1897 / 63 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 15 Mar 1897 18:00:01 GMT) scan diff

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Entscheidung über die Beamtenbesoldung bevorstehe und zugleich im Reichstage derselbe Wunsch zum Ausdruck gebracht sei. Die Thätigkeit der Eisenbabn ⸗Telegraphisten erfordere große Umsichtigkeit, Besonnenheit, Gewissenbastigkeit und Verantwortung und verdiene daher eine bessere Gegenleistung, als die mechanische Arbeit der Unter⸗ beamten. Die ganze Sicherheit des Betriebes hänge wesentlich don ihrer Aufmerksamkeit ab. Die Gisenbahn-⸗Telegraphisten bätten sehr viel mehr zu thun, als die reichs ländischen Regierungsvertreter im Reichstage behauptet hätten; ihre Thätigkeit beschränke sich nicht allein auf die An. und Abmeldung der Züge.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Der GEisenbahn⸗Minister könnte sich ja nur dar⸗ über freuen, wenn es möglich wäre, den Wünschen der ihm unterstellten Beamten in höherem Maße Rechnung zu tragen, als es bisher möglich gewesen ist, trotz aller Verbesserungen, die die Beamten im Laufe der Jahre erfahren haben, trotz des Umstandes, daß die Beamten im preußischen Staatsdienst viel höhere Bezüge beziehen, als wie das jemals im Privatdienst der Fall gewesen ist, und auch höhere Bezüge beziehen, als das vielfach in anderen Staatseisenbahndiensten der Fall ist.

Was nun die spezielle Frage anbetrifft, so ist ja das hohe Haus bereits wiederholentlich gerade mit der Stellung und Besoldung der Telegraphisten beschäftigt gewesen. Ich habe jeder Zeit mit Freuden anerkannt, daß der Stand der Eisenbahn Telegraphisten ein durchaus ehrenwerther ist, ein Stand, der sich durch Gewissenhaftigkeit und Treue ausjeichnet. Aber, meine Herren, das können wir, Gott sei Dank, doch von allen Zweigen der Verwaltung und von allen Beamten inner— halb der Verwaltung sagen; und diejenigen Gründe, welche von den beiden Herren Vorrednern für die Telegraphisten angeführt worden sind,

gelten in genau demselben Mraße für die Beamten, mit denen die

Telegraphisten jetzt eine Klasse bilden. Die Verantwortung, welche die Telegraphisten ihrerseits im Betriebsdienst zu tragen haben, und die ich gewiß nicht unterschätze, ihre Sorgfalt, ihre Gewissenhaftigkeit,

ihre Pünktlichkeit ist ein nicht unwesentlicher Faktor in der Abwick.

lung des Betriebes, trifft in demselben Maße und vielleicht noch in erhöhtem Maße auch die Weichensteller, die Bahnwärter und eine

ganze Reihe anderer Beamten, die zur Zeit mit den Telegraphisten

auf einer Stufe stehen.

Das muß ich aber ensschieden bestreiten, daß der Telegraphist an und für sich ein selbständiges Glied in dem Bemriebsdienst der Eisen⸗ bahn ist. Das ist nicht der Fall, sondern er hat nur das auszu— führen, und pünktlich und gewissenhaft auszuführen, was ihm seitens der Stationsbeamten, des Vorstehers oder dessen Assistenten, des je—⸗ weilig dienstthuenden Stationsbeamten, aufgetragen wird, und auch nur insofern kann er mit seinem eigenen Leibe, wenn ich mich so ausdrücken soll, dafür zur Verantwortung gezogen werden, als er diese Befehle, die er erhalten hat, nicht richtig und pünktlich ausgeführt hat. Sonst ist er aller Verantwortung enthoben, sonst entfällt die Verantwortung auf denjenigen Beamten, der ihm den be— treffenden Befehl gegeben hat.

Die Anführungen über die Thätigkeit der Telegraphisten sind im wesentlichen nicht zutreffend. Das kann ja auch nicht anders sein, denn die Herren, die sich dieses Standes angenommen haben, sind in den Einzelheiten der Amtepflichten auch selbst Herr von Schencken⸗ dorff nicht so zu Hause, wie das nothwendig ist, um eine Kritik auszuüben darüber, ob die Angaben der betheiligten Beamten überall richtig sind oder nicht. Mit welcher Vorsicht diese Angaben entgegenzunehmen sind, das hat Herr von Schenckendorff auch selbst empfunden, indem er von vornherein gesagt hat, er zweifle daran, daß die Zahlen richtig seien, die hinsichtlich der täglichen Beschäftigung auf verschiedenen von ihm benannten Stationen angeführt seien. (Abg. von Schenckendorff: Nur Koblenz!) Also nur Koblenz!

Dann möchte ich Herrn von Schenckendorff, um seine Kritik noch weiter ausdehnen zu können, sagen, daß unter diesen Depeschen noth— wendiger Weise die Betriebsdepeschen einbegriffen sind. (Abg. von Schenckendorff:: Jawohl!)

Ja, Herr von Schenckendorff, eine solche Betriebsdepesche bestebt meistentheils aus wenigen Buchstaben oder Worten Lok. hier, kann Sz 4 kommen ist eine Depesche. Davon kann man 100aufgeben, ohne sich dabei aufzuregen oder zu übermüden. Das muß man berücksichtigen. Ein selbständiges Eingreifen in den Betriebsdienst findet seitens der Telegraphisten in dieser ihrer Eigenschaft nicht statt. Stellen Sie sich die Lage des Weichenstellers in dem Stellwerke auf einem Bahnhof vor, der oben in der Stellbude die Funktionen auszuüben hat; dessen Verantwortung und dessen nervöse Inanspruchnahme ist entschieden sehr viel größer, als die nervöse Inanspruchnahme und Verantwortung eines Telegraphisten, der auf seinem Bureau sitzt und thut, was ihm befohlen wird.

Ich glaube daher wirklich, daß im hohen Hause bei vielen der Herren doch eine Ueberschätzung der Amtspflichten der Eisenbahn— Telegraphisten obwaltet. Herr Abg. von Schenckendorff hat ja aus seiner speziellen Kenntniß der Verhältnisse beim Reichs ⸗Telegraphen⸗ dienst bereits ausgeführt, daß die Vorbildung der Reichs⸗Telegraphisten und auch die Amtepflichten, die ihnen übertragen sind, in mancher Beziehung weit über die der Eisenbahn-Telegraphisten hinausgehen.

