1897 / 113 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 14 May 1897 18:00:01 GMT) scan diff

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me mee.

andlungen mit Ungarn sofort abzubrechen, ein ein⸗ ah ges Provisorium auf Grund des status quo zu chaffen und inzwischen die Vorarbeiten zu einer Personal⸗ Union mit Ungarn vorzunehmen. Die Abgg. Lecher und Genossen beantragten die Einführung der Sonntags⸗ ruhe bei staatlichen Aemtern, Kredit⸗Instituten u. J w. Die . Daszynski und Genossen interpellierten über die Aufforderung der Großmächte an die Türkei, ein weiteres militärisches Vorgehen sofet einzustellen, mit der Be⸗ . Desterreich⸗Ungarn sei an der Gestaltung der

inge im Orient in erster Linie interessiert. Die Inter⸗ pellanten verlangten deshalb von dem Minister⸗Präsidenten Aufklärungen vor dem Hause auch über den Stand der Interventions-Verhandlungen.

Nach dem gestern verkündeten Urtheil des Inkompati⸗ bilitäts⸗ Au sschusses des ungarischen Unterhauses liegt bei den Abgg. Stefan Tisza, Karl Hieronymi, Rosen⸗ berg, Benke, Neumann, Enyedy und Tolnay kein Inkompati⸗ bilitätsfall vor.

Großbritannien und Irland.

Das Unterhaus genehmigte gestern mit 221 gegen 90 Stimmen die zweite Lesung der Bill, welche die Einfuhr von Waaren verbietet, die in ausländischen Gefängnissen an⸗ gefertigt sind.

Rußland.

Der Herzog Paul Friedrich zu Mecklenburg ist

Ilten Abend in St. Petersburg eingetroffen und von dem

roßfürsten Wladimir Alexandrowitsch auf dem Bahnhofe empfangen worden.

Der französische Botschafter Graf Lannes de Monte⸗ bello ist am Mittwoch von St. Petersburg nach Paris ab⸗ gereist.

Italien.

Die Deputirtenkammer sehte gestern die Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Neorganisation der Armee, fort. Der Minister⸗Präsident di Ru dini erklärte, folgende von den Deputirten Palberti, Chinoglia und Sola einge⸗ brachte Tagesordnung annehmen zu wollen: „Die Kammer nimmt Akt von den Erklärungen der Regierung.! Diese Tagesordnung, welche den Charakter eines Vertrauens votums hat, wurde in namentlicher Abstimmung mit 224 gegen 1I5 Stimmen angenommen. Sodann beschloß die Kammer, in die zweite Lesung des Gesetzes einzutreten.

Spanien.

Der General Polavieja ist, wie das „Reuter sche Bureau“ meldet, gestern Vormittag von den Philippinen in Barcelona eingetroffen. Zum Empfange waren die Behörden und der Klerus erschienen, die den General zur Kathedrale geleiteten, wo ein Tedeum abgehalten wurde.

Schweiz.

Die Kommission des Ständeraths für die Be— rathung des Rückkaufs der Eisenbahnen hat sich, ohne eir Schlußabstimmung vorgenommen zu haben, getrennt. Yo. Wiederzufammentritt, welcher in Basel erfolgt, wurde kf den 2. Juni festgesetzt.

Türkei.

Das Wiener „Telegr⸗Korresp. Bureau“ berichtet aus Kon⸗

stantinopel, daß bie Pforte den vorgestern erfolgten Schritt ber Boischafter entgegenkommend aufgenommen, bis jetzt aber

keine Antwort ertheilt habe. Diese Verzögerung werde damit erklärt, daß die Pforte vorerst die im Zuge befindlichen mili⸗ tärischen Operationen, welche durch Terrainschwierig⸗ keiten und starke Regengüsse eiwas verzögert worden seien, beenden und sich vor Einstellung der eindseligkeiten eine günstige Demarkationslinie für den . schaffen wolle. Gestern Mittag hat, wie „W. T. B.“ meldet, abermals eine Konferenz der Botschafter statt⸗ gefunden. ;

Dem Blatte „Sabah“ wird aus Larissa vom Mittwoch emeldet, daß 6 Bataillone der Division Karahissar von arissa, 4 Bataillone unter Islam Pascha von Diskata und Bataillone der Division Medschwne von Janina gegen Kalabaka marschierten.

Einer Depesche des Blattes „Ikdam“ aus Larissa zu⸗ folge, ist der Souschef des Generalstabes Sei fullah Pascha in der Racht zu gestern mit einem Regiment nach Tschaighazi abgegangen.

Aus Domoko ist in Athen die Nachricht eingetroffen, daß die türkischen Truppen Bewegungen ausgeführt hätten, welche auf einen demnächstigen Angriff schließen ließen. Nach einer Meldung der „Morning Post“ aus Domoko von gestern früh wäre die Räumung von Domoko wahr⸗ scheinlich. Eine Anzahl Truppen sei bereits abgegangen. Jedenfalls seien dort keine Vorkehrungen getroffen, den Türken standzuhalten. ĩ (.

Aus Vonitza wird gemeldet, daß griechische Truppen mit einer Abtheilung Epiroten jenseits der Mündung des Luros unter dem Feuer einer Batterie von Nikopolis gelandet ig, Gleichzeitig habe das griechische Westgeschwader einen

ngriff auf Prevesa gemacht. Die griechische Avantgarde 9 die türkische Avantgarde zurückgeworfen. Der Vormarsch er Brigade Bairaktaris gegen n ar gehe ohne Hinderniß von statten.

Aus Arta wird berichtet: der Oberst Bairaktaris habe gestern ein Gefecht in der Umgegend von Imaret gehabt. Ein griechischer Major, 4 Offiziere und AN Soldaten seien verwundet worden. Die Türken hätten sich zurückgezogen bis auf eine kleine Abtheilung, welche von den Grlechen ein⸗ geschlossen sei. Die Brigade Golfinopulos sei bis nach Chalikiadei vorgerückt, welches besetzt worden sei, und habe sodann den Vormarsch fortgesetzt, um die eiserne Brücke über den Luros in Besitz zu nehmen und so einen Widerstand Prevesas unmöglich zu machen. Der Oberst Manos habe sich in Imaret festgesetzt.

Aus Kanea vom gestrigen Tage meldet die „Agenzia Stefani“, daß vor Platan ia drei Dampfer eingetroffen seien, um die griechischen Truppen an Bord zu nehmen; diese hätten jedoch infolge der Schwierigkeit der Zustellung der telegraphisch übermittelten Instruktionen, der griechischen Reglerung noch keinen Befehl erhalten, in die Heimath zurüͤck⸗ ukehren. Die Admirale erleichterten die Uebermittelung und

,. der auf die Zurückberufung der griechischen Truppen bezüglichen Depeschen. Die Einschiffüng der Truppen werde voraussichtlich heute noch ihren Anfang nehmen.

