1897 / 109 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 10 May 1897 18:00:01 GMT) scan diff

Ferner sind folgende Revisions⸗-Entscheidungen ver En * ichtliches Urtheil i n

Ein schiedsgerichtliches eil ist wegen wesentlicher Mängel des Verfahrens aufgehoben worden, weil nicht ersichtlich war, daß derjenige Richter, der den Vorsitz in der mündlichen Verhandlung geführt hatte, bei der Berathun und Beschlußfassung des a ten Urtheils . habe; ferner weil das Urtheil sich mit der Angabe begnügte, daß an der vorgeschriebenen Wartezeit noch vierzig Wochen fehlen, ohne das Ergebniß der Beweisaufnahme nach irgend einer Richtung hin zu würdigen, es somit nicht mit Ent⸗ scheidungsgründen versehen war (568).

Das Scher zac chr ist außer im Falle des dritten Satzes des § 79 des Invaliditäts- und Altersversicherungs⸗ e nicht befugt, eine schwebende Rentensache an den

orstand der Versicherungsanstalt zur anderweiten Fest⸗ setzung zurückzuver weisen, es hat vielmehr den Streüistoff selbst nach jeder Richtung zu erledigen (569).

Die n,, gilt in Invaliden⸗ und Alters⸗ rentensachen auch dann als gewahrt, wenn die Ermächtigung des ö, zur Einlegung des Rechtsmittels erst nach Ablauf der Frist und zwar gleichzeitig mit der Aus⸗ stellung der schrifllichen Vollmacht ertheilt ist (570).

Bei der Prüfung der Frage, wo jemand seine „Woh⸗ nung“ im Sinne der Postordnung hat, handelt es sich wesent⸗ lich nur um die Feststellung eines thatsächlichen Zustandes, nicht um die Würdigung eines Rechts⸗ verhältnisses; insbesondere bedarf es zur Verlegung der Wohnung nur eines thatsächlichn Vorganges, nicht auch einer Ab⸗ und Anmeldung bei einer Behörde. Auch kann, wenn jemand, ohne an bestimmter Stelle einen eigenen Haushalt zu haben, abwechselnd von dem einen zu dem anderen Kinde übersiedelt, um von ihnen unterstützt zu werden, in einer solchen Uebersiedelung nicht bloß ein gelegent⸗ licher Besuch, sondern eine Verlegung der Wohnung gefunden werden (57). .

Für die Annahme einer mit Erwerbsunfähigkeit ver⸗ bundenen Krankheit im Sinne des 5 17 Absatz 2 des Invaliditäts- und Altersversicherungsgesetzes ist nicht immer die völlige Unfähigkeit zur Verrichtung irgend welcher Lohn— arbeiten erforderlich; vielmehr genügt es unter Umständen, wenn der Kranke zwar ein gewiffes Maß von Erwerbsfähig— keit noch besitzt, indessen zur Schonung oder völligen Wieder⸗ herstellung seiner Kräfte . Berufsthätigkeit aussetzt (572).

Die ig riet eines Rentenbewerbers zu einer Gewerk⸗ . als Gewerke schließt das Vorhandensein eines

rbeiterverhältnisses zwischen ihm und der Gesammtheit der Unternehmer an sich nicht aus S579.

Ein Wochenbett ist jedenfalls dann als eine mit Er— werbsunfähigkeit verbundene Krankheit anzusehen, wenn durch das Wochenbett ein bereits vorhandener Krankheits⸗ oder Schwächezustand verschlimmert wird dergestalt, daß das Wochenbett nicht mehr als die alleinige Ursache der einge⸗ tretenen Erwerbsunfähigkeit in Betracht kommen kann (573).

Die Feststellung der Anzahl und Art der in einer un— brauchbaren oder verlorenen Karte befindlich gewesenen Marken und ihre Uebertragung in urkundlicher Form ist Sache der die erneuerte Quittungskarte ausfertigenden Amtsstelle.

enn auch die Bescheinigung der Kartenausgabe⸗ stelle eine unbedingt verbindliche Kraft gegenüber der Versicherungsanstalt nicht beanspruchen kann, so ist es doch mit der Bedeukung der Bescheinigung als einer öffentlichen Urkunde unvereinbar, daß ein einfaches Bestreiten seitens eines Betheiligten ihre Beweiskraft aufhebe (574).

(Die neben den einzelnen Rekurs⸗ und Revisions⸗Entschei⸗ dungen, Bescheiden und Beschlüssen stehenden eingeklammerten

ahlen geben die Ziffer an, unter der diese in den „Amtlichen Nachrichten“ veröffentlicht find]

Der Wirkliche Geheime Ober⸗Regierungs-Rath im Reichs⸗ Eisenbahnamt Kraefft ist aus Süddeutschland zurückgekehrt.

Der Regierungs⸗-Assessor Roth zu Danzig ist der König— lichen Regierung zu Königsberg zur weiteren dienstlichen Ver⸗ wendung überwiesen worden.

Die Regierungs⸗Referendare Freiherr von Schröder aus Hannover, von Alvensleben aus Stade, Roßmann aus Gumbinnen, Dr. Richter aus Merseburg und Dr. Schnee aus Erfurt haben die zweite Staatsprüfung für den höheren Verwaltungsdienst bestanden.

Der Reichs⸗Postdampfer „König“ der Deutschen Ost— Afrikalinie ist mit der Ablösung für S. M. K. „Seeadler“ Transportführer: Kapitän⸗Lieutenant Wilbrandt am 7. Mai in Sansibar eingetroffen.

