Behörde zu, und wenn der Herr Arnons mit dem Erkenntniß erster Instanz nicht einverstanden ist, so bat er dagegen Berufung einzulegen. Unerklärlich ist mir, wie man aus solcher Sachlage die Behauptung
entnehmen kann, daß innerhalb der Staatsregierung die bedenklichsten
Erscheinungen der Uneinigkeit vorhanden sind.
Ich glaube, mich auf diese Darlegungen beschränken zu können. Auf die Tuberkulinimpfung hier einzugehen, ist mit dem gegenwärtigen Gegenstande so unvereinbar, daß ich glaube, daß bei dieser Gelegenheit diese Frage heute nicht angeschnitten werden sollte.
Meine Herren, ich überlasse dem hohen Hause, der Kommission die Prüfung der Sache. Ich bin völlig beruhigt. Lehnen Sie abermals ab, so hat nicht die Staatsregierung einen Echee erlitten, sondern das hohe Haus hat abgelehnt, was das hohe Haus bei der Berathung vor zwei Jahren seinerseits beantragt hat und was die Staatsregierung verpflichtet war, vorzulegen. Uebrigens ist der Provinzial · Landtag von Schlesien eingehend über die Vorlage gehört; derselbe hat sich für den materiellen Inhalt der Vorlage ausgesprochen. Jetzt muß der hohe Landtag selbst wissen, was er mit der Sache machen will. Er trägt die Verantwortung dafür, wenn aus der Sache abermals nichts wird. In einen circulus vitiosus einzutreten, ist die Staatsregierung nicht in der Lage.
Auf eine Bemerkung des Abg. Gamp bezüglich des Ver—⸗ haltens des Staatsanwalts in Beuthen erwidert der Minister fur Landwirthschaft 2c. Freiherr von Ham merstein:
Meine Herren! Ich bedauere, daß ich noch einmal das Wort nehmen muß; aber ich muß in beiden Fällen, wo es sich um den Regierungẽ⸗Präsidenten und den Herrn Ober ˖ Staatsanwalt handelt, die Sache nochmals klarstellen.
Herr Gamp behauptet, ich habe das Verfahren des Herrn Ober⸗ Staatsanwalts als unzutreffend bezeichnet (Widerspruch), und das bestreite ich entschieden. Das habe ich nicht gesagt; im Gegentheil: ich habe nur gesagt, daß ich bedaure, daß die Sache in diese Lage gekommen ist. Herr Gamp hat ja sein Stenogramm vorgelesen. Mir liegt mein Stenogramm leider nicht vor, sonst würde ich ebenfalls durch die Verlesung darlegen können, daß in meinen Aeußerungen eine Kritik des Verfahrens des Ersten Staatsanwalts nicht gefunden werden kann, daß ich vielmehr gesagt habe, daß diese Frage garnicht zu meiner Zu⸗ staͤndigkeit gehört. — Zweitens muß ich aber den Königlichen Regie⸗ rungs- Präsidenten, wie ich das vorher schon gethan habe, entschieden in Schutz nehmen.
Es handelt sich garnicht um das, was der Herr Regierungs— Präsident gewünscht hat, was auch aktenmäßig garnicht feststeht. Wünsche kann derselbe haben, soviel er will; zu meiner Kenntniß sind sie nicht gekommen. Herr Gamp hat auch keine Unterlage geschaffen, um dasjenige festzustellen, was der Herr Regierungs- Präsident in dieser Frage gewünscht hat. Es handelt sich um die Handlungen des Königlichen Regierungè⸗Präsidenten, und da habe ich gesagt: die Hand⸗ lungen des Herrn Regierungs⸗Präsidenten haben im Gegentheil be—
wiesen, daß er nicht hindernd in die Klarstellung der Sache ein— greifen wollte.
Allerdings hat der Herr Regierungs-Präsident — und das war seine Pflicht und Schuldigkeit — darauf hingewiesen, daß es sich hier um eine Frage handele, in welcher der Kompetenzkonflikt erhoben werden könne, er hat aber nicht beantragt, ihn zu ermächtigen, den Kompetenzkonflikt zu erheben. Es sind das die Handlungen, die hier in Frage kommen, auf die Wünsche kommt es überall nicht an. Darauf ist der Kompetenzkonflikt nicht erhoben; im Gegentheil. Der Herr Regierungs ⸗Präsident hat die Weisung erhalten, alles zu thun, was dazu dienen könnte, Klarheit in die Sache zu bringen. Die Muthmaßung des Herrn Abg. Gamp, daß, weil der Herr Regierungs⸗Präsident vielleicht sozial mit dem Herrn Staatsanwalt verkehrt, er diesen sozialen Verkehr benutzt habe, um auf den Herrn Staatsanwalt einzuwirken, daß er in die Sache eingreife, entbehrt jeder Unterlage. Ich muß ganz entschieden die in den beiden Punkten von Herrn Gamp aufgestellten Behauptungen als unrichtig zurũckweisen.
Wenn der Herr Abg. Gamp den Wunsch ausgesprochen hat, ich möge mit dem Herrn Justiz⸗ Minister in Verbindung treten, damit derselbe seinerseits auf den Herrn Ober- Staatsanwalt einwirke, daß er dem Verfahren freien Lauf lasse, so ist das eine Anregung, die mit den vorliegenden Differenzpunkten nichts zu thun hat. Ich werde erwägen, ob ich dem Wunsch des Herrn Abg. Gamp Folge geben kann. Hier handelte es sich darum, ob ich eine Kritik über das Ver⸗ fahren des Ersten Staatsanwalts ausgesprochen habe oder nicht, und die habe ich nicht ausgesprochen. Aus meiner Aeußerung ist indirekt eine solche auch nicht zu entnehmen. Ich berufe mich deshalb auf das Stenogramm — das wird das klarlegen. Zweitens habe ich mich verpflichtet gehalten, den Herrn Regierungs ⸗Präsidenten gegen die Insinuationen in Schutz zu nehmen, daß er entgegen den Weisungen der oberen Behörden gehandelt habe. Denn darum handelt es sich — nicht darum, was er gewünscht hat.
Abg. Ring führt nochmals aus, daß ein Schweineversicherungs—⸗ Gesetz keinen Zweck habe, so lange der Bevölkerung noch gestattet sei, ein bestimmtes Kontingent an Schweinen über die russische Grenze einzufũhren.
Der Gesetzentwurf wird der verstärkten Agrarkommission überwiesen.
Es folgt die erste Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend das Verwaltungsstrafverfahren bei, Zu⸗ widerhandlungen gegen die Zollgesetze und 66. stigen Vorschriften über indirekte Reichs- und Lan⸗ desabgaben, sowie die Bestimmungen über die Schlacht⸗ und die Wildpretsteuer.