Einer Meldung der „Times“ aus Athen von gestern ufolge hat die griechische Regierung, da ihr no keine . über den K eines Waffenstillstandes i hegen gn ist, dem Obersien Bairaktaris den Befehl ertheilt, n Epirus vorzugehen.

Der bei der Insel Tenedos gekaperte Dampfer der adjidauti⸗Gesellschaft ist, wie die „Agence Havas“ meldet, im iräus eingetroffen, wo er von dem Kriegs⸗Minister famados besichtigt wurde. Die Gefangenen sollen nach

Nauplia gesandt werden.

Rumänien.

Der König und die Königin sind gestern Abend von Abbazia wieder in Bukarest eingetroffen. In Predeal wurden die Majestäten von sämmtlichen Ministern und in Bukarest von der Prinzessin Ferdinand, den Gemahlinnen der Minister und den Würdenträgern begrüßt. Der Prinz Ferdinand war durch Unwohlsein am Erscheinen verhindert.

Parlamentarische Nachrichten.

Im Hause der Abgeordneten gelangte in der heutigen G64) Sitzung, welcher der Finanz⸗Minister Dr. von Miquel und der Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr e n , beiwohnten, zunächst der Gese entwurf, betreffend die Entschädigung für Verluste durch Schweinekrankheiten in der Provinz Schlesien, zur ersten Berathung.

Abg. Ring (kons.): Eine Schweineversicherung für Schlesien hat gar keinen Zweck, n,, nicht eine totale Grenzsperre gegen Rußland eintritt; denn von Rußland werden die Seuchen eingeschleppt. Ber der Berathung meines Viehseuchenantrags empfahl der Minister dem von mir nach Schlesien geschickten Thierarzt den Weg der Privatklage gegen den, Grenz, Thierarzt von Beuthen, der über den. ersteren einen, falschen Bericht an das Ministerium gesandt hatte. Die Klage ist vom Gericht in Beuthen zurückgewiesen worden, da das Gericht, nachdem der Staats⸗ anwalt in Beuthen in diese Privatklage eingegriffen hatte, dem Grenz-⸗Thierarzt den Schutz des 3 193 zuerkanntke. Die Angabe des Grenz ⸗Thierarztes, daß mein Thiergrzt sich heimlich im Seu engebiet aufgehalten hat, ist aber thatsächlich unrichtig. Es ist unerhört, daß das' Gericht die Klage abgewiesen hat und dem Kläger die Möglichkeit genommen hat, sich zu rechtfertigen. Ich bitte daher den Minister um eine Ehrenerklärung fur den Beleidigten.

Minister für Landwirthschaft c. Freiherr von Hammerstein: Es sst nicht richtig, daß jener Thierarzt auf meine Veranlassung die Klage angestellt hat. Das Verhalten des Staatsanwalts im Pro⸗ zesse unkerliegt nicht meiner Kritik, sondern der des Justiz⸗Ministers. Die Vorgänge, uber welche mir der Grenz ⸗Thiergrit Mittheilung machte, daß der betreffende Thierarzt sich hinter dem Rücken des Grenz- Thierarztes dort aufgehalten habe, werden hoffentlich in der zweiten Instanz vor Gericht klar gestellt werden.

Abg. Gamp fr. n ) bemerkt, daß die Ehre jenes Thierarztes durch eine Unterfuchung wiederhergestellt werden müsse, und beantragt die Ueberweisung der Vorlage an die um 7 Mitglieder zu verftärkende Agrarkommission. Der Zwangs versicherung nach der Vor⸗ lage sei eine freiwillige . vorzuziehen. Eine Zwangsversicherung für Hagelschäden wäre nöth ger als diese Vorlage. Wenn die Züchter so hohe Verficherungsbeiträge zahlen müßten, rentiere sich die ganze Schweinezucht nicht mehr, und die Züchter würden nachlässig in der Pflege der Schweine, wenn sie für Verluste entschädigt würden. Die ganje An⸗ gelegenheit sei noch nicht geklärt und spruchreif, und wenn die Re⸗ gierung nicht die völlige Grenzsperre gegen Rußland einführe, habe der Gesetzentwurf überhaupt keinen Zweck. Redner kritisiert ferner die einzelnen Bestimmungen der Vorlage und meint namentlich, daß die in Aussicht genommene Versicherungsprämie von 250 6 Pro Jahr und Schwein garnicht ausreichen werde, Mindestens müßten die Provinzen Pofen und Brandenburg eben slche Gesetze erhalten. Aber in Brandenburg sei man einer Zwangsversicherung nicht geneigt.

Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammerstein betont nochmals, daß er das Verhalten des Staatsanwalts in Beuthen nicht zu kritisteren und nur die Hoffnung ausgesprochen habe, daß im weiteren gerichtlichen Verfahren die Angelegenheit klargestellt werde.

Geheimer DOber⸗Regierungs Rath Freiherr von Se herr⸗Thoß widerlegt die einzelnen Bedenken des Abg. Gamp. Auf Wunsch des ö. habe die Regierung den vor zwei Jahren vorgelegten gleichen

ntwurf für den ganzen Staat fallen gelassen und nur ein Provinzialgesetz vorgeschlagen. Der Provinzial Landtag von Schlesien habe ein solches Gesetz gewünscht. Auf eine Ver— sicherung in einzelnen Kreisen könne die Regierung nicht eingehen. Die Berechnung von 2.59 an Prämie bedeute nur, daß diefer Satz, selbst wenn er erforderlich sein würde, nicht so hoch ge—⸗ griffen sei; thalsächlich werde sich die Prämie nur auf 1B,20 S peo Fahr und Schwein stellen. Wenn Brandenburg und Pssen auch eine solche Versicherung wünschten, so würde daäs nur dem Wunsche der Regierung selbst entsprechen.