Wiesbaden, 7. Mai. In der heutigen 6. Sitzung des Kommunal-Landtages wurde zunächst der Antrag der Abgg. Groos und Genossen angenommen: bei der Königlichen Staatsregierung dahin zu wirken, daß bei Ausführung von Konsolidationsbeschluͤssen im Geltungsbereich des Gesetzes, be⸗ treffend das Verfahren und das Kostenwesen bei der Güter⸗ konsolidation im Regierungsbezirk Wiesbaden vom 21 März 1887, in der früher üblichen Weise kleine Verloo⸗ sungsbezirke gebildet und Uebertragungen aus einem Ver⸗ loosungsbezirk in einen anderen nur in zwingenden Fällen vorgenommen würden, auch bei der Zutheilung der neuen Parzellen in der Regel nach der Vorschrift des 8 13 der Instruktion vom 2. Januar 1830 verfahren werde, sowie auch die Ueberweisung der neuen Pläne thunlichst schnell und felder⸗ weise nicht zusammen erfolgen solle. Alsdann wurde in den Landesausschuß an Stelle des zum Vorsitzenden gewählten Dr. Heußenstamm der Abgeordnete Landrath Fromme e gl Das Gesuch des ꝛc. Ernst zu Holzhausen um Be⸗ willigung eines Zuschusses zu den Kosten der Unterbringung seines Sohnes in der Idioten⸗Anstalt Scheuern wurde dem Landesausschuß zur Prüfung und n , . überwiesen, ebenso auch das Gesuch des Comités für Veranstaltung einer . in Frankfurt a. M. um Bewilligung einer Beihilfe. Der Bericht des Landesausschusses über die Ergebnisse der Bezirksverwaltung vom 1. April 1895 bis Anfang 1897 wurde durch Kenntnißnahme für erledigt erklärt. Die Spezial⸗Etats des Meliorationsfonds, des ständischen Wegebaufonds und des Fonds für Errich⸗ tung einer zweiten Irrenanstalt, sowie der Haupt—⸗

Etat der ständischen allgemeinen Verwaltung wurden mit den von der Finanzkommission beantragten erungen ge⸗ nehmigt. Zu dem Gesuch der Allgemeinen Deutschen . gesellschaft um Unterstuͤtzung des Bahnbaues vom Zollhaus nach St. Goarshausen wurde beschlossen, sich mit der Erweite⸗ rung des Unternehmens durch Herstellung einer Zweiglinie von Nastätten nach dem Rheinufer bei Oberlahnstein ein⸗ verstanden zu erklären und den in der Sitzung vom 23. April 1896 gefaßten Beschluß auf Gewährung einer Herrn von 500009 M mit der Maßgabe aufrecht zu erhalten, daß der Landesausschuß ermächtigt wird, in Abweichung von den fest⸗ 66 Grundsätzen bezüglich der Betheiligung an Klein⸗ ahnen die Aufwendungen sür Beschaffung des Grund und Bodens seitens der betheiligten Kreise bei Berechnung des Gesammtkapitals des Unternehmens in Ansatz zu bringen und den betheiligten Kreisen eine dem Antheil des Kommunal⸗ verbandes nachstehende Betheiligung zu gewähren. Be⸗ züglich des Gesuches des Eisenbahn⸗Comités zu Herschbach um Unterstützung des Baues einer Klein⸗ bahn von Selters über Herschbach nach Hachenburg sowie be⸗ züglich der Vorlage, betreffend den Bau einer Kleinbahn von Frankenberg durch das Eder-Thal nach Raumland, wurde be⸗ chlossen, zu erklären, daß die Ausführung der gedachten Klein⸗ ahnprojekte für wünschenswerth zu erachten sei, und den Landesausschuß zu ersuchen, die Projekte nach Thunlichkeit zu fördern mit der Maßgabe, daß, abweichend von den Normatio⸗ bestimmungen vom 23 April 1896, die in Aussicht genommenen Aktien Litt. O0 an den Ertragsüberschüssen theilnehmen dürfen; diese Aktien sollen jedoch erst dann dividendenberechtigt sein, wenn Litt. A und B eine Vorzugsdividende erhalten haben. Zu dem Gesuche der Kreise Obertaunus und Höchst um Unterstützung des Baues einer Kleinbahn Höchst Königstein wurde beschlossen:

1) zu erklären, daß die Ausführung dieser Kleinbahn für wünschenswerth zu erachten sei;

2) den Landesausschuß zu ersuchen, das vorliegende Projekt unter der Voraussetzung, daß der für die gelammte Bahnanlage er⸗ forderliche Grund und Boden von den betheiligten Kreisen unentgeltlich hergegeben wird, nach Thunlichkeit zu fördern und hierbei erforder—⸗ lichenfalls in Abweichung von den Normativ. Bestimmungen vom 23. April 1896 den beiden betheiligten Kreisen für ihren Antheil an dem Anlagekapital eine gewisse Begünstigung einzuräumen;

3) sich dafür auszusprechen, daß der Bahnhof Königstein so gelegt werden möge, daß eine spätere Fortsetzung der Bahn durch das Weil⸗ Thal möglich sei;

4) sich damit einverstanden zu erklären, daß der Bau der in Rede stehenden Kleinbahn, wenn das erforderliche Anlagekapital sicher gestellt ist, von dem Bezirksverband ausgeführt werde, und der Betrieb, inso⸗ fern angemessene Bedingungen erzielt werden, der Königlichen Eisen⸗ bahn⸗Direktion Frankfurt a. M. überlassen werde.

