1897 / 274 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 22 Nov 1897 18:00:01 GMT) scan diff

gliedern, die an der weiteren 4 in Berlin verhindert waren, die Theilnahme an der ferneren Berathung zu er⸗ möglichen.

Am 20. d. M. ist hierselbst der vortragende Rath im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, Wirkliche Geheime Dber⸗Regierungs-⸗Rath Rödenbeck infolge eines Schlaganfalls schnell und unerwartet verschieden. In ihm verliert der König⸗ liche Dienst einen hervorragend tüchtigen und pflichttreuen Beamten. .

Alexander Emil Rödenbeck wurde am 13. Mai 1838 zu Drebkau in der Provinz Brandenburg geboren. Im Jahre 1866 nach durchweg mit Auszeichnung bestandenen Prüfungen zum Gerichts⸗Assessor ernannt und zunächst mehrere Jahre bei dem Grundentschädigungsverfahren im Regierungsbezirk Frankfurt a. O. thätig, wurde er 1869 als Kreisrichter in Küstrin angestellt. Im November 1871 erfolgte sein Uebertritt zur ö, Zuerst bei der Königlichen Eisenbahn-Direktion zu Elberfeld deschäftigt, sodann nach vorübergehender Thätigkeit als Hilfs⸗ arbeiter im damaligen Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten als Mitglied an die König⸗ liche Eisenbahn⸗-Direktion zu Hannover versetzt und ö. 1875 zum Regierungs-Rath, befördert, wurde er m Juli 1877 als Geheimer Regierungs-Rath und vor— tragender Rath in das Ministerium zurückberufen, 1881 um Geheimen Ober⸗Regierungs⸗Rath und durch Allerhöchstes

atent vom 13. Juni 1895 zum Wirklichen Geheimen Ober⸗ Regierungs-Rath mit dem Range eines Rathes erster Klasse ernannt.

Mehr als zwanzig Jahre hat er hier mit hingebender Treue seines Amtes gewaltet und namentlich in dem ihm zuletzt übertragenen schwierigen und wichtigen Referat, in der Be— arbeitung der persönlichen Angelegenheiten der höheren Beamten, der ausgedehnten Verwaltung ausgezeichnete Dienste. ge⸗ leistt, wozu ihn seine hervorragenden persönlichen Eigenschaften, unerschütterliches Pflichtgefühl, und strengste Gerechtigkeitsliebe, vereint mit wohlwollender Güte und schlichter Herzensfreundlichkeit, ganz besonders befähigten. Sein Tod wird in weiten Kreisen schmerzlich betrauert werden und sein Andenken bei Allen, die ihm nahe treten durften, besonders bei seinen Amtsgenossen, deren Liebe er gewonnen, allezeit ein gesegnetes sein.

Der Wirkliche Geheime Ober-Regierungs-Rath im Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinal⸗ Angelegenheiten D. Dr. Schneider ist hierher zurückgekehrt.

Der Bevollmächtigte zum Bundegrath, Bürgermeister der freien Hansestadt Bremen Dr. Pau li ist von Berlin abgereist.

Laut telegraphischer Meldungen an das Ober⸗Kommando der Marine ist S. M. S. „Kaiserin Augusta“, Komman⸗ dant Kapitän zur See Köllner, am 21. November in Port Said angekommen und beabsichtigte, heute nach Aden in See zu gehen; S. M. S. „Wolf“, Kommandant Korvetten⸗ Kapitän Schröder, ist am 21. November in Las Palmas angekommen; S. M. S. „Stein“, Kommandant Kapitän zur See Oelrichs, ist am 21. November in Barbados an⸗ gekommen und beabsichtigte, am 28. November nach Trinidad in See zu gehen; S. M. S. „Nixe“, Kommandant Korvetten⸗ Kapitän Goecke, ist am 21. November in Freetown ange⸗ kommen und beabsichtigte, heute nach Victoria in See zu gehen.

Bayern.

Igre Majestät die Kaiserin Friedrich traf am Sonn⸗ abend früh von Trient in München ein und setzte nach kurzem Aufenthalt die Reise nach Rumpenheim fort.

Die Kammer der Reichsräthe nahm in ihrer vor— gestrigen Sitzung den Militär⸗Etat an; im Laufe der Be⸗ rathung betonten die Reichsräthe Freiherr von Würzburg und Freiherr von Guttenberg die hohe Bedeutung der diesjährigen großen Manöver nicht nur für die bayerische Armee, der so ungetheiltes Lob zu theil geworden sei, sondern auch für das gesammte Deutsche Reich, da die Ebenbuͤrtigkeit der bayerischen und der preußischen Armee vor dem In⸗ und Auslande konstatiert worden sei. Der Kriegs⸗Minister Freiherr von Asch dankte für die Anerkennung, die er angesichts der Besprechung, welche die Manöver in der Abgeordnetenkammer ,,. hätten, um so freudiger empfinde. Die Resolution

er Kammer, betreffend die Verminderung der Offiziers⸗ Pensionierungen, wurde einstimmig abgelehnt.

Mecklenburg.

Der Landtag hat in seiner Sitzung vom 20. d. M. die von dem Landrath von Maltzan beantragte Umwandlung der Landes schulden in Inhaberpapiere abgelehnt.

Lippe.

Der Landtag hat, wie „W. T. B.“ meldet, am Sonn⸗ abend mit großer Mehrheit eine Resolution angenommen, welche dahin lautet, daß die Herstellung dauernder Zu⸗ stände dringend nothwendig sei. Seine Durchlaucht der Fürst zu Schaumburg-Lippe solle aufgefordert werden, bis zum 1. Februar 1898 den Weg der gerichtlichen Entscheidung u betreten; falls die Klage bis dahin nicht erfolgt sei, werde lan Protest weiter nicht berücksichtigt und die Thronfolge durch

3 geregelt werden. Bis dahin . die Berathung

über den Thronfolge⸗Gesetzentwurf zurückgestellt werden.

Oesterreich⸗ Ungarn.