Ich kann mich daher dahin resümieren, daß, solange es nicht möglich ist, den verwandten Dienststellungen, die mindestens dieselbe Verantwortung haben und denselben Umfang der Pflichten zu erledigen haben, eine Besserung ihrer Lage, sei es in ihrer äußeren Stellung oder in ihrer Besoldung, zu theil werden zu lassen, auch schwerlich für die Telegraphisten das erfolgen wird.

Ich möchte zur Aufklärung doch einmal die Ziffern mittheilen, die wir bei der Verstaatlichung verschiedener Eisenbahnen vorgefunden haben. Während die Telegraphisten bei uns ein Gehalt von 1200 - 1800 K beziehen, im Durchschnitt 1620, bezogen sie bei der Weimar Geraer Bahn 1268, bei der Werrabahn 1383, bei der Saalebabn 1364; bei der Hessischen Ludwigsbahn sind zwei Klassen: davon bezieht die eine 1185 und die zweite Klasse 1225 Also überall weit geringere Sätze als im preußischen Eisenbahndienst.

Der Herr Abg. von Schenkendoiff hat angeführt, daß ja allerdings den Telegraphisten, die dafür befähigt sind, die Möglichkeit nicht ab— geschnitten ist, durch Ueberführung in den Stations, oder Abfertigungs⸗ dienst vorzurücken. Er hat nur gemeint. daß das verhältnißmäßig selten geschähe. Das muß ich zugeben; denn ein großer Theil der Telegraxhisten ist nicht anstellungsberechtigt, und Nichtanstellungs berechtigte können wir in den Stationsdienst nicht übernehmen. Es liegt das nicht an dem guten Willen der Verwaltung, sondern an den bundesräthlichen Bestimmungen über die Versorgung der Militär⸗ anwãrter.

Abg. Freiherr von Evnatten Sentr)) hält e * der Eisenbahn ⸗Telegrapbisten in die Klasse der beamten für dringend erforderlich.

Abg. Re i chardt⸗Magdeburg (nl) bezeichnet die Unterscheidung

zwischen den Beamten des Abfertigungsdienstes und denen des Bureau⸗ dienstes, welche auch die neue Besolvungsvorlage aufrecht erhalte, als nicht gerechtfertigt und tritt ferner für die Gleichstellung der Betriebs. Sekretäre mit den Eisenbahn⸗Sekretären ein. Redner fragt schließlich an, nach welchen Grundsätzen die Weichensteller zu Weichenstellern 6 Klasse befördert werden; das Dienstalter scheine dabei allein nicht maßgebend zu sein. Ein Uebelstand bestehe ferner darin, daß die vilfeweichensteller, wenn sie zu Bahnwärtern befördert und definitiv angestellt würden, ein geringeres Gehalt erhielten. Geheimer Ober⸗Regierungs⸗ Rath Gerlach hält seine Ausführungen über die verschiedene Thätigkeit der Betriebs Sekretäre und der Gisen⸗ bahn Sekretäre aufrecht. Daß die Hilfsweichensteller bei der An⸗ stellung als Bahnwärter im Anfange an Gehalt verlören, sei möglich. Dafür aber erhielten sie die Pensionsberechtigung.

Abg. Schmidt⸗Warburg kommt auf seine Beschwerde über die ausgedehnte Arbeitszeit zurück und fragt nochmals, wie der Minister über den Fall denke, daß ein Beamter 20 Wochen lang ohne Sonntagsruhe gewesen sei.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Ich habe hier nur gesagt, daß einzelne Fälle einer übermäßig langen Beschäftigung vorkommen können, auch vielleicht aus ganz besonderen Betriebsvorfällen gerechtfertigt seien. Wenn ein Zug im Schnee stecken bleibt, und der Mann kann infolge dessen nicht vom Zuge weg, und hat 20 Stunden hinter einander beim Zuge zu bleiben, so sind das Zustände, die einen derartigen einzelnen Fall rechtfertigen.

Was nun die andere Frage betrifft, die ich richtig dahin ver— standen zu haben glaube, ob es sich rechtfertigen würde, mehr Beamte anzustellen nicht wahr? so habe ich es wenigstens aufgefaßt nein; ich werde hier eben dahin belehrt, daß die Frage gelautet habe, ob es gestattet sei, daß ein Beamter 20 Wocken lang ohne Sonntags ruhe bleiben dürfe. Diese Frage kann ich dahin beantworten, daß ich einen derartigen Fall als disciplinarisch zu ahnden betrachten würde.

Was nun die andere Anregung anbetrifft, mehr Beamte an⸗— zustellen, so glaube ich nicht, daß dazu eine Veranlassung vorliegt. Ich möchte auch nicht glauben, daß dem Interesse der Beamten damit gedient wäre; im Gegentheil, die Besoldungsverhältnisse würden dadurch sicherlich schlechter. Die Beamten würden jedenfalls es vorziehen, in der gegenwärtigen Weise beschäftigt zu werden, als in kurzen Perioden abgewechselt zu werden, da ihnen dadurch eine Gelegen heit, besseren Verdienst zu haben, genommen wird.

Abg. von Schenckenderff bittet den Minister nochmals, den Eisenbahn⸗Telegraphisten sein Wohlwollen besonders zuzuwenden.

Die Besoldungen werden bewilligt.

h 3 den Ausgaben für die Wohn ungsgeldzuschüsse emerkt

Abg. Schultz⸗Bochum (nl.), daß der Wohnungsgeldtarif für die Eisenbahnbeamten des niederrheinisch⸗westfälischen Industriegebiets sich als zu niedrig herausgestellt habe. Unter 300 4 sei dort eine anständige Wohnung nicht zu haben. Die Fluth der Petitionen aus den Kreisen dieser Beamten beweise, daß ein wirklicher Nothstand bestehe. Die Wohnungsfrage sei ein gutes Stück der sozialen Frage; wer sich in seiner Wohnung heimisch fühle, fühle sich auch heimisch in der be⸗ stehenden Gesellschaftsordnung. .

