in dag Organisationsrecht der Krone ein, darauf lönnen wir
uns nicht einlassen. Darauf haben die Herren den An⸗
trag zurückgezogen. Andere erhebliche, irgendwie bedeutsame Eingriffe in die Organisation der Verwaltung und der Justiz liegen aber in dieser Gehaltserhöhung in keiner Weise. Die Gehaltasätze sind nicht überall gleichmäßig ausgefallen: das wäre auch vollkommen falsch ge⸗ wesen; denn viele Beamte waren über Gebühr zurückgeblieben, die mußten stärker erhöht werden; andere hatten schon ein angemessenes Gehalt, sie brauchten garnicht erhöbt werden; bei anderen war nur eine geringe Aufbesserung nöthig. Durchschnittlich beträgt die Er⸗ höhung 10 0/0.
Der Herr Berichterstatter hat sich darauf bezogen, daß die Rege⸗ lung der Richtergehälter doch durch besonderes Gesetz geschehen sei. Ja, das beruht einfach darauf, daß ausdrücklich vorgeschrieben war, daß die Königliche Verordnung, die bis dahin die Richtergebälter geregelt hatte, nur durch Gesetz abgeändert werden dürfte. Da genügte das Etats⸗ gesetz nicht; da bedurfte es nach den gesetzlichen Vorschriften eines Gesetzes, nun eine andere Art des Aufrückens der Richter durch die ganze Monarchie durchzuführen. Er bezieht sich auf den Normal ⸗Etat; ganz mit Unrecht; denn die Erhöhung der Lehrergehälter ist einfach durch den Etat geschehen und durch nichts Anderes; der Normal⸗Etat ist kein Gesetz, er ist bloß zur Begründung der erhöhten Positionen dem Etat beigelegt.
Ueber die Wittwen⸗ und Waisenfrage habe ich schon gesprochen.
Meine Herren, ich empfinde es mit Ihnen, daß gerade in solchen Fällen, wie eine so wichtige Maßnahme, eine allgemeine Gehalte⸗ erhöhung, das Herrenhaus nach unserer Verfassung nicht im einzelnen durchberathen kann, ich fühle mit Ihnen, daß Ihnen das ein mehr oder weniger peinliches Gefühl ist, aber dies alles ist nur eine Konsequenz der von dem Antragsteller selbst angezogenen Bestimmung der Verfassung. Wenn Sie überhaupt in allen anderen Punkten, mögen sie noch so bedeutungsvoll und entscheidend sein, im einzelnen beim Etat nicht mitbeschließen können, sendern nur die Wahl haben, den Etat ganz zu verwerfen oder ganz anzunehmen, so ist diesie Maßnahme im vorliegenden Fall davon lediglich die Kon—⸗ sequenz. Meine Herren, der Herr Antragsteller und auch der Herr Bericht erstatter sagen: wenn man sich auf die übrigens ganz vereinzelte Rede eines Abgeordneten, der nirgendwo im Abgeordnetenhause Anklang fand, „gestützt hätte, wenn den Wünschen des Antrags des Freiherrn von Maltzahn entsprochen würde, würden beide Häuser des Landtages gleichmäßig befriedigt sein. Mit nichten, meine Herren! Wenn es von dem Willen der Regierung verfassungsmäßig abhängt, durch besondere Nachtrags⸗ Etats den verfassungsmäßigen Zustand, daß der Etat ein Ganzes sein soll und als Ganzes dem Herrenhause vorgelegt werden kann, zu durchbrechen, was würde die Folge sein? Jede Regierung würde es in der Hand haben, jede Position der Be⸗ schlußfassung beider Häuser des Landtages im Einzelnen zu unter— breiten. Man würde im Abgeordnetenhause sich schön bedanken, wenn ein solcher Grundsatz dem Abgeordnetenhause gegenüber geltend gemacht würde. Man würde ja in der Lage sein, in allen Fällen, wo man wünschte, die beiden Häuser des Landtages zuzuziehen, den Etat in Nachtrags⸗Etats aufzulösen, und das Herrenhaus würde in jedem einzelnen Falle in der Lage sein, dann den einzelnen Nachtrags⸗ Etat ganz zu verwerfen, also nach meiner Meinung den Geist der Verfassung zu durchbrechen.
Ich kann daher nur bitten, den Antrag abzulehnen. Ich weiß ja, der Antrag enthält eigentlich einen Tadel der Regierung, daß sie die Rechte des Herrenhauses nicht genügend gewahrt hätte. Wenn darin für die Zukunft Wünsche ausgesprochen werden, so kann ich ja natürlich über die Stellung der Staatsregierung in dieser Beziehung nicht sprechen, der Antrag ist mir erst jetzt zu Gesicht gekommen; was mich persönlich betrifft, so glaube ich nicht, daß eine Staatsregierung, die die Verfassung gewissen⸗ haft achten will, viel anders verfahren kann, als diesmal und in allen früheren Fällen der Fall ist.
Freiherr von Manteuffel ist sehr schmerzlich davon berührt, daß die Wünsche des Hauses so schroff a limine abgelehnt werden seien. Man brauche nur die bezüglichen Gesetze vorher berathen zu lassen und für den Etat die finanziellen Konsequenzen zu ziehen. Wenn es sich nicht einmal um Kreierung neuer Stellen handele, sei die ab⸗ lehnende Haltung des ie , Hrn fel erst recht nicht verständlich. Einen Tadel ö die Regierung solle der Antrag übrigens nicht enthalten. Augenblicklich werde das Herrenhaus überall gescholten, überall in anderen Parlamenten, im Publikum und in der Presse als quantité né- gligeabls behandelt; um so mehr habe es Anlaß, seine Rechte trotz aller Präzedenzfälle zu wahren. Darum sei es hocherfreulich, daß ein solcher Antrag eingebracht sei. Die Regierung habe in kritischen Zeiten am Herrenhause die beste Stütze, aber diese Stütze müsse auch zuverläsig sein, wenn sie etwas werth sein soll, und deshalb müsse das Herrenhaus auf sein Recht halten. Vielleicht sei die Zeit nicht mehr fern, wo die Regierung das Haus sehr brauchen werde.
Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:
Die Worte, mit denen der Herr Vorredner geschlossen hat, wird ja wohl das ganze Herrenhaus unterschreiben können, aber ich kann nicht den Zusammenhang zwischen dieser Ermahnung, diesen Worten, dieser Hinweisung auf die Zukunft und der hier vorliegenden staats⸗ rechtlichen und Finanzfrage einsehen, und ich möchte doch die ruhige und kaltblütige Erwägung wieder auf die Frage selbst zurückführen. Ich bin Herrn Freiherrn von Manteuffel sehr dankbar,
daß er ausdrücklich anerkannt hat, daß der Staatsregierung, indem
sie so handelte, wie sie unangefochten bisher seit 25 Jahren gehandelt hat, keinerlei Vorwurf zu machen ist für die Vergangenheit und auch nicht für den vorliegenden Fall. Ich acceptiere das sehr gern. Herr Freiberr von Manteuffel bedauert aber, daß ich ihm für die Zukunft keine Besserung und keine Reue in Aussicht habe stellen können. Meine Herren, was mich persönlich betrifft, auf den er ja persönlich hingewiesen hat, so hoffe ich, daß ich allgemeine Beamtenbesoldung nicht mehr erleben werde, weder als Minister noch als Mensch. (Heiterkeit) Denn, meine Herren, wer diese Beamtenbesoldungsfrage von Anfang als Finanz ⸗Minister durchgemacht hat, in den Verhandlungen mit allen Ressorts und nachher in den Verhandlungen mit dem Landtage, der wünscht sich ein derartiges Vergnügen zum zweiten Mal gewiß nicht. Also Herr Freiherr von Manteuffel hat von mir und meiner Ansicht in dieser Beziehung auch nicht das geringste zu befürchten. Meine Herren, wie aber die Sache praktisch gegangen sein würde in Bezug auf das Zustandekommen einer solchen Vorlage, wenn belde Häuser des Landtages in jedem einzelnen Punkte hätten zusammen⸗ wirken müssen, — ob dann jemals die Beamtenbesoldung zu stande ge⸗ kommen sein würde, das ist mir recht zweifelhaft. (Zustimmung.) Nun, meine Herren, scheint ja Herr Freiherr von Manteuffel und auch der Antragsteller Herr Freiherr von Maltzahn den Gedanken,
daß man in Zukunft den Wünschen des Herrenhauses entsprechen dürfe
und könne dadurch, daß man künftighin Nachtrags⸗-Etats macht, auf ⸗
gegeben ju baben. Die Herren wollen, daß in solchen Fällen ein Gesetz gemacht wird. Halten wir dies fest, so steht das Herrenhaus vor der Frage, ob wir entgegen jeder Tradition in Preußen — sowobl in der absoluten wie in der konstitutionellen Zeit nach Emanation der Verfafsung — an dem stets festgehaltenen Grundsatz, daß, abgesehen von besonderen Fällen, die auf der Gerichteverfassung beruhen, alle Stellen durch den Etat kreiert und durch den Etat auf⸗ gehoben werden, daß die Höhe der Gehaltssätze durch den Etat be⸗ stimmt wird, festhalten sollen oder nicht. Ich bitte die Herren, die hier eine schwere Verletzunz des Herrenhauses erblicken — und ich habe schon gesagt, ich kann das nachfühlen, es ift eine Gefühlsfrage (Heiterkeit). — sich zu fragen, ob sie wirklich sich zu einem solchen Grundsatz bekennn wollen.