Abg. von Kölichen (kons) spricht sich namens eines großen Theils feiner Freunde sympathisch zu der Vorlage aus, meint aber doch, daß sie in ihrer gegenwärtigen Fassung nicht verabschiedet werden könne. Die Zwangsverisicherung sei allerdings nothwendig; denn bis jetzt seien nur 1909/0 der Schweinebesitzer versichert; aber dem Provinzial⸗ Landtage müsse volle Freiheit gegeben. werden, wann und, in welcher Weise er die Versicherung einführen wolle, und mindestens müsse das Gesetz auch für Brandenburg und Posen eingeführt werden. Das Gefetz könne daher erst erlassen werden, wenn die Verhältnisse durch das Votum der Provinzial Landtage von Brandenburg und Posen klargestellt seien und man die Sicherheit erhalte, eine Reglerung zu haben, welche unsere Landwirthschaft durch die völlige Sperrung der Grenze zu schützen bereit sei. Eine bloße Erklarung, daß die Regierung die Grenze sperren werde, könne nicht genügen. Der Minister habe die Grenzsperre gegen Rußland aber für unmöglich erklärt. Wenn seine Bedenken beseitigt würden, könne er später dem Gesetz zustimmen.

Nach weiterer längerer Debatte wird der Gesetzentwurf an die verstärkte Agrarkommission verwiesen. (Schluß des Blattes.)

Der dem Hause der Abgeordneten zugegangene Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung und Abänderung von Be⸗ stimm ungen über Versammlungen und Vereine lautet:

. Arti!

Versfammlungen, welche den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder welche die öffentliche Sicherheit, insbesondere die Sicherheit des Slagtes, oder den öffentlichen Frieden gefährden, können von den TJbgeordneten der Poltzeibehörde (z 4 der Verordnung vom 11. März 1850 Gesetz⸗Samml. S. 277) aufgelöst werden.

Artikel II.

An Versammlungen, in denen politische Angelegenheiten erörtert

oder berathen werden, dürfen Minderjährige nicht theilneh men. Artikel III. .

Vereine, deren Zweck oder Thätigkeit den Strafgesetzen zuwider⸗ läuft oder die öffentliche Sicherheit, insbesondere die Sicherheit des Staates, oder den öffentlichen Frieden gefährdet, können von der Landes⸗Polizeibehörde geschlossen werden.

Vereine, welche el. rte Gegenstzrbe in Verf

23 reine po genstände in Versamm⸗ lungen zu erörtern (6 8 der Holen, vom 11. März 1850), dũrfen an , nicht als Mitglieder aufnehmen.

Den Versammlungen und 8. solcher Vereine dürfen Minderjährige nicht beiwohnen. uf diejenigen Beranstaltungen, welche unter Ausschluß politischer i, . lediglich n 3 1 dienen, findet dieses Verbot leine Anwendung. An sol

eranstaltungen dürfen auch weibliche Personen theilnehmen.

Die Verbindung von Vexeinen unter einander ist mit der Maß. 9 zulässig, daß politische Vereine (Übs. I) nicht ohne Erlaubn es Ministers des Innern mit außerdeutschen Vereinen in Verbindung treten dürfen.

Die Bestimmungen in 586 der Verordnung vom 11. März 1859 soweit sie Schüler und Lehrlinge betreffen, werden aufgehoben.

Artikel V. ;

Werden Minderjährige aus einer politischen Versammlung (Art. II oder aus Versammlungen oder Sitzungen politischer Ver⸗ eine (Art. IV) auf die Aufforderung der Abgeordneten der Polizei. behörde nicht entfernt, so kann die polizeiliche Auflösung der Ver— sammlung oder Sitzung erfolgen.

Im Falle der Auflösung einer Versammlung (Sitzung) auf Grund der vorstehenden Bestimmung oder des Artikels 1 finden die S5 6 und 15 der Verordnung vom 11. März 1860 Anwendung.

Wer als Vorstandsmitglied oder Beamter eines auf Grund des Artikels III geschlossenen Vereins thätig ist, oder Versammlungen eines solchen Vereins veranstaltet, dazu öffentlich einladet oder Räum. lichkeiten herglebt, oder daran als Vorsteher, Ordner, Leiter oder Redner sich betheiligt, hat die Strafe des 5 14 der Verordnung vom 11. März 1850 verwirkt. Die gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher in sonstiger Weise der ferneren Thätigkeit eines geschlossenen Vereins Vorschub leistet. Wer sich bei einem geschlossenen Verein als Mitglied ferner betheiligt, unterliegt der n ch des F 16 Absatz?

a. a. O.

Bei Zuwiderhandlungen gegen Artikel 17 Absatz 1 und 3 findet der 5 8 Äbsatz 2 und der 5 16 der Verordnung vom 11. März 1850 Anwendung.

Minderjährige, welche sich der Vorschrift des Artikels I Abs. 1 zuwider als Mitglieder aufnehmen lassen, unterliegen der Strafe des §z 16 Abs. 3 a. a. O.

Dem Gesetzentwurf ist folgende Begründung beigefügt:

Die grundlegenden Bestimmungen fun das preußische Vereins- und Versammlungsrecht sind in den Artikeln 29 und 30 der Ver. . für den preußischen Staat vom 31. Januar 18503) enthalten.

Zur Ausführung dieser Bestimmungen ist die Verordnung über die. Verhütung eines die gesetzliche Freiheit und Ordnung gefährdenden Mißbrauchs des Versammlungs⸗ und Vereinigungsrechtes vom 11. März 1855 (GesetzSamml. S. 277) ergangen, welche auch in den neu er⸗ worbenen Ländestheilen mit Gesetzeskraft eingeführt werden ist. (Ver. ordnung vom 13. Mai, 22. Mai, 25. Juni und 20. September 186 GesetzSamml. S. 700 729, 921, 1534 -; Gesetz vom 23. Juni 1876 Gesetz⸗Samml. S. 169 und vom 18. Februar 1891 Gesetz Samml. S. 11) Die Verordnung war nicht dann bestimmt, das Versammlungs⸗ und Vereinswesen erschöpfend zu regeln. Wie schon ihre Ueberschrift andeutet, beschränkt sie sich darauf, einzelne Arten der Ausübung des verfassungs—⸗ mäßigen Versammlungs⸗ und Vereinigungsrechts ihren Vorschriften zu unterwerfen, um mißbräuchliche Auswüchse zu verhindern. Neben diefer Verordnung finden auf Versammlungen und Vereine abge— sehen von den dem Landesrechte vorgehenden reichsgesetzlichen Be⸗ stimmungen auch die allgemeinen landesgesetzlichen Bestimmungen Anwendung, insowelt nicht die Vorschriften der Verfassungsurkunde entgegenstehen. Mit dieser Einschränkung können daher die Befug⸗ nisse der Verwaltung gegen eine Mehrheit von Personen bei Aus⸗ übung des Vereins“ und Versammlungsrechts in gleicher Weise zur Geltung gebracht werden, wie gegen das Verhalten einzelner Personen. Vornehmlich kommt hier 52 Tit. 17 Theil UL des Allgemeinen Land— rechts, wonach die Polizei befugt ist, strafbare Handlungen durch ihr Einschreiten zu verhüten, und zunächst der 5 10 a. 4. O. in Betracht, welcher lautet:

„Die nöthigen Anstalten zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Sscherheit und Ordnung, und zur Abwendung der dem Publiko, oder einzelnen Mitgliedern desselben bevorstehenden Gefahr zu treffen, ist das Amt der Polizei.

