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Aichtamtliches. Deutsches Reich.
Prenßen. Berlin, 18. Oktober.
Seine Majestät der Kaiser und König nahmen am Sonnabend nach der Nagelung der Fahnen militärische Meldungen entgegen und besichtigten dann die Entwürfe zum Bismarck⸗Denkmal in der Akademie der Künste. Später empfingen Seine Majestät den Chef des Zivilkabinets, Wirklichen Geheimen Rath Dr. von Lucanus zum Vortrage. Um 3 Uhr wohnten Ihre Majestäten im Geodätischen Institut der Feier des 5b jährigen Bestehens des Meteorologischen Instituts in Potsdam bei.
Gestern früh legten Seine Majestät der Kaiser und König einen Kranz im Mausoleum an der Friedenskirche nieder und begaben Sich um 9 Uhr 15 Minuten ö. Einweihung der Fahnen nach Berlin. Um 9 Uhr 380 Minuten Abends traten Seine Majestät und Ihre Majestät die Kaiserin und Königin mit den drei ältesten Kaiserlichen Prinzen vom Potsdamer Bahnhofe aus die Reise nach Wiesbaden an.
Die feierliche Weihe der neuen Fahnen fand gestern Vormittag 10 Uhr vor dem Denkmal Friedrich's des Großen — Unter den Linden — in Gegenwart Seiner Majestät des Kaisers und Königs statt. Die zur Feier befohlenen Truppen hatten um g/ Uhr ihre Stellungen einge⸗ nommen. Die Aufstellung reichte von dem Denkmal bis zu dem Zeughause bezw. der Schloßbrücke zu beiden Seiten der Linden. Auf der nördlichen Seite standen, mit dem Rücken gegen die Universität, die Neue Wache und das Zeughaus, die Kompagnien des 5. Garde⸗Regiments z. F. mit dem rechten Flügel am Denkmal, an diese an⸗ schließend folgten das Lehr⸗Infanterie⸗Bataillon, die Kom⸗ pagnien des 2. Garde⸗Regiments z. F., des Garde⸗Füsilier⸗ Regiments, des 4. Garde⸗Regiments z. F, sowie die aus dem Garde⸗Jäger⸗ und dem Garde⸗Schuüͤtzen⸗Bataillon zu⸗ sammengesetzte Kompagnie mit dem linken Flügel am Haupt⸗ eingange des Zeughauses; auf der südlichen Seite standen, mit der Front nach dem Fahrdamm, die Kompagnien des Garde⸗Grenadier⸗Regiments Nr. 5 mit dem linken Flügel am Denkmal, rechts anschließend folgten die Kompagnien des 3. Garde⸗Regiments, des Kaiser Alexander-Garde⸗-Grenadier⸗ Regiments Nr. I, des Kaiser Franz Garde⸗Grenadier⸗Regiments Nr. 2, des Königin Elisabeth⸗Garde⸗Grenadier⸗Regiments Nr. 3, des Königin Augusta⸗Garde⸗Grenadier⸗Regiments Nr. 4, des Garde⸗Pionier⸗Bataillons sowie der Eisenbahn⸗Regimenter Nr. 1, 2 und 3 mit dem rechten Flügel an der Schloßbrücke. Die Kompagnien standen in aufgeschlossener Kompagnie⸗Kolonne, das Lehr⸗Infanterie⸗Bataillon in aufgeschlossener Breitkolonne. Die Fahnen der in der Aufste lung befindlichen Truppentheile befan⸗ den sich vor der Front ihrer Truppen, rechts und links neben ihnen ein Offizier. Die Leib⸗Kompagnie des 1. Garde⸗Regiments . F. mit den Fahnen des Regiments, den Spielleuten und em Musikkorps, sowie den zu weihenden neuen Fahnen hatte im Lichthofe des Zeughauses Aufstellung genommen. Die Truppen, welche unter dem Befehl des General-⸗Majors von Kessel, Kommandeurs der 1. Garde ⸗Infanterie⸗Brigade, standen, waren im Paradeanzug, das 1. Garde—⸗ Regiment z. F. und das Kaiser Alexander ⸗Garde⸗ Grenadier Regiment Nr. 1 in Grenadiermützen, und sämmtliche Osfiziere — mit Ausnahme des die Parade be⸗ fehligenden Kommandeurs nebst Adjutanten — zu Fuß erschienen.
Seine Majestãt der Kaiser und König ritten, um 10 Uhr vom Königlichen Schlosse kommend, die Front der Paradeaufstellung ab. Bei der Ankunft an der Schloßbrücke präsentierten die Truppen. Nachdem Seine Majestät am Portal des Zeughauses vorbeigeritten waren, rückte die Leib⸗ Kompagnie des 1. Garde-Regiments z. F. mit den Fahnen aus dem Portal heraus, formierte sich vor demselben in Zügen, mit der Front nach dem Denkmal, und erwartete daselbst den Befehl zum Anmarsch. Die neuen Fahnen standen vor den Spielleuten der Leib⸗Kompagnie in drei Gliedern zu 21 Fahnen; die Flügel der Glieder waren mit den vier ältesten Kaiserlichen Prinzen, sowie Seiner Königlichen
oheit dem Prinzen Friedrich Wilhelm und einem Lieutenant vom 1. Garde⸗-Regiment z. F. besetzt. Nach Eingang des Befehls zum Anmarsch zog die Kom⸗ pagnie mit den Fahnen, geführt von dem Kommandeur des 1. Garde⸗Regiments z. F., Obersten und Flügel⸗Adjutanten von Kalckstein, nach dem etwa 20 Schritt vor dem Denkmal errichteten Altar, und hier nahmen die Fahnen in einem nach dem Altar zu offenen Viereck, welches Seine Majestät und die Kaiserlichen Prinzen umschloß, Aufstellung. Musik und Spielleute der Leib⸗Kompagnie begaben sich hinter die Front. Alsdann traten die bereits beim Denkmal befindlichen Kommandeure der Truppen⸗ theile, welche Fahnen erhalten haben, vor und die Offiziere der Abordnungen hinter ihre Fahnen. Sobald dies geschehen war, folgte ein kurzes Gebet und die Weihe der Fahnen durch den evangelischen Garnisonpfarrer Goens in Gegenwart des evangelischen und des katholischen Feldpropstes der Armee. Vor Beginn der Weihepredigt bliesen die hinter dem Altar auf den Stufen des Denkmals aufgestellten Trompeter ⸗ Korps des Regiments der Gardes du Corps und des Garde⸗Kürassier⸗Regiments eine Strophe aus dem Gebet zum Zapfenstreich und nach Beendigung der Weihe eine Strophe aus dem Niederländischen Dankgebet „Wir treten zum Beten“. Während der Weihe nahmen die Lieutenants den Unteroffizieren die Fahnen ab und senkten dieselben bei der Einsegnung. Die im Lustgarten aufgestellte Leib⸗Batterie des 1. Gar de⸗Feld⸗Artillerie⸗Regiments gab während der Einsegnung einen Salut von 33 Schüssen.
