Unter den Arbeiten, deren Erledigung Ihnen obliegt, nehmen die jablreichen, die Erbaltung und Fortentwickelung der verschie denen Zweige der kommunalen Prorinzial-Verwaltung betreffenden Vorlagen Ihres Ausschusses die erfle Stelle ein. Auch in der gegen Tagung werden Sie reichlich Gelegenbeit baben, zu Verbesserungen auf diesem Gebiet Ibre Hand zu bieten und außerdem Kunst und Wissenschaft, Gewerbe und Verkehr, gemeinnützige und wohltbätige Unternebmen aller Art mit gewohnter Freigebigkeit u unterstüßen.
Mit Befriedigung werden Sie aus der Vorlage des Provinzial Ausschusses, betreffend die Förderung des Baues von Kleinbabnen, erseben baben, daß die dieserbalb im vergangenen Jahre gefaßten Be- schlüßse ibre wobltbätige Wirkung nicht verfeblt baben.
Das erböbte Interesse, welches infolge der dadurch e . An⸗ regung in der Predinz diesem wichtiger Verkehrämittel der Neuteit sich zugewendet und in verschiedenen Kreisen bereits greifkare Projekte gezeitigt bat, macht die Gewährung weiterer Mittel zur Unterstützung solcher Unternebmungen nothwendig. Die in dieser Hinsicht Ibnen unterbreiteten Vorschläge werden Sie wit um so größerem Wobl⸗« wollen prüfen, als es sich um produktive Ausgaben handelt und als auch die Königliche Staatsregierung in Beröcksichtigung der besonderen Verbältnisse unserer Provin; ju den weitgebendsten Zugeständnissen in Betreff der für den Kleinbabnbau zu gewährenden Staatsbeihilfen bereit ist.
Auch die Angelegenbeit wegen Einfübrung einer Entschädigung für Pferde. und Rindbiebverluste, welche durch Miljbrand entstanden sind, wird Ibnen zur Beschlußfafsung nochmals vorgelegt werden, nachdem die von Iknen gewünsichten weiteren Erbebungen angestellt worden sind uad neuerdings unter den Viebbeständen der Provin; eingetretene erhebliche Verluste es nabegelegt haben, Ten aus dieser Seuche erwachsenden wirtbschaftlichen Nacht beilen der Viebbesitzer dadurch vorzubeugen, auch in der hiesigen Provinz, wie dies in anderen Provinzen bereits geschehen ift, von dem durch das Gesetz vom 329. Juni 1890 gegebenen Rechte Gebrauch ju machen. Ich empfe ble den dabin gebenden Antrag des Preovinzial⸗Ausschusses Ihrer beson⸗ deren Berücksichtigung. ; ᷣ
Die Königliche Staatsregierung erbittet insolge eines an Sie er gangenen Antrages der betbeiligten Grundbesitzer erneut die Mit- wirkung der Provinz zur Durchführung der Wasserregulierungsarbeiten, welcke die mit Ibrer Unterstützung iu fstande gekommenen Melio⸗ rationsanlagen im Memeldelta weiter ausgestalten und deren Wir⸗ kungen baldmöglichst sicherstellen sollen. Wenn auch die mannig⸗ fachen an die Provinz berangetretenen Ansprüche eine weitere Steigerung der Previnzialabgaben unvermeidlich gemacht haben, so werden Sie dech auch an die Prüfung dieser Vorlage mit demjenigen Entgegenkommen berantreten, welches Sie bisber den auf die Förderung der Landwirtbschaft gerichteten Bestrebungen baben zu theil weiden lassen und insbesondere den Bewohnern des gedachten ge⸗ segneten Landstrichs durch fräbere Beschlüsse bereits bewiesen haben.
Ich gebe mich der Heff nung bin, daß es Ihnen gelingen wird, alle diese Arbeiten zu einem für die Probinz ersprießlichen Abschluß zu n und erkläre hiermit den 21. Ostpreußischen Landtag für eröffnet.
Zum Ersten Vorsitzenden wurde durch Acclamation der Ober⸗ Marschall Graf zu Eulen burg-Prassen, zum Stellvertreter der Generallandsschafts-Rath Negenborn gewählt.
Posen, 21. Februar. Die zum 30. Provinzial⸗Landtage einberufenen Abgeordneten wohnten heute, Vormittag 10 Uhr, dem Gottesdienst in der evangelischen Kirche St. Pauli bezw. in der katholischen Pfarrkirche ad St. Mariam Magda- lenam bei und versammelten sich sodann um 1214 Uhr Nach⸗ mittags im Sitzungssaale des Ständehauses. Nachdem der Königliche Kommissarius, Ober -Piäsident Freiherr von Wilamowitz⸗Möllendorff durch eine Deputation benach⸗ richtigt worden war, daß der Provinzial-Landtag versammelt sei, begab sich derselbe in die Mitte der Versammlung und eröffnete den Provinzial-Landtag mit folgender Ansprache:
HSochgeebꝛte Herren!
