1897 / 122 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 25 May 1897 18:00:01 GMT) scan diff

wieder, verwies bezüglich des Vorgehens des Präsidiums unfer stürmischem Widerspruch der Linken auf einen Präzedenz⸗ fall und wollte sodann über den Antrag Funke auf Verlesung einer Petition namentlich abstimmen lassen, was durch furcht⸗ baren Tumult links und Aufsschlagen auf die Pulte verhindert wurde. Der Tumult dauerte an, bis der Vize⸗Präsident die Verhandlung abbrach.

Deutschnationale Studenten machten gestern den Versuch, trotz des von der Polizei ergangenen Verbots, eine Protestverfamm lun gegen die Sprachenverord⸗ , . abzuhalten. Von der Polizei daran gehindert, zogen die Studenten lärmend vor das Parlamentsgebäude. Die Polizei verwehrte ihnen indessen das Eindringen in das Ge⸗ bäude. Die Studenten zogen nunmehr vor die Universität, wo sie eine Stunde lang lärmten und pfiffen. Späterhin gingen sie ruhig auseinander.

Von den beiden durch die griechische Flotte aufgebrachten Dampfern des österreichischen Lloyd ist der eine, der „Ettore“, gestern in Triest eingetroffen, während der zweite, die Minerva“, sich auf dem Wege von Saloniki nach dem Piräus befindet.

Großbritannien und Irland.

Die Königin hat sich am 22. d. M. von Windsor nach Balmoral begeben.

Im Oberhause erklärte gestern der Premier⸗Minister Lord Salisbury, daß die Regierung die vielen Schwierig⸗ keiten, betreffend die gegenwärtige Stellung der Niger⸗Ge⸗ sellschaft infolge der Berührung mit benachbarten Mächten, deren Gebiete nicht genügend scharf abgegrenzt seien, an⸗ erkenne. Er halte einen unmittelbaren Einfluß der Regierung für erwünscht. Der Gegenstand werde sorgsam erwogen, aber er könne noch nicht sagen, a Verfahren die Regierung beschließen merde. Im Unterh ause machte der Parlaments⸗Sekrelär des Auswaͤrtigen Curzon die Mit⸗ theilung, die Mächte seien darin einig, daß Kreta vollständige Autonomie unter der Suzeränetät des Sultans genießen solle; die Einzelheiten des Projektes befänden sich in Erwägung, Der Waffenstillstand zwischen Griechen und Türken sei auf dem Hügel von Taratsa bei Lamia am 20. d. M. unter⸗ zeichnet worden und habe an demselben Tage Nachmittags 3 / Uhr begonnen. Die beiderseitigen Truppen würden die von ihnen besetzten vorgeschobenen Posten innebehalten; Flanken⸗ ,, seien verboten. Die neutrale Zone sei am 22. d. M. festgesetzt worden. Ueber die Dauer des Waffen⸗ stillstandes sei nichts erwähnt; der türkische Oberbefehlshaber in Thessalien sei der Ansicht, daß der Abschluß als auf 15 Tage erfolgt anzusehen sei.

Frankreich.

Der Staatssekretär der Südafrikanischen Republik Dr. Leyds wurde, dem „W. T. B.“ zufolge, gestern Nachmittag von dem Minister des Aeußern Ha notaux empfangen.

Eine Note des Ministeriums des Auswärtigen besagt, die

britischen Unterthanen in Madagaskar ständen künftig unter französischer Gerichtsbarkeit. Die Gruppe der Regierungs⸗Republikaner beauftragte ihren Obmann, den Depunirten Marty, mit dem Minister⸗ Präsidenten in Betreff der unter den Mohameda nern in Algerien herrschenden, durch die jüngsten türkischen Siege hervorgerufenen Erregungen zu konferieren.

Spanien.

Auf eine in der ,, Sitzung des Senats gestellte Anfrage bezüglich des Beschlusses der liheralen Senatoren und Depumnrten, den Parlamentssitzungen fernzubleiben, bis ihnen eine Genugthuung für die Beleidigung des Senators Comas gegeben sei, erklärte, dem „W. T. B.“ zufolge, der Minister⸗ Präsident Canovas del Castillo: Die Entlassung eines Ministers zu fordern sei gegen die Verfassung. Er habe früher die Regierung geführt, ohgleich die Minorität den Parlamentssißungen ferngeblieben sei, jetzt sei dies indessen unmöglich. Alle Parteien müßten an der Ver⸗ antwortlichkeit für die Entschließungen der Regierung theil⸗ nehmen. Der Senator Pergle kündigte namens der konser⸗ vativen Dissidenten an, seine Partei werde den parlamentarischen Arbeiten solange fernbleiben, bis die Liberalen eine Genug⸗ thuung erhalten haben würden.

Eine gleiche Erklärung wie die obige gab der Minister⸗ Präsident in der Deputirtenkammer ab und fügte hinzu: derartige Vorgänge riefen einen mißlichen Eindruck in Washington hervor, wo man sogar annehme, daß Spanien fähig sei, seine Ehre zu verkaufen, indem es Cuba abtrete.

Nach der Sitzung der Deputirtenkammer fand eine Ver⸗ sammlung der konservativen Dissidenten statt, in welcher be⸗ schlossen wurde, den Präsidenten der Deputirtenkammer auf⸗ zufordern, bei Saga sta Schritte zu thun, um die Nichttheilnahme der Liberalen an den parlamentarischen Arbeiten zu beseitigen.

Türkei.

Die Botschafter unternahmen, wie W. T. B.“ aus Konstantinopel meldet, vorgestern und gestern gemeinschaftliche Schritte wegen der Beschlagnahme des griechischen Handels— schiffes Artemisia“ in den Dardanellen sowie wegen der Fest⸗ setzung des Termins der Ausweisung der griechischen Unter⸗ thanen in den Provinzen.

Nach einer Depesche Edhem Pascha's an den Kriegs⸗ Minister wurden in Larissa, Volo, Pharsalng und Do⸗ moko insgesammt 17 Geschütze, 34 313 Geschützgeschosse, 25 Munitionswagen, 96 Trainwagen, 3189 Gewehre, . Gewehrmunition und sonstiges Kriegsmaterial erbeutet.