In der vorgestern Nachmittag abgehaltenen Sitzung des un garischen Delegations-Ausschusses für die aus⸗ wärtigen Angelegenheiten gab der Minister des Aus— wärtigen Graf Goluchowski ein & ose über die inter⸗ nationale Lage, über dessen Inhalt „W. T. B.“, wie folgt, berichtet:

Der Minister eröffnete seine Darlegungen mit einem allgemeinen Rückblick auf die Situation seit dem Auftauchen der kretischen Frage und unterschied dabei zwei Phasen: die erste betraf die Re— ormen für Kreta auf Grund der sogenannten Haleppa⸗Konvention owie des Elaborats der Botschafter in Konstantinopel; die zweite egann mit dem aktiven Eingreifen Griechenlands. In der ersten Phase trat Oesterreich⸗ Ungarn für sehr energische, auf das invernehmen aller europäischen Großmächte gestützte

Maßregeln ein und ergriff die Initiative zu schlage der Blockade behufs Isollerung der Insel. durfte bald hoffen, daß das europäische Konzert, welches seinen Willen durch die Verhinderung der macedonischen Bewegung erfolgreich geltend gemacht hatte, ich auch dieses Mal bewähren werde. Diese Auffassung fand thatsächlich die Zustimmung der meisten Kabinette; nur in Großbritannien, wo die öffentliche . seit den armenischen Metzeleien gegen die Türken besonders stark aufgebracht war, stieß die Anregung , , , w. auf entschiedenen Wider⸗ spruch als eine Maßregel, die, nach dem Dafürhalten des britischen Kabinets, in türkenfreundlichem Sinne aus gelegt werden könne. Selbst das nachträgliche Amendement, nach welchem die Absperrung der Insel dazu bestimmt sein selle, ebenso wohl griechische Zuzüge als neue türkische Truppensendun gen zu ver⸗ hindern, bermochte die Auffassung der britischen Regierung nicht zu modi. fizieren, sodaß der Vorschlag fallen Elaslen wurde. Allerdings griff man zu einem viel späteren 8e nn auf die Blockade zurück, lesder nicht mehr im richtigen Augenblick. Nichtsdestoweniger bewährte sich dieselbe in mancher anderen Hinsicht. Bei der Erörterung des zweiten Abschnists der Kreta Frage, der Phase des ke ig, türkischen Konflikts, beleuchtete der Minister eingehend die europäische Aktion zur Verhütung des Weitergreifens der krie⸗ gerischen Greignisse auf die übrigen Balkanländer und konstatierte hierbei, daß alle Mächte in höchst lovaler Weise das Ihrige zur Hintanhaltung ,, Komplikationen beigetragen hätten. Dennoch glaube er (döer Minister), für Oesterreich, Ungarn und Ruß. land, als die im Orient zunächst engagierten Mächte, ein gutes Theil des Verdienstes an der Begrenzung des Konflikts in Anspruch nehmen zu dürfen. Das Zusammenwirken beider Kabinette habe that jächlich die besten Früchte gezeitigt, da ihre entschiedene Sprache bei Bekanntgabe des festen Entschlusses, keinerlei Aktion seitens der übrigen Balkanstaaten zu dulden, richtigen Orts verstanden und entsprechend be⸗ beherzigt worden sei. Unter den Aktionsmitteln der Mächte zur Verhinderung des griechisch türkischen Krieges er- wähnte der Minister zunächst den Vorschlag der deutschen Reichs⸗ regierung, die griechischen Häfen zu blockieren, um Griechenland zum Verzicht auf sein selbstmörderisches Unternehmen zu nöthigen. Der von Oesterreich⸗Ungarn und mehreren anderen Mächten sofort an⸗ genommene Vorschlag begegnete dort Bedenken, wo man sich zuvor auch mit der Absperrung Kretas nicht befreunden wollte. Die Ver handlungen wurden hinausgezogen, bis der faltische Ausbruch des Krieges die Blockade als einen Verstoß gegen das Neutralitäteprinzip unmöglich machte. Injwischen erfolgte das Uebereinkommen über die Blockierung Kretas und die Ausschiffung gemischter europäischer Truppenkontingente zur Sym bolisierung der Beschlagnahme der Insel durch die europäischen Mächte. Der Minister legte sodann den Verlauf der griechisch⸗ türkischen Friedens verhandlungen unter Vermittelung des europässchen Konzerts dar. Ohwohl im Laufe der Verhandlungen wiederholt bekrittelt und skeptisch beurtheilt, bestand das europäische Konzert die Feuerprobe in einer Weise, die es fertan zu einem ewichtigen Faktor bei der Regelung der Orientverhältnisse tempelt. Seiner Natur nach schwer beweglich, konnte es ober⸗ flächlichen Geistern gelegentlich Anlaß zu Spott bieten. Aber die Geschichte wird in ihrem Verdikte gerechter vorgehen und zu dem Schlusse gelangen, daß das diesmal Erreichte den besten Leistur gen der diplomatischen Kunst anzureihen sei. Es sei eine Errungenschaft, und es gereiche dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts zur Ehre, ein so wirkungsvolles Mittel erprobt zu haben, das auch bei künftigen ähnlichen Konstellationen im Orient sich als erfolgreich bewähren dürfte. Auch Griechenland habe allen Grund zur Dankbarkeit gegen das europäische Konzert, ohne welches