Die Ausgaben werden genehmigt.

Zur Remunerierung von Hilfsarbeitern, zu Löhnen 2c. werden 94 006 600 M gefordert. In der Kommission wurde die Frage gestellt, wie es mit der eventuellen etatsmäßigen Anstellung der Fahrkarten⸗Ausgeberinnen stehe. Der Minister hat darauf geantwortet, daß eine etatsmäßige Anstellung dieser weiblichen Beamten nicht durchführbar sei. Es würden ihnen aber aus dem Dispositionsfonds Gnadenpensionen bewilligt. Der ö. der Arbeiterlöhne wendeten die Eisenbahnbehörden ihre be⸗ ondere Sorgfalt unausgesetzt zu, und die Löhne würden stets so bemessen, wie es die Lebensverhältnisse des Personals und die Lohnverhältnisse in verwandten Betrieben erheischten. Hilfstelegraphisten der Station Hamburg und Umgegend peti⸗ tionieren um Vermehrung der ö Stellen für Telegraphisten, einige Kanzlei⸗Diätare um Verleihung etats⸗ mäßiger Kanzleistellen, ein Eisenbahn-⸗Sekretär um eine ander⸗ weitige Festsetzung des Besoldungsdienstalters der älteren Militäranwärter und ihre Anstellung als Eisenbahn-Sekretäre.

Abg. Rickert lfr. Vgg.,) sieht nicht ein, weshalb die weiblichen giserbß akne een! die doch Beamtenqualität hätten, gegenüber den männlichen Beamten in der Anstellung und Pensionierung benach⸗ theiligt werden sollten. Wenn sie sich im Dienst bewährten und sie haben sich bewährt so müßten sie auch nach dem Beispiel der Reichs ⸗Postverwaltung angestellt werden und Wohnunge geldzuschuß erhalten. Man könne sie doch nicht auf den Weg der“ Gnade und Bettelei verweisen. Nach 30 jährigem Dienst sollten sie 300 Unter stützung haben, während die Reichs, Telegraphistinnen nach 25 jährigem Dienst 900 M erhielten. Möge der Minister sich der Frauen an⸗ 6 die Mütter und Geschwister in vielen Fällen zu ernähren aben.

Geheimer Ober RKegierungs⸗Rath Gerlach: Die weiblichen Ange⸗ stellten sind seiner Zeit unter der Bedingung angestellt worden, daß ihnen der Charakter der Staatsbeamten zur Zeit nicht verliehen würde. 236 Damen werden jetzt im Schalter und Bureaudienst beschäftigt. Sie könnten auf Pension nur Anspruch baben, wenn sie Beamten« charakter hätten. Nach einem Staats. Ministerialbeschluß von 1873 ist ihnen aber diese Eigenschaft versagt. Daran sind wir gebunden. Es bleibt nichts übrig, als auf dem Unterstützungswege ihnen beizustehen, wenn sie dienstunfähig werden.

Abg. Pleß (Zentr.): Die Frauen gehören nicht in die Oeffent⸗ lichkeit, sondern in das Haug. Burch die Schaffung eines weiblichen Berufs wird die Lage der männlichen Arbeiter erschwert. Philo— sophische oder andere Gründe bestimmen die Verwaltung nicht, sondern nur Ersparnißrücksichten zur Aufnahme weiblicher Beamten. Hat sie aber einmal die Frauen angenommen, dann muß sie dieselben aber auch ebenso behandeln, wie die männlichen Beamten.

Abg. Rickert: Der Eisenbabn . Minister sollte sich mit seinen Kollegen vereinigen, diesen Staats. Ministerialbeschluß aufzuheben. ie Ausgaben werden bewilligt.

Bei den Ausgaben zur Beschaffung der Betriebs⸗ materialien kommt

Abg. Graf von Kanitz (kons.) auf die Beschaffung der Kohle und das Koblensyndikat zurück und führt aus: Im vorigen Jahre habe ich darauf hingewiesen, daß, wenn das Synditat zu hohe Forderungen stelle, die Regierung einen Theil der Kohlen aus England beziehen oder die zu günstigen Tarife aufheben könne. Die Verwaltung hat es ja in der Hand, die Ermäßigung wieder aufzuheben. Die große Begünstigung der Ruhrkohlen geht zu weit. Unsere Kohlenausfuhr übersteigt die Einfuhr um 80 Millionen. Die Einfuhr englischer Kohlen ist 1896 erheblich fort eschritten. Ich glaube, daß wir günstigere Bedingungen vom Kohlenspndikat hätten erreichen können. Erfreulich ist es, daß man in der Lohnbewegung anerkannt hat, daß die Bergarbeiter mindesteng ein jährliches Cinkommen von 1500 M haben müssen. Die Forderung unserer vaterländischen, speziell der westfälischen Industrie liegt mir ebenso am Herzen wie den anderen Herren. Daraus folgt aber nicht, daß man eine einzelne Industrie wie die Ruhrkohlenindustrie, begünstigen solle. Die Preise

alls die ubaltern.

für Kohlen und Schienen sind erheblich niedriger als

w . , 6 n Submission vergeben. Das ist jetzt nicht mehr der Fall. Da der treide für die Armer wird doch auch nicht über den? Weltins m Gr. bezahlt. Verlangten wir das, so würde das als enn agen er ee griff bejeichnet werden. Wir verlangen es aber nicht? ann Her. wir aber auch verlangen, daß der westlichen Industrie nicht zy nnen Preise bezablt werden. Der Minister ist mit den vier Gry ib zufrieden. Daran ist nichts mehr zu ändern, da 2 e big 63

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sestgelegt sind. Ich wollte nur die Bemerkung des Abg. , 5

