Aichtamtliches. Dentsches Reich.
Preu ßen. Berlin, 6. Februar.
Seine Majestät der Kaiser und König hörten heute Vormittag den Vortrag des Chefs des Generalstabes, Generals Grafen von Schlieffen und arbeiteten fodann mil dem Chef des Militärkabineis, General von Hahnke. Um 16 Uhr Mittags empfingen Seine Majestät den Kaiserlich russischen Geheimen Rath im Ministerium der aus⸗ wärtigen Angelegenheiten von Martens und um 31s, Uhr Nachmittags den Kaiserlich russischen Obersten und Flügel⸗ Adjutanten Nepokoitschitzih. Von 4 bis 6 Uhr Nachmittags gedachten Seine Maßjestaͤt der Sitzung des Landes⸗Oekonomie⸗ Kollegiums beizuwohnen und Abends um 7 Uhr einer Ein⸗ ladung des Ministers für Landwirthschaft, Domänen und Forsten Freiherrn von Hammerstein zum Diner zu entsprechen.
In der am 4. 8. M. unter dem Vorsitz des Vi e⸗Prã⸗ sidenten des Staats⸗Ministeriums, Staatssekretärs des 1 Dr. von Boetticher abgehaltenen Plenarfitzung des Bu n⸗ desraths wurde dem Entwurf eines Gesetzes, be— treffend die Abänderung von J sgesetzen, ferner dem Entwurf der Verordnung, etreffend Be⸗ schränkungen der Einfuhr aus Afien, sowie dem Entwurf der Verordnung, ö die Tagegelder und Fuhrkosten von Beamten der Verwaltung des Kaiser Wilhelm⸗Kanals, — die Zustimmung ertheilt. Von einer Nach⸗ weisung über die den einzelnen Bundesstaaten und — zum ersten Mal — den deutschen Schutzgebieten bis Ende v. J. überwiesenen Beträge an Reichs⸗Silber⸗ ⸗Nickel⸗ und Kupfer⸗ münzen wurde Kenntniß genommen. Den zuständigen Aus⸗ kae wurden überwiesen: der Entwurf eines Gesetzes für Eisaß Lothringen über den Geschäftsbetrieb der öffentlichen Vorschußkassen, — die Vorlage, betreffend die Abänderung einiger Bestimmungen der Betriebsordnung für die Haupteisen bahnen u. s. w, die Vorlage, betreffend den ö zwischen dem Reich und den Niederlanden, — sowie ein An— trag, betreffend die Besetzung einer Raths stelle bei dem Reichs⸗ gericht. Außerdem wurde die Wahl eines Mitglieds der Kom⸗ mission für Arbeiterstatistik vorgenommen und? über Eingaben Beschluß gefaßt.
Der hiesige Kaiserlich chinesische Gesandte Sh u-King— Chen hat sich nach St. Petersburg begeben, wo 3 zie chf fs beglaubigt ist. Für die Dauer seiner Abwesenheit fungiert der Sekretaͤr bei der hiesigen chinesischen Gesandtschaft
Kinginthai als interimistischer Geschäftsträͤger.
. Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Königlich bayerische Wirkliche abgereist.
Dem Regierungs- Assessor von Rönne ist die inter⸗ imistische Verwaltung des erledigten Landrathzamts im Kreise
Geheime Kriegsrath Habel ist nach München
Ortelsburg übertragen worden.
Hannover, 5. Februar. Der Pror inzial⸗Landtag
nahm in seiner heutigen Sitzung zunächst den Antrag des Landraths Dr. von Bruenneck und Genossen vom 3. Fe⸗ bruar 1897, betreffend die Abänderung des Gesetzes vom 26. Februar 1877 uber die außerordentliche Wegepflicht in der Provinz Hannover, an. Der Antrag hatte folgenden Wortlaut: -Der Provinzial⸗Landtag wolle beschließen: die Königliche Staats Regierung zu ersuchen, im Wege der Gesetzgebung eine Abänderung des Gesetzes vom 26. Februar 1877, betreffend die außerordentliche Wegepflicht in der Provinz Hannover, dahingehend herbeizuführen, daß der Eingang dieses Gesetzes folgende Fassung erhält: „Werden Gemeindewege, Landstraßen oder Provinzial. Chausseen*.“
Hierauf wurde die Berathung des Haushaltsplans fortgesetzt. Tit. XIII wurde angenommen, ebenfo Tit. XIX und XX, Tit. XXI wurde ausgesetzt. Tit. XWXII und die folgenden wurden ebenfalls bewilligt. Zum Schluß nahm der Landtag ohne Debatte nachstehenden Antrag des Schatzraths Lichtenberg an:
„Der neunundzwanzigste Hannoversche Provinzial Landtag hat be— schloffen: zu den Kosten des Baues einer Brücke zur Ver— bindung der im Stadtbezirk Harburg und der auf der Insel Wilhelmsburg belegenen Theile der Harburg⸗ Hamburger Chaussee eine Beihilfe von 106 000 S, zahlbar in vier Jahresraten, zu bewilligen unter der Bedingung, daß die Unterhaltunz der Brücke anderweit (ohne Betheiligung der Provinz) sichergestellt wird, und unter der ferneren? Be— dingung, daß für die Brücke Brückengeld nur foweit zur Erhebung kommt, wie zur Deckung der Kosten der Unterhaltung der Brücke nothwendig ist.“ Der Provinzial⸗ Ausschuß beantragt: „Der Provinzial Landtag wolle beschließen, die zuletzt genannte Bedingung fallen zu lassen.“
Sachsen⸗Meiningen.
Der Landtag hat einstimmig einen Antrag des Abg. Zeitz und Genossen angenommen, welcher dahin lautet; die Regierung möge auf den Erlaß einer gesetzlichen Bestim- mung hinwirken, nach weicher die an die Reichskasse zu zahlenden Matrikularbeiträge die Ueberweisungen aus der Reichskasse nicht übersteigen dürfen.
Oesterreich Ungarn.