Die Führer der Insurgenten auf Kreta beauftragten den nach Athen ʒurükkehrenden griechischen Obersten Staikos, der griechischen Regierung ein Schriftstück zuzustellen, in welchem es heißt, daß die Kreter selbst nach dem Abzug der griechischen Truppen entschlossen seien, mit allen Mitteln auf

ie . mit dem Mutterlande hinzuwirken. Indessen würden sie sich, ehe sie irgend eine Entf eidung träfen, an die griechische Regierung wenden, um Instruktlonen zu er⸗ halten, die den nationalen Interessen entspräͤchen.

Griechen land.

Der „Standard“ meldet aus Athen: Die Regierung habe wegen des Vorschlags Edhem Paschas, die . verhandlungen direkt mit Griechenland zu führen, eine Verbalö⸗ note an die Mächte gerichtet. Sie gebe darin den Mächten die Versicherung, daß sie weder den Wunsch noch die Absicht habe, direkt mit der Pforte zu verhandeln, und bitte die Mächte dringend, den Lauf der Verhandlungen zu beschleunigen, da

die Türken mit der Wiederaufnahme der Feindseligkeiten

drohten. Montenegro.

Der Fürst empfing gestern, wie W. T. B.“ aus Cetin je meldet, einen Adjutanten des Sultans, der ihm ein persönliches Handschreiben des Sultans überbrachte, mit dem türkischen Gesandten zusammen in feierlicher Audienz.

Dänemark.

Im Folkething brachte, wie W. T. B.“ meldet, der inanz⸗Minister Hörring gestern eine Vorlage, betreffend die erlän gerung des interimistischen Fin anzgesetzes

auf zwei Monate, nämlich bis zum 31. Juli d. J, ein. Yig ch n theilte der Minister mit, daß er in nächster Zeit eine neue Budgetvorlage einbringen werde.

Afrika.

Nach einer Meldung der „Agence Havas“ aus Prätoria erschien der Präsident Krüger gestern früh in der Sitzung des Volksraad und ersuchte die Versammlung, sich zu Ehren des Geburtstages der Königin von Großbritannien zu ver⸗ tagen. Der Volksraad leistete dem Wunsche des Präsidenten ohne Erörterung Folge.

Die Staatseinnahmen der Südafrikanischen Republik im Jahre 1896 weisen einen Mehrbetrag von 1360000 Pfd. Sterl. gegenüber dem Jahre 1895 auf.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Berichte über die gestrigen Sitzungen des Reich s⸗ tages, des Herrenhauses und des Hauses der Ab⸗ geordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.

In der heutigen (232) Sitzung des Reichstages, welcher der Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. von Boetticher und der Staatssekretär des Reichs⸗ Schatzamts Hr. Graf von Posadows ky beiwohnten, wurde die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung, fortgesetzt beim 5 . welchem sich gestern die Beschlußunfähigkeit heraus⸗ gestellt hatte.

Es handelt sich darum, daß gemäß einem freisinnigen Antrage die Regierungsvorlage wieder hergestellt werden sollte, wonach bei Bildung einer Zwangs⸗Innung die bestehende Innungskasse aufgelöst werden kann, wenn deren Ausdehnung auf die Gesellen der Mitglieder der Innung das Bestehen einer Ortskrankenkasse gefährden würde.

Der Antrag wird mit 141 gegen 65 Stimmen abgelehnt.

Nach 5 1090 der Vorlage sollten sowohl der Haushalts⸗ plan, als auch die nicht im ul np vorgesehenen Aus⸗ gaben der Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedürfen.

Die Kom mission hat beschlossen, daß der Haushalts plan und alle Beschlüsse über Aufwendungen für nicht vor⸗ gesehene Ausgaben der Aufsichtsbehörde eingereicht werden sollen; nur wenn ein Viertel der Innungs-Mitglieder einem solchen Beschlusse widersprochen hat, solle die Entscheidung der Behörde eintreten.

Abg. Richter (fr. Volksp.) beantragt die Wiederherstellung der Regierungsvorlage, weil der Kommissionsbeschluß keinen genügen⸗ den Schutz fur die Minderheit biete.

Abg. Dr. Krepatschek (d. kons.): Sonst hieß es immer, daß der Kontrole zu viel sei in der Vorlage; jetzt wollen die Herren von der Linken die Aufsicht noch verstärken. Wir wollen die Aufsicht nicht so vermehren, daß die Innungen fast aufhören, selbstverwaltende Körperschaften zu sein.

Abg. Richter: Bei freien Innungen liegt kein Anlaß zur strengen Beaufsichtigung vor, wohl aber bei den Zwangs⸗Innungen. Das Recht des Widerspruchs für ein Viertel der Innungsmitglisver hat gar keine Bedeutung, denn es ist garnicht möglich, daß die Mit⸗ glieder so zeitig von den Beschlüssen Kenntniß erhalten, daß sie rechtzeitig Widerspruch erheben können.

Der Antrag wird abgelehnt und z 1000 genehmigt.

Nach 5 1008 kann die Zwangs⸗Innung wieder aufgelöst werden, wenn drei Viertel der Mitglieder sie beantragen.

Abg. Richter beantragt, daß die Mehrheit die Auflbͤsung soll beantragen können. Wenn die Mehrheit genüge, eine Zwangs⸗Innung zu bilden, dann müsse sie auch genügen, um sie aufzulösen, und zwar ohne die. Beschrankungen, welche die Kommissionsbeschlüsse ein⸗ geführt hätten.

Abg. Dr. Kropatsche k: Vom Standpunkt des Vorredners ist der Antrag verständlich, aber wir wollen die Auflösung der Janungen nicht erleichtern.

Abg. Rich ter: Der Handels-Minister hat ausgeführt, daß die Innungen nicht positiv arbeiten können, wenn die Mehrheit in ihnen der Innungsarbeit feindlich gegenübersteht. Wie kann man es daher vertheidigen, daß die Zwangs. Innung aufrecht erhalten wird, obwohl die Mehrheit der Mitglieder von derselben nichts mehr wissen will?

1098 wird unverändert angenommen.

Die Vorschriften über die Innungsausschüsse werden un⸗

verändert genehmigt.

Bei den Vorschriften über die Handwerkskammern

8 1083 1930) bemängelt

Abg. Richter beim 5 13h, daß ein Staatskommissar den Sitzungen der Handwerkskammer jederzeit beiwohnen könne und jederzeit gehört werden müsse. Von dieser Vermehrung der Aufsichts-⸗ befugniß sei nichts zu erwarten.

