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diese Angst bei unseren deutschen Philistern, wie Herr Schönlank g. vielfach Eingang findet. Man beruft sich auf unsere Er—⸗ ngen im Kriege von 1870/71. Allerdings hat damals die anzösische Flotte unseren Küsten und e gt! nur geringen Schaden zufügen können. Ist denn nicht bekannt, daß die lea . 1 damals in durchaus leistungsunfäbigem Zustand war? Rechnen ie dazu die von der ö Regierung ergehenden wider⸗ Hrechenden Befeble an die Flotte und den Eindruck unserer fort⸗ chreitenden Siege auf französischem Boden, se ist es verständlich, daß die französische Flotte unseren Küsten keinen Schaden zufügen konnte. Aber können wir darauf rechnen, daß wir in Zukunft in einem Kriege wieder einer so unzureichend ausgerüsteten Flotte gegen-⸗ überstehen werden? Die Flotte hat Fortschritte gemacht, die Schuß⸗ weite der Artillerie hat jußenommen. Um so gefahrvoller ist die Aus⸗ sicht, daß eine starke Flotte, der wir nicht stark 2 entgegentreten können, unseren Küsten und Küstenstädten 6 Schaden zufügen wird. Der französischen Flotte gelang es 1870, den deutschen Seehandel vollständig brach zu legen, unsere Handelsschiffe mußten sich in ihre 8e zurückfiehen, die französische Flotte beherrschte die Nord. und stsee. Allerdings müssen wir bei unseren Bedürfnissen und unserer Leiftungsfähigkett auf eine Offensivflotte in größerem Stil verzichten. Aber unzweifelhaft muß unsere zur Vertheidigung bestimmte Flotte auch stark genug sein, um einer feindlichen Flotte zur Vertheidigung offensiv entgegentreten zu können. Zu meiner lebhaften Freude hat auch der Redner des Jentrums anerkannt, daß, wenn unsere beiden Panzer ⸗Geschwader so stark sind, wie die Vorlage will, wir auch den stärksten Feind zur See zurückwerfen können. Darauf kann und darf in Rüclsicht auf unsere Küften nicht verzichtet werden, daß unsere Flotte stark genug sein muß, einer feind⸗ lichen Flotte auch offensiv entgegenzutreten. Das ist vor allem nothwendig zur Verhütung einer Effektivblockade. Herr Richter hat n,. daß nicht jedem deutscken Konsul und jedem Deutschen im uslande ein Schiff vor die Nase gesetzt werden könnte, und daran erinnert, daß selbst die deutschen Reichsangehörigen im Inlande auf die Verfolgung ihrer Rechte lange warten müßten. An einen Zu⸗ sammenhang dieser Dinge mit der Vorlage zu glauben, dazu sind wir doch nicht naiv genug. Ich weise nur auf die jüngsten Vorgänge in Haiti hin. Ich verzichte darauf, Herrn Richter davon zu überzeugen, . die Entwickelung unserer Flotte von großer Bedeutung ist für unsere überseeischen Beziehungen. Herr Richter versteht es, in geist⸗ voller Weise die Dinge statistisch zu behandeln. Aber Imponderabilien kennt er nicht; was nicht mathematisch bewiesen werden kann, ist für ihn nicht vorhanden. Ich verzichte darauf, Herrn Richter zu beweisen, daß ein enger pfychologischer Zusammenhang besteht zwischen der Machtstellung eines Reichs und der Art und Weise, wie die Kauf⸗ leute ihre Geschäfte betreiben. Die Entwickelung des deutschen Exports steht unmittelbar im Zusammenhange mit der Entwicklung unferer politischen Machtstellung. Aber einem Gedanken ist Herr Richter vielleicht nicht ganz unzugänglich. Die Machtfrage spielt eine bedeutende Rolle auch in solchen Fragen, wo es sich um rein geschäft⸗ liche Dinge handelt. Wenn der Staatesekretär Tirpitz aus der Zeit, wo er unfere Schiffe in den chinesischen Gewässern führte, erzählen dürfte, so würde er bekennen, daß unser wirthschaftlicher Einfluß in OftAsien im Zusammenhange stand mit der Unbedeutendheit unserer dort vertretenen