Abg. Noelle (ul) spricht sich für die Neuregelung der in der Vorlage berührten Materien aus, wofür ein praktisches Bedürfniß vorliege, empfiehlt aber die baldige Erfüllung des oft geäußerten Wunsches, daß ein oberster Zollgerichtshof eingesetzt werde, analog der Auskunfttzstelle in Stempelsachen. Dort müsse jedem Importeur Aus- kunft über die Höhe des Zolles einer Waare gegeben werden, und zwar mit der Wirkung, daß nicht später nach Jahren die Zollbehörde Nachzahlungen erhebe, weil Irrthümer vorgekommen seien. Die Vor= lage habe mancherlei Vorzüge, namentlich in der Einheitlichkeit und Vereinfachung des Verfahren. Redner kritisiert einige Einzel⸗ beffimmungen und beantragt Ueberweisung der Vorlage an eine Kom— mission von 14 Mitgliedern.
Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:
Meine Herren! Ich kann mit der eingehenden Kritik des Gesetz⸗ entwurfs seitens des Abg. Noelle ja ganz zufrieden sein. Ich kon⸗ statiere, daß er die Nothwendigkeit des Erlasses dieses Gesetzes aner⸗ kennt und im Großen und Ganzen seine Bestimmungen für zweckmäßig hält. Das Bedürfniß, das Submissionsverfahren aufrecht zu erhalten
und, nachdem es durch die reichsgerichtlichen Entscheidungen gänzlich in Frage gestellt ist in seiner rechtlichen Wirksamkeit, auf eine feste gesetz liche Grundlage zu stellen, liegt so klar auf der Hand, daß ich glaube, in dieser Beziehung nichts weiter hinzufügen zu brauchen. Das Sub- missionsverfahren liegt namentlich in hohem Grade im Interesse des Publikums und der Betheiligten. Es ist ein einfaches Verfahren, welches sich in den meisten Fällen aus der Leichtigkeit der Straffälle, wo es sich nur um Geldstrafen handelt, und aus der Ein⸗ fachheit der Entscheidungen, aus der bald eintretenden Einsicht des Kontravenienten, daß er allerdings gegen die Zollgesetze u. s. w. verstohen hat, ergiebt, keine Weiterungen, keine weiteren wesentlichen Kosten verurfacht. Es hat sich ganz eingebürgert in der Praxis; der Herr Vorredner hat richtig gesacht: Die Hälfte aller derartiger Kontra ventionen wird durch dieses Verfahren erledigt. Es würde sehr hart empfunden werden sowohl von den Behörden als den Betheiligten, wenn in allen solchen Fällen ein unnütz weitläufiges und kostspieliges Gerichte verfahren stattfinden müßte. Daß man nun bei dieser Ge⸗ legenheit auch eine Reihe Lücken, Unklarbeiten, veraltete Bestim mungen des eigentlichen Verwaltungsverfahrens in Zollkontraventions- sachen mit ins Auge faßt, ergiebt sich ganz von selbst. Es wäre ein großer Fehler gewesen, wenn wir diese Gelegenheit nicht benutzt hätten, in diese Sache Einheitlichkeit und Klarheit zu bringen und einen größeren Anschluß an die bestehenden Reichs⸗Strafgesetze über das Strafverfahren zu gewinnen. U
Meine Herren, nun hat der Herr Vorredner die Gelegenheit benutzt, in Anregung zu bringen, ob es nicht möglich wäre — wenn ich ihn recht verstanden habe — durch dieses Gesetz eine allgemeine Auskunftsstelle zu errichten, mit der Wirkung, daß derjenige, der eine bestimmte Auskunft erhalten hat, wenn sich herausstellt, daß doch eine Kontra— vention vorliegt, von der Strafe frei bleiben solle, und auch nur denjenigen Zoll zu zahlen verpflichtet sein solle, der ibm von der Auskunftsstelle bejeichnet ist, sodaß eine Nachforderung von Zöllen in dieser Beziehung nicht stattfinden dürfe. Ich will auf diese Frage nicht tiefer eingehen, aber Herr Noelle wird mir gleich zugeben, daß eine solche Einrichtung nur von Reichswegen getroffen werden kann, denn wir würden ja in die Zollhoheit des Reichs eingreifen; wir würden Zölle gewissermaßen erlassen auf Grund der Erklärungen der Auskunftsstelle, die dem Reiche zustehen. Wir sind also nicht in der Lage, bei dieser Gelegenheit hier in Preußen eine solche allgemeine Auskunftsstelle einzurichten. Uebrigens kann ich mittheilen, daß die Frage in Anregung ist (Bravo! bei den Nationalliberalen) und daß über sie verhandelt wird. Es wird sich aber zeigen, daß in der Sache doch ganz außerordentliche Schwierigkeiten stecken; denn daß die Einzel ; staaten nicht geneigt sind, ihre Souxeränetät in Beziehung auf die Verwaltung der Zölle und der sonstigen indirekten Abgaben aufzugeben, das liegt klar auf der Hand. Ob sie soweit gehen, sich in dieser Beziehung einem allgemeinen höchsten Gerichtshof zu unterwerfen, der doch wesentlich in die jetzigen Rechte der Einzelstaaten in den Konsequenzen eingreifen würde, weiß ich nicht. Solche Aus— kunftsstellen einzurichten in Einzelstaaͤten, während andere Einzel staaten es nicht thun, das würde auch nicht gehen, schon mit Rücksicht auf das, was ich zuerst bemerkte, aber würde auch außerordentliche Be⸗ denken haben, weil dann die Auskunftsstellen der Einzelstaaten ver—⸗ schiedene Auskunft geben könnten über dieselben oft sehr zweifelhaften Fragen. Ja, innerhalb eines einzelnen großen Staats würde es sehr schwierig sein, sich mit einer einzeluen Auskunftestelle zu begnügen. Herr Noelle denkt selber an eine Zentralstelle. Das würde aber solche Verzögerungen und Weiterungen hervorrufen, daß die Kaufmann⸗ schaft sich damit wahrscheinlich sehr bald nicht zufrieden geben würde. Wenn eine gute Konjunktur da ist, um eine Waare einzuführen, so muß die Auskunft sehr schnell zur Hand sein, sonst wird sie wenig nützen. Den Einzelnen, z. B. den Provinzial ⸗Steuer⸗Direktionen in Preußen, aber dieses Recht zu geben, könnte leicht dahin führen, daß diese wieder verschiedene Auskunft geben. Mit einem Worte, die Sache ist materiell recht schwierig, aber ich muß vellständig anerkennen, daß ich der Tendenz, die der Herr Abg. Noelle in der Be⸗ ziehung verfolgt, sehr geneigt bin. Wir erleben ja sehr oft in der Zollverwaltung, daß eine Behörde auf eine Anfrage wirklich eine Auskunft ertheilt, daß nun aber die Zentralinstanz die Auskunft nachher für falsch erklärt, und daß es dann jwar möglich ist, im Wege der Gnade die Strafe zu erlassen, aber kaum berechtigt und möglich ist, nun auch den Zoll zurück zuerstatten und dem Mann den Schaden zu ersetzen, den er dadurch erleidet, daß er ein solches Geschäft überhaupt gemacht hat in dem irrigen Glauben bezüglich der Höhe eines Zolles, welches er sonst kei richtiger Erkenntniß der ganzen Sache vielleicht ganz unter⸗ lassen hätte. Man muß darauf sinnen allerdings, ob man in dieser Beziehung etwas Rechtes finden kann, und ich kann nur sagen, daß die Behörden des Reichs in dieser Beziehung auch namentlich mit der preußischen Verwaltung in Verbindung sich gesetzt haben, und daß diese Verhandlungen noch fortdauern. — Soviel hierüber.