Abg. Dr. Hitze (Zentt hält eine strengere Aufsicht für noth—⸗ wendig, weil die Handr-erkökammern die Befugniß hätten, allerlei Vorschriften über Lehrlingswesen z. zu erlassen.

Abg. Richter: Auch die Innungen können Vorschriften er— lassen, also müßte bei ihnen auch ein Staatskommissar fungieren. 1063h wird unverändert angenommen. bs. Richter beantragt, eine neue Vorschrift einzufügen, wonach den Gesellen für die Vorbereitung der Wahlen zum Ge⸗ sellenausschuß für die Handwerkskammern ebenso wie den Wählern fur die Reichstagswahl das Recht zustehen solle, zum Betriebe der Wahlen Vereine zu bilden und in geschlossenen Räumen öffentliche Versammlungen zu veranstalten; die Vereine könnten auch mit einander y treten. Eine solche Bestimmung sei nothwendig gegenüber den sehr mangelhaften Vereinsrechten, die z. B. in Mecklenburg u. s. w. beständen.

Abg. Stadthagen (Soz) hält einen solchen Antrag für drin gend nothwendig, denn man babe schlicßlich alle nur denkbaren An⸗ gelegenheiten als politische bezeichnet und alle Vereine der Polizei⸗ n, n, sher

g. Dr. Kropatschek (8. kons. ): Ich kann keine Analogie zwischen den Reichstagswahlen und den Wahlen zu Gesellenausschüssen anerkennen. In Reichstagswahlversammlungen kann alles Mögliche verhandelt werden; in den Gesellenversammlungen müßte doch eine Beschränkung des Verhandlungsstoffs eintreten auf die Innungs⸗ angelegenheiten. Deshalb lehne ich den Antrag heute ab.

Abg. Dr. Hitze (Zentr ): Da ich die Tragweite des Antrags nicht übersehen kann, muß ich gegen denselben stimmen. .

Bei Schluß des Blattes nahm der Abg. Richter das Wort.

Das Herrenhaus begann in seiner 972 Sitzung, welcher der Präsident des Staats⸗-Mini zu Hohenlohe, der Vize⸗Präsident des Staatg— nisteriums. Staats⸗Minister Dy. von Boetticher, der ee, n. Dr. von 2 der Minister der öffent⸗ lichen Arbeiten Thielen, der Minister für Landwirthschaft ꝛc.

ö von Hammerstein und der Minister des Innern r

eiherr von der Recke beiwohnten, die Berathung des tag ts haushalts⸗Etats . 1897/98. General · Berichterstatter Graf von . weist darauf hin, daß die Verspätung, welche in diesem Jahre die Etatsberathung erfahren, einen dreifachen Schaden im Gefolge habe. Außer dem moralischen sei ein wirthschaftlicher Schaden entstanden, der besonders bei den beabsichtigten Beamtenbesoldungsverbesserungen zu Tage trete. Der Landtag sei schon am 20. November zusammengetreten, die Regierung habe also diligentiam prästiert. Aber erst am 12. Mai habe das Herrenhaus den Etat vom anderen Hause erhalten und werde ihn in 14 Tagen zur Erledigung bringen. Die Schuld liege offenbar daran, daß die Einfügung des Beso ungsverbesserungsplans in den Etat die rechtjeitige Fertigstellung desselben bis zum 1. April ver= hindert habe. Die Etats, und Finanzkommission habe diese Meinung getheilt und überdies in der Einfügung der Besoldungsverbesserung in den Etat eine Benachtheiligung der Rechte des Herrenhauses erblickt, egen die irgendwie Stellung genommen werden müsse; denn bei Be⸗ i habe das Herrenhaus auch ein Wort mit. zusprechen. Allein in diesem Jahre seien in drei besonderen Gesetzen, so J. B: im Richtergehaltsgesetz Besoldungsverbesserungen vorgeschlagen, die also nicht den Weg durch den Etat passiert hätten. ine feste, verfassungs mäßige Praxis bestehe in diesem Punkte nicht. Bleibe der Etat von der Belastung mit solchen schwierigen Materien frei, so sei seine rechtzeitige Fertigstellung viel wahrscheinlicher. Mit der finanziellen Gestaltung des Etats sei die Kommission außerordent⸗ lich zufrieden gewesen. ;

In der Generaldebatte wird folgender Antrag des Frei⸗

herrn von Maltzahn gleich mit erörtert:

„Die Königliche Staatsregierung aufzufordern, das Recht der Theilnahme des Herrenhauses an der Gesetzgebung nicht durch eine unrichtige Auffassung des Artikels 62 der preußischen Verfassungs« urkunde (Art. 62: Finanzgesetzentwürje und Staatshaushalts« Etats werden zuerst der Zweiten Kammer vorgelegt; letztere werden ven der Ersten Kammer im Ganzen angenommen oder abgelehnt) zu beschränken, wie es gegenwärtig durch die Be⸗ handlung der Beamtenbeseldungs⸗Verbesserungen geschehen ist, die nur durch den Staatshaushalts⸗Etat statt durch Vorlegung eines besonderen Finanzgesetzentwurfs erledigt werden sollen.“

Schluß des Blattes.)

Auf der Tagesordnung der heutigen (91) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Minister für Handel und Gewerbe Brefeld beiwohnte, stand die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend Abänderungen des Gesetzes über die Handelskammern vom 24. Fe— bruar 1879. .

Nach § 2 unterliegt die Errichtung einer Handelskammer der Genehmigung des Ministers für Handel und Gewerbe.

Abg. Cahensly (Sentr) beantragt, hinzuzufügen:

Die Genehmigung darf nicht versagt werden für einen einer

Handelskammer noch nicht zugewiesenen Bezirk, in welchem die

veranlagte Gewerbesteuer mindestens 100 000 M beträgt, sofern der

Antrag auf Errichtung einer Handels kammer von mindestens der Hälfte

der in den Handel registern des Bezirks eingetragenen, zur Gewerbe—

steuer veranlagten Firmen gestellt wird. Dies gilt auch für den Fall, daß fi 5 Bezirk eine besondere kaufmännische Körperschaft bereits esteht.

