Fall liegt etwas anders, weil ein nicht bebautes großes Grundstück thatsächlich in der betreffenden Gegend lange gelegen hat und darauf kann man auch von seiten des Staats einige Rücksicht nehmen. Meine Herren, die Interessen der Städte und der Bevölkerung der⸗
selben stehen natärlich nicht im Gegensatz gegen die Staatsinteressen. Der Staat hat gewiß auch das Interesse, wenn es möglich ist, unter
gerechter Vertheilung der Staatslasten, unter Berücksichtigung der Finanzen, auf die Wünsche einer Stadt die gebührende Rücksicht zu nehmen. Gerade nach diesen Gesichte punkten glauben wir verfahren zu sein, wir haben einen Plan aufgestellt, wonach ein Platz, der rund etwa viermal so groß ist als der Dönhoffsplatz, als öffentlicher Platz der Stadt Berlin zufallen sollte mit der Ver⸗ pflichtung, ihn natürlich als folchen zu unterhalten gegen einen sehr geringen Preis nach Schätzung unseres Sachverständigen — ich glaube, zu einem Preise von etwa 40 Æ pro Quadratmeter — das ist un⸗ gefähr ein Fünftel des Bauplatzwerthes. Der andere Theil, der an der Straße liegt, sollte bebaut werden und natürlich zu Gunsten des Staats zur Verwerthung gelangen. Diese Sache schwebt noch, die Stadt Berlin hat auf die Offerte noch nicht geantwortet, aber warum nun verlangt wird, wie der Antrag Bender es thut, das ganze Grundstück als öffentlichen Platz zu erhalten, während hier doch ein großer öffentlicher Platz nach der Potsdamerstraße hin übrig bleiben würde und der nach meiner Meinung, da er wirklich öffentlicher Platz ist, während es der Botanische Garten heute nicht ist, den etwas größeren Botanischen Garten mehr als ersetzen würde, — so verstehe ich das nicht. Gewiß ist der Botanische Garten täglich von 7 Uhr Morgens bis 7 Uhr Abends geöffnet, aber ich höre hier von meinem verehrten Nachbar, daß sich schon längst herausgestellt hat, daß, wenn der Botanische Garten an der jetzigen Stelle bliebe, eine derartige Benutzung durch das Publikum, namentlich durch Kinderschaaren, aus Gründen der wissenschaftlichen Benutzung nicht mehr aufrecht erhalten werden könnte. (Sehr richtig) Meine Auffassung wird hier also bestätigt durch einen Sachverstän⸗ digen in diesem hohen Hause. Meine Herren, wie hätten die An⸗ wohner darüber geklagt, wenn wir den Garten geschlossen oder die Benutzung durch das Publikum beschränkt hätten! Statt dessen bieten wir einen oͤffentlichen Platz an, der Tag und Nacht frei ist für die Bewegung der Kinder und geeignet für ihre Spiele und Leibesübungen, während das bei dem jetzigen Botanischen Garten, wie gesagt, nicht der Fall ist; da ist doch, glaube ich, ein vollkommener Ersatz für die Zwecke, die die verehrten Herren verfolgen. Ich habe im Abgeordneten⸗ hause schon gesagt, wir wollen hoffen, daß es gelingen wird, die Interessen des Staats und der Stadt zum Ausgleich zu bringen; wie weit wir bereits der Stadt Berlin entgegengekommen sind, habe ich eben auseinandergesetzt. Aber wenn Sie den Antrag Bender annehmen, bestärken Sie die Bevölkerung Berlins in dem Glauben, daß ihr eigentlich das größte Unrecht geschehe, wenn der Staat ihr nicht den ganzen Platz vollständig umsonst giebt; denn das ist eigentlich in gewissen Theilen Berlins, in der großen Masse der Bevölkerung der wahre Glaube. In die Art der Verwerthung von Grundstücken hat sich doch der Landtag bisher überhaupt nicht ge— mischt, und es wäre doch wirklich etwas bedenklich, wenn das Herrenhaus in solche laufende Verhandlungen und schwebende Ange⸗ lgenheiten eingreifen wollte. Ich möchte Sie daher dringend bitten, wie im Abgeordnetenhause die Vorlage anzunehmen, wo man sie fast einstimmig ohne weiteres genehmigt hat. Das Abgeordnetenhaus hat doch vorzugsweise die Interessen der Staatsfinanzen und der Steuer⸗ zahler zu vertreten; jeder Gedanke, als wenn man seitens des Staates im wesentlichen unentgeltlich oder doch gegen einen minimalen Preis das ganze Grundstück hergeben sollte, ist dort sowohl in der Kommission, wie im Hause selbst entschieden ab⸗ gewiesen worden. Ich meine, dieses hohe Haus hätte jede Veranlassung, ebenso zu verfahren und den weiteren Gang der Sache der Staatsregierung zu überlassen; so dringend ist ja die Sache auch nicht; wir können ja den Garten auch nicht veräußern, ehe wir nicht den neuen Botanischen Garten haben, den wir an die Stelle setzen. Das geschieht nicht von heute auf morgen; man kann sich viel⸗ leicht noch verständigen, die Meinungen werden sich klären und ich hoffe auch, daß wir mit der so intelligenten, und auch steuerkräftigen Ber⸗ liner Bevölkerung (Heiterkeit) und mit der vorzüglichen Stadtverwaltung der Königlichen Residenzstadt schließlich zu einem befriedigenden Ein— vernehmen kommen.
Ich muß sagen, meine Herren, wenn ich von vornherein hätte annehmen können, daß wir, wie die Kaufleute sagen, gar keinen wesent⸗ lichen rombours aus dem aufgegebenen Grundstück des Botanischen Gartens bekommen würden, so hätte ich mich doch sehr vorgesehen, 16 Millionen aufzuwenden und in einer sehr opulenten, sonst doch sehr wohl einzuschränkenden Weise diese große Unternehmung durch⸗ zuführen, und es wäre dann auch absolut unberechtigt gewesen, nach unseren finanziellen und Etatsgrundsätzen ohne diese begründete Aussicht, diese ganze Sache durch eine Anleihe zu machen. Wir machen in Preußen nur Anleihen, wenn es sich um rentable und zins⸗ gewährende Unternehmungen handelt, alle anderen Ausgaben müssen im Extraordinarium des Etats stehen, eine Ausnahme können wir nur machen allein unter den Voraussetzungen, daß auch wieder die betreffenden Einnahmen dem Staat zufließen und auf Anleihe ver— rechnet werden.