8 ich diese Verhältnisse weniger einsichtsvoll beurtheil⸗ m

Eisenbahnverwaltung, auf das richtige Maß zurückführen. die

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Ich bin dem Herrn Abg. Grafen von Kanitz außerordentlich dan. bar für die guten Ratbschläge, die er mir ertheilt hat für eine kůnftige Begebung von Kohlen, Schienen und anderen Gisenbahn materiale Herr Abg. Graf von Kanitz hat schon gesagt, daß das für dieses Jahr eine akademische Frage sei. Ich gehe noch weiter und halte die Bo. schläge überhaupt für akademische, ich halte die guten Rathschlan überhaupt nicht für durchführbar. Erstens mal, wenn der Herr Grn von Kanitz unterrichtet wäre über die Verhältnisse, unter denen sich Dampfentwickelung in der Lokomotive vollzieht, so würde er schon der Anschauung gekommen sein, daß man nicht heute englische Kohlen morgen Ruhrkohlen und übermorgen amerikanische Kohlen verbrennen kann, sondern daß dazu Aenderungen in der Feuerungsanlage noth⸗ wendig sind. Das haben wir zu unserem großen Nachtheil praktisch erfahren müssen theoretisch wußten wir es schon vorher als wir in der Strikezeit englische Kohlen kaufen mußten. Wir haben ferner noch die Erfahrung gemacht, daß die englischen Kohlen gegenüber unseren deutschen Kohlen in Bezug auf die Lokomotivfeuerung entschieden minderwerthig sind, und daß die Preise, die wir dafür anlegen mußten, verhältnißmäßig höher waren als die Preise, die wir für inländische Kohlen angelegt haben.

Ich möchte auch sehr bezweifeln, ob die Engländer, wenn wir wirklich in der Noth wären, entweder dadurch, daß wir einen Bruch gehabt hätten mit dem Syndikat oder daß ein Strike ausgebrochen wäre, so freundlich sein würden, uns zu billigem Preise die Kohlen zu liefern. Nach den Erfahrungen, die wir damals gemacht haben, ist das keineswegs der Fall.

Aber auch das Mittel halte ich nicht für ausführbar, daß, wenn man sich mit dem Kohlensyndikate nicht einigen könnte, zu der Ueber zeugung käme, das Syndikat fordere zu viel, man dann dazu über, gehen könnte, dem Syndikat den Brotkorb dadurch höher zu hängen, daß man die bestehenden Ausnahmetarife kündigt. Meine Herren, das könnte doch nur ganz allgemein geschehen; man könnte doch nicht den braven Oberschlesiern die Ausnahmetarise lassen und den nicht braven Leuten an der Ruhr die Ausnahmetarife wegnehmen; und zwar warum wegnehmen? weil der Fiskus glaubt, das Syndikat fordere in Bezug auf den Kohlenpreis zu viel?! Träte ein solcher Umstand ein, so würde es noch eine Reihe von anderen Mitteln geben, die den Eisenbahn⸗Minister in Stand setzen, dem Kohlen. syndikat gegenüber seine Macht zu gebrauchen. Meine Herren, diese Mittel alle einzeln aufzuführen, halte ich weder für erforderlich noch für zweckmäßig; Sie können aber überzeugt sein, daß diese Mittel bei der Eisenbahnverwaltung wohl vorhanden sind. Meine Herren, diese Mittel wären das giebt ja Herr Graf Kanitz auch zu nur dann angebracht, wenn der Eisenbahn ⸗Minister die Ueberzeugung hat, das Syndikat oder wer es sonst sei, überfordere ihn, fordere von ihm einen Preis, der außer Verhältniß stehe zur Marktlage. Dabei kann meines Erachtens nicht die Marktlage maßgebend sein, die irgend wo in der Welt existiert, sondern es kann nut die Marktlage maßgebend sein an den Konsumtionsorten des betreffenden Artikels. Wenn ich die englische Kohle in Erfurt billiger haben könnte, so kann man wohl den Vergleich ziehen; wenn ich aber die englische Kohle in Erfurt theurer bezahlen muß, als das Syndikat mir abfordert, so ist die Sache von vornherein hinfällig. (Sehr richtig!)

Wie haben denn damals die Verhältnisse sich gestaltet? Wir konnten noch nicht 3 bis 4 Stationen landeinwärts die englische Kohle benutzen, weil sie dort schon wegen der Frachten sich erheblich theurer stellte; außerdem waren die Nebenspesen, die dabei in Betracht ju ziehen waren, so erheblich und brachten eine solche Menge von Unzuträglichkeiten mit sich, daß wir froh waren, wie wir die letzte englische Kohle verbrannt hatten.

Nun bestreitet der Herr Abg. Graf Kanitz, daß der Preis, 9 4, zur damaligen Zeit gerechtfertigt gewesen sei; er hat sogar die Be⸗ hauptung aufgestellt, diese 9 M seien überhaupt nur maßgebend ge= worden für die Industrie, weil der Arbeits-Minister sie bewilligte. Der Arbeits, Minister hat sie nur bewilligt, nachdem er sich die Ueberzeugung verschafft hatte, daß die großen Kon— sumenten von Ruhrkohlen, die großen Walzwerke u. s. w. entsprechend hohe Preise zu zahlen haben. (Sehr richtig! links. Hört, hört! im Zentrum.) Es ist ja richtig, daß, nachdem der Ab— schluß auf zwei Jahre gethätigt war, sich eine gewisse Konsolidierung in dem Preise der Kohle hergestellt hat. Die Staatseisenbabn— verwaltung ist ja weitaus nicht der größte Konsu:uent; die großen Hüttenwerke konsumieren weit mehr Kohlen als die Staatseisen bahn. Verwaltung; ja einzelne an' sich konsumieren mehr Kohlen als die gesammte preußische Staatseisenbahn · Verwaliung. Heutzutage ist der Preis von 9 M für diejenige Kohle, welche die Eisenbahn— verwaltung beanspruchen muß, d. h. eine Fettflammkohle ersten Ranges mit 50 υη˖ Stücken, weit höher im Preise. (Hört, hörth

Meine Herren, woher Herr Graf Kanitz seine Nachrichten über den angeblichen billigen Weltmarktépreis für Schienen bezogen hat, das weiß ich nicht. Ich weiß nur, daß unsere inländischen Schienen werke seit Jahr und Tag für ihre Schienen sehr viel höbere Prei bis zu 120 M erzielen, als wir bezahlen, und daß dieser Preis von 109 4 ein außerordentlich billiger ist (sehr richtig! links); wir wären jederzeit in der Lage, mit einer erheblichen Avance diesen Ver⸗ trag zu übertragen. (Sehr richtig Das wird jeder, der nur einiger. maßen mit den Verhältnissen vertraut ist, mir bestätigen können.

