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scheinlich mit Bezug auf die Korrektur der Vereinegesetze, welche das Verbot des Inverbindungtreteng mit anderen Vereinen enthalten. Nun, die verbündeten Regierungen haben eine solche Bereitwillig⸗ keit, soweit sie, nach Lage der Gesetzgebung, an dieser Frage überhaupt betheiligt sind, natürlich nur einzeln je für sich aussprechen können. Wenn also irgend eine Regierung, bier in diesem Falle die Königlich preußische, noch im Rückstande ist mit der Korrektur des Vereins gesetzes, so trifft das jedenfalls nicht die verbündeten Regierungen als solche, sendern es könnte ein Vorwurf daraus höchstens gegen die preußische Regierung abgeleitet werden. Aber auch dieser Vorwurf, meine Herren, wäre unbegründet. Wir sind im Königlich preußischen Staats Ministerium mit der Schlußredaktion der Vorlage, die dem preußischen Landtage auf diesem Gebiete gemacht werden soll, be⸗ schaͤftigt, und der Herr Vorredner wird nicht allzu lange zu warten brauchen, bis diese Vorlage erscheint. Also, glaube ich, war es nicht gerade nöthig, den Vorwurf eines nicht erfüllten Versprechens zu erheben.
Da ich einmal das Wort habe, so möchte ich noch auf einige Bemerkungen antworten, die auch seitens der früheren Herren Redner gefallen sind. Ich babe freilich zu meinem Bedauern wegen einer Bundesrathssitzung nicht alle Vorträge hören können, die sich mit dem Gegenstande beschäftigt haben.
Der Herr Abg. von Jazdzewski hat unter Produktion von Tele⸗ grammen den Hergang bei der Beendigung der Wählerversammlung in Linsk und in Osche anders dargestellt, als ich das gestern und heute gethan habe. Der Widerspruch besteht einfach darin, daß nach den mir vorliegenden Berichten richt der überwachende Beamte die Ver⸗ sammlung aufgelöst hat, sondern daß sie von dem betreffenden Leiter aufgehoben worden ist, während nach den Berichten, die dem Herrn Abg. v. Jazdzewski zugegangen sind, die Sache umgekehrt gewesen sein soll. Darnach halten also die Berichterstatter, die den Herrn Abgeordneten mit ihren Nachrichten versehen haben, die schon gestern aufgestellte Behauptung aufrecht, daß der überwachende Beamte die Auflösung der Versammlung ausgesprochen hat. Hier liegt ein Wider⸗ spruch vor, und ich werde dem Königlich preußischen Herrn Minister des Innern anheimstellen, diesen Widerspruch aufzuklären. Ich bin selbstverständlich nicht in der Lage, jetzt zu sagen, wie sich die Dinge thatsächlich abgespielt haben. Ich muß aber für mich in Anspruch nehmen, daß ich objektiv aus den vorliegenden Berichten referiert habe, und ich muß weiter für die Beamten, die mir berichtet haben, bis zum Beweise des Gegentheils in Anspruch nehmen, daß sie ihrerseits ebenfalls objektiv richtig referiert haben.
Wenn der Herr Abg. von Jazdzewski aus meinen Aeußerungen entnommen zu haben glaubte, daß ich die Meinung vertrete, nur Beamte dürften eine politische Versammlung überwachen, so hat er mich vollständig mißverstanden. Im Gegentheil, mir ist die Vor⸗ schrift des preußischen Vereinsgesetzes sehr wohl bekannt, wonach die Polizeibehörden die Befugniß haben, Versammlungen selber zu über⸗ wachen resp. durch ihre Behörden oder andere geeignete Personen überwachen zu lassen. Es ist auch in den hier in Rede stehenden Fällen, ausweislich der mir vorliegenden Akten, jedesmal der Versuch gemacht worden, einen vertrauenswürdigen, der polnischen Sprache mächtigen Mann zu ermitteln, welcher die Ueberwachung im Auf⸗ trage der Polizeibehörde übernehmen könnte, und — ich kann das ja vorlesen — es ergiebt sich aus diesen Berichten ausdrücklich, daß dieser Versuch mißglückt ist, weil sich entweder niemand gefunden hat, dem die Polizeibehörde mit vollem Vertrauen die Ueberwachung hat übertragen können, oder weil die betreffende Person, an die das An⸗ sinnen gestellt worden ist, es abgelehnt hat, die Ueberwachung der Versammlung zu übernehmen.
Dann hat man gemeint, es sei doch wohl nicht ernst zu nehmen, daß die Gendarmen, die die Ueberwachung der Versammlung geführt haben, der polnischen Sprache nicht hinreichend mächtig seien. Ja, das ist doch sehr ernst zu nebmen, denn es ergiebt sich hier aus einer Aeußerung des Gendarmen Alfeldt, den auch der Herr Abg. von Jazdzewski angezogen hat, daß er erklärt, er verstehe zwar so viel Polnisch, um sich über die gebräuchlichsten Gegenstände zur Noth verständigen zu können, er sei aber keineswegs im stande, einer politischen Rede genügend folgen zu können. Meine Herren, es liegt in der Natur der Sache, und das wird mir mein verehrter Herr Nachbar auch zugeben, daß es etwas Anderes ist, ob ich mich im gewöhnlichen Leben nothdürftig in einer Sprache verständigen kann, oder ob ich im stande bin, einer Rede zu folgen, noch dazu einer politischen Rede, und jwar mit der verantwortlichen Aufgabe, daß ich kontrolieten muß, ob in dieser politischen Rede irgend
etwas vorkommt, was mit den Strafgesetzen nicht im Einklang steht.
Also ich halte fest an der Behauptung: es hat in den in Rede stehenden Fallen ein der polnischen Sprache vollkommen kundiger Mann mit der Ueberwachung nicht betraut werden können, und ich halte fest an der weiteren Behauptung, daß in allen drei Fällen, die hier zur Sprache gebracht sind, die Wählerversammlung so zusammen⸗ gesetzt war, daß der Gebrauch der deutschen Sprache sehr wohl möglich gewesen wäre, ohne das Verständniß der einzelnen Theilnehmer zu beeinträchtigen.
