1897 / 124 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 28 May 1897 18:00:01 GMT) scan diff

tbatsächlich die von ihnen gewünschten Bedingungen erfüllt würden. Wenn das nicht geschehen sollte, und soweit das nicht geschehen sollte, behalte ich mir vor, die erforderlichen Bestimmungen künftig in die Börsenordnung aufzunehmen.

Das habe ich damals erklärt und hinzugefügt: das ist den betreffenden Herren eröffnet worden. Nun, meine Herren, ist thatsächlich ein Sekretär der Landwirthschaftskammer gewählt worden in den Börsen⸗ vorstand, der diesen Voraussetzungen nicht entspricht. Der Zusage gemäß, die ich damals den Aeltesten der Kaufmannschaft abgegeben habe, muß ich jetzt die Börsenordnung in dem Sinne ändern, daß die Bestimmung aufgenommen wird, die ich für berechtigt gehalten habe, und nur aus praktischen Gründen damals nicht eingefügt hatte.

Nun fragt es sich, wie es möglich gewesen ist, daß das damals nicht gleich geschehen ist. Das erklärt sich nun folgendermaßen: Der Herr Landwirthschafts-Minister hegte den Wunsch, in versöhnlichem Wege nochmals auf die Landwirthschaftskammer einzuwirken, sie zu bestimmen, daß der betreffende Herr von der Wahl zurücktrete. Möglich war das, denn die Börsenordnung ist noch nicht publiziert; der Gewählte hatte also kein Recht, sich als auf 3 Jahre gewählt anzusehen. Das Recht giebt erst die publizierte Börsenordnung. Es sind aber diese Versuche des Herrn Landwirthschafts⸗Ministers nicht gelungen, er hat die drei Monate gewartet und hat mir dann mit⸗ getheilt, daß es zu seinem Bedauern ihm nicht möglich gewesen sei, den betreffenden Herrn zum Rücktritt zu bewegen. Ich kann nun nicht länger warten, sondern muß darauf dringen, daß ein legaler Zustand hergestellt wird. Ich muß die Zusage, die ich den Aeltesten der Kaufmannschaft gegeben habe, erfüllen, und ich werde dement⸗ sprechend verfahren. Nun wurde mir mitgetheilt, daß ich doch vorsichtig sein sollte, die Aeltesten der Kaufmannschaft wären im stande zu sagen: Jetzt liegen die Verhältnisse anders. Wir haben uns damals beruhigt und die gewählten Vertreter der Kaufmannschaft hatten sich damals bereit erklärt, ihr Amt anzutreten. Inzwischen ist die Situation eine andere geworden, und es ist zweifelhaft geworden, ob sie die Wahl annehmen werden. Ich habe die Aeltesten deshalb nochmals gefragt, ob sie thatsächlich nun, wenn die Börsenordnung publiziert würde, keinerlei Bedenken und Schwierigkeiten ihrerseits erheben würden. Darauf ist mir eine zusagende Anwort ertheilt und mir die Bitte ausgesprochen worden, ich möchte zunächst den Ausgang der Verhand⸗ lungen für Berlin abwarten, weil es möglich sei, daß bei den hiesigen Verhandlungen vielleicht ein Modus gefunden werde zwischen den Vertretern der Kaufmannschaft und der Land—⸗ wirthschaftskammer, der auch auf andere Börsen anwendbar wäre. Diesem Wunsche Rechnung zu tragen, finde ich kein Bedenken, weil diese Verhandlung bereits am nächsten Sonnabend stattfindet, also irgend ein Zeitverlust in Wirklichkeit nicht entsteht. Ich glaube, hier— nach wird man nicht in der Lage sein, der Aufsichtsverwaltung einen Vorwurf machen zu können bezüglich der Ausführung des Börsen—2— gesetzes. Die Ausführung des Börsengesetzes ist eine ausnehmend schwierige. Die Verwaltung hat vor allen Dingen die Auf⸗ gabe, dafür zu sorgen, daß in dem Börsengesetz die Land wirthschaft neben der Kaufmannschaft vertreten ist. Ich erkenne in vollem Maße mit dem Herrn Vorredner an, daß es eine große Verbesserung der bestehenden Zustände ist, und ich erkenne durchaus an, daß es das Bestreben der Regierung sein muß, dahin zu wirken, daß diese Bestimmung zur Ausführung gebracht werde. Aber sie kann nur zur Ausführung gebracht werden, meine Herren, wenn beide Theile sich verständigen. Wenn die Landwirthschaft sich nur auf Bedingungen einläßt, die die Kaufmannschaft nicht will, und die Kaufmannschaft sich nur auf Bedingungen einläßt, die die Landwirthschaft nicht will, wie soll es da möglich sein, den Börsenvorstand zu konstituieren! Es ist also thatsächlich erforderlich, daß eine Verständigung gefunden wird, und dazu müßten beide Theile die Hand bieten. Ich habe mir die äußerste Mühe gegeben, bei allen Börsenvorständen eine Verständigung herbeizuführen. Bet einigen ist es mir gelungen, nur hier in Berlin noch nicht: ich habe aber die Hoffnung noch nicht aufgegeben, daß auch in Berlin eine Verständigung erzielt wird. Ich nehme meiner seits an, daß sowohl in der Landwirthschaft wie in der Kaufmann— schaft sich noch einsichtige und hochsinnige Männer genug finden werden, die begreifen, daß es im dringenden Interesse des öffentlichen Wohls liegt, daß der Produktenhandel nicht desorganisiert wird. Wir können eine Organisation des Produktenhandels thatsächlich nicht ent behren weder im Kriege, noch im Frieden. Wir haben eine solche Organisation nothwendig, wir können die Produktenbörsen nicht ohne zwingenden Anlaß zu Bruche gehen lassen, so lange wir nicht wissen, was dann an ihre Stelle treten soll. Ich bin aber nicht der Meinung, daß es Aufgabe der Regierung sein kann, etwas Anderes an ihre Stelle zu setzen, so lange wir sie erhalten können. Wir hüten uns davor schon deshalb, weil wir bis jetzt nichts Gleichwerthiges haben, was wir an ihre Stelle setzen könnten. Ich bin vielmehr der Meinung, daß es zunächst die Aufgabe sowohl der Regierung, wie der Kaufmann schaft und der Landwirthschaft ist, die Hand zu bieten, um eine Verständigung zu stande zu bringen, damit die aus der Erfahrung und dem Be⸗ dürfniß erwachsene Organisation des Produktenhandels erhalten bleibe. Es liegt im öffentlichen Interesse, daß eine Desorganisation nicht eintritt, und ich möchte die Vertreter der Landwirthschaft, soweit sie diesem hohen Hause angehören, dringend bitten, in diesem Sinne mir beizustehen und zu helfen, um dieses Ziel zu erreichen. Im öffent⸗ lichen Interesse ist ein großes Gewicht darauf zu legen. Den Schluß worten des Herrn Vorredners, daß es in gleichem Maße dringend er⸗ wünscht ist, eine legale Börse im Sinne des Gesetzes herzustellen, schließe ich mich in jeder Beziehung an, und ich gebe mich der Hoffnung hin, daß es endlich doch gelingen wird, nach den schwierigen Versuchen die widerstrebenden Elemente zu einigen und das Börsengesetz zur Durchführung zu bringen.