Seine Majestät der Kaiser und König übergaben nach Beendigung des feierlichen Aktes die Fahnen mit folgender Ansprache an die Kommandeure:
„Die vor dem Altare Gottes soeben mit seinem Segen geweihten Fahnen übergebe Ich nunmehr den neuen Regimentern, welche unsere Armee, sich stets wieder erneuernd und verjängend, aus den Reihen ihrer altbewährten Regimenter hat neu erstehen sehen. Ich thue dies an geweihter Stätte, dem Denkmal des großen Königs und vor dem Fenster großen Kaisers. Nicht minder heilig wie die Stätte ist uns auch der Tag. Es ist der Jahrestag des großen Sieges, da das deutsche Volk zum ersten Male vorahnend erschauen durfte das Morgenroth kommender Bereinigung und dadurch bedingter zukünftiger Größe. Der Tag, an dem in ewiger Erinnerung von Dentschlands Bergen
die Oktoberfeuer leuchten, ist der Geburtstag des heldenhaften ersten Deutschen Kronprinzen und jweiten Deutschen Kaisers. Aus den altbewährten Regimentern, die er zu Kampf und Sieg geführt, sind die Stãmme für die neuen entnommen, denen nunmehr auch ihre Feldzeichen übergeben werden. Möge der allmächtige Gott, der es mit unserem Preußenland und unserem gesammten deutschen Vater⸗ land stets so treu und gut gemeint hat, ein gnädiger Eidesbelfer sein all' den Tausenden von deutschen Jünglingen, die aus des Volkes Kreisen zu diesen neuen Fahnen strömen werden, wenn sie vor ihnen ihren Fahneneid ablegen. Mögen in den Regimentern nach dem Vorbilde des herrlichen Kaisers seine Haupteigenschaften weiterleben: die völlige selbstlose Hingabe an das Ganze, das rücksichtslose Einsetzen der eigenen Fähigkeiten, körperlicher wie geistiger, für den Ruhm der Armee und die Sicherheit unseres geliebten Vaterlandes. Dann werden, des bin ich überzeugt, auch bei den neuen Regimentern fest und unverwandt die Grundvesten beftehen, auf denen unseres Heeres Disziplin beruht: die Tapferkeit, das Ehrgefühl und der absolut be⸗ dingungslose Gehorsam. Dieses sei mein Wunsch für die neuen Regimenter!“
Hierauf befahlen Seine Majestät das Präsentieren als erstes Honneur für die Fahnen. Als sodann die Truppen das Gewehr übergenommen hatten, dankte der General⸗Oberst Graf von Waldersee im Namen der Armee, befahl dann gleichfalls das Präsentieren und brachte darauf ein dreifaches „Hurrah“ auf Seine Majestät den Kaiser und König aus. Sämmtliche Musikkorps spielten hierbei die Nationalhymne.
Ihre Majestät die Kaiserin und Königin nebst Gefolge sowie die hier accreditierten Botschafter hatten vom Königlichen Palais aus der Feier beigewohnt.
Nach beendeter Weihe marschierten die Truppen nach dem Luftgarten behufs Formierung zum Parademarsch ab. Der Vorbeimarsch fand in der Richtung von der Schloßbrücke nach dem Denkmal statt. Seine Majestät hatten gegenüber dem Denkmal der Hochseligen Kaiserin und Königin Augusta Auf— stellung genommen. Die neuen Fahnen, mit Ausnahme der des 5. Garde⸗Regiments * F. und des Garde⸗Grenadier⸗Regiments Nr. 5, die zu ihren Fahnen-Kompagnien gebracht worden waren, standen während des Parabemarsches hinter Seiner Majestät. Der Vorbeimarsch erfolgte in Kompagnie⸗Kolonne mit den Fahnen auf dem rechten Flügel der ersten Züge. Die Fahnen der abmarschierenden Truppen der Garnison Berlin fammelten sich bei der Leib⸗Kompagnie des 1. Garde⸗Regiments z. F, die neuen Fahnen der Linien⸗Regimenter bei der Kom⸗ pagnie des Lehr⸗Infanterie-⸗Bataillons; letztere brachte darauf die neuen Fahnen nach dem Zeughause und erstere die Fahnen — der Garnison nach dem Königlichen Schlosse zurück.