Meine Herren, denken Sie sich einmal, wenn das hier nun so durchgeführt wird; wir hätten also ein Gesetz gemacht, wo wir gesagt haben: die Lehrer bekommen 3406/0 mehr u. s. w., u. s. w., die Forst⸗ meifter 23 0/9, die Richter 15 ꝛc. ꝛc. Wäre das auf Gesetz basiert, so hätten die beiden Häuser des Landtages sich doch vollkommen des Rechts begeben, im Etatsgesetz daran in Zukunft etwas zu ändern; denn dauernde Gesetze lönnen nicht durch den Etat geändert werden, das ist doch ein Grundsatz, an dem wir immer festgehalten haben. Man wäre ja nicht einmal berechtigt gewesen, meine Herren, was doch in jedem Etat vorkommt, eine Stelle auf den Aussterbe ⸗ Etat zu setzen, als künftig wegfallend zu bezeichnen; es würden nicht einmal die Chefs der Verwaltungen berechtigt gewesen sein, während der Dauer dieses Gesetzes Stellen eingehen zu lassen. Meine Herren, ich habe z. B. viele Stellen eingehen lassen, die ich für unnöthig hielt in der Zollverwaltung; dazu wäre ich nicht berechtigt gewesen, denn das Gesetz zwingt mich, solche Stellen zu haben und so und so zu dotieren. Ich glaube, zu diesem Grundsatz kann das Herrenhaus sich wirklich nicht bekennen, und es wärde auch, glaube ich, selber auf die Dauer daran garnicht festhalten können, abgesehen daron, wie gesagt, daß ich das Ober⸗Rechnungskammer⸗Gesetz als geradezu entgegenstehend in dieser Beziehung erachte. Wenn nun die Sache so liegt, und wenn das Herrenhaus von dem Gefühl geleitet wird, es müsse seine Rechte energisch geltend machen, was ich durchaus für berechtigt halte, so ift es doch nicht richtig, das an einer so schwachen Stelle zu thun. (Heiterkeit, Wenn man einen Angriff machen, seine Position fest nehmen will, dann muß man festen Boden unter den Füßen haben. Aber an dieser Stelle, wo die Sache doch nach ihrer Zweckmäßigkeit und nach der Frage des Rechts so zweifelhaft ist, da halte ich es nicht für richtig, dies besonders zu betonen. Ich muß doch aber Herrn Freiherrn von Manteuffel entgegentreten, wenn er sagt, das Herrenhaus würde so viel ange⸗ griffen — glücklicherweise hat er nicht gesagt: im Abgeordnetenhause, sondern er sprach von der Presse, von Reden. Ja, meine Herren, wenn jeder, der in der Presse heut zu Tage angegriffen wird (Heiter⸗ keit), sich in die Positur werfen wollte und sagen: hier bin ich, was wollt Ihr? so wäre das eine sehr schwierige Aufgabe, die da zu er⸗ füllen wäre. Das Herrenhaus braucht sich nicht um die Presse zu beküm mern. Aber das andereHaus — das kann ich behaupten — hat stets hohes Entgegenkommen in Beziehung auf sein Verhalten zum Herrenhause gejeigt. Ich habe es nicht einmal, sondern hundertmal gehört, daß ein Redner sagte: so können wir die Sache nicht machen, wir würden dem Rechte des Herrenhauses präjudizieren. Wenn nun die Herren, die so über die Stellung des Abgeordnetenhauses zum Herrenhause denken, garnicht auf den Gedanken gekommen sind, daß die Einfügung der Beamtenbesoldung in den Etat eine Schmälerung der Rechte des Herrenhauses wäre, wenn bei der ganzen rechten Seite des Abgeord—⸗ netenhauses der Gedanke garnicht aufgetaucht ist, wenn die Regierung — ich kann das versichern — ebenfalls diesen Gedanken garnicht ge⸗ habt hat, nicht auf die Frage gekommen ist, ob hier eine Schmälerung der Rechte des Herrenhauses vorläge, so ist doch nach meiner Meinung kein Grund vorhanden, hier an dieser Stelle nech besonders die nicht angegriffenen Rechte des Herrenhauses zu vertheidigen. Ich möchte es daher gern sehen — was aber natürlich nicht der Fall sein wird —, wenn nach dieser Dis⸗ kussion, in der das Herrenhaus seiner Stimmung über die nicht vor handene Möglichkeit der Mitwirkung bei der Regelung der Gehaltsaufbesserung Ausdruck gegeben hat, der Antrag zurück⸗ gezogen würde, der nach meiner Meinung doch schließlich eine große praktische Bedeutung nicht mehr haben kann. Meine Herren, stellen Sie sich einmal vor, wir hätten die Zeit gehabt und hätten keine Denkschrift zur Begründung der 20 Millionen für Beamtengehaltsaufbesserungen gemacht, sondern in allen einzelnen Titeln hätten wir die betreffenden Erhöhungen hineingeschrieben, dann war die Summe durch den ganzen Etat zerstreut und wäre in allen einzelnen Positionen enthalten — das hätten wir ja thun können, wenn wir mehr Zeit gehabt hätten; aber die Sache wurde schnell abgeschlossen, und es war unzweckmäßig, weil, wenn dann Aenderungen an einzelnen Stellen entstanden wären, auch die Schlußsummen sich geändert hätten, was wir vermeiden wollten. Aber wir konnten doch diesen Weg einschlagen. Dann wäre die Sache eine dies- mal stärkere Erhöhung der Beantengehälter, wie sie in jedem Etat vorkommt, gewesen.
Meine Herren, wir haben die Gehälter der Lehrer verschiedene Male aufgebessert. Wir haben die Gehälter der Forstmeister, der technischen Beamten aufgebessert, die Gehälter von ganzen Kategorien, ganz einfach im Etat. Die Frage ist dabei nicht berührt worden, ob das zulässig i st oder nicht. Wir haben im Jahre 1890 19 Millionen für die Unterbeamten ausgeworfen, wir haben es genau so gemacht, und es ist nicht Beschwerde dagegen erhoben. Ich glaube, nachdem die Diskussion die ganze Sache klargelegt hat, daß es erwünscht wäre — und namentlich da die Herren zugeben, daß ein Vorwurf wegen des Verfahrens nicht erhoben werden konnte —, den Antrag gegen⸗ wärtig nicht weiter zu verfolgen.
Ober ⸗Bürgermeister Boie⸗ Potsdam hält es für sehr bedauerlich, daß das Herrenhaus bei wichtigen organisatorischen Fragen seines ver⸗ fassungsmäßigen Einflusses und seiner Mitwirkung beraubt werde, indem solche Maßnahmen einfach auf dem Wege des Etats verfügt würden, der der Einwirkung des Hauses im 26 entzogen sei. Er wünsche, daß dieses Verfahren für die Zukunft unterbleibe, und beantrage eine entsprechende Abänderung des Antrags von Maltzahn.
6 Dr. Dernburg zeigt an dem Beispiel der Regelung der Honorarfrage für die Universitäté⸗Professoren, daß es sich hier um einschneidende organisatorische Maßnahmen, nicht um bloße Etats⸗
fragen handele. Sei es richtig, solche wichtigen Fragen in einer ver= lorenen Ecke des Etats abzuthun, wo man uͤber die Begründung des
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2
Der Antrag von Maltzahn wird in der Fassung des An⸗ trags Boie mit großer Mehrheit angenommen und damit dieser Theil der Generaldiskussion abgeschlossen.