Graf von Klinckewstroem ist für die gegebenen 6 sebr dankbar. Der erwähnte General- Sekretär sei aber nicht bloß gewählt, sondern auch bestätigt worden. Werde er jetzt eliminiert, so werde das einen schlechten Eindruck machen, auch könne ihn die Land⸗ wirthschaft bei der Börse nicht entbehren. Er sei auch von der Kammer nicht besoldet, und er sei ausübender Landwirth; was habe man also gegen ihn? Der Friede könne nicht dadurch hergestellt werden, daß die Landwirthschaft immer nachgebe.

Minister für Handel und Gewerbe Brefeld:

Meine Herren! Nur ein paar Worte. Zunächst hat der Herr Vorredner gesagt, es sei ihm von einer Anweifung seitens des Herrn Landwirthschafts.Ministers durchaus nichts bekannt geworden bezüglich der Gesichtspunkte, nach welchen die Wahl der landwirthschaftlichen Vertreter für den Vorstand der Produktenbörse stattfinden solle. Ich weiß nicht, meine Herren, wie das zusammenhängt. Ich bin auch zu

meinem Bedauern nicht in der Lage, darüber Auskunft zu geben; daß aber der Herr Landwirthschafts ⸗Minister von mir ersucht worden ist, eine solche Anweisung ergehen zu lassen, und daß er mit mitgetheilt hat, eine solche Verfügung sei ergangen, kann ich nur wiederholen. Ich weiß nicht, ob etwa diese Anwessung irgendwo in der Zwischeninstanz hängen geblieben ist. Der Herr Landwitthschafts.Minister ist im Augenblick im Abgeordneten · hause in Anspruch genommen, sodaß ich bedauere, nicht weitere Aus⸗ kunft geben zu können.

Was nun die Persönlichkeit betrifft, an der die Kaufmannschaft Anstoß genommen hat, so möchte ich unter allen Umständen der Meinung vorbeugen, als ob ich meeinerseits gegen dieselbe irgend welche Einwendungen zu erheben hätte. Nicht die allergeringste. Ich kann vielmehr nur sagen, daß der Herr Landwirthschafts⸗Minister die Persönlichkeit für diese Stelle wohl für geeignet hält und ihr das beste Zeugniß ausgestellt hat. Aber es ist demgegenüber nicht zu verkennen, daß thatsãchlich der betreffende Herr doch General⸗Sekretär der Landwirthschaftskammer ist, also ein von der Landwirthschaftskammer besoldetes Amt bekleidet. Da entspricht er den Voraussetzungen nicht, unter denen wir ihn auf⸗ nehmen wollen. Daß das hier einen Mann trifft, der sonst für diese Stelle sehr geeignet sein würde, kann ich auch meinerseits nur be⸗ dauern, aber ich kann nicht hindern, wenn die Kaufmannschaft sagt: Er entspricht nicht den Bedingungen, und wir wollen ihn deshalb nicht. Ich kann das bedauern, aber nicht ändern.

Graf Udo zu Stolberg knüpft an die vom Minister erwähnte Möglichkeit an, daß die Regelung der Frage in Berlin vorbildlich für die Probinzbörsen werden könne, um sich dann gegen eine solche Regelung

auszusprechen. Geheimer Kommerzien⸗Rath Frentzel: Im Börsenausschuß

haben die Vertreter der Kaufmannschaft einstimmig erklärt, daß die Landwirthschafts kammern, wenn sie an der Verwaltung der Produkten⸗ börsen theil nehmen wollen, dies thun müssen durch ihre Mitglieder, und nicht durch Beamte. Die Ausführungen des Grafen Klinckow⸗ stroem beweisen nur, daß der betr. Paragraph des Landwirthschafts⸗ kammer ⸗Gesetzes verfehlt sei. Lassen Sie endlich die Empfindlichkeiten fallen und vertragen Sie sich!

Graf Udo zu Stolberg hält die vom Geheimen Kommerzien⸗ 1 gegebene Darstellung des Differenzpunktes nicht für zutreffend.

Minister für Handel und Gewerbe Brefeld:

Meine Herren! Es handelt sich hier um die Auslegung der Bestimmung des § 2 des Landwirthschaftsgesetzes:

Den Landwirthschaftskammern wird nach Maßgabe der für die Börsen und Märkte zu erlassenden Bestimmungen eine Mitwirkung bei der Verwaltung und den Preisnotierungen der Pröͤduktenbörsen, sowie der Märkte, insbesondere der Viehmärkte, übertragen.

Nun möchte ich nicht gern bezüglich der Auslegung des Gesetzes, wozu ja in eister Linie der Herr Landwirthschafts. Minister berufen ist, seiner Auffassung präjudizieren.

Ich bin aber bisher von der Ansicht ausgegangen, daß die Auf⸗ fassung des Herrn Geheimen Raths Frentzel nicht zutreffend sei; ich habe meinerseits immer angenommen, daß die Mitwirkung bei der Ver⸗ waltung und der Preisnotierung durch denjenigen Minister zu regeln ist, der mit der Ausführung des Gesetzes betraut ist. (Sehr richtig)

Seine Aufgabe ist es, zu bestimmen: in der und der Weise soll die Sache vor sich gehen. Das ist meine Auffassung; ich will aber damit einer etwaigen abweichenden Auffassung des Ressort ⸗Ministers durch meine Erklärung nicht präjudizieren.

