1897 / 83 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 07 Apr 1897 18:00:01 GMT) scan diff

Nachtheil der Gesellschaften, um Vortheil der Aufsichtsraths mitglieder ausschlagen, da dasjenige, was durchschnittlich in guten Jahren gezahlt ist, damit auch für schlechte Jahre bewilligt wird. Also, wenn die

an und für sich durchaus löbliche Absicht der Kommission, zu verhindern,

daß den Aufsichtsrathsmitgliedern zu viel von dem Reingewinn zufällt, zum Nachtheil der Aktionäre verwirklicht werden soll, dann wird dies auf dem Wege, den Ihre Kommission eingeschlagen hat, sicher nicht erreicht werden; im Gegentbeil: die Aktionäre werden nur Schaden davon haben.

Nun frage ich Sie, meine Herren: ist der Vorschlag Ihrer Kom mission auch wirklich der Gerechtigkeit und dem inneren Wesen der Verhäͤltnisse entsprechend? Ist es nicht gerechtfertigt, den Mitgliedern der Aufsichtsraͤthe in den Jahren eine hohe Vergütung für ihre Mühe⸗ waltung zu gewähren, in welchen sie die meiste Mühe und die meiste Zeit für die Gesellschaft aufgewendet haben? In welchen Jahren ist das aber der Fall? Sind es nicht gerade diejenigen Jahre, in denen die Gesellschaft eben erst gegründet war, noch mit allen Schwierigkeiten einer jungen Existenz zu kämpfen hat? In solchen Jahren soll den Aufsichtsrathsmitgliedern eine nach dem Erfolge ihrer Arbeit bemessene Entschädigung nicht zukommen? Und brauchen die Gesellschaften nicht gerade in denjenigen Jahren besonders tüchtige und hingebungsvolle Aufsichtsrathsmitglieder, in welchen sie in nothleidender Lage sind, in welchen sie deshalb eine erhebliche Dividende nicht zahlen können? Gerade in diesen Jahren soll den Männern, die für die Existenz der Gesellschaft in erster Reihe einzutreten haben, ein Antheil an der Dividende, die den Erfolg ihrer Arbeit darstellt, nicht gegeben werden dürfen? Darin liegt ein Widerspruch mit den Gesetzen des Wirth schaftslebens, eine Ungerechtigkeit, die unter allen Umständen zum Nachtheil der Gesellschaften ausschlagen muß.

Ich bitte Sie dringend, meine Herren, nehmen Sie den Vor⸗

schlag des Herrn Abg. Freiherrn von Stumm an; ich glaube, Sie handeln damit im Interesse der Aktionäre Sie handeln sicher im Interesse einer gesunden Entwickelung der Aktiengesellschaften.

Abg. Trimborn (Zentr.) beantragt eine anderweite redaktionelle Fassung des § 240. Auf Antrag des Abg. Freiherrn von Stumm wird die Berathung ausgesetzt, bis der Antrag gedruckt vorliegen wird. Nach § 260 müssen Ansprüche an die persönlich haftenden Gesellschafter oder Aufsichtsraths⸗ und Vorstandsmitglieder geltend gemacht werden, wenn die Generalversammlung dies mit einfacher Mehrheit beschließt, oder wenn es von einer Minderheit von einem Zehntel des Grundkapitals verlangt wird. Abg. Freiherr von Stumm beantragt die Wiederherstellung der Regierungsvorlage, nach welcher eine Minderheit von einem Fünftel des Grundkapitals erforderlich sei. ahn (b. k. F.)

Die Abgg. von Strom beck (Zentr.) und Dr. He widersprechen dem Antrage von Stumm, weil es bei den großen Aktiengesellschaften mit 100 Millionen Kapital schwer sein würde, 20 Millionen Kapital unter einen Hut zu bringen. Soviel Kapital sei manchmal garnicht auf der Generalversammlung vertreten.

Geheimer Ober ⸗Regierung Rath Dr. Hoffmann empfiehlt den der Regierungsvorlage entsprechenden Antrag von Stumm, während die

Abgg. Dr. von Frege (d. kons.) und Dr. Spahn für die Annahme des Kommisstonsbeschlusses eintreten.

Das Haus schließt sich dem Antrage der Kommission mit großer Mehrheit an.

Zu 5§z 280, welcher von der Herabsetzung des Grund— kapitals handelt, beantragt

Abg. von Strom beck (Zentr.) einen Zu satz folgenden Inhalts: Die Herabsetzung des Grundkapitals vermittels Zusammenlegung mehrerer Aktien zu einer einzigen ist ungültig. Dagegen kann diese Herabsetzung durch gleichmäßige Herabsetzung des Nennbetrages sämmtlicher Aktien der nämlichen Gattung auf einen Nennbetrag von mindestens 200 6 erfolgen.

Gef eimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. Hoffmann weist darauf bin, daß auf die Höhe der Aktienabschnitte von 1000 6 sehr großer Werth gelegt werde; dieser Bestimmung würde der Antrag wider sprechen.

Der Antrag wird abgelehnt.

Zu § 293, welcher von der Liquidation der Aktiengesell⸗ schaften handelt, wird von dem

Abg. Dr. Stephan Gentr.) folgender Zu satz beantragt: „Stellt sich nachträglich noch weiteres, der Vertheilung unterliegendes Ver— mögen heraus, so hat auf Antrag eines Betheiligten das Gericht des Sitzes der Gesellschaft die bisherigen Liquidatoren erneut zu be— stellen oder andere Liquidatoren zu berufen.“

Staatssekretär des Reichs⸗Justizamts Dr. Nieberding:

Ich bin nicht in der Lage, gegen die Ausführungen, die von dem Herrn Antragsteller dem hohen Hause vorgetragen worden sind, hier Bedenken zu erheben; und ich möchte auch glauben, daß der Antrag, wenn er im Hause Zustimmung findet, einem Anstand auf seiten der verbündeten Regierungen nicht begegnen wird. Ich mache aber dabei den ausdrücklichen Vorbehalt, daß aus der Annahme dieses Antrags für den Bereich des Aktienrechts nichts geschlossen werden kann und darf für die Behandlung ähnlicher Verhältnisse nach Abschluß einer Liquidation bei einer offenen Handelsgesellschaft, bei einer Kommanditgesellschaft, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Die Art und Weise, wie bei diesen Gesellschaften unter entsprechenden Voraus setzungen die schwebenden Rechtsverhältnisse und Forderungen zum Ausgleich ge⸗ bracht werden müssen, bildet eine Frage für sich, und diese Frage muß selbständig aus den betreffenden Gesetzen beantwortet werden, ohne daß daraus, daß für das Gebiet des Aktienrechts eine besondere Be— stimmung hier getroffen worden ist, jenen Gesetzen gegenüber eine Folgerung hergeleitet werden dürfte. Wenn das Haus mit diesem Vorbehalt einverstanden ist, wird, wie ich glaube, eine Verständigung in diesem einen Punkt keinen Schwierigkeiten begegnen.

Der Antrag wird angenommen. Der Rest des zweiten Buches wird ohne weitere Debatte erledigt.

Es folgt das dritte Buch: „Handelsgeschä fte.“

Nach 8 336 kommen auf ein Rechtsgeschäft, welches für einen der beiden Theile ein Handelsgeschäft ist, die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs in Anwendung.

Abg. von Werdeck (8. kons.) stellt fest, daß seine Freunde gegen diese Bestimmung lebhafte Bedenken geltend zu machen hätten; er ver⸗ weife auf die ausführlichen Verhandlungen der Kommission darüber.

336 wird angenommen.

ie 5 339 —343, welche von der 2 von der Bürgschaft ꝛc. handeln und die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches hierüber außer Kraft setzen, sind von der Kommission gestrichen worden.

Die Abgg. Lenzmann und Traeger (fr. Volksp.) beantragen

die Wiederherstellung der Vorlage. r g Gl san fler Dr. Klügmann bittet um die Annahme

Sie wollen nicht geschützt werden.

der gestrichenen Bestimmungen. Es handele sich dabei um geltendes Recht, welches sich im kaufmännischen Verkehr herausgebildet habe. Die Kaufleute hielten ihr einmal gegebenes Wort unter allen Umständen. Für den deutschen Kaufmannsstand würde eine große Schädigung entstehen, wenn die eigenen Gesetzgeber des Reichs das eee n fh Wort nicht hoch genug achteten. Es würden viele Geschäfte durch Telephon ꝛc. geschlossen, auf das bloße Wort hin. Die Kaufleute müßten daher Werth darauf legen, daß das bestehende Recht aufrecht erhalten werde.

Abg. Lenzmann: Meiner Ansicht nach ist die Aenderung eine solche Verschlechterung des Handelsgesetzbuches, daß ich nicht anstehen würde, die Beschlußfähigkeit des Haufes zu bezweifeln., um dem Hause Gelegenheit zu geben, während der Osterferien sich die Sache noch einmal zu überlegen. Der Handelsstand bedarf keines besonderen Schutzes gegen eine Ausbeutung auf diesem Gebiet. Ein solcher Schutz gegen Konventionalstrafe u. . w. ist nur nöthig gegen⸗ über einem geschästsungewandten Menschen. Aber solche geschaͤfte⸗ ungewandten Menschen giebt es unter den Großkaufleuten nicht, höchstens unter den Minderkaufleuten, die von diesen Vorschriften ausgenommen sind. Es mag hart sein, daß einem Bauunternehmer oder einem Lieferanten für einen Bau eine große Konventionalstrafe auferlegt wird; aber wenn das unmöglich gemacht wird, dann würden die Bau— unternehmer und die Lieferanten vielleicht noch laxer verfahren. Ver⸗ zögerungen beim Bau sind aber manchmal garnicht durch Geld zu ersetzen. In vielen Staaten kennt man eine Abminderung der Kon⸗ venstonalstrafe nicht, und ein Amerikaner würde sich sehr wundern, wenn er die Strafe in voller Höhe zahlen müßte, während der deutsche Kaufmann das nicht braucht. Man würde mlt einem deutschen Kauf⸗ mann überhaupt nicht mehr paktieren. Und die Abminderung soll durch einen Richter geschehen. Ich bin ja selbst Jurist; welche Ahnung hat wohl ein Jurist von den praktischen Geschäftever⸗ hältnissen! 5 339 wegen der Vertragsstrafe müßte unter allen Um⸗ ständen wieder eingeführt werden. Das gilt auch vom § 340, be⸗ treffend die mündliche Bürgschaft.