Im übrigen überlasse ich es den Herren aus Rheinland und Westfalen, auf die Ausführungen des Herrn Grafen Kanitz zu ant= antworten. (Bravo! bei den Nationalliberalen.)

Abg. Bueck (nl): Die günstigen Kohlentarife kommen haupt. sächlich den Kohlen konsumierenden Fudu e e zu gute. Die Steige rung unseres Kohlenexports sollte doch den Grafen Kanitz im nationalen

Interesse freuen. Würden wir nicht nach dem Auslande export e so würden wir einen großen Theil unserer Fettkohlen in der Er

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lassen müssen, Lie nicht zu Koks verarbeitet würde, und eine . Reihe von Arbeitern würde nicht beschäftigt werden. Auf allen

. der Produktionskosten und der öffentlichen Lasten in⸗

D ialpolitischen Gesetze erklärt es zur Genüge. Der kene, die Stetigkeit des Preises günstig eingewirkt. * wir das Syndikat nicht, so würde es vielleicht zu Schwindel⸗ den e mit fabelbaften Preisen gekommen sein. Wir haben keine . uns über die bisberige Thätigkeit des Syndikats zu pellagen. Bei einer solchen Vereinigung kommt immer die Elite betreffenden Erwerbsgenossenschaft an die Spitze und in die err eltang, und das ist immer ein Palliativmittel. Ich bejweifle 3 daß Hhraj Kanitz der westlichen Industrie wohl will, seine bis. 2. len Aeußerungen lassen indeß nicht darauf schließen; hoffentlich ür jetzt zu einer besseren Verständigung. Der Weltmarttpreis für

bommen wir je⸗ 1 . ge.

cienen ist nicht höber als der heimische. Der Vergleich mit dem Ge⸗ de ist deshalb nicht statthaft, weil es sich da um verschiedene e tn handelt. Die Regierung hätte keine Garantie für die Voll⸗

Fertigkeit der vom Auslande gelieferten Schienen. .

Abg. Graf von Kanitz: Ob die englische Kohle schlechter ist s die deutsche, will ich nicht untersuchen. Wir haben ja auch in Hut schland verschiedene Qualitäten. Warum verwendet man die

lischs Koble im Bezirk Altona? Die Notierungen des Synditats . immer symptomatisch und maßgebend für die Marktlage. Der un, soll dem Syndikat 8 „6 geboten haben, es hielt aber an 3 4 sest, und nach langen Verhandlungen setzte es seinen Willen dc. 109 M für Schienen sind nach der Meinung des Ministers sche niedrig. Die Waliwerke sind aber doch anderer Meinung. In der ganzen Welt werden große Posten gebraucht. Da entwickelt sich dech ein Weltmarktpreis. In Rotterdam wurden 82 bezahlt. Min muß sich nur nicht an die Notierungen der Essener Börse halten. Nuslämische Schienen brauchen doch nicht unter allen Umständen schlechta zu sein wie die unserigen. Bei uns sind auch Fälschungen ud FHlechte Lieferungen vorgekommen. Wenn Herr. Bueck die ucnBhmetarife für Kohlen empfiehlt, so muß er auch für Getreide— Enfeltarife sich erklären. Die Hafenplätze können die englische Kohle cr rortheilbaft benutzen. Hohe Versicherungsbeiträge müssen nicht mur die Kohlenzechenbesitzer bezahlen, sondern auch andere Erwerbs- finde, Wenn der Staat die Pflicht habe, allen Unternehmern eihen Theil der Versicherungsbeiträge abzunehmen, so können wir dieselbe Forderung an den Staat stellen. Uns liegt, daran, unsere Acbeiter zu behalten. Wir wissen nicht mehr, wo wir Arbeiter her bekommen sollen. Ich habe den Beweis geliefert, daß meine vor sihtige Anregung nicht werthlos war.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Ich möchte bitten, mir zu gestatten, nur einige kurze Bemerkungen af die Ausführungen des Herrn Abg. Grafen von Kanitz machen zu zirfen. Herr Graf Kanitz hat mich offenbar mißverstanden, wenn er zeplaubt hat, ich wäre der Meinung, man könne mit eng— lishen Kohlen keinen Lokomotivdienst betreiben. Das habe ich weder geglaubt, noch habe ich das jemals glauben können. Ich habe nur maeinerseits gesagt, daß, wenn man heute Ruhrkoblen brennt, man morgen nicht gleich engliche Kohlen brennen kann; ebenso wenig kann eine heute mit englischen Kohlen gespeisie Lokomotive morgen mit Ruhrkohlen gespeist werden; es müssen dann Veränderungen getroffen werden, um die neue Feuerungs⸗ anlage für das betreffende Material zu aptieren. Wenn wir die Konkurrenzmöglichkeit der englischen Kohle dem Syndikat gegenüber ausgespielt haben in den Küstendistrikten, so war das meines Grachtens eine wirthschaftliche, gerechtfertigte Maßregel. (Sehr richtig! links) Denn wir würden in der Lage sein, in den Küstendistrikten alle unsere Einrichtungen auf die englische Kohle zu treffen. Das haben wir dem Syndikat gesagt, und das ist auch im Preise zum Ausdruck gebracht.

Wenn Herr Graf Kanitz vorhin ausgeführt hat, infolge des Ab— schlusses selen die Kohlenpapiere gestiegen, so habe ich in der Geschwindig· keit die Kurszettel nachsehen lassen und habe ich ziffernmäßige Be⸗ stätigung hierfür nicht gefunden.