Nachmittags 6 Uhr fand im Königlichen Schlosse ein Diner statt, zu welchem die Einladungen seitens des Ober⸗ Hof⸗Marschallamts ergangen waren. Bei der Tafel brachte Seine Majestät der Kaiser und König folgenden Trinkspruch aus:
„Das anbrechende Jahr hat am 22. März vor des großen Kaisers historischem Eckfenster, uns Allen so tbeuer in der Erinnerung, die ruhmbedeckten und lorbeerbekränzten Fahnen Seines Garde ⸗ Korps und Seiner Leib⸗Megimenter stehen sehen, das sinkende Jahr erblickt an derselben Stelle, am Geburtstage Seines heldenhaften Sohnes, die neuen Fahnen der neuformierten jungen Regimenter. Möge der Segen Gettes auf diesen Fahnen ruhen, und mögen diese in schweren wie in guten Zeiten ihren Regi⸗ mentern stets voran wehen mit der Devise: Mit Gott für König und Vaterland! Alljeit stets bereit für des Reiches Herrlichkeit! Ein Hurrah den neuen Regimentern!“
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Diejenigen Personen, welche durch Abgabe von Karten Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin ihre Glückwünsche zu Allerhöchstderen Geburtstage darzubringen beabsichtigen, können die Karten am Donnerstag, den 21. . Mis., von Vormittags 10 Uhr bis 6 Uhr Nachmittags und am 22. d. Mis. bis 12 Uhr Mittags im Königlichen Schloß zu Berlin, Portal TV links, und in Potsdam im Königlichen Stadtschloß; in der Ecke beim Lustgarten am Aufgang zur früheren Wohnung Ihrer Majestäten, abgeben.
Am 16. d. M. ist der General⸗Direktor der indirekten Steuern, Wirkliche Geheime Ober⸗Finanz⸗Rath Schom er ge⸗ storben. Geboren im vormaligen Königreich Hannover am 12. August 1830, kam er kurz nach der im Jahre 1857 be⸗ standenen Richterprüfung in das Hannöversche Ministerium der Finanzen und des Handels, in welchem er seit 1860 Ministerial— Referent auf dem Gebiete der direkten und indirekten Steuern war. Nach der Einverleibung von Hannover ward er Mitglied der dort neu errichteten Provinzial⸗Steuer⸗Direktion und wurde 1869 zum Regierungs⸗Rath, im Dezember 1870 zum Geheimen Finanz-Rath und vortragenden Rath im Finanz⸗Ministerium und Ende 1874 zum 2 Ober⸗Finanz⸗Rath befördert.
In diese * seines Wirkens fällt seine Thätigkeit als Mit⸗
glied der Taback-Enquẽte⸗Kommission, in welcher Eigenschaft er im Herbst 1879 an einer Reise nach Nord-Amerika theil⸗ nahm. Nachdem ihm im März 1879 die Stelle des Pro⸗ vinzial⸗Steuer⸗Direktors in Altona, 1880 diejenige in Stettin 1889 diejenige in Magdeburg übertragen war, mit welcher zugleich die Stelle eines Zolldirektors für Anhalt verbunden ist, wurde er im November 1889 zum Wirklichen Geheimen Ober⸗Finanz Rath und General⸗Direktor der indirekten Steuern ernannt und ist in dieser Stellung zugleich als preußischer Bevollmächtigter zum Bundesrath thätig gewesen. In allen von ihm bekleideten Stellungen, insbesondere auch dem zuletzt von ihm verwalteten verantwortungsvollen Amte, stellte er mit freudiger Hingabe seine hohe Begabung und sein reiches Wissen in den Dienst des Staats.
Vor einigen Monaten warf den bisher rüstigen Mann ein schweres Leiden auf das Krankenlager.
Das Andenken an diesen hervorragend tüchtigen Beamten, dessen strenge Unparteilichkeit in Ausübung seiner Dienstpflicht mit persönlicher Liebenswürdigkeit gepaart war, wird bei seinen Vorgesetzten, seinen Berufsgenossen und der seiner Leitung an⸗ vertraut gewesenen zahlreichen Beamtenschaft stets in hohen Ehren bleiben.
Der Königliche Gesandte beim Päpstlichen Stuhle, Wirk liche Geheime Rath Otto von Bülow ist von dem 8 Allerhöchst bewilligten Urlaub auf seinen Posten zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder übernommen.
Laut telegraphischer Meldung an das Ober⸗ommando der Marine ist S. M. S. Nixe“, Kommandant Korvetten— Kapitän Goecke, am 15. Qktober in Las Palmas angekommen und . am 16. Oktober nach Porto Grande in See zu gehen.
Potsdam, 18. Oktober. Ihre Königliche Hoheit die Großherzogin von Baden ließ heute in dem . Kaiser Friedrich s III. einen Kranz niederlegen. Außerdem trafen noch zahlreiche Kränze und Deputationen mit Kranzspenden von Offizierkorps, Vereinen ꝛc. hier ein.
Wiesbaden, 18. Ottober. Ihre Majestäten der Kaiser und König und die Kaiserin und Königin trafen, wie W. T. B.“ meldet, mit Seiner Kaiserlichen und Königlichen Hoheit dem Kronprinzen und Ihren Königlichen Hoheiten den Prinzen Eitel -⸗Friedrich und Adalbert heute Vormittag 9 Uhr 10. Minuten auf dem hiesigen Bahnhof ein, wo Allerhöchstdieselben von dem General-Adjutanten weiland Seiner Majestät Kaiser Friedrich's II, General der Infanterie von Mischke, dem Ober Hofmeistẽr und Kabinets⸗Chef Ihrer Majestät der Kaiserin, Freiherrn von Mirbach, und dem Pelizei⸗Präsidenten Prinzen von Ratibor empfangen wurden. Ihre Masestäten wurden auf dem ganzen Wege zum Schlosse von der zahlreich versammelten Volksmenge auf das freudigste begrüßt. Beim Eintreffen der Majestäten am Schlosse präsentierte die dort aufgestellte Ehren⸗ Kompagnie des Hessischen Infanterie⸗Regiments Nr. 81. Vorher waren bereits Seine Durchlaucht der Prinz und Ihre König— liche Hoheit die Prinzessin Adolf zu Schaum burg— Lippe, der General⸗Feldmarschall Graf von Blumenthal und die Botschafter Fürst von Radolin und Graf zu Eulenburg hier eingetroffen.