Bezüglich der sämmtlichen vorstehend gedachten Kleinbahn⸗ projekte wurde die Erwartung ausgesprochen, daß seitens der Staats-Eisenbahnverwaltung keine derartigen Beschrän⸗ kungen des lokalen Verkehrs angeordnet werden, welche die Rentabilität des Unternehmens beeinträchtigen. Auf Antrag des Vorsitzenden des Kommunal-Landtages wurde alsdann noch folgender Beschluß gefaßt:

1) Seiner Majestät dem Kaiser und König die unter- thänigste Bitte vorzutragen, bei Gelegenheit Allerhöchstdessen Aufenthalts im Bezirk während der großen Manöver ein von dem Kommunal Verbande des Regierungsbezirks Wiesbaden zu veranstaltendes Fest— mahl gnädigst anzunehmen;

2) den Landes⸗Direktor zu beauftragen, Seiner Majestät diese Bitte zu unterbreiten, Allerhöchstdessen bezüglichen Befehl entgegen— zunehmen und das Weitere zur Ausführung in die Wege zu leiten.

Demnächst wurde der Kommunal⸗Landtag von dem stell⸗ vertretenden Landtagskommissar mit einer Ansprache für ge⸗ schlossen erklärt.

Köln, 7. Mai. Der Reichsbank-Präsident, Wirkliche Geheime Rath Dr. Koch, welcher vorgestern in Düren die Teppichfabrik von Gebr. Schöller und das neue Geschäfts⸗ gebäude der dortigen Reichsbank⸗Nebenstelle besichtigt und gestern das neue Reichsbankgebäude und die Reichsbank— Hauptstelle in dem alten Hause eingehend inspiziert hatte, begab sich heute Vormittag mit dem Regierungs⸗Präsidenten ö von Richthofen und einigen Notabeln des Handels⸗ tandes nach Mülheim a. Rhein und nahm mit diesen die Schwebebahn-⸗Anlagen und die Fabrik von van der Zypen u. Charlier, alsdann die berühmte Drahtseil-Fabrik von Velten u. Guilleaume in ö revidierte die Reichs⸗ bank-Nebenstelle und setzte Nachmittags seine Reise nach Frankfurt am Main fort, wo morgen die alljährliche Konferenz der süddeutschen Reichsbank⸗Vorstands⸗ beamten stattfindet. Allseitig ist der Eindruck der Kölner Dienstreise des Reichsbank⸗Präsidenten ein äußerst befriedigender.

Desterreich⸗ Ungarn.

Der Kaiser empfing vergestern den österreichischen Minister⸗Präsidenten Grafen Badeni und den ungarischen Minister-Präsidenten Baron Banffy sowie die beider⸗ seitigen Finanz⸗Minister, Dr. von Bilinski und von Lukacs, in gemeinsamer Audienz.

Die Kaiserin ist gestern Abend mittels Sonderzuges zum Kurgebrauch nach Kissingen abgereist. Der Kaiser ge⸗ leitete Ihre Majestät zum Bahnhof.

Der König Alexander von Serbien ist am Sonn⸗ abend Abend mit dem Minister⸗Präsidenten Simitsch und dem Finanz-Minister Wuitsch in Wien eingetroffen und wird bis heute Abend daselbst verweilen. Der König empfing heute den Minister des Aeußern Grafen Goluchowski. Der serbische Minister⸗Präsident Simitsch stattete dem Grafen Goluchowski einen Besuch ab.

Das „Militär⸗Verordnungs⸗-Blatt“ veröffentlicht die Er⸗ nennung des Großfürsten Nikolaus Nikolajewitsch von Rußland zum Oberst⸗Inhaber des 12. Dragoner⸗Regiments.

In der vorgestrigen Sitzung des oͤsterreichischen Herrenhauses widmete der Präsident Fürst Windisch⸗ grätz der Herzogin von Alengon einen tief empfundenen Nachruf. Im österreichischen Abgeordnetenhause erhob vorgestern der Abg. Funke Beschwerde darüber, daß die Jungczechen die Deutschen gewaltsam verhindert hätten, die Rede des Justiz⸗Ministers zu hören. Dies sei ein unwürdiges Benehmen. Der Präsident Dr. Kathrein erklärte, die Vorgänge am Freitag seien nicht geeignet gewesen, das Ansehen des Parlaments zu heben. Die Abgeordneten müßten selbst das Gefühl haben, wie weit sie innerhalb der Grenzen des Erlaubten gehen könnten. Nach Wiederaufnahme der Debatte über den Antrag, betreffend die Versetzung der Minister in den Anklagezustand,

erklärte der Abg. Groß, die Deutschen erblickten in der

Sprachenverordnung den ersten Schritt zur Errichtung eines Wenzel⸗Reichs und bekämpften dieselbe auf das entschiedenste Der Graf Du bsky beantragte, unter dem Beifall des liberalen Großgrundbesitzetßz und mit dem Ausdruck der Nichtbilligung des Vorgehens der 4 über die Anklage als eine zu 12 Maßregel zur Tagesordnung überzugehen. Der Abg. Graf Falkenhann bestritt, daß die Sprachenverordnungen gleichbedeutend mit der Vernichtung des Deutschthums . Die Verordnungen enthielten nichts dem Deutschthum Schädliches. Den Versuchen, das Volk auf⸗ e k müsse entgegengetreten werden. Unter lebhaftem

eifall der Rechten und unter Widerspruch der Linken er— klärte Graf Falkenhayn, seine Partei stimme, da sie nach keiner Seite eine Gefahr erblicken könne, für den Uebergang zur Tagesordnung. Der Abg. Kin derm ann erhob unter dem Beifall der Linken Einspruch gegen die Aeußerung des Justiz⸗Ministers, daß die Anträge auf Versetzung der Mlnister in den Anklagezustand nicht ernst gemeint seien. Der Redner schilderte ausführlich die politischen Folgen der Sprachenver— ordnung, indem er auf die Zeitungsstimmen aus Deutschland hinwies, und schloß damit, Graf Badeni habe die Deuischen in den Sudetenländern zu Schmerzenskindern Deutschlands gemacht, weshalb die Anklage gerechtfertigt sei. Schließlich wurde der Antrag des Abg. Kaizl auf Uebergang zur Tagesordnung mit 205 gegen 163 Stimmen angenommen. Gegen den Antrag stimmten die Deutsch⸗Fortschrittlichen, die deutsche Volkspartei, die Anhänger des Abg. von Schönerer, die Christlich⸗Sozialen, die Italiener und der liberale Großgrundbesitz. Die Abgg. Schucker und Genossen richteten eine Interpellation an den Eisenbahn⸗Minister bezüglich der Anwendung des 6 Rohstoff⸗Tarifes auch . die österreichischen Grenz⸗ tationen.