Beim Eisenbahn⸗Etat befürwortet

Prinz zu Schoenaich,Carolath eine bessere Schienenver— bindung von Guben und Forst.

Ministerial, Direktor Dr. Micke kemerkt, daß eine Kleinbahn, als welche Guben Forst gedacht sei, nicht Anspruch auf die Tarife habe, welche für Nebenbahnen gelten.

Nachdem Prinz zu Schoenaich-Carolath und Ministerial⸗Direktor Pr. Micke zu dem Gegenstande wiederholt das Wort genommen haben, bemerkt der

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Wir kommen jetzt in die allgemeine Erörterung der Frage hinein und ich möchte, ehe wir dazu übergehen, wenigstens diesen Spezialfall auch meinerseits hoffentlich zur Erledigung bringen. Als die Interessenten für die Bahn Forst⸗Guben sich zum ersten Mal mit dem Antrag um Genehmigung einer Kleinbahn an mich wandten durch die Provinzialbehörde, sagten sie ausdrücklich, daß von einem irgend erheblichen Durchgangsverkehr nicht die Rede sein könne; nicht für diesen, sondern für den Lokalverkehr solle in erster Linie die Bahn gebaut werden. Allmählich wuchsen nun aber, wie es scheint, in den Verhandlungen mit den Unternehmern die Aufgaben für die Bahn und sie dehnten nunmehr ihr Augenmerk über die eigent⸗ lichen örtlichen Verkehre hinaus, auf solche Verkehre, die als all—⸗ gemeine Eisenbahnverkehre angesehen werden müssen! Meine Herren, was steht denn im Kleinbahngefetz? Im Kleinbahngesetz ist allerdings keine genau umschriebene Begriffsdefinition der Kleinbahn gegeben, es ist aber doch in dem zweiten Absatz des 5 1 Folgendes bestimmt:

Insbesondere sind Kleinbabnen der Regel nach solche Bahnen, welche hauptsächlich dem örtlichen Verkehr innerhalb eines Gemeinde⸗ bezirkes oder benachbarter Gemeindebezirke vermitteln, sowie Bahnen, welche nicht mit Lokomotiven betrieben werden.

Meine Herren, wenn Sie dieses Schema auf die Bahn von Forst nach Guben anwenden und damit den Verkehr vergleichen, welchen dieselbe in Anspruch nimmt, beispielsweise den Kohlenverkehr von Staatsbahnstationen nach Staatsbahnstationen, so werden Sie wohl zu der Ueberzeugung kommen, daß sie als eine Klein⸗ bahn nicht mehr angesehen werden kann. Die beiden Ent— scheidungen, meine und die der Halleschen Direktion, stehen darin durchaus nicht im Widerspruch; ich konnte die Bahn als eine Klein⸗ bahn ansehen und meine Genehmigung zusagen, da die betreffenden Interessenten sich innerhalb des Rahmens hielten; sowie sie aber über den Rahmen hinauskommen und mit ihren Anträgen auf direkte Expedition, Nachlaß der Expeditionsgebühren und Uebernahme des größeren Kohlenverkehrs an die Hallesche Direktion herantreten, war diese verpflichtet, ihnen zu sagen: nun hört es mit der Kleinbahn auf, mit diesen Ansprüchen tritt sie in Reih und Glied mit den Eisen⸗ bahnen, die dem Gesetze vom 3. November 18338 unterstellt sind.

Graf von Frankenberg erwähnt eine Entscheidung der Eisen⸗ bahnverwaltung, welche in den Interessentenkreisen das größte und unliebsamste Aufsehen erregt habe wegen der Menge von Schranken und Vorbehalten, an die der Minifter seine Genehmigung knüpfe. Es werde dabei offenbar von der Besorgniß ausgegangen, daß jede Kleinbahn den bestehenden Staatsbahnen Konkurren; machen könne.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen: Meine Herren! Ich habe den Kleinbahnen gegenüber ein ganz gutetz

1

Gewissen. Seit dem Jahre 1892 ist das Kleinbahnwesen in einer Entwickelung begriffen, die weder die Staatsregierung noch das Land erwartet hat, und es kommen Momente, wo mir, wenigstenz in einzelnen Gegenden, die Entwickelung schon etwas zu rapide erscheint. Es haben zu dieser Entwickelung auch eine Reihe von Erwerbz. gesellschaften beigetragen, denen selbstverständlich die Rente in diesen Kleinbahnen die Hauptsache ist. (Sehr richtig!

Meine Herren, um Ihnen auf die Anführung des Herrn Grafen Frankenberg ein Bild zu geben, wie die Ent⸗ wickelung vor sich gegangen ist, wiederhole ich die Ziffern, die ich gestern Abend in später Mitternachtsstunde in der Eisenbahn— Kommission dieses hohen Hauses vorgetragen habe. Es sind seit In⸗ krafttreten des Gesetzes vom 23. Juli 1892 bis zum 1. Oktober 1896 129 Kleinbahnen in einer Gesammtlänge von 2520 km genehmigt. Ich bitte dabei zu berücksichtigen, daß das erste Jahr nach In— krafttreten des Kleinbahngesetzes eigentlich mehr ein Orientierungs. und Vorbereitungs“, als praktisches Jahr für die Klein— bahnen gewesen ist. Von diesen 2520 km sind am 1. April d. J. bereits fertig gewesen und in Betrieb genommen 2090 km, 430 km waren noch im Bau begriffen. Insgesammt sind seit 1392 146 Kleinbahnunternehmungen genehmigt und fernere 323 als Kleinbahnen meinerseits zugelassen.