Schiffe. Dle Beschäftigung Deutscher in der Türkei steht im Zusammenhange mit der Gunst der türkischen Regierung für Deutschland, welche lediglich auf dem Ansehen Dentschlands beruht. Wie oft haben sich die Beutschen unter den Schutz fremder Vertreter stellen müßsen! So wie früher entwickeln sich die Geschäfte nicht mehr, wo der Hanseate im Auslande sich unter fremden Schutz stellte und feine Geschäfte machte. Die fremden Mächte werden nicht mebr bereit sein, bei der veraͤnderten wirtbschaftlichen Lage die Deutschen zu schůtzen. rr Richter meinte, die Flotte müsse doch stark genug sein, wenn die Regierung die Entsendung so vieler Schiffe nach China ver ⸗ antworten könne. Kontre⸗Admiral Tirpitz hat schon erklärt, daß Deutsch⸗ land dadurch von allen Schiffen entblößt würde. Wir sind augen⸗ blicklich nicht von einem Kriege bedroht; aber wenn das der Fall wäre, fo würde die geringe Zahl unferer Schiffe bedenklich sein. Deutsch⸗ land hat zur Zeit einen jährlichen Export von 33 Milliarden, es nimmt in der Welt die zweite Stelle ein. Niemand wird bestreiten, daß auf die Entwickelung des Exporthandels für Deutschlands Gegen⸗ wart und Deutschlands Zukunft sehr viel ankommt. Herr von Marschall hat schon auf die Bedrohung dieses Exporthandels in Gegen ⸗ wart und Zukunft hingewiesen. Japan, Australien und die südameri⸗ kanischen Staaten sind bestrebt, sich gegen die fremde Einfuhr abzu—⸗ schließen. Wir müssen damit rechnen, daß nach Ablauf der Vertrags- periode die schutzzsllnerischen Interessen ein erböhtes Gewicht erlangt haben werden. Mit der Thatsache, daß England eine bevorzugte Stellung in seinen Kolonien für seine Einfuhr erbält, müssen wir rechnen; England will ein einheitliches Gebiet mit seinen sämmtlichen Kolonien herstellen. Die Vereinigten Staaten von Nord ⸗Amerika haben sich durch die Dingley Bill geschützt; dadurch wird unser Export geschwächt. Der Panamerikanismus ist meines Erachtens noch bedeutender als die Monroe Doktrin. Denn Amerika repräsentiert einen großen, durch alle Zonen gehenden Welttheil, der im stande ist, sich von Europa vollffandig zu emanzwieren. Ein Zusammenschluß sämmtlicher enrcpäischer Staaten wird nothwendig sein, um erfolgreich sich gegen die bevorstehende Konkurrenz von Amerika zu wehren. Deutschland als dem Staate, welcher jetzt den größten Exrort hat, fällt die Rolle zu, für die Weltstellung einzutreten. Herr Schönlank kann nicht be⸗ haupten, daß das romantische Pbantasien sind. Unsere Bevölkerung nimmt in jedem Jahre um 500 000 Menschen ju; eine immer schwierigere Frage ist die: wie wird diese Bevölkerung ernährt? Es bleibt dem Deutschen Reiche nichts übrig, als Menschen oder Waaren auszufübren. In dem Strom unserer Auswanderung ist ein Hemmniß eingetreten, seitdem Amerika sich etwas abschließt egen fremde Einwanderer. Darum erwächst für Deutschlands taatsmänner die Verpflichtung, dafär zu sorgen, daß seine Be— völkerung auf eigenem Boden ernährt wird. Ich könnte davon sprechen, daß durch die gegenwärtige Vorlage die Beschäftigung auf den deutschen Schiffswerften eise regelmäßige sein wird, und daß unsere Eiseninduftrie und der Bergkau dadurch gekräftigt werden; wenn man aber derartige Dinge hier rorträgt, so wird einem sofert das Unternebmerinteresse entgezengebalten. Ich balte diefes Interesse für ebenso legitim im wirtbschaftlichen Leben, wie das Intereffe der bei der Induftrie beschäftigten Personen. Herr Schön⸗ sank ist darüber leichten Herzens binweggegangen, ich sage Ihnen aber (zu den Soz.): Die Arbeiter, die inter Ihnen fteben, werden in immer steigendem Maße die Empfindung