Der böhmische Landtag verhandelte gestern über den Antrag des Abgeordneten Dr. Ruß wegen Ecöffnung der Debatte über die letzte Erklärung der Regierung, betreffend das Verhältniß der Deutschen und Czechen. An Stelle des erkrankten Abgeordneten Dr. Ruß begründete der Abg. Lippert den Antrag; er besprach die Erklärung der Regierung und führte aus: die Deutschen seien gern erbötig, friedliche Ver⸗ hältnisse herzustellen, allein es müsse vorerst der Standpunkt klargestellt werden bezüglich des geschlossenen deutschen Sprach gebiets. Redner hob sodann die Kaisertreue und die Loyalität der Deutschen hervor. Der Statthalter Graf von Couden— hove erwiderte, der Weg zum Frieden möge nicht durch Miß— verständniß und hochgesteigertes Mißtrauen getrübt werden. Die Regierungserklärung könne nicht so ausgelegt werden, als ob an der Loyalität des deutsch⸗böhmischen Volkes gezweifelt werde; diese Loyalität sei über jeden Zweifel er—
uses, willkürliche Erfindungen der Blätter zu erörtern. Der
tatthalter erklärte ferner, es werde nichts unternommen, was in kultureller oder in nationaler Hinsicht die Deutschen digen könne und es werde auch weiterhin in solchen Fragen nichts geschehen, ohne daß mit den Vertretern beider Nasionali⸗ täten Fühlung genommen worden sei. Nachdem noch die Abgg. Prade und Hpitz gesprochen hatten, erklärte der Abg. 5 namens der Czechen, er fordere Parität in dem gesammten Lande, darum aber sei es keineswegs schwer, einen Ausgleich fertig zu n, ,. für zwei Natisnen, die mit einander so eng wirthschaftlich verknüpft, deren Interessen so gleichartig seien, und die auf so gleicher Kulturstufe ständen, sollte es doch möglich sein, sich bezüglich er Sprachenfrage zu verständigen. So lange aber in dem ganzen Königreiche beide Sprachen nicht vollkommen gleiche Geltung hätten, könnten die Czechen kein Zugeständniß machen. Der Frieden könne nur mit dem böhmischen Volke gemacht werden, keine Regierung und fein Statthalter könnten den Frieden machen. Der Äbg. Graf Bu quoi ersah aus der Regierungserklärung und dem durch pieselbe hervorgerufenen Eindruck gern das ernste Bestreben, friedliche Zustände zu schaffen und alle Mittel zur Herbei⸗ führung solcher in Betracht zu ziehen. Wie gut die Re⸗ a n gethan haben würde, ihr Vorgehen mehrere
onate aufzuschieben, bewiesen die gehaltenen Reden; das sei nicht eine Atmosphäre, in welcher der Ausgleich zu ermöglichen sei. Der Ausgleich werde und müsfe kommen. Die Rede des Abg. Lippert lasse den Eindruck ge⸗ winnen, daß wirklich friedliche Neigungen vorhanden seien. Von dem Augenblick an, wo die Vertreter beider Volk— stämme das Bestreben zeigen würden, sich verstän digen zu wollen, werde der Großgrundbesitz fördernd zur Stelle sein. Nach einer weiteren Rede des Abg. Vasaty wurde die Ein⸗ setzung einer Kommission zur Berathung über die Regierungs⸗ erklärung einstimmig beschlossen. Biese einstimmige An— nahme erfolgte, nachdem der Statthalter Graf von Coudenhove erklärt hatte, der Regierung könne eine ruhige objektive Besprechung ihrer Erklärung nur erwünscht sein, nachdem die letztere in der Oeffentlichkeit vielfach eine tendenziöse Behandlung erfahren habe. Die Re ierung erwarte insbesondere eine Klarstellung der n Behauptung, daß die Erklärung von vorn herein mit einer Partei des Hauses vereinbart worden sei. Die Re⸗ gierung werde die Zweifel und Bedenken erledigen, welche bezüglich des Inhalts der Erklärung laut geworden seien, und werde die Versuche zurückweisen, die in der Oeffentlichkeit viel⸗ fach gemacht worden seien, dem Inhalt der Regierungserklärung eine den Thatsachen nicht entsprechende Auslegung zu geben. Das offizielle Blatt „Osservatore Triestino“ ver— öffentlicht ein Schreiben des Statthalters an ben Bürger— meister von Triest Pitteri, demzufolge das Ministerium hem Rücktrittsgesuch des Bürgermeisters keine Folge giebt und den⸗ selben auffordert, die Geschäfte im Sinne des städtischen Statuts fortzuführen. In Bezug auf den Demissionsakt wird darin gesagt, daß, wenn auch der Gemeinderath fich nicht versammeln könne, die Munizipal⸗ Delegation ent⸗ sprechend den Bestimmungen des städtischen Statuts in Funktion bleibe. Die itglieder der Munizipaldelegation haben sich, dem W. T. B.“ zufolge, bereit erklärt, ihre amt⸗
auch der Buͤrgermeister in seinem Amt verblelben.
Großbritannien und Irland.
Der Prinz von Wales hat aus Anlaß des bevorstehenden
Jubiläums der Königin einen Aufruf erlasfen, worin Höchstderselbe zu Gunsten der Hospitäler Londons zur jähr⸗ lichen Beitragszahlung von 1 Shilling und darüber auffordert. Man hofft, daß jährlich 100 006 bis 150 0090 Pfd. Sterl. zu⸗ ammenkommen werden. Der Prinz von Wales wird den Vorsitz in der Verwaltung dieses Fonds übernehmen.