Nachdem der 29. Probinzial⸗Landtag durch fast einstimmigen Be- schluß die Einfübrung einer Landwirthschafts kammer für die Provinz Posen empfoblen hat, ist auf Grund der Allerböchften Verordnung vom 3. August 1895 diese Vertretung der gesammten Landwirthschaft der Provinz in das Leben getreten. Hoffentlich wird es derselben gelingen, sich zu einer segensreichen Institution füt unsere Heimath auszubilden. Wie es sich die Königliche Staatsregierung angelegen sein läßt, die Land⸗ wirthschaft zu fördern, zeigt Ibnen u. a. die Ihnen gemachte Vor—⸗ lage, beireffend Bildung eines arßerordentlichen Melicrationse fonds, welcher größtentheils aus Staatsmitteln gespeist werden soll, und auch der vom Staat geförderte Bau von Kleinbabnen, mit welchen Sie sich zu beschäftigen baben werden, soll wesentlich der Landwirtbschaft zu gute kommen. Aber die Vorlagen, welche die größten Anforderungen an Ibr Bewilligung recht stellen, liegen mebr auf anderen Gebieten. Eine von Grund aus neue Gestaltung der Einrichtung zur Versorgung der Provinz mit geschulten Hebeammen ift der Ausfluß gesetzlicher Verpflichtungen, von deren Erlüllung die staatliche Aufsichtsbebörde nicht länger würde entbinden können, und daß eine anderweite, ebenfalls auf gesetzlicher Pflicht berubende Für= sorge für Epileptische und Idioten geboten ist, wird Jönen nach Prüfung der bezüglichen Vorlage kaum zweifelhaft sein. Daß hierbei eine Mebrbelastung der Steuerzahler unvermeidlich ist, darf nicht verkannt, es muß aber auch beachtet werden, daß diese Mebrbelastung großentheils durch die weitere Aus— dehnung Tes Probmzial ⸗Chausseenetzes veranlaßt wird, während die Berichte Ihres Landes bauptmannes Ibnen als das Resultat einer ebenso zweckmäßigen wie sparsamen Verwaltung bedeutende Ueberschüsse nachweisen, welche Ihnen die nothwendigen Bewilligungen gewiß er- leichtern werden. An der weiteren Entwickelung der Lander ⸗Bibliotbek und des Provinzial Museums werden Sie freudigen Antheil nebmen und dieselbe, wie ich boffe, mit thatkräftigem Wohlwollen auch ferner bin begleiten.
Fest vertraue ich, daß der der sachlichen und erschöpfenden liegenden reichen Arbeite pensums nicht zurũcksteben wird. Vieses Vertrauen berubt nicht zaum mindesten darauf, daß die Leitung der Verhandlung wieder ig Ibren Händen liegt, bochverehrter Herr Landtags. Marschall, der Sie mit ebenso großer Aufopferung wie Sachkenntniß auch die Ver- handlungen des Previnzial. Ausschusses leiten. Indem ich Ihnen den Allerhöchsten Landtagsabschied vom 15. Februar 1897 und das Aller⸗ höchste Proposttionsdekcet vom selben Tage übergebe, erkläre ich im Allerhöchsten Auftrage Seiner Majestät des Kaisers und Königs den 30. Provinzial⸗Landtag der Provinj Posen für eröffnet.
Der Landtags⸗Marschall, Schloßhauptmann von Dziem⸗ bowski entgegnete hierauf:
Hochverebrter Herr Landtags. Kommissarius! Vie Worte, welche Eure Excellenz im Allerböchsten Auftrage Seiner Majefstät des Kaisers und Königs jur Eröffnung des 30. Provinzial Landtages an uns ge— richtet baben, erfüllen uns mit lebhafter Freude und vollem Vertrauen in die fiete, unablässige Fürsorge der Königlichen Staatsregierung für das Wobl und das Gedeiben unserer Heimatbrrovinz.
Der zweijährige Zwischenraum, der uns von den Beratbungen des vorangegangenen Provinzial Landtages trennt, bat die Entwickelung unserer provinztiellen Verbältaisse und Einrichtungen sichtlich und er⸗ freulich gefördert.
Mit Eurer Excellenz halte ich mich überzeugt, daß in der Aller böchst genehmigten Enführung einer Landwirtbschaftẽ kammer der ge= sammten Landwirthschaft der Provinz die geeignete Grundlage eines Zusammenschlusses geboten ist, auf welcher sie an die Verfolgung der der Kammer gejetzten Aufgaben mit regstem Eifer herantritt.
Wie es die Königliche Staatsregierung in dankenswerthester Weise an der Anregung und materiellen Uaterstũützung bedeutfamer und ge⸗ meinnũßiger Meliorationen nicht feblen läßt, o wird auch eine künf . tige Gewährung finanzieller Beihilien aas Mitteln des Staats bei
30. Provinzial - Landtag in Bekandlung des ibm vor⸗ binter seinen Vorgängern
dem Bau ven Kleinbabnen in Aussicht gestellt, welche um so werth⸗ voller und E versprechender angeleben werden muß, als die boke Anspannung der Steuerkraft der Kreise und der Provinz, wie solche in unverkennbarer Weise schon jetzt vorliegt, auch der kommunalen Förderung des Verkehrswesens zum schweren Hinderniß gereicht und ung zwingen wird, der Uebernahme dauernder Unterbaltungslasten auf die Provinz gewisse Grenzen zu zieben. —
Es wird die Aufgabe der Provinz und ibrer Vertretung bleiben, alle Maßnahmen der Königli Staatsregierung jur Hebung der materiellen Lage der Provinz und ihrer Cinwohner voll zu würdigen, ju erbitten und nach Maßgabe ihrer Kräfte zu unterstützen, da ja vor allem in der wirthschaftlichen Stärkung. in dem Aufschluß der Verkebrsrerbältnisse, in dem kulturellen Vorschreiten unserer Provinz eine sichere Gewäbr für ihre den staatlichen Interessen entspreckende Fortentwickelung und für die Vereinigung aller unserer Mitbürger zu gemeinsamer, friedlicher und gern übernommener Mitarbeir, zu gemeianũtzigtm Schaffen des Einjelnen für das Ganze gefunden werden darf. .
Auch die Zuwendung, welche der neu errichteten Landes. Bibliolbek und dem Prodinzial. Museum aus dem Allerhöchsten Dispositigne fonds vor kurzem zu tbeil geworden ist, läßt uns mit Dank die Fürsorge des Staats für das auf diesem Gebiet zu Schaffende erkennen.
Die Pflichten, die das Dotationsgesetz und das Geseß über die außerordentliche Arment flege den Proeinzialverbänden auferlegt haben, verlangen zu ihrer Erfüllung die Errichtung neuer Anstaltsgebäute, für welche die Bewilligung der Mittel von seiten des Provinzial Landtages erfolgen soll. . ö
Sie werden, meine verebrten Herren Mitstände, bei Durchsicht der Vorlagen, der Verwaltungsberichte und der Abschlüsse dem Herin Landeshauptmann die Anerkennung nicht versagen können, daß er mit Umnsicht und Erfolg bemuübt gewesen ist, die Unterhaltung der provinziellen Anstalten und Verkehrsanlagen so einzurichten und zu beaufsichtigen, daß die in den letzten Jahren angesammelten, recht er⸗ heblichen Ueberschässe der laufenden Verwaltung Ihnen beute darge⸗ boten werden jur freien Verfügung für die geeignetere und voll- kommenere Lösung einer Aufgabe, die das Gesetz dauernd der Prodxinz gestellt hat. . . .