Hamburgischer Senator Dr. Burchard: Ich bitte ebenfalls dringend, die gestrichenen Vorschriften der 5 339 bis 343 wiederherzu⸗ stellen. Schon in der Kommission ist auf die Bedenklichkeit der Streichung hingewiesen worden, und es schien, daß diese Hinweise auf einen wohlwollenden Boden gefallen seien. In Hamburg haben wir die Vorschriften über die Handelsgeschäfte durch unser Ein⸗ führungsgesetz zum allgemeinen Gesetz gemacht mit wenigen Aus— nahmen und haben dabei keine schlimmen Erfahrungen gemacht. Ein großer Theil der Vorschriften ist ja in das Bürgerliche Gesetzbuch auf⸗ genommen worden, aber es bestehen nochämmer besondere Verhältnisse, welche für die Kaufleute eine besondere gesetzliche Regelung verlangen. Nach §5 317 des gegenwärtigen Handelsgesetzbiꝛches sind die Handelsgeschäfte nicht von der Schriftlichkeit abhängig. Diese Vorschrift war schon in dem preußischen Entwurf enthalten und dieser 5 317 wurde damals auf den Nürnberger Verhandlungen ohne Diskussion angenommen, weil man diese Vorschrift für den Handel als nothwendig anerkannte und die Schriftlichkeit des preußischen Landrechts hiebei beiseite setzte. Für die Minderkaufleute trifft die Vorlage genügende Ausnahme⸗ vorschriften. Ich denke bei Kaufleuten nur an diejenigen Personen, welche man in den Handelsstädten, in den Seestädten darunter ver steht, nicht an die Detailkaufleute, bei welchen diese Vorschriften nur in thesi in Frage kommen. Die wirthschaftlich Schwachen sollen in ge—⸗ wissen Grenzen geschützt werden. Aber die Kaufleute fühlen sich nicht schwach. Sie wollen nur, daß ihr gegebenes Wort geachtet wird und gilt. Die Anschauungen und Grundsätze, welche den deutschen Handel, dieses weltumfassende Band, so groß gemacht haben, wollen die Kaufleute aufrecht erhalten in der Gesetz⸗ gebung. Das mündlich gegebene Wort soll gerade so viel gelten wie das schriftlich gegebene. Das Wort volenti non fit injuria verkehrt sich hier in das Wort nolenti fit injuria. Wenn ein großer Stand eine so ideale Hochachtung vor seinem gegebenen Wort hat, so sollte man damit rechnen. Sie wollen ein Gesetz machen, welches auf der Höhe der Zeit steht, welches den Beruf unserer Zeit für die Gesetzgebung be—⸗ weisen soll. Wenn Sle das wollen, dann machen Sie es so, daß dadurch nicht das Ansehen des deutschen Kaufmanns und damit des Deutschthums im Auslande beeinträchtigt wird.

Abg. Roeren (Zentr.): Es scheint, als wenn die in der Kom— mission mit großer Mehrheit gefaßten Beschlüsse im Hause heftig bekämpft werden und keine Gegenliebe finden. Es handelt sich hier darum, die Begünstigung, welche das Bürger⸗ liche Gesetzbuch allen Deutschen bringt, zu beseitigen, weil einige ausländische Gesetzgebungen diese Begünstigung nicht enthalten. England hat sich den amerikanischen Staaten gegenüber vollständig konkurrenzfähig erwiesen, trotzdem es solche Ausnahmevorschriften nicht besitzt. Da kann man dech auch nicht davon reden, daß der deutsche Handel dadurch beeinträchtigt wird.

Abg. Frese (fr. Vgg.): Ich möchte als Mitglied des Kauf— mannsstandes für die Aufrechterhaltung der gestrichenen Paragraphen eintreten. Der Kaufmann wird hohe Konventionalstrafen den wirth⸗ schaftlich Schwachen gar nicht zumuthen, weil sie sie doch nicht zahlen können. Den Amerikanern gegenüber würden die deutschen Kaufleute in eine vollständig schiefe Lage gerathen. Wir wollen nicht, daß das Wort des deutschen Kaufmanns in seiner Bedeutung herabgesetzt wird. Diejenigen, welche die Bestimmungen streichen, werden den Schaden zu verantworten haben, den sie dadurch verursachen.

Abg. Bassermann (nul): Ich kann mir denken, daß die Kauf⸗ leute großen Werth legen auf die Wiederherstellung des 5 341 wegen der Bürgschaft, obgleich ich mit dem Abg. Lenzmann in der Kommission der Meinung war, daß dafür die schriftliche Form nothwendig wäre. Aber die anderen Paragraphen sind mit Recht gestrichen worden, und ich kann nicht anerkennen, daß dem Handelsstand dadurch ein großer Schaden erwächst.

Abg. Gamp (Rp.): Ich muß Widerspruch dagegen erheben, daß bei den Kaufleuten ein besonders idealer Werth auf das gegebene Wort ge⸗ legt werde. Ich gehöre nicht zu den Kaufleuten, glaube aber, daß auch in anderen Kreisen das gegebene Wort respektiert wird. Wenn gegenüber den anderen Berufszweigen daz Bürgerliche Gesetzbuch eine besondere Formvorschrift erlassen hat, so ist das nicht geschehen, weil es den Kaufmannsstand für vornehmer hält, sondern weil man die schriftliche Form dafür festsetzen wollte. Es soll jede Disparität beseitigt werden. Gerade gegenüber den kleineren Kaufleuten muß eine schrift— liche Form der Bürgschaft verlangt werden. Weshalb soll denn der Kaufmann anders behandelt werden als der kleine Grundbesitzer? Die Mac Kinley ⸗Bill beweist, daß auch für Kaufleute Zufälle ein⸗ treten tönnen, welche die Zahlung einer Konventionalstrafe hinfällig machen sollten, weil sie geradezu unsittlich wird. Wenn ein Ameri⸗ kaner sich eine Sendung zum 15. April sichert, weil am 16. April vielleicht die Mac Kinley⸗Bill in Kraft tritt, so ist eine Fonventional⸗ strase gerechtfertigt. Wenn aber die Bill erst am 1. Mai in Kraft tritt, so entsteht kein Schaden, wenn die Sendung erst am 16. April eintrifft. In diesem Falle sollte auch die Strafe in Wegfall kommen. Tec Unte gang des Handels kann von dem Fortfall dieser Bestimmungen nicht abhängen. Die Zulassanz der mündlichen Bürgschaft würde zu den schlimmsten Zweifelsfragen führen; denn es wird vielfach zweifel⸗ haft sein, ob die betreffende Bürgschaft zum Handelsbetriebe gehört oder persönlichen Ursprungs ist.

Abg. Dr. Spa hnz In der Kommissioa ist die Rücksicht auf die ausländischen Geschäfte erst nach Abschluß der Berathung geltend gemacht worden. Die Kommission konnte, da eine dritte Lesung nicht mehr möglich war, keine Ausnahmebestimmungen dafür treffen. Die Vorschriflen der 339 —342 sind geltendes Recht, und die Kom⸗ mission wird es dem Hause nicht übel nehmen, wenn es zu einer anderen Entscheidung kommt, als sie selbst.