Ich bitte also, den Antrag der Kommission gemäß der Vorlage ohne jeden Zusatz und unter Ablehnung des Antrags des Herrn Bender annehmen zu wollen. (Bravoh
Ober⸗Bürgermeister Bender ⸗Breslau: Das bestehende Ver⸗ hältniß wird doch unzweifelhaft zu Ungunsten der Stadt geändert. Berlin soll 16 Millionen zahlen. Wober stammt dieser große Werth des Gartens? Wer hat ihn geschaffen? Daher, daß die Stadt sich ausgedehnt, die Bevölkerung sich dicht an den Garten herxangebaut bat. Das will der Fiskus sich jetzt zu nutze machen. Von den 115 000 Quadratmetern sollen nur 47 000 . werden. Außer⸗ dem liegt der Park mit zwei Seiten in der Nachbarkommune, da kann die städiische Behörde es nicht verantworten, auf eine so ungeheure ,, einzugehen. Daß die Eingemeindungs frage noch nicht gelöst st, spielt ebenfalls sehr ungünstig hier hinein.
Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:
Die Ausführungen des Herrn Ober⸗Bürgermeisters Bender sind doch eigentlich in keiner Weise stichhaltig, wenn ich einen milden Aus— druck gebrauchen soll. Die Werthsteigerung, die der Boden empfing, ist durch die Entwickelung von Berlin gekommen — kann er diese Deduktion nicht gegen jeden Besitzer geltend machen? Kann daraus gefolgert werden, daß wir uns dadurch veranlaßt sehen sollten, das Grundstück billiger oder umsonst abzu⸗
geben? Meine Herren, das ist ein sehr bedenkliches Prinzip. Wenn
Sie das aber überhaupt anwenden wollten, dann könnte man auch gegen Berlin einmal aufrechnen, was die staatliche und die Reichs . entwickelung für Berlin gethan hat. Berlin — das hat Herr Bender ganz richtig gesagt — hat große Vortheile vor anderen Städten als Residenzstadt voraus, auch hier in concrero. Welche Stadt ist in der Lage, ein Thiergartengrundstück zu haben, thatsächlich einen Stadtpark, welches im Eigenthum des Staates steht und von ihm aukschließlich unterhalten wird? Hier handelt es sich um einen zweiten Park, den wir mehr oder minder zu einem minimalen Preise der Stadt geben sollen. Der Herr Vor redner beruft sich darauf, daß preußische Könige Breslau und Königs- berg schöne Grundstücke bei Niederlegung der Wälle geschenkt hätten. Ja, meine Herren, die Zeiten haben sich eben geändert; damals waren die Grundstücke kaum etwas werth, damals war das ein sehr ge— ringes Geschenk, damals waren die Städte nicht so steuerkräftig und die Ansammlung von Kapital, Industrie und Gewerbe in den Städten nicht so groß, wie es heute der Fall ist. Ich kann mir denken, daß das richtig ist, was Herr Bender sagt: die ver⸗ schiedenen Interessen der Stadttheile erschweren es dem Magistrat, in dieser Beziehung dem Staate mehr entgegenzukommen — so habe ich ihn wenigstens verstanden. Er hat von gewissen Krähwinkeleien gesprochen. Ja, meine Herren, gewiß, derartige Krähwinkeleien giebt es in allen Städten; daß der Staat aber die Berliner Krähwinkeleien bezahlen soll, dafür sind noch keine Gründe angeführt.
Nun sagt Herr Ober⸗Bürgermeister Bender: mein Antrag bedeutet ja nichts Schlimmes; der Staat ist ja garnicht dadurch gebunden. Ich lege auf den Ausspruch nnd den Wunsch dieses hohen Hauses doch mehr Gewicht wie der Herr Antragsteller; wenn das Herrenhaus uns die Direktive geben soll, daß wir diesen ganzen Platz weggeben sollen, ohne irgend eine Rücksicht darauf, daß er jetzt theilweise ohne Schaden der Oeffentlichkeit bebaut werden kann, so ist das ein sehr erheblicher Ausspruch, der die Verhandlungen mit den Betheiligten seitens des Staats sehr erschweren würde. Wenn Herr Ober⸗Bürgermeister Bender sagt: die Regierung ist nicht gebunden, so ist der Antrag doch ein sehr wichtiges moralisches Moment für diejenigen Interessenten, die immer noch anstreben, den betreffenden Platz so gut wie für nichts zu bekommen. Meine Herren, was heißt das überhaupt: keine Bauplatzpreise? Man kann dies so deduzieren: ihr könnt der Stadt Berlin nichts abnehmen an Werth, welches die Stadt Berlin nicht selbst verwenden kann. Da nun die Stadt Berlin diesen Platz zu einem öffentlichen Platz machen soll und das sogar Bedingung ist, so bezahlt die Stadt Berlin einen viel zu hohen Preis, wenn sie mehr als Bauplatzpreis bezahlt. Das ist ganz zutreffend. Es fragt sich nur, wer das Opfer zu bringen hat, der Staat oder die Stadt Berlin; daß die Stadt dieses Grundstück, welches an und für sich einen höheren Werth hat, zu einem geringeren Werth degradiert, indem sie vorzieht, daraus einen öffentlichen Platz zu machen, ist richtig. Nun bleibe ich immer noch dabei — und das hat auch Herr Bender nicht widerlegt — daß der Platz, den wir da der Stadt Berlin offeriert haben, thatsächlich für die Zwecke, die in Betracht kommen, in der dortigen Gegend groß genug ist. Herr Ober⸗ Bürgermeister Bender ist ja in der Beziehung vielleicht ge— nauer unterrichtet als ich. Ich kann ihm aber versichern, daß mir verschiedene Mitglieder der Berliner Stadtverwaltung gesagt haben, ein Platz in der Größe des Mehrfachen des Dönhoffsplatzes würde vollkommen genügen. Ich habe schon hervorgehoben, daß ich eine gewisse Rücksicht auf die Thatsache nehmen zu müssen glaube, daß da ein unbebauter großer Platz bisher bestanden hat. Der Staat andererseits kann nach meiner Meinung es gegenüber den allgemeinen Staatsinteressen und den Steuerzahlern wohl verantworten, wenn er auf diese Thatsache gewisse Rücksichten nimmt. Wir haben diese Rücksicht aber genommen und sind bereit, sie in Zukunft zu nehmen. Daher kann ich nicht soweit gehen, wie der Antrag Bender; die ganze Vorlage würde dann nach meiner Meinung zurückgezogen werden müssen, denn wir wären dann auf einer ganz neuen Basis. Wir können nicht eine Anleihe von 16 Millionen kontrahieren; wenn der Erfolg nach den Verhand⸗ lungen im Landtage, die Aussicht, annähernd eine ähnliche Summe wiederzubekommen, gänzlich verschwände, dann müßten wir die Position in den Etat nehmen. Die Dinge, die hier zur Sprache gekommen sind, nützen dem schließlichen Zustandekommen eines Einvernehmens mit der Stadt Berlin leider in keiner Weise.
