, und deshalb ift die Aufhebung obne Entschädigung möglich. . . S Abg. - Stöcker. Ohne - die Heranziehung der- Stadtgen sein de Berlin war die Kirchennoth in Berlin nicht zu beseitigen. Die liberale Majorität der Vereinigten Synoden hat sich schon anfangs der achtziger Jahre der Nothwendigkeit neuer Kirchenbauten nicht entziehen können und genehmigte damals drei neue Kirchenbaupläne. Aber erst als die Positiven die Mehrheit erhielten, wurde die Sache energischer betrieben, dank der Fürsorge Seiner Majestät des Königs und des Kirchenbaupereins. Der Antrag Langerhans erkennt an, daß die Verpflichtung Berlins noch besteht. Es ist undenkbar, daß das errenhaus und, die Regierung ein solches Gesetz annehmen; ohne ntschädigung läßt sich die Sache auf keinen Fall regeln. Abg. Dr. Bachem (Sentr) hält den Antrag Langerbans nicht für überflüssig; man könne sich doch objektiv über die Regelung der schwebenden Streitfrage unterhalten. Vielleicht komme aus der Kom⸗ missions berathung auch nichts Brauchbares heraus, dann bitte er aber die Regierung, einen gangbaren Weg vorzuschlagen, um aus diesen Schwierigkeiten herauszukommen. Es liege im Interesse der Kirche selbst, die Beziehungen zu den politischen Gemeinden ganz ju lösen * . . nen uit Beziehungen seien in vielen allen unter den heutigen Verhältnissen unnatürlich und nur en aus der historischen Entwickelung zu erklären. d 2 Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse: Meine Herren! Ich habe gar keinen Anlaß, mich über die Frage, ob ich mich in Bezug auf die Anführungen, die ich gemacht habe über das am linken Rheinufer geltende Gesetz vom 14. Mätz 1880 geirrt babe oder nicht, besonders zu ereifern. Das Gesetz ist von Herrn Dr. Langerhans nur zu Gunsten seiner Position aushilfsweise herange⸗ zogen worden, und selbst wenn ich mich geirrt hätte, so wäre das kein großes Unglück. Ich habe mich aber nicht gelrrt. Ich habe nicht bloß auf die kirchlichen Gebäude, sondern auch auf die Grundstücke verwiesen, die ganz gewiß einigen Werth haben, und außerdem habe ich mir den Gedanken, daß sie ein Aequivalent sein sollten für die Uebernahme der Kirchenlasten ja nicht aus den Fingern gesogen: das steht vielmehr in den Motiven zu § 2 des Gesetzes ausdrücklich angegeben, und da wird Herr Dr. Bachem auch finden, daß man für die laufenden Abgaben und zwar ausdrücklich, weil man da kein Korrelat zu haben glaubte, ein besonderes Ablösungsverfahren eingeführt hat. Es kommt darauf für den gegenwärtigen Fall nicht viel an, aber das kann man daraus schließen, daß das Gesetz so ohne welteres zur Unterstãtzung des Antrages Langerhant nicht angezogen werden kann; denn die Sache lag damals etwas anders.