Meine Herren, aus diesen Ziffern, glaube ich, geht doch soviel hervor, daß der Arbeitsminister durchaus nicht streng gegenüber den Kleinbahnen verfährt. Aber, meine Herren, der Arbeitsminister ist durch das Gesetz gebunden. Die Kleinbahn sollte keine Eisenbabn werden und ist darum in ganz anderer Weise rechtlich und faktisch durch das Gesetz gestellt wie eine Eisenbahn; sie hat weder die Rechte noch die Pflichten, wie sie aus der Reiche verfassung hervorgehen: sie steht weder unter der Betriebsordnung, noch unter der Verkehrs— ordnung; sie ist andererseits mit einer ganzen Reihe von Privilegien ausgestattet, die die Eisenbahnen nicht haben. Sie sollte eben keine Eisenbahn werden, sondern sie sollte den Lokalverkehr zwischen benachbarten Gemeindebezirken vermitteln, sie sollte der Zubringer, die Stichbahn im großen Ganzen werden, die den Verkehr von und nach der Eisenbahn zu bewältigen hätte. Mit der weiteren Entwickelung ist naturgemäß auch der Wunsch gewachsen, aus diesen Kleinbahnen allmählich Eisenbahnen zu machen; insbesondere da, wo es dringend erwünscht erschiene, baldigst Renten aus dem Unternehmen zu erzielen, und zu dem Ende sich unter den Privilegien des Kleinbahngesetzes und ohne die Lasten des Eisenbahngesetzes an den Verkehren der Staatseisenbahn Lurch Abkürzung von Linien u. s. w. zu betheiligen.

Meine Herren, so lange wir im Staatseisenbahnsystem stehen und ich glaube, mich in Uebereinstimmung mit sämmtlichen Mit— gliedern dieses hohen Hauses zu befinden, wenn ich annehme, daß es als ein Segen für das Land zu betrachten ist, daß die Ver— staatlichung eingetreten ist, (Zustimmung) und dadurchaus kein Grund ist, aus diesen Staatsbahnsystem wieder in ein gemischtes überzugehen wenn man auf dem Standpunkt steht, dann darf man auch nicht auf Umwegen zu dem gemischten System zurückkehren; und das sind Umwege, wenn durch Vermittelung der Kleinbahnen allmählich wieder ein gemischtes System ins Land einzieht.

Herr Graf Frankenberg hat eine Reihe von Beispielen an— geführt, in denen der Bau der betreffenden Bahn als Kleinbahn ver— weigert worden; in einem Theil dieser Beispiele hat schon die Reichs behörde Einspruch erhoben und verlangt, daß die Bahn dem Eisen— bahngesetz unterstellt werde, daß sie so gebaut und eingerichtet werden muß, daß die Betriebsordnung und die Verkehrsordnung für deutsche Eisenbahnen Anwendung finden kann.

Ich möchte aber nicht weitläufig werden und möchte mich be— schränken, auf den, wie mir scheint, Hauptpunkt aus den Erörterungen des Grafen Frankenberg; das ist nämlich der Punkt, wo der Eisen— bahn⸗Minister Anstand nimmt, den Kleinbahnen Durchgangsverkehr zu überlassen. Meine Herren, soweit ich verstanden habe, befindet sich der Herr Graf Frankenberg aber in einem Irrthum. Es soll den Kleinbahnen nicht verwehrt werden, von irgend einer Staatsbahnstation auf irgend eine Station ihrer Kleinbahn Transporte zu übernehmen, es soll ihr auch nicht verwehrt werden, von irgend einer Kleinbahn— station nach einer Staatsbahnstation Transporte zu bringen. Was ihr nur verwehrt werden soll in der Regel es können Fälle vorkommen und sind schon wiederholt vorgekommen, wo das im allgemeinen wirth⸗ schaftlichen Interesse auch gestattet wird, ist, daß die Kleinbahnen sich als Mittelglieder, als Durchgangsstrecken, zwischen zwei Eisenbahn⸗ stationen schieben. Sie würden damit in das eigentliche Eisenbahnnetz als Mittelglieder eintreten müssen und dazu sind sie nicht bestimmt und nicht geeignet. Meine Herren, ich habe, um keine Unklarheit über die Stellung des Arbeits⸗-Ministers zu den Kleinbahnen zu lassen, bei der Einbringung des diesjährigen Anleihegesetzes demselben den ge— nannten Erlaß sowie eine Reihe anderer Materialien mitgegeben. Außer diesem Erlasse ist das eine Denlschrift über die Entwicklung des Klein bahnwesens sowie die Erörterung der Frage, inwiefern die Kleinbahnen an den Expeditionsgebühren und den direkten Tarifen zu bethätigen sein würden; Sie finden diese Schriftstücke in dem vom Abgeordneten⸗ hause übergebenen Material. Meine Herren, ich bin fest überzeugt, wenn Sie dieses Material einsehen und sich vergegenwärtigen, welche kolossale Entwicklung das Kleinbahnwesen inzwischen genommen hat. wie auch namentlich in der Provinz, der Herr Graf von Frankenberg angehört, wo in der allerletzten Zeit noch 40 Genehmigungsgesuche füt Kleinbahnen genehmigt worden sind, so glaube ich, wird Herr Graf von Frankenberg nicht daran festhalten wollen, daß seitens des Ministeriums nicht mit Wohlwollen die Frage der Kleinbahnen und ihrer Konzessionierung behandelt worden ist.

Herr von Hertz berg bemerkt, daß in Pommern Ende Februat d. J ein ganz gewaltiger Wagenmangel eingetreten sei; bei einer

einzigen Fabrik seien 373 Wagen nicht gestellt worden. Die Mittel für Anschaffung neuer Wagen müßten erhöht werden.

Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:

Meine Herren! Wir haben nicht nur 12 Millionen für Ver⸗· mehrung des Wagenparkes eingestellt, sondern sehr viel mehr. Wir haben aus dem extraordinären Dispositionsfonds von 20 Millionen, welcher im vorigen Jahre zum ersten Male praktisch geworden ist den allererheblichsten Theil zur Vermehrung des Materials ver wendet, insbesondere zur Vermehrung der Lokomotiven. Denn, um rechtzeitig die Wagen an die betreffenden Produktionsstellen beran· zubringen, bedarf es in erster Linie einer genügenden Zabl pon Lokomotiven. Es sind nun auch in diesem Jahre sebc erhebliche Mittel für den Bau von Betrlebsmaterial vorgesehen und

theilweise bereits verwendet worden, beziehungsweise werden im laufenden Jahre, sowie die betreffenden Fonds disponibel sind, ver⸗ wendet werden. Ich lann nur hinzufügen, daß wir die Leistungs⸗ faͤhigleit unserer Waggonfabriken voll in Anspruch genommen haben, daß wir uns aber bisher nicht haben entschließen können, auswärtige Waggonfabriken heranzuziehen. (Sehr richtig) Meine Herren, nun giebt es zwei schlimme Perioden im Jahre: Das ist die große Sturm⸗ und Drangperiode im Spätherbst, am schlimmsten im November, und dann eine zweite kleinere im Frühjahr. Ich habe immer die Meinung gehabt, daß durch sachgemäße Dis—⸗ positionen der betreffenden Versender und Empfänger die Frübjahrs-⸗ periode wesentlich abgeschwächt werden könnte; aber darin habe ich mich getäuscht. Jeder will im Frühiahr, womöglich in derselben Wocke sein Saatgut, seinen künstlichen Dünger haben, und der be⸗ treffende Baulieferant oder Unternehmer seinen Zement, Kalk und sonstiges Material; kurzum, es drängt sich in wenigen Wochen ein ganz kolossaler Bedarf zusammen. Tritt das nun gleich⸗ zeitig noch mit dem Aufgang der Schiffahrt zusammen, so ist der Bedarf an gedeckten Wagen und darum handelt es sich in dieser Frühjahrsperiode = fast ausschließlich ganz plötzlich außerordentlich groß, und die Eisenbahnverwaltung ist, trotzdem sie alles gethan hat ich muß sagen, das Zentral Wagenbureau hat Tag und Nacht geschafft, um Abhilfe zu bringen, doch zeitweise nicht in der Möglich keit dazu gewesen. Aber ganz so schlimm, wie es Herr v. Hertzberg geschildert hat, ist die Sache doch nicht. Wenn ihm die chemischen Fabriken gesagt haben, 378 Wagen seien ihr nicht gestellt worden, so ist das, wörtlich genommen, vielleicht richtig. Aber ich möchte Sie bitten, in der Fabrik zu fragen, ob sie 378 Wagen weniger versandt hat, dann wird sie Ihnen sofort antworten: nein. Sie hat die 378 Wagen so herausgerechnet, daß die an den verschiedenen Tagen nicht gestellten Wagen zusammengestellt sind, und dann kann allerdings schließlich eine Summe von 378 herauskommen. Ich bin fest überzeugt, daß man nicht 378 Wagen weniger versandt hat, sondern daß sich die Bersendung nur hinausgeschoben hat. Ich gebe aber zu, daß auch dies große Ver⸗ legenheiten für die Produzenten und Konsumenten herbeiführen kann.

Wenn nun darauf hingewiesen ist, daß möglicherweise in der Mobilmachung noch schlimmere Zustände eintreten können, so möchte ich darüber doch den Herrn Vorredner beruhigen. In der Mobil⸗ machung müssen wir sehen, wo wir die Wagen alle hinstellen, die wir

übrig haben.

Ober ⸗Bürgermeister We sterburg⸗ Cassel plaidiert für Ver⸗ größerung des Casseler Bahnhofs, der für den enormen lokalen und Burchgangs verkehr viel zu klein geworden Fei.

Freiherr von Maltzahn hält die Vertretung von derartigen Lokallnteressen bei der Etatsberathung auf Grund seiner 28 jährigen Erfahrung für einen abusus.

k Westerburg verwahrt sich gegen diesen Ausdruck. ;

Gegen 5 Uhr beantragt Freiherr von Manteuffel die Vertagung. Der Präsident widerspricht dem Antrage, der darauf zurückgezogen wird. .

Bei der Bauverwaltung bringt .

Ober ⸗Bürgermeister Bender Breslau den Streit der Telegraphen⸗ verwaltung und der Stadtgemeinde Breslau wegen der Anlage von Telegraphenleitungen zur Sprache. Die Behörde habe jetzt, wo der Prozeß beim Reichsgericht schwebe, plötzlich den Kompetenzkonflikt er⸗ hoben. Dadurch werde verhindert, daß endgültig festgestellt werde, waz thatfächlich zur Zeit auf diesem Gebiete Rechtens sei. Die Frage fei für die Kommunen von der größten Bedeutung; es handle sich um die Rechte der Gemeinden an ihren Straßen.

Ein Regierungs- Kom missar bemerkt, daß in dem Breslauer Falle einem früheren Falle, der sich in der Prorinz Westfalen abgespielt habe, analog verfahren sei, worauf Ober. Bürgermeister Bender nochmals nach der Absicht fragt, welche die Regierung bestimmt habe, in diesem Falle dem Reichs⸗Poftfis kus gefällig zu sein.

Ver Regierungs-⸗Kommissar erwidert, daß dadurch fest⸗ gestellt werden solle, ob die Angelegenheit öffentlich rechtlichen oder zivilrechtlichen Charakters sei.

Um Hi // Uhr wird die weitere Etatsberathung auf Frei⸗

tag 1 Uhr vertagt.

Haus der Abgeordneten.

92. Sitzung vom 26. Mai 1897.

Ueber den ersten Theil der Sitzung ist vorgestern berichtet worden.

Die zweite ö . Novelle zum Handels⸗ kammergesetz wird fortgesetzt.

8 . Die Handelskammer ist befugt, Dis⸗ pacheure und solche Gewerbetreibende der in 8 36 der Reichs—⸗ Gewerbeordnung bezeichneten Art, deren Thätigkeit in das Gebiet des Handels fällt, insbesondere auch Probezieher für Zucker und Melasse, öffentlich anzustellen und zu beeidigen.

Abg. Gorke (Zentr.) beantragt aus rechtlichen Gründen, die vonder Kommission hinzugefügten Worte „insbesondere Melasse“ wieder zu streichen, weil diese Probezieher bereits unter den 8 36 der Gewerbeordnung fielen.

Die Abgg. Gothe in ffr. Vgg.), Reich ar dt nl) und von Brack haufen (konf) sowie Geheimer Regierungs- Rath Lusensty sind mit der Cr zul? einverstanden.

Der Antrag Gorke wird angenommen.