In der gestrigen Sitzung des Unterhauses erklärte der Parlaments⸗Sekrelär des Aeußeren Curzon, daß von dem französischen und dem russischen Konsul an die egyptische Re⸗ gierung amtliche Briefe gerichtet worden seien, welche an letztere die Anfrage richteten, ob sie eine pekuniäre Hilfe von Großbritannlen nachgesucht habe oder annehmen werde, und welche die Ansicht ausdrückten, daß nach dem Wortlaut früherer Dekreie ein derartiges Gesuch von der Verwaltung der Staatsschuldenkasse an alle Mächte hätte gerichtet werden müssen. Von diesen . habe keine der beiden Mächte der britischen Regierung Mit— theilung gemacht. Der Schatzkanzler Sir Michger Hicks Beach beantragte die Bewilligung von 798 000 Pfund, durch welche der Khedive in den Stand gesetzt werden solle, der egyptischen Schuldenver waltung den für die Zwecke des letzten Feldzuges geleisteten Vorschuß zurückzuzahlen und die Material⸗ kosten des Bahnbaues von Wady Halfa nach Abu⸗-Hamed zu bestreiten. Der Schatzkanzler führte, dem „W. T B. zu⸗ an,, sagzh
Die thatsächlichen Kosten der Gzpedition bezifferten sich auf 733 900 Pfd., worin die Kosten für die Weiterführung der . und der Telegraphenlinie von Saras bis Wady Halfa und die Kosten der für die Expedition angekauften Kanonenboote, welche auch für die Zukunft werthvolle Dienste leisten würden, inbegriffen seien. Die) besden letzteren Punkte nähmen ein Drittel der Gesammtkosten der Expedition in Anspruch. Die Kosten des Feldzuges feien aber auch in einer anderen und wichtigeren. Hinsicht. geringe, wenn man dig erreichten Ergebnisse in Betracht ziehe. Es in, nur 47 Mann im Gefecht geiödtet worden. 235 Mann eien der Cholera, anderen Krankheiten äber 100 zum Opfer gefallen. Er glaube, daß keine andere Expedition je einen vollständigeren Er— folg gehabt habe. Die von der. Schuldenkasse vorgestreckte Summe von lz h00 Pfund englischer Währung würde es Egypten thaffaͤchlich ermöglicht haben, die gesammten Kosten der Expedition zu bestreiten. Das Urtheil des gemischten Gerichtshofes habe aber der egyptischen Regierung auferlegt, den Vorschuß mit Zinsen zurückzuzahlen was zu⸗ sammen sich auf 528 000 Pfund belaufe. Als das Urtheil kei der britischen Regierung eingegangen sei, habe die letztere keinen Tag verloren, um der egyptischen Regierung mitzutheilen, daß sie 89 schadlos halten und beim Parlament die Erftattuag der vor⸗ gestreckten Summe beantragen werde. Tie durch daz Urtheil des ge⸗ mischten Gerichtshofes in Egypten geschaffene Lage fei von bemerkeng= werther Eigenart. Die egyptische Regierung stehe in finanziellen An= gelegenheiten in den Hauptzügen unter der Äutorität der Großmächte, und diese Autorität. werde durch die Kommission der Kaffen— verwaltung in weitgehendem Maße ausgeübt. Unter den den Delegierten bei dieser Kommission obliegenden Ver⸗= pflichtungen, befinde sich auch die, einen gewiffen Theil des jährlichen Ueberschusses in Empfang zu nehmen und denselben dem Reserbefonds ju überweisen, hauptsächlich im Interesse der Obligationenbesitzer, doch sei die Kommission er— mãchtigt, von Zeit zu Zeit auf Antrag der egyptischen Regierung einen Theil des Fonds für außerordentliche Ausgaben zu bestlin men;
aben. Bezüglich der Gerüchte über eine Sprachenverordnung erklärte der Statthalter, es entspreche nicht dem Wunsche des
Auf Grund dieser Ermächtigung habe die Mehrheit der Kommisston dahin entschleden, daß die Dongola. Expedition unter solchen Ausgaben
lichen Obliegenheiten weiter auszuüben. Infolge dessen wird
inbegriffen sei. Der gemischte Gerichtshof habe hin ein Urtheil dabin abgegeben, daß jedes Mitglied der enen! en alle übrigen itglieder appellieren und daher dag t in den Stand setzen könne, einen
den die Kommission über eine
zugewiesene An
absurd. D
Groß.
sten Jahre, 2
ein werd ab, . . erde, müsse n = Gewalt und All dad ..
e ? ö beiden
darũber zu das Kapital mittels
sind, ö e nn, enn gern, a abkürzen. iese Angelegenbeit i eit langem über das Gebiet der, abstratken Fragen , 3 einer langen Kette von Ereignissen. Gladstone und seine Amtsgenossen sind in die Occupation hincingetrieben worden, und von jenen Tage ab bis auf den heutigen ist es Großbritannien, obgleich Keglerungen im Amte gewesen sind, deren führende Mitglieder augenscheinlich das Aufhören der Occupalion wünschten, niemals möglich gewesen, in Ehren oder ohne Schaden die Occupation aufjuheben “ Die Haupt⸗ ursache der Verlängerung der Oeeupation und der Wahrscheinlichkest einer diel längeren Dceupation als beim ersten Eintrit in diefelbe angenommen werden, sei, daß Frankreich Gcoßbritannien niemals freie Hand in Egypten gestattet habe. (Labouchsre warf hier dazwischen: Warum sollte Frankreich Ihnen freie Hand lassen?*) Frankreich hat aus freien Stücken abgelehnt, sich uns anzuschließen, und hat uns die alleinige Verantwort lichkeit für Egyptens Sicherheit gelaffen. Wir dürfen nun billiger weise . können, freie Hand zu haben, um dlese Verantwort. lichkeit zu erfüllen; aber wir können nicht verstehen, wie irgend jemand, der Einspruch dagegen erhebt, daß Egypten eine halbe Million Pfund bon seinem eigenen Ueberschuß verwenden dürfe fur feinen anderen Zweck als die Wiedergeminnung seiner eigenen Provinz Dongola, agen kann, daß die egvptische Regierung fähig sei, allein zu steben.