1897 / 124 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 28 May 1897 18:00:01 GMT) scan diff

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spüren die Schwierigkelten in Bezug auf die Veranlagung am aller meisten, und es vergehen nicht viele Tage, wo wir nicht Korrekturen eintreten lassen. Das war von vornherein vorauszusehen, das ist mit dem Wesen der Einkommensteuer fast unvermeidlich. Aber wir haben doch die tröstliche Erfahrung gemacht, daß diese Schwierigkeiten sich ohne Zweifel schon außerordentlich vermindert haben; seit der Zeit, wo die Ginkommensteuer in Kraft ist, haben sowohl die Zensiten besser gelernt, die Sache richtig zu beurtheilen, als auch die Behörden selbst sind in dieser Beniehung viel erfahrener geworden, als sie im Anfang waren. Ich möchte bei dieser Gelegenheit nur an die That sache erinnern, daß wir bei der Einführung des jetzigen Verfahrens in einem einzigen Jahre 40 Millionen Ein⸗ tommensteuer mehr bekommen haben. Es ist das dafür Bewels, daß dies alles der staatlichen Steuer entgangen war zu einer Zelt, wo das Prinzip galt, nur nicht näher in das Verhältniß der Ginkommensteuerpflichtigen einzudringen; daß ein solcher Zustand un⸗ gleichmãßiger Besteuerung, die namentlich den reichsten Kreisen zugute kam, auf die Dauer unerträglich war, darüber kann wohl kein Zweifel sein. Entweder mußte man die Einkommensteuer ganz aufheben und als ein unnützes Werkzeug bei Seite werfen, oder man mußte reformieren in dem Sinne, daß wirklich eine gleichmäßige und gerechte Veranla⸗ gung, soweit sie überhaupt thunlich ist, erreicht wurde.

Meine Herren, ich gebe ja zu, daß 300 selbständige Veranla⸗ gungskommissionen und deren Vorsitzenden in manchen Fällen Fehler machen, biswellen zuweit gehen in den Fragen und Eruierungen und Beanstandungen eintreten lassen, die vielleicht nicht durchaus nöthig waren; das ist überhaupt nicht ganz zu vermeiden, sondern nur allmählich zu vermindern. Ich habe Gelegenheit genommen, nicht bloß in einzelnen Fällen Korrekturen eintreten zu lassen, son⸗ dern auch, wo mir besonders irrige Gewohnheiten einzureißen schienen, durch allgemeine Verfügungen die betreffenden Beamten aufmerksam zu machen, anders zu verfahren, und ich werde damit fortfahren. Jede wirklich begründete Beschwerde wird bei mir guten Boden finden. Ich habe es mir zur besonderen Aufgabe gemacht, ge ade hierauf meine persönliche Aufmerksamkeit zu richten; ich habe oft genug solche Beschwerden veifolgt, aber ich kann nicht anders sagen als der Wahr⸗ heit gemäß, daß sie sich meistens nachher als unbegründet heraus⸗ gestellt haben. In vielen Fallen habe ich die Beschwerde ia auch für begründet gefunden, und ich habe dann nicht angestanden, sofort Remedur eintreten zu lassen.

Im Großen und Ganzen müssen Sie aber bedenken, daß die Einwirkung des Finanz ⸗Ministers auf die Veranlagungen im einzelnen eine sehr minimale ist. In der ersten Instanz erfolgt die Vor⸗ einschätzung durch die Gemeinden, darauf kann ich überhaupt nicht ein⸗ wirken; bemerke ich, daß die Voreinschätzungskommissionen von ver⸗ kehrten Prinzipien ausgehen, so kann ich nur darauf hinwirken, daß solche Prinzipien verlassen werden; die Veranlagungs⸗ kommisston besteht im wesentlichen aus gewählten Vertrauens männern der Bevölkerung, sie sind nach dem Prinzip der Selbstverwaltung zusammengesetzt und, glauben Sie nicht das wird Ihnen jeder Veranlagungskommissar bestätigen daß eine allzu schwächliche Be⸗ handlung der Veranlagung gerade den Kommissionen angenehm ist. Jeder Vorsitzende einer Veranlagungskommission wird mir bestätigen, daß die Sachkenntniß, die gerade oft bei den gewählten Mitgliedern besonders vorhanden ist, das Bestreben, den einen nicht besser zu be⸗ handeln als den anderen, gerade in den Veranlagungskommissionen sehr lebendig ist und häufig über die Wünsche des betreffenden Vor⸗ sitzenden hinausgeht. (Sehr richtig) Heute Morgen hat mir noch der Vorsitzende einer Berufungekommission gesagt, bei ihm wäre in der Berufungekommission eine so strenge Auffassung und eine solche Geneigtheit, wirklich alles festzustellen und der Gerechtigkeit entsprechend zu eruieren, daß er sehr häufig in die Lage käme, jum Maßhalten zu ermahnen und dahin zu wirken, daß nicht übermäßig ins Einzelne gegangen werde. Meine Herren, wir haben überall die Erfahrung gemacht, daß die Kom⸗ missionen selbst die Verhältnisse so klar vor sich haben wollen, daß sie eine wirklich gleichmäßige und gerechte Veranlagung ermöglichen können. Meine Herren, ich werde Ihnen im nächsten Jahre eine Statistik vorlegen können, die mehr werth ist, als alle Versicherungen, die klar legt, welche Summe von Beanstandungen stattgefunden hat in der ganzen Monarchie, und welche Zahl dieser Beanstandungen sich als begründet erwiesen hat. Ich habe schon früher einmal die Zahl ich habe sie, glaube ich, noch genau im Kopfe angeführt, daß wir hier in Berlin etwa 14 000 Beanstandungen hatten, und daß davon etwa 10 000 als begründet sich erwiesen haben, und mehr als eine Million Steuern infolge dessen aufgekommen ist. Falsch wäre es, zu glauben, daß in allen diesen Fällen absichtlich falsch deklariert wäre, nein, das sind die allerseltensten Fälle. In den meisten Fällen liegt es daran, daß wirklich zweifelhafte Fragen vorliegen, wo die Zweifel ganz berechtigt sind und die Menschen natürlich geneigt sind, vorläufig einmal zu ihren Gunsten ju entscheiden. Andererseits aber ist Rechtsunkenntniß, Unkenntniß der thatsächlichen Verhältnisse, auch solcher, die sie selbst betreffen, vielfach der Grund irriger Deklarationen, sodaß es sehr oft vorkommt, daß im ersten mündlichen Termin der betreffende Zensit selbst erklärt: Ich sehe das ein, ich habe mich geirrt ich bin ganz einverstanden, wenn Sie mich so hoch einschätzen. Alle diese Dinge werden sich allmaͤhlich abschleifen, die Bevölkerung sowohl wie die Veranlagungebehörden werden in dieser Beziehung nach und nach weiter kommen, und es werden daher, wie das jetzt auch schon in großem Maße eingetreten ist, die Berufungen und Beschwerden sich allmählich mehr und mehr vermindern.