Hamburgischer Senator Dr. Burchard bleibt dabei, daß in den Kreisen der Kaufleute die ideale Auffassung von dem gegebenen Wort herrsche, und 3 man es schwer empfinden würde, wenn diese Auffassung in der Gesetzgebung nicht zum Ausdrucke kommen würde.

339 (Vertragsstrafe), S 340 (Vorausklage den ö 5 31 ,, , und 8 343 ga fur schluß der Minderkaufleute von diesen Vor— schriften) werden angenommen. ö. aber, wonach die Bestimmung des 5 247 des Bürgerlichen Gesetzbuches und das Kündigungsrecht bei Schulden, die mit mehr als 6 v. H. zu verzinsen sind, für die Handelsgeschaäͤfte nicht gilt, wird mit großer Mehrheit abgelehnt.

Der Rest des dritten Buches wird ohne Debatte erledigt.

Das Haus kehrt hierauf zu dem zurückgestellten 3 240 zurück, zu welchem der Antrag Trimborn nunmehr vorliegt welcher den ganzen 240 folgendermaßen gestaltet wissen will

Erhalten die Mitglieder des Aufsichtsraths für ihre Thätigkeit eine Vergütung, die in einem Antheil am Jahresgewinne besteht. so ist der Antheil von dem Reingewinn zu berechnen, welcher nach Vor— nahme sämmtlicher Abschreibungen und Rücklagen, sowie nach Abzug eines für die Aktionäre bestimmten Betrages von mindestens vier vom Hundert des eingezahlten Grundkapitals verbleibt.

st die den Mitgliedern des Aufsichtsraths zukommende Ver— gütung im Gesellschaftsvertrage festgesetzt, so kann eine Abänderung des Gesellschaftsvertrages, durch welche die Vergütung herabgesetz wird, von der Generalversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit beschlossen werden.

Den Mitgliedern des ersten Aufsichtsraths kann eine Vergütung für ihre Thätigkeit nur durch einen Beschluß der Generalversammlung bewilligt werden. Der Beschluß kann nicht früher als in derjenigen Generalversammlung gefaßt werden, mit deren Beendigung die Zeit, für welche der erste Aufsichtsrath gewählt ist, abläuft.“

Abg. Münch-⸗Ferber (ul.) erklärt sich für den Antrag der Kom— mission, weil dadurch die Aktionäre in dem Bezug ihrer Dividende gesichert würden, und weil derartige Bestimmungen bei den süddeutschen Aktiengesellschaften bereits gälten. Gegen den Antrag Trimborn sei nichts einzuwenden, da er die Kommissionsbeschlüsse nicht wesentlich ändere.

Abg. Dr. Hahn: Ich empfehle ebenfalls den Antrag Trimborn; es würden doch sich genügend Männer finden, die in den Aufsichtsrath hinein= gehen. Es sind vielfach Männer nur ihres Namens wegen in Auf— sichtsräthe gewählt worden, und es ist durchaus nicht nöthig, diesen Persönlichleiten eine Einnahme zu sichern, gleichgültig, wie die be— treffenden Aktiengesellschaften gearbeitet haben.

Abg. Gamp empfiehlt ebenfalls den Antrag Trimborn, der über die Kommissionsbeschlüsse noch etwas hinausgehe. Sämmtliche Aktiengesellschaften, welche keine Dividenden gäben, schieden hierbei aus, denn da erhielten die Aufsichtsräthe nichts. Die anderen Aktien— gesellschaften hätten durchschnittlich 10,21 v. H. Dividende ergeben, und dabon könnten wohl 4 v. H. bei der Tantismeberechnung ab— gezogen werden. Es würde durch eine solche Bestimmung manche schlechte Gründung zurückgehalten werden.

Staatssekretär des Reichs-Justizamts Dr. Nieberding:

Meine Herren! Der Antrag Trimborn war, als ich vorhin die Ehre hatte, vor Ihnen zu sprechen, noch nicht eingegangen, und ich bitte unter diesen Umständen um die GErlaubniß, jetzt eine Erklärung darüber abzugeben, wie sich die ver— bündeten Regierungen zu diesem Antrag voraussichtlich stellen werden. Ich glaube, meine Herren, sagen zu dürfen, daß sie den Antrag als ein dankenswerthes Entgegenkommen gegenüber den Bedenken aufnehmen werden, die die Vertreter der ver— bündeten Regierungen in den Verhandlungen der Kommission geäußert haben, und die sich im wesentlichen mit demjenigen decken, was der Herr Abg. Trimborn auch zur Begründung seines Antrages angeführt hat. Die verbündeten Regierungen werden jedenfalls dem Antrage Trimborn den Vorzug geben vor dem, was die Kommission Ihnen vorgeschlagen hat. Ich kann also Sie meinerseits nur bitten, daß Sie, wenn Sie nicht zur Vorlage der verbündeten Regierungen zurückkehren, sich auf die Annahme des Antrages Trimborn vereinigen wollen. Es versteht sich dabei von selbst, daß ich den Vorhehalt machen muß bezüglich der Zulässigkeit einer Tantismebewilligung für die Aufsichtsrathsmitglieder bei denjenigen Gesellschaften, die nicht 40/0 Dividende vertheilen. In diesem Punkte, den ich nicht mehr weiter berühre, auch nach den Aus— führungen des Herrin Abg. Gamp nicht weiter diskutieren will, um nicht die Eeduld des hohen Hauses in Anspruch zu nehmen, muß ich bei den Ausführungen stehen bleiben, die ich vorher die Ehre hatte, Ihnen gegenüber zu machen. Ich wiederhole die Bitte, lehnen Sie in diesem Punkte den Antrag ebenso wie den Vorschlag der Kommission ab.