Die Vorwürfe, die gegen meinen Königlich preußischen Herrn Kollegen weiter erhoben worden sind wegen seines Erlasses vom 28. Oktober v. J, muß ich auch wiederholt als der Berechtigung entbehrend bezeichnen. Der Herr Minister sah sich gegenüber der Entwicklung, die das Versammlungswesen innerhalb der polnischen Kreise genommen hatte, in der Nothwendigkeit, sich nach einem Mittel umzusehen, um die Ueberwachungsthätigkeit wirksam ausüben zu können; er kam zu der nach gewissenhafter Prüfung gewonnenen Ueberzeugung, daß er außer stande sei, diese Ueberwachung, die, wie gesagt, für die Staatsbehörden eine Pflicht ist, ausreichend zu üben, wenn man ihm nicht entweder ausreichende, der polnischen Sprache mächtige Kräfte zur Disposition stellt, oder wenn man nicht gestattet, daß in den Versammlungen der Gebrauch der deutschen Sprache vorge⸗ schrieben werden darf. Daß er den Weg beschritten hat, eine Korrektur der seinet Auffassung entgegenstehenden Auffassung des Ober Verwaltungs⸗ gerichts herbeizuführen, habe ich ja bereits vorhin darzulegen mir er⸗ laubt. Ich kann dem Herrn Abg. Lenzmann nicht Recht geben, daß es unzulässig wäre für die Verwaltung, wenn sie eine richterliche Entscheidung nicht für zutreffend und nicht der Absicht des Gesetzes entsprechend hält, dahin zu streben, daß durch eine anderweitige richter liche Entscheidung diese erste Entscheidung in ihrer Wirksamkeit beseitigt wird. Das geschieht, wie gesagt, auf vielen Gebieten des öffentlichen Rechts, und ich glaube sogar, daß auch ein Rechtsanwalt sehr häufig in die Lage kommt, zu sagen: wir wollen die Frage
noch einmal bei der nächsten Gelegenheit vor die Gerichte bringen in der Hoffnung, daß das unserer Ausfassung widerstrebende Erkenntniß, was uns jetzt sehr unbequem ist, demnächst aus der Welt geschafft wird. Ich gebe dem Herrn Abg. Lenzmann zwar bereitwillig zu, daß auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts die Sache etwas anders liegt, wie auf dem Gebiet des Privatrechts; aber nach meiner Kenntniß der Praxis kann ich ihm versichern, daß Fälle, wo auch auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts wiederholte Entscheidungen der Gerichte herbeigeführt sind, nicht gar selten sind.
Nun hat der Herr Minister des Innern weiter nichts gethan, als den Behörden die Anweisung ertheilt: bringt noch einen Fall zur erneuten Entscheidung des Ober ⸗Verwaltungsgerichts; dann, hoffe ich, wird das letztere seine Meinung korrigieren. So wie dieser neue Fall zum Ziele geführt hätte, war die Sache erledigt; dann war eben, wenn das Ober⸗Verwaltungsgericht sich der Auffassung des Herrn Ministers des Innern angeschlossen hätte, gar kein Zweifel darũber, daß in den Versammlungen deutsch und nicht polnisch gesprochen werden mußte, sobald der überwachende Beamte es forderte.
Ich kann, wie gesagt, in dem Vorgehen des Herrn Ministers des Innern keinen Fehler finden; der einzige Fehler, den ich anerkenne, liegt einfach darin, daß in dem einen Falle die strikte Anweisung des Herrn Ministers des Innern in der Lokalinstanz nicht befolgt ist. Das kommt aber toto die vor, daß untergeordnete Polizeiorgane höhere Weisungen unbeachtet lassen; darüber braucht sich der Reichstag nicht mehrere Tage lang zu unterhalten.
Abg. Werner (Reformp.): Die Polizei tritt für die Sozial⸗ demokraken ein. Als ich im Elsaß einen Vortrag hielt und von den Sozlaldemokraten sprechen wollte, hinderte mich der Polizeibeamte daran, und in Bezug auf Straßburg wurde mir gesagt; Es ist die Domäne des Herrn Bebel, da lohnt es sich gar nicht, einen Vor⸗ trag zu halten. Wir müssen eine einheitliche reichsgesetzliche Regelung des Vereinswesens haben; denn jetzt kann man sich kaum herausfinden. Der Beschwerdeweg in diesen Fragen ist sehr wenig erfolgreich Man bekommt die fh den vielleicht erst, nachdem die Wahl längst . ist. Da muß durch Reichsgesetz eine Besserung herbeigeführt werden.
Abg. Dr. von Jazdzewski tritt nochmals für das Recht der Polen, polnisch zu sprechen, ein und führt aus, daß Beamte genug vor⸗ handen seien, die polnisch verständen.
Abg. Bebel (Soz.): Ich bin überrascht über die Liebenswürdig⸗ keit der Straßburger Polizei, denn bei den Wahlen von 1893 habe ich vergeblich den Verfuch gemacht, eine Versammlung zu halten, und auch eine Berichterstattung ist mir nicht gelungen; und von dem französischen Boden bin ich ausgewiesen worden. Baß die Straßburger Polizei eine antisemitische Agitation , der sozialdemokratischen als autsichtslos bezeichnete, ist eine Erkenntniß, die überraschend ist.
Äbg. Beckh (fr. Volkep. ; In Zivilsachen wird ein ander⸗ weitiger Richterspruch herbeizuführen gefucht; aber bei Strafsachen wird kein Rechtsanwalt seinem Klienten anrathen, ein Delikt noch⸗ mals zu begehen, um eine anderweitige Entscheidung herbeizuführen.
Damit ist die Interpellation erledigt.
Es folgt die Berathung des Gesetzentwurfes, be⸗ treffend die Abänderung der Gewerbeordnung. (Hand werker⸗Vorlage.