Der Antragsteller begründet den Antrag, indem er die Noth⸗

wendigkeit besonderer Berücksichigung der Verhältnisse betont. Die Konfektiong⸗ und Lederindustrie sei z. B. nicht unter den Aeltesten der Berliner Kaufmannschaft vertreten. Die Abgg. Reichardt und Hausmann snl.) beantragen, im Falle der Annahme dieses Antrags hinter den Worten Firmen gestellt“ die Worte einzuschieben: „und von diesen die Hälfte der Gewerbesteuer aufgebracht“.

Abg. Reichardt (ul) ist im Prinzip gezen den Antrag Cahensly; die besonderen Berliner Verhältnisse genügten ihm nicht zur Motivierung dieses Antrags. Eine bestehende kaufmännische Körperschaft würde dadurch beseitigt werden. Die Gesammtheit könne sich nicht dem Willen der einen Hälfte fügen. Sein Antrag schwäche den Antrag des Abg. Cahensly wenigstens insofern ab, als er ver⸗ hindere, daß eine Hälfte, die vielleicht nur einen geringen Gewerbe— steuerbetrag aufbringe die Gesammtheit majorisiere.

Abg. Dr. Stephan-⸗Beuthen (Sentr.) führt aus, daß die alten Korporationen trotz des Antrags Cahensly bestehen bleiben könnten. Der Antrag sei so gefaßt, daß nur in den zwingendsten Fällen danach zu verfahren sei. Der Antrag ermögliche es nicht etwa, daß eine Hälfte aus einer bestehenden Handels—⸗ kammer austreten könne, um eine neue zu bilden denn er beziehe sich nur auf Orte, in denen noch keine Handels⸗ kammer bestehe. Die wenigen Aeltesten der Kaufmannschaft in Berlin könne man doch nicht als eine Vertretung aller Berliner Kaufleute anseben. Der Antrag Reichardt⸗Hausmann mache den Antrag Cahensly zwecklos, und er bitte, jenen abzulehnen.

Abg. Gamp (fr. kons.) baͤlt die Vertretung der Kaufmannschaft Berlins durch die Aeltesten für vollkommen ausreichend und sach⸗ verständig genug. Durch eine neue Organisation nach dem Antrag Cahensly würde nur eine Agitation in die Vertretung hinein getragen; zumal bei dem gleichen direkten Wahlrecht für die Handelskammern, auf dessen Boden der Antragsteller stehe, würde die intelligente Minderheit durch die große Masse majorisiert. Der Errichtung einer Handelskammer in Berlin sich die größten Schwierigkeiten 2 die Hälfte der eingetragenen Firmen ließe sich garnicht feststellen. Und neben einer Zwangsorganisation könne eine freiwillige Organisation arnicht bestehen bleiben. Wer solle denn gejwungen werden können,

ch der Zwangsorganisation anzuschließen? Nur das mindenwerthige Material werde sich in einer solchen Handelskammer zusammenfinden. Dem Antrag Reichardt stimme er zu; denn damit bliebe der Antrag Cahensly nur ein Schönheitsfehler des Gesetzes.

. Minister für Handel und Gewerbe Brefeld: Es kommt auf eine rationelle Eintheilnng der Handelskammerbezicke an. Die Hälfte der Firmen darf nicht ausschlaggebend sein, denn sie könnte gerade die minderwerthige sein. Besonders bedenklich ist der zweite Theil des Antrags Cahensly, daß er auch für Bezirke mit bestehenden Körper. schaften gelten soll. Die Berliner Verhältnisse zwingen auch nicht zu dem Antrag, denn in dem Verein der Kaufleute liegt eventuell eine Korrektur der Aeltesten.

Abg. von Brockbausen (kons.): Wenn der Antrag für solche Fälle gilt, wo eine bestebende Körperschaft zu Mißständen geführt bat, so stehen wir ihm syn pathisch gegenüber, und wir fassen den Antrag in diesem Sinne auf. Verschiedene Anträge an die Aeltesten in Berlin auf Revision dieser Korporation, auf Vermehrung der Aeltesten von 21 auf 42 24. sind von den Aeltesten nicht berücksichtigt worden; die Miß stände der Vertretung in Berlin sind auch in der in London er: scheinenden „Reuteris Fingnzchronik' geschildert. Selbst mit einer Aenderung des Statuts ließe sich keine geeig- nete Vertretun der kleinen Gewerbetreibenden schaffen. Bei dem Dreiklassenwahlrecht würden die Bedenken des Abg. Gamp hinfällig werden und die Handelskammer eine richtige Zusammensetzung erhalten. Wir werden heute für den Antrag Cahensly stimmen, werden aber für die dritte Lesung eine andere Redaktion suchen, die unsere Bedenken beseitigt, und sollte sie nicht zu finden sein, so be⸗ halten wir uns vor, in dritter Lesung dagegen zu stimmen.

würden

tigen ö. ums

Kir tr) bält den Einwand des Ministerg, daß in 6 3 * der Kaufleute besteht, nicht für stichhaltig, weil sonst jeder solcher Verein eine Handelskammer überflüssig machen könnte, und tadelt es dann, daß in der Provin; Sachsen eine Handels. fammer ihre Siß ungen nicht an ihrem regelmäßigen Sitz, sondern am Sitz einer benachbarten Handelskammer abhalte.

Geheimer Regierungs · Rath Lu sens ky: In der Kommission ist schon darauf hingewiesen worden, daß die Handelßkammer von Halber · fadt ihre Sitzungen nicht dort, sondern in Ma deburg ab⸗ balte. Magdeburg liegt für die Mitglieder der ãdter Fammer bequemer und es giebt keine gesetzliche Handhabe, die Sitzungen in Magdeburg zu verhindern, wenn auch dieser Zustand nicht erwünscht ist. Es handelt sich nur um einen einzelnen all.

Abg. Pr. Steph an⸗Beuthen widerspricht den Bedenken des Abg. Gamp. .

Nach weiterer längerer Debatte wird der Antrag Reichardt abgelehnt, der Antrag Cahensly angenommen und mit diesem Zufatz der 82 der Vorlage.

(Schluß des Blattes) Dem Herrenhause ist ein Gesetzent wurf, betreffend

ie Verpflichtung der Gemeinden in den Landkreisen der . Hessen⸗Nafsau und Schlesien zur Bullen⸗

altung, zugegangen.