Sigmaringen, 17. Oktober. Ihre Majestät die Königin von Sachsen ist gestern zu längerem Aufenthalt hier eingetroffen.
Baden.
Seine Königliche Hoheit der Großherzog empfing, wie die „Karlsr. Ztg.“ meldet, am vergangenen Freitag in . Baden Seine Hoheit den Fürsten von Montenegro, Höchst— welcher einige Zeit in Baden⸗Baden zu verweilen gedenkt. Am Sonnabend Abend haben Ihre Königlichen ?,. der Groß⸗ herzog und die Großherzogin, sowie der Erbgroßherzog und die Erbgroßherzogin sich nach Karlsruhe begeben, um der heute daselbst stattfindenden Enthüllung des Denkmals Kaiser Wilhelm's des Großen beizuwohnen.
Bei dem gestern in Karlsruhe zur Vorfeier der Ent⸗ hüllung des Denkmals Kaiser Wilhelm's des Großen von der Stadt veranstalteten Festbankett sprach, wie, W. T. B.“ meldet, Seine Königliche Hoheit der Großherzog in Er⸗ widerung auf eine Ansprache des Ober⸗Buͤrgermeisters Schnetzler den Wunsch aus, daß Alle ohne Ausnahme darnach trachten möchten, daß das, was 1870 und 1871 geschaffen worden sei, erhalten bleibe und, wenn es noth thue, mit der ganzen Kraft der Nation vertheidigt werde; dazu bedürfe es, außer dem festen Entschlusse, der Hingebung und Aufopferung, um jeden Preis das zu leisten, was nothwendig sei, um das Reich aufrecht zu erhalten nach außen und nach innen. Es handle sich darum, frühzeitig Hand anzulegen, damit die Schöpfung Kaiser Wilhelm's erhalten bleibe.
Hefssen.
In Gegenwart Ihrer Majestäten des Kaisers und der Kaiserin von Rußland, Ihrer Königlichen Hoheiten des Großherzogs und der Großherzogin und des Erb⸗— prinzen von Sachsen-Coburg und Gotha, Ihrer Hoheiten der Prinzessin Ludwig von Battenberg und des Prinzen Wilhelm von Hessen und Ihrer Durchlaucht der Prinzessin Aribert von Anhalt fand am Sonnabend Nachmittag die feierliche Grundstein⸗ legung zu der griechischen Kapelle auf der Mathildenhöhe in Darmstadt statt. Auf der festlich geschmückten Baustelle war ein Kaiserzelt errichtet, innerhalb dessen der feierliche Akt vollzogen wurde. Als erster Geistlicher fungierte der Proto⸗ presbyter Janischew von Wiesbaden.
Am Sonnabend Abend haben sich der Kaiser und die Kaiserin von Rußland, der Großherzog und die Großherzogin und der Erbprinz von Sachsen⸗Coburg und Gotha von Darm⸗ stadt nach Coburg begeben. Die Prinzessin Aribert von Anhalt reiste am Nachmittag nach Dessau ab.
Mecklenburg Strelitz.
Der Geburtstag Seiner Königlichen Hoheit des Groß⸗ herzogs, Höchstwelcher gestern das 78. Lebensjahr vollendete, ist im ganzen Lande in der herkömmlichen Weise festlich be⸗ gangen worden.
Sach sen⸗Coburg⸗Gotha.
Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin von Rußland, Ihre Königlichen Hoheiten der Großherzog und die Großherzogin von Hessen, sowie der Erbprinz von Sachsen-Coburg und Gotha trafen gestern Vormittag um 5 Uhr von Darmstadt in Coburg ein und wurden von Seiner Königlichen Hoheit dem Herzog und Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheit der Herzogin am Bahnhofe, wo eine Ehren wache aufgestellt war, empfangen. Nach dem Abschreiten der Ehrenwache erfolgte die Fahrt nach dem Residenzschlosse, wo die Allerhöchsten ünd Höchsten Herrschaften durch den Ober⸗ Hofmarschall von Schön und den Schloß⸗Hauptmann Rothbart empfangen wurden. Nach dem Abschreiten der Front der im Schloßhof aufgestellten Ehrenwache begaben sich der Kaiser und die Kaiserin von Rußland in Ihre Gemächer. Mittags siatteten der Kaiser und die Kaiserin von Rußland dem Herzog und der Herzogin im Palais Edinburgh einen Besuch ab und wohnten dort dem russischen Gottesdienste bei. Rach dem Dejeuner begaben sich die Allerhöchsten und Höchsten 5 zu einem Besuche bei Ihrer Hoheit der Her zogin⸗
ittwe nach Schloß Callenberg.
El saß⸗Lothringen.
Der Kaiserliche Statthalter Fürst zu Hohenlohe— Langenburg ist vorgestern wieder in Straßburg eingetroffen.
Oe fterreich⸗ Ungarn.
Der Finanzausschuß des ungarischen Un terhauses hat am Sonnabend die Gesetzentwürfe, betreffend das Aus⸗ leichsprovisorium, das pro visorische Budget die Herkangerung des finanziellen Uebereinkommens mit Kroatien, angenommen.
Frankreich.