“ Natürlich sei die Thatsache, daß der egyptisch n Regierung die Ver⸗ wendung ihres Ueberschusses verweigert worden fei, eine ua gte That⸗ sache, und die britische Regierung habe sorgfältig zu erwägen gehabt. ob sie ein weit res Fortschreiten in der Politik der letzten Fahre gut · heißen solle oder ob ibre Politit rückgängig gemacht werden solle. Die Regierung habe niemals verhehlt, daß sis ein Welterschreiten in der gleichen Richtung für nothwendig halte und daß die egvptische Regierung niemals für gesichert gehalten werden könne, so lange sich eine feindliche Macht im Nilthal bis hinauf nach Khartum befinde. Wenn diese Politik mit Bezug auf Epypten für richtig gehalten werde, so werde sich England nicht durch Hinderniffe und S w.ierig keiten, wie die Verweißerung des in Rede ftehenden Vorschusses, us dersel ben herausbringen lassen. Die Regierung glaube, da e Politik richtiq; sei, und habe vor, dieselbe vo chtig und stufenweise weiter zu verfolgen, denn sicherlich würde 8 nicht zu Egyptens Vortheil in politischer oder finanzteller Beziehung sein, wenn ihm mehr Gebiet zurücgegeben werde, als es obne Schwierigkeit verwalten oder genügend bertheidigen konne. Die Re= gierung habe vor, diese Politik in der kommenden Saison vor allem durch den Vormarsch nach einem sehr wichtigen Punkte, nämlich nach Abu Hamed zu verfolgen. Dieser solle, gleichwie der Vormarsch nach Dongola, ein egyptischer Van r sc sein, zunächst nach Abu Hamed, und dann wahrscheinlich weiter. Wie weit, halte er nicht für richtig zu sagen, aber nach der Meinung der Regierung werde, die Hauptaufgabe in der kommenden Saison sein: 1) die Sicherstellung der Verkindung mit dem bereits unter der Herrschaft des Kbedipe stehenden Gebiete und 2) die Er— werbung wichtiger strategischer Punkte, welche in der Zukunft werth⸗ voll sein könnten. Außer den No 005 Pfund, welche für eine leichte Eisenbahn von Wady Halfa nach Abu Hamed gefordert würden, sei es nicht beabsichtigt, an das Parlament weitere Forderungen für Aus⸗ gaben in dieser Angelegenheit zu stellen. Die Regierung glaube, durch die angegebene Politik und die beantragte Bewilligung den Wünschen der großen Mehrheit des englischen Volkes zu entsprechen.
Morley wandte sich hierauf gegen die Aus ührungen des Schatzkanzlers, welche von Frankreich und Rußland als eine direkte, äußerst unkluge Herausforderung betrachtet werden könnten und zu der Frage Anlaß gäben, ob die Abficht Großbritanniens, Egypten zu verlassen, aufrichtig sei. Er (Redner) wisse wohl, daß das britische Volk durch die gegen den Wunsch der sich dabei interessiert glaubenden Mächte auf⸗ recht erhaltene Besetzung Egyptens gewinne. Das Ergebniß zeige, daß die Voraussetzungen der Opposition betreffs der Kosten der Expedition und der Stimmung Frankreichs gerecht⸗ fertigt gewesen seien. Wie könne Egypten den Vorschuß je zurückzahlen? Nie zuvor sei Geld gegen eine so geringe Sicherheit vorgeschossen worden. Warum wolle die Regierung nicht sofort darin einwilligen, daß Großbritannien die Koften zahle? Die Regierung habe den denkbar schlechtesten g, nl für die Expedition nn, Die gegenwärtige Zeit sei in mehr als einer Hinsicht eine Zeit der Sorge. Frankreichs und Rußlands Proiest gegen den Vorschuß deute zur Genüge an, daß deren Stimmung durch die Sprache des Schatzkanzlers nicht werde gebesseri werben. Der nächste Redner, Sir William Harcourt, tadelte ebenfalls die herausfordernde Sprache des Schatzkanzlers gegen Frankreich und Rußland, in— dem er sie als unheilvoll und gefährlich bezeichnete. Bei den vom Schatzkanzler aufgeworfenen Fragen dürfte es sich nicht um eine halbe, sondern um viele Millionen handeln, falls die Regierung sich auf diese Frage im Geiste einer Herausforbe— rung der großen Milifärmächte Europas einlasse. Der Parlaments⸗Sekretär des Aeußein Curzon wies hierauf die Behauptung des Vorredners zurück, daß der Schatzkanzler eine herausfordern de Sprache geführt habe, Alsdann be⸗ antragte Knox eine Verminderüng des geforderten Kredits um 72 000 Pfund Sterling. Der Antrag Knox wurde mit 139 ir, 29 Stimmen verworfen und der für die Dongola⸗ Expedition geforderte Kredit mit 169 gegen 57 Stimmen an⸗ a n , ;
der parlamentarische Ausschuß zur Untersuchung des Einfalles Jamesonis in Transvaal trat geftern Nachmittag zu einer Sitzung zusammen. Jackson wurde wiederum zum Vorsitzenden gewählt. In der nächsten Sißung, welche am Dienstag siatkfinden wirb, soll über die
Unlere
Geschäftsordnung berathen werden.
richtete gest der Senator Peytral
Im Senat richtete gestern der Senator Peytral eine a. an den Minister des Innern Barthou in Betre weier englischen Schiffe, die in Frioul in Quarantäne zurück= ö. lien würden, und verlangte, daß die Quarantäne verlängert und beschlossen werde, hinfort aus Indien kommende Schiffe in franzõfischen Halen nicht zug e fen, wenn sie nicht vollstãndig reine Patente hatten. D inister des Innern Barthou erwiderte, es seien alle Maßnahmen getroffen, um falsche Gesundheitserklärungen mit aller Strenge zu berhindern. Eine gründliche Untersuchung der Reisenden und die Desinfektion der Handelsgüter sei nicht nur für Marseille, sondern für alle franzöfischen Häfen angeordnet. Der Minister stellte es enischieden in Abrede, daß ein Pestfall in Marseille vorgekommen sei. Ob die Quarantäne für die beiden englischen Schiffe in Frioul verlängert werden solle, werde der Minister⸗ rath ö entscheiden, aber man könne versichert sein, die
Regierung werde nicht zögern, schärfere Maßregeln zu ergreifen,
n solche nothwendig seien. 59 D e n, ., Pottier ist angewiesen worden, so⸗
bald als möglich mit dem Kreuzer „Admiral Cherner“ nach Kan ea abzugehen. Drei weitere Kriegsschiffe er⸗ hielten ähnliche Befehle.