es aus dem Abenteuer lange nicht mit verhältnißmäßig so geringem Schaden hervorgegangen wäre, da es in verzweifelter Lage dem Sieger auf Gnade und Ün— gnade ausgeliefert war. Die griechischen Klagen über Härte der Friedene bedingungen sind nur ein Beweis von krankhaftem Gemüths⸗ zustande. Man ist gewiß gern bereit, dem Königreich in seiner Be⸗ drängniß thunlichst beizustehen, aber es muß den faktischen Verhält— nissen Rechnung tragen und den Beiftand durch vernünftige Haltung ermöglichen. Zur Lage auf Kreta übergehend, theilte der Minister mit, daß die Mächte die Regelung nunmehr in Angriff genommen hätten, daß aber die Verhandlungen noch in einem Stadium seien, das ihm Re⸗ serbe auferlege. Das Ziel sei: weitgehende Autonomie unter Wahrung der Souveränitätsrechte des Sultans und Garantien für den Schutz der mohamedanischen Minorität. Die Lösung dieser schwierigen Aufgabe dürfte Zeit erfordern, schließlich aber dürften die Mächte die Hinder— nisse überwinden, wie auf anderen Gebieten. Dies erfordere die Ehre Europas, das die Regelung der Frage in die Hand genommen habe. Der Minifter erwähnte auch den erfreulicher Weise bereits beigelegten Konflikt in Mersina und hob hervor, daß es nöthig gewesen sei, gegen über der Verschltppungstaktik der Pforte ein Exempel zu statuieren und die Ehre der 6ssterreichisch, ungarischen Flagge, die Würde und die Interessen der österreichisch ungarischen Monarchie energisch zu wahren. Zu den türkischen Reformen übergehend, sagte Graf Goluchowski: wenngleich die soü—⸗ genannten Reformen, welche das lebhafte Interesse der europäischen Mächte weckten, bisher aus verschiedenen Gründen noch nicht praktische Ausführung hätten finden können, so habe doch der bloße Umstand, daß die Kabinette dieser Frage ihre ernste Aufmerksamkeit zuwendeten, dazu beigetragen, die öffentliche Meinung zu beruhigen und auch die Türkei einigermaßen zur Besinnung zu bringen. Es wäre im eigensten Interesse der Türkei zu wänschen, daß der Sultan, der während der Friedensverhandlungen manche Beweise von Mäßigung und politischer Einsicht gegeben, nunmehr selbst die Initiattoe zu radikalen Verbesserungen ergreife. Europa müsse darauf bestehen, von der ständigen, ihm durch Mißbräuche im ottomanischen Reich bereiteten Sorge befreit zu werden; dabei sei nicht von Reformen im westeuropäischen Sinne die Rede, die mangels entsprechender Kräfte undurchführbar wären, sondern es handle sich um die Schaffung erträglicher, menschlicher Zustände, welche die Sicherheit der Person und des Eigenthums verbürgten, und das liege in der Macht des Sultans. Seine Stellung und sein Ansehen könnten dadurch nur ge⸗ winnen; nur gewissenlose Rathgeber wären im stande, ihn von einem solchen Entschluß abzubringen. Sich den Beziehungen Oester« reich⸗Ungarng zu den einzelnen Mächten zuwendend, erklärte der Minister: „Es bedarf kaum der Erwähnung, daß das Bundesverhältniß ju Deutschland und Italien heute wie zuvor und hoffentlich auf eine lange Reihe von Jahren hinaus den Grundpfeiler der Politik Oesterreich Ungarns bildet. Das Verhältniß ruht bei gleichmäßiger Vertheilung der Rechte und Pflichten unter den Com paciscenten auf einer so gesunden Basis, es hat sich so eminent als Bollwerk des Friedens in den schwierigsten Zeiten be⸗ währt, und es entspricht so glänzend der Aufgabe, die sein Entstehen bezweckte, daß es heute ab denjenigen Vertrauen einflößen muß, die ihm anfangs größtes Mißtrauen entgegengebracht hatten. Der Dreibund hat, mit einem Worte, Bürgerrecht in Europa erworben, und diese seine Stellung zu konsolidieren, ist unser beftändiges Streben. Wir begegnen uns hierin mit den ehrlichen und loyalen Absichten der Kabinette von Rom und Berlin, deren identische Bemühungen niemals erlahmen. Hinsichtlich Italiens“ sagte der Minister hatte ich Gelegenheit, mich davon neuerdings anläßlich des Besuchs zu überzeugen, den ich am König— lichen Hoflager in Monza abzuftatten die Ehre hatte, und bei dem ich in meinen Unterredungen mit den dortigen Staatsmännern die volle Uebereinstimmung in unserer i und Behandlung der politiscken Fragen wahrgenommen habe. So unentwegt wir an dieser Grundlage festhalten, so kh wir darin eine chere Garantie des. europäischen Friedens erblicken, so ätten wir unsere Aufgabe nur unvollständig erfüllt, wenn wir nicht bemüht gewesen wären, den Beziehungen zu den übrigen Mächten einen möglichst vertrauene vollen Charakter zu verleihen. In Aus— führung dieses Gedankens gelangten wir zunächst zu einer erfreulichen . unseres Verhältnisses zum russischen Reiche. Unser von Erfolg begleitetes Zusammenwirken mit dem Petersburger Kabinet beim Ausbruch des griechssch⸗ türkischen Konflikts machte den Anfang