Im ungarischen Unterhause begründete am Sonn⸗ abend der Abg. Kossuth eine Interpellation an den Minister⸗Präsidenten folgenden Inhalts: Dem Vernehmen nach haben die Vertreter der Großmächte am 7. Mai der griechischen Regierung eine Note überreicht, in welcher sie Ein⸗ stellung der Feindseligkeiten und Abschluß eines Waffen⸗ stillstandes empfehlen; angeblich werden die Vertreter der Großmächte eine Note desselben Inhalts in Konstan— tinopel überreichen. Er frage den Minister-Präsidenten, ob diese Nachricht der Wahrheit entspreche; wenn nicht, ob Oesterreich⸗Ungarn die Absicht habe, nach dieser Richtung hin die Initiative zu ergreifen, damit eine Fortsetzung des nutz— losen Blutvergießens, wenn möglich, verhindert werde.

Frankreich.

Der Trauergottesdienst für die bei dem Brande des Wohlthätigkeits-Bazars Verunglückten hat am Sonnabend Mittag in der Notre Dame⸗Kirche zu Paris unter großer Betheiligung stattgefunden. Das mittlere Eingangsthor der Kirche war schwarz ausgeschlagen und von einem großen, die Initialen „R. F. tragenden Schilde über⸗ ragt. In der Mitte der Kirche war ein großer Katafalk errichtet, welchen zahlreiche Kränze, darunter diejenigen Ihrer ö des Deutschen Kaisers und der Deutschen Kaiserin, bedeckten. An der Feier nahmen in Vertretung des Deutschen Kaisers und der Deutschen Kaiserin der Fürst und die Fürstin Radziwill theil. Das Fürstliche Paar wurde bei der Ankunft vor der Kirche von dem Direktor des Protokolls Crozier empfangen. Der Kaiser von Rußland war durch den Herzog von Leuchtenberg vertreten. Auch der Lord-Mayor von London war zugegen. Die zur Theilnahme an der Feier Geladenen erschienen in sehr großer Zahl; außerhalb der Kirche drängte sich eine gewaltige Menschenmenge. Republikanische Garden zu Fuß und n Pferd hildeten Spalier. Die An— fahrt des Präsidenten Faure erfolgte um 12 Uhr Mittags; Kürassiere eskortierten den Wagen des Präsidenten; die Truppen präsentierten, die große Glocke der Metropolitan— kirche begann zu läuten, und die Geistlichkeit geleitete den Präsidensen nach der Estrade, auf der sich die Ange— hörigen der bei der Katastrophe Verunglückten, die Mit— glieder der Regierung, die Mitglieder des diplomatischen Korps und zahlreiche andere hervorragende Persönlichkeiten be⸗ fanden. Nach der von dem Doyen des Metropolitankapitels Msgr. Delescaille zelebrierten Todtenmesse hielt P. Ollivier eine Ansprache, der er den Text zu Grunde legte: „Selig sind, die da wohlthun“. Nach Beendigung der Feier wurde der Präsident Faure von der Geistlichkeit nach dem Portal der Kirche zurückgeleitet. Das diplomatische Korps, an dessen Spitze sich der Nuntius Msgr. Clari und der russische Bot— schafter von Mohrenheim befanden, trat auf den Präsi—⸗ denten zu, um demselben seine Theilnahme auszusprechen. Der russische Botschafter sprach im Namen des Kaisers und der Kaiserin von Rußland aus, wie vollen Antheil die Majestäten an der Trauer Frankreichs nähmen. Der Bot—⸗ schafter äußerte sich ferner im Auftrage Ihrer Majestäten rühmend über die zahlreichen Beweise von Aufopferung bei dem Brande. Der Präsident Faure bat den Botschafter, den russischen Majestäten seinen Dank zu übermitteln für den Ausdruck des Beileids und für den Beweis der Sympathie, der sich darin zeige, daß sich der Kaiser bei der Leichen— feier durch den Herzog von Leuchtenberg habe vertreten lassen. Nachdem der ö Faure die Kirche verlassen hatte, gruppierten sich alle Gelasenen um den vor der Kirche er⸗ richteten katafalkartigen Bau. Der Minister des Innern Barthou hielt nunmehr eine Rede, worin er im Namen der Regierung den Opfern der Katastrophe, die in Ausübung der Wohlthätigkeit ihr Leben gelassen, ein ehrendes Ge⸗ denken weihte. Das Unheil, führte er aus, habe Trauer bis zu den Stufen eines Thrones verbreitet. Der Minister dankte sodann den Personen, welche zur Rettung einer großen Anzahl der bei dem Brande Berrohten beigetragen hatten, und schloß, indem er sagte: die große Katastrophe trage ihren Trost in sich, wenn sie Milde, Wohlthätigkeit, Güte für unsere Nächsten lehre. Um 2 Uhr Nachmittag war die Feier zu Ende. .

Der Fürst und die Fürstin Radziwill begaben sich am Sonnabend Nachmittag nach dem Elysée, wo der Fürn von dem Präsidenten Faure, die Fürstin von Madame Faure empfangen wurde. Am Freitag 6 hatte der Fürst in Begleitung des 3 zu Münster dem Herzog von Alen gon einen Beileidsbesuch abgestattet. .