3 34 b bestimmt; Die Handelskammer unterliegt der Auf⸗ sicht des Ministers für Handel und Gewerbe. Auf Antrag des selben kann eine Handelskammer durch Beschluß des Staats⸗ Ministeriums aufgelöst werden. Es sind sodann Neuwahlen anzuordnen, die innerhalb dreier Monate vom Tage der Auf⸗ löfung an erfolgen müssen. Ueber die Geschãftsordnung und Vermögens verwaltung der Handelskammer während der Zwischen⸗ zeit trifft der Minister die erforderlichen Anordnungen,

Abg. Gothein beantragt prin ipaliter, den 38 1b, ab⸗ zulehnen, eventualiter den letzten atz zu ö. Die Auf⸗ löfung tritt erst mit der nach erfolgten euwahlen vorzu⸗ nehmenden Neukonstituierung der Handelskammer in Kraft.

Abg. Möller (nl) beantragt den Zusatz: Dabei ist Für⸗ sorge zu treffen, daß die den andelskammern gesetzlich über- tragenen Pflichten und Befugnisse auch für die Zwischenzeit erfüllt werden können.

Berichterstatter Dr. Eckel s referiert, daß die Kommission diesen aragraphen in die Vorlage eingeschoben habe, um einmal die seit ahren schwebende Frage zu entscheiden, die fi, . sei, als Füͤrst

Bigmarck mit dem Jahresbericht einer Handelskammer nicht einver · standen gewesen sei und zwar die Kammer nicht aufgelöst, aber den Behörden untersagt habe, die Beiträge für die Kammer einzuzieben. Abg. Dr. Siep han- Beuthen 6h stimmt dem i, üuflösungsbefugniß der Regierung

um so weniger für angebracht balte, als die Regierung sie in der Vorlage selbst nicht gefordert habe; eventuell stimme er dem Antrag

ösüer ober dem Gventuaglantrag Gotbein zu. ö

Abg. Gothein hält die gänzliche Streichung der Auflösungs⸗«

antra

Gothein . weil er eine

befugniß für dag efle. Die Handel glammer babe wichtige Befug nisse, die 562 unterbrechen werben därften; . B. babe die Bres lauer Fammer jahrlich mebrere hundert Gutachten an die e zu er⸗ statten; die Kammer habe ferner ehrengerichtliche Handlungen vorzu ; nehmen, über daz Maflerwesen, die Börsenordnungen 2c. ju ent⸗ scheiden. In allen diesen Thätigkeiten werde durch eine Auflõsung ein Vakuum eintreten. Die Auflssungsbefugniß werde in der Praxis fast gar keine Bedeutung haben. Mindestenz müäse aber jur eseiti⸗ gung der praflischen Schwierigkeiten infolge einer Auflösung sein Eoentualantrag angenommen werden, der vräziser sei als der Antrag

öller. Abg. S am en Die vom Abg. Gothein angesũhrten Funktionen sind den Handelskammern keineswegs durch Geseß übertragen worden. Der Minsster kann den Kammern jeden Augenblick die Aufsicht üher die Börse entziehen, und damit entfallen Lie Hauptbedenken des Abg. Gotkein gegen den Kommisstonsbeschluß. Die Streichung des s 347 würde zu den größten Schwierigkeiten führen. Färst Bismarck ist mit den Handelskammern nicht in Streit gerathen, weil sie seiner n,. nicht zustimmten, sondern weil sie sich weigerten, unrichtige

ngaben ibrer Berichte richtig zu stellen. Er hat sie allerdings nicht auffösen können, hat aber praktisch dasselbe erreicht. Gs bandelt sich setzt nur darum, diese Möglichkeit gesetzlich festmlegen. Damit kommen die Handelskammern besser weg, als wenn wih kürlich gegen sie verfahren wird. Der Antrag Möller ist überflüssig, da eon nach der Vorlage der Minifter für die Zwischenzeit die nöthigen An⸗ ordnungen zu treffen bat. Ich bitte, den 5 346 unverndert an- zunehmen.

Minister für Handel und Gewerbe Brefeld:

Meine Herren! Die Bestimmungen des 346 stimmen fast wõrt⸗ lich überein mit den Bestimmungen des 5 31, welcher sich in der vor⸗ jährigen Gesetzes vorlage über die Handelskammern befand, nur mit dem einen Unterschied, daß statt des Wortes Geschäftsführung. das Wort . Geschaftsordnung ! aufgenommen ist. Richtiger und verständ⸗ licher ist es, das Wort. Geschäftsführung' zu setzen; in diesem Sinne liegt ja auch ein Antrag auf Verbesserung vor.

Nun möchte ich zunächst hervorbeben, weshalb der 5 384 b nicht in die gegenwärtige Gesetzesvorlage aufgenommen ist. Der Grund ist einfach der, daß es sich für die Regierung jetzt nicht mehr darum handelte, ein organisches Gesetz über die Handelskammern vorzulegen, sondern daß, wie in der Begründung dieser Vor⸗ lage auch schon hervorgehoben ist, man sich darauf beschränkt hat, diejenigen Bestimmungen in das Gesetz aufzunehmen, die einerseits durch die bestehenden Gesetze und andererseits durch das praktische Bedürfniß als unbedingt nothwendig an die Hand gegeben sind. Dann war es aber nicht nothwendig, eine Bestimmung aus⸗ drücklich zu treffen bezüglich der Aufsicht, die dem Minister über die Handelskammern zustehen soll. Denn diese Aufsicht hat er in der That bereits. Sie folgt aus den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen, die sich im Landrecht und in der Regierungsinstruktion finden, wonach dem Minister die Aufsicht über die Korporationen und insbesondere über die den Zwecken von Handel und Gewerbe dienenden Kor⸗ porationen zusteht. Es war also nicht nothwendig, eine Bestimmung in diesem Sinne aufzunehmen.