Nach einer kurzen Erwiderung des Ober⸗Bürgermeisters Bender befürwortet auch Ministerial⸗Direktor Dr. Althoff die unveränderte Annahme der Vorlage und die Ablehnung der Resolution.
Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:
Meine Herren, ich möchte nur auf eine Bemerkung des Herrn Ober ⸗Bürgermeisters Bender mit ein vaar Worten antworten. Herr Bender hat gesagt, der Finanz⸗Minister solle doch nicht so hart gegen die Stadt Berlin sein. Meine Herren, wenn Herr Ober⸗Bürger⸗ meister Bender an meiner Stelle säße und so oft in der Unmöglichkeit wäre, selbst in äußersten Nothfällen mit seinen Mitteln helfend einzugreifen, so würde er einen solchen Ausdruck nicht ge⸗ braucht haben. Heute Morgen habe ich noch mit zwei Gemeinden in Ostpreußen verhandelt. Die Kirche ist ihnen ein⸗ gestürzt, die Schule ist, wie der Prediger mir sagte, geradezu eine Art Stall. Die kläglichsten Zustände treten einem in den ländlichen Gemeinden oft genug entgegen. Könnten wir 16 Millionen in die Hand nehmen, um damit alle baufälligen, un⸗ geeigneten, gesundheitswidrigen Schulgebäude zu ersetzen oder doch den Gemeinden, die biswellen mit 50 0/0 Zuschlag allein für die Kirchen⸗ steuer belastet sind, eine erhebliche Milderung zu theil werden zu lassen, so wäre das eine größere Wohlthat für das ganze Land, als wenn wir allzuweitherzig gegen die Stadt Berlin sein wollten. Wie kann man da das Wort „Härte gegen die Stadt Berlin“ gebrauchen? (Sehr richtig Wenn man in der Mitte der Aufgabe steht, die ge⸗ sammten Bedürfnisse des Landes gleichmäßig zu befriedigen, so kann man nicht willkürlich wohlthätig gegen die Stadt Berlin sein.
Die Vorlage wird unter Ablehnung der Resolution Bender angenomm en.
Namens der Eisenbahnkommission berichtet sodann Herr von Graß über die Petition des Kreisausschusses des Kreises Daun um Erwirkung eines nachträglichen Staatszuschusses zu den Kosten des Grunderwerbs für den Bau der Eisenbahn Mayen Daun — Gerolstein. Ueber die Petition wird zur Tagesordnung übergegangen.
Derselbe Berichterstatter referiert über den Gesetz⸗ entwurf, betreffend die Erweiterung des Staatseisen⸗ bahnnetzes und die Betheiligung des Staats an dem Bau
von Kleinbahnen, sowie an der Errichtung von land⸗ wirthschaftlichen Getreidelagerhäusern. Die Kom⸗ mission empfiehlt die unveränderte Annahme der Vorlage.
Graf von Hobenthal befürwortet eine turzere Verbindung von Bitterfeld und Eilenburg.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Wie der Herr Graf Hohenthal schon mitgetheilt hat, besteht ein Theil des ven ihm erwähnten Projekts zur Zeit schon, nämlich eine Verbindung von Düben nach Eilenburg, allerdings am rechten Ufer, aber ganz hart am rechten Ufer der Mulde. Es sind damals auch für die Fortsetzung der Linie von Düben rechts der Mulde nach Bitter, feld die Vorarbeiten gemacht worden. Die Ermittelungen, die ange⸗ stellt wurden, ergaben aber doch ein verhältnißmäßig sehr geringes Verkehrsbedürfniß auf dieser Strecke. Der Staat hat deswegen die Linie Düben — Bitterfeld nicht weiter verfolgt. Das Projekt, welches Graf Hohenthal nunmehr der Staatsregierung empfieblt, liegt auf dem linken Ufer der Mulde von Bitterfeld der Mulde folgend nach Eilenburg, ist also jedenfalls eine reine Parallelbahn der jetzt bestehenden. Es sind bereits Anträge gestellt auf Zulassung einer Kleinbahn; ich habe mich dem Herrn Regierungs ⸗Präsidenten in Merseburg dahin erklärt, daß die Zu⸗ lassung einer Kleinbahn in der angedeuteten Richtung keine Schwierig keiten finden würde, vorausgesetzt, daß die Kleinbahn nur dazu be—⸗ stimmt sei, den lokalen Verkehr in der Gegend zu befriedigen und nicht etwa eine Konkurrenzroute gegen die beiden in kürzester Ent⸗ fernung rechts und links liegenden Staatsbahnrouten zu übernehmen. Eine Abkürzung zwischen Bitterfeld und Eilenburg wird in kaum nennenswerthem Maße erreicht werden können.