Meine Herren, Herr Graf Kanitz hat sich dann darüber ge⸗ wundert, daß ich, nachdem ich gesagt hätte, 8 6 wäre genug, nachher döo0 H gegeben hätte. Meine Herren, hat der Herr Graf Kanitz wohl jemals im Handel und Wandel gestanden? Dann witd er wohl schwerlich mit dem Preise gleich herausgerückt sein, den er zu geben beabsichtigt. Im Handel und Wandel vollzieht sich, soviel mir bekannt ist, dieselbe Erscheinung doch stets, und, wer das nicht thut, der fällt dabei herein. (Heiterkeit Es kann sich doch mi darum handeln, ob die 8,50 M unter den gegebenen Ver⸗ hiltnifsen nicht gerechtfertigt waren, oder ob sie gerechtfertigt waren, und ich habe allerdings die Ueberzeugung gewinnen müssen, nachdem ich mich durch meine Organe aufs sorgfältigste habe erkundigen lassen, nicht nur nach dem theoretischen Weltmarktspreise, sondern auch nach dem von den Großkonsumenten wirklich gezahlten Preise, daß es mir nichts helfen würde und ich die 50 zulegen müßte. Meine Herren, bon seiten der Saar bin ich überhaupt garnicht danach gefragt werden; die zieht die Schlüsse aus einer aufsteigenden Konjunktur sich selbst und hat mir die Preise auch in die Höhe gesetzt, und daran hat sie ganz recht gethan. Ich glaube daher, daß der Verwaltung aus ihrem Verhalten bei den Kohlenabschlüssen ganz unmöglich mit Recht ein Vorwurf gemacht werden kann.

Abg. Schm iedin 7 Es ist etwas kühn, daß Graf Kanitz den Ausführungen des Minifters gegenüber seine Behauptungen auf— recht erhält. Nun, ich halte auch meine Behauptung aufrecht, daß die Staatzesfenbahnderwaltung mit ihrem Abkommen mit, dem Syndikat weifer gehandelt hat als der Graf Kanitz. Der Minister würde heute ohng das Syndikat erheblich theurer kaufen müssen. Eine deutsche Privateifenbahn hat für Schienen statt 109 lz. * bezahlen müssen. Bei der Kohle kommt es auf die Qua- lität an. Graf Kanitz will ein Freund der westlichen Industrie sein, und, in demselben Athemzuge verlangt er, daß der Minister in dem Rechtsstaat Preußen die Ausnahmetarife fär den Westen aufhebt; dann bliebe ein Monopol für die übrigen Provinzen übrig, und das hieße einzelne Theile des Staats mit Staatshilfe todtschlagen. Man

gebe doch dem Syndikat Zeit, um zu sehen, wie es arbeitet, hat man früher gesagt und hinzugefügt: Entweder es wird gemäßigt

ĩ . or volltogen. Warum sollt 1. e ihr, , ,

sein, oder eg wird es nicht sein. Das Syndikat ist Simi,

Abg. Graf von Kanitz: Wenn die Sache in Ältona geht, dann are auch in andern Bezitken. Ein Monopol ist auch das Ruhr ondikat. Die amerikanischen und englischen Schienen sind jetzt für ungefähr 5 Pfd. zu haben. .

Die Ausgaben werden bewilligt.

Die Ausgaben für Unterhaltung, Erneuerung und Er⸗ . aug der baulichen Anlagen sind auf 115190 S6 ver⸗ agt.

Abg. Wam mh of (ul.) beschwert sich über Verkehrsstörungen an wei Kreuzung punkten in der Stadt Oenabrück. Durch den Rangier⸗ derkehr, führt er aus, wird der Straßenverkehr bis zu sechs Stunden selverrt. Durch diese Sperrung werden besonders Arbeiter, Geschäfts treibende, Landwirthe geschädigt. Bei dem n . gestiegenen Ver- kehr liegt die Gefahr eines großen Unglücks vor. In einem Falle

t die Lokomotive nur durch ' die Üümficht des Lokomstivführers zum Steben gebracht und ein großes Unglück verhütet worden. Von Hen der Verwaltung ist schon etwas zur Abhilfe geschehen, aber as reicht nicht aug. Die Stadt Osnabrück foll dazu größere Geld—⸗

beitrãge leisten, obglei an diesei 6 arn

re r , e ren, ,, ner den letzten Jahren auf das Doppelte in Osnabrück iegen. Vor⸗ aeg. zur. Abhilfe will ich nicht machen. Bei gutem Willen wird sich schön ein Ausweg finden lassen. Ich bitte den Minister, die An⸗ . . gründlich zu prüfen und auch Vertreter der Stadt Osna rück und andere Bürger zu den Verhandlungen heranzuziehen. Dank= bar bin ich dem Minister für die Einrichtung einer neuen Haltestelle am Haasenthor.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Der Stadt Osnabrück gegenüber habe ich wirklich ein sehr gutes Gewissen. Es ist in den letzten Jahren für die Stadt Osnabrück außerordentlich viel geschehen: sie hat einen großen neuen Zentralbahnhof bekommen mit allen Bequemlichkeiten, die einer Stadt wie Osnabrück würdig sind, es sind Straßen überführt worden bei der Gelegenheit; sie haben eine neue Haltestelle bekommen. Und nun wird das Verlangen gestellt, daß ein sehr frequenter Uebergang sehr frequent, wie ich gern zugeben will nun auf alleinige Kosten der Eisenbahnverwaltung soll beseitigt werden. Meine Herren, ich bin dem Herrn Abgeordneten sehr dankbar, daß er hier die Ziffern dafür gegeben hat, in wie außerordentlicher Weise der Landverkehr über diesen Uebergang in den letzten Jahren gestiegen ist, und ich habe erwartet, er würde nun dahinter als natürliche und logische Schlußfolgerung bemerken: die Stadt Osnabrück ist nun⸗ mehr auch bereit, sich an der Beseitigung dieses Uebel standes mit einem namhaften Beitrage zu betheiligen. (Sehr richtig! rechts Dieser zweite Theil ist aber ausgeblieben. (Heiterkeit)

Ich habe die Königliche Eisenbahn⸗Direktion in Münster als die zuständige Direktion beauftragt, nochmals in eine Erörterung dieser ganzen Angelegenheit einzutreten, habe aber der Direktion darüber keinen Zweifel gelassen, daß die Ausführung des Projektes nur erfolgen könne, wenn die Stadt Osnabrück ihren bisher ganz absolut negativen Standpunkt verlassen und sich bereit finden lassen würde, einen angemessenen Beitrag zu den Kosten dieser Unterführung herzugeben. Die Kosten sind sehr hoch; die technischen Schwierigkeiten sind sehr erheblich. Ich fürchte, die technischen und die ökonomischen Schwierigkeiten würden ins Ungemessene wachsen⸗ wenn wir einen großen polnischen Reichstag nach Osnabrück zusammen⸗ berufen würden mit allen Interessenten: Magistrat, Bürgervorsteher, Kollegium und den sonstigen Leuten, die sich für diesen Uebergang interessieren namentlich wenn man das von vornherein im ersten Stadium machen würde. Nach meinen Erfahrungen würde das durch⸗ aus unzweckmäßig sein. Erst wenn wir mit dem Magistrat über ein bestimmtes Vorgehen uns verständigt haben, können auch die anderen Interessenten gehört werden; das ist jedenfalls zweckmäßig. (Bravoh

Abg. Jürgen sen (nl.) bittet um Abstellung der unleidlichen räumlichen Zustände des Bahnhofsgebäudes in Husum.