zazu und führte sehr kald zu einer offenen loyalen Aussprache, aut der man beiderselis die leberteugung in schöpfer permochte, daß eigentlich keine derartigen Differenzen bestehen, die sich bei einiger guten Willen nicht ausgleichen ließen. Sobald konstatiert werden konnte, daß wir beide die Aufrechterhaltung des status quo anstreben 36 Rußland gleich uns jeden Eroberungögedanken auf der Balkan? halbinsel entschieden zurückweist und daß beiderseits der feste Entschluß bestebt, die Unabhängigkeit und das Selbstbestimmungsrecht der ein zelnen Balkanstaaten mit Ausschluß jeder präponderanten Ein uß⸗ nahme auf deren innere Geschicke zu respektieren, war mit elnem Male das Terrain zu einer Verständigung zwischen uns geschaff en. Unter diesen Umständen kamen wir leicht zu der Erkenntniß, daß sich unsere Interessen keineßwegs kreuzen, daß wir vielmehr, als die von den Orientwirren in erster Linie berührten Mächte, allen Grund haben zusammenzuhalten und in beständiger Fühlung zu verbleiben, um jede Ausartung zum Vorschein kommender Bewegungen zu rerhindern und dem bisherigen Treiben spekulativer Geister am Balkan, die unt gegeneinander zum eigenen Vortheile siets auszuspielen versuchten, ein Ende zu machen. Unter der Veraussetzung strenger Einhaltung diefer Prinzipien sind wir jederzeit bereit, das engste Einvernehmen mit Ruß— land zu pflegen; daher erblicken wir in dem jüngsthin so glücklich ange bahnten Verhältniß zu Rußland mit Zupersicht eine neue mächtige Bürg⸗ schaft für den Frieden Europas. Mit Frankreich, dessen Interessen 6. keinem Punkte mit den unserigen kollidieren, fahren wir fort, die beften Beziehungen zu unterhalten. Diese Beziehungen fanden sogar während der letzten Orientkrisis wiederholt praktischen Ausdruck in unserem Zusammenwirken mit dem Pariser Kabinet, und die unaug— gesetzten Bemühungen, welche die französischen Staatsmänner dem roßen Friedenswerke widmen, können nur in jeder Hinsicht rühmend k werden. Nicht minder freundschaftlich verbleibt das Verhältniß zu Großbritannien. Wenngleich wir uns hinsichtlich der Behandlung einzelner Fragen öfters in gewissem Wider spruche befanden, vermochten diese Meinungsdifferenzen in keiner Weise, eine Verstimmung zwischen uns hervor urufen. Wir durften wohl jene Einwände bedauern, die das britische Kabinet mit Rücksicht auf die öffentliche Meinung im eigenen Lande gegen die Ausführung gewisser Maßregeln erhob, die nach unserer Auffassung manche Komplikationen verhindert hätten; aber einen nachtheiligen Einfluß auf die vortreff— lichen Beziehungen, die wir zu dem britischen Reich unter⸗ halten und welche wir auch künftig zu erhalten wünschen, hat dies gewiß nicht ausgeübt. Von den. südlichen Nachbarn müssen wir in erster Linie Rumäniens gedenken, das durch seine korrekte und 6 auswärtige Politik schon seit längerer Zeit sich eine hochachtbare Stellung unter den europäischen Staaten erworben hat. Die bertrauensvollen Beziehungen zu Rumänlen, die in den gegenseitigen Besuchen der Majestäten in den letzten Monaten einen beredten Ausdruck fanden, sind wir herzlich bestrebt zu erhalten und zu kräftigen, und finden wir auch das J Verständniß dafür in den ernsten, maßgebenden politischen reisen Rumäniens die, welcher Parteistellung immer sie angehören, sich durch professionsmäßige Hetzer in der Pflege des zwischen unt bestehenden freundschaftlichen Verhältnisses nicht beirren lassen. Ein sympathisches Interesse wenden wir den übrigen Balkanstaaten auf dem Gebiete der inneren Entwickelung und Konsolidierung zu und sind stets bereit, dahin gehende Bemühungen dieser Länder auf das kräftigste zu unterstützen und zu fördern. Dieselben können auf unsere Freundschaft in dem Maße rechnen, als sie selbst bestrebt sein werden, ihre Beziehungen zu unserer Monarchie freundlich und entgegen⸗ kommend zu gestalten. Es ist ihnen nachzurühmen, daß sie während der jüngsten Krisis Mahnungen und Rathschläge der Mächte ent— sprechend beherzigten, und dieses Verdienst muß ihnen zu gute ge— schrieben werden. Der Minister schloß sein Exposs mit der Ausfuͤh⸗ rung, daß Europa allem Anscheine nach in seinem Entwickelungs⸗ prozesse an einen Wendepunkt gelangt sei, der nachhaltige Auf⸗ merksamkeit in Anspruch nehmen müsse. „Die großen, immer gebie⸗ terischer sich aufdrängenden Probleme der materiellen Wohlfahrt liegen nicht mehr in utopischer Ferne, sie sind thatsächlich vorhanden und dürfen nicht übersehen werden. Der vernichtende Konkurrenzkampf, den wir auf Schritt und Tritt auf allen Gebieten mit über—⸗ seeischen Ländern theils schon bestehen, theils nächstens ge⸗ wärtigen. müssen, erheischt rasche, durchgreifende Gegenwehr, sollen nicht die Völker Europas in ihren vitalsten Interessen die empfindlichste Schädigung erfahren und dem allmählichen Siech⸗ thume entgegengehen. Schulter an Schulter müssen sie gegen die ge⸗ meinschaftliche Gefahr kämpfen, und zu diesem Kampfe . sie sich mit dem Aufgebote aller verfügbaren Hilfsquellen rüsten. Groß und schwer ist die Aufgabe, die ihr charakteristisches Merkmal, wenn nicht alle Anzeichen trügen, der nächsten Zeitepoche aufdrücken dürfte. Wie das 16. und 17. Jahrhundert mit religiösen Kämpfen ausgefüllt waren, im 18. die libe⸗ ralen Ideen zum Durchbruch kamen, wie das gegenwärtige Jahrhun- dert durch die Nationalitätenfrage charakterisiert erscheint, so sagt sich das 20. Jahrhundert für Europa als ein Jahrhundert des Ringens um das Dasein auf handelspolitischem Gebiet an, und vereint sollten sich dessen Völker zusammenfinden, um in der Vertheidigung ihrer Existenzbedingungen erfolgreich wirken zu können. Möge die Er— kenntniß davon allgemein durchdringen und uns vergönnt sein, die Zeiten friedlicher Entwickelung, denen wir nunmehr vertrauensvoll entgegenblicken, zu benutzen, um unsere besten Kräfte zu sammeln und vornehmlich diesem Ziele zuzuwenden!“