Andererseits allerdings kann man auch nicht leugnen, daß doch in bedenklicher Weise auch absichtlich dem Staat die Steuern hinterzogen werden. Leider wird das ja nicht so scharf beurtheilt in der Be⸗ völkerung, dem Staat etwas vorzuenthalten als Privatpersonen. Sehr redliche Leute, die sonst garnicht daran denken würden, einen Privat⸗ mann zu benachtheiligen, machen sich, ähnlich wie bei dem Schmuggel die Damen (Heiterkeit), kein großes Gewissen daraus, dem Staate möglichst wenig zukommen zu lassen. Meine Herren, ich habe hier in der Hand einen Zeitungsartikel, den wir aus einem Bericht, um einmal ein Beispiel zu geben, eines einzigen Veranlagung Kommissars aus einem Veranlagungs bezirk der Oeffentlichkeit übergeben wollten in Hamburg geschieht das sogar mit Nennung der Namen wo doch in einem einzigen Veranlagungebezirk nicht weniger als 77 Fälle wissent⸗ licher Hinterziehungen nachgewiesen sind. Meine Herren, solcher Bei⸗ spiele könnte man ja mehrere angeben, aber wenn man nicht dann gedrängt wird, so vermeidet man ja so etwas gern. Ich möchte aber doch darauf hinweisen, daß in dem betreffenden Veranlagungebezirk

infolge der Beanstandungen der Steuererklärungen für das Jahr 1897/98 allein 80 000 M mehr an Steuern aufgekommen sind. will sagen 6 o, des überhaupt in dem ganzen Bezirk. Da hat 3. B. die Inhaberin eines Hotels dellariert 17 009 6 Einkommen, während nachgewiesen wurde, daß sie 68 00 M Einkommen hatte. Ein andrer Gewerbtreibender deklarierte 6300 4; nachgewiesen wurde, daß er aus seinem Gewerbe 20 000 M Einkommen und ein Gesanmteinkommen von 24 000 Mαν besaß. Dag stãrkere Zugrelfen eines neuen Veran⸗ lagungskommissärs schärfte nun das Gewissen, und es kamen eine Reihe freiwilliger Nachdeklaratlonen, so jwar, daß ein Mann aus den höheren Klassen, der allein ein Kapital von 720 000 4M hatte, aber bisher nur 2790 A deklariert hatte, nunmehr 30 000 M nachdeklarierte. (Heiterkeit)

In einem andern Fall war ein Rentner in Frage: er hatte 9gz45 M deklariert, während sein Einkommen in Wahrheit 63 265 4A betrug. Eine Rentnerin hatte alljãhrlich 43 000 M deklariert, während sie in Wirklichkeit ein Einkommen von S9 000 A6 hatte. Ich will diese Fälle nicht weiter fortsetzen, aber Sie werden es einigermaßen verzeihlich finden, daß der Vorsitzende einer Veran⸗ lagungskommission, der solche Erfahrungen macht, in ein gewisses Mißtrauen geräth, welches wohl leicht in andern Fällen mal zu weit führen kann. Wenn man diese Herren spricht und sie die Ueber⸗ zeugung ausdrücken, daß das wirkliche Einkommen in vielen Bezirken noch längst nicht zur Steuer herangejogen sei und solche Erfahrungen vorlegen, so findet man es verzeihlich, wenn sie hier und da auch mal etwas zu weit gehen.

Hier in einer öffentlichen Versammlung diese Sache zu behandeln, ist ja an sich etwas schwierig. Ich kann Ihnen sagen, daß weitere Ausführungen werden sich ja noch an die Interpellation des Herrn Grafen Kleist knüpfen —, wenn Sie mir Maßregeln, die ich treffen könnte, angeben, welche geeignet sind, hier und da auftauchende Mißstände zu beseitigen, so werden Sie bei mir den allerbesten und fruchtbarsten Boden finden. Ich nehme in dieser Beziehung gern jede Belehrung an, aber wenn Sie mir Maß⸗ regeln vorschlagen, die thatsächlich darauf hinauslaufen, daß ich die Beamten anweisen soll, nicht genau zuzusehen, die Sache laufen, die alte Ungleichheit und Ungerechtigkeit wieder auftauchen zu lassen, dann werden Sie bei mir kein Gehör finden. (Bravo)

