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wedurch die Wartezeit, namentlich auch der Militäranwärter, erheblich
ekürzt worden ist. * Damit schließt die Debatte.
Die Ausgabe für die Zentralverwaltung wird genehmigt.
Bei den Ausgaben für die Betriebsverwaltung be— mãängelt
Abg. Bueb die Zahlen des Etats bezüglich der Maschinen⸗ Ingenieure.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Meine Herren! Nachdem der Herr Abg. Bueb erklärt hat, die ziffernmäßigen Angaben der Staatsregierungen seien nur Redensarten, kann ich mich nicht veranlaßt finden, auf seine allgemeinen Aus— führungen zu antworten. (Sehr richtig! rechts.)
Bezüglich der speziellen Anfrage möchte ich nur bemerken: eine Prüfungsvorschrift hat nicht bestanden bis zu der Mitte der achtziger Jahre und ist dann, dem preußischen Muster folgend, von verschiedenen deutschen Bundesftaaten eingeführt worden.
Abg. Dr. Ham macher (ul.) spricht seine Freude darüber aus, daß die Verwaltung die Beschwerden der von der früheren Ver⸗ waltung übernommenen Beamten zum großen Theil abgestellt habe, daß sie zum theil nach nachträglich abgelegter Prüfung in die etats⸗ mäßigen Stellen der Sekretãre eingereiht seien. Bezüglich des Gramens solle aber die Verwaltung nachsichtig sein. Es komme doch schließlich bei den Beamten mehr darauf an, welche Meinung ihre Vorgesetzten von ihnen und ihren Qualifikationen hätten, nament⸗ lich bei älteren Beamten, die es als Familienväter ablehnten, sich
einem solchen Examen in ihrem Alter noch zu unterwerfen. Man folle den zwischen den Eisenbahn ⸗Sekretären und den Betriebs Sekre⸗ tären gemachten Unterschled nicht mehr aufrecht erhalten.
Geheimer Ober⸗Regierungs⸗ Rath Wackerzapp;: Von 111 Sekre⸗ tären haben 13 sich nicht gemeldet; 1 haben die Prüfung bestanden, 6 haben fie nicht bestanden, 1 hat seine Meldung zurückgezogen. Einige Beamte haben die Prüfung zweimal nicht bestanden; wenn diese nochmals zur Prüfung zugelassen werden sollten. so würden alle Bestimmungen über den Haufen geworfen werden. Diejenigen, welche J. gar nicht zur Prüfung gemeldet haben, können natürlich auch nicht
fördert werden. Daß es sich weniger um das Bestehen einer Prüfung als um das Urtheil der Vorgesetzten handelt, hört sich sehr schön an; aber es ist bei einer Verwaltung mit tausend Beamten kaum
durchzuführen; es würde zur Willkür führen.
Auf eine Anregung des Abg. Dr. Hammacher erklärt
Geheimer Ober⸗Regierungs Rath Wackerzapp, daß die Ver⸗ waltung in Aussicht genommen habe, wie in Preußen, in Zukunft nur zwei Klassen von Bureaubeamten bestehen zu lassen: die Assistenten und die Sekretäre.
Die Ausgaben für die höheren Beamten der Betriebs⸗
verwaltung werden genehmigt. Bei den Ausgaben für das Bureauper sonal bedauert
Abg. Dr. För ster⸗Neustettin, daß die Petitionen seitens der Budgetkommission noch nicht geprüft, sondern bis zur Berathung der Gehaltsaufbesserungen zurückgestellt seien; man wisse nicht, ob man überbaupt zur Berathung dieser Aufbesserungen komme. Redner em⸗ pfiehlt daher die Berücksichtigung der Wünsche dieser Beamten.
Geheimer Ober⸗Regierungs⸗ Rath Wackerzapp weist darauf bin, daß die Bureaubeamten erst 1892 in ihrem Gehalt aufgebessert
seien. Bei den Ausgaben für das Stations-, Strecken⸗ und Telegraphenpersonal bemängelt
Abg. Bueb die lange Dienstzeit dieser Beamten, die bei zwöfsständiger Dienstzeit täglich nicht einmal zu ihrem Mittag⸗ essen kämen die ferner eine unzureichende Sonnta . hätten. Es handle sich namentlich um das Rangierpersonal und die Telegraphisten. Redner gelt auf die vorjährige Rede des Minislers ein und versucht den Nachweis, daß die von demselben damals gegebenen Zahlen nicht zutreffend seien. Die Telegraphisten wärden zu Stationsdiensten herangezogen, ohne entsprechendes Gehalt ju erhalten. Aber man scheine die Leute grundsätzlich nicht zum Examen zuzulassen.
Abg. Br. För ster-⸗Neustettin verzichtet auf die Besprechung dieser Singe, die Gegenstand einer besonderen Petition seien.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Meine Herren! Auf die einzelnen Fragen wegen Nichtbeförderung von Telegraphisten kann ich mich heute nicht einlassen, weil sie mir unbekannt sind. Ich werde aber aus dem Stenogramm Veranlassung nehmen, ihnen näher ju treten.
Was die Sache selbst anbelangt, so bin ich der Meinung, daß die⸗ selbe demnächst bei der speziellen Behandlung der Petitionen erörtert werden muß. Ich möchte aber heute einzelne Angaben des Herrn Abg. Bueb nicht unwidersprochen lassen. Meine Herren, die Telegraphisten zerfallen in zwei Klassen: in solche, die die Telegraphisten⸗ stellen nur als Durchgang bekleiden, und in solche, die dauernd Telegraphisten bleiben. Die letzteren sind die weniger qualifizierten, während die ersteren später in die Stellen der Stationsassistenten aufrücken konnen, wenn sie ihre Qualifikation durch ein Examen dargethan haben; ein solches Examen ist bei der großen Verant⸗ wortung, welche mit dem Amt eines Stationsassistenten verknüpft ist, unumgänglich nothwendig.