Nach der Rede des Ministers des Auswärtigen Grafen Goluchowski sprachen die Delegirten Berzewiczy, Graf Zichy, Gyurkovics und Graf Apponyi ihre Zustimmung zu den Worten des Ministers und ihr volles Vertrauen zu ihm aus. Der Minister des Auswärtigen Graf Golu⸗ chowski ergriff hierauf nochmals das Wort und erklärte in Beantwortung einiger an ihn gestellten Fragen: er sei gern bereit, eine interparlamentarische Konferenz zu unterstützen. Er erachte die Durchführung, der türkischen Reformen sowohl im Interesse des europäischen 1 wie der Humanitaͤt für unerläßlich und unausschieb⸗

ar. Der Minister gab schließlich die Versicherung, daß er weder direkt noch indirekt auf den Regierungswechsel in Serbien Einfluß geübt habe. Der Ausschuß gab hierauf einstimmig seine Zustimmung zu der Politik des Grafen Goluchowski zu erkennen und versicherte den Minister seines Vertrauens. Das Budget des Ministeriums des Aeußern wurde sodann an⸗ genommen.

Der Finanz⸗Ausschuß der ungarischen Delegation . vorgestern Nachmittag ebenfalls eine Sitzung ab. Der eferent, Delegirter Szerb, erstattete den Bericht über das Budget des Reichs-Finanz⸗Minister rums, welches nach kurzem Ideenaustausch einhellig angenommen wurde. insichtlich der durch den Reichs⸗Finanz⸗Minister verwalteten onds nahm der Din fg den Vortrag des Ministers ur Kenniniß. Bezüglich des Grenzzolls richtete, der räsident Freiherr von Harkänyi an den ungarischen Finanz⸗Minister Dr. von Lukacs die Frage, auf welcher Grundlage bei den österreichischen de, , e, eine Ern ãhnn derselben, bei den ungarischen Zolleinnahmen aber ein Ausfa derselben veranschlagk sei. Der Finanz⸗Minister Dr. von Lukäcs erklärte, daß die Zolleinnahmen für Ungarn um 500 000 Fl. geringer, für 6, aber um 3 006 000 FJ. höher praͤliminiert seien, als im vorhergehenden Jahre. Das geringere Präliminare der ungarischen Zolleinnahmen sei dadurch gerechtfertigt, daß bei einzelnen wichtigen Import⸗ artikeln, wie insbesondere bei dem russischen Petroleum, in der letzten Zeit ein bedeutender Rückgang, fich gezeigt habe; daher sei es im Interesse der Verläßlichkeil des Präͤliminares gerathen, die blsherige Summe um 500 000 Fl.

haften auf

äßigen. Außerdem sei der Rückgang der Zolleinnahmen . aj dadurch beinflußt, daß die Rekonstruktion der ungarischen . in einem Maße vorwärts schreite, daß n auf eine Abnahme des italienischen Wein⸗Importes rechnen kõnne. Der Ausschuß stellte nach den erlan gten Auf⸗ fläͤrungen den Ueberschuß des Grenzzollgefälles auf hh õg8 890 Fl. sest. Laut der 2 Ausweise sind bis Ende September 241 8635 Fl. an Zolleinnahmen eingegangen, Hierauf wurde zas Budget des gemein samen Rechnungshofes auf rund des vom Referenten, Delegierten Szerb, erstatteten Berichts unverändert genehmigt.

Die außerordentliche Session des niederösterreichischen Landtags ist am Sonnabend eröffnet worden. Die Abgg. Philippowitsch und Nos ke protestie rten dag egen, daß ber zandtag nur zur Berathung der auf der Tagesordnung be⸗ seichneten Gegenstände einberufen sei, weil dadurch die Erörte⸗ ung der Erweiterung des Wahlrechts sowie die Erörterung der politischen Lage und der durch die Sprachenverordnungen hervor⸗ erufenen Verwirrung des Staatswesens unmöglich würden. är Landmarschall Freiherr von Gudenus wies auf den S635 der Landetordnung hin, welcher bestimme, daß Anträge sber außerhalb des Geschäftskreises des Lan dtages liegende Fegenstände durch den Landmarschall von der Berathung aus⸗ uschließen seien, begründete hiermit die Zurückweisung der Inträge der Abgg. Philippowitsch und Noske und bemerkte, er önne aus demselben Grunde weder andere Anträge noch eine Diskussion oder Abstimmung hierüber zulassen.

Wie den Wiener Blättern aus Graz gemeldet wird, ist s daselbst am Sonnabend bei einer Ver sammlung der Christlich⸗Sozialen, in welcher der Abg. Axmann sprach, zu Ausschreitungen gekommen. Eine Anzahl Sozialdemokraten hrang in den Saal ein und bewarf die Christlich⸗Sozialen mit BFiergläsern und Stühlen, wobei mehrere Personen verwundet wurden. Die Ausschreitungen wurden auf der Straße fortgesetzt; die Sicherheitswache und das Militär, welche mit Steinwürfen empfangen wurden, trieben die Excedenten mit blankem Säbel und gefälltem Bajonett zurück, wobei zahlreiche Personen ver⸗ wundet wurden. Ein durch einen Bajonettstich verwun deter Ar⸗ heiter ist inzwischen gestorben. Fünf Wachtmänner wurden tbenfalls verwundet, darunter zwei schwer. Zehn Personen vurden wegen Aufruhrs , Von zwei für gestern einberufenen sozialdemokratischen Versammlungen verüef die eine ohne Zwischenfall, die andere, in welcher der Arbeiterführer Pichler das allgemeine Wahlrecht mit Bezug auf die Ge⸗ meinde besprechen sollte, wurde wegen der vorgestrigen Vor⸗ gänge verboten und die vor dem betreffenden Lokal an⸗ Jesammelte Menge zerstreut. Es sind Vorkehrungen zur Auf⸗ rechthaltung der Ruhe gtroffen.

Frankreich.

In der vorgestrigen Sitzung der Deputirtenkammer wurde die am 13. d. M. abgebrochene Besprechung der Inter⸗ pellation über die landwirthschaftliche Krisis fort— esetzé. Der Möline fuhr in seiner Rede ar und hob hervor: die Ursache der Krisis liege in dem seit 2 Jahren fortschreitenden Sinken der . aller land⸗ virthschaftlichen Produkte und in dem Werthverhältniß von Gold und Silber; die Regierung sei indessen nicht im stande, diese letztere Frage zu lösen, da sie internationaler Art sei. Die Landwirthe litten nicht allein unter der ausländischen Konkurrenz, sondern auch unter der zu großen i nr e, stehenden Zwischenhändler. Diese Zahl vermehre sich in einer außerordentlichen Weise, namentlich in dem Handel mit Lebens⸗ mitteln. Man könne dieses Uebel heilen, wenn man die Syndikate und Kooperativ⸗-Gesellschaften vermehre. Der Minister empfahl unter anderem die Abschaffung der Octroi⸗Abgaben und die ; 5 von landwirthschaftlichen Warrants und er⸗ klärte schließlich, die Regierung werde demnächst einen Gesetzentwurf, ö, die Organisation des land⸗ virthschaftlichen Kredits, vorlegen; sie werde Hilfs- und Pensionskassen schaffen. Der Minister-Präsident schloß: Das ist die landwirthschaftliche Reform, wie wir sie ver⸗ sthen; nach Vollendung dieses Werks wird die gesetzgebende Versammlung vor die Wähler treten können.“ Der Deputirte Jaur es hob, unter dem Widerspruch des Zentrums, hervor, daß die sozialistische Partei die Initiative in der landwirthschaftlichen Frage ergriffen habe. Auf Antrag des Deputirten Graux und mehrerer anderer Deputirten beschloß die Deputirtenkammer hierauf mit 338 ee 5 Stimmen, die Rede des Minister⸗Präsidenten Mẽline öffentlich anschlagen zu lassen. Nach Schluß der Debatte wurde mit 0 gegen 43 Stimmen folgende, von dem Deputirten Deschanel eingebrachte und von der Regierung genehmigte