Bedenken Sie auch, daß es sich nicht bloß um das Staats interesse, sondern in hohem Grade um das. Interesse der Kom⸗ munen auch handelt (sehr richtig). Wenn wir in dem Bezirk, von dem ich vorhin gesprochen habe, diese Sache so hätten weiter gehen lassen, wie wäre es dann den betreffenden Kommunen ergangen? Die Ungerechtigkeit verdoppelt sich dann. Wir können einen Zustand nicht bestehen lassen, wo derjenige, der weniger gewissenhaft ist, auf Kosten desjenigen lebt, der gewissenhaft ist. Wer solche Maßregeln von mir verlangt, thut besser zu sagen: wir wollen die Grundsteuer, die Gebäudestener, die Gewerbesteuer wieder einführen, und wollen die ganze Einkommensteuer fallen lassen. Glauben Sie doch nicht, daß wir bei der Sache so fiskalisch sind. Das ist ja ein Vorwurf, den man gegen einen Finanz⸗Minister leicht erhebt. Ich kann Ihnen versichern in vollem und gutem Glauben, daß mir durchaus nicht daran liegt, daß mein Hauptzweck garnicht ist, möglichst viel aus der Einkommensteuer gewissermaßen herauszupressen. Aber ich fühle mich dem Lande gegenüber verpflichtet, da ich diese Steuerreform durch⸗ zuführen habe, alles zu thun, um nach Recht und Gerechtigkeit die Steuern zu veranlagen. (Bravo) Meine Herren, es läßt sich ja garnicht verkennen, daß die Steuerreform eine schärfere Heranziehung der bemittelten Klassen gegen früher hervorgerufen hat. Nicht bloß in der Einkommen-, sondern namentlich auch in der Gewerbesteuer. Es läßt sich garnicht verkennen, daß auf die öffentliche Stimmung, auf die Presse gerade diese Klassen den größten Einfluß üben. Daß es immer unangenehm ist, Steuern zu bezahlen, höhere Steuern zu bezahlen wie früher, ist nicht zu bezweifeln, und daß ein solches unangenehmes Gefühl sich häufig in ungerechtfertigten und unbegründeten Klagen Luft macht, ist natürlich; das muß der Minister ertragen, aber er darf sich dadurch nicht irre machen lassen. Daß unsere Steuer im Ganzen wirklich nicht ungerecht veranlagt ist, namentlich nicht in dem Sinne, daß die Steuerpflichtigen mehr zahlen, als sie eigentlich schuldig sind, das ergiebt sich daraus, daß unsere Einkommensteuer im Ganzen pari passu geht mit den nationalökonomischen Verbältnissen der betreffen⸗ den Gegenden und den Schwankungen im industriellen Und wirth⸗ schaftlichen Leben überhaupt. Das giebt mir das Ver⸗ trauen, daß wir im Großen und Gansen doch schon der Wahrheit sehr nahe gekommen sind. Meine Herren, wenn ich sehe, daß in ländlichen Bezirken, von denen man weiß durch eigene Kenntniß, daß die Landwirthschaft dort besonders schlecht situiert ist, die Steuer heruntergeht und das ist jetzt bei der letzten Veranlagung sehr vielfach hervorgetreten, so finde ich das nicht nur gerechtfertigt, sondern es stärkt mich das auch in der Meinung, daß die Veranlagung nahezu richtig ist. Wenn ich sehe, daß jetzt, wo die industrielle Entwickelung hochgeht, in diesen Bezirken die Einkommensteuer im selben Verhältniß steigt, so leite ich daraus dasselbe Vertrauen her.

Herr Graf Kleist hat sich nun namentlich beschwert über den Bezirk Köslin, und aus diesem Bezirk sind mir schon mehrere Be⸗ schwerden gekommen. Ich habe aber schon früher im Abgeordneten⸗ hause gesagt, daß diese Beschwerden meist nicht aufrecht zu halten waren. Von 30 Berufungen sind, wenn ich die Zahlen noch richtig im Kopf habe, 28 zurückgewiesen, und die Beschwerden beim Ober · Verwaltungẽgericht haben auch nur in einigen Fällen Aenderungen hervorgerufen. Wenn Herr Graf Kleist nun sagt, daß in Köslin die Einkommenfteuer heraufgegangen ist, während die ländlichen Verhältnisse sehr schwierig sind und zweifellos reichlich so schwierig wie in anderen Bezirken, so kann ich von hier aus nicht beurtheilen dazu müßte ich die ein⸗ zelnen Veranlagungen haben worauf das eigentlich beruht. Aber ich möchte doch darauf hinweisen, daß es auch darauf beruhen kann, daß früher die Veranlagung zu niedrig war und die jetzige richtiger ist. Solche Fälle sind uns öfter vorgelommen. Meine Herren, wenn in einem Bezirk die Einkommenfteuer plötzlich um 80 000 A steigt, so leite ich daraus nicht her, daß die Einkommen auch entsprechend ge⸗ stiegen sind, sondern daß die Veranlagung eine richtigere geworben ist. Wenn Herr Graf Kleist die Güte haben will, mir wirklich einzelne begründete Beschwerden gegen die Berufungtkommission und ihren Herrn Vorsitzenden vorzulegen, so weiß er schon aus der Erfahrung, daß ich sie auf das allergenaueste verfolge, und bat werbe ich auch in Zukunft thun und alle die anderen Herren aut den anderen Benrken, die sich beschwert fühlen, lade ich ein, ihre Beschwerden mir vorzulegen.

hergesehen. Der Entschluß, die Beanstandungen derselben zujulassen, war ein gewaltiger Schritt, brachte aber auch große Gegenleistungen. Und ich bleibe dabei stehen,

veranlagten Steuersolls

Meine Herren, dag, was wir let erleben bel der Ginkommen.

stener. daz kohnts nan vorhersehen, und das bat Leder von Ahnen vas Deklarationen einzuführen und

meine Herren: wenn Sie die heutige Art der Veranlagung vergleichen

mil der früheren, so werden Sie sagen: es ist ein bimmelweiter Unterschied zum Besseren. (Sehr richtig!)