Abg. Dr. Hitze (Zentr.):; Ich bedauere, daß die Vorschläge der preußischen Vorlage nicht berücksichtigt sind; das hat schon zu der Parole geführt: Wenn bloß so wenig geboten wird, dann lieber gar nichts.‘ Wir sind in der Fraktion zu dem Ergebniß gekommen, daß es eine Verzweiflungepolitik sein würde, alles abzulehnen in der Hoffnung, daß es nachher besser werden würde. Es ist uns die beftimmte Versicherung geworden, daß selbst für die Vorlage des Herrn von Berlepsch eine Majoritaͤt im Bundesrath nicht zu erreichen wäre. Es ist etwas Anderes, in Handwerkerversammlungen reden als wie unter der Verantwortung als Abgeordneter. Wir werden fehen müssen, daß die Vorlage möglichst verbessert und eine Grundlage geschaffen wird für weitere Fortschritte. Die Hoffnung ist um so mehr gegeben, als wir durch die Hand⸗ werkerkammern zu einer Organifierung des Handwerks kommen und dadurch die besten Hilfstruppen gewinnen zur Mitarbeit an der Srganisation. Wir nehmen das jetzt Erreichbare als Abschlags⸗ zahlung. Diese Politik hat das Zentrum stets innegehalten beim Kulturkampf, beim Arbeiterschutz und auch bei der andwerkervorlage. Demnach beantrage ich, die Vorlage einer Kommission zu überweisen. Die wichtigste kö uber die Vorlage hinaus ist der Befähi⸗ gungsnachweis als Vorbedingung der Ausübung des Handwerks; auf diesem Boden steht die Mehrheit des Reichstages und auch die Mehrheit der Handwerker. Da der Bundesrath sich aber ablehnend verhält, so würde es vergeblich sein, den Befähigungsnachweis in diese Vorlage hineinzuarbeiten. Der Befähigungsnachweis als Vorbedingung für die Ausbildung von Lehrlingen ist in der Vorlage in seinen Anfängen enthalten. Das ist ein erfreulicher Fortschritt; nur sind die Regierungen auf halbem Wege stehen geblieben, weil sie nur die Gefellen prüfen wollen, aber nicht die Meister. Die Bestim, mung, daß nur derjenige Lehrlinge ausbilden darf, welcher fünf Jahre felbständig gewesen ist, kann nur als Uebergangs⸗ destimmung gelten. Es ist ein gutes Zeichen, daß die Hand⸗ werker noch etwas auf den Meisterütel geben. Die zweite große Forderung ist die Regelung des Lehrlings. und des Gesellenwesens. In Bezug auf die Lehrlinge bietet die Vorlage sehr Vieles, nicht so bezüglich der Gesellen. Die Gesellenprüfung ist ein Ansporn für den Lebrling und auch eine Kontrole für den Meister, daß er seine . gethan hat. Die preußische Vorlage bewegt sich auf dem
oden der obligatorischen Innungen, während heute die Bildung der Innungen in die Hand der Betheiligten gelegt wird. Soweit Innungen nicht vorhanden sind, sollen die Handwerkerausschüsse die Teberwachung des Lehrlingswesens übernehmen. Bezüglich der Hand- werkerkammern bietet die Vorlage das, was man irgendwie verlangen kann. Ich setze große Hoffnungen auf die Handwerkerkammern als gutachtende Behörden. Wenn gesagt wird, die Handwerker wollen von den Innungen gar nichts wissen, so können die Handwerker diese Frage zur Entscheidung bringen, und sie können Einfluß gewinnen in manchen Dingen bezüglich der Gefängnißarbeit, der Errichtung von FJachschulen, Genossenschaften u,. s. w. An einzelnen Stellen ist die Selbstverwaltung durchbrochen bei den Innungen, und es wird ja von der linken? Seite wohl daran herumgearbeitet werden, diese bureaukratischen Chikanierungen aus der Vorlage zu entfernen.
Abg. Äugst (d. Bolksp. ): Die Vorlage enthält manches, was alle Handwerker verlangen, namentlich bezüglich der Handwerkerkammern und der Regelung des Lehrlingswesens; nur bezüglich der Innungen und der Gewerbevereine wird sich eine Meinungsverschiedenheit er⸗ geben. Der Anschluß der Handwerkerkammern an die Handels⸗ kammern wurde ein Fehler sein, weil sie dadurch zu einem Anhängsel herabgedrückt würden. Bezüglich des Lehrlingswesens sollte man aber den Bogen nicht allzu stark spannen, denn einheitliche schablonenhafte Vorschriften dafür sind schädlich. Erfreulich ist, daß die Bestimmungen über die obligatorische Zwangginnung aus der Vorlage herausgebracht sind; der Bundesrath hätte auch das Auskunftsmittel der fakultativen Zwangsinnung fallen lassen sollen. Es ist ein Fehler, daß ein Hand⸗ werker in Sachsen⸗ 6 in eine Zwangsinnung hineingejwängt werden kann, weil die Mehrheit seiner Kollegen das verlangt, während in Weimar der Handwerker 1 über die Zwangsinnung lustig machen kann. Man sollte nicht im Interesse der Innungsmeierei den Ein⸗ zelnen in seiner Selbstbestimmung hindern, namentlich inmitten der in. duftriellen und Ver ehrsentwickelung. Vie Innungen können Gutes wirken, aber nur in den großen Städten; die großen Entfernungen auf dem Lande wo die Handwerker zerstreut wohnen, hindern die Ent⸗ wickelung des Innungelebeng. Auf dem Lande sind schon diejenigen Handwerker sehr rar, die sich in den Dienst der Gewer evereine stellen.
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Darauf wird um H Uhr die weitere Berathung big Mittwoch, i Uhr, vertagt. Außerdem: erste Lesung der In⸗ validenversicherungs⸗Vorlage.
Prensischer Landtag. Haus der Abgeordneten.
60. Sitzung vom 30. März 189.
In der Fortsetzung der zweiten Berathung des Staats⸗ haushalts⸗Etats für 1897,98 wird die General⸗Diskussion über die Beamtenbesoldungs⸗-Vorlage, die von der Kommission beantragten Resolutionen und die hierzu gestellten Abänderungsanträge fortgeführt.
Ueber den Beginn der Debatte ist gestern berichtet worden.