Abg. Pleß (Zentr.) hält es nicht für zen hbtfeeti g, daß die Eisenbahnverwaltung die Städte zu Beiträgen für die Kosten neuer Bahnhöfe heranzieht, da die Verkehrsvergrößerung lediglich der Eisen⸗ bahnverwaltung selbst zu gute komme, und bittet um einen Neubau des Bahnhofs in Mülheim a. Rh.

Die Position wird bewilligt.

Um 4 Uhr wird die weitere Berathung auf Montag 11 Uhr vertagt. Außerdem steht der Etat des Ministeriums für Handel und Gewerbe auf der Tagesordnung.

Parlamentarische Nachrichten.

Dem Reichstage ist der nachstehende Entwurf eines Gesetzes über das Auswanderungswesen zugegangen:

IJ. Unternehmer.

§1. Wer die Beförderung von Auswanderern nach außerdeutschen Ländern betreiben will ,,,. bedarf hierzu der Erlaubniß.

Zur Ertheilung der ilaubu ß in der Reichskanzler zuständig.

Die Erlaubniß ist in der Regel nur zu ertheilen:

a. an Reichsangehörige, welche ihre gewerbliche Niederlassung im Reichsgebiet haben, .

b. an Handelsgesellschaften, eingetragene Genossenschaften und juristische Personen, welche im Reichsgebiet ihren Sitz haben; an offene Handelsgesellschaften, Kammanditgesellschaften und Kommandit⸗ esellschaften auf Aktien jedoch nur, wenn ihre persönlich haftenden ö sämmtlich n n,, sind.

Ausländischen Personen oder Gesellschaften, sowie solchen Reichs- angehörigen, welche ihre gewerbliche Niederlassung nicht im Reichs⸗ gebiete haben, darf die . nur ertheilt werden, wenn sie

a. einen im Reichsgebiet wohnhaften Reichsangehörigen zu ihrem Bevollmächtigten bestellen, welcher sie in den auf die Beförderung der Auswanderer bezüglichen Angelegenbeiten Behörden und Privaten gegenüber rechtsverbindlich zu vertreten hat,

b. wegen der aus der Annahme und Beförderung der Auswan⸗ derer erwachsenden Rechtsstreitigkeiten dem deutschen Recht und den deutschen Gerichten sich unterwerfen.

5.

Vor Ertheilung der Erlaubniß hat der Nachsuchende eine Sicher heit im Mindestbetrage von fünfzigtausend Mark zu bestellen und im Fall beabsichtigter überseeischer Beförderung den Nachweis zu führen, daß ihm hierzu geeignete eigene n n.. zur Verfügung stehen.

Die Erlaubniß ist nur für bestimmte Länder, Theile von solchen oder bestimmte Orte und im Fall überseeischer Beförderung nur für bestimmte Einschiffungshäfen zu ertheilen.

§ 7. Für diejenige überseeische ,n welche mit Transport wechsel in einem außerdeutschen Zwischenhafen verbunden ist, darf die Erlaubniß nur mit Zustimmung des Bundesraths ertheilt werden.

§ 8. Bei Ertheilung der Erlaubniß an solche deutsche n , welche sich die Besiedelung eines von ihnen in überseeischen Landern , ,,. e n e f. n n. ist der Reichskanzler an die Vorschriften des nicht gebunden. ;

6 übrigen können Ausnahmen von den Vorschriften des 5 5 nur mit Zustimmung des Bundesraths zugelassen werden.

92. .

Die Exrlaubniß berechtigt den Unternehmer zum Geschãftsbetriebe im ganzen Reichsgebiete mit der Einschränkung, daß er außerhalb des Gemeindebezirks seiner gewerblichen Niederlassung und des Gemeinde⸗ bezirks seiner etwaigen Zweigniederlassungen hei der Ausübung seines gesammten Geschäftsbetriebes, soweit es sich dabei nicht lediglich um die Ertheilung von Auskunft und die Veröffentlichung der Beförde— rungsgelegenheiten und Beförderungsbedingungen handelt, ausschließlich der Vermittelung seiner nach § 12 ff. zugelassenen Agenten sich zu bedienen hat. .

8 ; . Der Unternehmer kann seine Befugnisse zum Geschäftsbetriebe durch Stellvertreter ausüben. Die Bestellung eines solchen ist er— forderlich für die Geschäftsführung in Zweigniederlassungen.

Nach dem des Unternehmers sowie im Falle einer Bor⸗= mun oder fg eh kann der Geschäftsbetrieb noch längstens sechs Monate durch Stellvertreter fortgesetzt werden.

Die Bestellung eines Stellvertreters bedarf der Genehmigung des Reichskanzlers. :

11. Die dem Unternehmer ertheilte Erlaubniß kann jederzeit beschrãnkt oder widerrufen werden. Ebenso ist die Genehmigung der Bestellung eines Stellvertreters jederzeit widerruflich.

II. Agenten. § 12. Wer sich zum Geschäfte machen will, bei einem Betriebe der im 5 1 bejeichneten Art durch Vorbereitung, Vermittelung oder Abschluß 13 . mitzuwirken (Agent), bedarf hierzu der rlaubniß.

§13. Die Erlaubniß wird von der höheren Berwaltungsbehörde ertheilt.

§5 14.

Die Erlaubniß darf nur ertheilt werden an Reichsangehörige, welche im Bezirk der höheren Verwaltungsbehörde (5 13) ihre ge⸗ werbliche Niederlassung oder ihren Wohnsitz haben und von einem zu⸗ gelassenen Unternehmer (3 1) bevollmächtigt sind.