bekommen, daß Sie sie schlecht vertreten, wenn Sie ein solches Gesetz ablehnen. Was die formelle Seite der Frage betrifft, so stimme ich mit Herrn Richter darin überein, daß es sich bier nicht um ein Septennat, sondern um ein Aeternat handelt; von ?7 Jabren ist nur inofern die Rede, als innerhalb derselben die Schiffe gebaut werden sollen. Nun wird gesaat: indem wir den j tzigen Reichstag und den zukünftigen auf 7 Jahre jür bestimmte Ausgaben veipflichten, geben wir wichtige Volksrechte auf. Theoretisch kann ich mich dem nicht verschließen; ich verwahre aber meine politischen Freunde dazegen, daß wir die Gtatsrechte und Volksrechte geringer schäßzen, als andere arteien. Es kann sich aber bier nur im wesentlichen um die Praxis ndeln. War denn etwa die Bewilligung der ersten Rate für den Itord. Ost fee. Kanal etwas anderes, als was jetzt gefordert wird? In⸗ dem wir der Regierung die erste Rate von 10 Millionen zur Ver⸗ fügung stellten, berechtigten wir sie dazu, Vertrãge abzruschließen für die Zatunft. Aebnlich berbielt sich Tie Sache bei den Gifen habn. baufen in Glfsaß⸗Lothringen; bei jSedem Kasernenbau, der länger als ein Jahr dauert, ift dasselbe der Fall. Herr Richter berief sicãh auf Gngland. Wir haben keine parlamentarische = wie England, und ich wüßte auch nicht, wie bei uns in diesem Augenblick ein parlamentarisches Minifterium zusammen zu- setzen wäre. Ob man das beklagen oder sich dar zer freuen Joll. ift für mich eine gleichgültige Frage. Nur eines weiß ich mag in England oder Italien ein Minifterium sein, welches es wolle, — wenn einmal ein solches Gesetz erlafsen würde jur Vertbeidigung und wirthschaft; lichen Sicherstellung des Landes, so würde später kin Regierung sich
weigern, die nöthigen Konsequenzen ziehen. Die Aufgaben, die durch dieses Gesetz gelöst werden udn sind so ernst und schwer⸗ wiegend, daß meine politischen reunde nicht anstehen würden, auch der Auferlegung neuer Steuern, neuer Einnahme, quellen, jujzustimmen. Nach dieser Richtung bin hat auch der Abg. Lieber die Bereitwilligkeit seiner Freunde augge⸗ sprochen. Ein Staat, der es sich versagen müßte, nothwendige Be⸗ dürfnisse zu erfüllen, weil ibm dazu die Mittel fehlen, würde eine bedenkliche Schwäche an den Tag legen, eine Schwäche, die Gott sei Dank bei unserem deutschen Volk noch nicht vorhanden ift. Das deutsche Volk hat es niemals versagt, epferfreudig die Mittel bereit- zustellen, wenn es sich um die Erhaltung der Machtftellung und die Sicherung der wirtbschaftlichen Interessen des Vaterlandes handelte. Deshalb hoffe ich, daß die große Mehrheit des Reichstages diesem Gesetz zuftimmen wird. Nach melner innigen Ueberzeugung wird der Reichstag sich in der letzten Session seiner Legislaturperiode dadurch wohlverdient machen um das Vaterland.
Abg. Galler (J. Volkep) erklärt sich gegen die Vorlage, weil es nicht möglich sei, einen so tiefen Eingriff in die Rechte des gegen. wärtigen und des zukünftigen Reickstages gut zu heißen. Wie leicht sich Nationen mit zu weit entwickelter Flotte zu Abenteuern ver⸗ führen ließen, das beweise Frankreich und dessen mexikanisches Abenteuer. Angesichts der großen Landmacht Deutschlands habe die Flotte eine sekundãre Bedeutung. Durch Kanonen und Schiffe könnten über—⸗ seeische Geschäfte nicht verbessert werden, dafür seien Handelsverträge besser. Die Reichsschulden seien hoch genug, als daß man leichtherzig mehr Geld ausgeben könnte. Schließlich würden wieder neue Steuern nötbig werden. Die Stimmung in Süddentschland sei eine durchaus ablehnende und deshalb werde auch seine Partei diese Vorlage ablehnen.