Die hohe Auszeichnung, welche Seine Majestät der Kaiser und König Allergrädigst geruht hat, mir für diesen Landtag wiederum zu theil werden zu lassen, gewährt mir Gelegenheit, für die bevorstebenden Berathungen Eurer Excellenz wohlwollende, geneigte, uns schon oft be⸗ wiesene Unterstũtzung von neuem zu erbitten, wie an Sie, meine hoch⸗ verehrten Herren Mitstände mit der von Zuversicht getragenen Bitte mich zu wenden, mit Ihr Vertrauen und Ihre Nachsicht bei Leitung Ihrer Verbandlungen ebenso zu leiben, wie Ibre thatkräftige Mit. wirkung bei der gemeinsamen Arbeit, zu der uns Gott seinen Segen geben möge. . .
Ehe wir aber beginnen, lassen Sie uns in unverbrüchlicher Treue und mit einem Herzen voll ebrfurchsvollften Dankes unseres Kaiser lichen und Königlichen Herrn, unter dessen Scepter und Schirm wir bier zu Arbeiten des Friedens und der Wohlfahrt zusammenberufen sind, gedenken mit dem Rufe: Seine Majestät der Kaiser und König Wilbelm II. lebe hoch!
Die Versammlung stimmte in das von dem Landtags— Marschall ausgebrachte Hoch begeistert ein.
Der Königliche Kommissarius wurde hierauf durch die Deputation zurückbegleitet, und es wurden sodann die Ver⸗ handlungen der diesmaligen Session eröffnet.
Hirschberg, 20. Februar. Seine Königliche Hoheit der Prinz Heinrich, Seine Hoheit der Erbprinz und Ihre Königliche Hoheit die Erbprinzessin von Sachsen⸗ Meiningen begaben sich heute früh um Rn Uhr, nachdem vor— her das Musikkorps des 5. Jäger⸗Bataillons Höchstdenselben eine Morgenmusik dargebracht hatte, von hier aus über Agnetendorf nach der Peterbaude. Ueberall wurden die Höchsten Herischaften freudig begrüßt. Vereine und Schuljugend bildeten Spalier. In der Peterbaude fand ein Diner zu 50 Gedecken statt, bei dem Prinz Heinrich ein begeistert aufgenommenes Hoch auf Seine Masestät den Kaiser von Oesterreich ausbrachte. Nach Tische sahen die Höchsten Hertschaften einer Gefechtsübung des 5. Jäger ⸗Bataillons auf Schneeschuhen zu, worauf die Hörnerschlittenfahrt zu Thal erfolgte, an welcher auch sämmtliche Offiziere der Hirschberger Garnison theilnahmen. Zur Thalfahrt nach Aagnetendorf wur⸗ den 25 Minuten gebraucht. Um 5 Uhr Abends trafen die Höchsten Herrschaften hier wieder ein; um 6 Uhr fand ein Diner im
ffitier-Kasino statt. Die Fahrt von dort zum Bahnhof gestaltete sich zu einer großartigen Kundgebung. Einige Straßen waren besonders prächtig illuminiert. Das Jäger⸗ Bataillon bildete mit Fackeln vom Kasino bis zum Bahnhof Spalier. Um 8 Uhr 14 Minuten traten die Höchsten Herr⸗ schaften dann die Rückreise nach Breslau an.
Oesterreich⸗ Ungarn. *
Der Kaiser empfing, wie dem W. T. B.“ aus Wien gemeldet wird, gestern Nachmittag den Minister des Aus— wärtigen Grafen Goluchowski sowie den Reichs⸗Kriegs⸗ Minister von Krieghammer. Graf Goluchowski empfing den russischen Botschafter Grafen Kapnist und besuchte sodann den deutschen Botschafter Grafen zu Eulenburg, welcher wegen Unpäßlichkeit noch das Zimmer hütet.
In der vorgestrigen Sitzung des ungarischen Unter— hauses begründete der Abg. Kossuth einen Antrag, die 50 jährige Erinnerung der 1848er Ereignisse als Nationalfeier zu betrachten und würdig zu begehen. Der Minister⸗-Präsident Baron Banffy erklärte: Die Regierung sei der Ansicht, daß sie die Feier nur auf die Sanktionierung der im Jahre 18418 zu stande gekommenen Gesetze ausdehnen koͤnne; sie werde es als ihre Pflicht erachten, Vorbereitungen in dieser Richtung zu treffen, und dem Hause über die Form, in welcher die 1 begangen werden solle, Bericht erstatten. Er bitte, den
ntrag abzulehnen. Die Ablehnung erfolgte sodann mit 156 gegen 39 Stimmen.
Frankreich.
In der Deputirtenkammer richtete am Sonnabend der Deputirte Guesde eine Interpellation an die Re⸗ gierung über die Ausweisung von Elsässern, die am 6 September 1896 in Wissenbach einer Versammlung hätten beiwohnen wollen, in welcher die Deputirten des Deutschen Reichstags Bueb und Bebel Rechenschaft über ihr Mandat ab⸗ legen wollten. Der Redner erinnerte daran, daß Bebel und andere deutsche Sozialisten gegen die Annexion von Elsaß-Lothringen Einspruch erhoben hätten. Der Minister des Innern Barthou erwiderte: Die Ausweisung habe sich nur gegen Bueb und Bebel gerichtet, deren Anschluß an den Sozialismus ihre Anhänglichteit an das deutsche Vaterland nicht ausschließe. Die deutschen Sozialisten rühmten sich offen, erst Deutsche zu sein und dann erst Sozialisten; es wäre zu wünschen, daß dasselbe in allen Ländern der Fall sei. Die Regierung wolle nicht eine Wieder⸗ holung von Kundgebungen sehen, wie solche auf dem
Kongreß von Lille im August stattgefunden hätten. Maire von Wissenbach habe die ergriffenen . gebilligt; denn die Bevölkerung verwerfe verbrecherisch internationalistische Lehren. Der Deputirte Guesde g widerte, der Patriotismus werde im Elsaß durch die sozialintischen Arbeiter verkörpert, welche wünschten. daß der Rhein die Verbindungslinie zwischen den Völkern werde, anstatt eine trennende Schranke zu sein. Die Deban. wurde hierauf geschlossen. Der Minister des Innern Barthon erklärte, er nehme die einfache Tagesordnung an, als Zei der Billigung des Verhaltens der Regierung, und beklagte ich über die Unterbrechungen, denen er seitens der außersten Linken ausgesetzt gewesen sei. Die einfache Tages ardnung wurde hierauf mit 361 gegen 73 Stimmen angenommen un die Sitzung aufgehoben.