Ebenso wenig war es nothwendig, eine Bestimmung über die Auflösung vorjusehen, aus dem Grunde, weil die Praxis sowohl als auch die innere Begründung für die Auffassung spricht, von der man stets ausgegangen ist, daß der Minister, wenn er die Befugniß hat, die Genehmigung zu ertheilen oder zu verweigern zur Errichtung von Handelskammern, auch die Befugniß haben muß, die Genehmigung dann zurückzuziehen, wenn die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen, unter denen er sie ertheilt hat. Mit der Entziehung der Genehmi⸗ gung wird thatsächlich der Zweck erreicht, der im öffentlichen Interesse erreicht werden muß; es werden dann der betreffenden Handelskammer die öffentlich rechtlichen Befugnisse genommen, die ihr nicht mehr belassen werden dürfen. Zu diesen Besorgnissen gehört vor allem auch die Einziehung von Beiträgen, und wenn die Handelskammer nicht mehr in der Lage ist, Beiträge zwangsweise einziehen zu können, dann wird sie doch dem Zustand der Auflösung sehr nahe sein.

Nun hat man es in der Kommission für zweckmäßig gehalten, über die engere Begrenzung der Aufgaben des Entwurfs, wie er von seiten der Regierung vorgelegt ist, hinauszugehen und eine vollständige Reviston sämmtlicher Bestimmungen über die Handelskammern vor⸗ zunehmen. Demgemäß hat man es auch für richtig gehalten, diese Bestimmungen aufjunehmen, die sich in dem früheren Gesetz⸗ entwurfe befanden, um diese scheinbare Lücke des Gesetzes zu decken. Darnach ergiebt sich also, daß wir unsererseits die Aufnahme dieser Bestimmungen thatsächlich nicht beanstandet haben; daß sie aber nothwendig sei, das brauchen wir nicht anzuerkennen. Streichen wir sie, so bleibt es bei dem aus den bisherigen Bestim⸗ mungen und der Praxis sich ergebenden Rechtszustand. Ich würde aber meinerseits befürworten, sie anzunehmen, denn wenn man einmal sich auf den Standpunkt gestellt hat, daß dieses Gesetz nicht lediglich diejenigen Bestimmungen aufnehmen soll, deren Annahme wirklich praktisches Bedürfniß ist, dann muß man auch diese Be— stimmungen annehmen, welche in den Rahmen eines organischen Ge⸗ setzes gehören.

Ich möchte es nun für unbedenklich zulässig halten, wenn man hier gerade das Wort Auflösung“ nicht sensualissime versteht, wie es der Abg. Gothein veistanden hat, so daß man aus der Fassung die Konsequenz ziehen müßte: Wenn die Handelskammer aufgelöst ist, so existiert sie nicht mehr. Bei einer solchen Auslegung würde der Inhaber des von der Handelskammer angesammelten Vermögens wegfallen, und dieses Vermögen würde, wenn die Handelskammer aufgelöst ist, nicht auf die durch Neuwahl zu bildende neue Kammer übergehen. Man kann aber doch den ersten Satz des Absatz 2 nur interpretieren unter Mithineinziehung des folgenden Satzes, in welchem gesagt ist: „es sind sodann Neuwahlen anzuordnen“; das heißt doch nichts Anderes, als die Auflösung berieht sich lediglich auf die aktuelle Zusammensetzung der Handelskammer, nur die wird aufgelöst, es sind daher alsbald Neuwahlen vorzu⸗ nehmen. Ich glaube deshalb, es ist thatsächlich unbedenklich, den § 34b, so wie er vorliegt, anzunehmen, und es ist auch korrekt, ihn anzunehmen, weil die Kommission sich einmal auf den Standpunkt gestellt bat, nicht lediglich diejenigen Bestimmungen aufzunehmen, die in eine ergänzende Novelle gehören, sondern das Gesetz selbst in seiner Gesammtheit zu revidieren und umzugestalten.

M tes nach dieser Erklärung für das Beste, die gon ii 1 . bie ffe die ger n, een güůnstiger sei, * die AÄuflösungsbefugniß dem ganzen Staats. Ministerium übertragen werde, und kiebt n Antrag zurück, der dadurch über⸗ . g geworden sei. de

schäftgordnung“ durch . ,, zu ersetzen.

Abg. Kir sch (Jentr) befürwortet seinen Antrag.

der Abg. Kirsch beantrage, das Wort Ge

Abg. von Breckbausen (kons) schließt sich den Ire ihrn en des Abg. Gamp. an; dieselbe , , der Regierung be⸗ stehe auch für andere Institute, namentlich für die Landwirthschafts· kammern. Er stimme gegen den Antrag Gothein und nur für den Antrag Kirsch. ; ; -. Die Anträge Gothein werden abgelehnt; 5 34D wird mit der Aenderung 4 dem Antrag Kirsch angenommen.

Nach 8 36 soll das Gesetz mit einigen Ausnahmen auf

die hestehenden kaufmannischen Korporationen keine Anwendung finden. . Abg. Dr. Stephan⸗Beuthen beantragt, auch die Be⸗ stimmung über die Oeffentlichkeit der Sitzungen hiervon aus⸗ zunehmen, sodaß auch die Verhandlungen ke Korporationen öffentlich sein müssen. Er beantragt ferner den Zusatz, daß es zur Vereinigung einer kaufmännischen Korporation mit einer schon Handelskammer eines mit dieser zu vereinbarenden Statuts bedarf, welches der Genehmigung des Ministers unterliegt. . ö

Abg. Dr. Böttinger (nl) bedauert, daß die Industrie in den Rorvorafionen nicht genkgend vertreten sei, und behält sich vor, eine entfprechende Resolution in der dritten Lesung einzubringen.

Abg. von Brockhausen stimmt den Anträgen des bg. Stephan zu, weil sie Konfequenzen des Beschlusses zu S2 seien, behalt sich aber eine andere Abftimmung für die dritte Lesung vor.

Abg. Gamp erklärt sich gleichfalls für die Anträge und erwidert dem Abg. Bättinger, daß es lediglich Schuld der Industrie selbft sei, renn sie keine genügende Vertretung in den Korporationen habe.

Abg. Broem el (fr. Vgg.) bestreitet, daß die Industrie in den gerrorectfionen nicht hinreichend bertreten sei, und beruft sich auf die Ferrperationen in Stettin und Königsberg, welche mehrere Mitglieder bätten, die zugleich dem Handel und der Induftrie angehörten.

3 35 wird mit den Aenderungen des Abg. Stephan an⸗ genommen. .

Im übrigen wird die Vorlage nach den Kommissions⸗ beschlüssen angenommen. .