Die Erlaubniß darf auch bei Erfüllung der vorstehenden Erfor⸗ dernisse nicht ertheilt werden: .

a wenn Thatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des . in Beziehung auf den beabsichtigten Geschäftsbetrieb arthun;

b. wenn einer den Verhältnissen des Verwaltungsbezirks der zu⸗ ständigen Verwaltungsbehörde entsprechenden Anzahl von Personen die Erlaubniß zum Betriebe des Geschäfts eines Auswanderungsagenten ertheilt oder ausgedehnt (6 16) worden ist.

§5 15.

Vor Ertheilung der Erlaubniß hat der Nachsuchende eine Sicher⸗ heit im Mindestbetrage von en , nnn Mark zu bestellen.

Die Erlaubniß e, zum Geschäftsbetriebe im Bezirke der die Erlaubniß ertheilenden Behörde, wenn sie nicht auf einen Theil desselben beschränkt wird. Im Einvernehmen mit dieser Behörde kann jedoch dem Agenten die Ausdehnung seines Geschäftsbetriebs auf benachbarte Bezirke von den für letztere zuständigen höheren Ver⸗ waltungsbehörden gestattet ren,

Für andere als den in der Erlaubnißurkunde namhaft gemachten Unternehmer sowie auf eigene Rechnung darf der Agent 5 der im § 12 bezeichneten Art nicht .

Dem Agenten ist es untersagt, seine Geschäfte in Zweignieder⸗ lassungen, durch Stellvertreter 42 6 Umherziehen zu betreiben.

§ 19.

Die dem Agenten ertheilte Erlaubniß kann jederzeit beschränkt oder widerrufen werden.

Die Erlaubniß muß widerrufen werden: ;

a. wenn den Exfordernissen nicht mehr genügt wird, an welche die Ertheilung der Erlaubniß nach § 14 Abs. 1 n. ist;

b. wenn Thatsachen . welche die Unzuvperlässigkeit des Agenten in Beziehung auf den Geschäftsbetrieb darthun;

C. wenn die Sicherheit ganz oder zum theil zur Deckung der auf ihr haftenden Ansprüche verwendet worden ist und nicht binnen vier Wochen nach ergangener Aufforderung neu bestellt oder ergänzt wird.

§ 20.

Gegen die auf Grund der 88 12 bis 16 und 19 von der höheren Verwaltungsbehörde getroffenen Verfügungen ist Beschwerde an die , zulässig. Die Frist zur Einlegung der Beschwerde beträgt zwei Wochen.

III. Gemeinsame Bestimmungen für Unternehmer und Agenten. S 2.

Die von den Unternehmern und von den Agenten bestellten Sicherheiten haften für alle anläßlich ihres Geschäftsbetriebs gegen= über den Behörden und gegenüber den Auswanderern begründeten Verbindlichkeiten sowie für Geldstrafen und Kosten.

§ 22.

Der Bundesrath erläßt nähere Bestimmungen über den Geschäfts⸗ betrieb der Unternehmer und Agenten und deren Beaufsichtigung, namentlich auch . ö

a. über die von ihnen zu führenden Bücher, Listen und sonstigen Ausweise sowie über die in Anwendung zu bringenden Vertrags- Formulare; . ;

b. über die Art und Weise der Sicherheitsbestellung und die Bedingungen, welche über die Haftbarkeit sowie über die Ergänzung und die e gaht der Sicherheit in die Bestellungsurkunde aufzu⸗ nehmen sind.

IV. Allgemeine Bestimmungen über die Beförderung von Auswanderern. § 23. ;

Der Unternehmer darf Auswanderer nur befördern auf Grund

eines vorher abgeschlossenen schriftlichen Vertrags. § 24.

Verboten ist die Beförderung sowie der Abschluß von Ver trägen über die Beförderung; .

a. von Wehrpflichtigen im Alter vom vollendeten siebzehnten bis zum vollendeten fuͤnfundzwanzigsten Lebensjahre, bevor sie eine Ent⸗ lassungsurkunde (5 14 des 36. über die Erwerbung und den 8 der Bundes und Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870) oder ein Zeugniß der Ersatzkommission darüber bee g haben, daß ihrer Auswanderung aus dem Grunde der hrpflicht kein Hinderniß entgegensteht; .

b. von Personen, deren Verhaftung oder Festnahme von einer Gerichts⸗ oder Polizeibehörde angeordnet ist;

C. von Reichsangehörigen, für welche von fremden Regierungen oder von Cern en, geh! ten oder ähnlichen Unternehmungen der Beförderungspreis ganz oder theilweise bezablt wird oder Vor⸗ schüsse geleistet werden; Ausnahmen von dieser Bestimmung kann der Reichskanzler zulassen. ö.

Auswanderer, welche sich nicht im Besitze der nach 5 24 Litt. a erforderliche. Urkunde befinden, oder welche zu den im § 24 unter b und C bezeichneten Personen gehören, können durch die Polizei- behörden am Verlassen des Reichsgebiets verhindert werden.

Die Polizeibehörden in den Hafenorten sind befugt, die Unter nehmer an der Einschiffung von Personen zu verhindern, deren Be—⸗ förderung auf Grund dieses Gesetzes verboten ist.

V. Besondere Bestimmungen für die überseeische Aus. wanderung nach außereuropäischen Ländern. § 26. Verträge über die überseeische Beförderung von Auswanderern müssen auf Beförderung und Verpflegung bis zur Landung im außer europäischen Ausschiffungshafen , n sein.

Der Verkauf von , an Auswanderer jzur Weiter beförderung von einem überseeischen Platze aus ist verboten.

Dieses Verbot findet jedoch keine Anwendung auf Verträge, durch welche der Unternehmer (q!) sich zugleich zur Weiterbeförderung vom überseeischen Ausschiffungshafen ,

Der Unternehmer ist verpflichtet, den Auswanderern an dem zu ihrer Ginschiffung oder Weiterbeförderung bestimmten Orte bei jeder nicht von ihnen selbst verschuldeten Verzögerung der Beförderung don dem vertragsmäßig bestimmten Abfahrtstage an ohne besondere Ver- gütung Unterkunft und Verpflegung zu gewähren.