Der Kolonial⸗Minister Lebon ist gestern früh in Dakar (Senegambien) eingetroffen und von der Bevölkerung lebhaft
üßt worden. Der Minister besuchte zunächst das Insel⸗ fort Gorse und wird sodann dem Orte Rufisque einen Besuch abstatten.
t Auf einem Bankett der „Association républicaine de Chalons*, welches am Sonnabend Abend zu Ehren Léon Bour⸗ geois in Chaälons stattfand und an dem gegen õ09 Personen, darunter etwa 40 Deputirte und Senatoren, theilnahmen, sagte, dem W. T. B.“ zufolge, Bourgeois, als er in seiner Rede auf die Lage Frankreichs gegenüber dem Aus⸗ lande zu sprechen kam: Das Wort „Allianz. sei in St. Petersburg von dem Kaiser von Rußland und dem Präsidenten Faure feierlich wiederholt worden. Das ganze Land habe tiefe Freude empfunden, als es gesehen, daß das Einvernehmen, auf das alle Patrioten und alle der Sache des Rechts und der Billigkeit getreuen Herzen vom ersten Tage an ihre Hoffnungen gesetzt hätten, so ge⸗ heiligt und besiegelt worden sei. Der Redner erinnerte sodann daran, daß alle Regierungen seit dem Jahre 1890 im gleichen Sinne an dem gemeinsamen Werke gearbeitet hätten, das ein Unterpfand für die Einigkeit aller guten Bürger und der Keim für jede legitime Entwickelung der Größe des Vaterlandes sei. Im weiteren Verlauf seiner Rede besprach Bourgeois die snnere Politik. Er führte aus, daß das gegenwärtige Kabinet nicht die Mehrheit der Republikaner für sich habe, es führe Krieg gegen die alten Republikaner, vollbringe aus Furcht vor der Demokratie keine Reform, treibe Reaktion zu Gunsten gewisser . und habe nur das Ziel, bei den Neuwahlen zu dominieren. Er, Bourgeois, wolle weder Reaktion, noch Revo⸗ lution, sondern Eoslution durch regelmäßigen und friedlichen Fortschritt, während das Kabinet die Reaktion vorbereite und den Weg des Fortschritts hemme. Die Drohung mit der Auflösung der Kammer schrecke ihn nicht, seine Freunde seien bereit, vor dem Lande zu erscheinen. Das Kabinet bereite eine offizielle Kandidatenliste vor, die nur der Rechten und den Ralliierten nützen werde; die Republikaner würden aber zu siegen wissen wie am 16. Mai. Bourgeois protestierte sodann dagegen, daß sich der Vatikan in die inneren Ange⸗ legenheiten Frankreichs bei den nächsten Wahlen einmische, und schloß, nachdem er noch die Rolle Frankreichs in der Orient⸗ frage und ferner die Spekulationen in Getreide besprochen hatfe, mit den Worten: „Unser Programm ist in die vier Worte zusammenzufassen: Souveränität Aller, Freiheit, Ge⸗ rechtigkeit und Solidarität für Alle. Wir sind auch entschiedene Verfechter des Privateigenihums und der allgemeinen Ein⸗ kommensteuer /.
Italien.
Die Kommission der Vereinigung der römischen Kaufleute hat, wie „W. T. B.“ meldet, von den Maß— nahmen, welche die Regierung bezüglich der Ein kommen⸗ steuer-Einschätzungen getroffen hat, mit Befriedigung Kenntniß genommen. Uebrigens haben von 14598 Steuer— pflichtigen in der Stadt Rom nur 2366 Einsprüche erhoben. Die gleichen Beschwerden, welche in Ligurien geltend gemacht waren, sind durch den Abschluß eines Uebereinkommens zwischen dem Finanz⸗Minister und den ligurischen Deputirten erledigt worden.
Spanien.
Der König von Siam ist gestern Nachmittag in Madrid eingetroffen.
Der „Imparcial“ meldet, daß die Verhandlungen der Regierung mit den Führern der cubanischen Auto— nomisten nicht das erwartete Ergebniß gehabt hätten. — Die ministeriellen Blätter bestehen, dem „W. T. B.“ zufolge, auf der Nothwendigkeit energischer Maßnahmen, um den Auf⸗ stand auf Cuba mit Waffengewalt niederzuwerfen.
Unter den außerordentlichen Ausgaben des Heereshaus⸗ halts für 1897,98 befinden sich 2506 009 Pesetas, die zur Instandsetzung von Festungswerken des festländischen Reichs⸗ theiles, der anliegenden Inseln, sowie der Besitzungen in Nord-A1frika bestimmt sind. Von genannter Summe sollen verwendet werden für: die Befestigung von Cadiz 105000 Pesetas, des Lagers bei Gibraltar 60 009 Pesetas, Cartagena 331 000 Pesetas, Barcelona 125 000 Pesetas, Ferrol 250 000 Pesetas, Palma auf der Insel Majorca TDöb0)h9 Pesetas. Mahon Ib0 000 Pesetas, Santa Cruz de Teneriffa 199 000 Pesetas, Las Palmas 385 000 Pesetas, Ceuta 450 000 Pesetas, Melilla 100000 Pesetas.
Schweiz. Die Session der Bundesversammlung ist am Sonn⸗ abend geschlossen worden.
Türkei.
Der griechische Delegirte für die Verhandlungen über den endgültigen Abschluß des Friedens, Fürst Mavrocordato, ist am Sonnabend in Konstantinopel eingetroffen.