Ble letzterwahnte Vorschrift ist einer sehr weitgehenden und als, dann sehr wirksamen Auslegung fähig, welche indessen für das Vereink⸗ und Versammlungswesen in der Praxis auf Schwierigkeiten stößt, weil das Verhältniß jener Vorschrist zu den besonderen Be⸗ stimmungen der Verfassung und der Verordnung vom 11. März 1850 in dem offentlichen Rechtsbewußtsein nicht zur völligen Klarheit, und in der Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte und Verwaltungsgerichte nicht zu einer festen, die Bedürfnisse der Verwaltung befriedigenden Auffassung gelangt ist. Was aber die Sonderbestimmungen der vor nahezu fünfzig Jahren erlassenen Verordnung vom 11. März 1850 anlangt, so haben diese nicht alle mißbräuchlichen Auswüchse des in schneller, fortschreitender Entwickelung gesteigerten Vereins⸗ und Ver⸗ sammlungfwesens zu treffen und zu verhüten vermocht. Das Be— dürfniß zur Feststellung und Verstärkung der staatlichen Machtmittel macht sich daher um so dringlicher geltend, je eifriger und um fassender das Versammlungs⸗ und Vereinswesen unter Leitung geschickter Agitatoren dazu benutzt wird, die staatliche und soziale Srdnung anzugreifen und Propaganda für staatsfeindliche Be⸗ strebungen zu machen Als besonderer Uebelstand wird es empfunden, daß die gesetzlichen Vorschriften häufig versagen, be die Auflösung? von Versammlungen geboten, ist, well sie die öffentliche Sicherheit, insbesondere die Sicherheit des Staates, oder den öffentlichen Frieden gefährden. Es darf hier namentlich an die zahlreichen öffentlichen Anarchisten⸗Versammlungen erinnert werden, die in Berlin und in der Pcopinz abgehalten worden sind. Desgleichen ist das geltende Recht darin lückenhaft, daß es keine ausdrückliche gesetzliche Befugniß zur Schließung von Vereinen gewährt, welche zwar die Strafgesetze nicht nachweisbar verletzen, wohl aber unter Gefãhr⸗ dung der öffentlichen Sicherheit oder des öffentlichen Friedens dat freie Vereinsrecht mißbrauchen. Hierdurch wird die Autorität den Staates geschädigt, das Rechtsgefühl, des Volkes verwirrt, welche nicht versteht, warum man offenkundig staats— und gemein gefãhrliche Bestrebungen in Versammlungen und Vereinen gewähren läßt.

Die Staatsregierung hat sich daher für verpflichtet gehalten, in eine Prüfung der Bestimmungen über Versammlungen und Vereine einzutreten. Hierbei ist sie davon ausgegangen, daß es nicht angezeigt fei, das preußische Vereins- und Versammlungwesen für das offen liche Recht in erschöpfender und alle Wünsche befriedigender Weise von Grund aus neu zu regeln, sondern daß es lediglich daraus an. komme, bis zum Erlaß eines Reichs, Vereinsgesetzes die landesrechtlichen Beftimmungen in denjenigen Punkten zu ergänzen und zu ändern, in denen ein dringendes Bedürfniß hierzu sich ergeben hat.

7 Artikel 29. .

Alle Preußen sind berechtigt, sich ohne vorgängige obrigleitlic Erlaubniß friedlich und ohne Waffen in geschlossenen Räumen in versammeln. ;

Biefe Bestimmung bezieht sich nicht auf Versammlungen unter freiem Himmel, welche auch in Bezug auf vorgän i obrigkeitliche Erlaubniß der Verfügung e,, . nd.

itikel 30.

Alle Preußen haben das Recht, sich zu solchen Zwecken, welche den 3 nicht zuwiderlaufen, in Geselsschaften zu verein

Das Gesetz regelt, insbesondere zur Aufrechterhaltung der ossen, lichen Sicherbeit, die Ausübung des in diesem und in dem dor stehenden Artikel (23) gewährleisteten Rechts. = nder

Politische Vereine können Beschränkungen und vorübergebt Verboten im Wege der Gesetzgebung unterworfen werden.

a diesen Erwägungen ausgebend, ist eine Feststellung und Er= 9g der Vorschriften in Aussicht 826 welche auf die mg von Versammlungen und ie Schließung von Vereinen

mngesichts der im öffentlichen Leben immer schãrfer hervortretenden Densckze, insonder heit im Hinblick guf die Bestrebungen, die Jugend as politis Getriebe hineinzuziehen, . ferner der gegenwärtige ulaß dazu benutzt werden, di; Grund ätze für die Betheiligung agendlicher . an politischen Versammlungen und Vereinen eit zu regeln. mndeg er fer; des Entwurfs stellen i nicht als Neuerungen auf dem Gebiete des Vereinsrechts dar. bgesehen davon, daß sie

Hauptfache nach demjenigen Rechtszustande entsprechen, welcher bereiz jetzt von der Verwaltung in Anjpruch genommen, aber nicht unangefochten geblieben ist, schließen sich die neuen Vorschristen an die Heseßgebung an, welche in anderen deuischen Bundesstaaten, nament⸗ sich in Bayern und Sachfen gilt. Sie follen der preußischen Regie⸗ rung, welche Vereinen und Versammlungen gegenüber erfahrungs⸗ gemäß erheblich ungünstiger, als andere Bundesregierungen gestellt sst, nur diejeni c gniffe gewähren, welche das staatliche Interesse

ingend erheischt.

9 hem die Staatsregierung nach den erörterten Vorschlägen wirk⸗ samer⸗ Machtbefugniffe erhält, wird sie andererseits in die Lage gesetzt, bre Bedenken gegen die Aufhebung der Bestimmung des F 3 der Verordnung, gemäß welcher die dort bezeichneten politischen Vereine icht mit Vereinen gleicher Art zu gemeinsamen Zwecken in Verbin. dung treten dürfen, abgesehen von internationalen Verbindungen = zurücktreten zu lassen. Hierbel ist auch erwogen, daß jene be= schräͤnkende Vorschrift vielfach in einer die Autorität des Gesetzes be⸗ nachtheiligenden Weise umgangen wird.