Aber mehr! ich sage, die Einwirkung auf die Moralitãt und Gewissenhaftigkelt der Bevölkerung ist auch hoch anzuschlagen. Die richtige Beurtheilung der eigenen Vermögens und Einkommenz⸗ verhältnisse, die die Einkommensteuer und die Vermögenssteuer bewirkt, ist, möchte ich sagen, in wirthschaftlicher Beziehung noch wichtiger. Im Staatsrath ich darf das wohl hier sagen meinte Herr Graf Zedlitz: Ich indem er mich nannte, meinte er ja die ganze Gesetzgebung habe der Landwirthschaft dadurch eiuen großen Dienst geleistet, daß ich sie gelehtt habe, ihre eigenen Verhältnisse rechnungsmäßlg festzustellen. (Sehr richtig h Und, meine Perten, diejenigen Landwirthe, die das am besten und gründlichsten thun, sind auch am sichersten, in der Steuer nicht überbürdet zu werden. Schwierige Fragen werden immer bleiben. Die Frage z. B., ob der Gewinn aug dem Abholjen einer großen Forst zum Einkommen zu rechnen oder als Vermögensvermehrung anzusehen ist, so ist das ja eine zweifelhafte Frage; darüber kann man verschiedener Meinung sein. Ich mache dem Zenstten keinen Vorwurf, wenn er sagt: nach meiner Meinung ist es welter nichts als eine Vermögensvermehrung, keine Erhöhung meines Einkommens. Das muß entschieden werden.

Meine Herren, nun bat sich Graf Kleist beschwert über die außerordentliche Verzögerung der Entscheidung der Beschwerden durch das Ober Verwaltungẽgericht. Meine Herren, ich habe dies auch auft äußerste bedauert; aber wir haben auch die entsprechenden Maßregeln getroffen; wir haben nicht nur die Senate im Ober⸗Verwaltungz⸗ gericht vermehrt, sondern auch durch Gesetz erlaubt, daß aus den Senaten Kammern zu 3 Mitgliedern gebildet werden, die die Ent⸗ scheidung in den meisten Fällen treffen. Das hat bewirkt, daß die Entscheidungen über Beschwerden jetzt nahe auf dem Laufenden sind. Das Ober⸗Verwaltungsgericht ist jetzt schon zur Entscheidung der Be⸗ schwerden aus den Steuerjahren 1896/86 und g6 / 7 gelangt, und es wird wahrscheinlich in kurzer Zeit nahezu fortgehen mit dem laufen den Eingehen der Beschwerden überhaupt. Ich hoffe also, daß wir den Uebelstand einer langen Verzögerung, den ich in vollem Maße anerkenne, allmählich überwinden werden. Auf der einen Seite ver⸗ mindern sich die Beschwerden, auf der anderen Seite ist man viel mehr in der Lage, sie rascher zu erledigen; das Personal ist größer ge⸗ worden und die Entscheidungen sind auch leichter, weil in pielen Fällen feste, präjudizielle Entscheidungen schon vor⸗ handen find. Meine Herren, ich wiederhole schließlich, daß, wenn in den weiteren Berathungen des bohen Hauses mit gesetzliche oder Verwaltungt maßnahmen mitgetheilt werden, die hier und da aufgetauchte Uebelstände zu befeitigen geeignet sind, das hohe Haus sich überzeugen wird, daß ich mich keineswegs für bureaukratisch allweise und allwissend halte, sondern gern bereit bin, aus der Praxis des Lebens das Nöthige zu lernen.

Graf von Kleist⸗Schmenzin ist nicht ganz zufriedengestellt vor der Antwort des Ministers, jedenfalls hätte irgend eine Zusage der Prüfung der Klagen über ein ungesetzliches Verfahren einzelner Ver⸗ anlagungskommisßtonen erfolgen müssen. Sei der Bezirk mit den 77 wiffentlichen Hinterziehungen etwa Köslin? Wenn nicht, so sei der Plinifter erst recht verpflichtet, den vorgebrachten Beschwerden näher zu treten. Beim obersten Gericht schwebten zur Zeit noch Sachen aus dem Jahre 1893.

Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:

Es ist aber wirklich schwierig, aus der bloßen Angabe, in Köslin seien 60 /o Steuern mehr aufgekommen, konkrete Beschwerdepunkte her⸗ zuleiten. Der Herr Präsident der Berufungskommission hat doch niemals allein gehandelt. Wenn die Protokolle der Berufungẽ⸗ kommissionen in Köslin vorlägen, so würde man wahrscheinlich finden, daß die Kommissionen in allen den Fällen, in denen Beschwerden ein⸗ gelegt waren, ziemlich einstimmig waren. Soll ich nun den Präsidenten der Berufungekommission tadeln oder ihm Vorwürfe machen, weil er in Uebereinstim mung mit der Kommissien gehandelt hat? Wir haben eine Reihe solcher Beschwerden im ein⸗ zelnen untersucht, und da hat sich nicht herausgestellt, daß dem Vor= sitzenden Vorwürfe zu machen waren. Ich kann geradezu jeden Zen⸗ siten, der die Verhältnisse dort kennt und solche Beschwerden begründet beibringen kann, bitten, diese Beschwerden vorzubringen. Ich höre aus anderen Quellen über den betreffenden Herrn auch ganz andere Urtheile, bespielsweise auch von Landräthen, die den Herrn als einen besonders tüchtigen und durchaus nicht kleinlichen Mann charakterisieren.

Also ich will nur sagen: bei allem gutem Willen, den Beschwerden des Herrn Grafen Kleist Folge zu geben, weiß ich nicht Rath, wie ich die Sache anfangen soll. Wenn er mir nur selbst privatim Material giebt (Heiterkeit), so werde ich das alles ganz gründlich prüfen und verfolgen. Mehr kann ich ihm nicht zusichern.