Was die Tragweite des Antrages Trimborn betrifft bezüglich der Bestimmungen, die im Abs. 1 enthalten sind, so bin ich mit dem Herrn Abg. Gamp und, wie ich glaube, auch mit dem Herrn Antrag—⸗ steller vollkommen einverstanden, und ich glaube, es kann ein Zweifel darüber nicht bestehen, daß die Bestimmung im Abs. 1 absolutes Recht schafft, das der Abänderung der Gesellschaft im Wege der Beschluß⸗ fassung oder statutarischer Festsetzungen vollständig entzogen ist. Die Bestimmungen des Abs. 1 werden, wie wenigstens meine Auffassung des Antrages ist, unter allen Umständen für die Aktionäre bindendes Recht bilden.

Die Abgg. Dr. Spahn und Dr. von Frege erklären sich für den Antrag Trimborn, dem der Abg. von Dziembows ki⸗Pomian (Pole) widerspricht.

Abg. Freiherr von Stumm beantragt, auch im Antrage Trim⸗ born die Bestimmung über die 40e½ zu streichen. Zur Ermäßigung der Tantiéme der Verwaltungsräthe werde dieser Antrag nicht führen, denn die Ausfsichtsräthe würden sich die Zahlung eines Fixums aus machen.

Der Antrag von Stumm wird abgelehnt und 5 240 nach dem Antrage Trimborn angenommen.

Das vierte Buch „Seehandel“ und das Ein— führungsgesetz werden ohne Debatte en blos angenommen.

Die Resolutionen werden bei der dritten Berathung erledigt

werden. Schluß gegen 6 Uhr. Nächste Sitzung Mittwoch 1 Uhr. (Dritte Lesung des Vertrages mit der Schweiz und dritte

Lesung des Handelsgesetzbuchs.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 66. Sitzung vom 6. April 1897. Auf der Tagesordnung steht zunächst die erste Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend das Charité ⸗Krankenhaus

und den Botanischen Garten in Berlin. Ueber den Beginn der Debatte ist gestern berichtet worden.

Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Gestatten Sie mir, über die finanzielle Seite dieses großen Unternehmens einiges mitzutheilen. Zuvörderst werden Sie fragen: Woher ist es gerechtfertigt, daß wir die Kosten der in § 1 bezeichneten Unternehmungen aus einer Anleihe decken, und daß das nicht vielmehr durch den Etat geschieht? Meine Herren, im vorliegenden Fall ist die Anleihe doch auch nach den strengen finan— ziellen Grundsätzen gerechtfertigt, weil wir so viele Rückeinnahmen für die Deckung der Kosten erwarten, daß dem Staat schließlich die An— leihe nichts kosten wird wenigstens hoffen wir das —, daß die An⸗ leihe getilgt wird aus den Rückeinnahmen aus dem Verkauf des Bota⸗ nischen Gartens, aus der Aufgabe des jetzigen Hygienischen Instituts, aus einer möglichen Verwendung auch des Terrains der Charité für ein chemisches Institut, daß also die Rückeinnahmen den Betrag der Anleihe wohl decken werden.

Meine Herren, es sind auch in dieser Beziehung schon Vorgänge vorhanden. Namentlich ist so verfahren mit der Verrechnung des Werthes der Grundstücke, die zur Stadtbahn gehörten, die verkäuflich wurden, weil sie für die Stadtbahn nicht verwendbar waren, auf die Anleihe, die für die Stadtbahn bewilligt war. Meine Herren, ich will mich im allgemeinen durchaus nicht der Ansicht anschließen, daß das System, welches im Reich nun einmal eingeführt ist, daß man die Anleihebeträge, die jährlich für ein fortlaufendes Unternehmen dringend erforderlich sind, durch den Etat in Einnahme und Ausgabe laufen läßt, das allein richtige ist. Nach meiner Ueberzeugung wird die Nebersichtlichkeit und Klarheit des Etats dadurch in hohem Grade gefährdet; aber wenn solche Umstände vor⸗ liegen, wenn Ausgaben und Einnahmen in einem direkten unmittelbaren Verhältniß zu einander stehen, dann ist das durchaus zweckmäßig und berechtigt. Das hohe Haus wird also in Zukunft die jährlichen Ausgaben, die auf Grund dieser Gesammt⸗ bewilligung stattfinden, beurtheilen, kritisieren, ablehnen und bewilligen können. Sie werden durch den Etat laufen. Ebenso werden dem hohen Hause natürlich alle Jahre im Etat Mittheilungen gemacht werden über die Art der Verwaltung derjenigen Grundstücke, welche als Wiedereinnahme auf die Anleihe zu verrechnen sind. Ich glaube daher, vom finanziellen Standpunkt aus wird man wohl die Form dieser Gesetzesvorlage durchaus billigen können.

Meine Herren, was nun die Wahrscheinlichkeit anbetrifft, ob aus den in Betracht kommenden Einnahmen der Betrag der gesammten Anleihe von 16 Millionen gedeckt werden kann, so ist ja natürlich mit Sicherheit eine Rechnung hier nicht anzustellen. Aber die von Sachverständigen in dieser Beziehung gemachten Anschläge führen doch dahin, daß es im höchsten Grade wahrscheinlich sei, daß der gesammte Betrag der Anleihe wohl wieder zur Einnahme gelangen wird. Es kommt, wie gesagt, in dieser Be⸗ ziehung der Werth des alten Botanischen Gartens in Betracht und namentlich auch, daß wir in der Lage sind, das Hygienische Inftitut, das sich jetzt in der Klosterstraße befindet, demnächst zu verlegen, und daß diese Kosten bereits in den 16 Millionen Mark stecken, und daß dies alte Hygienische Institut mit einem Werth von 11 Millionen Mark etwa auch dem Staat wieder zu gute kommt.