Der ehemalige Botschafter Decrais Bordeaux zum Deputirten gewählt worden.
Die Erregung im Gnartier latin war vorgestern Abend sehr groß; es hat sich aber kein ernstlicher Zwischenfall ereignet. Auf dem Montmartre fand eine von eiwa 2000 Per⸗ sonen besuchte Volksversammlung zu Gunsten der Un⸗ abhängigkeit Kretas statt, in der zahlreiche Reden gehalten wurden. Unter Anderen sprachen die Deputirten Rouannet, Chauviéèce, Vaillant und Sembat. Die Versammlung nahm eine Tagesordnung an, welche den Völkern, die sich gegen ihre Mörder erhöben, ihre Sym— pathie ausdrückt und die Politik der Unthätigkeit von seiten Frankreichs verurtheilt. Nach Schluß der Versammlung wurden noch an verschiedenen Stellen, auch im Quartier latin. Kundgebungen veranstaltet, die zur Verhaftung von etwa 30 Personen führten. Ein bedeutender Zwischenfall ist jedoch nicht vorgekommen. ; .
Eine Anzahl junger Griechen ist gestern Vormittag von Paris nach Griechenland abgereist. Dieselben hatten sich einzeln nach dem Bahnhof begeben.
Rußland.
Im „Regierungsboten werden, wie „W. T. B. be⸗ richtet, folgende Ernennungen bekannt gemacht: Der Botschaits⸗ Rath Graf von Benckendorff von der Botschaft in Wien ist zum Gesandten in Kopenhagen, der Minister-Resident bei dem päypstlichen Stuhl Iswolsky zum Gesandten in Belgrad, der General⸗Konsul in Budapest von Basili zum Direktor des asiatischen Departements im Ministerium des Aeußern, der General⸗Konsul in Danzig Baron von Wrangell zum Minister⸗Residenten beim Königlich sächsischen und Herzoglich draunschweigischen Hofe, der Rath im Ministertum des Aeußern Baron von Budberg zum Minister⸗Residenten bei den Höfen von Sachsen⸗Weimar und Sachsen Altenburg, der Erste Legations⸗Sekretär der Gesandischaft in Bukarest Lwow zum General⸗Konsul in Budapest, der Ge— sandte in Belgrad Baron Rosen zum Gesandten für Japan ernannt worden. Der Minister-Resident bei dem Königlich sächsischen und Herzoglich braunschweigischen Hofe Baron Mengden und der Minister-Resident in Weimar und Altenburg von Höltzke sind auf ihr Ersuchen krankheitshalber aus dem Dienste entlassen worden.
Wie ferner amtlich mitgetheilt wird, ist das Stadthaupt ven Odessa, Professor Ligin, zum Kurator des Warschauer Lehrbezirts ernannt worden.
Italien.
DPie radikalen Vereinigungen Roms hielten gestern zu Gunsten der kretischen Bewegung eine Versammlung ab, welcher mehrere Deputirte, unter ihnen Barzilai, ber wohnten. Nach einigen Ansprachen wurde, dem ‚W. T. = zufolge, eine Tagesordnung angenommen, welche Sym⸗ pathien für die Kreter sowie den Wunsch zum Ausdruck bringt, daß die Hoffnungen der Griechen sich erfüllen möchten. Die Theilnehmer an der Kundgebung zogen hierauf vor die griechische Gesandtschaft und brachten dem Gesandten Konduriotis Ovationen dar. Der Gesandte er⸗ schien am Fensfter und dankte. Schließlich gelang es der Polizei, die Veranstalter der Kundgebung, welche auch vor die türkische Botschaft ziehen wollten, zu zerstreuen. Auch in Neapel veranstaltete die Menge unter Führung des Depr⸗ tirten Casilli vor dem gritchischen Konsulat eine Kund— gebung. Der Konsul erschien in großer Uniform mit vier griechischen Offizieren auf dem Balkon und danfte in einer Ansprache, auf welche die Deputirten Casilli und Im brian antworteten.
ist geftern in
*
Türkei.
Nachdem Karatheodory Pascha die Berufung auf den Posten eines General-Gouverneurs von Kreta abgelehnt hatte, ist die Ernennung Photiades Beys zum General— Gouverneur amtlich bekannt gemacht worden.
Das Wiener „Telegraphen⸗Korrespendenꝝ Bureau“ berichtet aus Konstantinopel vom Sonnabend: Die Annahme, daß die beschlossene partielle Mebilmachung der Land⸗ Armee sich als schwer durchführbar erweisen könnte, weil ine⸗ besondere im Bereich des II. Korps die Verpflegungslieferanten in der letzten Zeit die Lieferungen wegen großer Schuld⸗ rückstände wiederholt eingestellt hätten, erweise sich vorläufig als grundlos, da die dringend nothwendigen Summen dem bestehenden geheimen Kriegsschatze von 450 00 Pfund ent⸗ nommen worden seien. Ein außerordentlicher Ministerrath habe beschlossen, wenn nöthig, 2590 Bataillone auf der westlichen Balkanhalbinsel zu konzentrieren, um alle Operc⸗ tionen bezüglich Macedoniens im Zaum zu halten. Infolge der bei der Pforte eingelaufenen Berichte, welche die Anwendung der Blockade gegen Griechenland und die Entfernung, der griechischen Truppen dus Kreta als keineswegs gesichert erscheinen ließen, seien weitere maritime Maßnahmen in Aussicht genommen worden. Außer den zwei Geschwadern solle eine Reserve⸗-Divisien formiert werden. Das erste Geschwader solle in acht Tagen auslaufen, in einem Monat sollten 35 Kriegsschiffe um Kreta versammelt werden. Dem Marine ⸗Ministerium sei vorläufig ein Kredit von 50 000 Pfund eröffnet worden. Man halte jedoch die Ausführung dieser Pläne angefichts des Zustandes der türkischen Marine immer noch für prob lematisch u. a. sollten erst in acht Tagen 5000 Marine Reservisten aus Trapezunt eintreffen. 4.