Abg. Zimmermann (Reformp. ;: Die Volksrechte sind meinen Freunden ebenso werthvoll wie allen anderen Parteien. Aber darauf kommt es hier nicht an, in der Nationalfrage der Landes vertheidigung müssen wir eine gewisse Entsagung üben. Wir müssen um so mehr eine günstige Stellung zu der Vorlage einnehmen, als aus den Ausführungen des Staatssekretärs der Marine hervorgeht, daß es Zeiten gegeben hat, wo wir die Küsten nicht schützen konnten, wo wir die Nordsee haben aufgeben müssen. Wir halten es für nothwendig, daß der Reichstag in eine wohl⸗ wollende Prüfung eintritt. Auch Herr Richter hat anerkannt, daß eine Vermebrung der Panzer und Kreuzer für die Oft. und Nordsee vorgeseben sei; das zeigt, daß es sich hauptsächlich um die Vertheidigung Deutschlands handelt. So gerne wir der nationalen Seite der Vorlage Rechnung tragen, so muß doch auch die wirthschaft⸗ liche Seite der Frage gründlich gexrüft werden. Ob bei der schlimmen Lage der Bauern, der Handwerker und Kaufleute die Vorlage An⸗ nahme finden wird, ist eine andere Frage. Die Vorlage bringt wieder eine große Verschiebung zu Gunsten der Großindustrie; darin liegt eine schwere Schädigung des Volkslebens. Das zu verhindern, erscheint uns wichtiger, als die mechanische Erhöhung der Ver—⸗ theidigungsmittel. Die selbständigen Existenzen im Handwerk und Gewerbe sind im Rückgange begriffen. Herr Barth hat ja schon an die Regierung die Forderung gestellt, die Konsequenzen aus ihrer Vorlage für Seebandel und Industrie zu ziehen, d. h. zum Frei handel zurückzukehren. Das ist das Böseste, was gegen die Vorlage gesagt werden kann. Wir sind Gegner der Gründung unserer Volke⸗ wirtbschaft auf die Exportpolitik; wir wollen nach Möglichkeit das Gleichgewicht in Erzeugung und Verbrauch im Inland berstellen. Jedenfalls siebt der Reichstag vor einer schweren Verantwortung, wenn er der Vorlage zustimmt; es müssen gewisse Garantien ge⸗ fordert werden, ehe eine solche Zustimmung erfolgt. Die Limi⸗ tierung der Ausgaben erscheint auch uns als einer der Punkte, um nicht nur Reichstag, sondern auch Regierung zu binden. Noch wich⸗ niger ist die finanztelle Seite. Es ist auf die drobende Taback. und Braufteuererhöhung bingewiesen worden. Wir können unter keinen Umständen einer solchen Steuererhöhung zuftimmen; sind neue Mittel nötig, so müssen sie von leistungsfähigen Leuten aufgebracht werden, die von der Flotte einen Nutzen haben. Das deutsche Volk wird die Kosten schließlich nicht versagen, aber die nationalliberale Partei wird versagen, wenn wir die Lasten auf die leistungsfähigen Schultern legen. Es ergiebt sich für uns die Stellungnahme, daß wir der Vorlage mit großem Wohlwollen gegenüberstehen, weil sie das Ansehen des Reichs beben wird. Manche Bedenken sind geschwunden, kurch die Erklärungen des Herin von Bülow. Wenn dieser Geist Platz greift, dann brauchen wir um die nationale Zukunft nicht bange zu sein. Urser Woblwollen für die Regierung wird mindestens ebenso groß sein wie das Wohlwollen, das die Regierung für den Bauer stets versichert hat. Wir werden sehen, ob in der Kommisston durch maß⸗ gebende Kundgebungen unsere Berenken beseitigt werden können. Die Mehrbeit meiner Freude wird einer durch die Kommissionsberathung geläuterten Vorlage zustimmen können.
Abg. Hilpert (6. E. F): Alle Ausführungen haben mich nicht von der Rothwendigkeit der Vorlage überzeugen können. Ich habe 1393 ür die Militäͤrvorlage gestimmt aus patriotischer Ueber⸗ zeugung. Anders liegt es mit der Flottenvermehrung, die große Dpfer an Geld und Menschen verlangt. Wenn es gilt, für die Veteranen von 1870 eiwas zu thun, dann sind keine Mittel vor⸗ banden. Ich werde mir vorbehalten, ob ich für oder gegen die Vor lage stimmen werde. .