Rußland.
Der Verweser des Ministeriums des Auswärtigen Graf Murawjew ist, wie die „St. Petersburger Ztg.“ meldet, nach St. Petersburg zurückgekehrt und hat die Leitung des ihm unterstellten Ministeriums wieder übernommen.
Der Chefredakteur des Regierungsboten“, Wirklicher Staatsrath, Kammerherr Stufen ist, wie dem W. T. B.“ aus St. Petersburg berichtet wird, zum Mitglied
1
des Conseils des Ministers des Innern ernannt worden.
Italien.
Der Papst empfing gestern Abend, wie „W. T. B.“ meldet, den Prinzen Heinrich von Orléans und sodann den den Prinzen begleitenden Grafen de la Salle in e,. Der Prinz Heinrich von Orlans stattete später dem Kardina Staatssekretaͤr Rampolla einen Besuch ab.
Portugal.
Wie die „Times“ aus Lissabon meldet, hat das Mi⸗ nisterium seine Entlassung gegeben. Der König hat dieselbe angenommen und. Luciano de Castro mit der Bildung eines neuen Kabinets beauftragt, in welchem Barros Gomez das Portefeuille des Aeußern erhalten soll.
Belgien.
Der Senat berieth gestern den von der Repräsentanten⸗ kammer angenommenen und von dem Justiz⸗-Minister Begerem unterstũtzten Gesetzentwurf über die Anwendung der vlämischen Sprache in amtlichen Bekanntmachungen. Artikel 1, welcher besagt, daß der Wortlaut eines , zugleich auch in vlämischer Sprache zur Abstimmung im Parlament vorgelegt werden solle, wurde durch einen Unterantrag Lejeune, dahin abge⸗ ändert, daß die Gesetze wie bisher in französischer Sprache zur Abstimmung gelangen sollen, daß aber eine amt—⸗ liche Uebertragung ihres Worklautes in das Vlämische zu geschehen habe. Der so abgeänderte Artikel wurde mit 50 gegen 47 Stimmen angenommen. Das ganze Gesetz wurde darauf mit 51 gegen 23 Stimmen bei 23 Stimmenthaltungen
genehmigt.
2 2
; Türkei.
Der „Agence Havas“ wird aus Athen gemeldet, daß in Kaneag voller Aufruhr herrsche. Nach den letzten Nachrichten schössen die Soldaten in der Gegend der Wälle auf die Christen. Die Mohamedaner hätten die christlichen Stadttheile in Brand gesteckt; das Feuer drohe den erzbischöflichen Palast und die griechischen Schulen zu erreichen, mehrere Personen hätten sich auf die fremden Kriegsschiffe gerettet. — Nach einer weiteren Depesche der „Agence Havas“ von gestern Abend seien drei Viertel der christlichen Stadttheile in Brand gesteckt, christliche Familien, welche sich auf die Kriegsschiffe flüchten wollten, von den Türken angegriffen und mehrere Personen dabei geiödtet worden; die Zahl der Opfer werde auf 300 geschätzt. Gerüchtweise verlautet, die mohamedanische Bevölkerung habe die zum Schutze der katholischen Kirche und Schule gelandeten französischen Seeleute angegriffen. Die fremden Schiffe begännen, die kretischen Flüchtlinge nach Milos zu befördern; 750 Frauen und Kinder seien bereits dort angekommen. Einer späteren De⸗ pesche zufolge hätten die Konsuln in Kanea sich an Bord der Schiffe begeben. Die Konsulate seien mit christlichen Familien angefüllt. Aus Rethymon wird ge— meldet, daß 3000 Mohamedaner den Palast des Gouverneurs belagerten und Aufhebung des Befehls verlangten, welcher den türkischen Familien untersage abzureisen; in Herakleion scheine Ruhe zu herrschen. . ;
Die (Agenzia Stefani“ berichtet aus Kaneg von gestern⸗ Infolge einer später als unrichtig erkannten Nachricht, daß eine bewaffnete Bande von Mohamedanern in Akrotiri 27 Posten der Christen getödtet habe, befahl der Vali am Mittwoch Nachts, gegen diese Bande vorzugehen. Es verlautet, daß 20 Soldaten getödtet seien. Vor⸗ gestern soll ein Scharmützel bei Kanea stattgefunden und bis zum Abend gedauert haben; an mehreren Punkten sah man a . emporschlagen. Mehrere Konsuln und Valis, die in der Nähe des Dorfes Haleppa waren, konnten sich nicht nach Kanen begeben. Die christliche Bevölkerung von Annea flüchtete in die Wohnungen der Konsuln und später an Bord der Kriegsschiffe, der Kampf um Kaneag hörte des Nachts auf. Die Feuersbrunst dauert fort. Die Kommandanten der britischen, italienischen und französischen Kriegsschiffe sind an Land gegangen und bemühen sich, dem Feuer Einhalt zu thun und die Flüchtigen zu sammeln.
Griechenland.
Im Verlauf der eln gen Sitzung der Deputirten⸗ kammer wurde, nach einer Meldung des „W. T. V.», keen der Regierung mitgetheilt, daß die Kriege schiffe „Hydra“, Mykah“ und „Miaulis“ sowie drei Toörpedshoote Befehl erhalten hätten, zum Schutze der griechischen Unter— thanen nach Kanea abzugehen. Der Deputirte Ralli erklärte im Namen der Opposition, daß diese Der Regierung ihre Unterstützung angedeihen lassen werde. Die Sitzung wurde unter begeisterten Beifallsbezeugungen aus dem Saale und von den Tribünen geschlossen. =.
Der Minister des Aeußern Skuzes stattete gestern den Vertretern ber fremden Mächte Besuche ab, um den⸗
selben über die Entsendung der Kriegsschiffe nach Kanea be⸗ ruhigende Aufklärungen zu geben. Serbien.