Die Kommission beantragt ferner folgende Resolution: die Regierung zu ersuchen, die Gerichte dahin anzuweisen, daß sie vor einer ein für alle Male erfolgenden Vereidigung von Bücherrevisoren und sonstigen kaufmännischen Sachverständigen die Handelskammer hören und sich von ihr hierzu, sowie zur ö als Konkursverwalter geeignete Personen vorschlagen lassen.

Die Resolution wird angenommen. .

Es folgt die Berathung der Denkschrift über die Aus⸗ führung des Gesetzes von 1895. betreffend die Bewilligung von Staatsmitteln zur Verbesserung der Wohnunge⸗ verhältnisse von Arbeitern, die in staatlichen Be⸗ trieben beschäftigt sind, und von gering besoldeten Staagtsbeamten. .

Abg. Dr. Steph an- Beuthen beantragt die Neberweisung der Denkschrift an die Budgetkommission. Mit den von der Regierung befolgten Grundsãätzen könne er sich nicht vollständig einverstanden er- klären. Es werde zu sehr das fiskalische Interesse wahrgenommen und ein möglichst hoher Miethsertrag zu erzielen gesucht. Das Rein · erträgniß habe 2, 9d /g des gesammten Anlagekapitals betragen. die Regierung könne sich auch mit einer mäßigen Verzinsung begnügen. Daß beste System im Interesse der Gesundheit. und Sittlichkeit sei das der Einfamilienhäuser mit gesonderten 6 und gesonderten Treppen. Dabei könnten nicht so leicht Krankheiten durch die herum⸗ saufenden Kinder verschleppt werden und unsittlicher Einfluß auf die Kinder ausgeübt werden, wie heim Zusammenwohnen in größeren Häusern. Die Regierung habe dieses System aber leider nicht besolgt, weil es mehr Kosten verursache. . .

Abg. Gamp stimmt der Ueberweisung an die Kommission zu, widerspricht aber der Ansicht des Vorredners in Bezug auf Ein⸗ familienhäuser und meint, daß man eine so mäßige Verzinsung von 2, 9 og nicht beanstanden könne. ;

Abg. Möller ist mit der Ueberweisung an die Kommission ein ˖ verstanden und meint, daß ein Einfamilienhaus in vielen ländlichen Diftrikten, wo der Platz billig sei, nach vielen Richtungen wünscheng ; werth fei; diefer Wunsch widerspreche aber der im. vorigen Jahre angenommenen Resolution des Hauses, daß die Häuser den FIrtlichen Verhältnissen angepaßt werden sollten. 2, 9 O sei eine sehr billige Verzinsung. . .

Ein Regierungskommissar sagt die Vorlegung von weiterem Material und von Zeichnungen der Häuser in der Kommission zu.

Die Denkschrift wird der Budgetkommission überwiesen.

In erster und zweiter Berathung werden sodann noch die Gesetzentwürfe, betreffend Abänderung der hinsichtlich der Jagd auf Wasservs gel für Ostfries land geltenden gesetz⸗ lichen Bestimmungen, betreffend die Erri chtung eines Amts⸗ gerichts in der Stadt Witko wo und betreffend den Erlaß polizeilicher Strafverfügun gen wegen Uebertre tung strom⸗ und schiffahrtspolizellicher zorschriften auf der Elbe und auf dem Rheine, sowie der Zusatzartikel zur revidierten Rheinschiffahrtsakte vom 17. Oktober 1868 ohne Debatte angenommen. .

Schluß nach 31/ Uhr. Nächste Sitzung Freitag 11 Uhr. (Vereinsgesetz.)

Statistik und Volkswirthschaft.

Au swärtiger Handel des deutschen Zollgebiets im April 1897. (Nach dem vom Kaiserlichen Statistischen Amte herausgegebenen April hefte.)

A. Einfuhr im April in Tonnen zu 1900 kg netto: 3 354 822 gegen 3 057889 und 2591 474 im April der beiden Vorjahre, daher mehr 296 933 und 763 348. Hierunter Cdelmetalle 67, übrige Artikel 3 354 755. Gestiegen ist hauptsächlich die Einfubr von Ablãͤllen (um 27 575), Droguerie., Apotheker und Farbewagren (25 126), Eisen und Cisenwaaren (14 105), Erden, Erzen 2c. (15 299), Getreide (67 454), Holz ꝛe. und Waaren daraus (19 994), Material- ꝛc. Waaren d 992), wäbrend die Kohleneinfuhr erheblich ie ,, ist um 38 055).

Die Gefammteinfuhr in den vier Monaten des Jahres betrug 11215 237 gegen 10 010 940 und 8249 486 im gleichen Abschnitte der Vorjahre. Am meisten hat die Getreideeinfuhr zugenommen: 1 555 748 gegen 1 708 756 und. 1 193169. .

B. Außfuhr im April in Tonnen zu 100 kg netto: 2 199 706

gegen 2 0354252 und 1970782 im April der beiden Vorjahre, daher mehr sö5 452 und 228 922. Hierunter Edelmetalle 45. übrige Artikel 2159 659. Gestiegen ist hauptfächlich die Ausfuhr von Erden, Erzen ꝛc. lum 83 679), Getreide (6785) Material. ꝛc. Waaren (78 606, worunter Rohzucker 66 85g), Kohlen (I Wr), während die Ausfuhr von Eisen und . um 25 F195, Steinen und Stein waaren um 19 203 urückgegangen ist. ; * Sn Kitausfubr in den vier Monaten des Jahres betrug 8 236 797 gegen 7 908 551 und 7 937053 im gleichen Zeitraum der beiden Vorjahre. Besonders gestiegen ist die Rohzruckerausfuhr: 300274 gegen 186 616, darunter 2 den Vereinigten Staaten von Amerika 5 388 gegen 68 dö5. J ;

Fahrräder Einfuhr in den vier Monaten: 336 Stück, Fahr räder Ausfuhr: 7513 Stück; Fabrradtheile: a. Einfuhr 140, b. Aus- fuhr 120 t.

Die Selbstmorde in Preußen 1895. (Stat. Korr. Im Jahre 18855 endeten im gesammten Staate 6174 (4896 männliche und 1278 weibliche) Personen ihr Leben durch

Selbstmord; von je 100 000 Ortganwesenden starben demnach 19 in dieser

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