Pie unpartenifche und gleichmäßige Auslegung und Anwendung der vorgeschlagenen Bestimmungen, wird dadurch verbürgt, daß gegen die wegen gef ng von Versammlungen oder Schließung von Ver⸗ einen erlassenen pollzeilichen Verfügungen in gleicher Weise, wie gegen polijeiliche Verfügungen überhaupt, die Rechtsmittel des Gesetzes über bie allgemeine Landesverwaltung, also auch die Klage im Verwaltungs⸗ streitwerfahren, Platz greifen. Außerdem verbleibt in den Fällen des Art. V Abs. 4 des Entwurfs, wonach ein politischer Verein von der Polizeibehörde vorläufig geschlossen werden kann, wenn er Minder jährige als Mitglieder aufgenommen hat oder wenn er ohne Erlaubniß unit außerdeutschen Vereinen in Verbindung getreten ist, auch in Zu⸗ funft die endgüättige Entscheidung dem ordentlichen Richter.

Der Enkwurf soll, wie erwähnt, das geltende Recht nur in einelnen Punkten ergänzen und abändern; er trägt den Charakter einer Rovelle. Hieraus ergiebt sich, daß, foweit seine Bestimmungen nicht entgegenstehen, das geltende Recht auf dem Gebiete des Ver⸗ sammlungg. und Vereingzwesens ur w erührt bleibt. Namentlich gilt hies auch bezüglich der allgemeinen Befugnisse der Polizei, welche sich auf den obenerwähnten 8 1011, 17 Allgemeinen Landrechts gründen.

Im einzelnen ist Folgendes zu bemerken:

Zu Artikel I. .

Ueber die Auflösung von Versammlungen enthält die Verordnung vom II. März 1850 Vorschriften in 5 5 und § 8 Abs. 3. Hiernach können Versammlungen polizeilich aufgelöst werden:

I) wenn die Bescheinigung der erfolgten Anzeige nicht vorgelegt werden kann;

Y wenn in der Versammlung Anträge, oder Vorschläge erörtert werden, die eine Aufforderung oder Anreizung zu strafbaren Hand⸗ lungen enthalten;

3) wenn in der Versammlung Bewaffnete erscheinen, die der polizellichen Aufforderung , . nicht entfernt werden.

Für Versammlungen und Sitzungen der in 5 3 erwähnten Ver⸗ eine, welche bezwecken, politische Gegenstände in Versammlungen zu erörtern, gilt ferner die Beschränkung, daß Grund zur Auflösung vor⸗ handen ist, wenn dem gesetzlichen Verbot zuwider, Frauengpersonen, Schüler oder Lehrlinge beiwohnen und auf polizeiliche Aufforderung nicht entfernt werden.

Außerdem kommt für die Auflösung von Versammlungen der eingangs eiwähnte 10 Titel 17 Theil 11 des Allgemeinen Land—⸗ rechts in Betracht. Die Anwendbarkeit dieser älteren Bestimmung für die Auflösung von Versammlungen ist indessen nach Umfang und Wirkfamkeit nichk zweifelsfrei und nach der Rechtsprechung des Ober⸗ Verwaltungs gerichts eine beschränkte. Die Auflösung soll insbesondere nur dann zusässig fein, wenn sie nicht bloß ein wirksames, sondern daz nothwendig Mittel zur Sicherung der Zwecke des 5 10 ist. (Endurtheil des Sber⸗Verwaltungsgerichts vom 16. Oktober 1884, wiedergegeben in der Rundverfügung des Ministers des Innern vom . 18389, Ministerialblatt für die innere Verwaltung

Um in umfassenderer Weise für Fälle, in denen im staatlichen Interesse die Fortsetzung von Versammlungen nicht geduldet werden kann ein sicheres Einschreiten zu ermöglichen, erscheint es erforderlich, die Vorausfetzungen hierfür in einer neuen Vorschrift festzustellen. Es soll deshalb zunächst bestimmt werden, daß Versammlungen, welche den Strafgesetzen zuwiderlaufen, aufgelöst werden können. Weiter soll die pollzeiliche Auflöfungsbefugniß klargestellt werden, wenn eine Versammlung die öffentliche Sicherheit, insbesondere die Sicherheit des Staates oder den öffentlichen Frieden gefährdet. Die Worte: „insbefondere die Sicherheit des Staates“ sind eingeschaltet, um den wichtigsten Fall des Thatbestandes besonders hervorzuheben. Anstatt der Begriffe: „öffentlich Ruhe und Ordnung“, wie sie die obenerwähnte landrechtliche Bestimmung enthält, ist neben der öffentlichen Sicherheit der im Strafgesetzbuch berwerthete Begriff des „öffentlichen Frieden“ eingesetzt. Dieser Begriff hat nach der Recht⸗ sprechung des Reichsgerichts eine doppelte Bedeutung; ob ektiv be⸗ trachtet, der Friedenszustand; subjektin genommen, die Friedenszuversicht.

Zu Artikel II. .

Nach dem geltenden Rechte besteht, soweit jugendliche Personen in Betracht kommen, eine Beschränkung lediglich für Schüler und Lehrlinge, und zwar dahin, daß diese Personen von der Mitgliedschaft an Vereinen, welche bezwecken, politische Gegenstände in Versamm⸗ lungen zu erörtern, sowie von deren Versammlungen, und Sitzungen autgeschloffen find (5 5 der Verordnung vom 11. März 1850. Dieser Rechtszustand ist in zweifacher Beziehung mangelhaft, nämlich insofern, als von den jugendlichen Personen nur Schüler und Lehrlinge von politischen Vereinen ausgeschlossen sind, und als ferner das Verbot sich auf, die Theilnahme an Vereinsbersammlungen be · schränkt, aber nicht die fonstigen politischen Versammlungen betrifft.