Der Präsident der Südafrikanischen Republik Krüger hat an den Präsidenten Faure ein Telegramm gerichtet, worin es heißt: Er habe mit tiefem Schmerz die Nachricht von dem Brandunglück erfahren und bitte die französische Nation und den Präͤfidenten Faure, die Versicherung aufrichtigsten

Mitgefühls entgegenzunehmen. Der Präsident Faure er⸗ widerte mit herzlichem Dank für diese Ausdrücke der Sympathie.

Her nr und die Fürstin Radziwill werden, wie W. T. B. meldet, den Kaiser Wilhelm und die Kaiserin

guste Victoria bei der Beisetzung der Herzogin 2 . n in Dreux vertreten. Die Trauerfeier findet in Paris am Freitag und in Dreux am Sonntag statt. Die Leiche des Herzogs von Aumale wird am Donnerstag mittels Sonderzuges direkt von Palermo nach Dreux abgehen. Der . französische

von Orlsans wird dieselbe bis an die renze begleiten.

Italien.

Der gestern in Turin erfolgten feierlichen Grundstein⸗ legung für eine Denksäule zur Erinnerung an die vor 50 Jahren erlassene Staats verfassung wohnten, wie „W. T. B.“ meldet, der König und die Königin, sämmtliche Prinzen und Prinzessinnen, die . Brin und Sineo, die piemontesischen Deputirten und Senatoren sowie zahl⸗ reiche Vereine bei. Der Deputirte Villa hielt die Festrede. Die Majestäten und die Mitglieder des Königshauses wurden begeistert begrüßt. . ; .

Der Herzog und die Herzogin von Orleans sind, wie aus Palermo berichtet wird, gestern Vormittag daselbst eingetroffen. Die italienische Regierung stellte Höchstdenselben ein Kriegsschiff zur Ueberführung der Leiche des

erzogs von Aumale nach Frankreich zur Verfügung. ö. erzog und die Herzogin zogen jedoch den Transport auf der Eisenbahn vor und dankten dem Minister⸗Präsidenten di Rudini für das Beileid, sowie für die dem Herzog von Aumale erwiesenen Ehrenbezeugungen.

Spanien.

Die Wahlen zu den Munizipalräthen haben, wie dem „W. T. B.“ aus Madrid berichtet wird, mehrfach Ruhestörungen verursacht. In Bilbao veranstalteten die Sozialisten eine Kundgebung. In Linares wurde ein liberaler Wähler getödtet.

Türkei.

Das Wiener „Telegr.Korresp. Bureau“ berichtet aus Konstantinopel, daß die Botschafter nach längerer Pause vorgestern wieder zu einer Konferenz . getreten seien. Die Besprechung habe der üblichen wechselseitigen Bekanntgebung der eingelaufenen Berichte und der Erledigung einiger lau⸗ fenden, auf Kreta bezüglichen und sonstigen Angelegenheiten ge⸗ golten. Heute soll eine weitere Besprechung der Botschafter stattfin den. . .

Ghazi Osman Pascha ist vorgestern nach Konstantinopel zurückgekehrt. .

Einer amtlichen Mittheilung zufolge hat, wie „W. T. B.“ berichtet, Edhem Pacha . früh 6 Uhr aus Ve⸗ lestino eine Depesche nach Konstantinopel gesandt, worin es heiße: der britische und der französische Konsul seien im Namen des Konsularkorps mit Marinemannschaften, die ihnen mit Fahnen voranmarschierten, nach Velestino gekommen. Sie hätten erklärt, daß Volo geräumt sei und daß die Griechen die Sträflinge freigelassen hätten. Um zu verhindern, daß diese in der Stadt plünderten, hätten die Konsuln als provi⸗ sorische Maßnahme Marinesoldaten landen lassen. Sie bäten darum, die Konsulate und die Niederlassungen der Ausländer durch türkische Truppen zu schützen. Er, Edhem Pascha, habe ihnen zustimmend geantwortet. In der Depesche heiße es sodann weiter: der QOberst im Generalstabe Enver Pascha marschiere mit 10 Bataillonen auf Volo. Er habe Befehl erhalten, mit 6 Bataillonen die die Stadt beherrschenden Höhen zu besetzen, mit 4 Bataillonen in Volo selbst einzu— rücken und Unordnungen zu verhindern. Der Einzug der türkischen Truppen in Volo erfolgte am Sonnabend Vor⸗ mittag um 10 Uhr. Es wurden daselbst viele Geschütze, Kriegsmaterial und Proviant erbeutet. Im Golf von Volo kreuzen griechische Torpedoboote.

Nach einer in Athen eingetroffenen Me kung aus Domoko von vorgestern früh 9 Uhr hat sich, wie die „Agence Havas“ meldet, eine türkische Kavallerieabtheilung, welche den Aufklärungsdienst versah, Domoko auf zwei Stunden ge⸗ nähert. Dieselbe zog sich bei der Annäherung griechischer Truppen, die den Befehl hatten, den Feind zu ver⸗ folgen und das Terrain aufzuklären, zurück. Die Griechen drangen bis zu den türkischen Vorposten vor. Die Armee des Kronprinzen hält alle Pässe besetzt, durch welche die türkische Armee über das Othrys⸗Gebirge gelangen kann, besonders die Pässe von Agoriani und Tsa⸗ massi. Eine weitere Meldung von gestern früh besagt, daß die türkische Kavallerie ihre Rekognoscierungen fortsetze; die türkischen Vorposten ständen in Vryssa und Kitini; der An⸗ griff der Türken auf Domoko dürfte demnächst erfolgen. Die griechischen Truppen seien eifrig damit beschäftigt, ihre Stellungen bei Domoko zu verschanzen. Aus Athen von heute früh meldet die „Agence Havas“: aus Domoko werde berichtet, daß die türkischen Vorposten bis Skarmitsa vor⸗ geschoben seien. Bedeutende türkische Streitkräfte rückten von Pharsala aus vor. Auf der Linie Domoko⸗-Almyro würden kleinere Zusammenstöße erwartet. An einzelnen Stellen sollten die Türken bereits mit der Brigade Smolenski in Berührung gekommen sein. Oberst Smolenski befinde sich in Pursuply (. Die griechische Armee stehe kampfbercit.