Graf von Klinckowstroem bemängelt, daß die Heranziehung der Interessenten zu den Nebenbahnbauten noch immer an viele zeitraubende Formalitäten geknüpft sei, und fordert, daß nicht mehr Terrain zum Bahnbau seitens der Verwaltung in Anspruch genommen werde, als dazu erforderlich sei. Zu solchen Bereitstellungen über das Maß binaus könnten doch die Kreise nicht gezwungen werden. Alle diese Schwierigkeiten seien auch bei den Vorarbeiten für die Linie Gerdauen = Friedland zu Tage getreten.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Ich bedauere auch mit dem Herrn Grafen von Klinckowstroem, daß die Verhandlungen über die Hergabe des Grund und Bodens für diese Bahn so weit hinausgeschoben worden sind. Es sind eben, wie Herr Graf Klinckowstroem ausgeführt hat, sehr verschiedenartige Interessen; der Kreis Friedland hat ein sehr großes Interesse und der Kreis Gerdauen ein viel geringeres, obgleich ich annehme, daß auch das Interesse des Kreises Gerdauen nicht so gering sein wird, wie es nach den Ausführungen des Herrn Grafen von Klinckowstroem wohl den Anschein haben könnte. Meine Herren, von dem was Herr Graf Klinckowstroem angeführt hat bezl. der Linienführung, bezl. der Einzelheiten in Bezug auf den Grunderwerb,s ist uns in der Ministerialinstanz noch nichts bekannt. Ich bin aber sehr gern bereit, mich der Sache anzunehmen und zu versuchen, in der Be⸗ ziehung den Wünschen des Kreises Gerdauen nach Möglichleit zu ent— sprechen. Ich bin auch sehr gern bereit, die Vermittelung zwischen den beiden feindlichen Kreisen zu übernehmen und eine Einigung herbeizuführen. Ich möchte nur mit ein paar Worten noch auf die prinzipielle Bedeutung der Sache zurückkommen.
Es gewinnt ja nach den Ausführungen des Herrn Grafen den Anschein, als ob die Staatseisenbahnverwaltung bezüglich der Grund erwerbsfragen häufig etwas zu bureaukratisch oder fiskalisch oder, wie die schönen Worte sonst heißen, vorgeht. Meine Herren, das ist aber in Wirklichkeit nicht der Fall. Die Staatsregierung ist erst dann in der Lage, genau die Grundstücke bezeichnen zu können, die sie für den Bahnbau als erforderlich erachtet, wenn sie spezielle Projekte aufgestellt hat. Die Aufstellungen der speziellen Projekte erfordern aber einen sehr erheblichen Kostenaufwand, und daher ist die Auffassung bisher die gewesen, daß dieser Kosten⸗ aufwand erst dann gemacht werden kann, wenn die Veraussetzungen des Gesetzes erfüllt sind, das heißt, wenn der Grund und Boden von den Interessenten bereitgestellt ist in Form eines Pauschquantums oder in natura. Die spezielle Projektierung der Linie, die ja grund⸗ sätzlich im Gesetz nur nach den beiden Endpunkten bezeichnet ist, er⸗ folgt aber nach den Zwischenpunkten erst, wenn die spezielle Pro—⸗ jektierung vollendet ist. Es ergeben sich bei der speziellen Projektie⸗ rung theils aus technischen, theils aus Verkehrsrüc'sichten oft sehr weitgehende Verschiebungen der Linien, wie den Herren wohl allen aus der Erfahrung bekannt ist; insbesondere tritt das in noch höherem Grade in gebirgigen Theilen des Landes ein, wo häufig die Linie von der einen Seite des Thals auf die andere geschoben wird und auch wohl ein anderes Thal aufgesucht wird u. s. w. Wenn wir daher auf Grund der allgemeinen Tracierung, wie sie vorgenommen worden ist, um überhaupt dies Gesetz dem Landtage zur Vorlage zu bringen, Verträge mit den Kreisen schließen wollten, und die Kreise mit den Grundbesitzern, so würden in einer großen Zahl von Fällen diese Verträge auf unrichtiger Grundlage ge⸗ schlossen sein, und es würde sich daraus ein wahrer Rattenkönig von Beschwerden und Unzuträglichkeiten ergeben. Es lassen sich diese Verträge erst dann mit Erfolg machen, wenn die spezielle Projektie⸗ rung erfolgt ist, und selbst nach dieser speziellen Projektierung finden sich häufig noch sehr zwingende Gründe, um Aenderungen und Ergänzungen im Grunderwerb vorzunehmen. Ich gebe von vornherein zu, daß daraus für die Kreise und ins— besondere den Kreis⸗Ausschuß und für den Kreis ⸗Landrath sich außer⸗ ordentliche Unbequemlichkeiten und Verdrießlichkeiten ergeben können. Ich bin gern bereit, soweit es irgend möglich und mit den gesetzlichen Bestimmungen vereinbar ist, hier helfend einzutreten. Ich kann aber die gesetzliche Verpflichtung, welche den Kreisen auferlegt ist, meinerseits nicht einschränken. Das ist un⸗ möglich. Ich kann nur im Verwaltungswege dafür sorgen, daß nicht mehr von den Kreisen gefordert wird, als wirklich zu dem Bahnbau nothwendig ist. In der Beziehung, gebe ich bereitwillig zu, mag manchmal gesündigt worden sein. Ich habe noch jüngst im Ab⸗ geordnetenhause Erklärungen dahin abgegeben, daß ich bereit wäre, die Provinzial ⸗Direktionen nochmals strengstens anzuweisen, nicht über das wirkliche Bedürfniß hinauszugehen und Nachforderungen nach der Betriebseröffnung nur innerhalb des ersten Betriebsjahres zu stellen, darüber hinaus aber in jedem einzelnen Falle meine Genehmigung vorher nachzusuchen. Ich hoffe, daß damit ein großer Theil der gerechtfertigten Beschwerden in Zukunft aus der Welt geschafft werden wird.