Graf von Frankenberg führt Klage darüber, daß die Kom= mifsionen Lon ihren Vorsitzenden vielfach nicht genügend informiert würden und daß besonders hinsichtlich der e, nue. dre Anfragen und Belaäͤstigungen garnicht aufhörten.

Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Wenn in dem Veranlagungsbezirk des Herta Grafen Frankenberg es üblich list, daß stets mittels Zirkular abee= stimmt wird, und mir dat glaubwürdig nachgewiesen wird, so werde ich diese Ueblichkeit abstellen. Ich halte dat für unzulässig. In Anẽ⸗ nahmsfällen einfacher Art, namentlich wo die Sache einmal sehr dringlich ist, mag das geschehen; aber im Großen und Ganzen mũffta die Fragen in der Kommission selbst berathen und diskutiert werden Dann erst können sich auch die Latenmitglleder ein richtige⸗ Urtheil bilden. Aber ich bitte nun den Herrn Grafe Frankenberg, mir die Falle einmal mitzutheilen. ir in nur von einem Fall bekannt, wo das vorgekommen ist, und ich babe das sofort korriglert und vorgeschrieben, daß dat nicht wieder der kommen därfe. Ich kann mir also kaum denken, daß wenigstens va? bieser Korreitur biese Prarlg noch vorhanden ist; ich würde, wer * mir dennoch nachgewiesen wöürde, biesen Mißbrauch, denn als solchen kann ich ihn nut bereichnen, abstellen.

(Schluß in ber Zwelten Beilage.)

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

M 124.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Das Zweite wäre ja wohl die Frage der Abschreibungen. Ich glaube, diese ganzen Bestimmungen des Gesetzes über die Ab— schreibungen werden mal einer Revision bedürfen. Wie sind sie ent⸗ standen? Ich fand, als wir das Gesetz verfaßten, daß bis dahin nur die Gewerbetreibenden abschreiben dürften; uns schien das eine Ungerechtigkeit gegen den Grundbesitz zu sein. Infolge dessen ist das Recht der Abschreibung generalisiert worden. An und für sich ist die Vorschrift gerecht, aber schwer in der Praxis durchzuführen ohne Beschwerden und Ungleichheiten. Wenn man die Sache ganz genau nehmen wollte, so muß man ja eigentlich jedes Gebäude eines jeden Zensiten verschieden behandeln. (Zustimmung.) Damit ist aber absolut nicht durchzukommen, damit kann man nicht operieren. Das Ober⸗ Verwaltungsgericht hat ja auch schon Regeln in dieser Beziehung aufgestellt; ich bin aber überzeugt, die Praxis der Kommission wird sie schwerlich genau beobachten können. Man müßte ja bei jedem Gebäude eigentlich fragen: Wie lange hat es gestanden, wie lange kann es noch stehen nach seiner Bauart und nach seiner Zweckbestim⸗ mung? (Sehr richtig) Ich kann ein Schloß natürlich nicht so behandeln wie einen Schweinestall. (Heiterkeit) So kommt man infolge dessen auf Durchschnittssätze, die ja auch nicht ganz gerecht sind, die hier passen und da nicht passen. Aber es bleibt eben nichts An⸗ deres übrig, und da gehen die Kommissionen verschieden vor; die einen nehmen niedrige, die anderen hohe Durchschnittssätze, und es werden die der Berufungskommissionen davon auch verschiedene sein, und das Ober⸗Verwaltungsgericht wird auch nicht in der Lage sein, in jedem einzelnen Fall das Richtige zu treffen. Wenn Sie mir einen guten Rath geben könnten in dieser Sache, so würde ich ihn gerne annehmen und versuchen, ihn durchzuführen; aber ganz lösen wird man die Frage nicht, es sei denn, man höbe die gesammten Ab—⸗ schreibungen der Industrie, des Gewerbes und des Grundbesitzes auf und gestände dem Zensiten das Recht zu, wenn er baut oder erneuert, die gesammten Kosten in dem betreffenden Jahre von der Einkommen⸗ steuer abzuziehen. (Sehr richtig) Aber zu welchen Konsequenzen würde das fübren? Da können die reichsten Zensiten ein paar Jahre lang garnichts zu zahlen haben, während kleinere Leute zahlen müßten, und die reichen Herren gemeindesteuerfrei wären. Ich gebe zu, der gegenwärtige Zustand ist durchaus nicht erfreulich; aber es giebt viele Dinge im Leben, die man überhaupt nicht durch Gesetze kurieren kann; da muß man sich eben beschränken, und muß da auf die praktische Vernunft der Menschen rechnen, daß sie sich so gut wie möglich mit dem Gesetze aushelfen.

Meine Herren, ich will Ihnen einmal ein anderes Beispiel geben. Ich habe bei der Berathung des Gesetzes ausdrücklich erklärt, daß da, wo der Grundbesitz noch nicht den Charakter einer Waare angenommen hat, von der einen Hand in die andere wandert, regelmäßige Kauf⸗ preise schwer zu bestimmen sind, bei der Ergänzungssteuer⸗Einschätzung der Ertragẽwerth kapitalisiert zu Grunde zu legen sei. (Sehr richtig Das Ober. Verwaltungsgericht hat nun eigentlich diese meine Erklä⸗ rung schon wegdeduziert (Heiterkeit); es hat eigentlich mir nach⸗ gewiesen, daß ich das garnicht habe sagen wollen und können, was ich gesagt habe (Heiterkeit), und im Respekt vor dem hohen Gerichtshofe habe ich mich natürlich da fügen müssen. Aber, wie machen eg nun die Kommissionen? Sie sind meist nicht dazu zu bringen, sich überhaupt um den Ertragswerth zu bekümmern; sie sagen: das Grundstück ist soviel werth und damit Punktum. So sehr sind wir an die Schätzung der Grundstücke nach dem Verkaufswerthe gewöhnt, den man gewöhnlich den gemeinen Werth nennt. Die Kommissionen geben sich garnicht die Mühe, den Ertragtwerth zu ermitteln, sie sagen einfach: das Objekt gehört zum Vermögen des Mannes; wenn er es verkauft, so hat er den Verkaufs⸗ werth als Kapital in der Hand. Diese Anschauung bringt man nicht aut den Kommissionen heraus.