Tagesordnung angenommen: „In Erwägung, daß eine Um⸗

bildung des individuellen Eigenthums in ein Kollektiveigen⸗ hum der Ruin der Landwirthschaft sein würde, und ent— schlossen, durch legislative Reformen und durch die Entwickelun der rn gg, des Genossenschaftswesens und der Gesell⸗

egenseitigkeit die Vertheidigung des nationalen Marktes und die Herabminderung der Produktionskosten zu sihern, geht die Kammer zur Tagesordnung über.“ Der De⸗ putirte Jaurès beantragte die Anstellung einer Untersuchung iber die landwirthschaftliche Lage; dieser Antrag wurde von dem Minister⸗Präsidenten Meine als unnütz bekämpft und darauf mit 348 gegen 152 Stimmen abgelehnt. Die Sitzung wurde sodann aufgehoben. . .

Bei der Abfahrt der für die afrikanischen Bataillone kestimmten Rekruten fanden, dem W. T. B.“ zufolge, eute Ruhestörungen in Paris statt. Mehrere Begleiter der ekruten wurden verhaftet.

Italien.

Die Deputation des preußischen Jäger⸗-Bataillons Königin on Italien“ (Hessisches) Nr. 11 unter Führung des Premier⸗ dieutenants ausm Weerth traf, wie ‚W. T. B.“ berichtet, im Sonnabend Vormittag in Monza ein, wo sie am Bahn⸗ hofe von drei gien ful uten des Königs empfangen und n das Königliche Schloß geleitet wurde. Die Königin empfing nlbald die Deputation, wobei der Premier⸗Lieutenant aus m Weerth das von dem Offizier⸗Korps des 11. Jäger⸗Bataillons gewidmete Gemälde überreichte. Die Königin nahm das Ge⸗ Henk, huldvoll dankend, mit , lebhafter Freude gegen. Der deutsche Militär⸗Attachs, Major von Jacobi und der Premier⸗Lieutenant aus m gde cet nahmen sodann * der Königlichen Huh fta afer theil und begaben sich um

hr nach Mailand.

Der beutsche Stagtssekretär des Auswärtigen Amts, Snats. Min iste r von Bülow und Gemahlin empfingen am nabend im Palazzo Caffgrelli zahlreiche Mitglieder der uutschen Kolonie in Rom zum Abschied und traten . Abend fe Reise nach Berlin an. Zur Verabschiebung waren auf dem

Bahnhofe anwesend: der Minister⸗Präsident di Rudini, der Minister des Aeußern Vis con ti Ven ostg, der Marine⸗Minister Brin, der Unter ⸗Stagtesekretär des Aeußern Graf Bonin und der Generalsekretär Malvano, ferner fast alle Mitglieder des diplomatischen Korps mit ihren Damen sowie eine große . von Vertretern der deutschen Kolonie und der römischen Gesellschaft. Der Abschied gestaltete sich zu einer herzlichen Sympathiekundgebung für die Scheidenden.

Gegenüber im Umlauf befindlichen Gerüchten, wonach der Gesundheitszustand des Papstes Besorgnisse einflöße, hat der Leibarzt Dr. Lapponi die Ermächtigung ertheilt, zu erklären, daß der Papst wegen einer leichten Erkältung am Donnerstag das Zimmer gehütet, am Freitag und Sonnabend aber wieder Audienzen ire habe.

Spcnien.

30 Mann verwundet worden. Die Meuterer hätten drei

britische Offiziere ermordet. Von Mombasa würden unver⸗ züglich britische Truppen abgehen, um zu dem Major Macdonald keien, der den Aufstand in wenigen Wochen zu unter⸗ rücken hoffe.

Dasselbe Bureau berichtet aus Durban, daß eine Sonderausgabe der amtlichen, Gazette“ den Abschluß eines rück⸗ wirkenden Auslieferungg vertrages zwischen Ratal und der Südafrikanischen Republik bekannt gebe. Politische Vergehen seien von der Wirkung des Vertrages ausgeschlossen. Der Vertrag trete sofort in Kraft. Zwei strafrechtlich ver⸗ folgte Personen aus Johannesburg, welche sich nach Durban geflüchtet hätten, seien bereits verhaftet worden; 34 Personen in gleicher Lage sollten sich noch in Durban aufhalten.

Der Ministerrath hat, wie ‚W. T. B.“ aus Mäßrsd berichtet, auf die Bemerkung des Ministers des Aeußern Gullon, daß die 5 der öffentlichen Ordnung, besonders die Carlisten, die Kundgebung des Generals Weyler für sich auszunutzen suchten, beschlossen, an seiner Politik hinsichtlich dieser Kundgebung fest . und den Ministern des Krieges, des Innern und der . tiz Maßregeln gegen die Feinde der öffentlichen Ordnung zu empfehlen. Die Militärbehörden müßten verhindern, daß die Armee sich mit Politik befasse und an Handlungen betheilige, welche sich gegen die Regierung und gegen das Gesetz richteten.

Türkei.

Zum Chef der Verwaltung der Zivilliste ist ein Armenier, der Staats rath ö Effendi, ernannt worden.

Am Sonnabend fand, wie das Wiener „Telegr.⸗Korresp.⸗ Bureau“ aus Konstantinopel berichtet, eine Sitzung der Bevollmächtigten für die Friedens verhandlungen statt, in welcher ein weiterer Artikel paraphiert wurde. Es stehen nun noch zwei Artikel aus, über die in den meisten Punkten jedoch bereits eine Uebereinstimmung erzielt worden ist.

Die kretische Nationalversammlung hat, wie „W. T. B.“ aus Athen meldet, eine Proklamation ver⸗ öffentlicht, in welcher sie von der Antwort der Admirale auf die Wünsche der Versammlung Kenntniß nimmt und das kretische Volk auffordert, das Eigenthum der Mohamedaner sorgfältig zu respektieren.