Grundsätzlich eine Theilung vorzunehmen und die einzelnen Pauschalsummen an die Kreise vor der Spezialyrojektierung
zu bertbeilen, ist eine Unmöglichkeit, würde auch vom Stand. der Kreise aus vielfach zu großen Ungerechtigkeiten führen. Es würde sich häufig nach der Spezialprejektierung herausstellen, daß der eine viel zu viel, der andere viel zu wenig bezahlt hat. Es würde ferner die Möglichkeit vollstãndig beseitigt werden, daß die Kreise sich gegenseitig aushelfen, daß sie jusammentreten und sagen: wir wollen das und das üũber⸗ nehmen und wollen die Summe unter uns vertheilen. Das geschieht vielfach; es geschiebt vielfach sogar so weit, daß ein Kreis für einen anderen, der weniger interessiert ist, vollständig die Grunderwerbs kosten übernimmt. Wollten wir von vornherein eine Theilung vornehmen, so würde das den Kreisen natürlicherweise nicht dienen. Ich möchte daher glauben, daß grundsätzlich das bisherige Verfahren, auf Grund dessen wir bereits 10 000 km Nebenbahnen gebaut haben, im Großen und Ganzen richtig ist. Erleichtert ist das Verfahren dadurch, daß die Staatsregierung sich bereit erklärt hat, anstatt des Grund und Bodens in natura auch eine Pauschsumme zu zahlen. Diese Pausch- summe wird immer höher sein, das gebe ich zu, als dasjenige, was der Kreis aufzuwenden hat; denn der Staat bezahlt viel mehr für den Grund und Boden als der Kreis. Der Staat übernimmt in dem Pauschquantum — darüber bin ich mir mit dem Finanz · Minister vollständig einig — noch nicht einmal das volle Risiko, was er zu tragen hat, wenn er seinerseits den Grunderwerb besorgt. Aber, meine Herren, ich will in dieser Frage nicht das letzte Wort gesprochen haben. Ich bin sehr gern bereit, diese ganze Frage nochmals mit dem Herrn Finanz⸗Minister in Erwägung zu ziehen, insbesondere in Grwägung zu nehmen, ob nicht ein Modus gefunden werden kann, daß die Vertheilung des Pauschale, wenn die betheiligten Kreise sich grundsätz⸗ lich zur Aufbringung der Gesammtsumme bereit erklärt haben, später erfolgen kann, nachdem das Projekt im einzelnen festgestellt worden ist. Es würde dazu ja allerdings ein Einverständniß der Kreise herbeizuführen sein; indessen glaube ich doch, daß man vielleicht diesem Gedanken näher treten könnte, und wie gesagt, ich bin sehr gern bereit, die Frage nochmals zu ventilieren und dem Landtage bei der nächsten Vorlage, die hoffentlich auch nicht ausbleiben wird, über das Ergebniß dieser Erwägungen Rechenschaft zu geben. err von Hertz b ätte gewünscht, daß die Fortführung der gie dere, ind GJ 3 1 Bärwalde nach Gramenz vorgeschlagen worden wäre, wodurch die Linie bedeutend verkürzt würde. Von Kallies nach Falkenburg könnte eine Kleinbahn gebaut werden.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Meine Herren! Die Bahn, für welche sich Herr von Hertzberg interessiert, ist nicht in der Gesetzvorlage enthalten, sondern ragt über sie hinaus und stellt sich dar als die Fortsetzung der unter Nr. 7 be⸗ zeichneten Linie von Kallies nach Falkenburg. Es ist richtig, daß diese Linie Kallies — Falkenburg nach dem vorliegenden Projekt über die Stadt Friedland geht und infolge dessen etwas nach Osten ausbiegt. Ueber die Linienführung sind aber die sämmtlichen zur Sache gehörten Behörden, Landrath, Regierungs⸗Präsident, Ober ⸗Präsident voll⸗ ständig einig. Desgleichen sind dieselben genannten Behörden einig über die Führung der eventuell als Fortsetzung zu bauenden Linie von Falkenburg über Polzin nach Bärwalde, mit Ausnahme des Landraths des Neustettiner Kreises. Der Kreis Neustettin hat aber neuerdings auch beschlossen, den Grund und Boden für diese Linie herzugeben. Ich bin ursprünglich auch der Meinung gewesen, daß der gerade Weg der beste sei; aber ich bin durch die Behörden der Pro⸗ vinz und des Regierungsbezirks belehrt worden, daß die Führung der Linie über Polzin wohl das Richtige für diese Gegend sein möchte, da diese Linie doch nicht den Charakter einer großen inter—⸗ nationalen Route hat, sondern im wesentlichen eine Melio⸗ rationsbahn werden soll, meine Herren. Der Umweg wird auch nicht sehr groß werden, nachdem einmal der Endpunkt der Linie unter Nr. nicht nach Tempelburg, sondern nach Falken⸗ burg gelegt war. Wenn Sie die Landkarte ansehen, werden Sie finden, daß westlich von Falkenburg ein Seennetz liegt, um das in einem ziemlich großen Bogen herumgegangen werden muß. Man näherte sich also immerhin schon einigermaßen der Stadt Polzin, außerdem wird eine werthvolle Verbindung über Polzin nach Schievel- bein geschaffen. Das wird auch voraussichtlich die Behörden der Provinz Pommern zu dieser Auffassung geführt haben. Sie waren, wie gesagt, vollkommen übereinstimmend darin, daß, wenn man die Linie weiter bauen wolle, es richtig sei, die Linienführung über Polzin nach Bärwalde zu nehmen und nicht direkt.
Herr von Hertzberg hebt hervor, daß große Interessentenkreise durch die gewählte Linie geschädigt werden könnten.