Unter den heutigen Verhältnissen bildet der Begriff; „Schüler und Lehrlinge“ keine ' angemessene Begrenzung, wenn es sich um die Frage handelt, welche Personen vom politischen Leben um deswillen fern zu halten sind, weil bei ihnen im allgemeinen die erforderliche Reife in geistiger und in sittlicher Beziehung nicht vorausgesetzt werden kann. Vielmehr erscheint es folgerichtig, lediglich durch eine Alters⸗ grenze zu bestimmen, daß die Theil nahme am pPolitischen Vereins / und

ersammlungswesen allgemein nicht vor der Volljährigkeit zugelassen wird, indem die Minderjährigen ohnehin 21 allgemeinen Ver- e,, von der Äutübung politischer Rechte ausgeschlossen sind. Ilach der Entwickelung unsereg politischen Vereins! und Ver⸗ aammlungöwesens ist ferner in dieser Beziehung kein innerer Grund vorhanden, zwischen politischen , , , und anderen politischen' Versammlungen, die nicht von solchen Vereinen veranstaltet nd, zu unterscheiden. Es ist deshalb vorgesehen, daß zukünftig inderjährige an Versammlungen, in denen , . Angelegenheiten erörtert oder berathen werden, überhaupt nicht theil nehmen dürfen, wobel es keinen Unterschied machen soll, ob diese Versammlungen von ereinen veranstaltet sind, oder nicht. Insofern Wahlversammlungen politische Versammlungen im Sinne dieses Artikels sind. werden inder r guch diesen künftig nicht beiwohnen dürsen. Wenn inn 5 17 ves Wahlgesetzes für den ihc gen si, al ee, ö r, S äh er risten ist 3 die Wahlberechtigten das Recht haben, zum Betriebe der den eichstag beireffenken Wahsangelegenheiten in geschlossenen Näumen gn net öffentliche Versammlungen zu veranstalten, so steht diese orschrit dem Augschlusse der Mindersährigen von solchen Wahl

versammlungen nicht entgegen. Denn aus der Bezeichnung õff entliche Versammlungen! folzt 23 daß jedermann Zutritt haben up und durch den Ausschluß einer bestimmten Klasse don Personen, hier der Minderjährigen, wird einer Versammlung der Charakter der Oeffent⸗

lichkeit nicht entzogen. Zu Artikel III.

Hinsichtlich der Vereine enthält die Verordnung vom 11. März 18650 Verbots bestimmungen nur insofern, als sie zuläßt, daß politische Vereine, welche die Beschränkungen des 5 3 überschreiten, von der

olijeibehörde vorläufig und durch richterliches Urtheil endgültig ge⸗ chlossen werden können. (65 8, 16.)

Eine Befugniß jum Verbot von Vereinen, deren Zwecke den Strafgesetzen zuwiderlaufen, ist in der Verordnung vom 11. März 18650 nicht enthalten; f wird indessen aus dem bezüglichen Wortlaut des Art. 30 der Verfassung unmittelbar gefolgert werden dürfen. Um jedem Zweifel in ieser Beziehung Bestimmung. vorgeschlagen, wonach Vereine, deren Zweck oder Thätigkeit den Strafgesetzen zuwiderläuft, polizeilich iclefen werden können. Ferner ist der Fassung des

rt. J entsprechend bestimmt, . Vereine, welche die öffentliche Sicherheit, insbesondere die Sicherheit des Staates, oder den öffent⸗ lichen Frieden gefährden, polizeilich geschlossen werden können. Eine derartige Bestimmung auf dem Gebiet des öffentlichen Vereinsrechts dürfte dem Grundgedanken entsprechen, den auf dem Gebiete des Privatrechts das Bürgerliche Gesetz buch in 3 45 zum Ausdruck ge bracht hat, nach welchem einem Verein die Rechtsfähigkeit entzogen werden kann, wenn er das Gemeinwohl gefährdet.

Der Ausdruck: „Zweck oder Thätigkeit“ ist gewählt, um klarzu⸗ stellen, daß für die Beurtheilung, ob ein Verein dem Art. III unter- fällt, nicht nur der satzungsmäßige Zweck, fondern auch die thatsäch⸗ liche Wirksamkeit des Vereins maßgebend ist.

Die Entscheidung über die Schließung von Vereinen gemäß Art. Iil ist nicht den Ortspolizeibehörden, sondern den Landespolizei⸗ behörden übertragen, well diese zu einer gleichmäßigen und wohl überlegten Handhabung der wichtigen Vorschrift besonders geeignet

erscheinen. Zu Artikel IV. Absatz 1 und 2.

Aus den zu Art. II dargelegten Grwägungen sind Minderjährige auch von den politischen Vereinen des 8 der Verordnung vom 11. März 1850 und deren Versammlungen und Sitzungen fernzuhalten. Die Se ng schließt sich dem Wortlaut des 5 8 9. 4. O. an.

Die fernere Bestimmung, daß das Verbot der Theilnahme Minder⸗

jähriger auf diejenigen Vereinsveranstaltungen, die unter Ausschluß politlscher Kundgebungen lediglich geselligen Zwecken dienen, keine An⸗ wendung finden foll, ist vorgeschlagen mit Rücksicht auf die entgegen . gesetzte Auslegung, welche 8 8 der Verordnung vom 1. März 1850, nach dem Frauenspersonen, Schüler und Lehrlinge den Versammlungen und Sitzungen der politischen Vereine nicht beiwohnen dürfen, in der Rechtfprechung des Ober⸗Verwaltungsgerichts gefunden hat. (End⸗ urtheil des Ober⸗Verwaltungsgerichts vom 1. Oktober 1890. Entsch. Band 20 S. 457. Die Ausdehnung des Verbots auf lediglich ge⸗ sellige Veranstaltungen eines politischen Vereins wird vielfach als Unbilligkeit empfunden, erscheint sachlich nicht ausreichend begründet und wird häufig mit . dadurch umgangen, daß nicht der Verein, fondern eine einzelne Person sich als Unternehmer be⸗ jeichnet. Wird der obigen Auffassung zugestimmt, so liegt es nahe, auch weiblichen Personen den Zutritt zu Veranstaltungen dieser Art nicht mehr zu versagen. Diesem Zwecke soll die Bestimmung am Schlusse des Absatzes?2 dienen.

Was die Betheiligung jugendlicher Personen an Wablvereinen anlangt, so bestehr eine Meinungsverschiedenheit über die Tragweite des 3 21 Absatz ? der Verordnung pom 11. März 1869, welcher lautet: ‚Wahlbereine unterliegen den Beschränkungen des 5 8 nicht. Nach dem Wortlaute dieser Bestimmung wird die Ansicht vertreten, daß Wahlvereine, wenn sie auch politische Vereine gemäß 8 8 sind, dennoch befugt, feien, sowohl Frauenspersonen, als auch Schüler und Lehrlinge als Mitglieder aufzunehmen. Von anderer Seite aber wird auf die Entstehung des 21 verwiesen, aus welcher hervorgehe, daß man nur daran gedacht habe, Wahlbereine von der einen Beschränkung des § 8, nämlich dem Verbote der Verbindung gleichartiger Vereine zu befrelen; auch wird geltend gemacht, daß als Wahlvereine im Sinne des §z 21 nur solche anzusehen sind, welche von Wahlberechtigten zum Betriebe einer bestimmten Wahl gebildet werden, und daraus die Folgerung gezogen, daß Nichtwahlberechtigte, also weibliche Personen, Schüler and Lehrlinge, nicht Mitglieder solcher Vereine sein dürfen. Furch die in Ärt. f Abf. 1 des Entwurfs vorgeschlagene Bestim. mung wird diese Frage für Minderjährige in dem letzteren Sinne entschieden. Diese Entscheidung wird auch zu Bedenken um so weniger Anlaß bieten, als ein Bedürfniß dafür, daß Wahlvereine zum Betriebe einer Landtagswahl nichtwahlberechtigte Minderjährige als Mitglieder aufnehmen, nicht anzuerkennen ist. Hiermit steht auch der § 17 des Wahlgesetzes für den Reichstag vom 31. März 1869 (Reichs ⸗Gesetzbl. S. 145) im Einklang, welcher ausdrücklich nur den Wahlberechtigten das Recht gewährt, zum Betriebe der den Reichstag betreffenden Wahlangelegenheiten Vereine V

satz 3.