Meine Herren, da doch wahrscheinlich, wie ich annehme, eine Kommissionsberathung stattfinden wird, möchte ich auf die einzelnen Bemerkungen und Bedenken, die Herr Abg. Roelle vorgetragen hat, nicht tiefer eingehen. Er wird sich überzeugen, daß das Meiste, was er für Neuerungen erklärt hat, keine Neuerungen sind, sondern in der Praxis und den Rechtsbestimmungen schon vorhanden ist. Er hat beispiels weise darauf hingewiesen, daß hier vorgeschrieben sei, daß der Inhaber des Traneportmittels bei beschlagnahmten Gegenständen verpflichtet wäre, bis zur nächsten Zollstelle unentgeltlich die Fuhre zu leisten. Ja, wie ist es denn bisher? Bisher ist es so, daß der Wagen auch in Beschlag genommen wird und daß dann von selbst der Wagen als beschlagnahmter Gegenstand zu der nächsten Zollstation geführt werden muß. Wir haben die Sache gerade abmildern wollen in dieser Beziehung, damit man nicht, genöthigt ist, dem Manne Weiterungen und vielleicht auch Kosten, die dadurch entstehen, daß man den ganzen Wagen mit Beschlag be—⸗ legt, zu machen. Uebrigens ist es keine erhebliche Frage; die Kom⸗ mission wird ja darauf wohl näher eingehen.
Gbenso ist es auch mit der unmittelbaren Vorführung eines Ge⸗ fangenen vor die Zollstation. In vielen Fällen wird dadurch der Defraudant viel schneller davonkommen, als wenn man genöthigt ist, die Sache erst an den Richter zu bringen; denn es wird sich in sehr vielen Fällen herausstellen, daß ein weiteres Festhalten des be⸗ treffenden Mannes nicht erforderlich ist. Wir haben gerade geglaubt, daß, weng man solchen Mann immer vor den Richter führen wollte — da der Richter erst zu fragen hat, welche Gründe die Zollverwaltung hat, daß der Mann festgehalten wird —, daß da⸗
durch wahrscheinlich in vielen Fällen die Haftzeit bedeutend
nicht mehr; er kann entlassen werden.
Ich glaube daher, daß es doch sehr zweifelhaft ist, ob es für den Betheiligten vortheilhafter ist, unmittelbar dem Richter vorgeführt i werden, oder ob er, was in der Regel bei den Entfernungen nicht so viel Zeit kostet, den Gang bei der näheren Zollbehörde vorbeimacht.
Endlich hat der Abg. Noelle noch gemeint, es hätte hier in der Form so verfahren werden müssen, daß alle die einzelnen Gesetze, die nicht mehr in Kraft bleiben, besonders aufgeführt würden, wie dieg bei dem Gerichtskostengesetz und bei dem preußischen Landesstempel. gesetz geschehen ist. Wir haben hier das nur deswegen unterlassen, weil es sich meist nur um einzelne Paragraphen aus sonst bestehen bleibenden Gesetzen handelt. Da wird die Sache viel unübersichtlicher. Die Kommission wird auch diesen Punkt zu erwägen haben, und wir werden nichts dagegen zu erinnern haben, wenn es der Wunsch des Landtaget ist, die Sache hier in ähnlicher Weise zu behandeln wie beim Stempel. gesetz. Ich glaube doch, daß die Zusammenfassung aller bestehenden Bestimmungen, die dieser Entwurf enthält, die Beseitigung veralteter Borschriften, der Anschluß an die allgemeinen Bestimmungen und an das Strafverfahren überhaupt von großem Interesse sind für alle Betheiligten. Ich möchte daher den Entwurf im Großen und Ganzen, wenn vielleicht auch einzelne Aenderungen vom Hause beliebt werden, zur Vorberathung in der Weise dringend empfehlen, daß der Gesetz. entwurf noch in diesem Landtage zur Verabschiedung gelangen kann, denn die Sache ist wirklich durch die Entscheidung des Reichsgerichts doch etwas eilig geworden. Wir haben eigentlich jetzt in Beziehung auf das Submissionsverfahren gar keinen zutreffenden Rechtsboden. Aber daß aus diesem, möchte ich sagen, rechtlosen Zustand nicht allzugroße Unzuträglichkeiten entstanden sind, daraus geht eben hervor, welches Bedürfniß die Betheiligten selbst anerkennen, und wie sie im Großen und Ganzen mit dem so einfachen Submissionkt., verfahren sehr zufrieden sind.
Abg. Bröse (kons.): Wir schließen uns dem Antrage auf Kom—˖ missionsberathung an und stehen im großen Ganzen dem Gesetzentwurf sympathisch gegenüber, der die Materle in durchaus praktischer Weise regelt. Ber Entwurf hat Eile, und wir wollen ihn noch erledigen. Es ist gerechtfertigt, daß er sich dem Reichsstrafverfahren anschließt. Eine befondere Verbesserung ist die Bestimmung, daß dem pflicht= mäßigen Ermessen der Steuerbehörde überlassen ist, ob es das Ver. waltungsstrafverfahren fortsetzen oder die Sache dem ordentlichen Gericht übertragen will. Zweifelhaft ist mir, ob die Bestimmungen dieser Vorlage über die Beschlagnahme mit den bezüglichen Bestim—. mungen des Stempelsteuergesetzes übereinstimmen.