Herr von Lands berg bedauert, daß die Interessenten zur Her⸗ gabe des Grund und Bodens für die Linie Coesfeld — Borken i. W. herangezogen worden seien, da nur der Staat ein Interesse an dieser Bahn habe.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Die Kreise, welche von der 110 km langen Bahn durchzogen werden von Münster bis zur holländischen Grenze, werden nicht anders behandelt, als wie alle anderen Kreise auch. Es wird, da es sich um Nebenbahnen handelt, der Grund und Boden in natura oder in Form eines Pauschals von den Kreisen verlangt, und es liegt kein genügender Grund vor, in diesem Falle Abstand davon zu nehmen. Die betreffenden Kreise erhalten durch die Bahn eine sehr er⸗ hebliche Verbesserung ihrer Verkehrsverhältnisse. Herr Frei⸗ herr von Landsberg ist auch im Irrthum, wenn er glaubt, die Regierung hätte aus ihrem Verkehrsbedütfniß heraus sich entschlossen, die Bahn zu bauen. Er würde darüber ganz klar ge⸗ worden sein, wenn er noch etwas weiter gelesen hätte; denn es ist aus⸗ drücklich dort gesagt, daß dem Verkehrsbedürfnisse durch die vorhandenen Linien darum nicht genügt wird, weil sie den Landstrich im wesentlichen von Norden nach Süden durchschneiden, während ein großer, mittels Landfuhrwerks nicht zu bewältigender Theil des Verkehrs sich von Ost nach West und in umgekehrter Richtung bewegt. Wir würden recht gut in der Lage sein, auf den vorhandenen Linien noch einen erheblich größeren Verkehr bewältigen zu können. Es ist ganz richtig, daß die Westfälische Landes⸗Eisenbahngesellschaft, bei welcher die Provinz er⸗ heblich betheiligt ist, sich um die Konzession beworben hat. Der Staat kann aber, wenn er nicht vollständig seine Aufgaben für diesen Landetztheil in die Hände der Privatbahn legen wollte, die Konzession nicht an die Lande Eisenbahngesellschaft geben. Diese konnte allerdings die betreffenden Kreise in Betreff ihrer Betheiligung an den Kosten der Bahn günstiger stellen, denn die Kosten bejahlt dann der Staat. Die Landeeisenbahngesell schaft würde auch eine Rente aug der Bahn gezogen haben, aber nicht
aus dem lokalen Verkehr, sondern dadurch, daß sie dem Staate die Verkehre aus Mitteldeutschland nach Holland zum theil abnehmen würde. Dag durfte der Staat nicht zulassen, infolge dessen konnte der Staat — und er wird es auch in Zukunft nicht können — einer Privatgesellschaft diese Linie überlassen. Ich bin der Ueberzeugung und hege die Hoff nung, daß die betheiligten Kreise, angesichts der großen Vortheile, welche sie in jeder Beziehung durch die Staatsbahn erlangen, zu einem zusagenden Beschluß bezüglich des Grunderwerbs kommen werden.
Die Vorlage wird in allen Theilen unverändert an⸗
enommen.
? Einige Petitionen werden nach den Vorschlägen der
Kommission erledigt. Schluß 6i/ Uhr.
(kleinere Vorlagen).
Nächste Sitzung Montag 12 Uhr
— —
Haus der Abgeordneten. 94. Sitzung vom 29. Mai 189.
ö den ersten Theil der Sitzung ist vorgestern berichtet worden.
Es folgt die dritte Berathung des K be⸗ treffend die Abänderung des Gesetzes über die Handels⸗ kammern, vom 24 Februar 1870.
In der Generaldiskussion bemerkt
Abg. Broemel (fr. Vgg.): Der vorjährige Handelskammer⸗ , ging davon aus, daß überall in der Monarchie obliga—⸗ torische Handelskammern errichtet werden sollten. Gegen diese Zwangs organisation erhob sich der entschiedenste Widerspruch, und sie wurde in der Kommisston mit 14 gegen 5 Stimmen abgelehnt, worauf die Regierung den 3 e tm g zurückzog. Im vollsten Widerspruch mit dem damals gebilligten Grundsatz steht nun der Antrag von Brock⸗ hausen, für eine bestimmte Anzahl von Plätzen eine Zwangs—⸗ organisation zu schaffen. Wenn dieser Antrag angenommen würde, so könnte der Gesetzentwurf die Ueberschrift er⸗ halten: Gesetz über die Handelskammern und gegen die kauf— männischen Korporationen; denn dieser Antrag würde den Fort- bestand der bestehenden kaufmännischen Korporationen unmöglich machen. Der Abg. von Brockhausen beantragt auch eine Resolution, wonach die Industriellen und mittleren Gewerbetreibenden in den kaufmännischen Korporationen vertreten sein sollen oder eine neue Handelskammer zu diesem Zwecke errichtet werden soll. Diese Resolution läßt einen viel zu weiten Spielraum und zerstört die bewährte Organisation der Korporationen. In den Handelsstädten bestehen auch sogenannte Gewerbekammern, wo die Interessen der Gewerbetreibenden vertreten sind. Ueber die in der zweiten Lesung angenommenen Anträge Cahensly sowie über die neuen Vorschläge von Brockhausen ⸗Cahensly haben die Fraktionen vorher nicht in eine Berathung eintreten können. Heute früh ist erst eine Petition der Berliner Kaufmannschaft eingegangen gegen diese Vorschläge, worin darauf hingewiesen wird, daß bei der Kurze der Zeit eine gründliche Darlegung nicht möglich sei. Die Königsberger Korporation der Kaufmannschaft protestiert ebenfalls in einer Eingabe gegen die Beschlüsse zweiter Lesung; die Bestimmungen über die Beitragspflicht nehmen der Korporation ihre Rechte. Die Beiträge dieser Korporation gehen bis auf 10½ herab; wie kann man ihr also den Vorwurf machen, daß die Gewerbe⸗ treibenden davon ausgeschlossen seien? In dritter Lesung überrascht man uns jetzt mit solchen Anträgen. Beachten Sie das Prinzip der Vorlage. Die Zwangsorganisation hat das Haus im vorigen Jahre entschieden abgelehnt, und hier will man sie wieder einführen.
Abg. Dr. Eckels (nl. : Es ist nicht angebracht, jetzt, vor dem Abschluß der Vorlage, noch, mit so schwerwiegenden Anträgen zu kommen und in die altbewährten Korporationen einzugreifen. Die Gründe dafür kann man ahnen, sagen darf man sie nicht. Konser⸗ vativ kann ich dies Verhalten nicht nennen, wir sollten diese Vorschläge höchstens in einer Resolution dem Minister ., damit er darüber eine Gesetzvorlage macht. Ich möchte den Minister bitten, ein Normalstatut für die Handelskammern auszuarbeiten; wenn jede Kammer nach ihrem Gutdünken ein Statut ausarbeitet, wird die Prüfung und Genehmigung der Statuten viel schwieriger und zeit⸗ raubender sein.