Zum Etat selbst erhält zunächst das Wort
Graf von Hutten⸗Czapski, der für die polnischen Landes- theile eine bessere Entwickelung des Schulwesens, für . ein hygienisches Infstitut, sowie die Cerichtung von Unteroffizier ⸗Vorschulen und Unteroffizierschulen, in welche deutsche und polnische Kinder zu gleichen Theilen aufzunehmen wären, und die Anstellung nur besonders befähigter Beamten fordert. Er tadelt außerdem den Erlaß des Ministeriums, wonach die Standesbeamten die Rupturienten auf die kirchlichen Pflichten aufmerksam zu machen haben. Der Erlaß wider⸗ spreche dem Wortlaut und dem Geist des Zivilstandsgesetzes sowie des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Schließlich empfiehlt er nach bayerischem Muster die Einsetzung einer besonderen Juristenkommission zur Prüfung der Frage, wel ö. Partikularrechte, Observanzen h . nach Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs noch in Kraft
Präsident des Staats⸗-Ministeriums Fürst zu Hohenlohe:
Der Herr Vorredner hat, wie das ja der Uebung bei der Etate⸗ debatte entspricht, auch Gegenstände in den Kreis seiner Besprechung gezogen, die nicht mit dem Etat in direlter Verbindung stehen. Ich bin ihm dafür dankbar und bin gern bereit, darauf einzugehen und auf die Fragen zu antworten.
Ich konstatiere zunächst zu meiner großen Befriedigung, daß der Herr Vorredner von der Auffaffung ausgeht, daß man bei der Beurtheilung der Verhältnisse seiner Heimathsprorinz sich nicht auf den Standpunkt des Nationalitätsprinzips, sondern auf den Standpunkt des Staats⸗ prinzips stellen muß. Ich habe schon an einer anderen Stelle im Laufe dieses Winters Gelegenheit gehabt, daran zu erinnern, daß die Polen der Provinz Posen gegenüber den Wohlthaten, die sie als Mitglieder eines geordneten Staatswesens genossen haben und noch genießen, auch verpflichtet sind, sich als deutsche, als preußische Staatsbürger zu fühlen. Der Herr Voiredner ist in dieser Beziehung mit mir vollkommen einverstanden; ich habe also darüber weiter nichts zu sagen, .
Was die polnische Sprache anbetrifft, so bin ich stets der Ansicht gewesen, daß ein Staat, der fremde Nationalitäten in sich auf⸗ genommen hat, auch die Pflicht hat, die Muttersprache der fremden Nationalitäten zu achten. Das Wort Mut ter sprache“ an sich ge⸗ bietet ja schon Achtung. Freilich darf diese Wahrung und Pflege der polnischen Sprache nicht so weit gehen, daß sie zur Abwendung von der deutschen Sprache fübrt. Ein preußischer Staatsbürger kann seine Pflicht als Staatsbürger nur dann erfüllen, wenn er der deutschen Sprache mächtig ist. (Sehr richtig! Bravo)
Was die Schule betrifft und die Einrichtungen, die der Herr Vorredner in Vorschlag gebracht hat, se bin ich überzeugt, daß sie der Herr KultusMinister in Erwägung ziehen wird.
Der Herr Vorredner hat auch die Beamtenfrage berührt. Ich beklage mit ibm die einzelnen Vorgänge in der Provinz Posen, die dadurch hervorgerufen worden sind, daß man in der Wahl einzelner Beamten vielleicht nicht glücklich war, und ich stimme mit ihm darin überein, daß man bei der Wahl der Beamten, namentlich derjenigen Beamten, die mit dem Volk in direkter Verbindung und Beziehung stehen, mit großer Vorsicht verfahren muß. Ich zweifle auch nicht, daß die Staatsregierung, der Herr Minister des Innern insbesondere, dieser Aufgabe vollkommen gewachsen und entschlossen ist, die nöthige Vorsicht anzuwenden.
Was die Frage der Verfü zung über die Instruktion der Standes⸗ beamten betrifft, so muß ich die Beantwortung dem betreffenden Herrn Ressort⸗Minister überlassen; darüber bin ich nicht genügend informiert.
Ueber die Frage der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs kann ich dem Herrn Vorredner die beruhigende Zusicherung geben, daß im Justiz⸗Ministerium alles geschieht, um festzuftellen, welche Spezialgesetze, Statuten, Partikularrechte und Observanzen noch in Geltung bleiben und welche außer Kraft gesetzt werden müssen. Der Vorredner hat darauf hingewiesen, daß man in Bayern eine eigene Kommission eingesetzt habe. Das dürfte bei uns nicht nothwendig sein, da wir ausreichend mit Personal im Justiz Ministerium versehen sind, um diese Arbeit auszuführen — eine Arbeit, die bereits jetzt in vollem Gange ist.
ürst Radziwill dankt dem Präsidenten des Staats⸗ Ministeriums für seine Erklärung bezüglich der polnischen Sprache und Nationalität und hebt hervor, daß die Polen keineswegs die Be⸗ rechtigung der deutschen Sprache irgendwie anfechten, sondern sich e gegen die Vergewaltigung der polnischen Muttersprache wehren wollten.
Damit schließt die Generaldiskussion.
In der Spezialdebatte wird mit dem Etat des Finanz⸗Minister iums, der als Anhang die Besoldungs⸗ verbesserungs⸗-⸗Vorlage führt, begonnen. Die hierzu ein⸗ 3. enen, das Kommunalsteuerprivileg der Beamten be⸗
en wi
en Petitionen, sollen der Regierung als Material über⸗ en werden.