Abg. Dasbach (Zentr.: Die Vorlage kann nicht die Zufrieden. heit der Beamten herbeiführen; im Gegentheil, die Unterbeamten scheinen nicht zufrieden zu sein, wenn sie nicht berücksichtigt werden, während die Gehälter der höheren und böchsten Beamten um Tausende erhöht werden. Die Erhöhung der Gehälter der Unterbeamten im Jahre 1856 war keineswegs ausgiebig genug und kann uns nicht ab- halten, auf eine weitere Erhöhung zu dringen. Ist die Finanzlage fo schlecht, daß der Finanz⸗Minister die Erhöhung des Gehalts der Unterbeamten ablehnen muß, so können wir die Aufbesserung des
Gehalts der höheren Beamten nicht gutheißen. Wenn die Be⸗
amtenaufbesserungen 20 Millionen kosten, die Konvertierung uns aber 18 Millionen Ersparniß bringt, so kostet uns die neue Be— foldung nur 2 Millionen, und deshalb können wir sehr wohl auch die Unterbeamten bedenken. Auf die Befürchtung des Finanz⸗Ministers, daß die Finanzen wieder schlecht werden können, brauchen wir nichts zu geben. Es ist im Gegentheil noch eine weitere Steigerung der Eisenbahneinnahmen zu erwarten. =
Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:
Nur zwei Bemerkungen gegen die Aeußerungen des Herrn Vor⸗ redners. Er meinte, wenn man die hohen Gehälter nicht weiter erhöhte, würden die Mittel gefunden worden sein, jetzt ohne weiteres die Gehalte der Unterbeamten zu erhöhen. Nun hätte der Herr Vor⸗ redner Seite 9 des Berichts lesen können und würde gefunden haben, daß die gesammten Gehaltserhöhungen, welche auf die Beamten erster bis einschließlich dritter Klasse entfallen, nur 424 O00 Mp kosten (hört! hört h. Was das bedeuten würde gegen die kolossalen Ausgaben einer allgemeinen Besoldungsaufbesserung für alle Unterbeamten, brauche ich nicht weiter auseinanderzusetzen.
Weiter ist es mir sehr bedenklich, in die Staatsverwaltung, wie der Herr Vorredner es thut, den Gesichtepunkt hineinzutragen, daß die Beamten der Betriebsverwaltungen, wenn mal in einem Jahre dieselben größere Ueberschüsse bringen, ihrerseits daraus einen Anspruch herleiten, auch ihrerseits aufgebessert zu werden. Das kann denn auch mal für die Beamten, wenn das konsequent behandelt würde, sehr be⸗ denkliche Folgen haben; dann würde man sich hüten müssen, überhaupt etatsmäßige Beamte anzustellen, deren Gehälter nicht reduziert werden können in Zeiten des Defizits. Ich möchte dringend davor warnen, diesen Gesichtspunkt, der mir sogar in der Privatindustrie höchst be⸗ denklich erscheint, auf die Verhältnisse unserer preußischen Beamten Anwendung finden zu lassen.
Meine Herren, ich habe ja schon zugesagt und habe selbst aner kannt, daß es bei einzelnen Beamtenkategorien der Unterbeamten erwünscht sein könnte, soweit die Mittel es erlauben, der Frage näher zu treten, ob hier nicht noch Ungleichheiten und Härten zu beseitigen sind. Weiter kann ich nichts sagen, und auf weiteres gehen die Anträge der Parteien der Mehrheit des Hauses auch nicht. Daß wir aber richtig verfahren sind, meine Herren, indem wir diese Beamtenaufbesserung, die 1890 mit den Unterbeamten be— gonnen hat, nun erst mal zum Abschluß bringen, ehe wir dieser ersten Frage wieder näher treten, haben die Verhandlungen dieses hohen Hauses zur Genüge gezeigt. Wenn die Mittel im Jahre 1890 vor—⸗ handen gewesen wären, Unterbeamte, mittlere und höhere Beamte gleichzeitig aufzubessern, so bin ich überzeugt, würde aus der ganzen Vorlage gewiß nichts geworden sein. Diese Methode, die uns auf⸗ gezwungen ist durch den Mangel an Mitteln im Jahre 1890, hat sich doch für die Durchführung der ganzen Aufgabe sehr erleichternd gezeigt. Ich glaube, die Herren könnten sich wirklich mit diesen Er⸗ klärungen, die ich abgegeben habe, und zwar in Uebereinstimmung mit dem Staats. Ministerium, in vollem Maße genügen lassen.
Abg. Schmidt⸗Warburg en, Es war keine Empfehlung der Vorlage, wenn der Finanz ⸗Minister gestern sagte: Wenn sie in diesem Jahre nicht gemacht werde, könne man garnicht wissen, ob im nächsten Jahre noch das Geld dazu vorhanden sei. Wenn er sie empfehlen wollte, so mußte er sagen, daß wir immer das Geld dazu haben werden. Die Gehälter der höheren Beamten will man er höhen, die unteren Beamten gehen leer aus. Eine Milliarde würde uns doch die Aufbesserung der unteren Beamten nicht gerade kosten. Die Bahn meister, die Lokomotivführer, die Weichensteller erster Klase, die Eisenbahn⸗Telegraphisten, die Bahnsteigschaff ner 2, bedürfen dringend eines besseren Einkommens, als ihnen bisher gewährt worden sist. Eine Vorlage für die Unterbeamten können wir allerdings in diesem Jahre nicht mehr erhalten, aber wir müsfen darauf hestehen, daß wir sie im nächsten Jahre belommen. Der Finanz. Minister will die Härten und Ungleichheiten beseitigen. Was versteht er aber däruünkersn Hag Hakug wird wahrscheinlich darnber eine weitergehende Anschauung haben als der Minister. Um schon in diesem Jahre etwa zu ermöglichen, hätte der Minister einfach für sammtliche Beamten Zuschüffe von 100j0 in diesem Etat einstellen können, ent. . der durchschnittlichen Aufbesserung der höheren und mittleren eamten. Daß würde im Ganzen etwa 10-11 Millionen fang Fine solche Vorlage läßt fich in zwei Stunden, machen. Ich stelle aber keinen solchen Antrag, weil er doch aussichtsl o wãre. ?. Abg. Schwarze ngen eh spricht die Ansicht, aus, daß ö. leichmãßige schematische Festsetzung der Beamtengehãlter nach 3. ö e , für gleiche Kategorien das beste wäre, giebt ,, . es nicht durchzuführen sei. Das jeßige System führe Ungleichhei herbei, wie auch die Regierung selbst anerkannt habe.