Die Abgg. Haacke (fr. kons.) und Dr. Qpfergelt (Sentr.) stellen sich ebenfalls dem Gesetz entwurf sympathisch gegenüber, wünschen aber die Abänderung von Einzelheiten in der Kommission.
Abg. Broemel sfr. Vgg.) pflichtet namens seiner Freunde der Anerkennung der Vorzüge des vorliegenden Gese entwurfs bei und ist mit der Kommissionsberathung einverstanden. ie Fragen der Er— richtung von amtlichen Auskunftsstellen und eines Zollgerichtshoss dürfe man nicht zusammenwerfen; Redner hofft, daß der Gedanke dieses Gerichtshofs im Reiche verwirklicht werde.
Äbg. Pr. Bachem (Zentr.) geht auf die Verhandlungen det Reichstages über diese Frage ein und meint, daß die Frage der Er⸗ richtung eines Reichs. Zollgerichtshofes endlich erledigt werden müsse. Ein unabhängiger Zollgerichtshof würde schon dafür sorgen, daß zuviel bejahlte Zollberrge wieder zurückerstattet werden. Im Bundesrath würde manche Sache übers Knie gebrochen. Wie die Sache geregelt werden soll, sei eine cura posterior, aber daß sie geregelt werden müsfe, sei zweifellos. Ebenso nothwendig sei die Errichtung einer Zollauskunftsstelle. Auf Faßdauben wende der Bundesrath 3 ( Zoll an statt der richtigen 506 3, und etwas herauszugeben, daran denle er nicht. Solche Zustände dürften in einem geordneten Rechtsstaat nicht länger geduldet werden, und er wünsche, daß der Finanz · Minister sich der Sache mit etwas mehr Wärme annehme.
Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:
Meine Herren! Ich habe schon vorhin hervorgehoben, es wãtt wünschenswerth gewesen, wenn der Herr Vorredner, der hier solche entschiedene Aufforderung an mich richtet, auf den Einwand geantwortet hätte, daß diese ganze Frage in Preußen garnicht geregelt werden kann, es sei denn, wir würden uns erlauben, die Reichsgesetze zu ignorieren. Ein höchster Gerichtshof für Zollwesen kann nicht in Preußen ein⸗ gerichtet werden, dessen Entscheidungen den reichsgesetzlichen Auf⸗ fassungen des Bundesraths in irgend einer Weise präjudizieren. Dem Reich steht die ausschließliche Gesetzgebung über das Zollwesen mu, und in dieser Beziehung muß sich Preußen mal der Reichsgesetz gebung fügen. Genau so ist es mit der Auskunftsstelle, wenn sie die jenige Bedeutung haben soll, welche gerade der Herr Vorredner bon ihr verlangt. Der Herr Vorredner sagt: die Hauptsache ist, daß eine Auskunftstelle gemacht wird; wie, das ist gleichgiltig, das kommt erst später. Nein, meine Herren, die Hauptfrage ist: wie soll diese Auskunftestelle eingerichtet werden, und welche Wirkung sol sie haben? Nun verlangt der Herr Vorredner, diese Auskunftestelle wenn wir sie in Preußen einrichten, soll die Wirkung haben, daß der niedrige Zoll, welcher dem betreffenden Importeur von der Auskunstẽ⸗ stelle bezeichnet ist, zur Geltung kommt, und daß die Auskunftsstell also dem Rechte des Reichs auf diejenigen Zölle, welche nach der Auffassung der Reichsbehörden zu haben sind, entzogen wird; das in ebenso unzuläfsig. Das können wir in Preußen nicht thun, das it eine Sache der Reichsgesetzgebung. Ich möchte daher bitten, daß der Herr Vorredner seinen Einfluß im Reichstage geltend macht, die Frage dort energisch weiter zu behandeln, aber nicht in Preußen. (Seb richtig! rechts.) .
Was die Stellung Preußens betrifft, meine Herren, zu diesen Fragen, so kann ich darüber keine Auskunft geben, kas wäre jn Sas s Staats. Ministe riums. Was mich perfaönlich betrifft, so ted. garnicht an, zu sagen, daß ich durchaus dafür mich erklären wire daß ich gegen eine Zentralinstanz im Reich nicht viel einwenden würde Aber der Sache stehen die größten Schwierigkeiten entgegen. Meint
20 Jahren im Reichstage ganz ausführlich verhandelt und immer n den Schwierigkeiten, die in der Sache selbst liegen, gescheitert. Abg. Möller (ul.): Wenn der Minister anerkennt, daß aer Uebelstände bestehen, so wird es seiner großen Energie schon gelingen einen Augroeg zu finden aus dieser allerdings etwas kon fusen . Die Landesin tanzen entscheiden sebr häufig anders als die Reichs instan Es herrschen geradezu unleidliche r lande. Herr Noelle bat 1. eschlagen, den beste henden Jollbelrath mit der Auskunft 24 e bin ihm dafür dankbar, denn er hat selbst in diesem Sera f sessen und gewiß reiche Erfahrungen gesammelt; indessen glau kaum, daß der Vorschlag praktisch durchführbar ist. er. hat in dieser Frage eine Schwenkun gemacht, früher 5 eine einheitliche Regelung. Welche ol nn ff sifder Entscheidung⸗
dauern würde, als wenn er erst der Zollstation borgefübrt 22 die Sache untersucht und in den meisten Fällen sagen wird: wir haben die Gegenstände mit Beschlag belegt, wir brauchen den Kontravenienten
in kommen;
Herren, die Frage kommt nicht erst heute aufs Tapet, sie ist schon ben
gebt aus folgendem Falle hervor: Ein Fabrikant teffen er enn ke n nf n gen
on Benzin zu hrt. 2 6 e. 96 und das Benzin mit. Da kam die Zoll. pebörde und verlangte die Zablung des . denn das Benzin sei nm Ginfetten eingeführt und nicht zum Verbrennen.
Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:
Meine Herren! Der Herr Vorredner hält wohl einen solchen zollbelrath oder eine solche Zentral . Auskunftsstelle seinerseits für nufeblbar. Ich kann Ihnen versichern, wenn Ihnen unsere Verwaltung in der Praxlt des Zollwesens bekannt wäre, so würden Sie auf die Sach⸗ xeistãndigen in vielen Fragen auch nicht so viel geben, jedenfalls nicht auf ihre Konsequenzen; denn wir haben in wichtigen Fragen die aller⸗ iichtigsten Sach verständigen uns ausgesucht, wir haben eine Zeitlang nach deren Votum operiert, und hinterher sind andere Sachverständige gekommen, die uns das Gegentheil gesagt haben.