(Schluß in der Zweiten Beile ge)
Zweite Beilage
zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
M 123.
(Schluß aus der Ersten Beilage.) Finanz ⸗Minister Dr. von Miquel:
Wenn ich recht verstanden habe, möchte der Herr Berichterstatter eine Erklärung darüber haben, wie es sich mit den Wittwen gestaltet, die nach dem 1. April Wittwen geworden sind. Da kann ich nur wiederholen: da der ganze Etat zurũckbezogen wird auf den 1. April, so fallen diesen Wittwen die Bejüge nach dem neuen Gesetz zu. Der Fonds von 500 000 A soll eben gewissermaßen einen Ersatz bilden für die nicht rückwirkende Kraft dieses Gesetzes. Es ist ja von vielen Seiten gewünscht und für einen Akt der Billigkeit angesehen worden, daß man nicht nur den zukünftigen Wittwen die Mehrbezüge zukommen läßt, sondern auch schon den jetzt vorhandenen. Es hat sich aber herausgestellt, daß eine solche rückwirkende Kraft zu ganz unabsehbaren Konsequenzen führen würde. Dann müßten wir ja auch bei jeder Erhöhung, Pensions⸗ und Gehaltsaufbesserung diese rück⸗ wirkende Kraft in derselben Weise eintreten lassen. Das geht also nicht. Nichtsdestoweniger ist anzuerkennen, daß, wenn von
jwei Wittwen die eine vor dem Gesetz, die andere
nach dem Gesetz Wittwe geworden, und die eine mehr, die andere weniger bekommt, das ein Gefühl von Härte und Un⸗ billigkeit erzeugen wird. Um nun da mildernd einzugreifen, soll dieser Fonds lediglich dazu dienen, im Falle des Bedürfnisses — reichen Wittwen braucht man ja nicht mit Staatsunterstützungen zu Hilfe zu kommen — eine Unterstützung zu gewähren. Diese 500 000 4 sind keineswegs der einzige Unterstützungsfonds. Ich glaube, daß kein anderer Staat so erhebliche Unterstũtzungsfonds hat wie Preußen. Wenn man alles zusammenstellt, was man in den verschiedenen Ressorts an Unterstützungsfonds hat, so kommt man zu einer Summe von über 6 Millionen. Denn kommt dann noch die neue Summe von 500 000 M hinzu. Ich habe gelegentlich einmal erwähnt — das möchte ich hier noch einschalten —, daß, wenn man alles, was in unserem Etat aus⸗ gegeben wird und unter die Rubrik „Vergütung für früher geleistete Dienste“ fällt, also nicht für gegenwärtige Dienste, zusammen⸗ faßt, man auf den Gesammtbetrag von 98 Millionen kommt. Und wir sind noch lange nicht an der Grenze, wir haben den normalen Zustand noch nicht erreicht. Ich kann mir sehr wohl denken, wenn wir in dieser Beziehung nicht mit einer gewissen Vorsicht verfahren und mit unserm guten Herzen zu weit gehen, aber auch schon so möglicherweise eine Zeit kommen kann, wo allein die ganze Ein⸗ kommensteuer für schon früher geleistete Dienste gebraucht wird. Ich glaube aber, zur Zeit bei dieser Gelegenheit der näheren Begrün⸗ dung des Wittwenpensionsgesetzes mich enthalten zu sollen.
Ober ⸗Bürgermeister Struckmann⸗ Hildesheim bedauert, daß auch bei dieser Gelegenheit aus der Abschaffung eines so obsoleten Privilegs nichts werden soll. Jedenfalls dürfe die Sache nicht wieder einschlafen. Eventuell hätte man die Gehälter der Beamten um den
Betrag des Kommunalsteuersatzes, den sie bisher nicht zu entrichten brauchten, erhöhen sollen.
Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:
Einige Aeußerungen des Vorredners zwingen mich doch zu einer kleinen Erwiderung. Er sagte: diese verkehrte Art der Behandlung der Beamtenbesoldungserhöhung hat bewirkt, daß wir hier keine An= träge stellen können. Das glaube ich nicht. Herr Ober⸗Bürgermeister Struckmann kann jeden Augenblick einen Antrag einbringen: alle Steuerprivilegien der Beamten hören auf. Dann wird sich finden, ob das hohe Herrenhaus sich einem solchen Antrage anschließen wird, das steht ihm vollkommen frei, ist ihm garnicht abgeschnitten. Nun sagt er aber selbst: das erkenne ich an, daß, wenn die Beamten nur in so geringem Maße erhöht worden, dann ihnen die Privilegien nicht genommen werden können. Das acceptiere ich benevolenter (Heiterkeit), es würde damit die Frage des Herrn Ober⸗Bürgermeisters Struckmann bis zu einem neuen Beamtenbesoldungsgesetz vertagt sein. Erneute Heiterkeit.)