Meine Herren, ganz ähnlich liegt es ja auch bei unseren landwirth⸗ schaftlichen Fragen, wir können uns noch nicht an das doch oft allein richtige Prinzip der Berechnung des Ertragswerthes gewöhnen, z. B. bei der Erbabfindung. Ich habe mal in einer sehr gelehrten Kom⸗ mission, in der hohe preußische Beamte saßen, die mir die Schätzungs⸗ prinzipien bei den Rentengütern auseinandersetzten die Frage ge⸗ stellt: wo bleibt denn nun der Werth der Arbeit deb jenigen, der das Rentengut erhält? Wenn Sie von dem Bruttoertrag des Renten⸗ guts den Werth der lebenslänglichen Arbeit des Gutsübernehmers abziehen, was bleibt dann noch übrig? Antwort: „So sind wir nicht gewöhnt, zu schätzen, denn dann würde nichts übrig bleiben.“ (Heiterkeit) Ja, meine Herren, so ist die Sache, dadurch kommen die zu großen Erbabfindungen der nicht annehmenden Kinder. (Sehr richtig) Man rechnet die Arbeit desjenigen, welcher der Sache den Werth erst giebt, überhaupt nicht.

Dann hat Herr Graf Frankenberg, glaube ich, noch einen dritten Punkt berührt: die Mittheilung an die Kommission. Ja, das halte ich für durchaus berechtigt. Wenn das bis jetzt nicht geschehen sein sellte, bin ich der Meinung, daß von dem Vorsitzenden der Ver⸗ anlagungskommission solche allgemeinen Schätzungeprinzipien, all- gemeinen Verfügungen, die sich auf das Verfahren oder auf die Ent⸗ scheidung einzelner wichtiger Fragen beziehen, den Kommissionsmit⸗ gliedern mitgetheilt werden sollten, und ich bin gern bereit, das zu deranlassen, wenn es bisher nicht geschehen sein sollte. Ich halte für die Pflicht des Vorsitzenden, die Mitglieder der Kommission, soweit irgend möglich, über die Verbältnisse aufzuklären. (Bravo h Nachdem Graf von Kleist nochmals auf Köslin zurückgekommen t, entgegnet der

Finanz⸗Minister r. von Miguel:

Ich habe von dlesen beiden Fällen keine Kenntniß; wenn der Derr Graf Kleist aber die Güte baben will. die Namen, die in Be⸗ tracht kommen, zu nennen, werde ich die Sache verfolgen.

Was die Ginbeltsse deirlfft bei der Ergänzungssteuer, so sind Fe ja aus dem Pachtwerlh gebildet, alfo gerade aus dem Ertrage.

Berlin, Freitag, den 28. Mai

Ober · Bürgermeister Struckmann empfieblt, für die Abschrei⸗ bungen eine Maximalgrenze, vielleicht spezialisiert nach massiven Ge⸗ bäuden. Fachwerkegebäuden, Maschinen u. s. w., ihunlichst für die ganze Monarchie festzusetzen.

Finanz⸗Minister Or. von Miquel:

Ich will nur Herrn Struckmann erwidern, daß dieser Vorschlag auch erwägungswerth ist, aber ich halte es doch zu früh, an eine Revision des Einkommensteuergesetzes schon jetzt beranzugehen. Daß ein Gesetz dieser Art nach einigen Jahren auf Grund der allgemein festgestellten Erfahrungen in manchen Beziehungen noch revidiert werden muß, das kann wohl keinem Zweifel unterliegen, und ich glaube, man wird auch nach der Seite der Erleichterung der Zensiten das Gesetz in manchen Beziehungen ändern können. Aber nun solchen einzelnen Punkt herauszugreifen, das scheint mir bedenklich. Mir ist es bedenklich, den Vorschlag des Herrn Struckmann, selbst wenn man ihn acceptierte, im Verwaltungswege durchzuführen; wir haben wobl keine Befugniß, einer Einschätzungsbebörde ein solches Verfahren geradezu aufzuzwingen, ich glaube, wir würden denn doch die Klinke der Gesetzgebung in die Hand nehmen müssen.

. von Klitzing bemerkt, daß vielfach Kommissionen Ab⸗ schreibungen über 5oso nicht gelten ließen, während beim Sxiritus⸗ verein für die Brennereigeräthe vorweg 150 für Abnutzung ange nommen würden.

Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:

Ich muß mich sehr hüten, in Einzelfragen über einzelne Punkte eine Antwort zu geben (Heiterkeit); wenn ich die Sache in der letzten Instanz zu entscheiden hätte, würde ich vielleicht mehr Muth haben; aber da ich die hohe Autorität des Ober ⸗Verwaltungsgerichts ich sehe den drohenden Herrn Präsidenten des Ober Verwaltungsgerichts (Heiterkeit) über mir habe, kann ich mich nur mit der größten Vorsicht aussprechen. Meine Herren, vielleicht hat die Kommission des Herrn von Klitzing 59 als Durchschnittssatz da angenommen, weil auch andere Mobilien darin stecken, dann könnte ja die Sache gerechtfertigt sein; sonst kann ich ja nur sagen: wenn ich Mitglied der Kommission wäre, würde ich persönlich für Brennereigeräthe und Maschinen eine höhere Abnutzung annehmen als Hoo. Aber, wie ge⸗ sagt, diese Fragen kann man nicht entscheiden, wenn man nicht die Verhältnisse in concreto vor sich hat.