Von 21 Grafen 23 1 ist im Her renh ause achstehender Antrag eingebracht worden: J .

ö ö Herrenhaus wolle beschließen: die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, die Durchführung folgender Grundsätze herbeizuführen:

a2. Den Provinzen sind in Zukunft nur unter der Bedingung neue Lasten und Pflichten vom Staat aufzubürden, daß ihnen dafür entsprechende Dotationen aug der Staatekasse überwiesen werden.

b. Ein festzusetzender Theil der Ueberschüsse der Staatskasse soll alljährlich den Provinzen überwiesen werden.

Arbeiterbewegung.

Aus Wiesbaden wird der Köln. Ztg. zum Maurer⸗ aus stande (gl. Nr. 121 d. Bl.) geschrieben: An dem Aus stande nehmen über 400 Arbeiter theil; überall ruht die Arbeit, Ver ; schiedentlich haben Ausständige versucht, mit Gewalt einige Weiter · arbeitende zur Niederlegung der Arbeit zu zwingen und am Bahnhof juziehende Maurer von der Aufnahme der Arbeit abzuhalten. Die , schritt dagegen ein. Die Arbeitgeber erklärten die von den

rbeitern gestellten Bedingungen ö. unannehmbar. . In Plauen i. B. und in Rostock befinden sich, wie im Bor- 5 mitgetheilt wird, die Töpfer wegen Lohnstreites im Aus⸗ tande. ; Hier in Beklin fand am letzten Freitaz eine Maurerversgmm lung statt, in der, wie die ‚Voss. Ztg. berichtet. über die Lohn⸗ bewegung der Maurer Bericht erstattet wurde, Danach sollen die . der Maurer 60 Stundenlohn und neunstündige

rbeitszest auf 41 Bauten etwa 1000 Arbeitern bewilligt worden fein, während 14 Unternehmer die Forderungen theilweise zugestanden oder in Äussicht gestellt kaben und nur auf vier Bauten die Arbeit gänzlich ruht. Man will deshalb von einem allgemeinen Ausstand absehen.

Kunst und Wissenschaft.

Große Berliner Kunstausstellung. JI.

L. K. Wer die diesjähre Ausstellung besucht in der Erwartung, überraschende neue Talente zu entdecken, wird, das betonte unser Vorbericht bereits, sich stark enttäuscht fuͤhlen. Aber auch die Kritik, die nicht nach dem n,. Maßstabe mißt, vielmehr in der modernen Kunst lediglich ein Epigonenthum von mäßiger Durchschnittsbegabung sieht, muß zu dem Ergebniß kommen, daß das Jahr 1897 für Berlin, was die Kunst⸗Crescenz anlangt, nicht als „guter Jahrgang“ gelten kann. Vieles unter den neuen Erscheinungen weist direkt auf einen Rückgang hin. Die im Ehrensaal aufgestellten Bilder sind wenig geeignet, solchen Pessimismus zu zerstören. Die große Aufgabe, das Andenken an das Begräbniß Kaiser Wilhelms J. fänstlerisch der Nachwelt zu erhalten, hat in Au gust Westphalen einen unzulänglichen Bearbeiter ge⸗ funden. Mit der Nüchternheit eines Protokollführers ist der Maler ans Werk gegangen; dem feierlichen Ernst der Stim⸗ mung, die der weligeschichtliche Vorgang weckt, wird seine Auffassung nicht gerecht. Auch William Pape's Schilde⸗ rung der Jubelfeier im Weißen Saale des Berliner Schlosses am 18. Januar 1896 fehlt es bedenklich an jener Kraft der Charakteristik im einzelnen, wie auch an koloristischer Vor⸗ nehmheit, die solchen Repräsentations bildern Adolf Menzel, der unter den Zeugen des Vorgangs links im Vordergrunde des Bildes figuriert, zu verleihen wußte. Den großen Fleiß, den Pape der Vorbereitung zugewendet hat, lassen die zahl⸗ reichen Porträtköpfe erkennen, deren Farbenstizzen in einem benachbarten Saal aufgestellt sind. Aber 5 kann man mit Menzel's Bleistiftstudien, ja selbst mit A. v. Werner's Skizzen zum Berliner Kongreßbilde nicht vergleichen, ohne den großen Abstand an künstlerischer Kraft empfindlich zu spüren. Die beiden Reiterporträts des Großen Kurfürsten und Friedrich's des Großen von Werner Schuch, denen sich im letzten Saale der Ausstellung ein Reiterbildniß Seiner Majestät des Kaisers an der Spiße der Gardes du Corps an⸗ schließt, sind koloristisch ohne intimeren Reiz; auch vermißt man die rechte Tiefe der Auffassung. wei Brustbilder Seiner Majestät des Kaisers hat Ludwig Noster im EChrensaale ausgestellt, während Anton von Werner eine Episode eines Hofballfestes unter Wil⸗ helm L, die Vorstellung eines Brautpaares, in einem kleinen Bilde, das bereits den Vermerk, Verkauft“ trägt, schildert. Franz von Lenbach's lebensgroßes Porträt des Fürsten Bismarck in ganzer Figur zählt nicht 51 den besten unter den zahlreichen Bismarck-Bildnissen des Münchner Malers. Der . dominiert nicht, wie sonst in Lenbach's Porträts, in dem Maße, daß man die Schwächen in Haltung und Bewegung der Gestalt namentlich der linke Arm wirkt wie gelähmt darüber vergessen könnte. Durchgeistigte Vornehmheit spricht aus den Zügen des Reichskanzlers ö. zu Hohenlohe, dessen Brustbild Lenbach's Kunst ebenfalls im Ehrensaale vertritt; aus dem warmbraunen Gesammtton des Bildes leuchtet der gespannte Blick und das feinmodellierte Antlitz fesselnd hervor.