Meine Herren, glaubt denn Herr Ober⸗Bürgermeister Struckmann, daß, wenn er hier vorgetragen hat, wir haben zwar schon seit 1890 für Beamtenaufbesserung 44 Millionen ausgegeben, das ist aber noch immer nicht genug, die Beamtengehälter müssen jetzt so weit erhöht werden, daß ihre Erhöhung den Städten, welche viele Behörden baben, zu gute kommt — (Heiterkeit) darin steckt ja dech schließlich die Frage —, daß er damit Anklang finden würde? Die Kommunen, welche ein wesentliches Interesse an der Frage haben, sind diejenigen, die die meisten Behörden besitzen. Wenn man nun so deduziert: der Staat ist verpflichtet, die Beamten so hoch zu besolden, daß sie keine Privilegien mehr brauchen, so heißt das ins Zahlenmäßige übersetzt: der Gesammtstaat, die kleinen Gemeinden und die Landbewohner sollen die Gehalte der Beamten so hoch stellen, daß in denjenigen Kommunen, wo viele Behörden sind, die größten Vor—⸗ theile von diesen Behörden erwachsen, die Beamten zum vollen Be— trage herangejogen werden können. Ich glaube nicht, daß mit einer solchen Deduktion Herr Ober⸗Bürgermeister Struckmann hier im hohen Hause Erfolg gehabt haben würde. (Sehr richtig.)
Meine Herren, ich will auf solche Fragen hier jetzt nicht weiter eingehen, aber ich bin der Meinung, daß selbst eine weitere Erhöhung der Beamtenbesoldung doch die Behauptung nicht rechtfertigt, daß gar keinerlei Gründe mehr für die Privilegien der Beamten vorhanden
seien. Ich spreche nicht von der gegenwärtigen Ordnung der Sache;
denn ich bin allerdings der Meinung: man kann die gegen⸗ wärtige Ordnung der Privilegien wohl bemängeln, ohne zu dem Schluß ju kommen, alle Privilegien ganz aufzuheben. dert Ober ⸗Bürgermeister Struckmann sagt: für die Privilegien über⸗ haupt bezüglich der Kommunalbesteuerung sind heute keine Gründe mehr vorhanden. Das kann ich nicht zugeben; denn die Beamten des Staats haben ja kein frei gewähltes Domhtil; sie werden zwangsweise dahin dirigiert, wo das Staats— interesse es erfordert, für sie ist es allerdings eine gewaltige därte, und eine große Benachtheiligung kann darin liegen, wenn sie von elner gering besteuerten Kommune in eine sehr hoch besteuerte, eine mit 300 bis 400 0½ Zuschlag zur Einkommen— steur, versetzt werden. Das läßt sich doch nicht leugnen, daß hier
Berlin, Mittwoch, den 26. Mai
nicht ein gewöhnliches Verhältniß der Besteuerung eines Mitgliedes einer Kommune vorliegt. Sodann ist doch auch nicht zu bestreiten, daß die Beamten den Kommunen die wenigsten Kosten verursachen; meistens sind sie nicht Grundbesitzer, haben auch keine Häuser, fallen auch sehr selten der Armenkasse zur Last (Heiterkeit), also man kann sagen: sie verursachen nicht so viel Ausgaben, wie durchschnittlich andere Kommunalsteuerpflichtige. Dagegen bin auch ich persönlich der Meinung, daß mit Rücksicht auf die sehr erheb⸗ lichen Veränderungen, die in der Zywischenzeit eingetreten sind, wohl mal der Versuch gemacht werden muß, anderweitig die Sache in Ordnung zu bringen. Das ist nur meine persönliche Meinung. Wie das Staats⸗Ministerium zur Sache steht, kann ich in keiner Weise sagen. Herr Struckmann ist ja auch der Meinung, daß gegen⸗ wärtig die Sache nicht lösbar ist, und ich glaube deshalb, daß der Antrag der Kommission gerechtfertigt ist, wie in früheren Jahren, so auch dieses Mal diese Petition der Staatsregierung als freundlich bewillkommtes Material zu überweisen. (Heiterkeit)
Ober ⸗Bürgermeister St ruckm asn protestiert . diese Be⸗ handlung eines so ernsten Gegenstandes. Der Staat habe die Pflicht, dieses Privileg zu beseitigen und andererseits seine Beamten schadlos zu halten. Das Wort vom Gegensatz von Stadt und Land sollte man doch nicht in diese Erörterung hineinschleudern.
Finanz⸗Minister Dr. von Miguel:
Ich begreife garnicht die Erregung des Herrn Ober⸗Bürger⸗ meisters Struckmann. Ich habe ja gesagt, ich acceptiere seine Er⸗ klärung, daß unter den gegenwärtigen Finanzverhältnissen der Staats beamten ihnen die Privilegien nicht genommen werden könnten, bene volenter. Freundlicher kann ich mich doch garnicht ausdrücken. (Heiterkeit) Der Herr Ober⸗Bürgermeister Struckmann und ich sind so auf diesem Gebiet einig. Aber ich gehe nicht so weit wie er. Ich sage: bei den jetzigen Gehaltsverhältnissen kann eine zweckmäßige Regelung wohl gefunden werden, und ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, daß die Staatsregierung einen solchen Versuch macht. Aber ich gehe nicht so weit, daß man die gesammten Privilegien einfach kassieren kann und soll, weil dazu kein genügender Grund vorliegt. Auch im Abgeordnetenhause ist die Frage zur Debatte ge⸗ kommen von der linken und der rechten Seite, und man hat anerkannt, daß ein einfacher Strich durch die Privilegien überhaupt nicht gemacht werden kann. Also so einfach liegt die Sache nicht. Ich habe keinen Gegensatz zwischen Stadt und Land aufgestellt, sondern einen Gegensatz zwischen denjenigen Orten, die eine große Anzahl Behörden besitzen, und solchen, die keine besitzen. Darunter fällt ein großer Theil kleiner Städte, und ich bin auf diesen Gegensatz überhaupt nur gekommen, weil, wie es mir in dieser Weise noch nicht vor⸗ gekommen ist, der Herr Ober⸗Bürgermeister Struckmann sagt: wir sollen die Beamtengehälter zu dem Zweck und in der Höhe normieren, daß die Kommunen die betreffenden Steuern in vollem Maße von ihnen erheben können. Wenn dieser Gesichtspunkt maßgebend sein soll, so führt er direkt zu diesem eben bezeichneten Gegensatz. Dann kommen wir auf die Frage: wer soll denn das Mehr an Beamtengehältern bezahlen? Das thut das ganze Land, und da habe ich von vornherein den Gegensatz zwischen Kommunen mit vielen Behörden und Kom— munen ohne Behörden — ob Stadt oder Land, ist mir vollkommen gleichgültig. Herr Ober⸗Bürgermeister Struckmann sagt: durch das Verfahren der Staatsregierung ist mir die Möglichkeit, diese Frage hier im Herrenhause zur Sprache zu bringen, entzogen. Das verstehe ich gar nicht. Wer hindert ihn denn, einen solchen Antrag einzubringen? Wir können ja die Sache diskutieren. Die Gehaltserhöhung der Beamten tritt ja ein; wenn er also diese Voraussetzung als genügend anerkennt, kann er die Sache hier weiter verfolgen. Ich erkenne voll⸗ ständig an, insbesondere seitdem nach Erlaß des Kommunalabgaben⸗ gesetzes gewisse Momente eintraten, daß es wohl berechtigt sei, der Frage einmal näher zu treten, wie weit man in der Sache kommen könne. Ich rechne dahin unter anderem nicht bloß die Besoldungs—⸗ erhöhungen, sondern auch die erhebliche Verminderung der Zuschläge zur Einkommensteuer, die inzwischen eingetreten ist. Den Gesichts⸗ punkt aber, daß jetzt gerade im Interesse der großen Kommunen es besonders dringend wäre, diese Frage zu lösen, kann ich nicht aner⸗ kennen. Denn wenn wir kurz vorher aus allgemeinen Staatsmitteln Steuerquellen von über 100 Millionen den Gemeinden überwiesen haben, so ist die Frage einer Heranziehung der Beamtengehälter heute wirklich nicht so dringlich wie früher, wo die Kommunen in ihrer ganzen Steuererhebung so beschränkt waren wie vor Erlaß des Kom⸗ munalabgabengesetzes.
Minister des Königlichen Hauses von Wedel-⸗Piesdorf tritt ebenfalls dem Ober- Bürgermeister Struckmann entgegen, während Ober ⸗Bürgermeister Wester burg ⸗ Cassel dem letzteren beipflichtet, ebenso Ober⸗Bürgermeister Becker⸗Köln: Das Versprechen der Aufhebung dieses Privilegs sei gegeben und müsse 3 . werden. Man könne doch die Aufhebung nicht im Wege des Submisstons⸗ verfahrens an die Städte gewähren, die das Meiste dafür bezahlen. Nach diesem Grundsatz müßten Banken und Rentiers, wenn sie ihren Wohnsitz in einer Gemeinde nehmen, dafür noch etwas bekommen.
Nachdem nochmals Ober ⸗Bürgermeister Westerburg und Herr von Wedel⸗ Piesdorf gesprochen haben und auch inisterial⸗ Direktor Dr. Micke dem Vertreter von Cassel entgegengetreten ist,
bemerkt
Finanz ⸗Minister Dr. von Miquel:
Meine Herren! Diese ganze Diskussion scheint eigentlich keinen anderen ersichtlichen Zweck zu haben, als daß wir einander belehren, und da möchte ich doch auch noch ein paar Worte hinzufügen.
Meine Herren, die Frage liegt doch tiefer als in der bloßen Gegensätzlichkeit der Interessen einzelner Gemeinden. Sie steckt im Großen und Ganzen in dem Verhältniß der Kommunen zum Staat. Man ist als Kommunalbeamter — ich weiß das ja aus eigener Er⸗ fahrung — sehr geneigt, die Dinge vom Standpunkt der Kommune aus zu sehen (sehr richtig ), und die größeren Gesichtspunkte, die das allgemeine Staatzinteresse erfordert, mehr zurückzustellen. Das ist eine natürliche und gewiß nicht tadelnswerthe Eigenschaft. Aber man muß sich doch, wenn man Gesetze machen will, auf den Standpunkt der allgemeinen Staatsinteressen und der Verhältnisse
1897.