Was die Frage des Fideikommisses betrifft, so kann ich auch in dieser Veziehung nur meine persönliche Meinung aussprechen. Ich würde sagen: wenn das Gesetz überhaupt die Kapitalisierung des Ertragswerths zuläßt, so wird man bei Fideikommissen, die über⸗ haupt nicht verkauft werden dürfen, sondern unveräußerlich sind, wohl thun, den kapitalisterten Ertragswerth zu Grunde zu legen. Das ist meine persönliche Meinung von der Sache; ich gehe davon aus, daß man den Verkaufswerth und den gemeinen Werth nach dem Verkaufswerth zu berechnen, doch nur da rechtfertigen kann, wo über⸗ haupt eine Veräußerung zulässig ist. Wo sie durch Gesetz aus⸗ geschlossen ist, da glaube ich unmaßgeblich, wird man allerdings wohl im Sinne des Gesetzes handeln, wenn man den Reinertrag feststellt und ihn kapitalisiert.

Beim Etat der Staats-Archive wünscht

Freiherr von Solemacher- Antweiler, daß der Ausbau des früheren Deutschen Ordenshauses in Koblenz als Staats ⸗Archiv zum Anlaß genommen werde, den Platz um das Kaiser Wilhelm⸗Denkmal daselbst völlig freizulegen. Eine alte, zum Abbruch bestimmte, zu einem Drittel bereits abgerissene Mauer sei nämlich plötzlich für ein fränkisches Bauwerk erklärt worden und solle in diesem häßlichen Zu⸗ stande stehen bleiben.

Direktor der Staats-Archive Dr. Koser erwidert, daß seine Ver⸗ waltung in dieser Geschmackssache keine Stimme habe. Ueber die künftige Verwerthung des hinter der Mauer liegenden fiskalischen Grundstücks sei noch nicht entschieden; mit dieser Entscheidung werde auch das Schicksal der fraglichen Mauer entschieden werden.

Beim Etat der Handels- und Gewerbe⸗Verwal⸗ tung werden die auf die Beibehaltung der Steuermannsklasse der Navigationsschule zu Emden und auf die Beibehaltung der Ravigationsschule in Memel gerichteten Petitignen der Regierung zur Berücksichtigung überwiesen, nachdem Graf von Klünckowstroem, Bürgermeister Alten berg⸗Memel und Ober ⸗Bürgermeister Siruckmann-Hildesheim. dafür ein⸗ getreten sind. .

Bei den Ausgaben dieses Etats dankt

Graf von Klinckowstr oem dem Minister, daß er seine Ent⸗ scheidung zur Ausführung des Börsengesetzes in Berlin getroffen habe. Für Königsberg sei aber noch immer keine Börsenordnung erlassen und das Hejeg überhaupt nicht ausgefübrt worden. Die ostpreußische Landwirthschaftskammer habe das größte Interesse daran, zu wissen, was aus diesem Verbältnisse schließlich werden solle. Die Kammer sei über diese Börsenordnung garnicht befragt worden. Drei Landwirthe habe die Kammer zum Boͤrsenvorstand gewählt, aber die Herren seien ebensowenig in Funktion getreten, als der Staats kommissar. Nichtamtlich habe er erfahren, daß die Vorsteher der Kaufmannschaft die oktrovierte Börsenordnun beanstandet hätten. In den Zeitungen sei später zu lesen gewesen, daß der Minister den For⸗ derungen des Vorsteheramts nachgegeben habe. Danach wäre auch eins der drei bereite ernannten Mitglieder des Börsenvorstandes ein⸗ fach eliminiert worden. Das Börsengesetz müsse eingeführt werden; was dann werde, sei eine andere Sache.

Minister für Handel und Gewerbe Brefeld:

Meine Herren! Der Herr Vorredner beklagt sich über zwei

Dinge.

Zunächst darüber, daß die Börsenordnung der Ostpreußischen Landwirthschaftskammer nicht vorher mitgetheilt ist. Ich werde zu⸗ nächst diesen Theil seiner Beschwerde beantworten. Als die Börsen⸗ ordungen erlassen wurden, habe ich sowohl über die Grundlage der⸗ selben wie über jede einzelne Börsenordnung mich mit dem Herrn Landwir thschafts. Minister benommen. Der Herr Landwirtbschafts⸗ Minister ist in der Lage gewesen, mir in dieser Beziehung diejenigen Wünsche mitzutheilen, die vom Standpunkt der Landwirthschaft geltend ju machen waren. Ich bin gern bereit gewesen, diese Wünsche zu berücksichtigen; und diese Wünsche haben auch thatsächlich bei der Börsenordnung für Königsberg Berücksichtigung gefunden. Wenn der Herr Landwirthschafts - Minister die Börsenordnungen vor ihrer Einführung den Landwirthschaftskammern nicht mitgetheilt hat,

1897.

so glaube ich den naheliegenden Grund hierfür darin sehen ju mũffen das dazu nicht die Zeit gewesen ist.