Das Wiener „Telgr⸗Korresp⸗Bureau“ erfährt aus Kon⸗ stantinopel, daß die türkischen Truppenabtheilungen, welche gegen Domoko einerseits und Almyro (Ermia) andererseits Rekognoscierungen unternähmen, bis nach Tsiflari, Purnari, Karatsali, Kislar und Dauza gekommen seien.

Der Oberbefehl shaber des epirotischen Korps meldet, daß die griechischen Banden, welche sich auf den Höhen don Zalongos, suͤdwestlich von Luros, aufgehalten hätten, aus dem Kloster Zalongos und dem Dorfe Samartepe vertrieben und zerstreut worden seien.

Griechenland.

Die griechische Regierung hat, wie die „Agence Havagg“ meldet, den Mächten die Zurückberufung von 25 Offizieren und 2 Kompagnien Sappeurs aus Kreta mit⸗ getheilt und die Zusage gemacht, daß die anderen Truppen innerhalb einer kurzen Frist aus Kreta zurückberufen werden würden. Nach 3. Erklärung hätten die Mächte ihre Ver⸗ mittelung zwischen Griechenland und der Türkei angeboten und gleichzeitig verlangt, Griechenland solle die Wahrnehmung seiner Interessen ohne Vorbehalt in die Hände Europas legen. Die griechische Regierung dringe auf eine Modifikation dieser Bedingung.

Die griechische Regierung hat die Mächte ersucht, ihre Geschwader⸗ Chefs anzuweisen, daß sie den griechischen Kriegsschiffen gestatten, die von Kreta abberufenen Truppen an Bord zu nehmen. Die Abberufung wird damit erklärt, daß die Truppen zur Vertheidigung Thessaliens sofort nöthig seien.

Der Oberst Vassos ist von Kreta in Athen eingetroffen.

Dänemark.

Das Landesthing hat, dem ‚W. T. B.“ zufolge, in seiner vorgestrigen Abendsitzung mit 39 gegen 26 Stimmen die Finanzusrlage in der von dem Folkething an⸗ genommenen Fassung verworfen. Die Finanzvorlage ist damit beseitigt; die Regierung beabsichtigt, in den nächsten Tagen eine neue Finanzvorlage einzubringen, durch welche die Streitpunkte ausgeglichen werden sollen.

Amerika.

Senator Wolcott, Charles J. Paine und Adlai Steven son, die gemäß der Bill zur Förderung einer inter⸗ nationalen bimetallistischen Konferenz zu Sonderbevollmäch⸗ tigten für die Hauptstaaten Europas ernannt wurden, sind, wie „W. T. B.“ berichtet, vorgestern von New⸗York nach Europa abgereist. Dieselben . zunächst nach Paris, dann nach London und später nach Berlin und Wien zu gehen.

Afrika.

Wie die „Agence Havas“ aus Tanger meldet, ist der spanische Renegat, welcher den deutschen Banquier Häßner er— mordete, vorgestern nach Spanien gebracht worden, wo ihm der Prozeß gemacht werden soll.

Dem Hause der Abgeordneten ist der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Regelung der Forstverhältnisse für das ehemalige Justizamt Olpe im Kreise Olpe, Regierungs- bezirk Arnsberg, zugegangen.

Nr. 18 des Eentralblatts für das Deutsche Reich“, berausgegeben im Reichzamt des Innern, vom 7. Mai, hat folgenden Inhalt: 1) Konsulatwesen: Ernennung; Entlassung. 2) Bankwesen: Status der deutschen Notenbanken Ende . 1897. 3) Polizeiwesen: Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiet.

Nr. 19 des Centralblatts der Bauverwaltung“, heraus⸗ gegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, vom 8. Mai, hat folgenden Inhalt: Amtliches: Runderlaß vom 23. April 1897, betreffend die Lieferung von k 1 im Bereich der all⸗ gemeinen Bauverwaltung. Dienstnachrichten. Nichtamtliches: Die Neubauten der Königlichen Charits in Berlin. Die neue latholische Garnisonkirche in Berlin. Versuche über Dichtung von Nadelwehren. Auslegerträger mit Mittelstoß. Vermischtes: Preisbewerbung für ein König Albert⸗Denkmal in Dresden. Wettbewerb um Pläne zu Bahnhofsanlagen in Christiania. Wett⸗ bewerb um Entwürfe zur Hannoverschen Bank in Hannover. Ausscheiden des Geheimen Regierungs⸗ Raths, Professors H. Ende aus der Lehrthätigkeit an der Technischen Hochschule in Berlin. Aus- stellung im Kunstgewerbe⸗Museum in Berlin. Haus des Vereins Berliner Künstler. Nationalfeste am Kyff häuser. Erweiterung des preußischen Ste fr be fg AUnfallversicherung für die Studierenden der Technischen Hochschule in Dresden. Sammlung von Photographien englischer Baudenkmäler im Britischen Museum. Jaternationaler Kongreß für technischen Unterricht in London. Unterbringung der Wallace⸗ Sammlung in London. P. Blondel . Blcherschau.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Berichte über die vorgestrigen Sitzungen des Reich s⸗ tages und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten Beilage.

Das Haus der Abgeordneten trat in der heutigen (80.) Sitzung, welcher der Finanz⸗Minister Dr. von Miquel, der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten D. Dr. Bosse und der Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von

ammerstein beiwohnten, in die dritte Berathung des taatshaushalts⸗Etats fir 1897,98 ein.