des Staats zu den Kommunen stellen. Die Kommunen sind in vielen Beziehungen nichts weiter als Organe des Staats. Sie können sich nicht in Gegensatz zum Staat stellen und sagen: was geht uns der Staat an? Mag der Staat zahlen! So steht die Sache nicht, denn wenn zweifellos — das kann ja nicht be⸗ stritten werden — der Staat die freie Auswahl hat, die Behörden da hinzuftellen, wo es seinen Interessen am besten entspricht, wenn er durch die Zentralisierung von Behörden in einer bestimmten Lokalität dieser Gemeinde unzweifelhaft eine große Wohl⸗ that erweist, so ist es nicht unbillig, daß die Beamten, die er versetzen muß nach seinen Interessen, davor geschützt werden, daß sie heute in einen Ort kommen mit 20 0/0 Zuschlag, morgen in einen mit 300 und übermorgen in einen mit 500 ½ und überall vollzahlen müssen. Der Staat muß wissen, daß seine Beamten sich in Lebensverhältnissen befinden, wie es ein preußischer Beamter fordern kann. Und nun sehen Sie sich die Verschiedenartigkeit unserer Kommunen an! Einige Kommunen haben ihre Steuern vielleicht gewaltig erhöht infolge falscher wirthschaftlicher Unter- nehmungen, z. B. wenn eine Gasanstalt nicht rentiert; andere haben vielleicht die Kommunalsteuern erhöht z. B. dadurch, daß sie die früher von Servituten getragenen Schullasten auf die Kommunal- steuern legten. Es sind da tausend Zufälligkeiten; ich will das nicht weiter erörtern. Soll der Staat nun die Lage seiner Beamten von diesen Zufälligkeiten der Steuerhöhe in den einzelnen Kommunen ab⸗ hängig machen? Können wir die Gesammtbezüge der Staatsbeamten so erhöhen, daß auch für den schlimmsten Fall der betreffende Staats⸗ beamte gedeckt ist in einer mit Steuern schwer belasteten Kommune? Das ist ein sehr schwieriges Problem, und ich habe mich gewundert, daß man glaubt, man könnte dies Privilegium so ohne weiteres auf⸗ heben. Eine Regelung kann ich mir auch denken, gehe aber lange nicht so weit, wie die Herren da drüben. Bei einer Berathung einer solchen Vorlage würde sich die Frage als eine sehr schwierige Sache herausstellen, wie die kommunalen Interessen mit den Interessen des Staats in das richtige Verhältniß zu bringen wären. Ich glaube, diese ganze Frage wird uns ja noch einmal möglicherweise beschäftigen, aber ich kann hier nur meine persönliche Ansicht darüber aussprechen; sie berührt so vielseitige Interessen sowohl der Justiz⸗ als der all⸗ gemeinen Staatsverwaltung, daß die persönliche Meinung eines einzelnen Ministers nur sehr wenig bedeutet.
Nach nochmaligen Entgegnungen der Ober⸗Bürgermeister Becker und Westerburg wird die Diskussion geschlossen und der Kommissionsantrag angenommen.
Beim Domänen⸗Etat bringt
Graf zu Inn⸗ und Knyphausen zur Sprache, daß die Außendeichsarbeiten in Ostfriesland vielfach verzögert würden und event. besser Privaten übertragen werden sollten.
ñ Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer⸗ tein:
Es werden alljährlich nach dem Etat in Schleswig⸗Holstein zur Verbesserung der Anlandungen 181 000 M und in Ostfriesland 163 410 M verwandt. Ich kann nicht näher auf die Sache eingehen und nicht behaupten, daß das, was Herr Graf Knyphausen von der technischen Bewirthschaftung sagt, richtig oder unrichtig ist. Die Ver⸗ hältnisse in Ostfriesland sind mir aus meiner amtlichen Thätigkeit nicht genügend bekannt, dagegen bin ich im vorigen Jahre an der Holsteinischen Küste gewesen und habe dort gesehen, daß mit großem Erfolg dort die Anlandungen verwaltet werden, und ich kann nicht zugeben, daß dort die Verhältnisse so liegen, wie das Herr Graf von Knyphausen allgemein behauptet hat. Ob in Ostfriesland Fehler in der Bewirthschaftung der staatlichen Anlandungen gemacht werden, wie das Herr Graf Knyphausen behauptet, entzieht sich zur Zeit meiner Beurtheilung. Im allgemeinen ist einzuräumen — es ist das feststehende Thatsache — daß in der Regel die Staatsverwaltung theurer arbeitet wie der Privatmann. Daraus könnte man auch als wahr⸗ scheinlich folgern, daß, wenn ein Privatmann, mit der nöthigen technischen Kenntniß ausgestattet, die Forderung derartiger Anwächse in die Hand nimmt, er vielleicht das billiger macht wie die Staatsverwaltung. Indessen, die ganze Sache allein der Privatwirthschaft zu überlassen, dagegen könnte man doch, soweit ich das bis jetzt übersehe, allerlei Bedenken geltend machen. Denn es kommt nicht allein darauf an, ein finanzielles Geschäft für die Domänenverwaltung zu machen, sondern bei der Verwaltung der Anwächse, ihrer Unterhaltung und Förderung kommen auch wassertechnische, maritime Rücksichten und Interessen in Frage. Diese Verwaltung ganz aus der Hand zu geben, scheint mir, soweit ich einstweilen die Sache übersehe, be⸗ denklich. Ich will z. B. den Herrn Grafen Knyphausen daran erinnern, daß der Fischereihafen in der Nähe von Norden kaum vom Staat in der Art und Weise, wie das geschehen, hätte angelegt werden können, wenn der Staat nicht ein Verfügungsrecht über die Außendeiche gehabt hätte. Aehnlich liegt es an der Ostsee in Holstein und überall an der Seeküste. Indessen will ich versprechen, nach den Gesichtspunkten, die Herr Graf Knyphausen vorgetragen hat, sorg— fältig die ganze Angelegenheit zu prüfen. Der Herr Finanz ⸗Minister würde, glaube ich, bereit sein, wenn für den Staat ein gutes finanzielles Geschäft zu machen ist, den Vorschlägen des Herrn Grafen Knyphausen näher zu treten (Heiterkeit, um so mehr, als Wasserbauten immer bedenklicher Natur sind, da in der Regel die Kost enanschläge über schritten werden. — Der Herr Finanz ⸗Minister giebt zu erkennen, daß er zu einer gemeinsamen Prüfung bereit ist, ob der vom Herrn Grafen Knyphausen empfohlene Weg richtig und mit den Interessen des Staats vereinbar ist.
Beim Etat der landwirthschaftlich en Verwal⸗
tung tritt . han von Frankenberg für die weitere Unterstützung der bio⸗
logischen Station in Plön ein und fragt nach dem Stande der beab⸗ sichtigten Wasserrechtsgesetzgebung. stei Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer⸗ tein:
Meine Herren! Der geehrte Herr Vorredner hat zwei Fragen an mich gerichtet.
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