Wie das Wiener „Telegr⸗Korresp- Bureau“ meldet, haben die Vertreter der Türkei im Auslande der Pforte in Erwide⸗ rung auf das Rundschreiben an die Mächte, be—⸗ treffend die kretische 7 age, berichtet, daß die Machte sich mit der kretischen Frage beschäftigten und thatsächlich ein Meinungsaustausch zwischen den Kabinetten über die wichtigsten Punkte und die Lösung derselben stattfinde. Sobald dieser beendet sei, würden den Boischaftern der Mächte in Konstantinopel Instruktionen zur Ausarbeitung des Regle⸗ ments zugehen. :
Die türkische Botschaft in St. Petersburg hat, wie W. T. B.“ aus St. Petersburg meldet, der „Nowoje Wremja⸗ folgende Mittheilung aus Konstantinopel zugehen lassen, Haufen bewaffneter, vom Revolutionscomitèe „Chindschakian“ organisierter Armenier haben in den Provinzen Dshanika und Siwas durch verbrecherische Handlungen die Ruhe und Ordnung gestört; armenische Agitatoren haben sogar Frauen mit Martinigewehren und Dynamitbomben bewaffnet und viel Unheil angestiftet. Durch den General-Gouverneur der Provinz find nunmehr die Rädels führer Ossep und Frau sowie Ketschenek verhaftet worden. Die Ruhe ist wieder⸗ hergestellt.
Aus Kanea berichtet die Agence Havas“, daß die Admirale die eingeborenen Gendarmen, die kürzlich unter das Kommando des Oberbefehlshabers des internationalen Ge⸗ schwaders gestellt worden waren, wieder dem General⸗ Gouvernement unterstellt hätten, da man eine Partei⸗ nahme für die betreffenden Glaubensgenossen befürchte. Die Admirale behielten die albanesischen Gendarmen und suchten um eine Vermehrung derselben nach. Das General ⸗ Gouvernement werde über die auf ihre Anordnung verabschiedeten, aber nicht aus der Zuschlagstaxe besoldeten Gendarmen verfügen. .
Heute soll eine Kompagnie Italiener Korakis auf der Halbinsel Akrotici besetzen.
Griechenland.
Der Minister-Präsident Zaimis hat, wie die „Agence Havas“ meldet, die Mitglieder der Kontrolkommission dringend gebeten, in Erwartung der baldigen Ankunft der noch nicht hier eingetroffenen Mitglieder mit den vorbereitenden Sitzungen zu beginnen. 2
Die Kommission, welche die Rückkehr der Thessa⸗ lier nach ihren Wohnsitzen regeln soll, ist gestern nach La mia abgereist, um in Unterhandlungen mit Ed hem Pascha zu treten.
Dänemarẽt.
In der vorgestrigen Sitzung des Folkething führte, wie ‚W. T. B.“ aus Kopenhagen meldet, der Kriegs⸗Minister Tuxen bei der Berathung des Budgets aus, daß das Haupt— gewicht auf eine neutrale Haltung des Landes bei jedem Konflikt zu legen sei. Man müsse schnell alle Truppen mo⸗ bilisieren können. Seeland sei Dänemarks natürliche Festung; Seelands Küste müsse daher in erster Linie vertheidigt werden können, und deshalb müßten die Hafenstädte Seelands befestigt und die Seebefestigung Kopenhagens vervollständigt werden.
Amerika.
Wie die „Agence Havas“ aus Rio de Janeiro meldet, verhandelte die Deputirtenkammer am Sonnabend in geheimer Sitzung über den Schiedsgerichts-Vertrag, betreffend das streitige Gebiet von Amapa. Bei der Verhandlung kam es zu heftigen Auftritten.
Afrika.
Der Präsident des zur Berichterstattung über die Vor— schläge der Industriekommission eingesetzten Unter— ausschusses hat, wie W. T. B.“ aus Prätoria erfährt, am Sonnabend im Volksraad angekündigt, daß der Bericht des Ausschusses dem Volksraad vor Ablauf von acht Tagen werde vorgelegt werden. .
Aus Lagos berlchtet das „Reuter'sche Bureau“, daß eine Abtheilung von 80 Haussas unter dem Befehl des Kapitäns Humphrey von dem Häuptling der Baribas angegriffen worden sei, welcher die Truppe für eine französische Abtheilung ge— halten habe. Der Angriff habe bei Ilescha, westlich von Schaki im YJoruba⸗Lande, stattgefunden. Der Feind habe über bedeutende Streitkräfte verfügt. Die Haussas hätten sich sehr tapfer gehalten, sich am Abend aber auf Schaki zurück— ziehen müssen. Ihr Verlust habe nur 6 Verwundete be⸗ tragen, während der Verlust der Baribas auf 300 Todte und Verwundete geschätzt werde.
Parlamentarische Nachrichten.
Der Rittergutsbesitzer von Dreßler auf Willkischken, Mitglied des Herrenhauses, ist am Sonnabend in Berlin gestorben.
Arbeiterbewegung.
Aus Spandau wird dem „Vorwärts“ gemeldet, daß der Lohn⸗ streit der Korbmacher (ogl. Nr. 242 d. Bl.) nun auch bei der Firma Bärwalde beigelegt worden ist.
In Dresden haben nach demselben Blatt die Metalldrücher in der Photographenapparat ⸗Fabrik von Hüttig u. Sohn wegen Lohn— kürzung die Arbeit niedergelegt.
Aus Prag wird der Frkf. Stg.“ berichtet: Unter den Berg- arbeitern des nordwestböhmischen Reviers macht sich die gleiche Lohnbewegung geltend, wie in Westböhmen. Man befürchtet den Ausbruch eines Ausstandes, obschon in den Versammlungen der Bergleute der jetzige Zeitpunkt für einen allgemeinen Ausstand als ungeeignet erklaͤrt wurde. (Vergl. Nr. 245 d. BI.)
Kunft und Wissenschaft.