Meine Herren, die Eisenbahntelegraphisten sind im Jahre 1888 / 8—́ aufgebessert worden in den Höchstbezügen um 130 pensionsfãhiges Gehalt und durch Gewährung Lines nicht pensionsfähigen Zuschusses von 200 ; sie sind dann im Jahre 1891/92 nochmals aufgebessert und zwar im Höchstbetrage um 240 M; sie stehen damit durchaus richtig in der Eisenbahn⸗Beamtenhierarchie. Vielleicht aber wird es dem Hause nicht uninteressant sein, wenn ich hier einmal die Ziffern mittheile, wie in den Privat Eisenbahnverwaltungen diese Stellen besoldet sind. Die preußische Staatseisenbahn⸗Verwaltung hat Veranlassung genemmen, dieser Frage näher zu treten in diesem and im vorigen Jahre aus Anlaß der Verstaatlichung von vier Privat- bahnen. Da hat sich ergeben, daß die Telegraphisten in der preußischen Verwaltung — und die Sätze sind ja genau dieselben in der Reichs ⸗Cisenbabnverwaltunß — im Durchschnitt 1612 4 erhalten, bei der Weimar ⸗Geraer Bahn 1258 , bei der Werrabahn 1383 6, bei der Saalbahn 1364, bei der Hessischen Ludwigsbahn, also einer Nachbarbahn von Elsaß⸗ Lothringen, bestehen zwei Kategorien, von denen die eine 1184, die höhere 1228 * bezieht gegen 1612 bei den preußischen Bahnen. Vorhin ist auc von den Kanzlisten die Rede gewesen, und ich möchte auch in dieser Benehung die betreffenden Zahlen mittheilen. Die Kanzlisten (ausschließlich der Kanzlisten 1. Klasse) bekommen im Durchschnitt im preußischen Dienst 2147 , bei der Werrabahn 1600, bei der Saalbahn 1075 und bei der Hessischen Ludwigsbahn 1825; also auch hier find die Besoldungssätze der Staatsbahn und demgemäß auch der Reichsbahn entschieden sehr viel höher als bei den Privatbahnen.
Der Herr Abg. Bueb hat nun vorhin Zablen angeführt bezũglich des Prioatdepeschenverkehrs in Straßburg und hat gesagt, wenn ich ibn richtig verstanden habe, in Straßburg wären im Jahre 1894 / 95 nach den Angaben, die ihm gemacht worden sind, 14 800 Privat-
depeschen abgegeben worden. Das macht auf jeden der dort vor⸗ handenen Telegraphiften täglich drei. Eine weitere Erörterung dar ⸗ über ist wohl überflüssig.
Abg. Dr. Hammacher behält sich vor, auf die Petitionen zurũckzukommen.
Bei den Ausgaben für das Expeditions⸗ und Fahr⸗ personal tritt
Abg. Werner (Reformp.) für die Lokomotivführer ein, die in ihrem Gehalt sich benachtheiligt fühlten gegenüber anderen Beamten. kreifen, und bemängelt die niedrigen Säße der Kilometergelder. Das liege alles nur an der Personalunion mif der preußischen Verwaltung.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Meine Herren! Ich muß denn doch entschieden widersprechen, daß durch die Personalunion zwischen der preußischen Staatsbahn⸗ verwaltung und der elsaß⸗lothringischen Reichs. Eisenbahnverwaltung irgend ein Nachtheil für die elsaß -lothringischen Bahnen oder für die Reichslande erwachsen sei; im Gegentheil ist der Beweis sehr leicht zu führen, daß gerade die Vereinigung mit der preußischen Ver⸗ waltung, insbesondere für die Beamten der Reichs · Eisenbahn verwaltung, nur vortheilhaft ist.
Meine Herren, die ganze Entwickelung der Reichseisenbahnen hat sich nach der Occupation des Landes, und nachdem man die französi⸗ schen Verwaltungseinrichtungen aufgegeben hatte, sehr zu ihrem Vor= theil auf der Grundlage der preußischen altbewährten Ein— richtungen, nach preußischen altbewährten Grundsätzen voll · zogen. Daß diese festgehalten sind, das muß das Reichs⸗ land der preußischen Verwaltung und der Reichsregierung danken, und die Einsichtigen des Landes thun das auch. Die Reichs- Eisenbahnverwaltung in Elsaß ⸗Lothriugen — ich kann mich da wirklich auf das Land berufen — ist eine der beftkreditierten Verwaltungen der Reichslande. (Sehr richtig! links) Aus den Reichslanden selbst, aus solchen Kreisen des Reichslandes, welche Empfindung dafür haben, welche Vortheile ihnen durch die Reichs Eisenbahnverwaltung zugetragen worden sind, aus allen wirth⸗ schaftlichen Keeisen wird das im vollsten Maße bestätigt. Es wird in vollstem Maße bestätigt durch den Eisenbahnausschuß der Reichslande. Meine Herren, wenn wir die Personalunion auflösen, so wird die Folge die sein, daß die Reichseisenbahnen in eine weit größere Abhängigkeit gerathen von den konkurrierenden sũddeutschen Bahnen. Wenn das schon früher der Fall gewesen ist, so würde das jetzt noch in viel höherem Maße der Fall werden, nachdem die preußische Staatsbahnverwaltung ihr Netz bis Mannheim erstreckt hat. Nur durch die Personalunion wird es möglich, diese Konkurrenz auf ein nach allen Seiten hin billiges Maß zu beschränken. Lösen Sie dies Verhältniß auf, so werden sehr rasch Zustände eintreten, die auch für das Reich und namentlich für Elsaß ⸗Lothringen nicht erwünscht sein werden.
Was nun speziell die Beamtenklasse anbetrifft, für die der Herr Vorredner eingetreten ist, die Lokomotivführer, so möchte ich doch be⸗ merken, daß das ein Irrthum ist, daß der Lokomotivführer weniger gut gestellt wäre als der Zugführer; im Gegentheil, sein Gehalt ist einmal an sich schon höher, und zweitens hat der Lokomotivführer in den Kilometergeldern eine größere Nebeneinnahme. Diese Neben⸗ einnahme übersteigt zu einem nicht geringen Theil die Baarauslagen, welche den Beamten aus der Nothwendigkeit des Aufenthalts und der Uebernachtungen außerhalb der Stationsorte entstehen. Die ihnen hierdurch zukommende Ersparniß kann zum mindesten auf durchschnitt⸗ lich 350 M angenommen werden. Zu diesem Betrage sind sie auch durch den Etat für pensionsfähig erklärt worden.
Meine Herren, die Lokomotivführer bilden unter den Beamten der Eisenbahnen jedenfalls einen Stand, der alle Hochachtung im vollsten Maße verdient (sehr richtig! links), eine Hochachtung, die ihm auch meiner⸗ seits stets im vollsten Maße zu erkennen gegeben worden ist. Es ist mir immer eine besondere Freude gewesen, jede Gelegenheit benutzen zu können, mit dem Lokomotivführer auf der Maschine zu fahren und mir von ihm auch hier und da einen guten Rath geben zu lassen. Aber, meine Herren, jetzt die Lokomotivführer besonders hervorzuheben aus der allgemeinen Besoldungsregelung, dazu liegt meines Erachtens keine Veranlassung vor.