Minister für Handel und Gewerbe Brefeld:
Meine Herren! Ich bin sehr gern bereit, der von dem Herrn Vorredner gegebenen Anregung zu folgen, aber ich vermag nicht ohne weiteres zu sagen, daß und in welcher Weise es möglich sein wird, für die von ihm befürwortete gleichmäßige Gestaltung der Statuten der einzelnen Handelskammern Sorge tragen zu können. Ich fürchte, es wird nicht wohl angängig sein, das im Wege eines Normalstatuts zu machen, weil ich annehme, daß die Verhältnisse der einzelnen Handelskammern so außer⸗ ordentlich verschiedene sind, daß es nicht möglich sein wird, ein Normalstatut zu machen, das für alle paßt. Wenn ich beispiels—⸗ weise eine Handelskammer in einer ganz großen Stadt und die Handelskammern, wie wir sie zum theil haben, für einen ganz kleinen eng begrenzten Bezirk, wo häufig nur ein einziger hauptsächlicher Gewerbezweig in Frage kommt, mit einander vergleiche, so muß ich sagen, daß die Verhältnisse bei beiden so verschieden sind, daß man für beide ein einheitliches Normalstatut nicht entwerfen kann. Dagegen würde es angängig sein, einige Gesichtspunkte aufzustellen, die bei dem Entwurf der Statuten gleichmäßig zu Grunde gelegt werden können, und mit entsprechender Anweisung den einzelnen Handels kammern mitzutheilen, damit sie thunlichst bei dem Entwurf des Statuts darauf Rücksicht nehmen. Am schwierigsten wird die Frage bei den noch vorhandenen Korporationen sein, in Bezug auf welche der Wunsch besteht, daß sie sich umwandeln möchten und zwar thunlichst bald in Handelskammern, welche den Bestimmungen dieses Gesetzes entsprechen. Nun bin ich der Meinung, daß man in dieser Beziehung einen eigentlichen Zwang auf diese Korporationen unter keinen Umständen wird ausüben können. Die Befugniß, Handelskammern zu errichten, steht ia dem Minister zu, sie steht ihm auch zu dort, wo Korporationen vorhanden sind. Daß er davon nur dann Gebrauch macht, wenn er sich vorher versichert hat, daß auch thatsächlich nicht zwei Handelskammern bestehen werden, sondern beide sich zu einer vereinigen, das versteht sich ganz von selbst. Ich würde daher unter keinen Umständen zu einer solchen Maßregel übergehen, ohne vorher einerseits die Betheiligten gebört zu baben, andererseits aber auch nicht ohne sicher zu sein, daß die Umwandelung den Wünschen der überwiegenden Mehrheit der Betheiligten entspricht. Ich glaube deshalb, besondere Anträge brauchen in dieser Beziehung nicht gestellt zu werden; mag eine Bestimmung in das Gesetz aufgenommen werden, die den Wünschen des Herrn Antragstellers zu den S8 Wund IJ entspricht oder nicht, mag eine Resolution gefaßt werden, die der mehr oder minder weltgehenden Auffassung eines Tbeiles der Nerren entspricht oder nicht, — unter allen Umständen würde ich nur dann dazu übergehen, an solchen Orten elne Vandelskammer zu errichten, wenn vorher völlig klargestellt ist, wie die Verbältnisse künftig geregelt werden sollen, welche Befugnisse der neuen Handelskammer zusteden sollen, und ob und in wiewelt das Vermögen der bestebenden
Korporation der neuen Handelskammer überwiesen werden soll. Die Besorgnisse, die von Herrn Broemel nach dieser Richtung ge⸗ äußert wurden, gehen also zu weit: so lange ich die Ehre habe, an der Spitze des Refforts zu stehen, sind sie nicht begründet. (Zuruf des Abg. Rickert: So lange h
Abg. Möller (nl): Wir baben schwere Bedenken gegen der⸗ artige Einschnitte in alte, ehrwürdige Rechte. Man sollte entweder ganz darauf verzichten oder — die bezüglichen S5 2 und 36 an die ,, zurückverweisen und versuchen, ob dort eine Ver⸗ ständigung möglich ist. Ob in kurzer Zeit, ist allerdings fraglich, und der beste Ausweg würde am Ende der sein, daß sich der Minister mit den betreffenden Korporationen verständigte. Ich werde . n, der einschlägigen Paragraphen an die Kommission
eantragen.
Abg. Stengel (fr. kons. ): Die Berathung über 5 2 ist in der zweiten 2 überstürzt worden, das beweisen schon die nachträglichen An⸗ träge. Man geht von der Absicht aus, die bestehenden Korporationen zu re⸗ formieren oder sie mit den neuen Handelskammern ju verschmelzen, in der irrigen Annahme, daß zwischen den kleinen und den großen Kaufleuten und Industriellen ein Gegensatz bestände. Die Statuten der bestehenden Korporationen . ja den Verhältnissen auch schon Rechnung. Wenn in Königsberg die Beiträge bis zu 1066 herunter⸗ gehen, kann man nicht sagen, daß die mittleren Gewerbetreibenden ausgeschlossen seien. Der Antrag von Brockhausen ist so ohne weiteres nicht annehmbar. Das Beste ist, die e,, nnr. noch einmal in der Kommission zu prüfen und den Minifker nur in einer Resolution zu bitten, für die Vertretung der Industriellen und mittleren Gewerbetreibenden in den Korporationen zu sorgen.
Abg. von Brockhausen (kon): Ich will auf die Bemerkungen des Abg. Broemel nicht eingehen, weil sämmtliche Parteien damit einverstanden sind, die betreffenden Paragraphen an die Kom- mission zurückjuperweisen. Ich halte es für durchaus konservativ, daß wir versuchen, die bestehenden Korporationen thunlichst unter Berück⸗
chtigung ihrer geschichtlichen Entwickelung zu reformieren. Die Be⸗ ugniß, auch an Orten, wo Korporationen bestehen, Handelskammern zu errichten, muß dem Minister gegeben werden; aber in der Kom⸗ mission wollen wir die ganze Sache noch einmal prüfen.