( Schluhgin der Zweiten Beilage.)
Zweite Beilage
zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
Mn 77.
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Abg. Freiherr von Richthofen⸗Mertschütz (kons.): Die ganze lonservative Partei, mit Ausnahme des Herrn von Riepenhausen, steht n Bejug auf die Professorengehälter auf dem Boden der Kommissions⸗ heschlüsse. Weitere Abänderungsantraͤge zur Erböhung von einzelnen Gehältern können neue Ungleichheiten herbeiführen und die ganze Vorlage verschieben. Daß wir die unteren Beamten vernachlässigen wollen, ist nicht richtig. Wir erkennen an, daß auch sie einer ge— wiffen weiteren Aufbesserung bedürfen, aber wir sind gegen die Stellung e Abg. Schmidt ˖ Warburg und se ner Freunde. Wir haben vor 7 Jahren die Unterbeamten aufgebessert und a jetzt einen Abschluß mit der esammten Aufbesferung durch die Aufbesserung der höheren und mitt 66 Beamten. Der Vorschlag des Abg. Schmidt · Warburg, ein Pausch⸗ quantum in den Gtat einzustellen, um die unteren Begmten um 10 00 auffubessern, big der Finanz ⸗Minister eine andere Vorlage gemacht ah erweckt Hoffnungen, von denen wir nicht wissen, ob sie erfüllt käiderngnnen., (Ruf rechts. Warum nicht gleich 3 *) Für die Gifenbahnbeamten würde das allein 8 Millionen Mark ausmachen. Renn wir den Antrag von der Acht annehmen, so haben wir eine Schraube ohne Ende, denn dann kommen wieder die mittleren FVeamten und wollen noch weiter aufgebesfert sein. Wir können mit der Erklärung des Finanz⸗Minifters zufrieden sein, daß sobald wie irgend möglich die Härten und Ungleichheiten fur die Unterbeamten befeitigt werden sollen. Die Vorlage löst die Frage für eine sehr große Zahl von Beamtenkfassen in befriedigender Weise, wenn ihr ö menschliche Schwächen anhaften; aber wenn wir hier auch sechs Wochen sitzen, so werden wir es nicht besser machen können als die Regierung. Wir fassen die ganze are als einen Kompromiß auf und stellen keinen Abänderungzantrag. Das Bessere ist der Feind des Guten. Wir gönnen den Beamten diese 20 Millionen Mark und nehmen die Vorlage in der Kommissionsfaffung an.
Abg. Das bach protestiert gegen die Behauptung, daß er den Grundfatz aufgestellt habe, die Beamtengehälter müßten aufgebessert werden, weil die Staatsbetriebe gut rentieren.
Abg. Eh lers (fr. Vagg.) weist die Behauptung des Abg. Reichardt zurück, daß er durch seine Abstimmung in der Kommission die Vorlage verschlechtert habe. Dag Stimmen verhältniß sei 14 gegen 14 gewesen. 6 er anders gestimmt, so würden die Anträge mit 15 gegen 13 Stimmen abgelehnt worden sein. Er müsse es ab- lehnen, hinter der Vereinigung des Zentrums und der National. liberalen her zu marschieren. Die Würde des Amtes hänge nicht von dem höheren oder geringeren Gehalt ab. Herr Reichardt wolle das mißrathene Kind der Kommisstonsbeschlüsse durch Anträge ver⸗ befsern. Das Beste wäre, die Vorlage ohne weitere Debatte en bloc anzunehmen.
Abe. Sim on von, Zast rowS (lons3 macht darauf aufmert. sam, daß der Finanz ⸗Minister seit seiner Amtsführung eine große Reihe von segengreichen Gesetzen durchgeführt habe, und spricht hm seinen Dank dafür aus. Auch für diese Vorlage verdiene der Minister den lebhaftesten Dank. Der Dank seines Landesherrn sei
ihm . zu theil geworden, aber noch nicht der Dank des Landes.
Der n,, werde in den Witzblättern immer dargestellt als der Mann, der alles nehme, was er bekommen könne; es werde aber übersehen, da 7 waß er bekomme, auch wieder an die richtigen Empfaͤnger abfüũhre. nr Schmidt⸗Warburg bemerkt, daß der Abg. Ehlers im 5 nicht entscheidend sein werde bei der Abstimmung. Wenn die egierung seinen Vorschlag annehme, würde sofort für die Unter⸗
beamten gesorgt sein. ( Abg. Schreiber (fr. kons.) erklärt, daß seine Fraktion alle
Anträge aölehne und für die Kommisstongbeschlüsse stimme. Die Steuerzahler, führt er aus, sind dabei interessiert, wenn wir hier noch so und so viele Millionen mehr bewilligen. Wir treffen das Richtige, wenn wir die Refolutionen der Kommission annehmen und nicht einen bestimmten Zeitpunkt festsetzen, bis zu welchem für die Unter⸗ beamten weiter gesorgt werden muß.
Damit schließt die Generaldiskussion. .
Beim Eintritt in die Spezialdiskussion erklärt
Abg. Kir sch, daß das Zentrum gegen alle Erhöhungen stimme, die über 8000 4M hinausgehen. .
Eine Reihe von einzelnen Gehältern wird ohne Debatte nach den Beschlüssen der Kommission angenommen.
Das Gehalt der Unter⸗Staatssekretäre in den Ministerien soll nach der Regierungsvorlage von 15 000 auf 20 000 S erhöht werden. Die Kommission hat nur 18 000 M6 beschlossen.
. Walle (Zentr.) spricht sich auch gegen die Erhöhung auf 18 600 4A aus.
Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:
Meine Herren! Ich will nur ausdrücklich erklären, daß die Staatsregierung, wie in vielen anderen Fällen gegenüber den Kom⸗ missionsbeschlüssen, auch in diesem Falle mit dem Vorschlage der Kommission nicht einverstanden ist. Wenn sie keinen entschiedenen Widerstand erhebt, so ist lediglich der Grund für die Regierung der, den Wünschen des hohen Hauses entgegenzukommen.
Das Haus beschließt nach dem Kommissionsantrag. ; Bei der Gehaltserhöhung für den Unter⸗Staatssekretãr im Justiz-Ministerium lenkt .
Abg. Br. Gels nl) die Aufmerksamkeit auf die Angelegenheit des Prlvatfekretärs Pfahl aus Hannober, der wegen Betrugs angeklagt worden sei, weil er sich erboten habe, die Begnadigung der Hofbestzer Dierg, welche wegen schwerer Körperverletzung, begangen an dem Hofbesitzer Buchholz. zu längerer n i. ver⸗ urtheilt waren, durchzufetzen. In den Verhandlungen se festgestellt worden, daß die Staats anrealtschaft dreimal zum Bericht aufgefardert worden sei, sich dreimal in der ungünstigsten Weise äber die Diers n g habe; das elbe habe auch der Gefängnißdircktor der betreffenden
nstalt gethan. Es sei weiter festgestellt worden, daß die Be—⸗ ng run leichwohl erfolgt sei, indem den Perurtheisten von Jahr 6 Monaten 7 Monate erlassen worden seien. Noch auf fälliger sei ez, daß der Bruder des Angeklagten Pfahl, ein höherer
eamter, auf den er sich gestützt habe, wegen seiner nahen Ver⸗ wandtschaft fein Zeugniß verweigert habe, Er, Redner, halte es für seine Pflicht, dem Justiz⸗Mhinister Gelegenhelt zu geben, sich dar ⸗ über zu äußern, wos ihm von diesem Vorgange bekannt sei.
Justiz⸗Minister Schönstedt:
Meine Herren! Ich bin dem Herrn Abg. Dr. Eckels und dem Herrn Praͤsidenten sehr dankbar, daß mir schon heute Gelegenheit ge⸗ geben wird, mich hier über Vorgänge zu äußern, die seit gestern durch eine Reihe von Tagesblättern, theilweise unter höchst sensationellen lieberschriften, laufen und die scheinbar dazu dienen sollen, in sensatio˖ neller Welse weiter ausgenutzt zu werden. Ich babe das lebhafte Be⸗ kiel meine Herren, schon heute nach meinen Kräften dafür einzu⸗ i daß auf jenen Beamten der Justizverwaltung, die in den
erichten über die Verhandlung, in viel höherem Maße aber in den Zeltungsbesprechungen, die sich an dieselben anknüpfen, verdächtigt worden sind, auch nicht einen Tag laͤnger als nöthig irgend ein Vor⸗
Berlin, Mittwoch, den 31. März
wurf haften bleibt. Sie werden mir deshalb gestatten, daß die Etats
berathungen auf wenige Augenblicke nur durch dieses kleine Inter-
mezzo unterbrochen werden.
Es handelt sich in der Sache, die den Gegenstand der Verhand⸗
lung vor der Strafkammer in Hildesheim gebildet hat, um Folgendes:
In einem Dorfe in der Nähe von Hildesheim, Aligse, leben
feindliche Nachbarn: drei Mitglieder einer Familie Diers, der Vater
und zwei Söhne, Hofbesitzer, leben in Streit mit einem Nachbar
Buchholz über ein von ihm in Anspruch genommenes Wegerech! über den
Hof. Dieser Streit hatte schon vielfach zu Differenzen zwischen den
betheiligten Personen geführt, zu einem Prozeß war es nicht gekommen, eine
richterliche Entscheidung fehlt also noch. Im Mai 1894 begegnen die
Gebrüder Diers mit einem Fuhrwerk auf dem über ihren Hof führenden streitigen Wege dem Nachbar Buchholz, mit einem Hand⸗
wagen; ein Ausweichen ist nicht möglich, es entsteht ein Wortwechsel;
es fallen häßliche Schimpfworte, und nachdem der Buchholz auch ein
solches Schimpfwort gegen den inzwischen hinzugekommenen Vater der Brüder Diers hat fallen lassen, fallen die drei Diers über den Buch
holz her, schlagen ihn mit den Fäusten über den Kopf, rücksichtslos,
wohin sie treffen, zweifellos in roher Weise und drängen ihn zu⸗ gleich gegen einen Stacketzaun, und zwar in der Weise, daß Buch⸗ holz einen Augenblick rücklings über den Stacketzaun hinüber gedrückt wird. Dabei verliert der Buchholz das Bewußtsein. Seine Eltern, die inzwischen herangekommen sind, tragen ihn bewußtlos ins Haus. Der Mann wird am folgenden Tage ärztlich untersucht, und es sinden sich an seinem Körper eine Reihe höchst unangenehmer Ver⸗ letzungen, Kontusionen, Beulen, Abschürfungen u. s. w. Er klagt über beftige Schmerzen, namentlich im Rückgrat. Nachdem er sich längere Zeit in häuslicher Pflege befunden hat, wird er im Juli in ein Krankenhaus nach Hannover geschickt. Meine Herren, gegen die Diers wird infolge des Vorgangs An⸗ klage erhoben. Sie kommen vor die Strafkammer am Landgericht Hildesheim am 29. März 1895. Zu dieser Zeit lag der Buchholz noch ungeheilt im Krankenhause und die Gutachten der vernommenen Sachverständigen hatten sich dahin ausgesprochen, daß die Folge dieser Verletzungen ein dauerndes Siechthum des Buchholz sein werde. Auf dieser Grundlage wurden die drei Diers wegen gefährlicher Körperverletzung und der dadurch herbeigeführten Folge des dauernden Siechthums bei dem Verletzten zu einer Gefängniß⸗ strafe von 13 Jahren