Den anschließenden dritten Saal füllen vorzugsweise Bild⸗ nisse und Landschaften. In erster Linie ist ein Damenporträt von Karl Ziegler zu nennen, einem jugendlichen Berliner Künstler, der bereits wiederholt Proben eines feinentwickelten Kunstgefühls abgelegt hat, und der in der , , . Ausstellung auch mit einer großen Komposition „Der Sommer! (Saal 35) die ufmerksamkeit auf sein Talent lenkt. Das Damenporträt bekundet die Neigung Ziegler's, die auch früher schon in seinen Werken hervortrat,

sich den großen englischen Porträtisten anzuschließen; unter dem 6 Reede. Mattherzigkeit birgt sich ein außer⸗ ordentliches Feingefuͤhl für Anmuth der Linien, für zarten, echt weiblichen Ausdruck und für dekorative Abtönung der Farbenwerthe. Der Gesammteindruck wie das Studium der Einzelheiten befestigen die e e, von der feinen Geschmacksorganisation dieses vielverspre Talents. Daß eine . Ausbildung dekorativen Zartgefühls allerdings auch ins Manieriert⸗Süͤßliche umschlagen kann, beweist das Doppelporträt Sophie Ko ner's Mutter und Kind“ (827), neben dem die sicherlich nicht derben Bildnisse von der Hand . Gatten Max Koner, unter denen besonders das des

ürsten Lichnowsky durch feine Charakteristik hervorragt, er⸗

ischend wirken. Hugo Vogel hat den Grafen von Bis⸗ mark⸗Bohlen in nahezu ganzer Figur porträtiert: ein vor⸗ nehmes, wenngleich etwas kraftloses Repräsentationsbild; die von der diesjährigen Elfer⸗Ausstellung bekannten Veduten aus dem Park der Villa Torlonia hat Vogel wiederum ausgestellt. Von Schulte's Ausstellungen her bekannt dürfte den meisten Besuchern auch Nost er's Bildniß des Geheimen Kommerzien⸗Raths Krupp sein, das indeß weniger lebendig wirkt als seine Wiederholung in ganzer Figur, die ebenfalls in Schultes Salon zuerst ausgestellt war. Den energischen Künstlerkopf Rudolf Siemering's wählte Josef Scheurenberg als Modell für ein durch Schlichtheit und 3 der Auffassung fesselndes Porträt, das den mißglückten Versuch des begabten Malers, sich auf präraphaelitisches Gebiet zu wagen . Meeres⸗ wonne“, 1251), stark in den Hintergrund drängt, Wilhelm Volz' Bild „Singende Musen“ (1531) ist von früheren Aus⸗ stellungen als unzulänglicher Versuch in der gleichen Richtung bereits bekannt.

Eine charaktervolle, koloristisch interessierende Schilderung aus dem orientalischen Volksleben sind Ra bes' „Juden an der Klagemauer zu Jerufalem“ ( 165), wenn sie auch an Intimität begreiflicherweife seinen kleineren Bildern verwandter Art, deren eine ganze Reihe in anderen Sälen sich findet, nicht gleichkommen. ö .

Unter den Landschaften des Raumes finden sich mehrere von künstlerisch hohem Rang: so Bracht's Elch in nebliger Einöde (119), eine im Geschmack der Schotten gemalte Abendstimmung von Wilhelm Feldmann (899), ein farbenprächtiges Hafenbild von Hans Herrmann und eine ganz in lichtes Grün getauchte Landschaft von Theodor Hagen⸗Weimar Söös), der als feiner durchgeführtes Seiten⸗ ffück die schon im Vorbericht erwähnte Mondnacht am Schloß⸗ weiher von Skarbinag (1363), ein Virtuosenstück zarter Tuministsk, angereiht sei. Den ftärksten Eindruck aber macht wohl Fritz Ov erbeck's „Sommertag“ (1110). Der Künstler gehört zu er Malerkolonie, die sich in Worpswede bei Bremen niedergelassen hat, um die Natur unseres norddeutschen Tieflandes eifrig und unbeeinflußt von den Ablenkungen des großstädtischen Treibens studieren zu können. Overbeck's Bild zeigt eine ge⸗ funde männliche Art der Farbengebung, in der sich poetische Wirkungen, wie man sieht, ebensowohl erzeugen lassen, wie in jener etwas kraftlosen Halbtonmanier, die nach dem Vorbilde der schottischen Schule auch bei unsern deutschen Malern mehr und mehr als das Endziel aller Stimmungsmalerei angesehen wird, während sie bestenfalls doch nur als eines unter den Mitteln solcher Kunst gelten kann.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Auf der landwirthschaftl ichen Ausstel lung zu Hamburg welche die Deutsche Landwirthschafts-Gesellschaft in der Zeit vom 17. bis 21. Juni d. J. veranstaltet, sind zum ersten Male auch „Gegenstände des Landbaues in deutschen Kolonien“ zu⸗ gelassen. Wenn auch die Zahl der angemeldeten Aussteller noch keine große ist, so wird besonders infolge der Betheiligung des Comit és zur Einfürung von Erjeugnissen aus den deutschen Kolonien doch bereits eine recht lehrreiche und anziehende Sammlung von Erzeugnissen und Hilfsmitteln unseres kolonialen Landbaues den Befuchern vorgeführt werden. Das genannte Comits bringt außer den rerschiedenartigsten Naturprodukten und den daraus her— gestellten Fabrikaten auch Bodenstudien aus unseren Kolonien, literarische Hilfsmittel und das Modell einer afrikanischen Kakao— pflanzung in einem Panorama von Viktoria im , e. Kamerun zur Anschauung. Außerdem wird Kaffee von der Usambarg⸗Kaffeebau—⸗ Gesellschaft und eine reiche Sammlung von Gegenständen der Tropenausrüstung vorgeführt werden. Schließlich stellen noch vier deutsche Fabriken landwirthschaftliche, für koloniale Zwecke gebaute Maschinen und Geräthe aus; Pflüge, Feldbahnen, Säemaschinen, Maisrebbler, Zuckerrohr⸗Quefschen, Kaffeebohnen Entfleischer u. s. w. Das Gesammtbild dieser Abtheilung wird es der Anschauung des deutschen Landwirths näher bringen, in welcher Welse sein Berufsgenosse in den tropischen deutschen Be⸗ sitzungen der Erde ihre Früchte abgewinnt. Die preußische CEisenbahnverwaltung hat für die Autstellung der Deutschen Land⸗ wirthschafts. Gesellschaft zu Hamburg Fahrpreis ermäßigungen in der AÄrt bewilligt, daß vom 16. bis 21. Juni gelöste direkte Fahrkarten L, II. und III. Klasse nach Hamburg bis zum 22. Juni unter der Bedingung auch zur Rückfahrt be⸗ rechtigen, daß sie zur Bestätigung des Ausstellungsbesuchs einen Kontrolstempel der Gesellschaft erhalten haben. Eine Reihe nichtvreußischer Bahnverwaltungen hat diesem Vorgange angeschlofsen, und es steht zu erwarten, daß die interessierten Kreise von diesem Entgegenkommen einen weitgehenden Gebrauch machen werden. Wird doch die Hamburger landwirthschaftliche Ausstellung die reichhaltigste sein, welche die D. L -G. in den 12 Jahren ihres Bestehens veranstaltet hat: Es werden etwa 600 Pferde, 1290 Rinder, 300 Schafe, 540 Schweine, 86 Ziegen, 1800 Stück Geflügel nebst Kaninchen, gegen 1800 verschiedene Arten von landwirthschaftlichen Erzeugnissen und 3796 Geräthe und Maschinen zur Stelle sein. Die Deutsche Landwirthschafts - Gesellschaft veranstaltet gelegentlich der Ausstellung 11 Ausflüge, sowie zahlreiche Versammlungen.