Am Sonnabend Nachmittag fand in der reich geschmückten Ge— denkhalle des Königlichen Geodätischen Instituts zu Potsdam die Feier des 50jäbrigen Bestehens des seiner Zeit auf Anregung des Physikers Heinrich Wilbelm Dove gegründeten Königlichen Meteorologischen Instituts statt, welcher eine auserlesene Gefellschaft beiwohnte. Es waren, wie W. T. B: berichtet, erschienen: der Minister der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗Angelegenheiten D. Dr. Bosse mit dem Ministerial⸗ Direktor Dr. Althoff, dem Geheimen Ober Regierungs- Rath Pr. Raumann und den Gebeimen Regierungs⸗Räthen Dr. Schmidt und Dr. Elfter, der Staats Minister Dr. von Boetticher, der Chef des Zivilkabinets, Wirkliche Geheime Rath Dr. von Lucanus, der Minssterial Direktor Dr. Thiel, der Geheime Ober Finanz⸗Rath Dr. Germar, der Geheime Ober ⸗Regierungs Rath Blenck, der Regierungs⸗ Präsident Graf Hue de Grais, der Polizei Präsident von Balan, als Vertreter der Familie Dove der Geheime Justiz= Rath, Professor D. Dr. Dove aus Göttingen, der Professor Alfred Dove und der Privatdozent Dr. Karl Dove, die ständigen Sekretare der Akademie der Wissenschaften, Pröfessoren Diels und Waldeyer, der Rektor der Universität, Professor Schmoller, die Geheimen Räthe Vogel, Helmert, Förfter, Slaby, Kohlrausch, Freiherr von Richt⸗ bofen, Galle, Meydenbauer, die Professoren Güßfeldt, Warburg, Planck, Schwalke, Müttrich, von der Luftschifferabtheilung die Hauptleute Klußmann und Groß sowie der PremierLieutenant von Siegsfeld und als Vertreter der anderen deutschen Meteorologischen Institute die Geheimen Räthe Dr. Neumaver- Hamburg, Professor Hergesell⸗Straßburg, Professor Schultheiß ˖ Karls tube, Professor Schmidt ⸗Stuttgart, Dr. Erk ⸗München, die Geheimen Rätbe Kollmann und Schildt als Vertreter von Oldenburg und Mecklenburg und die Beamten des Meteorologischen und des Geo⸗
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dãtischen Instituts sowie des , Observatorlums. Um J Uhr erschienen mit den älteren Kaiserlichen Prinzen Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin, Allerböchstwelche von
den Geheimen Regierungs⸗Räthen, Professoren Dr. von Bezold und
Helmert empfangen wurden und vor der Rednertribüne Platz nahmen. Eingeleitet wurde die Feier durch den Gesang des 25. Psalms, den der Potsdamer Männer⸗Gesang⸗ verein sebr ausdruckspoll zum Vortrage brachte. Darauf ergriff der Direktor des Instituts Dr. von Bejold das Wort zu der Festrede, in der er sich die Aufgabe gestellt hatte, die Thätigkeit des Instituts vom Tage seiner Gründung an bis heute unter einem weiteren Gesichtspunkt zu betrachten und Rechenschaft darüber zu geben, welchen Antheil es an den Fortschritten der Wissensckaft genommen hat. Zum Schluß gedachte der Redner noch der Grweiterung des Arbeiteprogramms, welche sich aus der Betheiligung an den mit Allerböchster Unter- stützung ausgefübrten Ballonfahrten ergiebt, durch die es ermöglicht wurde, die Erforschung der Atmosphäre intensiver und mit größerem Erfolg als bisher in Angriff zu nehmen, und schloß sodann mit einem Hoch auf Ibre Majestäten den Kaiser und die Kaiserin, in das alle Anwesenden begeistert einstimmten. Darauf verkündete der Minister der geistlichen c. Angelegenheiten D. Dr. Bosse die aus Anlaß des Jubiläums verliehenen, im amtlichen Tbeile der heutigen Nummer d. Bl. veröffentlichten Auszeichnungen. Nach dem Schluß des Festaktes traten die Majestäten und die Prinzen mit Gefolge einen Rundgang durch das Meteorologisch Magnetische Observatorium an, bei dem außer dem Direktor Dr. von Bezold noch die Professoren Dr. Sprung und Dr. Eschenbagen die Führung übernahmen. Später folgte ein Rundgang der anderen Gäste.
Die Königliche Akademie der Künste, welcher der Wirk— liche Geheime Sber⸗Baurath, Professer Adler seit Jahrzehnten als ordentliches Mitglied angehört, kat diesem zu seinem 79. Geburtstage am 15. d. M. eine kalligraphische Glückwunsch⸗Adresse überreichen lassen.
Im alten Gebäude der Urania (Invalidenstraße) hielt am Sonnabend Hert Dr. Schwahn einen Projektionsosrtrag über Das norddeutsche Tiefland“, in welchem er die geologischen Verhaͤltnisse unserer Heimath erörterte. Die nord⸗ deutsche febene ist, wie der Redner ausführte, in ibre gegenwärtigen Gestalt das Produkt einer ungehearen Vereisung, wie wir sie heute in Grönland vorfinden. Am Ende der Tertiär⸗ jeit wurde das Klima in Nord- Europa kälter und kälter, und infolge dessen rückte von Skandinavien her eine ununter⸗ brochene Eismafse heran, welche Land und Meer bedeckte. Die Ostsee und die benachbarte Nordsee vermochten dem Eise keinen Widerstand zu leisten, sie wurden ausgefüllt, hunderte von Metern tbürmten sich die Gletscher auf, und erst am Rande der deutschen Mittelgebirge kam das Eis zum Stehen. Auch von den Gebirgen drangen Eisströme hinab und vereinigten sich mit dem Inlandeis. Wie bei uns, so war es auch im Osten und Westen der Fall, in Rußland fowie in Holland und England. Am Grunde dieser rie sigen Eis kalotte wälzte ch eine ent wrechende Moräne, Gesteine jeglicher Größe mit sich führend, e gegenseitig zerreibend und zermalmend; bei diesem Transporte wurde das weichere anstebende Gestein geschrammt und gekratzt von den Blöcken der Grundmoräne, und so entftanden die Gletscher⸗ schliffe, welche auf dem Rüdersdorfer Kalkgebirge so berübmt geworden sind. Hier erkannte sie juerst Torrel 1875 und begründete darauf feine Inlandeis Theorie, welche die Lyvell'sche Drist⸗Theorie verdrängte und besiegte. Bisher nahm man eine zweimalige Vereisung an, durch die neusten Bohrungen bei Hamburg und ältere bei Glindow ist man aber gezwungen, eine dreifache Ver⸗ gletscherung Nord⸗Furopas anzunehmen, was der Vortragende aller⸗ dings nicht erwähnte. Von den drei Vereisungen ist die mittelste die beträchtlichste gewesen, wie aus ihren Ablagerungen sowehl hinsichtlich der Ausdehnung als auch der Dicke zu erkennen ist. Zwischen den Eis— zeiten herrschte milderes Klima, das in der zweiten Interglacialʒeit jene großen Säugethiere gedeihen ließ, welche durch die Rixdorfer Funde Auffehen erregt haben. — Zum Schluß kam der Redner auf das poftglaciale Flußsystem zu sprechen, das an den Thälern noch heute erkennkar ist und den Kanälen wie den Eisenbahnen seine Wege ge— wiesen hat. Auch die Seen und Pfuhle wurden in den Bereich der Betrachtungen des Abends gezogen, wie sie im engsten Zusammen—⸗ hang mit den Grundmoränen der Glacialzeit stehen.