Abg. Bueb: Es wäre ganz gut, wenn etwas mehr süddeutsche Einflüsse sich geltend machen würden. Der Minister wird nicht im stande sein, irgend einen Fortschritt der Reichs⸗Eisenbahnen aufzu⸗ weifen, der nicht unter dem Drucke des süddeutschen Beispiels gemacht wäre. Die Beschwerden der Beamten sind alle berechtigt; das ist ein schlechtes Zeugniß für die Verwaltung. e.
Abg. Freiberr von Stumm (Rp): Ich bestreite, daß der nord⸗ deutsche Einfluß irgend welche nachtheiligen Wirkungen ausgeübt hat. Die füdlichen Theile der Rheinprovinz sind doch nicht anders als Glsaß ⸗Lothringen? Kein Mensch, will das süddeutsche Regime in den Reichslanden. Es giebt teine ernsthafte Stimme, die nicht Gott dankt dafür, daß an die Stelle der Prisatbahnen die Staats bahnen getreten sind. Diejenigen, die da Unzufrieden sind, sind die⸗ jenigen, die überall unzufrieden sind, nämlich die Sozialdemokraten. Ueber die Reichs⸗Eisenbahnen raisonnieren die Elsaß. Lothringer am allerwenigsten. Daß es nicht im Interesse der Reichs Eisenbahnen liegen foll, daß die Zentralverwaltung in Berlin ist, ist unrichtig. Kleine Eisenbahnnetze mit selbständiger Verwaltung können . den großen Netzen garnicht konkurrieren. Die ständigen Versuche, die Änsprüche der Beamten zu unterstützen, sind sehr bedenklich. Die Beamten wären ganz zufrieden, wenn nicht ein Faktor sich fände, der ihre Beschwerden immer wieder unterstüzte. Der Reichstag ist doch ganz außer stande, die Verhältnisse richtig zu beurtheilen.
Vize ⸗Präsident Schmidt: Ich habe die Redner trotz mancher Abschweifungen nicht unterbrochen, weil der Minister von der preußischen Fisenbahnverwaltung und der hessischen Ludwigsbahn ge— sprochen hatte; ich bitte aber, nunmehr bei der Sache zu bleiben.
Abg. Werner meint, daß der süddeutsche Einfluß auf die Reichs⸗ gie tan doch wünschenswerth gewesen wäre.
Abg. Freiherr Heyl zu Herrnsheim (ul.): Der Ver— staatlichung der hessischen Ludwigẽbahn haben wir zugestimmt, weil wir hofften, daß die Eisenbahnbeamten ebenso hohe Gehälter erhalten wie die preußischen. Denn die niedrigen Gehälter der Privatbahnen haben wefentlich dazu beigetragen, der Sozialdemokratie bei den Eisen⸗ bahnbeamten den Boden zu bereiten.
Abg. Graf von Oriola 6 Der Vertrag mit e war nothwendig, weil sonst in Oberbessen eine Entwicklung des Eisenbahn⸗ wesens ausgeschlossen wäre. Wir vertrauen darauf, daß die preußische Verwaltung unseren Bedürfnissen gerecht werden wird. Wir fürchten uns nicht 2 denn eine 25 jährige Erfahrung beweist, daß Preußen das Recht seiner Bundesgenossen achtet. .
Abg. von Vollmar 2 ie Nationalliberalen repräsen⸗ tieren nicht einmal die öffentliche Meinung Hesseng, geschweige denn ganz Süddeutschlands. Furcht vor Preußen haben wir auch nicht; aber was wir thun können, uns vor dem preußischen Beamten . dem, was damit zusammenhängt, ju behüten, das werden wir thun.
Die laufenden Ausgaben werden darauf bewilligt.
Von den einmaligen Ausgaben beantragt die Kom⸗ mission die Summe von 1000 AMG zum Bau einer zwei⸗ . . Hauptbahn von Busendorf nach
illingen zu streichen
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Meine Herren! Auch die Budgetkommission ist darüber nicht zweifelhaft gewesen, daß die Herstellung dieser Verbindung für die
wirthschaftlichen Interessen sowohl der Reichslande als auch der be
treffenden Theile der preußischen Monarchie von hohem Nutzen sein würde. Es kann auch darüber kein Zweifel bestehen, daß diese Verbindung für
schen Standyunkt aus ibre hobe Be⸗ deutung hat. Inzwischen ist durch Verhandlungen mit der Dillinger Hütte festgestellt worden, daß dieselbe bereit ist, ihren Zuschuß von 40 000 M auf 100 00 M zu erhöhen. Meine Herren, die ver⸗ bündeten Regierungen legen einen sehr hohen Werth auf das Zustande⸗ kommen dieser Verbindung und haben den dringenden Wunsch, daß das hohe Haus den Vertretern der Regierungen durch Zurückweisung dieses Titels an die Kommission die Gelegenheit geben möge, die Gründe in der Kommission noch einmal eingehend darzulegen, welche dafür sprechen, mit dem Bau dieser Bahn sobald als möglich zu be⸗ ginnen.
Abg. Dr. Lieber (Zentr.) hält es für nicht angebracht, diesen Wünschen der Regierung zu widersprechen.
Abg. Dr. Sam macher (ul.) befürwortet die Ueberweisung an die Kommission.
Das Haus beschließt demgemäß.
Damit ist der Etat der Eisenbahnen erledigt.
Es folgt das an die Budgetkommission zurückverwiesene Kapitel: Reichs-Versicherungsamt, aus dem Etat des Reichsamts des Innern.
Der Berichterstatter Abg. Dr. Lieber (Zentr.) weist darauf bin, daß das Reichs. Versicherungsamt von 42 Bedeutung sei, welches für 18 Millionen Deutscher als oberster Gerichtshof für die sozial⸗ politische Versicherung fungiere, und berichtet ausführlich über die Verhandlungen der Kommission über die Frage, ob eine besondere Abtheilung geschaffen oder die Stellung des Amts zum Reichsamt des Innern geändert werden müsse, und empfiehlt schließlich die folgende von der Kommifsion beantragte Resolution:
„den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, in dem nächstjährigen Etat beim Reichs,. Versicherungsamt einen Theil der remunerierten, . Beamten durch etatsmäßig angestellte Richter zu er⸗ etzen.