Was nun den Botanischen Garten anhetrifft, so wären wir ja gesetzlich durchaus berechtigt, ohne jede Rücksicht auf die lokalen Interessen der Stadt Berlin diesen Garten zu verkaufen, und ich glaube wohl im hohen Hause Zustimmung zu finden, wenn ich sage: Man kann dem Staat nicht zumuthen, für eine große wohlsituierte Stadt einen Park schenkungsweise herzugeben (sehr richtig) für die Benutzung der betreffenden Bevölkerung. Das würde ja auch ganz kolossale Folgen haben. Wenn wir in Berlin so verführen, so würden wir natürlich in Königsberg. Breslau, Köln und allen größeren Städten ebenso verfahren müssen. Ich wüßte garnicht, wenn ich von der viel schlechter situierten Stadt Breslau oder Königsberg einen Brief erhielte: Herr Finanz⸗Minister, Sie haben der Stadt Berlin einen Park von hohem Werth geschenkt, unsere Bevölkerung hat ebenso einen Park nöthig, wir bitten, daß der Staat uns auch einen Park schenkt, ich weiß nicht, was man einer solchen Stadt etwa erwidern sollte. Ich glaube also, meine Herren, wir sind wohl hier einig darüber, und ich bin fest überzeugt, die Ber⸗ liner Stadtvertretung und ebenso auch die die Sache mit ruhigem Blut auffassende Berliner Bevölkerung erwartet garnicht, daß der Staat diesen großen Park ihr unentgeltlich überweist. Wenn wir den Park allmählich nach fis kalischen Interessen verwerthen wollten, würde, glaube ich, ein viel höherer Betrag, als hier zum Ansaßz ge⸗ kommen ist, aus dem Garten herauszuschlagen sein. Es würden durch das ganze Grundstück Straßen anzulegen sein, vielleicht Privatstraßen, und es würde das ganze Grundstück als Bauplatz anzusehen und als solcher verwerthet werden können. Da würden wahrscheinlich ganz andere Beträge zum Vorschein kommen, als sie von der Staats⸗ regierung in Aussicht genommen sind.

Man muß aber nicht bloß mit fiskalischen Interessen rechnen und auf die Thatsache des Vorhandenseins des Parks doch einiges Gewicht legen. Daher ist ein Plan aufgestellt worden, nach drei Seiten dieses Grundstück zu bebauen, in der Mitte und nach der Hauptstraße, nach der Potedamerstraße, ihn offen zu lassen, sodaß ein großer Platz übrig bleiben würde, der nicht bebaut wird. Dieser Platz würde ungefähr viermal so groß sein, wie der den Herren kekannte Dönhoffsplatz; genau habe ich die Ziffern nicht im Kopfe. Es wird jedenfalls einer der größten Plaͤtze im Innern der Stadt Berlin sein.

Wir sind nun mit der Stadt Berlin darüber in Verhandlungen getreten, ob sie geneigt sei, zu einem mäßigen Preise diesen übrig

Zweite Beilage zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

M S3.

Berlin, Mittwoch, den 7. April

bleibenden freien Platz zu erwerben. Ich glaube, es würde da ein Betrag, sehr billig nach der Meinung der Sachverständigen, von etwa zwei Millionen wieder herauskommen. Dieses Vorhandensein eines solchen freien Platzes wird andererseits den Werth der Bauplätze auch erböhen, sodaß hier auch gemeinsame Interessen zum Vorschein kommen, und es können, wie gesagt, diejenigen Rücksichten, die auf einen be⸗ stehenden und seit langen Jahren bestandenen Zustand billiger Weise zu nehmen sind, wohl gewahrt werden. Ob es gelingen wird, meine Herren, mit der Stadt Berlin ein solches Abkommen zu treffen, das kann ich noch nicht übersehen, weil wir von der Stadt Berlin noch keine Rückant⸗ wort erhalten haben. Sollte eine Einigung mit der Stadt Berlin nicht zu stande kommen, dann würde der ganze Bebauungsplan wahrschein⸗ lich wesentlich geändert werden müssen. Für den Staat würde daraus kein Verlust erwachsen, aber ich würde es bedauern, daß ein solcher Fall eintrete, und würde mich freuen, wenn eine Verständigung mit der Stadt Berlin möglich ist.

Meine Herren, im übrigen muß doch auch die Stadt Berlin er⸗ wägen, daß dieser große Umbau der Charits nicht bloß eine Frage der Förderung der Wissenschaft ist, nicht bloß der Universität zu gute kommt, wie die Universitätsbauten in allen Universitätsstädten erheb⸗ lich auch zum Vortheil für die betreffenden Städte gereichen, während bisher Beiträge seitens der betr. Städte, wie das in Frank reich z. B., wenn ich nicht irre, mit J der gesammten Kliniken, bei⸗ spielsweise in Paris der Fall ist, nicht gefordert sind ich sage, nicht bloß der Wissenschaft kommt dieses Unternehmen in hohem Grade zu gute, sondern auch den Berliner Lokalinteressen. Wenn solche Kliniken hergestellt werden, durch welche die Hospitäler erheblich verbessert werden, wenn die Berliner Kranken diese benutzen, während die Stadt Berlin sonst genöthigt sein würde, für diese Zwecke eigene Krankenhäuser herzuftellen, so ist das jedenfalls ein Gegenstand, der auch sehr im Interesse der Stadt Berlin liegt. Noch, die Ver⸗ waltungé« und Unterhaltungskosten werden ja in Zukunft sehr be⸗ deutend wachsen. Es handelt sich hierbei keineswegs nur um eine einmalige Ausgabe von im Ganzen 16 Millionen, sondern der neue Botanische Garten wird mehr kosten, und alle die Unterhaltung und Verwaltung der neuen vielen Gebäude werden die Unterhaltungskosten sehr bedeutend in die Höhe bringen. Ob in einer billig mäßigen Weise die Stadt Berlin zu einem gewissen Theil in Zukunft zu diesen Unter haltungskosten herangezogen werden kann, steht gegenwärtig nicht in Frage. Diese Frage wird mal bei einer anderen Gelegenheit erwogen werden können. Gegenwärtig handelt es sich ja nur um den Bau der Gebäude. Wir können auch noch nicht die Höhe der steigenden Unter haltungskosten übersehen, deswegen ift in dieser Vorlage diese Frage garnicht weiter berührt.