Der König Milan ist gestern Abend, wie ‚W. T. B.“ meldet, mit dem Orient⸗Expreßzuge von Belgrad nach Wien abgereist. Der Minister⸗Präsident Simitsch wird sich am Dienstag behufs Uebergabe seines n , ,, nach Wien begeben. — . der Uesküber Bischofsfrage ist infolge des Streites zwischen dem Patriarchen und der Synode ins Stocken gerathen.
Parlamentarische Nachrichten.
Der Bericht über die gestrige Sitzung des Reichs— tages befindet sich in der Ersten Beilage.
— In der heutigen (169.) Sitzung des Reichstages, welcher der Reichskanzler Fürst . der Staats⸗ sekretär des Innern,. Staais⸗Minisser Dr. von Boetticher und der Sia ats selretãr des Auswärtigen Amts, Staats⸗ Minister Freiherr von Marschall beiwohnten, wurde die zweite Berathung des Reichshaushalts⸗Etats für 1897/98 bei dem Etat des Reichskanzlers und der Reichs⸗ an . und zwar bei dem Gehalt des Reichskanzlers“ ortgesetzt.
An der Debatte betheiligten sich bis zum Schluß des Blattes die Abgg. Rickert (fr. Vxzg) und Liebermann von Sonnenberg (Reformp.).
— Das Haus der Abgeordneten setzie in der heutigen (28) Sitzung, in welcher der Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammerstein zugegen war, die Berathun des Antrages der Ab Ring (kons.) u. Gen, betreffen die Bekämpfung der Viehseu chen, und der dazu gestellten Anträge des Abg. Leto ch a (Zentr) (auf Zulassung der Einfuhr russischer Schweine für das oberschlesische Industriegebiet), der Abgg. Hahn und Ring (auf unverzügliche Bildung einer Spezial⸗ kommission von Landwirthen, Veterinärärzten und Bakteriologen ur wissenschaftlichen Feststellung der Inkubationsdauer der
aul⸗ und Klauenseuche) und des Abg. Grafen von und zu Hoensbroech 3. Untersagung der Einfuhr von frischem Fleisch aus den Niederlanden) fort. . ;
Abg. Bachmann (ul): Eine vierwöchentliche Quarantäne würde für den westlichen Theil Schleswigs einer völligen Absperrung der dänischen Vieheinfuhr gleichkemmen. Die Zunahrne der Maul- und Klauenseuche steht in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der Einfuhr dänischen Magerviehs. Ich bitte also, dem Antrage, soweit er eine vierwöchentliche Quarantäne verlangt, keine Folge zu geben.
Abg. Gamp fr. kons.): Die Erklärungen des Ministers wazen hier im Hause viel wohlwollender dem Antrag gegenüber als die Erklärungen der Regierung im Reichstage, wo man sich überhaupt nicht so freundlich zur Landwirthschaft verhält. Aber auch der Staatssekretär Dr. von Boetticher hat anerkannt, daß wir gegen das Ausland schärfer vorgehen müssen. und der Land wirthschafts-Minister hat sich hier auf dessen Erklärungen berufen, aber sehr bedauerlicher Weise nickt auf eine Uebereinstimmung mit dem Auswärtigen Amt, das ist doch sebr merk würdig. Gesetzlich ist die Staats⸗ und Reichsregierung verpflichtet, die Vieheinfuhr zu verbieten, wenn im Auslande die Seuche berrscht. Die Inkubatiorsdauer ist alerdings eine Doktorfrage, aber auch der Minister hat zugegeben, daß der Anfteckungsstoff noch nach mehr als 10 Tagen übertragen werden kann; es sind Fälle von mehr als 15 Tagen nachgewiesen. Wenn der Minister bezwetfelt, ob 4 Wochen genügen werden, so habe ich nichts dagegen, wenn er die Quarantäne auf 8 Wochen erstrecken will. Er sollte also unsere Bescheidenheit anerkennen, wenn wir nur 4 Wochen fordern. Der Antrag will sowohl für die See. wie die Land—⸗ quarantäneanstalten 4 Wochen festsetzen, denn auf welchem Wege das Vieh eingeführt wird, ist doch ganz gleichzültig. Wenn Ostpreußen seiner Zeit eine vierwöchige Quarantãnę ůür Schafe gehabt hätte, wäce es von der Einschleppung der Senche be⸗ wart geblieben. In Schleswig ist nur für diet Kreise die Einfuhr dänischen Viehes nöthig zur Ausnutzung der Sommern ide. eher Kopenhagen kommt auch russisches Vieh zu uns. Daß Stein bruch keine Seuchengefahr für uns kietet, habe ich Mie geglaubt, denn bei einer Untersuchung der dortigen Ver haͤlt⸗ nisse durch unsere Abgeordneten hat sich der Verdacht bestätigt, daß die Absperrung der Schweine dort nur auf dem Papier steht. Die Einfuhr aus Franlreich ist verboten, aber es sind Ausnahmen
estattet, z. B. für die Verproviantierung des Militärs in Metz und lr n rn. Wie kommt die Militärverwaltung dazu, ihren Provignt aus Frankreich zu beziehen? Wir bezahlen doch hier die Steuern für dag Militär. Die Gänseeinfuhr muß schon aus sanitären Gründen verboten werden. Für den Preis, zu welchem russische Gänse an der Grenze zu haben sind, von 1,50 — 2 *, kann der kleine Bauer nicht liefern. Bei dem Gänsetransport wird eine Thier quälerei getrieben, die an sich schon verboten werden müßte. Erfreulicher Weife haben sich die Landwirthschaftskammern für das Verbot der Gänseeinfuhr ausgesprochen. Auch die Kammer in Königsberg ist nur gegen das absolute Verbot gewesen, weil sie gewisse Ausnahmen zugelassen haben wollte. Man kann sich nicht lediglich auf den Standpunkt deös Konsumenten stellen, der billige Preise haben will. Soll der Viehzüchter allein den Schaden der Seuchen tragen? Der Konsument muß ihn schließlich mit bezahlen, wie der Staat auch große