Abg. Brühne (Soz.): Die Unternebmer führen Beschwerde über die Lasten der sozialpolitischen Versicherung. Die kleineren Unter⸗ nehmer haben vielleicht ein Recht dazu, aber im allgemeinen sind die Lasten nicht erheblich. Es haben sich aber bezüglich der Arbeiter ge⸗ wisse Verschiedenheiten herausgestellt, die es bedauern lassen, daß man nicht in der Versicherungspflicht möglichst weit gegangen sei. Die Hausweber sind als versicherungepflichtig erklärt worden, aber nicht als Arbeiter, sondern als Unternebmer. (Präsident Freiherr von Buol meint, daß die Inpalidenversicherung nicht bei dieser Frage er⸗ örtert werden könne.) Redner bittet, in den Rechnungsergebnissen der Invaliden-Versicherungsanstalten davon Mittheilung zu machen, in wie vielen Fällen die Renten an die Gemeinden gezahlt seien, und bedauert, daß man eine Vertretung des Arbeiters vor dem Schiedsgericht nicht zugelassen habe. Für die Rückzahlung der Bei⸗ träge an sich verheirathende weibliche Versicherte follte man die An⸗ meldung der Forderung bei den Gemeindebehörden zulassen.
Abg. Graf von Kanitz O. kons. ): Bei der ersten Berathung der Unfallversicherungs⸗Novelle bat ich, daß möglichst bald die Novelle zur Invalidenversicherung vorgelegt werden möge, weil diese viel dringender sei. (Hräsident Freiherr von Buol unterbricht den Redner mit der Mittheilung, daß die Borlage im Laufe der Sitzung eingegangen sei, Der Präsident Bödiker hat auf dem Ver⸗ bandstage der Industriellen dasselbe behauptet, was ich vorgetragen habe, daß ein Nothstand besteht bezüglich der Invalidenversiche rung, der fich immer mehr verschärfen werde. Ich werde das, was ich ee, zu sagen habe, bei der Berathung des eingegangenen Entwurfs vortragen.
Abg. Rösicke (b. k. F.): Ich will es unterlassen, aus den Verhandlungen der Kommission Schlässe zu ziehen, die sich in ent⸗ ger rere Richtung bewegen wie die der Vertreter der verbündeten
egierungen; es kann dies bei der zweiten Lesung der Novelle zur Un fallversicherung geschehen. Von persönlichen Differenzen zwischen dem Reichsamt des Innern und dem Reichs-Versicherungsamt habe ich niemals gesprochen, fondern nur von sachlichen Differenzen. Das Reichs Versicherungsamt ist nicht allein ein oberster Gerichtshof, sondern auch eine zum theil wenigstens selbständige, endgültig entscheidende Verwaltungsbebörde. Die Berufägenossenschaften haben auch für die Unfallverhütung zu sorgen. Bedanerlich ist, daß trotzdem die Zahl der Unfälle ch vermehrt hat. Es muß aber noch mehr geschehen, und zur Forderung der Unfallverhütung sollte man ein Museum fũt Unfallverhütung einrichten und öffentlich zugänglich machen. Aber für die Unterhaltung wollte die Finanzverwaltung keine Gelder bewilligen. Durch diefe Weigerung sollte sich aber der Staatssekretär des Innern nicht abhalten lassen, die Sache weiter zu verfolgen.
Staatssekretaͤr des Innern, Staats ⸗Minister Dr. von Boetticher:
Meine Herren! Mit Räcksicht auf die übermäßig vorgeschrittene Zeit (Bravo), und da ich auf allen Seiten des Hauses das Bestreben sehe, den Etat des Reichs ⸗Versicherungsamts heute nech fertig ju machen, werde ich mich sehr kurz fassen. .
Was das Museum für Unfallverhütung anlangt, so hat der Herr
Vorredner ganz Recht, daß ich mich von vornherein für das Zustande⸗ kommen eines solchen Museums interessiert habe. Ich habe mit dem Herrn Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts, meinem sehr verehrten Herrn Kollegen, darüber korrespondiert; derselbe hat, worüber der Herr Vorredner sich auch bereits ganz zutreffend ausgelassen hat, Be⸗ denken getragen, die von mir hierzu für erforderlich gehaltene Summe zu bewilligen, und zwar aus einem Grunde, den ich allerdings für recht beachtenswerth halte. Das ist nämlich der, daß ein solches Museum, wenn es auf der Höhe der Zeit bleiben, und wenn es namentlich der Industrie und den Arbeitern den Nutzen, den man sich davon verspricht, wirklich schaffen soll, fortgesetzt ergãnit werden muß. (Sehr richtig! rechts) Es muß immer die neuesten Einrichtungen auf dem Gebiet der Unfallversicherung aufweisen, und es muß infolge dessen fortgesetzt die alten, außer Gebrauch getretenen oder durch weitere Erfindungen verbesserten Maschinen und Unfall⸗ verhũtungs · Vorrichtungen abstoßen. Der Herr Staatssekretãr fũrchtet infolge dessen, daß die Belastung, die das Reich sich mit der Ein⸗ richtung eines solchen Museums auferlegt, doch eine etwas grohe und zur Zeit nicht zu verantwortende werden könnte. (Widerspruch bei den Sozialdemokraten) Ich gebe für meine Person die Weiterverfolgung der Idee noch nicht auf, und ich werde mich freuen, wenn sich eine praktische⸗ dem Bedürfniß entsprechende und der Industrie und den Arbeitern zu gute kommende Einrichtung wird herstellen lassen.