Saatenstand in Oesterreich.

(Bericht des K. K. Ackerbau⸗Ministeriums nach dem Stande von Mitte Mai 1897.)

Die Witterung der zweiten April⸗Hälfte war im Ganzen normal verlaufen, daher die Temperatur, obwohl etwas tiefer als sonst in dieser Zeit, der Entwickelung der Vegetation günstig und auch die Regenmenge zumeist entsprechend. Die erste Hälfte des Mai aber brachte in fast allen Gegenden der Reichshälfte eine ungewöhnliche, oft geradezu winterliche Kälte und ein Uebermaß von Niederschlägen, welche häufig als kalte Regen, in allen Alpenländern der mittleren

one aber, ferner in einem großen Theile von Böhmen, Mähren und

chlesten, in einigen Gegenden von Westgalizien und hier und da auch in Sst⸗ Galizien und in det Bukowina als Schneefälle, oft von sehr bedeutendem Ausmaße, auftraten. In den Alpenländern blieb der Schnee oft selbst in den Thälern mehrere Tage lang als mächtige Decke liegen. Auch in Südtirol und im Küstenlande fiel Schnee, in Istrien allerdings nur in den höheren Lagen. Sehr häufig traten Fröste ein, welche aber selten verderblich wurden, da die Temperatur meist nicht unter 1 big 2 Grad Celsius sank. Auch fehlte es, trotz der Kälte, nicht an Gewittern, die mitunter von Hagelschlägen begleitet waren. In vielen Gegenden, namentlich der Nordost⸗