Eine in London eingetroffene Depesche des britische? Konsuls in Kanea befagt, die Garnison von Vukolis habe dem Angriffe der griechischen Truppen der⸗ zweifelten Widerstand geleistet, einen Ausfall unternommen und den Feind drei bis vier Meilen zurückgeworfen Schließlich sei sie aber durch die überwältigende Ueber macht des Feindes zum Weichen gezwungen worden. Nur
tarkischen Soldaten sei es gelungen, nach den türkischen Linien — Kanea zu gelangen. Nach dem 8 des Obersten Jassos über den Kampf bei Vukolis dort 17 Soldaten
efallen, ein Lieutenant und WM Kreter verwundet worden. Das
Fort wurde mit Dynamit gesprengt. Auf die 64 daß die Be⸗ y von Kanea gegen die Christen vorrücke, schickte dann Föerst Vassos eine Rempagnie Freiwilliger zur Unterstützung der Christen ab. Außer 1600 Soldaten der Besatzung von Lanea nahmen noch B00 Mohamedaner mit zwei Geschützen an dem Kampfe gegen die Kreter theil. Nach einem andert— halbftündigen Gefecht wurden die Türken gezwungen, in die Stadt zurückzukehren. Nach dem Kampfe besetzten die Griechen zwei Thürme von Agria. In dem dortigen Fort fanden sie reiche Beute vor, auch fielen ihren die Verwundeten in die Hände. Die Verluste der Tuürken ind unbekannt. Die Griechen verloren an Todten drei Offi⸗ ziere, mehrere Unteroffiziere wurden schwer verwundet.
Eine in Athen eingetroffene Depesche aus Kanea von vorgestern Abend 7 Uhr 55 Minuten meldet, der Agence Havas“ zufolge, daß die Admirale der fremden Ge⸗ schwader sich von Hagios Theodoros vor das Lager des Obersten Vassos begeben hätten. Von dort zurückgekehrt, kätten sie den Befehlshaber des griechischen Kriegsschiffes Admiral Miaulis“ zu sich eingeladen und dem— selben den Beschluß mitgetheilt, die griechischen Truppen mit den vier bei Hagios Theodoros ankernden Kriegsschiffen anzugreifen, falls Oberst Vassos in das Innere vorrücken sollte. Das Aus—⸗ schifen von Lebensmitteln sei gestattet. Der Befehlshaber des Admiral Miaulis“ und der britische Admiral hätten sodann eine Zusammenkunft mit dem Obersten Vassos gehabt und ihn von dieser Entscheidung in Kennimiß gesetzt.
Der gestern Vormittag vor Kanea eingetroffene deutsche
greuzer Kaiserin Augusta“ hat, wie ‚W. T. B.“ meldet, daselbst 50 Matrosen gelandet: die deutsche Flagge ist auf der Festung gehißt worden. Gestern Vormittag begann, wie die „Agence Havas“ meldet, in der Umgegend von Kanea ein Gewehrfeuer. Von der Stadt aus erkannte man die griechische Fahne. Nachmittags wurde das Feuer heftiger. Um 4 Uhr be— schlossen die Geschwader-Chefs, das Lager der Auf⸗ ständischen zu bombardieren. Da die Aufständischen um 5 Uhr das Gewehrfeuer noch unterhielten, eröffneten die Fahrzeuge das Geschüßfeuer. Ein britisches Schiff gad den ersten Schuß ab; hierauf folgten die anderen. Es wurden etwa 40 Schüsse auf das Lager der Aufständischen abgegeben. Als das Feuer aufhörte, sah man die griechische Fahne in der Höhe des Lagers gehißt. 50 mit Doppelflinten bewaffnete Nizams verließen e tas? Kanea, um die eingeborenen Mohamedaner zu verstärken. — Wie die „Daily News“ von heute aus Kanea melden, wurde gestern Nachmittag 4 Uhr 30 Minuten drei britischen Kriegsschiffen, einem italienischen, einem russischen und dem deutschen Kriegsschiffe das Signal gegeben, das Feuer auf die Stellung der Kreter zu ersffnen. Im Ganzen wurden 70 Schüsse abgegeben, und der von den Kretern gehaltene Ort zestõrt. Die griechische Flagge wurde bald niedergeholt. Nach 10 Minuten wurde das Einstellen des Feuers angeordnet, worauf die Flagge wieder gehißt wurde. — Das Reuter'sche Bureau“ berichtet, der Angriff der Schiffe sei erfolgt, als die Insurgenten auf Akronri die türkische Garnison in Haleppa angegriffen hätten. Das Bombardement der vereinigten Schiffe habe sich 265 Minuten hindurch gegen die In— surgenten gerichtet, welche alsdann die Flucht ergriffen hätten. — Bei Beginn der gestrigen Beschießung des Lagers der Auf⸗ ständischen hatte, der „Agence Havas“ zufolge, das vor Kanea liigende griechische Kriegsschiff „Hydra“ Dampf aufgemacht, um, wenn nöthig, in See zu stechen.
Das „Reuter'sche Bureau“ meldet aus Kanea von vor—⸗ gestern, daß die Mohamedaner in Rethymon, welche durch die Meldung von der Niedermetzelung ihrer Religionsgenossen in Sitia 6. das höchste gereizt gewesen seien, einen Ausfall aus der Stadt gemacht und die Posten der Aufständischen an— gegriffen hätten.