Gegenwärtig dürfen gemäß 8 der Verordnung vom 11. März 1850 Vereine, welche bezwecken, politische Gegenstände in Versamm⸗ lungen zu erörtern, nicht mit anderen Vereinen gleicher Art zu ge⸗ meinsamen Zwecken in Verbindung treten, wobei nicht unterschieden wird, ob es sich um Verbindungen inländischer politischer Vereine untereinander, oder um Beziehungen zwischen inländischen und aus⸗ sändischen Vereinen dieser Art handelt, Die Verbindung inlãndischer Vereine untereinander soll in Zukunft allgemein zulässig sein. Auf Verbindungen politischer Vereine mit außerdeutschen Vereinen wird diese Befugniß indessen nicht ohne weiteres ausgedehnt werden konnen, da solche internationalen Verbindungen unter Umständen geeignet sind, sowohl unsere inneren staatlichen Interessen als auch unsere Beziehungen zu fremden Staaten zu schädigen. Immerhin aber kann es Fälle geben, in denen gegen die Verbindung inländischer politischer Vereine mit außerdeutschen Ver⸗ cinen kein Bedenken obwalten. Unter Abstandnahme von einem abfeluten Verbote ist daher nachgelassen worden daß solche Ver— bindungen mit Genehmigung des Ministers des Innern stattfinden können. Als entscheidende Behörde ist die Zentralinstanz bestimmt, um in diesen Fällen ein . Verfahren sicher zu stellen.

atz 4.

Die Aufhebung der Bestimmungen des 8 8 der Verordnung vom 11. März 1856, soweit sie Schüler und Lehrlinge betreffen, bringt um Ausdruck, daß für die Betheiligung jugendlicher Personen an politischen Vereinen und deren Versammlungen fortan lediglich die Vorschriften diefer Vorlage maßgebend sind, und daß es nicht die Absicht ist, neben den aus Art. IV für Minderjährige folgenden Be⸗ schränkungen den 5 8 der Verordnung für großjährige Schüler und Lehrlinge aufrecht zu erhalten. .

Zu Artikel V. .

Die Strafbestimmungen, insbesondere die Strafmaße schließen sich an die Verordnung vom 11. März 1850 an.

Absatz 1 und 2.

Entsprechend dem § 8 Absatz 3 der Verordnung ist vorgeschrieben, daß politische Versammlungen , II) oder Versammlungen (Sitzungen) politischer Vereine rtikel V) aufgelöst werden können, wenn Minderjährige auf die polizeiliche Aufforderung gus ihnen nicht entfernt werden. Dugleich ift nach Maßgabe der Verordnung die Verpflichtung der Verfammelten festgestellt, sich nach der polizeilichen Uuflöfung bei Vermeidung der dort angedrohten Strafe sofort zu

entfernen. Absatz 3.

Der Abmessung der Strafen liegt wie in der Verordnung bom 11. März 1860 die Erwägung zu Grunde, 49 die in erster Reihe ür die Vereinsthätigkeit, verantwortlichen Personen bei, Zuwider⸗ handlungen schärfere Ckinfe verdienen, als die einfachen Mitglieder. Demgemäß soll derjenige, welcher als Vorstandsmitglied oder Beamter eines auf Grund deg Art. III geschlossenen Vereins thätig ist, oder

vorzubeugen, ist eine

Versammlungen eines solchen Vereins veranstaltet, dazu öffentlich einladet oder Räumlichkeiten hergiebt, oder als Vorsteher, Ordner, Leiter oder Redner sich betheiligt, mit Geldstrafen von dreißig bis dreihundert Mark oder mit Gefãngniß von vierzehn Tagen bis zu Monaten bestraft werden S 14 der Verordnung vom 11. Mär 1850). Die gleiche Strafe oll denjenigen treffen, welcher in sonfliger Welse der ferneren Thätigkeit eines auf Grund des Art. III geschlossenen Vereines Vorschub leistet. Durch letztere Bestimmung würden . B. auch Comité s, Ausschüsse, Jentralorgane oder ähnliche Einrichtungen getroffen werden, welche der 2 nach Art. III nicht unterliegen, weil die thatsächlichen . eines Vereins bei ihnen nicht zutreffen, welche aber zwischen Vereinen ungeachtet der erfolgten Schließung vermitteln. Vie geringere Strafe deg § 16 Abs. 2 a. 4. O., nämlich Geldftrafe von fünfzehn bis einhundert und fünfzig Mark oder Gefängniß von acht Tagen bis ju drei Monaten, ist är diejenigen vorgesehen, welche sich bei einem geschlossenen 365 als Mitglieder ferner betheiligen. Absatz 4.

Zuwiderhandlungen gegen Arf. I7 Abs. J und 3 Fönnen darin besteben, daß die dort erwähnten politischen Vereine Minderjãhrige als Mitglieder aufnehmen oder mit außerdeutschen Vereinen ohne die vorgeschriebene Erlaubniß in Verbindung treten. In diesen Fällen unterliegen Vorfteher, Srdner, Leiter oder Mitglieder den in 5 16 Abf. 1 und 2 der Verordnung vom 11. März 1869 angegebenen Strafen; außerdem können die Vereine nach 5 8 Abs. 2 a. 4. O. vorläufig polizeilich und gemäß § 16x a. a. O. endgültig gerichtlich geschlossen werden.

Absatz 5.

Durch diese Bestimmung wird die Strafvorschrift des § 16 Abs. 5 der Verordnung vom 11. März 1850 auf Minderjährige, welche sich als Mitglieder politischer Vereine (Art. IV Abs. I) auf⸗ nehmen lassen, übertragen.