verurtheilt. Während darauf der Vater die Strafe antrat, legten die beiden Söhne jwei Strafaussetzungsgesuche vor. Beide wurden abgelehnt. Darauf traten am 18. Juli 1895 auch die beiden Söhne ihre Strafe an. Es wurde dann ein Gnadengesuch eingereicht, um Umwandlung der Gefängniß⸗ in Festungsstrafe. Es wurde, nachdem es im Justiz⸗Ministerium geprüft war, von mir abgewiesen. Inzwischen hatten sich jedoch schon An⸗ zeichen dafür ergeben, daß in dem Gesundheitszustande des Verletzten eine Besserung begann, die über die Feststellung des ersten Richters, daß in der That bei ihm ein dauerndes Siechthum vorliege, Zweifel erregte. Ich habe deshalb veranlaßt, daß nach sechs Monaten mir darüber berichtet werde, wie der Zustand des Verletzten sich inzwischen gestaltet habe. Gleichzeitig habe ich auf ein von dem Schwiegervater des einen Diers eingereichtes Gesuch nach eingeholter Zustimmung des Herrn Ministers des Innern den beiden jüngeren Diers einen sechs⸗ wöchigen Urlaub bis Ende Oktober ertheilt, damit sie für die unauf⸗ schieblichen Erntearbeiten ihrer Wirthschaft sorgen könnten und diese nicht vollständig zu Grunde gehe. Sie waren nicht in der Lage gewesen, für ihre Vertretung zu sorgen, drei Männer waren der Wirthschaft entzogen, es handelte sich um ziemlich erheblichen Besitz, und ich habe deshalb geglaubt, ihnen den Urlaub bewilligen zu müssen, auch im
Interesse der Landwirthschaft im allgemeinen. Noch vor Ablauf dieser
Ende Oktober, baten die Diers um eine weitere Verlängerung ihres Urlaubs. Diese wurde abgelehnt. Nun ist im Laufe des folgenden Winters eine ganze Relhe von Begnadigungsgesuchen gekommen, theils Immediatgesuche, theils Ausstandegesuche von seiten der Verurtheilten. Diese ver— schiedenen Gesuche sind ebenfalls ohne weiteres abgelehnt. Im Früh⸗ jahr wurde wiederholt ein Urlaub, wiederum zum Betriebe der land⸗ wirthschaftlichen Arbeiten, nachgesucht. Auch dies wurde abgelehnt.
Nunmehr berichtete nach Ablauf der sechs Monate die Staats anwaltschaft, es sei allerdings bei dem Verletzten eine gewisse Besse⸗ rung eingetreten, aber es lasse sich doch noch nicht übersehen, ob diese eine dauernde und erhebliche sein werde; sie müsse sich deshalb auch jetzt gegen eine etwaige Begnadigung aussprechen. Ich habe darauf verfügt, daß zur Zeit kein Anlaß vorliege, der Frage der Begnadigung näher zu treten. So verlief die Sache bis in den Monat Juni hinein. Da war wiederum ein von mir angeordneter weiterer Bericht fällig über die Gesundheitsverhältnisse des Verletzten. Dieser Bericht lief hier — ich glaube — am 17. Juni ein. Es ergab sich schon daraus, daß eine weitere, nicht unerhebliche Besserung in dem Zustand des Verletzten eingetreten war. Vier Tage nach Eingang dieses Berichts kam ein Immediatgesuch, ein Gnadengesuch aus dem Kabinet an mich, und es war diesmal zum ersten Mal zum Bericht“ geschrieben, es war von mir ein Bericht erfordert, ob dem Be⸗ gnadigungkgesuch stattzugeben sei oder nicht. Mir lagen die ge⸗ sammten Alten vor, die mit dem Bericht der Staatsanwaltschaft ein⸗ gereicht waren; das ganze Material lag also hier vor, und das Gnadengesuch brachte nur noch weiteres urkundliches Material. Ich habe deshalb keine Veranlassung genommen, um nochmals über dies Gesuch den Bericht der Staatsanwaltschaft einzufordern, und nach der durch die damalige Aktenlage gegebenen Sachlage mich meiner⸗ seits verpflichtet gehalten, nunmehr den Straferlaß für die Ver urtheilten an Allerhöchster Stelle in Antrag zu bringen.
Meine Herren, die Gründe, die mich dazu bestimm ten, waren folgende. Es war zunächst durch ärztliches Zeugniß festgestellt, daß bei dem Verletzten, der inzwischen dreimal einen längeren Aufenthalt in Oeynhausen genommen hatte, eine wesentliche Besserung eingetreten war; und das Gutachten seines behandelnden Arztes lautete dahin,
sechswöchigen Frist,
1897.
von 1 bis 11 Jahren würde bei dem Verletzten wieder die normale Erwerbsfähigkeit eingetreten sein. (Bewegung.) Damit war also dem Urtheil der Strafkammer in Bezug auf die Strafabmessung eine wesentliche Unterlage entjogen. Es wurde ferner festgestellt, daß die Verurtheilten freiwillig und aus eigenem Antriebe — nicht, wie es in einzelnen Zeitungsberichten heißt, auf Grund eines gerichtlichen Utheils — in einer weitgehenden Weise dem Verletzten entgegengekommen waren: sie hatten ihm 19 500 M gezahlt, 15 000 als reine Entschädigung und 4500 für Kosten u. s. w. Die Verurtheilten brachten ferner bei eine ausdrückliche Erklärung des Verletzten, daß er mit der Begnadigung einverstanden sei. (Hört! hört) Diese Erklärung war schon im Mai ausgestellt, und der Ortsgeistliche begleitete sie mit der Aeuße⸗ rung, daß diese Erklärung das Ergebniß sei einer zwischen den beider⸗ seitigen Familien herbeigeführten Versöhnung, bei der gerade die Fa⸗ milie der Verurtheilten sich in einer so anständigen Weise benommen hätte, daß sie dadurch die Sympathien der ganzen Gemeinde für sich ge⸗ wonnen hätte.