Nun will ich nur noch auf eine einzige Frage zurückkommen, auf die nämlich, ob die Verpflichtungen, die durch die Visitationsordnung begründet worden sind, öffentlich rechtlicher oder privatrechtlicher Natur sind. Ich nehme gar keinen Anstand, mit dem Herrn Dr. Krause an= zuerkennen, daß die Visitationdordnung und ihre Bestimmungen zur Zeit, als sie gegeben waren, ein Theil des öffentlichen Rechts waren. Ich sehe den Ursprung dieser Verpflichtung nicht als eine privatrechtliche an. Aber, meine Herren, es giebt bei uns eine ganze Menge Verpflich⸗ tungen und Rechte, die aus öffentlich rechtlichen Verhältnissen heroor— gegangen sind, die aber im Laufe der Zeit mehr und mehr einen privatrechtlichen Charakter angenommen haben und die wenigftens wie eine privatrechtliche Belastung wirken. Und das, glaube ich, ist hier der Fall, daß hier die Frage, ob die Stadt Berlin verpflichtet ist, so oder so viel zu zahlen, für sie wirkt wie eine privatrechtliche Belastung, und umgekehrt für die be— treffende Kirche, um die es sich handelt, ebenfalls wie eine privat cecht— liche Berechtigung. Das habe ich sagen wollen, weiter nichts. Im übrigen steht es mir garnicht zu, mich einzumischen in die Frage, wie Sie den Antrag geschäftlich behandeln wollen; das versteht sich ganz von selbst. Ich bin der Meinung, die Sache wäre aus der Luft zu bringen; wenn der Antrag nicht existierte, so würde hier für Berlin die ganze Frage im Vergleichswege verhälmniß⸗ mäßig sehr leicht zu lösen sein, und um so leichter, wenn es richtig ist, wie ich annehme, daß es nicht ohne weiteres feststeht, ob für alle hier in Betracht kommenden Fälle genau dieselben Entscheidungen des Reichsgerichts und des Kammergerichts getroffen werden möchten. wie sie schon getroffen sind in diesem einen Fall. Wenn das der Fall ist, so ist das recht eigentlich ein Objekt, welches sich auf dieser Seite zu einer vergleichsweisen Kompensation eignet, und ich bleibe dabei steben, daß ich diesen Weg für den richtigften halte.

Im übrigen kann ich dem boden Hause nur anbeimgeben, jetzt den Antrag abzulebnen.

26 von Evnern (ul) srricht sich für den Antrag Langerdöans aus. Was würden die Konsertvatiden dazu sagen, wenn sie Bau einer Synagoge Geld bergeben sollten? Es sei erfreuliche Zustände, daß die Exangelischen ir Kirchensteuern auskommen sollen. In anderen Sem weit böbere Kirchensteuern erboben. Diese Zustände mäß werden, und desbalb sei der Antrag Langerbans ibm sebr w um alte vermoderte Beftimmungen aus früberen Jabrkhi beseitigen.

Nach einigen weiteren Bemerkungen der Adgg Broöse und Dr. Bachem nimmt wiederum das Wort der

Minister der geistlichen 1c Angelegenheiten Dr Bosse⸗

Meine Herren! Auf die Frage der konfefstoacllen Sirck dh me kann ich bier beute nicht näber eingeben, weil sie nicht doa wir allein ressortiert; übrigens ift ja deim Oer Mmister des Tarzern wie der Herr Abg. Dr. Bachem schon gesagt bat, die Sache in dellem Gange.

Was dann die Hbatsächlichen Fragen, die Grundlagen für den Erlaß des Gesetzes von 188, ange dt, so dabe ich ja alle die Tam sachen, die der Derr Ada. Dr Bachem angeführt bat, garnicht de- stritten; ich destreite garnicht, daß die Srundstücke zur französischen Zeit konfisziert gewesen find. Scd destreite überbaut garnicht die Berechtigang des Gesetzes don 1880; im Gegentbeil, ich gebe dern so weit, dasß iich Ideen fagede, das Gesetz bätte längst erlaffen werden müfsen, und wenn id über schon Kultus. Minister gewesen wärt dann würden Ste ed anch früber bekommen baben. (Deiterkert.

Vöeerauf wird die Diskussion geschlossen

Wa Ve. Virchow (fr. Volken) fübtt im Shleßwort auß der & sicãh am Cn rein formelles Recht bande, de UÜange Zeit nicht ar. eüdt and erst neuerdings don reaklionürer Seibt waeder ent de dr md aueenradea worden sei. Berlin Fei darch die de dere dt dedern dn ez „Me War Millhonen für die Aufdedang med Mech ze Rien, Do ie Wendt worden Früder dae wan Ander lande ere n Ne Wear den Mitten ader Mrd ekanat de TMeren deer w. Ver Ne re ade do Oerrn StRker Raden nen din enen ank. Due r dd, Gerede dd, Denn Den Red de, Qerdandlunger Wer

ae em r -r, m, ee , rea , , e

ö ,

4 2— 2 v ** e e, ne e e ee, , , ee, e.