Summen für die Be— kämpfung der Reblaus hergeben muß. Oberschlesien bedarf keiner besonderen Ausnahme, die Löhne sind dort nicht g ungünstig, daß man besonders billiges Schweinefleisch aus Rußland herein lassen müßte. Zudem sind die Schweinefleischpreise in Obeischlesien auch ohne die Einfuhr schon niedriger als in anderen Provinzen. Der Abg. Ring hat durchaus kein Unrecht gethan, wenn er selbst einen Thierarzt zur Untersuchung in das Ausland entsandte. Schon früher haben Abgeordnete selbst die Verhältnisse in Steinbruch untersucht und festgestellt, daß die offiziellen Angaben über die Seuchen freiheit falisch waren. Wenn man sich da erst bei den amtlichen Stellen meldet, erfährt man nicht die Wahrheit. Die Staffeltarife wären nur eine zweckentsprechende Maßregel, wenn sich in Ober schlesien die Preise noch erhöhen sollten. Die Landwirthschafte kammern sollten ihrerseits Thierärzte zur Ueberwachung der Schlachihäuser und Viehmärkte anstellen; das wäre noch zweckmäßiger als die Beaussichti⸗ gung der Börse. Zu einer Sperrung der Grenze auch gegen Oester⸗ reich ist die Regierung nicht nur berechtigt, sondern auch ver⸗ pflichtet; für Schafe besteht das Einfuhrverbot bereits zu Recht. Allerdings haben wir die Seuche bei uns nicht nur durch die Einfuhr; aber daß diese dabei mitwirkt, beweisen die Propinzen, die keine Ein— fuhr haben und fast gänzlich seuchenfrei sind. Ich bin gegen den Antrag Hoensbroech, denn wenn man die Einfuhr von Schlachtvieh wegen der unerhörten Verhältnisse an der holländischen Grenze verbietet, muß man auch die Einfuhr frischen Fleisches verhindern. Das Inland behandelt man bei uns dieparitätisch gegenüber dem Ausland. Das Verbot der Finfuhr von Schweinefleisch aus Amerika in den achtziger Jahren hat die Regierung nicht für unge— setzlich gehalten, und seitdem sind die Gesetze nicht geändert worden. Zu Erleichterungen für den Grenzverkehr, wie sie jetzt in sehr umfassen⸗ der Weise bestehen, ist keine Veranlassung, der Grenzverkehr muß anders geregelt werden. Unser Landwirth muß große Lasten für die Sanie⸗
rung seines Viehs tragen und empfindet es hart, wenn alle seine Mühe vergeblich 1 weil die Seuchen vom Ausland herein⸗
gelassen werden. Daß der Nothstand der Landwirtbschaft ein inter⸗ nationaler ist, bestreite ich dem Minister. Man muß die Produktions⸗ kosten vergleichen, und die Landwirthschaft keines Landes hat so 33 Lasten für Aimenpflege, Schulen, Unfallversicherung, Altersverst 2 2c. wie bei uns. Wir müssen nationale Politik treiben, wie wir sie big 1879 getrieben haben. .
Hierauf nimmt der Minister für Landwirthschaft 2c. . von Hammerstein das Wort, dessen Rede am ontag im Wortlaut wiedergegeben werden wird.
Arbeiterbewegung.
Aus Hamburg wird dem „Wolff'schen Bureau zum Aus⸗— stande der Hafenarbeiter berichtet: Die Anmusterung der Ser⸗ leute deckt jetzt täglich das vorhandene Bedürfniß. Kürzlich wurde das ganze Ausstandecomité angemustert. Der Ausftand der Seeleute wird also wohl nur deshalb nicht „offiziell! für beendet erklärt, weil kein Comité vorhanden ist. Die Fiktion eines Ausstandes im Hafen wird in den Versammlungen der Arbeitsunwilligen von den Führern noch immer aufrecht erhalten; trotzdem mehren sich auch in den Kreisen der Arbeiter die Anzeichen, daß sie wieder arbeiten wollen. Gleichwohl wurde in der gestrigen Versammlung der Schauer leute die Behauptung aufgestellt, daß keine Veränderung in der Lage des Ausstandes eingetreten sei, und daß nur wenige Ausständige wie⸗ der zur Arbeit zurückkehrten. Ven einem Redner wurde die That. sache mitgetheilt, daß hinter dem Rücken der Allgemeinheit einzelne Ausständige Versammlungen abhielten, um (Über eine gesonderte Wiederaufnahme der Arbeit zu berathen. Der Redner tadelte dieses Vorgehen in scharsen Worten. Auch wurde bekannt, daß die früher im Stauereibetriebe von Strauß u. Co. beschäftigten Leute beschlossen hätten, sich bei ihrem früheren Arbeitgeber am Mentag wieder zur Arbeit zu melden. Auch die früher im Stauerei⸗ betriebe beschäftigt gewesenen Arbeiter sollen beabsichtigen, heute Abend eine Versammlung abzuhalten, in welcher darüber berathen werden soll. ob man die Arbeit wieder aufnehmen wolle.
Aus Weißenfels wird der Berliner ‚Volks-Stg.“ zum Aus—
stande der Arbeiter der Schuhfabriken geschrieben: Der Aus⸗ stand in den Fabriken der Schuhindustrie nimmt langsam ab. Täg⸗ lich mehrt sich die Zabl der Arbeitenden und der Fabriken, wel den Betrieb wieder aufnehmen. Gestern arbeiteten bereits wieder 1128 Personen, unter denen sich allerdings zahlreiche Neulinge be— finden. (Vgl. Nr. 30 d. 27 . In Barmen und Cassel haben, einer Mittheilung des ‚Vor⸗ wärts“ zufolge, die Tischler beschlossen, in eine Lohnbewegung ein zutreten. In Barmen wird verlangt: neunstündige Arbeitszeit unter Beibehaltung des jetzt üblichen Wochenlohns und 10o Aufschlag bei Stunden⸗ und Äecordarbeit, 25 0,9 Aufschlag für Ueberstunden, Sonntags. und Feiertagsarbeiten u. . w. In Cassel wird u. a. ge⸗ fordert: Neunstundentag, Minimallohn von 18 , Abschaffung der Accordarbeit. .