Meine Herren, diese ganze Frage erstreckt sich über das ganze weite Gebiet der Technik, der Chemie und der Naturwissenschaften jberhaupt. Die verschiedenen Artikel fallen in so verschiedene hebiete binein, daß eine einzige Gruppe von Sachverstãn⸗ digen, ein Beirath oder eine Zentral⸗Auskunftsstelle die Summe von Kenntnissen, die zur Lösung dieser Fragen gehört, gar— icht haben würde.
Hätten Sie ein Gericht, so kann ich Ihnen vorhersagen, daß zs Gericht in seinen Entscheidungen ebenso schwanken wird, wie ct die Zentral Finanzstellen des Deutschen Reiches. Und dann sind Iuzsprüche der Gerichte viel weniger leicht wegzus chaffen, als wenn nan die Frage in der gewöhnlichen Verwaltung erledigt.
Die Sache hat so viel außerordentliche Schwierigkeiten, daß ich befürchte: wenn wir etwas machen, so werden wir nachher an dem, nas wir hergestellt haben, vielleicht keine große Freude haben.
Run aber bleibe ich immer dabei: man könnte wohl eine Aus lunftsstelle in Preußen einsetzen; aber deren Auskünfte hätten keine rechtliche Wirkung, und dann ist die Sache noch gefährlicher. Dann lann die Auskunftsstelle sehr leicht Aussprüche thun, die die Gewerbetreibenden verführen zu folgen, und nachher kommt der Bundesrath und sagt: die Entscheidung ist falsch gewesen. Und auch der Minister kann diese Auskunftspersonen doch nur als einen Beirath ansehen; schließlich muß er doch selbst entscheiden. In allen zweifel⸗ haften Fragen ziehen wir Sachverständige hinzu, und namentlich auch der Fall mit den Reifenstäben ist auf das Gutachten von Sachver⸗ stäͤndigen hin entschieden.
Eine Bemerkung des Herrn Möller unterschreibe ich vollkommen: wenn wir einen spezialisierteren Tarif hätten, würden abweichende Entscheidungen nicht in dem Maße vorkommen als heute, — und ich theile ganz die Ansicht, die Herr Graf Posadowsky autgesprochen hat, daß wir in dieser Beziehung nach dem Vorbild fast aller anderen Staaten weiter gehen müssen, wie wir bis⸗ ber gegangen sind. Diese weiteren Tarifbestimmungen, die vielleicht 100 Spenialartikel umfassen können, machen es vielfach so schwierig, im einzelnen Fall die richtige Entscheidung zu treffen.
Wir hatten vor kurzem die Frage zu behandeln, ob wir berechtigt sind, nach unseren jetzigen Verträgen einen Zoll auf die Fahrräder zu legen. Da haben die Minister verschieden in der Frage votiert. Hätten wir, pie die anderen Staaten, eine Posttion. Fahrräder“, dann könnte die Frage sberhaupt garnicht zweifelhaft sein. Aehnliche Fragen kommen in der Praxis jeden Tag vor, und sie machen die Sache so außerordentlich schwierig.
Nun aber liegt die Sache doch nicht auch so trübe, wie es die heren aus einzelnen Fällen sich vorstellen. Ich bin ja ganz der Meinung, daß man suchen muß, in der besprochenen Beziehung weiter
aber so trübe liegt die Sache doch nicht. Benn wir beispielsweise in der preußischen Zollverwaltung bemerken, daß Zollfragen in den einzelnen Ländern Deutschlands ver⸗ schiedenartig behandelt werden, und wir können durch Korrespondenz mit den betreffenden Staaten keine Abhilfe schaffen, so gehen wir sedesmal an den Bundesrath, damit durch seine Entscheidung eine dleihmäßige Behandlung der betreffenden Frage in allen deutschen Bundesstaaten gesichert wird, und der Bundesrath ist ja fortwährend mit solchen Fragen beschäftigt. Er ist in dieser Beziehung doch gewissermaßen ein Gerichtshof, weil ja den Entscheidungen des Bundes⸗ taths sich alle Cinzelstaaten schließlich fügen. Wir haben ja eine erhebliche Zahl derartiger Entscheidungen, die zu einer gleich mäßigen Behandlung der Fragen geführt haben.
Abg. Gam p: Die Industrie muß wissen, woran 9 in Zoll⸗ fragen K; später kann ja, wenn die Technik über die Natur eines Gegenstandeß eine andere Ansicht hat, öffentlich die. Aenderung der Pofition mitgetheilt werden. Steht die Zollrflicht nicht fest, so kann der beste Mensch in die Gefahr der Defraudation kommen. Wir nehmen von der Rede des Abg. Bachem gern Notiz, sie steht im ; den Ausführungen seiner Freunde im Reichstage, die, die Prärogative des Bundesraths nicht beschränken wollen. Wir werden auf dieses Zugeständniß im Reichstage zurückkommen. Die Landwirthe haben an einer solchen Instanz ein ebenso großes Interesse wie die Industrie. Ich erinnere nur an das Brennerei⸗ gewerke und an den Unterschied zwischen landwirthschaftlicher und gewerblicher Brennerei. Vor ein paar Jahren hatte ein Landwirth ein paar Liter Schlempe an einen Dorfschulmeister zur Vieh⸗ fütterung gegeben. Der Steuerbeamte erfuhr davon und meinte, das ei keine landwirthschaftliche, sondern eine gewerbliche Brennerei. Der Landwirth wurde denunziert und sollte 12 060 „ für die Defraudation bezahlen. Er wandte sich an den Finanz⸗Minister, und dieser schlug zwar die Sache aus Billigkeitsrücksichten nieder, glaubte aber, daß die Nachzahlung rechtlich doch begründet sei. Auf Gnaden sollte man die
eute nicht hinweisen, sondern auf ihr Recht, und darum hoffe ich, daß der
Resolution des Reichstages endlich Geltung verschafft wird. Die Steuer⸗ behörden lassen sch viel zu fehr von fiskalischen Rücksichten leiten, namentlich beim Branntweinsteuergesetz. Auch auf dem Gebiete der indirekten Steuern müffen wir auf den alten preußischen Grundsatz zurückkehren: suum cuique.
Finanz⸗Minister Dr. von Miguel:
Meine Herren! Es ist ja jetzt allmählich parlamentarische Ge— wohnheit geworden, daß alle Gegenstände deppelt verhandelt werden: im Reichstage und in den Einzelstaaten. Das wird wohl daher kommen, daß wir so viel Zeit haben, daß wir uns das erlauben können. (Hört! hört! links.)