In der Generaldiskussion erhält zunächst das Wort

Abz. Rintelen (Zentr.) Meine politischen Freunde stehen mit übergroßer Mehrheit, fast einstimmig, auf dem Standpunkt, den wir in der zweiten Lesung eingenommen haben, daß wir die Besoldungs⸗ vorlage ablehnen. Wir wollen keine neuen Anträge stellen, um die Verhandlungen nicht noch mehr in die Länge zu ziehen, und weil sie auch keine Autsicht auf Annahme haben würden. Die ganze Besoldungsvorlage ist ohne alles System her⸗ gestellt, und es kommen Ungleichheiten darin vor, die an Ungerechtigkeit grenzen. Die ganze Vorlage ist ein Beweis für die Größe der Energie der einzelnen Ressortchefß und der Werth— schätzung, die f ihren Beamten zu theil werden lassen. Ich hebe nur die Stellung der Richter den anderen Be— amten gegenüber hervor und namentlich die Ungleichheit in der Behandlung der Richter, der agrarischen Gerichte und der Richter der ordentlichen Gerichte, die hauptsächlich auf Antrag des Landwirthschafts-Ministers und des Justiz⸗Ministers beschlossen ist. Der Abg. bon Tiedemann hat in der zweiten Lesung auch Kreta in die Debatte hineingezogen; während ich sagte, daß wir bei der Aufstellung unseres Etats angesichts der drohenden Kriegsgefahr ö ordentlich vorsichtig sein müssen, hat er die Sache sehr leicht genommen. Das Abgeordnetenhaus ist zwar nicht der Ort, die auswärtigen Angelegen beiten zu erledigen, aber es kann doch immerhin aussprechen, daß die politische Lage nicht klar ist und daher Vorsicht in den Finamwerhältnissen geboten ist. Ein solcher Konflikt wie der griechischtürkische Krieg kann auch weiteren Umfang annehmen, sodaß auch schließlich Deutschland darunter zu leiden haben könnte. Redner bespricht dann die zwischen den Richtern und Regierungs— Räthen bestehende Ungleichheit in der Besoldung; seine näheren Aus— führungen bleiben aber bei der steigenden Unruhe unverständlich. Er meint, die Werthschätzung der Beamten seitens der Regierung habe sich darin gezeigt, daß die Regierung gesagt habe: Wenn die Richter den Regierungs⸗Räthen gleichgestellt würden, so wäre das eine Degradation für die Regierungs ⸗Räthe. Der Justiz⸗ Minister sei sehr schlecht unterrichtet, wenn er meine, daß zwei Drittel der Richter über diese Gehaltsporlage erfreut und damit einverstanden seien. Der Justiz⸗Minister habe auch gesagt, dem Ansehen des Richterstandes würde die Einstellung der Agitation der Richter förderlich sein. Gegen diesen Ausdruck müsse er entschieden protestieren. Der preußische Richterstand babe noch das Anstands= 8 daß er nicht wegen einer pekuniären Frage eine Agitation ins

olk werfe.

Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (fr. kons):; Was Agitation ist, hängt von ihrer Art ab, nicht von einem Protest. Ich überlasse das Urtheil also dem Hause. Der Vorredner begründet seinen Widerspruch gegen die Besoldungsvorlage mit der Kriegs⸗ gefahr. Dann hätte er, wie andere Staaten, für unsere Kriegs⸗ rüstungen ju Wasser und zu Lande sorgen, müssen. Anträge stellen auch wir nicht. Die Beseitigung von Härten auf der einen muß Ungleichheiten auf der anderen Seite, hervorrufen. Einzelne Bedenken müssen zurücktreten. Vereinigen wir uns heute zu der Er— klärung und zu dem Beschluß, die Besoldungsvorlage einstimmig im Ganzen anzunehmen. .

Abg. Pr. Sattler (nl): Wir sind der Meinung, daß der Etat möglichst rasch zum Abschluß gebracht werden muß, und werden deshalb auf Kreta und die Kriegsgefahr nicht eingehen. Die Besoldungs— verbesserung für die Beamten muß endlich zur That werden, nachdem Regierung und Landtag sie Jahre lang, versprochen haben. Die Finanzverwaltung gestattet uns, damit Ernst zu machen. Auch wir werden ö. Abänderungsanträge verzichten, aber nicht, weil die vorgeschlagenen Sätze richtig und unanfechtbar wären. Die Differenzierung zwischen der Besoldung der Beamten im äußeren und im inneren Dienst, in den lokalen und provinziellen Be⸗ hörden bleibt nach wie vor bestehen; ebenso zwischen den Regierungs— beamten und den Richtern. Auch die Härten für die Unter— beamten sind nicht beseitigt worden. Trotzdem werden wir uns dabei beruhigen, um den Beamten schleunigst zu helfen. Wir werden für die Vorlage stimmen. Die Haltung unserer Partei ist von der Presse, auch von der „Post, gan ungerechtfertigt angegriffen worden. Ich halte es unter meiner Würde, darauf einzugehen. Ein Widerstand war aus—« sichtslot. nachdem es der Beredsamleit des Finanz · Ministers in der Kommisston gelungen war, die eine Stimme für die Vorlage zu gewinnen. Abänderungevorschläge in der zweiten Lesung durch zubringen, war uns nicht gelungen, und wir wollen den Beamten die ihnen zugedachte Gehaltsverbesserung nicht vorenthalten.

(Schluß des Blattes.)

Dem Reichztage ist ein Antrag der Abgg. von Saläsch (d. nn und Genossen auf Annabme eines Gesetzentwurfs, betreffend einige Abänderungen und Ergänzungen der Strafprozeß⸗ ordnung vom 1. Februar 1877 und der Zivilpreleß ordnung vom 50. Januar 18577, sowie Aenderungen des Strafgesetz— buchs vom 26. Februar 1876, zugegangen.