Das waren die drei wesentlichen Gründe, die mich bestimmt haben, die Begnadigung zu befürworten. Es kam hinzu, daß die Leute bis dahin eine durchaus einwandsfreie Vergangenheit batten, daß sie nicht, wie in einer angesehenen Zeitung berichtet ist, Raufbolde waren; es lag nichts gegen die Leute vor, sie hatten sich bis in ihr vorge⸗ schrittenes Alter durchaus vorwurfsfrei geführt; sie erfreuten sich des höchsten Ansehens in der Gemeinde. Es kam ferner hinzu, daß nicht bloß der Geistliche, sondern auch der Ortevorsteher sich dem Begnadi⸗ gungsgesuch anschlossen. Es kam hinzu die Rücksicht auf das hohe Alter des einen Verurtheilten, des Vaters, und die Rücksicht auf den Gesundheitszustand seiner hochbetagten Frau, die nach dem Uctheil des Arztes infolge der seelischen Aufregungen, die sie durchgemacht hatte, der Gefahr baldigen Erliegens nahegebracht war.
Alle diese Umstände wirkten zusammen, mich pflichtgemäß zur Befürwortung des Gnadengesuchs zu bestimmen, der denn auch dem— nächst die Begnadigung gefolgt ist. Auf Grund dessen sind am 22. Juli 1896 die Verurtheilten aus der Haft entlassen worden; sie hatten nicht, wie es in einzelnen Zeitungen heißt, nur 7 Monat Strafe verbüßt, sondern der eine, der Vater, hat ein Jahr 2 Wochen, die beiden Söhne eine ähnlich lange Zeit verbüßt, abgesehen von der durch ihre Beurlaubung eingetretenen Unterbrechung. Das ist der rein objektive Sachverhalt und, wie ich hinzufügen will, wenn be⸗ hauptet wird, daß die Führung der Verurtheilten im Gefängniß sehr schlecht gewesen sei, daß die Gefängnißverwaltung sich auch gegen die Begnadigung ausgesprochen habe, so ist diese Thatsache unrichtig. Bezüglich des einen Verurtheilten ist die Führung schlechthin als eine gute bezeichnet worden; bezüglich der beiden anderen lagen kleine Disziplinarvergehen vor, daß einer das Arbeitspensum nicht abgeliefert habe, daß der andere einen Brief mit lügnerischen Behauptungen aus dem Gefängniß herausgeschmuggelt habe, und ahnliche Dinge, die hier nicht in Betracht kommen.
Meine Herren, in dieser Sache ist also eine sehr große Zahl von Begnadigungsgesuchen eingegangen. Nach der im JustizMinisterium bekannten Handschrift rühren diese Gesuche zum großen Theil her von dem bei der letzten Verhandlung vor der Strafkammer in Hildesheim bekannt gewordenen Privatsekretär Pfahl in Hannover, der sich seit vielen Jahren mit der Anfertigung solcher Gesuche befaßt; derselbe ist im Justiz ⸗Ministerium, wenigstens beim Portier, eine sehr be⸗ kannte Personlichkeit, weil er dort häufig solche Gesuche überreicht hat. Er hat sich gerühmt, daß er maßgebenden Einfluß an solcher Stelle habe, daß durch ihn Begnadigungen erreicht werden könnten. Es haben diejenigen Personen, für welche er solche Gesuche einreichte, ihm sehr große Versprechungen für den Fall des Gelingens gegeben. Ich glaube, diese Leute hätten besser gethan, es nicht zu thun; sie würden dann den Prozeß, den sie allerdings gewonnen haben, vermieden haben, denn genützt hat ihnen dieser Herr absolut nichts. Das Gnadengesuch, worauf die Begnadigung erfolgt ist, ist nicht durch den Pfahl, sondern, wie in dem Zipilvrozeß festgestellt ist, von einem Andern, ich glaube einem Lehrer in Lehrte, angefertigt worden. Der Pfahl selbst ist allerdings im Justiz⸗ Ministerium schon seit 21 Jahren bekannt; er hat nach einem Bericht der Frankfurter Zeitung“ sich darauf berufen, daß er seit 21 Jahren im JustizMinisterium sehr freundlich durch Herrn Geheimen Rath Horstmann empfangen werde. Die Bekanntschaft hat eigenthümlich begonnen; die Akten liegen mir vor. 1876 war Pfahl selbst wegen Beleidigung verurtheilt; er legte ein Begnadigungsgesuch ein; es handelte sich um eine Beleidigung des Polizei ⸗Präsidiums in Hannover. Das Begnadigungsgesuch ist zunächst abgelehnt worden, das Polizei⸗ Präsidium hat ihm aber Verzeihung angedeihen lassen, und es ist darauf unter Zustimmung des Ministers des Innern die Freiheitsstrafe in Geldstrafe verwandelt worden. 1882 machte er sich der Beleidigung eines Rechtsanwalts in Hannover schuldig, wurde deshalb mit drei Wochen Gefängniß bestraft. Er reichte ein Gnaden ⸗ gesuch ein, das jedoch abgelehnt wurde. Inzwischen brachte er ein Krankheiteattest bei, welches die Strafvollstreckung verzögerte. Schließ⸗ lich brachte er auch hier eine Berzeihung des Beleidigten bei und zugleich Atteste darüber, daß die Vollstreckung der Gesängniß⸗ strafe seinem damaligen Gesunheitszustande sehr schädlich sein würde, und so schien es angemessen, die dreiwöchige Gefängnißstrafe in eine Geldstrafe umzuwandeln, die aber auf den immerhin verhältnißmäßig hohen Betrag von 150 M bemessen wurde. Das ist also die ältere Bekanntschaft. Aus den vorliegenden Akten geht allerdings hervor, daß der Mann damals von dem Herrn Geheimen Rath Horstmann empfangen worden ist. In der vorliegenden Sache aber ist er zweifellos nicht empfangen worden. Er mag jwar, wie ich ohne weiteres annehme, auch später in anderen Sachen noch bis⸗ weilen empfangen worden sein von Herrn Geheimen Rath Horst⸗ mann, der vielleicht in seiner großen Liebenswürdigkeit und Höflichkeit Bedenken getragen hat, einen Mann solchen Kalibers so zu behandeln, wie er verdient, und ihm den Ausgang etwas zu erleichtern. Daß aber die Meinung dieses Herrn über den Pfahl nicht günstig
daß mit ziemlicher Sicherheit angenommen werden könne, nach Verlauf!
ist, könnte ich beweisen aus einer Registratur von 1882 von der Hand