In Halle ist am Sonnabend, der Magdeb. Ztg.“ zufolge, Professor Julius Schmidt, Direktor des Provinzigl⸗Museums und Mitglied der Historischen Kommission der Provinz Sachsen, im 75. Lebensjahre verstorben.
Aus Würzburg meldet W. T. B.“, daß der Geschichtsforscher Gebeimer Rath, Professor Dr. Lon Wegele am Sonnabend daselbst gestorben ist. Franz Taver Wegele wurde am 28. Oktober 1823 zu Landsberg in Oberbayern geboren, widmete sich zu München und Heidelberg philologischen und historischen Studien, habilitierte sich 1848 an der Universität zu Jena, wurde 1851 zum aukter- ordentlichen Professor ernannt und 1857 als ordentlicher Professor nach Würzburg, berufen. Im Jahre 1858: wurde er Mitglied der Historischen Kommission bei der Königlich baverifchen Akademie der Wissenschaften zu München, an deren Arbeiten er sich als Mitherausgeber der „Allgemeinen Deutschen Biogrepbie“ (Leipzig 1876 u. flde.) und der Forschungen zur deutschen Geschichte' betheiligte. Von jeiren historischen Arbeiten find hervorzuheben: Karl August von Weimar“ (Leivzig 1850); „Dante Alighieri's Leben und Werke“ G6. Auflage, Jeng 1879) ‚Thäringische Geschichtsquellen. (2 Bde, ebenda 1854-55) Monumenta Eberacensia“ (Nördlingen 1863); „Zur Literatur und Kritik fränkischer Nekrologien! (ebd. 1864); Friedrich der Freidige, Markgraf von Meißen“ (ebd. 1370); Goethe als Historiker⸗ (München 1875); . Geschichte der deutschen Historiographie feit dem Auftreten des Humanismus“ (München 1886).
Theater und Musik.
Königliches Schau spielhaus.
Am Sonnabend feierte Herr Maximilian Ludwig die fünf⸗ undzwanzigste Wiederkehr des Jabreztages, an welchem er seine ver= dienstliche und rühmenswerthe Wirksamkeit an der Königlichen Bühne begonnen hat. Wie an jenem ersten Abend seines Auftretens an dieser vornehmsten deutschen Kunststätte wurde auch vorgestern Schiller's „Don Carlos“ aufgeführt; aber während der junge Darsteller damals die Titelrolle unter dem Beifall der Zuschauer verkörperte, gab der gereifte, vielseitige und den höchsten Aufgaben seiner Kunst gewachsene Schauspieler an seinem Ehrentage die feinsinnige Rolle des edelmüthigen, für das Wohl der ganzen Menschheit begeisterten Marquis Posa, die übrigens als eine Meisterleistung Ludwig's längst bekannt ift. Seine schöne Gestalt, seine volltönende, sympathische Stimme, sein verständnißvoller Vortrag und sein ganzes, hoher Be—⸗ geisterung und Leidenschaft fähiges Wesen vereinigen sich hier zu einem unübertrefflichen Bilde des Maltesers. Der Jubilar wurde bei seinem ersten Erscheinen auf der Bühne mit lauten Bravorufen und lebhaftem Beifall begrüßt und mußte sich wiederholt verneigen, ehe die Vor⸗ stellung ihren Fortgang nehmen konnte. Nach jedem Akte wurde er wiederholt vor den Vorhang gerufen, und reiche Blumen. und Kranz⸗ spenden gaben Zeugniß von der Anerkennung und Verehrung, deren der Schauspieler Ludwig sich in allen kunstliebenden Kreisen erfreut. Die endlosen Beifall stürme nach dem letzten Akt veranlaßten den Jubilar, in bewegten Worten kurz für das Wohlwollen und die Treue zu danken, die ibm das Publikum die langen Jahre hindurch bewahrt habe. Die Aufführung verlief auch in allem Uebrigen sehr erfreulich. Herr Purschian war als Don Carlos recht gut; besonders zeichneten sich aber Herr Grube als König Philipp und Fräulein Poppe als Prinzefsin Eboli aus. — Nach der Vorftellung fand auf der Bühne eine intime Feier statt, bei welcher nach einer Ansprache des General- Intendanten Grafen Hochberg Herr Ober ⸗Regisseur Grube in längerer Rede die künstlerischen Vorzüge des Jubilars kennzeichnete.