Nun möchte ich aber noch eine Bemerkung machen zu den senstigen Ausführungen des Herrn Vorredner. Der Herr Vorredner hat den Gedanken einer Kollision zwischen dem Reichsamt des Innern und
dem Reichs. Versicherungkamt noch nicht . konnen, obwohl —
er ist ja freilich nicht zugegen gewesen — ich mich über diesen Punkt
in der Budgetkommifsion sehr deutlich und weitläufig ausgesprochen und den Eindruck gewonnen habe, daß meine Ausführungen auch auf den Kreis der Zuhörer einen Eindruck gemacht haben. Meine Herren, von Kollisionen kann wirklich nicht gesprochen werden. Einmal weise ich es weit zurück, daß zwischen dem Herrn Präsidenten des Reichs Versicherungkamts und mir oder meinem Amt irgend welche persönlichen unfreundlichen Beziehungen bestehen könnten. Und was den Dienst anlangt, so kann man da überhaupt nicht von Kollisionen sprechen. Da kann es wohl Meinungsverschiedenheiten geben; da können von der einen Seite Anträge an die vergesetzte Instanz gerichtet werden, deren Gewährung die letztere nicht verant⸗ worten zu können glaubt, — aber von Kollisionen“ ist im Dienste zwischen vorgesetzten und nachgeordneten Bebörden überhaupt keine Rede. Nun läßt sich zwar sehr wobl die Meinung aufstellen, das Reichs ⸗Versicherungsamt solle nach der Bedeutung seiner recht⸗ sprechenden und verwaltenden Thätigkeit auf einen höheren Etat gebracht, ein selbständiges oberstes Reichsamt werden. Aber, meine Herren, wenn man an die Ausgestaltung dieser Idee geht — und die Herren, die sich bisher darüber aus gesprochen haben, scheinen sie bei sich noch nicht sehr vertieft zu haben — wird man auf ganz kolossale Schwierigkeiten stoßen. Ich erwähne hier als Beispiel nur die eine Schwierigkeit, die für mich ganz un⸗ äberwindlich ist, nämlich folgende. Wird das Reichs⸗Versicherungs⸗ amt ein oberstes Reichsamt, wird der Präsident des Reichs⸗Versicherungẽ⸗ amts Staatssekretär, so muß er ad nutum amovibel sein; sobald ein neuer Reichskanzler kommt, muß er auch in der Lage sein, sich einen anderen Staatssekretãr aussuchen zu können. Das geht aber wieder bei dem Präsidenten des Reichs ⸗-Versicherungsamts, als dem Präͤsi⸗ denten eines obersten Gerichtshofes, nicht, weil dann das Vertrauen zu der Rechtsprechung verloren ginge. Also, meine Herren, das sind Dinge, die einmal nicht zu ändern sind.
Ich glaube sodann den Beweis geliefert zu haben, daß ich, was die äußere Stellung des Reichs Versicherungsamts und seiner Mitglieder anlangt, keinen Versuch gescheut habe, um in dieser Beziehung den von mir für be—⸗ rechtigt gehaltenen Wänschen auch Rechnung zu tragen. Ich kann aber als Chef einer großen Verwaltung nicht zu Gunsten eines einzelnen dieser Verwaltung unterstellten Ressorts vergehen, sondern muß, wenn ich anders gerecht und billig verfahren will, immer die Parallele ziehen mit den anderen Aemtern, die meiner Fürsorge auch anvertraut sind. Wenn also in dieser Beziehung die Wünsche, die im Kreise der Freunde des Reichs⸗-Versicherungsamts — und zu diesen Freunden rechne ich mich auch — gehegt werden, noch nicht in vollem Maße in Erfüllung gegangen sind, dann wollen die Herren es ge— fälligst auf das Konto die ser Betrachtung schieben.
Ich habe — und da möge mir der Herr Referent gestatten, eine seiner Ausführungen zu berichtigen — in der Kommission nicht davon gesprochen, daß die rechtsprechende Thätigkeit des Reichs ⸗Versicherung?⸗ amts in der Hauptsache erledigt sei, und daß auch seine Verwaltungs⸗ thätigkeit erledigt sei, sondern ich habe in dieser Beziehung Folgendes ausgeführt. Ich habe gesagt: auf dem Gebiet der Verwaltungke⸗ thätigkeit ist das Reichs⸗Versicherungsamt zur Zeit neuer organi- satorischer Schöpfungen überhoben; die Berufsgenossenschaften sind organisiert, die Versicherungsanstalten sind organisiert. Es bedarf also einer organisatorischen Thätigkeit zur Zeit, und solange nicht weitere Aufgaben an das Reichs ⸗-Versicherungsamt herantreten, nicht. Was die rechtsprechende Thätigkeit anlangt, so liegt die Sache so, daß über die rechtlichen Zweifel, zu denen unsere Versicherungs⸗Gesetzgebung Anlaß gegeben hat, seither eine Reihe von Entscheidungen des Reichs Versicherungsamtes getroffen sind, und daß jetzt, wie man mir sagt, verhältnißmäßig nur selten noch der Fall vorkommt, der naturgemäß in den ersten Jahren seiner Thätigkeit außerordentlich häufig war, daß nämlich noch ein Zweifel von größerer Bedeutung in Bezug auf die Auslegung der Gesetze zu erledigen ist. Es kommt also jetzt bei der Thätigkeit des Reichs⸗Versicherungsamts überwiegend nur noch darauf an, den einzelnen Fall, der seiner Entscheidung unterstellt wird, in thatsächlicher Beziehung festzustellen und darauf die bereits früher gefundenen und feststehenden Rechts sätze anzuwenden. Daß ich irgendwie die Verwaltungsthätigkeit oder die rechtsprechende Thätigkeit der Behörde, wie dies aus den Be— merkungen des Herrn Referenten vielleicht gefolgert werden könnte, in einem minderen Licht habe erscheinen lassen wollen, das ist mir nicht eingefallen; dagegen muß ich mich verwahren. In einem Augen blick, in welchem wir uns mit Gesetzesvorlagen beschäftigen, die darauf abzielen, dies wichtige Amt des. Reichsdienstes von einem Theil seiner bisherigen Thätigkeit zu entlasten, kann man ernstlich über die Frage einer anderweitigen äußeren Stellung nicht diskutieren, bevor man nicht weiß, was aus denjenigen Vorschlägen wird, die die verbündeten Regierungen bezüg—⸗ lich der künftigen Geschäftsthätigkeit des Reichs⸗Versicherungsamts Ihnen unterbreiten.
Ich kann damit schließen. Mit der von der Budgetkommission vorgelegten Resolution will ich mich einverstanden erklären, auch die Hoffnung aussprechen, daß die verbündeten Regierungen dieser Resolution ihre Zustimmung ertheilen werden; beides allerdings nur unter einer Voraussetzung. Zur Zeit läßt sich der Resolution keine Folge geben, solange der 5 90 des Unfallversicherungsgesetzes in Kraft steht, der ausdrücklich ausspricht, daß zu den Spruchsitzungen des Reichs ⸗Versicherungsamtes zwei richterliche Beamte zugezogen werden sollen, also zwei, die im praktischen Richteramt stehen. Dieser S 90 soll aber nach den Vorschlägen unserer Novelle geändert werden; und wenn er geändert sein wird, so ist gar kein Anstand mehr vor⸗ handen, um den Wünschen, die die Budgetkommission mit mir theilt, dahin gerecht zu werden, daß im Reichs ⸗Versicherungsamt weitere etatsmäßige Stellen ausgeworfen und mit Mitgliedern besetzt werden, die die Qualifikation zum Richteramt besitzen.