Meine Herren, indem ich Ihnen nun auseinandergesetzt habe, auf welche Weise, in welcher Höhe Rückeinnahmen zu verwerthen sind, muß ich aber dem hohen Hause doch auch noch einen gewissen Zweifel bei dieser ganzen Berechnung mittheilen. Im letzten Augen⸗ blick nämlich ist ein Zweifel angeregt worden, ob der alte Botanische Garten wohl ganz Eigenthum des Fiskus sei oder ob nicht ein Theil desselben zum Kronfideikomnißfonds gehöre. Seine Majestät der Kaiser und König haben aber, nachdem dieser Zweifel vorgetragen ist, in der Ueberzeugung, daß auf eine etwaige Lösung eines solchen Zweifels die Vorlage selbst nicht warten und dieselbe nicht verzögert werden könne, den Gesetzentwurf zu unterzeichnen geruht, jedoch mit dem ausdrücklichen Bemerken, daß der etwaigen Rechtsfrage, die hier entstehen könne, durch diesen Gesetzentwurf nicht präjudiziert werden wird. Maiestät haben ausdrücklich zu erkennen gegeben, daß Allerhöchst Sie auch damit einverstanden wären, daß die beabsichtigte Parjellierung und der Verlauf der Parzellen ohne Rücksicht auf diese Frage stattfinden könne, daß jedoch vorbehalten werden müsse, daß, wenn etwa die Rechtsfrage in anderem Sinne entschieden würde, das Pretium an die Stelle des Grundstücks treten würde, mit anderen Worten, daß durch die Genehmigung dieses Ge—⸗ setzentwurfs der Frage, die etwa in irgend einer Weise zum Austrag zu bringen sei, nicht vorgegriffen werden soll.

Meine Herren, die Staatsregierung theilt diese von einer Seite angeregten Zweifel ihrerseits nicht und jedenfalls würde sich eine solche Rechtsfrage nur auf einen Theil des ganzen Botanischen Gartens beziehen und daher mit Rücksicht auf die sonst zu erwartenden Rück einnahmen auch nach unserer finanziellen Auffassung dem ganzen Gesetzentwurf keineswegs Hindernisse zu bereiten geeignet sein.

Ich habe nur geglaubt, diese Lage der Sache hier offen mit theilen zu müssen, damit das hohe Haus vollständig klar ist über die Tragweite seines Beschlusses. Meine Herren, hier haben wir wirklich ein sehr großes, für die Wissenschaft, für die Kranken, für die Uni— versität und für die Stadt heilsames Unternehmen. Es hat dieses ganze Unternehmen sehr schwierige Vorbereitungen und Vorunter⸗ suchungen nach allen Richtungen mehrere Jahre erfordert. Es ist gelungen, bezüglich der Bauten, ihrer Stellung zu einander, ihrer Zweckbestimmung ein volles Einvernehmen unter allen in Betracht kommenden Gelehrten und betbeiligten Professoren herzustellen. Wenn wir dieses Unternehmen durchführen können, ohne nach irgend einer Seite Schädigungen und Unbilligkeiten hervorzurufen, indem wir aus unsern eigenen Einnahmen die volle Deckung für dies Unternehmen finden, so glaube ich, verdient dasselbe auch beim hohen Land⸗ tage nach allen Richtungen Förderung, umsomehr, als die Zuftãnde in der Charité, so wie sie waren, unter keinen Umständen mehr haltbar sind, und wir auf die Charité doch erhebliche Kosten hätten ver wenden müssen auch ohne diesen radikalen Umbau und Neuban.

Aehnlich liegt die Sache auch bei dem alten Botanischen Garten, wo die bestehenden Einrichtungen und Gebäude auf die Dauer auch nicht mehr zu halten sein und sehr erhebliche Reparatur und Umbau kosten unter allen Umständen entstehen würden.

Ich glaube daher, die allgemeinen Interessen des Staates und alle sonstigen in Betracht kommenden Interessen sind in vollstem Maße gewahrt, und ich empfehle dem hohen Hause die wohlwollende Aufnahme der ganzen Vorlage. Daß eine Berathung in der Budget kommission stattfinden wird und stattfinden muß, ist ja jweifellos;

18897.

es wäre aber sehr erwünscht, wenn das nicht allzu viel Zeit in An- spruch nehmen würde, weil ja sonst das Baujahr in erheblicher Weise abgekürzt würde. Es ist erwünscht, mit dem Bau möglichst rasch vorzugehen aus Gründen, die ich nicht näher ausgeinanderzusetzen brauche. (Bravo!)

Abg. Dr. Langerhans lfr. Vp): Im Grunde habe ich nicht gegen, sondern für den Plan gesprochen. Dahlem liegt sehr weit und wir wollen kein Schaustück, sondern ein dauerndes Gebrauchs stůc haben. Die Verhältnisse Frankreichs, speziell von Paris, liegen ganz anders als bei uns. Berlin verlangt doch keinen neuen Park, sondern nur die Erhaltung eines schon bestehenden.

Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:

Ich halte die Berichtigung, die der Herr Vorredner mir ange— deihen läßt, durchaus nicht für zutreffend. Thatsache ist, daß die französischen Universitätsstädte etwa 50 Millionen für Kliniken her⸗ gegeben haben und darunter Paris 25 Millionen. Was haben aber Berlin und andere Städte gegeben? Nichts. (Zuruf: Krankenhäuserh Natürlich, Krankenhäuser! Daß Berlin Krankenhäuser baut, ist doch wohl selbstverständlich. Aber Berlin hat daneben in der Charité 100 000 Krankentage umsonst. Meine Herren, wenn die Stadt Berlin uns nur die Kosten für diejenigen Kranken, die sie auf ihre Kosten zu verpflegen hat, in der Charits bezahlte, die ihr selbst für ähnliche Kranke in ihren Krankenhäusern erwachsen, so würden wir wahrschein« lich ganz zufrieden sein. Das ist aber nicht der Fall. Würde Berlin dem nicht zustimmen, so ist klar, welche Vortheile diese klinischen Bauten der Stadt Berlin bereiten; darüber kann gar kein Zweifel sein. Meine Herren, das ist aber gar kein Vorwurf gegen Berlin, denn diese Frage kann bei anderen Universitäten auch aufgeworfen werden. Ich will keineswegs daraus für die Berliner Stadtverwaltung irgend einen Vorwurf herleiten; es kann nur erwogen werden, ob diese Leistungen des Staats doch nicht etwas zu weit gehen, ob es nicht billig wäre, daß die betreffenden Städte bei der Verausgabung dieser Kosten etwas mitwirken. Das ist eine allgemeine Frage, die nur für Berlin in diesem Augenblick besonders in den Vordergrund tritt, weil es sich gerade um diese großen Verwendungen zu Gunsten der Stadt Berlin handelt.

Ich habe eben gehört, daß man vielleicht meine Aeußerung, daß die Stadt Berlin auf unsere Offerte noch keine Antwort gegeben hat, möglicherweise als einen Vorwurf gegen die Stadtverwaltung auffassen könnte. Das ist durchaus nicht der Fall. Die Verzögerung der Antwort ist wesentlich entstanden da⸗ durch, daß eine Zwischenfrage aufgetaucht ist, die zuerst erledigt werden mußte, ebe die Stadt Berlin zu der Offerte des Staats Stellung zu nehmen in der Lage war.

Abg. Weber (nl.): Die 100 900 freien Verpflegungstage sind doch kein Benefizium für die Stadt Berlin, sondern eine rechtliche Verpflichtung, die durch zahllose Prozesse erstritten ist. Die Stadt Berlin ist in dieser Sache sogar bedeutend geschädigt. Die Städte Berlin und Kölln besaßen früher reiche Waldungen; die Königliche Verwaltung bemächtigte sich dieses Vermögens und über⸗ nahm die Armenverwaltung, dazu gehörte die Charité; später sollte sie in die Verwaltung der Stadt übergehen. Man verzichtete aber darauf, weil man die Charits für wissenschaftliche Zwecke benutzen wollte, und Berlin wurde nun mit den 100 000 Stellen entschädigt. Außerdem übernahm der Fiskus auch noch andere Verpflichtungen. Der Stadt Berlin sind also durchaus keine Zuwendungen gemacht worden, auf die sie keinen rechtlichen Anspruch hat. Ich würde mich freuen, wenn die Stadt Berlin, wie es zum theil schon geschehen, in Zukunft ihre Krankenhäuser noch mehr klinischen und Universitäts-⸗ zwecken dienstbar machen wollte. Mit der Zeit wird die Scheu des Publikums gegen die Charits aus Furcht, daß es als Versuchsobjekt benutzt werden könnte, hoffentlich zurücktreten.

Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:

Zu dieser ausführlichen Darlegung habe ich dem Herrn Abg. Dr. Weber auch nicht die geringste Veranlassung gegeben. (Sehr richtig) Ich habe der Stadt Berlin nicht bestreiten wollen und auch mit keinem Wort bestritten, daß sie ein Recht hat auf 100 000 freie Verpflegungstage. Ich habe darauf hingewiesen, daß außerdem der Verpflegungssatz für die darüber hinausgehenden Berliner Kranken, für deren Unterbringung und Verpflegung die Stadt Berlin gesetzlich zu sorgen hat, sehr niedrig fei, daß, während diese Kranken in den Berliner Krankenhäusern 3 A pro Tag kosten, die Stadt nur 2 M in der Charits zahlt. Nun habe ich das überhaupt nur gesagt, um zu zeigen, daß, wenn wir jetzt wieder diese bedeutende Aufwendung von über 10 Millionen machen, Berlin doch alle Veranlassung hat, das als eine große Wohlthat auch für die Stadt anzusehen. Ich babe daraus hergeleitet das war der ganze Zusammenhang meiner Ausführungen —, daß es um so leichter werden würde, ein Entgegen kommen bei der Stadt Berlin zu finden gegenüber der sehr billigen Offerte des Staats in Bezug auf den Botanischen Garten; ich wollte ausführen, daß die Gesammtheit dieser hier stattfindenden Auf- wendungen im höchsten Grade auch im Interesse der Stadt Berlin liegt. Weiter habe ich nichts gesagt und sagen wollen.

Vielleicht wird der Herr Kommissär überhaupt noch Veranlassung nehmen, die Auffassung des Herrn Dr. Weber bezüglich der Rechte frage der 100 000 Verpflegungetage zu berichtigen. Herr Dr. Weber sagt: Ja, früher war das eine Königliche Armenverwaltung, und die Stadt Berlin hätte eigentlich die Charits damals übernehmen sollen, das wäre dem Staat wahrscheinlich sehr angenehm gewesen. Aber welche andere Stadt ist denn in der Lage gewesen, ihre Armen nicht auf ihre eigenen Kosten verpflegen zu müssen? Welche andere Stadt ist in der Lage gewesen, daß ein großer Theil ihrer Straßen vom Fiskus unterhalten wurde? Herr Dr. Weber mag mir doch einmal eine Reihe anderer größerer Städte nennen, die nicht ihre Straßen selber unterhalten haben! Das ist natürlich kein Vorwurf gegen die Stadt, das ist die Folge der historlschen Entwickelung der Verhältnisse. Daß die Stadt Berlin durch ihre Stellung als Residenzstadt und Reichs ⸗Hauptstadt erhebliche Vortheile vor den anderen Städten voraus hat, das kann doch garnicht bestritten werden. (Sehr richtig h Das ist kein Vor; wurf, den man der Stadtverwaltung macht, das ist einfach ein Hin⸗ weis auf die Thatsache, die ja garnicht zweifelhaft ist.