Griechenland.

Der Minister⸗-Präsident Zaimis gab, dem „W. T. B.“ zufolge, am Sonnabend in der Deputirtenkammer der Hoffnung Ausdruck, daß er in etwa acht Tagen dem Hause den endgültigen Entwurf des Friedensvertrags werde unterbreiten können; in den ersten Tagen des Dezember würde dann die Vorlegung des Entwurfs über die Finanzkontrole folgen. Am Schluß seiner Rede ersuchte der Minister-Präsident die Kammer, ihre Sitzungen bis zur Beendigung der Friedensunter— handlungen einstellen zu wollen. . einer lebhaften Verhand⸗ lung über einen Antrag der Kommission für die Untersuchung der Vorgänge im letzten Kriege vertagte die Kammer die Be⸗ schlußfassung darüber. Im Laufe der Berathung erklärte sich Delyannis bereit, die Bildung eines Ausschusses zur Er— mittelung der für den Krieg und für die Art seiner Führung verantwortlichen Personen zu übernehmen. Die Regierung be⸗ wahrte demgegenüber eine neutrale Haltung. Indessen erklärte der Kriegs-Minister, General Smolenski im Laufe der Debatte, daß der Krieg in übereilter Weise herbeigeführt worden sei und daß die Kriegsrüstungen die beklagenswerthesten Mängel gezeigt hätten. Der Minister versicherte auf sein Ehrenwort, daß der König der Erste sei, der die Bestrafung der Schuldigen wünsche.

Serbien. Einer Meldung des „W. T. B.“ aus Belgrad zufolge, hat der König Alexander seinen Aufenthalt in Nisch auf unbestimmte Zeit verlängert.

Dänemark.

Der Minister⸗Präsident, Finanz⸗Minister Hörring hat, dem „W. T. B.“ zufolge, vorgestern im Folkething einen Gesetzentwurf, betreffend die Aufnahme einer neuen 3Zprozentigen Staats-Anleihe und die Kündigung der 3 ãprozentigen Staatsschuld von 1886, eingebracht.

ur licbernahme der neuen 3 prozentigen Anleihe in 6. von 2 Millionen Kronen zum Kurse von 97 hat sich ein Konsortium unter Leitung der „HBanque de Paris et des Pays-Bas“ bereit erklärt. Die Verzinsung der neuen Anleihe soll mit dem 1. Januar 1898, ihre Amortisation im jährlichen Betrage von LM Millionen mit dem Jahre 1901 beginnen. Die neue An⸗ leihe soll außer zur Einlösung der 31a prozentigen 1886er An⸗ leihe auch zur Deckung anderer Staatsausgaben, insbesondere für Eisenbahnanlagen, dienen.

Amerika.

Nach einer dem Madrider „Heraldo“ zugegangenen Mel⸗ dung aus Havanna haben die Aufständischen wieder ange⸗ fangen, in den Provinzen Matanzas und Havanna die Pflanzungen in Brand zu stecken und zu zerstören. Bei verschiedenen, in den letzten Tagen vorgekommenen Zusammen⸗ stößen verloren die Aufständischen 225 Mann, die Spanier 26 Todte und 110 Verwundete.

Nach einer Meldung der „Times“ aus Montevideo hat die Regierung in der Nacht zum Sonnabend einen Anschlag der Anhänger Herrera's, sich der Person des interimistischen Präsidenten Cuestas zu bemächtigen und denselben abzusetzen, vereitelt. Dies habe lebhafte Kundgebungen der Be⸗ völkerung zu Gunsten Cuestas' und gegen Herrera veranlaßt. Verschiedene Offiziere seien verhaftet worden. Die Kandidatur Cuestas' für die Präsidentschaft sei in aller Form proklamiert worden.

A sien.

Die „Correspondencia“ und andere Madrider Blätter betrachten, wie „W. T. B.“ berichtet, den Frieden auf den Philippinen als eine vollzogene Thatsache, da sich alle Insurgenten⸗Chefs unterworfen hätten.

Afrika.

Aus Sansibar vom gestrigen Tage meldet das „Reuter'sche Bureau“, daß die unter dem Major Macdonald nach dem Innern abgegangene Expedition am Freitag in Usoga durch meuterische sudanesische ir denen 150 mohamedanische Bugandas Beistand geleistet hätten, an⸗ egriffen worden sei. Nach mehrstündigem Kampfe 9 der Angriff zurückgeschlagen worden, wobei 100 der Meuterer getödtet bezw. verwundet worden seien. Auf

britischer Seite seien 1“ Offizier und 15 Mann getödtet,

Arbeiterbewegung.

In Berlin sind, einer Mittheilung des Vorwärts? zufolge, die Schuhmacher der F. Priestap'schen Schuhwagrenfabrik in den Aus⸗= stand eingetreten. Die Glasarbeiter in Stralau bei Berlin haben wegen Lohnkürzung die Arbeit am 19. d. M. gekündigt.

In Nizza baben nach demselben Blatt die Bäckergesellen wegen Lohnstreites die Arbeit eingestellt.

Kunst und Wissenschaft.