Was den Antrag des Herrn Abg. Freiherrn von Stumm be— trifft, der zwar noch nicht begründet ist, der aber sehr verstãndlich lautet, daß nämlich im Kap. 132 Tit. 12 hinter zur Unterhaltung des Dienstgebäudes“ hinzugesetzt werden soll und Gartens“, so kann ich mich mit diesem Antrag nur einver⸗ standen erklären und dem Hause dessen Annahme empfehlen. Und so hoffe ich, daß der Etat weiter keine Anstände finden wird.
Abg. Dr. Pachnicke (fr. Vgg.) hält es für nothwendig, an⸗
gesichts der großen Bedeutung des Reichs⸗Versicherungsamts dessen Stellung zu heben.
Abg. W Ein Mu nnfallverhůtunag · Borrich⸗ bann g , , sowohl n auch . .
Unternehmer, welche solche Unfallverbütungs⸗Vorrichtungen herftellen,
und für die Gewerbe⸗Aufsichtsbeamten; denn man muß kise welche Vorrichtungen bereitg vorhanden find. Fur das Museum follten sich auch die Beruftzgenossenschaften materiell interessieren.
Die Ausgaben für das Reichs⸗Versicherungsamt werden darauf 6
Auch die Resolution wird angenommen.
In dritter Lesung genehmigt das Haus darauf den Ge⸗ setzentwurf wegen Abänderung des Gesetzes, be⸗ treffend die Be . des Dienstlohnes, und den Gesetzentwurf, betreffend die Kündigung und Umwandlung der 4proz. Reichs-Anleihe.
Der Gesetzentwurf über die Zwangsversteigerun und Zwangsverwaltung wird in zweiter Berathung 8. Antrag des Abg. Basser mann (nl) en bloe einstimmig an⸗ genommen, nachdem der Abg. Stadthagen (Soz) erklärt hat, daß die Sozialdemokraten ihre Anträge wegen des Schutzes der Bauhandwerker nicht wiederholt hätten, weil die Regierung erklärt habe, daß eine Vorlage in Vor⸗ bereitung sei.
In derselben Weise wird auf Antrag des Abg. Basser⸗ mann der Entwurf einer Grundbuchordnung en bloe einstimmig angenommen.
Schluß 6 Uhr. Nächste Sitzung Montag, den 8. März. . . wird ermächtigt, die Tagesordnung selbst fest— zustellen.
Preusischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 38. Sitzung vom 26. Februar 1897.
J den ersten Theil der Sitzung ist gestern berichtet worden.
Das Haus setzt die zweite Berathung des Sta ats⸗ haushalts-Etats für 1897/98 bei dem Etat der land⸗
wirthschaftlichen Verwaltung port. Die Einnahmen werden ohne Debatte bewilligt.
Bei den dauernden Aus gaben spricht
Abg. von Sanden Tilsit (nl) der Regierung für die Erhöhung des Meliorationsfonds seinen Dank aus und bittet den Minsster, bei der Verwendung desselben seiner Heimathprovinz das bisherige Wohlwollen erhalten zu wollen. Redner schildert ein. gehend die landwirthschaftlichen Verhältnisse von Ostpreußen und kommt dann auf den Antrag n n die Debatten über die Seuchengefahr zurück. Im Antrage Ring stehe nicht ein Wort von Preissteigerung. Die Landwirthe wollten doch gerade ihre Vieh— produktion vermehren und das stärkere Angebot schließe doch die Preis steigerung aus. Es gelte aber, die Verluste an Vieh durch die Ein schleppung der Seuchen zu verhindern. Von Dänemark gelange seuchen⸗ verdächtiges Vieh bis nach Köln. Das Ziel des Landwirthschafts— 2 müsse es sein, die inländische Viehproduktion wieder lohnender zu machen.
Abg. Gamp (fr. kons ): Ich danke dem Minister für die Er⸗ klärung in feiner Denkschrift, daß der Getreidebau die Hauptsache in Deutschland sei. Durch die Ueberproduktion lassen sich die niedrigen Getreidepreise nicht begründen. Wir müssen uns auf jeden Fall vor dem Eindringen des russischen Getreides schützen, das durch den Ausbau unserer Kanäle gefördert wird und nach der Vollendung unseres Kanalnetzes einen großen Preissturz herbeiführen wird. Die Getreidezölle sind keine Finanzzölle, sondern Schutzzölle, und wir müssen Maßregeln verlangen, daß der Schutz nicht beeinträchtigt wird durch die Zollkredite. Wir müssen nicht auf die Händler mit ausländischem Getreide, sondern auf die mit inländischem Getreide Ruücksicht nehmen, welche sofort baar bezahlen müssen. Also auch vom Standpunkt unseres Handels müssen die Zollkredite beseitigt wer- den. Die gemischten Transitlager hätten mit der Aufhebung des Identitätsnachweifes zugleich aufgehoben werden müssen. Ich Feftreite, daß ein nennenswerther Export nach dem Ausland aus den Transitlagern stattfindet. Der Minister hätte uns in seiner Denk. schrift Zahlen darüber mittheilen müssen. Von den Kornhäusern verspreche ich mir nichts, im Osten betheiligen sich die Händler nicht daran, und ich glaube, Herr von Graß wird nur zwei glückliche Tage haben: den einen, wenn das Kornhaus aufgemacht, und den anderen, wenn es zugemacht wird. Für das Gesetz über die Auf— hebung des Identitätsnachweises kann Herr Rickert die Autorschaft nicht in Anspruch nehmen. Der Branntweinsteuer⸗Gesetzgebung stimme ich zu, die Reichsregierung hat sich damit eine gute Steuer⸗ quelle erschlossen, ohne die kleinen Betriebe zu tödten. Der Konsum ist allerdings zurückgegangen; wenn dies auch aus ethischen Gründen zu begrüßen ist, so hat es doch die landwirthschaftlichen Brennereien fehr geschädigt. Durch Erhöhung des Petroleumzolls müssen wir