Hier in Berlin ist nach demselben Blatt der Aus stand der Mechaniker und Uhrmacher bei der Gesellschaft ‚„Fahrpreis⸗Anzeiger“ beigelegt worden. (Vgl. Nr. 22 d. Bl.)
In Zürich haben, wie der Berner, Bund“ meldet, die Kamin fegergehilfen beschlossen, in den Ausstand zu treten.
Aus St. Petersburg meldet W. T. B.“; Als in der ersten Hälfte des Januar den bereits aus ständigen Arbeitern dreier hiesiger Fabriken sich auch die Arbeiter sechs großer Spinnereien in und um St. Petersburg anschlossen und behördlich festgestellt wurde, daß der allgemeine Ausstand aller Fabrikarbeiter völlig geplant und vorbereitet war, beeilte man sich von zustänbiger Seite, dem Ausbruch desselben durch An⸗ schläge in den Fabriken vorzubeugen, laut welchen den Arbeitern amtlich mitgetheilt wurde, daß ein Gesetzentwurf über die Regelung der Arbeitszeit sofort an den Reichsrath gelangen und voraussichtlich schon im April in Kraft treten werde. Inzwischen setzten die meisten gro heren Spianereien freiwillig unter gleichzeitiger entsprechen der Lohnerhöhung die Arbeitszeit auf 103 Stunden fest. Für den Augenblick haben sich die Arbeiter mit dieser Beilegung der Streitfragen ein⸗ verstanden erklärt und die Arbeit allerorts wieder aufgenommen, haben jedoch zugleich die Erwartung ausgesprochen, daß bis zum April die endgültige Regelung der Arbeitszelt stattgefunden haben werde. Der Finanz-Minsster hat nun einen diesbezüglichen Gesetzentwurf fertig ⸗ gestellt, welcher dem Reichsrath in den nächsten Tagen zugehen wird.
—
Kunst und Wissenschaft.
Die Katakomben des Domes zu Magdeburg.
Unter Leitung des Bauraths Angelroth haben auf private Kosten zu Ende vorigen Jahres im Chor des Magdeburger Domes Nach— forschungen stattgefunden, um festzustellen, ob, wie nach alten Nach⸗ richten zu vermuthen, dort noch eine dem alten Dome zuzu⸗ schreibende Krypta vorhanden sei. Hierbei wurde zunächst das Grab des 13657 bestatteten Erzbischofs Dietrich aufgedeckt. Der gif wurde nach vorbandenen Urkunden freigelegt. Nach Aufnahme zweier mit Ringen versehenen Steinplatten ohne Inschrift oder sonstige Bezeichnung fand man ein anscheinend unberührtes, aus Steinplatten bestehendes Grab, in dem der im Skelett wohlerhaltene Leichnam eines Bischofs im Ornat lag. Die Leiche war mit einem jetzt rothbraunen seidenen Gewande angethan. die Füße waren mit spitzen Schnürschuhen bekleidet. Der Bestattete trug eine Mitra aus Goltbrocgt, und an sonstigen Beigaben fanden sich ein silberner, mit Patina überdeckter Kelch, zwei Gewandschließen mit radartigem Muster und dem Lamme Gottes sowie Reste eines golddurchwirkten, vielleicht dem Pallium angehörigen Bandes. Auf der Brust der Leiche lag ein Bleitäfelchen, welches den Namen Theodericus Archiepiscopus mit Sicherheit er⸗ kennen ließ. Dieser Kirchenfürst, der sich in seinem Tstament als Verwandter des Hauptmanns Nicolaus von Bismarck, des Begründers dieses Geschlechts, bezeichnet, ist für die Geschichte des Erzstifts als ausgezeichneter Regent und für die des Domes deshalb von besonderem Interesse, weil unter rn n Jahre 1363 der Dom mit großem Gepränge geweiht wurde. achdem die Beigaben abgezeichnet bezw. photographiert und dann wieder in das Grab gelegt worden waren, wurde datselbe unter Zuziehung der bei der Eröffnung zugegen ge— wesenen Domgeistlichkeit wieder geschlossen.
Die weiseren Nachgrabungen, die, unter dem Hanptaltar be⸗ innend, sich nach dem Grabe Kaiser Otto's J. zu erstreckten, er . größtentheils unterirdisch durch Miniergänge, welche in einer Tiefe von etwa 3,0 m unter dem Fußboden der Vierung vor⸗ getrieben wurden. Sie haben aber nur insoweit zu einem Ergebniß geführt, als unter dem Grabe Otto's noch mit Gußgewölben über deckte Gänge vorgefunden wurden, während die Gewölbe zwischen den vielfach noch festgestellten rohen Seitenmauern meistens zum theil wohl erst bei der Wiederherslellung des Domes in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts zerstört wurden.
Die ungepflasterte Sohle dieser katakombenartigen, seit⸗ lich vielfach ausgenischten. mit Schutt versfüllten Gange, welche die Reste menschlicher, von Männern, Frauen und Kindern herrührender Skelette in großer Anzahl, aber bis auf eine Bernsteinperle ohne jede Beigabe enthielten, war überall da, wo sie mit den tiesergehenden, um 12038 begonnenen, durchgehenden Chor-Fundamenten zusammenstießen, zerstört, sodaß sie wohl einer vor dem Beginn des jetzigen Domes entstandenen Anlage angebbren. Vermuthlich sind dlese Katakomben die Reste einer alten Begräbnißanlage, die mit dem früheren Moritzkloster in Verbindung stand. Die Kirche des letzteren, welche nur von 937 bis 967 als solche bestanden hat, ist wahrscheinlich späterhin in den ersten Dom, welcher 1207 abbrannte, umgewandelt worden.
Nach einem über die unterirdischen! Gänge sich hinziehenden GCstrich zu schließen, der sich etwa 1,9 m unter dem Fußboden der Vlerung