Die Umstände, die verzögernd auf den Erlaß der Börsen⸗ ordnungen gewirkt haben, habe ich bei anderer Gelegenheit aus⸗ einandergesetzt, und ich glaube sie nicht wiederholen ju mũüssen. Wenn der Herr Landwirthschaftz Minister nach dem 1. Januar, nach Gin führung des Börsengesetzes, die Börsenordnung der Zandwirtschafta-⸗ kammer in Königsberg nicht mitgetheilt hat, so weiß ich nicht den Grund. Vielleicht ist der Grund der gewesen, daß die Landwirth⸗ schaftskammer in diesem Sinne ihren Wunsch nicht verlautbart hat. Wenn sie das gethan hätte, so glaube ich annehmen zu dürfen, daß der Herr Landwirthschafts. Minister dem Wunsch entsprochen hätte. Meinerseits hätte ich nicht das geringfte Bedenken dag gebab

Wa die Börsenordnungen betrifft, so möchte ich eine irrige Annabm des Herrn Vorredners berichtigen. Er geht von der Auff asfung aus, daß der Handels. Minister die Börsenordnungen erläßt. Nach 5 4 des Bõrsen⸗ gesetzes unterliegt die Börsenordnung der Genehmigung der Zane? regierung. Sie wird nicht von der Landesregierung erlassen, sondern sie wird von dem Vorstand der Börse entworfen, von dem Handels Minister geprüft, eventuell mit Aenderungen verseben ! Es ist segar streitig, ob der Handels ˖ Minister im spruches die Berechtigung hätte, gegen den Widerst den Handelskammer die Börsenordnung zu publizieren. seits nehme dieses Recht in Anspruch. (Sehr richtig]

Nun beklagt sich der Herr Vorredner Börsengesetz in Königsberg noch nicht gekommen ist. Er sagt, dort ist die Börsenerdnun noch nicht publiziert. Das ist richtig. Er sagt, dort i Börsenvorstand nach Maßgabe des Gesetzes noch richt Das ist auch richtig. Er sagt deshalb mit vollem Recht: gesetz ist in Königsberg noch nicht zur Durchfũhrung gek Thatsache ist richtig. Ich erkenne an, daß der Zuftand dort gesetzlicher ist und beseitigt werden muß. Ich will Ihr . legen, wie es gekommen ist, daß dieser Zustand in Königsberg ent standen ist, und auseinandersetzen, was ich in Aussicht gen habe, um ihn zu beseitigen. Denn daß er beseitigt werden muß, ich anerkennen. (Sehr richtig!

Wag den ersten Punkt anbetrifft, so sind in dem Börsengefetze

Börsen

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vorstand vorgesehen. auch in dem Entwurf der Börsenordnung, den sie nehmigung vorlegte, diesen Bestimmungen Rechnung getragen. Die bezügliche Bestimmung der Börsenordnung ; nicht als ausreichend befunden, sondern statt dessen angeordnet, f Bestimmung aufzunehmen:

Für die Angelegenheiten des Handels mit landwirthschaftlichen

zur Ge⸗

Kaufmannschaft zu wählen sind drei Vertreter der Landwirt

schaft und landwirthschaftlichen Nebengewerbe und Stellvertreter, welche die Landwirthschaftskammer der Provinz Ostrreußen nach näherer Anweisung des Ministers für Landwirthschaft, Domänen und Forsten auf je drei Jahre ernennt.

beanstandet, indem sie den Wunsch äußerte, daß dazu noch ein aufgenommen werden solle, und jwar folgender:

Sämmtliche Mitglieder und Stellvertreter müssen dem welchen sie vertreten, angebören, und ibre Funktionen ebrenarmtli ausüben. Baare Auslagen können ihnen von ihren erstattet werden.

Naturgemäß babe ich über landwirthschaftlichen Minister benomme verstanden, daß die Forderung der Kaufmannschaft a berechtigt sei. Der Herr Landwirthschaftz · Minister nicht sür erwünscht, daß diese B sti ; ordnung aufgenommen würde, sondern gla dasselbe erreichen könnte im Verwaltungs wege; er wollte Landwirthschastskammern mit entsprechender Anweis ung dersel sächlich auf diese Anforderungen Rücksicht zu neb auch für Königsberg gethan. Nun wählte aber die Land wirtbschaft? kammer in Königsberg drei Mitglieder und unter diesen den Setretãr der Landwirthschaftskammer. Da sagten die Aelteften der Kaufma schaft: das geht nicht, dieser Sekretär bekl nicht aber ein Ehrenamt, er ist ein besol wirthschaftskammer, das entspricht nicht den Voraussetzungen welchen wir ausgeben müsstn. Nun wüũnschten die von ihnen vorgeschlagene Bestimmung in die Börsenordnung auf- genommen werden sollte. Ich babe mich nun mit dem Herrn Land- wirthschafts. Minister darüber verständigt, und er erkar auch seiner ˖ seits an, daß, wenn es nicht möglich sei, tbatsächlich die Sandwirth⸗ schaftskammer zu bestimmen, dieses gewãblte Mitglied zum Nücktritt zu bestimmen, dann nichts Anderes übrig bliebe, als diese Be⸗ stimmung in die Börsenordnung aufzunehmen, da ir fie an und für sich für gerechtfertigt bielten. habe ich bei der ersten Lesung des Etats im Abgeordneten bause drücklich folgende Erklärung abgegeben:

Sie .. .. die betreffenden Dandelskammern .. wüunschen. daß die landwirtbschaftlichen Vertreter selbstãndige und sachderstãn- dige Personen sind, sie wünschen desbalb, daß fie ibren Beruf als Landwirthe ausüben und zugleich nicht in einer abhängigen Stellung sind. Diesen Wunsch halte ich an und für sich für berechtigt. ebenso der Herr Landwirtbschafts . Minister, und in der An wei ung. die der Herr Landwirtbschaftg. Minister den Land wirtbschaftakanm mern bat zugeben lassen, ist ausdrucklich darauf bingewiesen, daß eg neoth · wendig sei, dieser Voraugsetzung Rechnung ju tragen. Ich bade desbalb die bereits erwähnten vier Börsen beziebungsweise die Handelgorgane an den betreffenden Börsenplätzen dabin beschieden. daß ich zwar davon Abstand nebme, eine bezugliche Vorschrift in die Börsenordnung aufjunebmen, dagegen dabin wirken wurde daß

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