Länder, herrschten scharfe Winde, nicht selten heftige Stürme, in den Karst⸗ Landern trat Bora auf. Letztere wurde namentlich an den Küsten von Dalmatien verderblich. indem das Flugwasser der Brandung die Kulturen beschädigte. Die allju reichen Niedeischläge führten in vielen Gegenden zu mehr oder weniger ausgedehnten Ueberschwemmungen. Nur die podolischen Gegenden von Galizien und die angrenzenden Tbeile der Bukowina blieben von diesem Wettersturz, der meist in die Tage der sogenannten Eig⸗ männer (12, 13. und 14. Mai) fiel, gor! und erfreuten sich ebenso wie auch Dalmatien annähernd und. Niederschlagsvperhältnisse. Trotz der Witterungsverhältnisse läßt sich doch über den. Saatenstand keineswegs ein allgemein gültiges Urtheil abgeben; denn die Einwirkung der Witterung war in den verschiedenen Lagen sehr ungleich. So ist in vielen Gegenden der im vorigen Be⸗ . konstatierte Vorsprung der Vegetation um zwei bis vier Wochen gef, andere Jahre wettgemacht worden, in anderen wieder bestehen eblieben. Der Stand der Winter saaten, der im vorigen Berichte ß durchgehend als zufriedenstellend bezeichnet worden war, hat sich, je nach der Intensitãt der Niederschläge, speziell der Schneefälle, dann der der Fröste und der Winde, in sehr vielen Fällen wesentlich ver⸗ schlechtert, während er in manchen Gegenden unverändert gut geblieben ist oder sich fogar noch weiter gebesserk hat. Am meisten hatten die Roggen faaten unter der Ungunst der Witterung zu leiden; denn sie hatten meist schon eine ansehnliche Höhe (einen halben Meter und darüber) erreicht und wurden nun durch die heftigen Regengüsse beziehungs- weise durch die schwere Schneedecke derart niedergedrückt, w. man an vielen Orten an der Möglichkeit des Wiederaufrichtens zweifelt. Dies ist namentlich in den Alpenländern der Fall, wo man hier und da den Roggen gemäht hat, um ihn als Futter zu ver⸗ wenden. Viele dieser Roggensaaten aber gestatten noch immer die Hoffnung, daß sie, günstige Witterung vorausgesetzt, sich so weit wieder aufrichten werden, um blühen und eine einiger⸗ maßen entsprechende Ernte liefern zu können. Wo der Roggen bereits Aehren entwickelt hatte, was fast überall der Fall ist, haben dieselben nicht selten infolge von Frösten eine röthliche Farbe angengmmen. Klagen hierüber kommen namentlich aus Böhmen. Doch fehlt es auch nicht an Berichten über sehr guten Stand von Roggensaaten. Der Weizen steht im allgemeinen ziemlich gut; die schlechte Witterung hat ihm zumeist weniger geschadet als dem Roggen. Hier und da zeigt sich eine gelbliche Färbung, auch Ei manche Saaten vermöge der stagnierenden Nässe schütterer ge⸗ worden. Ueber Auftreten des Rostes wird häufig geklagt. Manche Saaten haben sich so verschlechtert, daß sie zur Ausackerung bestimmt wurden; doch konnte dies wegen der Nässe des Bodens bisher nicht durchgeführt werden. Ueber den Raps, der meist in Blüthe steht, liegen aus Böhmen und Mähren überwiegend gute, aus Galizien rößtentheils ungünstige Nachrichten vor. Häufig tritt der Glanzkäfer en auf. Die Sommersaaten wurden durch die nasse Witterung infofern in Mitleidenschaft gezogen, als ihr Anbau wegen der Nässe des Bodens verzögert, mitunter auch, in Anbetracht der vorgerückten Jahres- zeit, ganz unmöglich wurde. Mit Ausnahme der südlichen Zone konnte der Anbau von Gerste und Hafer zumeist nicht beendet werden, Kartoffeln sind in manchen Gegenden noch garnicht, sonst eben so wie Rüben und Mais nur etwa zur Hälfte angebaut. Eine Folge der Bodennässe ist aug die üppige Entwicklung von Un⸗ kräutern. Die während der Berichtsperiode in die Erde gebrachten Saaten gediehen, weil sie oft in trockenen Boden gesäet und dann durch die Gußregen zu Tage gewaschen, zumeist viel weniger gut, als die frühzeitig, namentlich die im März gebauten, welche ein recht gutes Aussehen haben, wenngleich es auch bei diesen nicht an Klagen über gelbliche Färbung und schütteren Stand fehlt. Im allgemeinen kann der Stand der Sommersagten als ziemlich befriedigend bezeichnet werden. Manche junge Gersten⸗ saaten wurden durch Frost beschädigt. Was speziell den Maig an⸗ belangt, so ist sein Anbau in den podolischen Gebieten von Galizien und in der Bukowina am weitesten vorgeschritten und der Beendigung nahe, in den anderen, selbst in den Südländern aber noch lange nicht beendet. Die Maissaaten sind theilweise schon recht gut auf= gegangen und bieten im allgemeinen bessere Aussichten als Gerste und Hafer. In Tirol haben 1 manchmal durch Fröste gelitten. Die breitwurfig gesäeten Hülsenfrüchte verhalten sich ähnlich wie Gerste und Hafer, nur daß ihr Anbau noch weiter im Rückstand ist, die als Hackfrucht gebauten ähnlich wie der Mais; sie zeigen theilweise schon einen recht schönen Stand. Im Süden haben die Früherbsen eine reiche Ernte gegeben. Der Anhau der Kartoffeln wurde in den Nordwest. und in den Nordostländern durch die nasse Witterung sehr verzögert und konnte hier und da noch nicht einmal begonnen werden. In rielen Fällen sind die Saatknollen verfault. Hingegen ist der Anbau der Kartoffeln in den Alpenländern zum großen Theile, in den Südländern faft ganz beendet. Die Pflanzungen sind großentheils gut aufgegangen, nur haben sie mitunter durch Fröste gelitten. Der Anbau der Zuckerrüben ist noch ziemlich weit zurück. In manchen Gegenden werden früh gebaute Saaten schon behackt, während daneben erst die Saat vor sich geht. Die Saaten sind meist gut aufgegangen, kommen aber häufig im Wachethume nicht recht vorwärts und werden nicht selten schütter. Vlelfach wird über gelbliche Färbung der Pflanzen geklagt, ebenso über massenhaft auftretende Unkräuter. Beschädigungen durch Drahtwurm und Erdfloh sind nicht häufiger als gewöhnlich, hingegen wurde Wurzelbrand nur sehr selten beobachtet. Klee und Wiesen stehen meist recht gut, namentlich ersterer zeigt in manchen Gegenden der Alpenländer einen außerordentlich schönen Stand. Die reichlichen Niederschläße kamen diefen Beständen zu statten, aber stauende Nässe verursachte nicht selten ein Faulen und einen schütteren Stand der Pflanzen; in den Alpen ländern wurde der Klee manchmal auch durch die Schneedecke nieder⸗ gedrückt, was Lagerung zur Folge hatte. Die Wiesen wurden infolge oft lang dauernder Ueberschwemmung nicht selten in ihrer Güte beeinträchtigt. Die Vegetation des Weines litt unter der Kälte und Nässe der Berichtsperiode, besonders aber von den Frösten. Auch war die ordentliche Bearbeitung der Weingärten sowie auch das Schwefeln und Bespritzen mit Kupfer⸗ lösung zur Abwehr des Oidiums und der Peronospora häufig er⸗ schwert oder ganz verhindert. Die Frostschäden waren mitunter sehr bedeutend. Viele Triebe wurden im Küstenlande durch die Bora und in Steiermark und Tirol durch den Schnee abgedrückt. In Dal—⸗ matien vernichteten Flugwasserstürme manche Erntehoffnungen, Infolge der Kühle und. Nässe ist namentlich in Tirol Fäufig Vergabelung der Gescheine eingetreten. Wo im Vorjabre Peronospora war, lin überhaupt die Triebe schwach, k aber sind diefelben, soweit die erwähnten Uebelstände nicht geschadet hatten, kräftig. In Süd,-Tirol giebt es 30 em lange Triebe. In Dalmatien hat der Wein am 12. Mai zu blühen angefangen, amerikanische Reben aber selbst in Süd⸗Tirol schon am 5. Mai und in einigen Theilen des Küstenlandes schon am 2. Mai. Von Schädlingen sind die Agrotis⸗Raupen in Tirol, Rynchites betuleti und Gtiorhynchus suscatus in Dalmatien und von Krankheiten die Anthraenose und sporadisch auch schon die Peronospora in Dalmatien zu erwähnen.

Saatenstand in Canada.

, Ontario. In der Westhälfte stehen die Herbstsaagten ut, in der Ssthälfte sind die Weizen⸗Herbstsaaten durch Winterfrost ij völlig vernichtet worden. Die Frühlingseinsaat ist überall beendigt. Der Stand der Frühlingssaaten ist gut. Die Anbauflãche ist vergrößert. Man erwartet bei günstiger Witterung eine stärkere Weizen- und Roggenernte als im Vorjahre.

Provinz Manitoba und Nord west Territorien. Im Herbst findet keine Einsaat statt. Das n n. hat in diesem ahre bei günstiger Witterung um etwa 2 Wochen früher, als im w begonnen und dürfte bereits überall beendigt sein. Der Boden ist von zwei überschwemmten Bezirken abgesehen in guter Verfassung; das Wetter war bisher andauernd gut. Die Anbaufläche soll um etwa 15 v. . größer fein, als im Vorjahre. Die übrigen Provinzen und Territorken Canada decken den eigenen Getreidebedarf nicht. Die

normaler Wärme⸗ Gleichartigkeit der

Saatenstandsnachrichten lauten allgemein günstig.