Mofefser Dr, Martin Blumner, Vorsitzender der Sektion jür Musik des Senats der Königlichen Akademie der Künste und Direkter der Sing ⸗Akademie, beging gestern seinen 70. Geburtstag und empfing aus diesem Anlaß zahlreiche Ehrungen. Bereits am Morgen sandte der Minister der geistlichen 3c. Angelegen⸗ heiten DPD. Dr.. Bosse dem Jubilar ein Seren an se gen. Persönlich erschien als Vertreter des Ministerlums der Wirkliche Geheime Ober⸗Regierungé Rath Dr. Schöne. Um 9 Uhr wurde der Jubilar von den Vorstande mitgliedern der Sing- Akademie, dem Ge⸗ heimen Justiz Rath Köhler, dem Geheimen Ober ⸗Justiz⸗Rath Wulsten, dem Landgerichts⸗Direktor Hellwig und dem Geheimen Legationg— Rath Hellwig, aus seiner in der Sing Akademie belegenen Dienst⸗ wohnung abgeholt und nach dem festlich geschmückten großen Saale geleitet wo die Mitglieder der Sing Akademie und zahlreiche Freunde des Jubilars, insgesammt gegen 560 Personen, versammelt waren. Hier wurde Professor Blumner mit dem Choral begrüßt Bis hieher bat mich Gott gebracht?. Dann nahm der Zweite Direktor der Sing ⸗Akademie, Musik-Direktor Kawerau das Wort zu einer herz= lichen Ansprache, an die sich die Ueberreichung der Jubelgabe, einer Nachbildung des Bach⸗Denkmals in Eisenach, anschloß. Unmittelbar darauf wurde das von Kawerau komponierte, von Fräulein Groschke gedichtete Festlied gesungen. Tief gerührt dankte der Gefeierte für die ihm dargebrachte Ovation; dann schloß die meisterhafte Wiedergabe des pon Blumner komponierten 100. Psalms, achtstimmig unter Orgelbezleitung, diesen Theil der Feier ab. Um 12 Uhr erschien der Senat der Königlichen Akademie der Künste mit seinem greisen Ehrenpräsidenten Professor C. Becker; auch der hoch⸗ betagte Professor Pape hatte sich angeschlossen. In ehrenden Worten gedachte der derzeitige Präsident der Akademie, Geheime Regierungs⸗ Rath, Professor Ende, des verdienstvollen Wirkens Blumner's und überreichte namens der Akademie eine prächtig ausgestattete Adresse. Die Sektion für Musik ließ durch, den Professor Radecke besondere Glückwünsche aussprechen und widmete eine große Photographie der Mitglieder der Sektion in der neuen Amtstracht; das wohlgelungene Bild war in künstlerischer Weise eingerahmt. Die Akademische Hochschule für Musik und das Akademische Institut für Kirchenmusik waren durch ihre Direktoren ver⸗ treten. Die Akademische Hochschule für die bildenden Künste sandte ein Glückwunschschrelben. In sinniger Weise ehrten die Schüler Blumner's ihren Meister; sie Überbrachten außer einer Blumen⸗ spende ein reich mit Silber beschlagenes Album, auf dessen Widmungsblatt die von musizierenden Genien umgebene Musfe der Tonkunst und das Bild der Sing. Mademie zu sehen waren. Das zweite Blatt zeigte das Bild des Jubilars, umrahmt von einem Lorbeerkranz mit einem Bande, auf welchem Motive aus Blumner's Werken eingezeichnet waren, während die Enden die Namen der beiden Hauptwerke des Jubilars: der Oratorien Abraham“ und „Der Fall Jerusalems“, trugen. Den übrigen Inhalt bildeten die Photographien von fünfiehn Meisterschülern, die ihrem Bilde je eine eigene Komposition bei⸗ gefügt hatten. Außer den offiziellen Veputationen erschienen viele frühere Schüler sowie Freunde und Verehrer zur Beglückwünschung. Auch zahlreiche Blumenspenden, Briefe und Depeschen trafen ein. Am Ahend dirigierte der Gefeierte das aus Anlaß des Todtenfestes veranstaltete Konzert, in welchem Mozart's, Requiem“ und die von ihm selbst komponierte große Kantate: „In Zeit und Ewigkeit“ zur Aufführung kamen.

Theater und Mufik.

Königliches Schau spielhaus.

Zum ersten Male hat gestern die Königliche Bühne ein Werk von Ludwig Anzengruber ihrem Spielplan eingereiht, und zwar die erst vor kurzem im Schiller -⸗Theater neu belebte Bauernkomödie Der Gewissenswurm‘, in welcher das Frömmlerthum ebenso köstlich ad absurdum geführt wird wie in Moliéere's „Tartuffe. Der Versuch glückte vollkommen. Das Publikum folgte auch hier mit regem Interesse den heuch—⸗ lerischen Reden des Dusterer's, mit welchen dieser zur Verfolgung seiner selbftfüchtigen Zwecke das gläubige Gemüth seines Schwagers Grillhofer umgarnt, und erfaßte mit vollem Verständniß den Humor und die scharfe Satire der einzelnen Situationen des Werkes. Die Auf⸗ führung selbst war ungleich, weil die öfterreichische Mundart den meisten Schauspielern nicht geläufig war. Die besten Leistungen des Abends waren: der 8! he in der Darstellung des Dr. Pohl, die von Fräulein Hausner resolut und drollig gespielte Horlacherlies und der von Herrn Vollmer mit frischem Humor verkörperte Knecht Wastl. Auch der Fuhrknecht Leonhardt fiel in der Wiedergabe des Herrn Nesper durch seine Echtheit auf.

Goethe ⸗Theater.

Am Sonnabend gelangte der vieraktige Schwank Gebrüder Währenpfennig? von Benno Jacobson, zu dem Gustav Steffens die Musik geschrieben hat, zur ersten Aufführung. Das Stück ist nach dem Muster der alten volksthümlichen Possen mit Ge— sang gearbeitet, welche in der letzten Zeit wieder mit Erfolg auf der in erschienen sind. Einzelne Scenen des neuen Schwanks er⸗ innern auch in ihrer Motivierung an die besten alten Vor bilder. Die Vorgänge begeben sich in den Kreisen der Ge⸗ er, ,. und ein Brüderpaar, die Inhaber eines großen Handels- auses, und ihre Angestellten bilden die Hauptpersonen der Hand⸗ lung. Der erste Akt bringt eine humorvolle und frische Schilderung des Lebens im Komter, in dem auf der linken Seite der biedere, altdäterische Gotthilf als Chef thront, während auf der rechten der weltmännische und a e f. Henri seinen Platz hat. Man ver- mißt jedoch die lebendige seenische Herausarbeitung von mancherlei interessanten Beziehungen, die sich aus dem gegensaͤtzlichen Charakter der beiden Brüder und aus dem Verhältniß der Komtoristen zu ein⸗ ander und zu den Chefs ergeben könnten. Das schwankartige Wesen des Stücks besteht darin, daß in jedem der vier Akte das ganze Personal des Handlungshauses unvorhergesehen an einem Orte zusammentrifft, und durch manchmal recht komische Zufälle und Umstände den einzelnen Personen Verlegenheiten bereitet werden. Natürlich ergiebt sich das Zusammentreffen im Komtor, weniger wahrscheinlich ist aber das in der dürftigen Wohnung des alten

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