Nr. 19 der Versffentlichungen des Kgiserlichen Ge⸗ sund heits amt vom 12. Mai hat folgenden Inhalt: Personal⸗ Rachrichten. Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten. 8 Maßregeln gegen Pest. Desgl. gegen Gelbfieber.

esetzgebung u. s. w. (Preußen.) Titelführung. Tuberkulõse Rinder ꝛc. Reg. Bez. Köglin.) Apothekenwaagen. Trinkwasser. Reg. Bei. Schleswig. Desinfektionsanweisung für Seeschiffe. (Reuß ä. L.) Impfwesen. ( Oesterreich. Ober⸗Oesterreich) Heb⸗ ammenwesen. (Großbritannien.) Viehquarantäne. (Belgien.) See ⸗⸗ Sanitätsdienst. Epidemische Krankheiten. . Einfuhr. Gang der Thierseuchen im Deutschen eiche, April. Desgl. in Frankreich, 4. Vierteljahr. ' weilige . gegen Thierseuchen. hre gen Oesterreich, Schweiz, Belgien Vermischtes. (Preußen. Berlin) Arbeiter⸗ Krankenversicherung, 1895. e,, e, n, Anstalt, 1896. e n, Krakau.) Lyssa⸗Schutz impfungs. Anstalt, 1896. Geschenkliste. Wochentabelle über die Sterbefälle in deutschen Srten mit 40 oo und mehr Einwohnern. Deggl. in größeren Städten des Auslandeg. Erkrankungen in Krankenhäusern deutscher Großstädte. Desgl. in deutschen Stadt und Landbezirken. Witterung. Grundwasserstand und Bodenwärme in Berlin und München, März. .

. z des Archivs für Eisenbahnwesen“ herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten (Verlag von Julius Springer, Berlin), hat folgenden Inhalt: Die Durchsicht der russischen Ge. freidetärife im Jahre 1855, von Mertens Schluß). Das dänische Eifenbahngesetz vom 24. April 1896. Die Eisenbahnen der Erde. Der Gifenbahngütertarif der Kolonie Victoria. Die bayerischen Staatsbahnen im Fahre 1895. Die Wohlfahrtseinrichtungen der Königlich bayerischen Staatszeisenbahnen. Die Eisenbahnen Skandi⸗ naviens im Fahre 189795. Die Eisenindustrie an den großen Seen von Rord. Amerika. Verbesserung der Verkehrsmittel in Vorderasien. Die Verpachtung der brasilianischen Staatsbahnen, Eisenbahnen in Guatemala. Ein neues System der Tunnellüftung. Fahr⸗ geschwindigkeit der Schnellzüge. Die bulgarischen Eisenbabnen. Bie Gisenbahnen Canadas im Jahre 1854/95. . Umfang der Königlich bayecischen Staatseisenbahnen. Statistisches von den deutschen Eisenbahnen. Rechtsprechung: Nachbarrecht (Erkenntnisse des Reichsgerichts vom 27. November 1893, vom 18. November 1895 und vom 36. Oktober 1895); Wasserrecht (Grkenntniß des Ober⸗ Verwaltungsgerichtß vom 36. Januar 1896); Grundsätze aus den Entscheidungen des Ober-Verwaltungsgerichts. Gesetzgebung: Internationales Recht; Preußen; Deutsches Reich; Oesterreich⸗ Üngarn; Schweiz; Frankreich; Rußland; Columbien.

Arbeiterbewegung.

Aus Breslau wird der Berliner ‚Volks⸗Ztg.' gemeldet, daß der Ausstand der Töpfer nach einer Dauer von fünf Wochen gestern beendet worden ist. Der Lohntarif wurde auf ein Jahr festgesetzt und der neunstündige Arbeitstag von den Arbeitgebern bewilligt.

Aus Magdeburg berichtet die ö Ztg. zum Ausstand der dortigen Hafenarbeiter (öoqgl. Nr. 1096 d. Bl); In einer vor einigen Tagen abgehaltenen Versammlung hatten die Hafenarbeiter beschlossen, auf die verlangte Wiedereinstellung des Arbeiters, der wegen der Mai⸗ feier entlassen war, zu verzichten und die Arbeit wieder aufzunehmen. In⸗ zwischen hatte die Hafenverwaltung jedoch die Arbeitsplätze fast vollstãndig wieder besetzt, weshalb sie die Ausstaͤndigen mit wenigen Ausnahmen nicht wieder annahm. Die Wiedereinstellung wurde von der Nicht⸗ zugehörigkelt zum Hafenarbeiterverband abhängig gemacht. In einer Verfammlung wurde deshalb beschlossen, an dem Ausstand festzuhalten.

Aus Rybnik wird der „Köln. Ztg.“ gemeldet, daß der Aus⸗ stand auf der Leogrube bei Oberradoschau (9gl. Nr. I10 d. Bl.), der durch Aufwiegelung zugezogener Arbeiter entstanden fei, fortdauere. Unter den Schleppern der Nachbargruben herrsche ebenfalls Ausstand.

In Speyer sind nach dem Vorwärts“ außer den Maurern ah Nr. 164 d. Bl.) jetzt auch die Maler und Tüncher im

usstande. .

In Brem en haben in der Jutespinnerei und Weberei Bremen, wo kürzlich die Feinspinnerinnen ausständig waren, nun etwa 409 Weber und Weberinnen die Arbeit eingestellt. Sie verlangen; Erhöhung des Accordlohns, für die in Tagelohn Arbeitenden 10 3 Lohnzuschlag für den Tag ꝛꝛc. Die Ausständigen haben das Gewerbegericht als Einigungsamt angerufen.

Hier in Berlin fand der Voss. Itg.“ zufolge am Montag eine allgemeine Versammlung der Berliner Maurer statt, um Stellung zu der diesjährigen Forderung der Lohnkommission, dem Achtstundenarbeitstag, zu nehmen. Nach langen Erörterungen wurde beschkossen, vorläufig von einer allgemeinen Lohnbewegung abzusehen, nochmals allen Arbeitgebern die Forderung nach achtstündiger Arbeits · zeit zu unterbreiten, dann aber überall in den Ausstand einzutreten, wo dieser nach Ansicht der Lohnkommission und der betheiligten Ar⸗ beiter einen Erfolg verspricht.

unst und Wissenschaft.

Der Verein für deutsches Kunstgewerbe Patte 3m Mitt- woch Abend im Architektenhause eine reichhaltige Ausftellung von Originalen und Aufnahmen der Kunst und des Kunstgewerbes aus Spanien und Portugal veranstaltet, die Professor P. Sch ley von der Königlichen Porzellan. Manufaktur durch Mittheilungen über eine von ihm unternommene Studienreise erlaͤuterte. Die alten Kathedralen und Klöster, die Stadthäuser, Paläste und Museen der