Ja Athen verlautete gestarn, wie die „Agence Havas“ berichtet, daß 700 griechische Soldaten mit Geschüßen bei Kissamo an Land gegangen seien.
Wie die „Agence Havas“ aus Aleppo meldet, hat das riegsgericht den an der Etmordung des italienischen Paters Salvator mitschuldigen Obersten Mazhar Bey zum Rang— derlust und zur Einschließung in einem befestigten Platze verurtheilt.
Griechenland.
Das in Athen ersch einende Blatt ‚„Asty“ veröffentlicht Er⸗ kärungen, welche der König dem Gesandten einer auswärtigen Macht gemacht habe. Der König habe daran erinnert, wie er bemüht gewesen sei, die Aufmertsamkeit Europas in einem für Kreta günstigen Sinne auf die dortigen Zustände zu lenlen, aber nur die Schaffung der gemischten Gen— darmerie und jene Reformen erreicht habe, welche die hien Feindseligkeiten hervorgerufen hätten. Der König habe zum Schluffe gesagt: „Meine Geduld ist erschöpft; ich habe mich zur Annektlekung Kretas entschlossen, eines Landes, das mit Leib und Seele zu Griechenland gehört. Dieser Ent— schluß wird gegen mich vielleicht Zwangsmaßregeln veran— kassen, aber ich werde den ganzen Hellenismus auf meiner Seite haben. Ich habe meiner Armee befohlen, die An⸗ zliederung Kretas nicht aufzugeben, dessen Verwaltungs rerhältnisse geregelt werden sollen. Sie können meine Erklärung Ihren Kollegen mittheilen.“ Anläßlich einer Kündgebung, welche eine gegen 30000 BFersonen ftarke Volkzmenge am Sonnabend in Athen auf dem latze vor dem Schlosse veranstaltet hatte, erschien, wie die Agence Havas“ berichtet, der König auf dem Balkon und äußerte in einer Ansprache, daß er das Mandat des gesammten Volkes ausführe. Der König schloß mit den Danke für die zum Ausdruck gebrachten Gefühle und mit dem Wunsche, Gott wolle Griechenland schützen und die gemeinsamen AÄnstrengungen des Volkes stärken. Nach der indge hung vor dem Schlosse zogen die Theilnehmer vor das Fnanz- Ministerium, wo der Minister⸗Präsident Del yannis sich in einer Anfpräche ahnlich wie der König äußerte. 1 Der Kronprinz hat an das Bataillon seines Re—⸗ er. welches auf Kreta gefochten hat, folgendes Telegramm 6 34 bin stol; auf den glänzenden Sieg, welchen mein Regiment ongetragen hat, und beglückwünsche die Offiniere und Soldaten.
liel (ls delten gefallenen Soldaten wird ewiges Andenken bewahrt
Der Prinz Nikolaus ist in Larissa eingetroffen.
Der griechische Konsul in Kanea hat sich als König⸗ licher Kommissar nach dem griechischen Lager begeben.
Das 10 griechische Regiment ist vorgestern Nach⸗ mittag von Corfu nach Arta an der albanesischen Grenze abgegangen.
Bulgarien.
Zum Nachfolger des zum Minister⸗Residenten beim Vatikan ernannten russischen diplomatischen Agenten von Tscharykow ist, der Agence Balcanique“ zufolge, der bis⸗ herige Erste Sekretär der russischen Gesandtschaft in Athen Bachmetiew ernannt worden. ö.
Die Regierung hat mit den französischen Werken im Creuzot eine erste Bestellung auf eine Anzahl Kanonen abgeschlossen.
Schweden und Norwegen.
Die Zweite Kammer des schwedischen Reichs⸗ tages hat, wie „W. T. B.“ meldet, am Sonnabend mit 1086 gegen 100 Stimmen die Verlängerung des schwedisch—⸗ norwegischen Handelsvertrages verworfen. Die Erste Kammer verwarf die Verlängerung des Ver— trages ohne Abstimmung.
Amerika.
Der Senat hat, wie „W. T. B.“ aus Washington meldet, vorgestern eine Resolution angenommen, worin er Griechen land seine Sympathie auespricht.
Die Kommission des Repräsentantenhauses be— schloß, einen Bericht zu Gunsten des am 29. Januar von dem Senat angenommenen Gesetzentwurfs zu erstatten, durch welchen der Präsident ermächtigt wird, Vertreter zu jeder etwa stattfindenden internationalen Konferenz zu ernennen, die den Zweck hat, ein festes Verhältniß zwischen Gold und Silber zu sichern. Die Kommission nahm einen Zusatzantrag an, welcher dem Prä⸗ sidenten die Befugniß ertheilt, wenn er es für besser halte, zu versuchen, auf diplomatischem Wege, anstatt mittels einer Konferenz ein internationales Einvernehmen herbeizuführen.
Der Präsident Cleveland hat dem Kongreß den Schriftwechsel mit Deutschland über die amerikanischen Versiche⸗ rungsgesellschaften übersandt.
Afrika.
Aus Tanger von gestern erfährt die Agence Havas“, daß die Ermordung des deutschen Kaufmanns Häßner von einer wohlorganisierten Bande begangen worden sei. Auf
das Geständniß eines am Sonnabend verhafteten Arabers seien mehrere Spanier in Haft genommen worden.
Parlamentarische Nachrichten.
Die Berichte über die vor gestrigen Sitzungen des Reichstages und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.
— In der heutigen (182) Sitzung des Reichstages, welcher der Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Staats⸗ Minister Freiherr von Marschall beiwohnte, wurde die zweite Berathung des Reichs haushalts-Etats für 1897/98 bei dem Etat des Auswärtigen Amts, und zwar bei dem Kapitel „Gehalt des Staatssekretärs“, fortgesetzt.
Bis zum Schluß des Blattes nahmen die Abgg. Prinz von Arenberg (3Zentr), Dr. Hasse (nl) und der Staats⸗ sekretär des Auswärtigen Amts, Staats-Minister Freiherr von Marschall das Wort.