. Herr Abg. Gamp hat nun gesagt: die Steuerbehörden gingen lediglich nach fiekalischen Gesichtspunkten vor, sie seien außerordentlich kleinlich, und hat dafür zwei Beispiele angeführt. Einmal einen Fall, wo die Steuerbehörde auf eine Strafe erkennen wollte, aber nech nicht erkannt hat, wegen Abgabe von Schlempe an einen Lehrer. Meine Herren, wenn das Gesetz ausdrücklich sagt: Schlempe muß aucschlleßlich, wenn die landwirthschaftlichen Brennereien aufrecht erhalten werden sollen, für das Vieh des Guts⸗
Gegensatz zu
formell richtig.
inhabers benutzt werden, — so ist die Stellung der Steuerbebörde Ich habe von der Verfolgung Abstand nehmen können, weil es sich bier um eine Strafe handelt, welche den Einzel⸗ staaten zu gute kommt, die, nach einer Ermächtigung schon aus dem vorigen Jahrhundert, der Finanz · Minister erlassen kann; würde eg sich um einen Zoll gehandelt haben, so würde ich diese Befugniß nicht gehabt haben; ich würde sonst verzichtet haben auf einen An⸗ spruch des Deutschen Reichs, und dazu bin ich nicht kom⸗ petent. Ich kann also nur immer wiederholen — das hat auch der Herr Abg. Gamp nicht richtig aufgefaßt oder wenigstens nicht richtig dargestellt, daß eine preußische Aus—= kunftstelle keine rechtlichen Wirkungen durch ihre Aussprüche erzielen könnte dem Reiche gegenüber. Und die Herren wollen ja gerade, daß der betreffende Importeur dann nicht den Zoll zu zahlen braucht, der fällig war zu der Zeit, als er importierte.
Der zweite Fall des Herrn Gamp ist der, wo nach Maßgabe des Reichsgesetzes ein Brennereibesitzer zur Tragung der Strafe wegen Defraude seines Brennereiverwalters hinzugezogen wurde. Er sagt: solche Dinge gehören an die Gerichte. Die Gerichte müssen genau so entscheiden, wie hier in der Verwaltung entschieden ist, aus dem einfachen Grunde, weil es sich um Befolgung eines Reichsgesetzes handelt. Die Einsetzung eines Gerichtshofes würde da nichts nützen, ja wahrscheinlich dem betreffenden Unglücklichen eher schaden.
Hieraus geht schon hervor, daß hier ganz andere Gründe vor⸗ liegen, aus denen die Härten entstehen, als die Praxis der Ver- waltung. Ich glaube, daß wirkliche Sachkenner, die die Praxis des Lebens wirklich kennen, in diesen Fragen den Vorschlägen des Herrn Gamp zu folgen sich hüten werden.
Ich habe allerdings in der Praxis eine ganze Reihe von Fällen gehabt, wo ich anerkennen mußte, daß die betreffenden Gewerbetreibenden in eine außerordentlich schwierige und der Billigkeit widersprechende Lage gerathen waren, und ich habe, wenn es sich um Strafen han⸗ delte, möglichst milde verfahren. Wenn es sich aber um Zölle handelte, so habe ich mir dieses nie gestattet. In dieser Beziehung möchte ich sagen: die Noth hat dem Bundesrath diese Kompetenz in weit- gehender Weise beigelegt, gewissermaßen ein Begnadigungsrecht unter der Berücksichtigung der Billigkeit eintreten lassen.
Es giebt ja Juristen, die auch zweifelhaft sind, wie weit, streng genommen, der Bundesrath diese Befugniß hat; aber alle Theile haben das Bedürfniß in dieser Beziehung so dringend empfunden, daß man keinerlei Beschwerden weder von den Einzelstaaten, noch von seiten der Reichsorgane, noch vom Reichstage jemals gehört hat. Von dieser Berücksichtigung der Billigkeit auch in Bezug auf Zölle macht der Bundesrath sehr ausgiebigen Gebrauch, und in den aller— meisten Fällen werden solche Schäden durch die Entscheidungen des Bundesraths geheilt. Einzelne Fälle, wo besondere Gründe vorliegen, daß der Bundesrath hierauf nicht eingehen kann, kommen dann in der Regel an den Reichstag und lassen die Sache so erscheinen, als wenn derartige Fälle massenhaft in der Verwaltung vorkämen, als wenn, möchte ich sagen, über den Be—⸗ griff der Zölle und ihrer Anwendung der ganze Handelsstand im Unklaren wäre. Das sind doch aber immer nur wenige einzelne Fragen, die meistens auftauchen bei neuen Artikeln, die vorher noch nicht importiert worden sind; sonst findet sich über die regelmäßigen Importartikel in der Zollverwaltung eine feste Praxis. Natürlich fühlen die Betroffenen sich außerordentlich beschwert, wenden sich mit Petitionen an die Behörden — den Reichstag — dann treten diese Falle allerdings vielfach sehr kraß hervor.
Das soll allerdings alles nicht heißen, daß ich nicht ein Be—⸗ dürfniß anerkenne, nach der angeregten Richtung hin irgend eine Besserung eintreten zu lassen; aber ich möchte glauben: wenn der Reichstag selbst die Sache nicht bloß in einer Resolution dem Bundes⸗ rath empföhle, sondern selbst bestimmte Vorschläge machte und uns in dieser Beziehung zu Hilfe kommen würde, so würde er sich über⸗ zeugen, wie schwierig es ist, in der Praxis die Sache durchzuführen.
Abg. Dr. von Cunv (nl): Die Schaffung eines einheitlichen Rechts auch in Steuer und Zollfragen ist allmählich ein unghweisbares Bedürfniß geworden. Der Finanz. Minister hat aber Recht, daß die . nur im Reiche gelöst werden kann. Der eine Staat darf die
ollgesetze nicht anders handhaben wie der andere. Das schãdigt den Verkehr.
Der Gesetzentwurf wird einer Kommission von 14 Mit⸗ gliedern überwiesen.
Schluß 335 Uhr. Nächste Sitzung Sonnabend 11 Uhr. (Vorlage, betreffend die Charsts und den Botanischen Garten, Nachforderung für den Dortmund⸗Ems⸗ Kanal, Reisekosten⸗ entschädigung.;
Statiftik und Volkswirthschaft.
Das Gefängnißwesen in Preußen.