Abg. Rickert (fr. Vgg.): Es ist bedauerlich, daß wir heute trotz der Einladung vieler Mitglieder nach Hamburg hier eine Sitzung abhalten. Ich war erst gegen die Zurückverweisung an die Kommission, aber es brauchte nur eine namentliche Abstimmung zu kommen, dann wären wir beschlußunfähig, und ich bin deshalb bereit, die An⸗ gelegenheit noch einmal in der Kommission zu berathen. Der jetzige Minister will von der Befugniß, an Orten mit Korporationen eine Handelskammer zu errichten, nur Gebrauch machen, wenn er die Betheiligten gehört hat, aber wir machen die Gesetze nicht für einen einzelnen Minister, und ein anderer Minister könnte rücksichtslos gegen die bestehenden Korporationen vorgehen. Bei den Landwirth⸗ schaftskammern hieß es auch, man wolle die landwirtbschaftlichen Zentralvereine nicht behindern, aber in der Praxis macht sich die Üeberleitung zu Zwangsorganisationen ganz von selbst; da kommt ein sanfter Druck, die Entziehung von Subventionen u. s. w.
Abg. Cahensly (Zentr.) schließt sich dem Antrage auf Zurück⸗ verweisung an die Kommission an.
Abg. Ehlers (fr. Vgg): Wenn Herr von Brockhausen alte, be⸗ währte Institutionen nur reformieren will, wobei er überhaupt nur an Berlin denkt, was steht dann im Wege, die Statuten solcher Korporationen zu revidieren, wie das schon vor einiger Zeit geschehen ist? Bei dieser Revision würde sich allerdings herausstellen, daß bei den meisten Korporationen Uebelstände , nicht existieren. Diesen Versuch einer Reform hat der Minister bisher nicht gemacht, noch weniger ist er dabei auf den Widerstand der Korporationen gestoßen. Ich hoffe, daß man sich in der Kommission überzeugt, daß gar keine . vorliegt, von der einfachen Fassung der Kommission abzuweichen.
Abg. Broemel theilt mit, daß im Laufe dieser Verhandlungen Depeschen von der Kaufmannschaft in Stettin, Danzig und 4 berg eingegangen seien, die übereinstimmend ersuchten, gegen den trag von Brockhausen Stellung zu nehmen.
Abg. Dr. Stephan Sentr.) glaubt, daß der Antrag von Brock⸗ hausen nicht die schlimme Bedeutung habe, die man ihm unterlege, weil der Minister jetzt schon die Befugniß habe, auch dort, wo kauf⸗ männische Korporationen bestehen, Handelskammern einzuführen. Eine Zurückverweisung an die Kommission sei überflüssig, wenn man die FS§ 2 und 36 in der Fassung der Kommission annehme.
Abg. Dr. Eh lers ist derselben Meinung.
Minister für Handel und Gewerbe Brefeld:
Meine Herren! Es ist von einem der Herren Vorredner der Wunsch ausgesprochen worden, ich möchte mich darüber erklären, ob ich meinerseits die Befugniß in Anspruch nehme, die Errichtung einer Handelskammer auch in solchen Orten zu genehmigen, wo bereits eine kaufmännische Korporation besteht. Die Sache ist die, daß ich nach dem vorliegenden Gesetz in den 5S§ 2 und 36 nach der Faffung des Entwurfs, den die Regierung vorgelegt hat, thatsächlich in dieser Beziehung nicht beschränkt bin. Es ist nur vor⸗ geschrieben, daß die Errichtung der Handelskammer meiner Ge—⸗ nehmigung unterliegt. Die Ertheilung meiner Genehmigung selbst ist nicht beschränkt. Es fragt sich nur, ob bei der Genebmigung der Statuten für die Kerporationen thatsächlich etwa Rechte verlieben sind, welche nicht ohne ihre Zustimmung anderweit übertragen werden können. Ob das der Fall ist, kann ich allerdings nicht obne weiteres übersehen. Unter der Voraussetzung also, daß die durch die Statuten der Korporation geschaffenen, erworbenen Rechte nicht verletzt werden, halte ich mich für berechtigt, auch an diesen Orten eine Handelg⸗ kammer zu errichten. Aber es kommt allerdings in Betracht, daß ja an einem Ort nicht zwei Handelskammern mit gleichen gesetzlichen Befugnissen besteben können. Aus diesemn Grunde scheint mir die natürliche Konsequenz zu sein, daß, wenn ich an einem Orte eine zweite Handelskammer ju errichten berechtigt sein soll, ich damm auch berechtigt sein muß, die gesetzlichen Befugnisse don der älteren Dandelskammer auf die neue zu übertragen. Wenn das nicht geschiebt. wenn nicht diese Möglichkeit durch Gesetz geschaffen wird, würde ich tbatsächlich nicht in der Lage sein, eine solche zweite Dandels kammer julafen fa können. Das ist die Auffaffung, wie sie sich aus der Fafung den Gesetzentwurfs der Kommission notbwendig erziebt.
Abg. Möller bofft, daß man die ganzen Schwierigkeiten mit einer Resolution aus der Welt schaffen könne.
Abg. Dr. Sammacher (al.) Dejweifelt, od semalt ein Dandel s Minister eine Oandelskammer einrichten werde, odne iich derder nit der bestebenden kaufmãnnischen Torporatien a verständiden. Deere Verständigung würde Mn einer Reform der Statuten nad der Gan richtungen dieser Korporatien führen und dag würde nnen
Abg. von Brockdausen: Nach der don dem Were. End den Mitaltedern des Nauseg gegedenen Jaterrretatton, daz der Wire der auch letzt schon Mandeldkammern neden den KRordoraftenen Crricheen kann, drauche ich auf die detreffenden Besttmmnnden metned Antr kein Gewicht mebr u legen. In Rieser Worandeßang warde meinen Antrag — * und eint Tommi stondderatdeng Rr der- flůssta dalten.
Damlt schließt die Generaldiskussion
Der Antrag auf Jurücverweisung an die Rormrnimsen wird abgelednt.
Sz W wird in der Fassung der Kormmüson anden en. d. h. es wird die in zweiter Vesung aenonrmene Dre, n
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wieder gestrichen, daß die Genedmkgung Mar Srrichdang ner
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