— Das Haus der Abgeordneten nahm in der heutigen (36.) Sitzung, in welcher der Finanz Minister Dr. von Miguel und der Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal⸗Angelegenheiten D. Dr. Bosse zugegen waren, zunächst in zweiter Berathung den Gesetzentwurf, betreffend die Ergänzung einiger jagdrechtlichen Bestimmungen, nech kurzer Debatte an, erledigte die dazu eingegangenen Petitionen durch Uebergang zur Tagesordnung und ging darauf zur Berathung des aus dem Herrenhause in abgeãanderter Fassung zurückgekommenen Entwurfs eines Leh rer⸗ besoldungsgesetzes über.
In der Generaldiskussion bemerkt
Abg. Seyffardt (nl): Meine Freunde haben bei der vorigen Berathung im Interesse der Lebrer auf weiterge bende Abänderungs⸗ vorschläge verzichtet. Die Aenderungen des Herrenbauses sind keine Ver⸗ besserungen, aber auch keine wesen lichen Verschlechterungen. Unser Haupt⸗ bedenken richtet sich gegen die Aenderung in F 2, wo die Bestimmung ũber die Höhe des Grundgebalts auch in besonders billigen Orten gestrichen worden 1st. Kardinal-⸗Fürftbischef Keyp bat mit Rücksicht auf die Beunrubigung in Lehrerkreisen die Aufrechterbaltung dieser Worte beantragt, die Regierung sie aber für entbehrlich gebalten. Auch eine Anzabl von Mitgliedern des Herrenbauses bat diele Worte für überflüssig bezeichnet und ausdrücklich betont, datz eine Verkürzung der Lehrer durch Fortrall dieser Bestimmung nicht beabsichtigt sei, und Kardinal⸗ Fürstbischof Kepp bat darauf seinen Antrag zurückgezogen. Wir wollen denn auch diesen Antrag nicht wieder aufnehmen und empfehlen dem Haufe, die Fassung des Herrenbauses unverändert anzunehmen.
Abg. Dr. Porsch (Zentr. : Ich kann in diesem Falle mich den Aussübrungen des Abg. Seyffardt anschließen. Die Abänderungen des Herrenbauses sind in der That Verschlechterungen. Es ist aber keine Aussicht, daß das Herrenhaus seinen bifberigen Standpunkt auf⸗ geben wũrde. Das zeigt das Schidsal des Antrages des Kardinals topp. Wir alle haben ein Interesse an dem Zustandekommen des Gesetzes und wollen es nicht asermals im Herrenbause scheitern lassen. In dieser Notblage stinmen wir für die Herrenbausbeschlüfse, wenn wir auch nicht verkennen, daß das die Gefahr einer Staatsschule vermehrt, aber in der Hoffaung, daß es nur ein Provisorium ist.
Abg. Rickert (fr. Vgg.): Wenn das Zentrum mit den National liberalen stimmt, so scheint großer Friede zu berrschen. Es ist aber nur ein Waffenstillftand. Die Lebrer sind mit diesem Gesetz nicht jufrieden; da sie aber zur Zeit sich damit begnügen müssen, fo machen wir ar den Waffenstillstand mit und acceptieren das Gesetz als kleine Abschlagszablung. Die Ablehnung meines Antrags, daß den Lehrern über die Gründe der Versagung der Alterszulage ein schriftlicher Bescheid zu ertheilen ist, bedauere ich; ich hoffe aber, daß der Kultus Minister von der ihm zuste benden Befugniß keinen üblen Gebrauch machen wird.
Minister der geiftlichen c. Angelegenheiten D. Dr. Bosse: Es ist nicht richtig, daß das Geseg hinter früberen preußischen Entwürfen zurückbleibt. Ich hoffe, daß die Lehrer sich durch das, was bie her noch zur Erreichung ihrer Wänsche feblt, nicht in eine weitere Unzufriedenheit werden bineinhetzen lassen, sondern erkennen werden, daß alle Parteien unter schweren Opfern ihnen entgegengekommen sind, und daß dieses
Gesetz ein Fortschritt ist. Es thut mir wobl und ist mir ein Bedurfniß, bier festzustellen, daß die Lebrer in ibren Zeitangen das auch schen an⸗ erkannt haben. Neber den 5 2 babe ich mich schon erklärt, und ich wiederbole, daß der Paragraph troß des Augfalls jener Bestimmungen so ausgeführt werden wirt, als ob die Besftimmungen darin ständen. Mit den Bestimmungen des 5 Tsoll kein Mißbrauch ge⸗ trieben werden. Es ist besser, wenn die Sache ganz in der Stille emacht wird, und die Lebrer kennen auch die Gründe sebr gut. Ich * es für eine Ebrenpflicht der Regierung, das Gesetz so ausju⸗ führen, das es den Lehrern zum Segen gereiche.
Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa (kons.): Die Aenderungen des Herrenhauses sind nicht so wesentlich, das wir desbalb das ganze Gesetz in Fraze stellen könnten. Wir haben Dyfer gebracht, weil wir es fuͤr nothwendig hielten, den Lehrern zu helfen, und ia der Hoffnung, daß das Gesetz schonend durchgeführt werden wird. Ich beffe, daß die Regierung unser Vertrauen nicht ent. tãuschen wird.
Abg. Dr. Aren dt lfr. kons.): Ich erkläre, daß auch meine Partei dem Herrenhausbeschluß zuftimmen wird. Wir danken der Regierung, daß sie durch rechtzeitige Einberufung des Landtages und durch schleunige Einbringung dieses Gesetzes das vorjäbrige Scheitern der Vorlage wieder wett gemacht hat, sodaß dadurch den Lehrern eine Schädt igung erspart worden ist. Die vorgenommenen Aende⸗ rungen des Herrenhauses sind nicht so schlimm, wie man es . Zu begrüßen ift die Ausmer zung der Fremdwörter. Dies Gesetz ist das Maximum dessen, was jetzt für die Lehrer zu erreichen ist, und deshalb sollte man in diesem Augenblick nicht wieder, wie es Herr Rickert getban hat, Agitationszwecke verfolgen und die Brandfackel der Unzufriedenbeit in die Lebrerschaft werfen. Der äußersten Noth des Lehrerstandes ist mit diesem Gesetz ein Ende gemacht, und das erkennen die Lehrer auch unumwunden an. Ich wünschte aber, daß sich an dies Gesetz, wenn mözlich in der nächffen Sessien, eine bessere gesetzliche Versorgung der Hinterbliebenen der Lebrer anschließen möchte. Diesen Wunsch möchte ich namentlich dem Derrn Finanz⸗Minister ans Herz legen. Auch ein Gesetz über die Schulunterbaltungspflicht wird sich nicht lange hinausschieben lassen; für Schlesien insbesendere ist es ein dringendes Bedürfniß. .