Die Verwaltung des Gefängnißwesens ist in Preußen jwischen dem Ministerium des Innern und dem Justiz Ministerium getheilt. Unter der Verwaltung des Innern stehen 35 Strafanstalten zur Auf- nahme der zu Zuchthausstrafe Verurtheilten und 17 größere Ge⸗ faͤngnisse zur Aufnabme von. Gefängniß , Haft. und Unter suchungsgefangenen. Von diesen Anstalten enthielten am zi. Mär; 1855: 1000 Gefangene und mehr 1, 900 bis 1000 Ge⸗ fangene 1, 800 bis 900 Gefangene 3, 7900 bis S800 Gefangene 6, 500 bis 700 Gefangene 3. 560 bis 600 Gefangene 106 490 bis bo0 Gefangene 13, 300 bis 400 Gefangene 5, 200 bis 300 Ge⸗ fangene 4. 100 bis 200 Gefangene 5, 50 bis 100 Gefangene O, unter bo Gefangene 1. Außerdem untersteben dem Ministerium des Innern in dem frianzösischrechtlichen Theile der Rheinprovinz die sogenannten Kantongefängnisse, welche die amtsgerichtlichen Untersuchungs. und Haftgefangenen und die Gefangnißgefangenen, deren Straf dauer 14 Tage nicht übersteigt, aufnehmen. Ihre Zahl beträgt 86, ihre Belegfähigkeit schwankt zwischen 3 und 40 Köpfen.
Dem Justiz⸗Ministerium waren unterstellt 1016 Anstalten. Diese dienen zur Aufnahme von Untersuchungs gefangenen und r e e e , (Gefängnißstrafe, Haft und geschärfte Haft). Dagegen sind Zuchthaus⸗ sträflinge gänzlich ausgeschlossen. Von den Anstalten der Justiz- verwaltung? enthielten im Jahre 1823,96 1000 Gefangene und mehr 3, gö0 bis 109090 , , 0, 800 bis 900 Gefangene 1, 700 bis 800 Gefangene 0, 6090 bis 709 Gefangene O9. bog0 bis 600 Ge fangene 2. 400 bis ho0 Gefangene 6, 300 bis 400 ,. 6, 200 bis J00 Gefangene 13, 100 bis 209 Gefangene be, 50 big 100 Ge⸗ fangene sh, unker 55 Gefangene 845. Die Zahl der in diesen An⸗ stalten detin ierten n betrug; am 1. April 1895 34 643. am 51. März 1896 31 3858, im täglichen Durchschnitt des Jahres 1895/96
32 222, 20.
Nußerdem unterstehen dem Ministerium des Innern 4 Zwangs en el i n fn, für Jugendliche im Alter von 12 bis 18 Jahren,
die nach 5 56 des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich wegen mangelnder Einsicht freigesprochen und der Zwangserziehung über- wiesen sind. Darin waren am 31. März 1866 561 öglinge unter⸗ gebracht. Der Minister des Innern führt ferner die ufsicht über die Zwangserniehung der Kinder, welche vor dem vollendeten I2. Lebens-⸗ jahre eine 2 Handlung begangen haben und nach § 56 des Sirafgesetzbuchã Und dem Gesetze vom 13. März 1878 den Propinzial. verbãnden zur Zwangserzlebung überwiesen sind, sowie über die Provinzial Korrektionsanstalten.
Die Gesammtzahl der Zuchthausgefangenen betrug im Jahre 1896/55, wie der soeben erschienenen Statistik der zum Ressort des Königlich preußischen Ministeriums des Innern gehörenden Straf- anstalten und Gefängnisse für den 1. April 1886/96. zu entnehmen ist, 24 537 gegen 36551 im Jahre 1881/82 und 25 57 im Jahre 1559, und war die geringste in dem Zeitraum seit 1869. Der tägliche Durchschnitts bestand betrug 17 556, die Zahl des Zugangs 6817. Auf 10 000 Köpfe der 18 Jahre und darüber alten Bevölkerung des preußischen Staats kamen in Zugang 3,77. Es ergiebt sich aus der Statistik des Bestandes an 5er, use fang ten. daß die schwere Kriminalität vom Jahre 1869 bis 1871 gesunken, dann ziemlich kon⸗ stant bis zum Jahre 1881,82 gestiegen und seit dem ebenso konstant 1 ist, fodaß sie im Jahre 1855ñ96 um 20,3 v. S. günstiger
and als im Jahre 1869 und um 373 v. H. günstiger als im Jahre 188182. Auch die Zahl der Borbestraften unter den Zucht⸗ . , . ist gegen die der Vorjahre gesunken, sowohl die Zahl der Vorbestraften überhaupt als auch die der mehr als dreimal und mit Freiheitsftrafen von mehr als einem Jahre Vorbestraften; sie übertraf im Jahre 1895s95 nur wenig das Jahr 1889/90. Die Gesammt⸗ zahl der Zugänge an Zuchthausgefangenen betrug 5745 Männer gen 58J7 im Jahre 1889/80609 und 1072 (1284) Frauen.
grunter waren vorbestraft 4925 (4868) Männer oder 85.373 83,76) v. H. und 812 (976) Frauen oder 75,75 (6,91) D. V., mehr als dreimal 3907 (37155 Männer oder 6801 (63,92) v. H. und sal (78585 Frauen oder 55,579 (61,37) v. O., und mit mehr als einem Jahr 2447 (1985) Männer oder 4259 (3415) v. H. und 311 (366) Frauen oder 29801 (27,73) v. H. Nach Altersklassen vertheilt. ent⸗ fielen von den Zugängen auf je 10 000 der betreff enden Altersklasse: im Alter von 8 bis unter 21 Jahren 2,63, 21 bis unter 25 Jahren C28, 25 bis unter 30 Jahren 5,29, 30 bis unter 40 Jahren 4,53, 46 bis unter 50 Jahren 4.236, 50 bis unter 60 Jahren 3, 28, 60 bis unter 70 Jahren 1,39, über 70 Jahren 0, 42.
Einzelzellen waren vorhanden in den Strafanstalten 4322, für durchschnittlich 17 56 Gefangene oder 24,6 v. H., in den Gefängnissen 28371, für durchschnittlich 8655 Gefangene oder 38,6 v. H. Seit dem Jahre 1865 ist die Zahl der Jellen vermehrt bon 3247 auf 7193.