dem Spiritus als Ersatz für Petroleum neuen Absatz schaffen. Auch das Zoöckersteuergesetz billige ich durchaus, wenn ich auch selbst daran kein Interesse habe. In ö. auf den 2 gegen die Viehseuchen wird der Minister unseren Wünschen hoffentlich jetzt mehr entgegenkommen; ich wünsche nicht, daß der Antrag Ring ein ständiger Gast hier im Hause würde. Die Regierung ist bei Veterinär⸗ maßregeln an die Handelsverträge nicht gebunden. Ich bitte die Verhandlnugen darüber, daß der Lagdwirthschast die Aufsicht über die Viehmärkte gestattet wird, möglichst zu beschleunigen; es giebt jetzt gar keine amtliche Preienotierung auf den Viehmärkten. Wie Bayern müssen auch wir eine staatliche Viehversicherung einführen, wenn auch gerade keine Zwangsversicherung. Ueber das Margarinegesetz wird setzt hoffentlich eine Verständigung mit der Regierung erzielt werden. Statt der getrennten Verkaufsräume halte ich einen De— klarationszwang für die Margarine für wirksamer. Nach den Er—⸗ fahrungen beim Butterkrieg 1883 kann man die Fälschungen der Butter mit Margarine nicht mehr in Abrede stellen. Der Dekla—⸗ rationszwang ließe sich leicht durchführen. Der Minister wollte ihn für Bahnbofsreftaurationen nicht einführen, aber die Eisenbahn— direktion in Berlin und andere haben den Bahnhofsrestgurateuren vorge⸗ schrieben, den Gebrauch von Margarine durch ein Plakat anzuzeigen. Der vereidigte Chemiker Bischoff hat die von Mohr ihm zugesandte Margarineprobe für 120 6 pro Pfund als vorzüglicher als Butter begutachtet. Die vereidigten Chemiker ol ig von einem solchen Ehlntreten für Private fernhalten. Herr Bi choff kann doch nicht wiffen, ob dieselbe Margarine an das Publikum auch wirklich verkauft wird. Der ,, kauft leider noch immer nicht direkt vom Produzenten. Die (Freisinnige Zeitung“ klagte neulich darüber, daß der Staat eine Lieferung von einem Produ— zenten um 40060 M theurer gekauft habe, als er sie beim Händler bekommen konnte. Die „Freisinnige Zeitung“ hatte dabei aber das Malheur, den Preis der Tonne mit dem Preis für den Zentner zu verwechfeln, der Unterschied war also ganz geringfügig. Das Gesetz über die Futter und Düngemittel ist noch immer nicht er⸗ lassen. Wenn man sich nach Jahren nach solchen Dingen er⸗ kundigt, sind die Dinge immer noch im Stadium der Verhandlungen. Dagegen hat die Regierung das Bedürfniß nach Klein! und Wirth— schaftsbahnen dankenswerther Weise zur Genüge befriedigt. Ich habe mit dem elektrischen Betriebe in Pommern sehr gute rr en gemacht und die Produktionskosten vermindert. Sehr drückend ist für ben kleinen Landwirth die Bestimmung in der Unfall versicherungs⸗ novelle über die Versicherung des Gesindes. Die Kosten für die soziale Gesetzgebung konnten wir der Landwirthschaft nur auferlegen, wenn sse fis vom Konsumenten wieder einziehen kann, was ihr infolge der
Herabsetzung der Zölle nicht möglich ift. Die Unfallverbütungs= ee , sind zum theil ganz unhraktisch. Durch die Kosten dafũ
sind schon kleine Candwirthe ganz ruiniert worden. Der Landwirths . Minister muß diese . unter Anhörung der Landwirthschafts-⸗ sammern eingehend prüfen, damit nicht Hunderte von Leuten durch un⸗ zweckmäßige Vorschriften ruiniert werden. Die Bestimmung des Bürger⸗ lichen Gf . daß der 2 des Biehs für alle Unfälle, die das Vieh verurfacht, ohne Rücksicht auf sein Verschulden haftet, ist durchaus schädlich für den Landwirth und kann unter Umständen den kleinen Mann ganz ruinieren. Eine wesentliche Frage für den Grund⸗ besitz ist die Verbilligung des Realkredits. Wenn der Staat für die Rheinkorrektion 30 Millionen ausgeben kann so kann er auch einmal mit fünf Millionen durch seine Garantie den Versuch einer Zins- 21 der landschaftlichen Pfandbriefe ermöglichen. Sehr be⸗ dauerlich ist, daß die Reichsbank die landschaftlichen Pfandbriefe nicht als erstklassige Werthe anerkennt, obwohl sie absolut sicher sind und sogar höher gestanden haben als die Staatspapiere bis zu dem Augen⸗ blick, wo die Reichsbank die Pfandbriefe zu diskreditieren be⸗ gann. Die Pfandbriefe müssen bei der Lombardierung den Staatspapieren gleichgeftellt werden. Auf den landwirth⸗ schaftlichen Fortbildungsschulen muß viel mehr Fachunterricht getrieben werden. Von den 1160 Lehrern sind aber nur sz Fachlehrer, die übrigen sind Volksschullehrer. ie Arbeiterfrage wird jetzt in allen Provinzen brennend, auch der Westen wird den Bedarf an Arbeitern bald nicht mehr decken können. Ich will keine Beschränkung der Freizügigkeit, aber der Zuzug in die Städte muß wenigstens davon abhängig gemacht werden, daß die betreffende Familie eine gute, gesunde Wohnung hat. Die Altersversicherungs⸗ anstalten geben den s Darlehen und befördern so die Entvölkerung des platten Landes, die Gesindevermiethungs bureaux 3 3 konzessionspflichtig gemacht werden. Die Thronrede im vorigen Jahre versprach alle Mittel zur Hebung der Landwirthschaft. Ich hoffe, die Regierung wird die es Versprechen erfüllen.