Abg. Latach (Zentr. meint, daß der ganze Lebrerstand jenen dankbar sein werde, die das Gesetz nicht darch zu weitgehende Ver= besserungsvorschläge gefäbrdet baben. Deshalb nebme er aach die Ab= änderungen des Herrenhauses an. Er sei überzeugt, daß die Lehrer allen Faktoren der Gesetzgebung für dieses Gesetz dankbar sein würden.
Abg. Knörcke (fr. Volkér.): Die Abänderungen des Herren— bauses sind nicht so bedenklich, daß ich ibretwegen das Gesetz in Frage stellen möchte. Wir bandeln im Interesse der Lehrer, wenn wir das Gesetz ohne jede weitere Diskuision annebmen.
Abg. Mo tir (Pole) erklärt, daß seine Partei tretz der nicht gerade wünschenswerthen Aenderungen des Herrenbauses für den ganzen Gesetzentwurf in der Faffung des Herrenbauses stimmen werde.
Damit schließt die Generaldiskussion.
(Schluß des Blattes.)
— Dem Hause der Abgeordn mist der von dem Herten bause angenommene Entwurf eines s betreffend die Ver⸗ einigung der Stadtgemeinde Bu eid mit der Stadt gemeinde Aachen, zugegangen.
. von Detten, Dr. von bach, Graf von Kanitz und Knebel ist im Hause der eordneten folgende Interpellation eingebracht worden:
1) Beabsichtigt die Königliche Staatsregierung zum Schutze des Betriebes der heimischen Eichenschälwaldungen auf die bald tbunlichste Einfübrung eines wirksamen Schutzzolles auf Quebrachobol; und auf die Extrakte und Präparate die ses Holjes hinzuwirken?
Im Weigerungsfalle: Mit welchen Mitteln und Maßregeln beabsichtigt die König—⸗ liche Staatzregierung jene Waldungen, welche jur Erhaltung sowohl unserer Wehrkraft, als unserer Kleinbauern und zabl⸗ reicher Gerbereiketriebe unentbebrlich sind, vor dem durch die zollfreie Einfuhr von Quebrachehol; drohenden, beute bereits in die Etscheinung tretenden Untergang zu bewahren?
Nr. 8 des Centralblatts der Bauverwaltung“, beraus⸗ gegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, vom 20. Februar, bat folgenden Inbalt: Amtliches: Dienst⸗Nachrichten. — Nichtamtliches: Ueber Inschriften an öffentlichen Gebäuden und Denkmälern (Schluß). — Die Regulierung des Eisernen Thores in der unteren Donau. — Die Preisbéewerbung für den Neubau der Hochschule für die bildenden Fünfte und der Hochschule für Musik in Berlin. V. (Schluß). — Tangermünder Backsteine. — Der Verkehr auf den Wasserstraßen Berlins im Jahre 1896. — Vermischtes: Wettbewerb um Entwürfe zu einem Kaiserdenkmal in Wanzleben. — Besuch der Technischen Hochschule in Dresden. — Reinigung der städtischen Abwässer in Leipzig. — Brand der Kreuzkirche in Dresden. — Herzstück von Tyler⸗Ellis. — Neue Patente.
Arbeiterbewegung.
Aus Hamburg berichtet das „Wolff'sche Bureau über die weitere Entwickelung der Arbeiterverhältnisse nach der Beendi—⸗ gung des Ausstandes der Hafenarbeiter: An der am Sonnabend unter dem Varsitz des Senators O'Swald ab⸗ gebaltenen Sitzung der Senatskommission zur Prüfung der Arbeitsverbhältnisse im Hafen nahmen die Senatoren Hertz und Holthusen sowie je vier Delegirte der Stauer und der Schauerleute theil. Es handelte sich in der Sitzung, welche gegen 2? Uhr schloß, nicht um Unterhandlungen zwischen den Arbeit gebern und Arbeitnehmern, sondern um Auskünfte von beiden Seiten zur Gewinnung einer Unterlage für die richtige Beurtheilung aller Arbeitsverbhältnisse im Hafen. — Wie der „Voss. Ztg.“ aus Hamburg gemeldet wird, wollten die Schauerleute gestern zur Berichterftattung über die Ergebnisse der Sitzung der Senatskommission eine Versammlung abhalten. Der Hafen ist nahezu eisfrei, die Hafenarbeit verläuft ungestört; der Postdampfer „Reichs⸗ tag“, das bisherige Wohnschiff der fremden Hilfsarbeiter, wurde am Sonnabend geräumt; die bisberigen Bewohner reisten fast alle ab.
Aus Triptis in Sachsen. Weimar meldet der Vorwärts“ daß der Ausstand in der dortigen Porzellanfabrik nach einer Dauer von 23 Wochen ohne Erfolg füt die Arbeiter beendet worden ist.
Hier in Berlin baben, nach demselben Blatt, die Hilfsarbeiter der Buchdruckerei von Julius Sittenfeld, 20 Mann, die Arbeit eingestellt.
Kunft und Wissenschaft.
Im Verein für deutsches Kunstgewerbe wird am Mittwoch, den 24. d. M., Abends 85 Uhr (im Architektenhause) Herr Gebeimer Regierunge Rath, Professor Dr. Julius Lessing einen Vor⸗ trag halten über: „Mittelalterliche und moderne Wandteppiche in Gobelintechnik. Ferner gelangen zur Ausftellung und Besprechung die eingelieferten Plakat⸗Entwürfe der Firma Jünger u. Gebhardt, Parfümeriefabrik in Berlin.