ür die Benutzung der Einzelzellen gelten folgende Regeln; In den
trafanstalten sollen vor allen die jüngeren (18 bis 39 Jahre alten) Gefangenen und von den älteren die noch zicht wiederholt vor⸗ beftraften ihre Strafe in Einzelhaft verbüßen. In den Gefãngnissen sind zunächst die Untersuchungsgefangenen, dann die jugend, lichen 12 bis 18 Jahre alten), dann die jüngeren (18 bis 30 Jahre alten, dann die älteren noch nicht. wieder. holt vorbestraften in der Zelle zu halten. Mit Rücksicht darauf sind die Einlieferungsbestimmungen so getroffen, daß die Zellen⸗ gefängnisse nur für die jüngeren und erstbestraften Gefangenen bestimmt sind. Ueber die Dauer der Einzelhaft bestimmt der Vorsteher der Anstalt nach Anhörung der Konferenz der Oberbeamten. Von den Entlassenen waren in Cinzelhaft im Ganzen in den Strafanstalten M,h, in den Gefängnissen 19,4 v. H. Von diesen befanden sich im Alter von unter 18 Jahren (in den Gefängnissen) 53,6 v. H., von IS bis unter 23. Jahren in den Strafanstalten 79,9, in den Gefängtz⸗ nissen 33,6 v. H., von 25 Jahren und darüber nicht mehrfach vor⸗ bestraft 7,? und 9,2 v. H, mehrfach vorbestraft 14.3 und 8,4 v. H.
Von der Gesammtzahl der 1 087 männlichen Zuchthausgefangenen wurden go oder 43 v. H. bestraft, 57 v. H. blieben straffrei. Unter 227519 Straffällen befanden sich 17 wegen thätlicher Widersetzlichkeit. Von der Gesammtzahl der 3496 weiblichen Zuchthausgefangenen wurden Io? oder 48 v. S. bestraft, 52 v. H. blieben straffrei. Fur Zuchthaus⸗ gefangene, die von Zivilgerichten verurtheilt waren, wurden 153 An⸗ kräge auf vorläufige Entlassung gestellt, davon wurden 41 oder 27 v. H. genehmigt, für Militärsträflinge wurden 14 Anträge gestellt und 12 oder S6 v. H. genehmigt. Auf 7089 Entlassungen von Zuchthgus- gefangenen kamen h3 vorläufige Entlassungen oder O, 75 v. 5. Was bie Verpflegung der Gefangenen anlangt, so verhält sich in der täg⸗ lichen Kost daz animalische zu dem vegetabilischen Ciweiß ungefähr wie 1:3. Die Kosten der Gefangenenverpflegung betragen für den Kopf und Tag 30,9 9. Aus den Arbeitsbelohnungen können sich die Gefangenen Zusatznahrungsmittel beschaffen, doch darf der dafür aufzuwendende Betrag nicht mehr als 5. 3 für den Tag betragen. Aufgewendet sind im Durchschnitt für den Kopf und Tag L.I0 3. Für die Beschäftigung der Gefangenen gelten folgende Grundsätze:; Alle Bedürfnisse sowohl, der einzelnen Anstalten als der gesammten w sind, soweit irgend möglich, durch Arbeit der Gefangenen zu befriedigen. Alle Haus⸗ arbeit in den einzelnen Anstalten wird durch Gefangene verrichtet; die Herstellung der Kleidungs⸗, Lagerungs- und sonstigen Bedarfsgegen⸗ fände geschieht durch Gefangene; in den Anstalten zu Wartenburg, Insterburg, Brandenburg, Sonnenburg, Naugard, Ratibor, Halle, Rendsburg, Lichtenburg und Celle sind Webereien eingerichtet zur Unfertigung der Gewebe für Bekleidung und Lagerung. Die baulichen Reparaturen, größere Umbauten und Ergänzun sbauten werden durch Gefangene ausgeführt; bei Neubauten werden sie zur Ausführung der Erdarbeiten, zum Bau einzelner Gebäude und zur Anfertigung sämmt- licher Gebrauchsgegenstände verwendet. Die Herstellung von Gebraucht
egenständen für . und Staatsbehörden, namentlich für die
ilitärverwaltung, — ger g mit jedem Jahre größere Ausdehnung.
Zu iandwirthschaftlichen Kulturarbeiten für Staats und Kommunal⸗ ßerwaltungen, som e für Private können Zuchthaus gefangene verwendet werden, wenn diese mindestens ein Jahr ihrer Strafe verbũßt, sich gut geführt haben und der Strafrest nicht mehr als ein Jahr be⸗ krägt; Gefängnißgefangene mit ihrer Zustimmung, wenn sie sechs Monate ihrer Strafe verbüßt, sich gut geführt haben und der Strafrest nicht mehr als zwei Jahre beträgt. Zuchthaus und Gefängnißgefangene dürfen nicht zusammen arbeiten, von freien Arbeitern?“ müffen sie getrennt gehalten werden. Um eine Schädigung der freien Arbeiter zu verhindern, darf diese Verwendung von Gefangenen nur dann stattfinden, wenn die Arbeiten unterbleiben würden, well freie Arbeiter dafür nicht zu haben sind oder die hoben Löhne der freien Arbeiter die Anlage unrentabel machen. Mit solchen Arbeiten ift auf den Domänen Lichtenburg und Gorrenberg in der ,, Sachsen begonnen, es werden dabei etwa do bejw. 36 Ge⸗ angene der Strafanstalt Lichtenburg beschäftigt. Melioratiens⸗ arbelten auf den Elbwerdern bei Bleckede und auf dem Kebdinger Moor bei Stade, Provinz Hannover, sind so weit vorbereitet, daß damit im Sommer 1897 begonnen, werden kann; etwa 1095 Gefangene werden dabei Beschäftigung finden. Der Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten hat sich bereit erklärt, diese Bestrebungen möglichst zu fördern. Die übrigen Gefangenen werden im öffentlichen Ausgebot an Unternehmer zur Ausführung von Industrie⸗ arbeiten vergeben. Dabei wird Rücksicht darauf genommen, daß nicht einzelnen Ünternehmern eine zu große Anzahl von Gefangenen über- laffen wird, und daß nicht in einzelnen Industrien eine im Verbãltniß zur Zahl der darin thätigen freien Arbeiter unverhältnißmäßig große Zabf von Gefangenen beschäftigt wird. Seit dem Jahre 18638 ist die Zahl der in Unternehmerbetrieben beschäftigten Arbeiter von 73 auf 32 v. H. herabgemindert.
Die Tinnahmen aus der Verwaltung der zum Ressort des Minssterlums des Innern gehörigen Strafanstalten und Gefãngnisse betrugen 2 273 421,49 und hoh 552, 95 6, pro Kopf und Tag 35,4 und 18,8 g, zusammen 2 869 004,44 S und 29,9 3 pro . und Tag, die Ausgaben 5 746 960, o und 2 356 620,22 *, Pro Kopf und Tag 89,4 und 74.1 3, zusammen 8 101 680 23 6 und Sd, 5 J. Der Üntkerhaltungäzuschuß aus Staatsfonds betrug daher 3 472 638, 52 und 1 766 657.37 , pro Kopf und Tag b und 56,7 , zusammen 5 232 676,9 M und 5a 3.