Abg. von Mendel Steinfels (kons.) sucht zunächst die Ur⸗ sachen der gegenwärtigen landwirthschaftlichen Lage darzuthun, die auf das Sinken der Getreidepreise infolge der Konkurrenz des Auslandes hauptsäͤchlich zurückzuführen sei. Die Denkschrift erkennt, führt Redner aus, das Sinken der Getreidepreise an. Eine weitere Ursache ist die Verseuchung unseres Viehbestandes durch das Ausland. Der Minister soll vor allem die Sperrung der Grenze erwägen. Die Quarantäneanstalten sind nur stationäre Seuchenzüchtungs ⸗Anstalten. Wie weit sind die Verhandlungen über die Einführung einer einheit- lichen , , ,, auf unseren Schlachthöfen gediehen? Die Preise müssen von amtlicher Seite objektiv notiert werden; dazu muß eine entsprechende Klassifikation des Viehs kommen. Die alten Markt- ordnungen, namentlich auf dem Lande, bedürfen dringend der Revision unter Zuziehung van Vertretern der Landwirthschaft. Die Vor⸗ schriften über die Beanstandung von Fleisch an den Konsumzentren müssen erweitert und erschwert werden. Für die Einrichtung von Freibänken bin ich nicht, aber das beanftandete Fleisch muß doch noch weiter klassifiziert werden. Das vom Ausland kommende, besonders das konserpierte Fleisch muß ebenfalls der Fleischschau unterworfen werden. In 760 Städten haben wir bereits eine organisierte Fleischschau. Es ist ein Akt der Gerechtigkeit, daß das ausländische Fleisch derselben strengen Kontrole unterworfen wird wie das inlän= dische. In Mühlhausen i. Th. mußte kürzlich als trichinenfrei aus Amerika gekommene Cervelatwurst dem Konsum entzogen werden, weil sie stark trichinenhaltig war. Das amerikanische Corned beef in Büchsen ist das geringwerthigste Fleisch, das es in Amerika giebt. Durch die Einfuhr der Pflanzenöle werden Speck und Fett für die Fleischer kaum noch verwerthbar. Im Auftrage meiner Fraktlon bitte ich die Regierung, im Bundesrath dahin zu wirken, daß eine Kontrole der ausländischen Fleischprodukte herbeige führt wird. Ebenso wünschen wir ein Gesetz zur Bekämpfung der Ver⸗ fälschung der Futterstoffe und Düngemittel, womöglich noch in dieser Session. Namentlich der kleine Landwirth steht der Ueberschwemmung mit diesem unerhörten Schund schutzlos gegenüber. Andere Staaten, wie Belgien und Frankreich, sind uns schon vorangegangen. Den Fort⸗ bildungsunterricht in Preußen obligatorisch zu machen, halte ich nicht für möglich da, wo es keine geschlossenen Dörfer giebt. Der Fach⸗ unterricht gehört nicht in die Fortbildungsschule; die Fortbildungs⸗ schulen müssen den Elementarunterricht vertiefen und den Sinn für Religion, Moral und Vaterland heben. Die Zuschüsse für Meliorations- zwecke sollten auch im Westen etwas ergiebiger fließen. Die Seuchen⸗ gefahr muß wissenschaftlich untersucht werden. Die Thierärztlichen Hochschulen sind überlastet genug; es muß eine seuchenpathologische An⸗ stalt begründet werden, aber nicht in Berlin, sondern in der Provinz. Ich frage die Regierung, ob sie die Gründung einer solchen Anstalt beabsichtigt.
Regierungs⸗Rath Dr. Müller: Die Regierung erkennt zie Noth= wendigkeit einer Reform der Preisnotierung auf unseren Viehmärkten an. Die Landwirthschaftskammern sind aufgefordert worden, über diese Frage zu berichten. Die Berichte der Kammern sind erst vor kurzem an die Regierung eingegangen und werden jetzt bearbeitet und dann die Grundlage für die kommissarische Berathung zwischen den Ministerien bilden. Im nächsten Jahre hoffen wir weitere Mit- theilungen machen zu können. Ueber den Verkehr mit Dünge⸗ und Futtermitteln und Sämereien ist jetzt ein neuer Entwurf in Be— arbeitung.
Abg. Szmula (Sentr) macht darauf aufmerksam, daß der Ausbau des russischen Eisenbahnnetzes und die Regulierung der Ströme unsere Landwirthschaft schwer schädigen wird durch Erleichterung der ruffischen Konkurrenz. Die Ansicht des Abg. Gamp über die Korn häuser theile er nicht, dagegen wünsche er ebenfalls ein Entgegen kommen der Reichsbank bei der Lombardierung der land⸗= schaftlichen Pfandbriefe. Durch die Einführung eines Wollzolles und einer Exportbonifikation, ähnlich wie beim Spiritus, würde der Landwirthschaft ein großer Vortheil entstehen. Die Milchwirth⸗ schaft werde der Landwirthschaft zu theuer, weil es an Mägden fehle und die Schweizer zu theuer seien. Daß das Gesetz über die 3 vorbereitet werden soll, sei erfreulich, aber die schlesischen
andwirthe hätten sich schon zu Genossenschaften für den Bezug von Dünge⸗ und Futtermitteln organisiert, um die Betrügereien zu ver⸗ hindern. Wie groß der Arbeitermangel sei, zeige die zunehmende Verwendung von polnischen Arbeitern. Diese ganz harmlosen Arbeiter würden aber über die Grenze gewiesen, nachdem sie aufs peinlichste untersucht, gemessen seien u, s. w.; dadurch mache sich eine Behörde doch bloß lächerlich. Wir können, schloß Redner, unsern Bedarf an Ge—⸗ treide selbst produzieren, aber die Regierung muß uns helfen, Arbeiter zu bekommen; das ist auch eins der kleinen Mittel zur Hebung der Landwirthschaft.
Abg. Hansen- Oldenburg (fr. kons.) wünscht die Errichtung einer Zentralstelle für die Landwirthschaftskammern. Dem Minister selbst müsse es angenehmer sein, mit einer solchen Zentralstelle zu ver⸗ kehren, als mit allen einzelnen Kammern. Der Minister solle damit vorgehen, sobald die drei letzten Provinzen, Hannover, Westfalen J. . zur Bildung von Landwirthschaftskammern ver⸗ anlaßt seien.
6. Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer⸗ st ein:
Meine Herren! Ich kann die an mich gestellte Frage beant- worten. Aus der Provinz Schleswig Holstein erging der Antrag an die landwirthschaftliche Verwaltung, zunächst die drei Probinzen Han⸗ nover, Westfalen und Rheinland gegen ihren Willen zur Errichtung von Landwirthschaftskammern zu veranlassen. Wenn das geschehen sei, sei eine zentrale Organisation für die Landwirthschaftskammern sämmtlicher Provinzen herzustellen. Meine Herren, die Königliche Staatsregierung beabsichtigt z. Zt. nicht, die genannten drei west⸗ lichen Provinzen gegen ihren Wunsch und Willen zur Errichtung von Landwirthschaftskammern zu zwingen. Ich persönlich bin allerdings überzeugt, daß sie in nicht zu ferner Zeit den Entschluß fassen werden,