Arbeiterbewegung.

In Breslau hatten die Tischler an ihre Arbeitgeber neue Forderungen wegen der Arbeitszeit und des Stundenlohns gestellt Wie nun der Berliner .Volks⸗Zig.“ telegraphiert wird, lehnten die Tischlerinnung und die Freie Vereinigung der Möbelfabrikanten die Forderungen der Gesellen ab. Der Ausstand sollte infolge dessen heute beginnen.

In Brandenburg a. H. ist am Freitag, wie der Br. Anz.“ berichtet, der Maurerausstand, der am 1. April begonnen hatte, auf Grund vom Stadtbaurath gemachter und von beiden Seiten an- genommener Vorschläge beigelegt worden.

In Leipzig ist einer Mittheilung des „Vorwärts“ zufolge der Aus stand in der Piano fortemechaniken-Fabrik von Morgen- stern u. Kotrade im Sinne der Arbeiter beendet worden. (Vergl. Nr. 107 8. Bl.) .

Hier in Berlin ist nach demselben Blatt in dem Schuh⸗ macherausstand bei den Firmen Reiß, Dearneborg und Stolzen berg eine Einigung zwischen den Arbeitgebern und Arbeitern erfolgt. (Vgl. Nr. 105 d. BI.). .

In Narva sind, wie der „Köln. Ztg.“ aus St. Petersburg telegraphiert wird, die Arbeiter der dortigen (Kränholm'schen) Aktien Baumwollspinnerei in den Ausstand getreten.

Kunst und Wissenschaft.

Als jüngst die Reliefs der Marcus-Säule auf Piazza Colonna in Rom für die Herausgabe photographiert wurden, welche inzwischen in dem Werke von an,, von Domaszewski und Calderini, mit einem Beitrage auch von Mommsen, erschienen ist, wurden auch von einzelnen Theilen der Reliefs Formen genommen, welche die Königlichen Museen hier zur Vervielfältigung erhalten haben. Die Abgüsse sind jetzt in der Formerei der Königlichen Museen in Charlotten⸗ burg, Sophie⸗-Charlotten⸗Straße 17/18, dicht neben der Stadt⸗ bahnstation Westend, in den Wochentagen von 9 Uhr Vor⸗ mittags bis 4 Uhr Nachmittags zur Besichtigung ausgestellt, aber nur bis zum 22. Mai.

Bekanntlich ist die Säule mit ihrem reichen Bilderschmuck in Nachahmung der Trajanssäule errichtet zur Verherrlichung der Siege des Kaisers über germanische und sarmatische Stämme im March- und Theyß⸗Lande, Siege, welche im Triumphe des Jahres 176 n. Chr. gefeiert wurden. Die Darstellungen sind somit ein besonders altes Blatt aus der Geschichte auch unserer Volksstämme. Wenn sie demnach wohl geeignet sind, ein allgemeineres Interesse als nur das der Spezialforscher zu erwecken, so muß auf die gegenwärtige Aus⸗ stellung in der Museumsformerei um so mehr hingewiesen werden, als die Abgüsse hier nicht nur zum ersten, sondern wahrscheinlich auf geraume Zeit hin auch zum letzten Mal allgemein zugänglich zu sehen sind. Sie nehmen bei einer Höhe von reichlich über einem Meter eine Gesammtlänge von etwa 50 Metern ein, und bei der immer gesteigerten Raumnoth unserer Museen, bei welcher es unmög⸗ lich ist, so viele und noch viel werthvollere Sammlungsgegen⸗ stände als diese dem Publikum sichtbar zu machen, werden sie, da auch der Raum in der Formerei nicht länger zur Ver⸗ fügung gestellt werden kann, nach dem 22. Mai in ihrer Ge⸗ fammtheit wenigstens der Betrachtung wieder entzogen werden müssen. Die hlesigen Abgüsse sind aber neben einem der Königlich italienischen Regierung in Rom verbliebenen Exem— plar die einzigen bis jetzt vorhandenen.

Bei der Auswahl der abzuformenden Stücke hat man sich davon leiten lassen: einmal Einzelheiten der Körper⸗ eischeinung, der Tracht, der Wohnungen, Befestigungen u. s. w. der uns doch besonders interessierenden Römerfeinde heraus⸗ zusuchen, dann aber auch ganze, besonders merkwürdige unter den dargestellten Kriegsereignissen vorzuführen. .

Unker diesen Ereignissen hat keines bisher so sehr die Aufmerksamkeit erregt, ist Gegenstand so eingehender Unter⸗ suchungen und Erörterungen gewesen, wird auch jedem heutigen Beschauer so anziehend eischeinen, wie das wohl kurz so genannte „Regenw under“. Das an Heer war in Be⸗ draͤngniß durch Wassermangel. Seiner Noth wurde abgeholfen durch einen gewaltig ausbrechenden Regenguß, der den Römern Trank für Menschen und Thiere, zugleich aber ihren Feinden im Berglande durch seine plötzlichen Fluthen Verderben brachte. Der Vorgang machte einen gewal⸗ tigen Eindruck, welcher sich bis in die Legende hinein fort= setzte, daß christliche Soldaten im römischen Heere durch Gebet zu ihrem Gotte die himmlische Hilfe herbeigeführt hätten. In dieser über drei Meter langen Darstellung bieten die Säulen⸗ reliefgs eine in plastischer Kürze gefaßte authentische . wärtigung des Ereignisses, zeigen das römische Heer auf dem Marsche, den Regen personifiziert in einer gewaltigen ge⸗ flügelten Manneserscheinung, von deren Bart und ausge⸗ breiteten Armen das Wasser entströmt, von einzelnen Römern