Abg. Molkenbubr (Soz): Die Vorlage muß doch von an⸗ deren Gesicht punkten als allein von den nationalen und wirtbschaft⸗ lichen aus betrachtet werden. Es handelt sich hauxptsächlich um die Vermehrung der Panzer, während die Agitation in Lande die andere Seite, den Schutz des Handels in den Vordergrund schiebt. Daran ist auch die Marin ederwaltung nicht unschuldig, welche ja dafür die nöthigen Zablen und Materialien giebt. Wie soll die Flotte gegen den sich ausdehnenden Schutz oll anderer Staaten helfen? 1870 war auch eine Küstenwache aufgeftellt, aber niemand dachte daran, daß die fran⸗ zoͤsischen Schiffe eist in der nächsten Nähe von Hamburg aufgehalten werden sollten: es gab vorher schon Punkte genug, wo man sie zerstört hätte. England bat für 76 Handels schiffe ein Kriegsschiff, Deutsch. land würde bei 19 Schiffen auf 39 Handelsschiffe ein Kriegeschiff haben. Dabei sind unter den deutschen Schiffen noch Fahrzeuge, welche lediglich als Käbhne ohne Mast bezeichnet sind, die für den eigentlichen Seeverkehr gar nicht in Betracht kommen. Scheidet man diese kleinen Schiffe aus, so würde in England auf 34, in Deutsch⸗ land auf 25,8 Seefahrerschiffe ein Kriegeschiff kommen. In England kommen auf 100 Mann Besatzung der Handelsmarine 40 Mann Be⸗ satzung der Kriegeichiffe, in Deutschland aber auf 109 Mann schon 62 Mann. Die Werften und die großen Werke sind natürlich bereit, die schöne Arbeit.! welche die Vermehrung der Schiffe mit sich bringt, auszuführen, wenn sie auch bei der Arbeit selbst manchmal sebr inter ⸗· national verfahren, indem sie sich die billigen Arbeiter aus Rußland und Italien kommen lassen. Die Steuern, welche zur Bezablung der Schiffe noͤthig sind, werden natürlich nicht von den großen Herren, sontern von den großen-Arbeitermassen ju tragen sein und die Be⸗ körden werden eingreifen, wenn die Arbeiter versuchen sollten, ihre Löhne durch Strikes gufzubessern. Und woher will man die see⸗ männischen R,räfte zur Bejetzung der Kriegsschiffe nehmen? Darauf giebt die Vorlage keine Anwort. Zum Schutze des Handels gäbe es auch andere Wege, 1. B. das Verbot des Seeraubes zur Kriegszeit durch internationale Verträge. Deshalb haben wir alle Ursache, die Voꝛ lage abzulehnen; denn der Handel ist hinreichend geschützt.
Abg. Dr. Graf zu Stolberg ⸗Wernigerode (d.kens.): Als Graf Limburg ⸗Stitum die Stell ung meiner Freunde dargelegt hatte, da wies er darauf bin, daß der Reichstag durch sein zustimmendes Votum die Stellung der Regierung im Auslande stärken könne. Wir sind dem Ziele, ein zustimmendes Vetum zu erreichen, ein gut Stück naher gekommen. Als im Frühjahr neue Sciffe ge⸗ fordert wurden, entbrannten darüber heftige Debatten. Heute, bei der viel wichtigeren Vorlage, sind rie Debatten in einem le denschaftslosen Tone gefübrt worden. Darin liegt ein er⸗ freulicher Fortschritt. Die Stimmung im Volke ist eine ent⸗ schier en flottenfteundlichere geworden, als sie es im Frühjabr war. Dazu trugen die überseeischen Konflikte bei und der Umstand, daß wir eine gedraͤngte, maßvolle Vorlage haben, sowie die verbindliche Art
und Weise, wie die Vorlage vom worden ist. Der Admiral i
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die Ver en nam ; — Weg ein. geschlagen? Die Vorlage nützt zunãchft dem Handel und der Induftrie.
Wenn auch zwischen diesen und der Landwirtbschaft mancherlei Gegen. . einander angewielen. Die Schädigung der Induftrie in ihrer Kauf. kraft würde die Landwirthschaft ebenfalls schädigen, weil sie ihre Pro. dukte nicht absetzen könnte. Auf der Solidarität aller Intereffen beruht der franzöftsche Nationalwohlstand. Die Bedeutung der Marine im Falle eines Krieges wird vielfach unterschätzt. Die Entscheidung eines Krieges wird allerdings beim Landheer liegen Aber der Krieg von 1870 ist sehr schnell und günstig für uns verlaufen. Wir müssen mit einem länger. dauernden Kriege, rechnen. Wenn wir während eines solchen Krieges auf längere Zeit blockiert werden, würden uns die Lebensmittel und die Erneuerung der Mu—⸗ nition abgeschnitten werden. Die Thätigkeit der Marine würde dann von ausschlaggebender Bedeutung sein. Es hat sich überbaupt noch niemals ein Land ruiniert dadurch, daß es zuviel Geld für sein Heer und für seine Flotte ausgegeben hat; im Gegentheil, der Untergang von Staaten erfolgte, weil aus Bequemlichkeit und Sparsam keit die Wehrhaftigkeit vernachlässigt wurde. Wenn wir die Nothwendigkeit der maßvollen Forderungen der Vorlaée erkannt haben, können wir ibr ruhig zustimmen, zumal dadurch eine Organisation geschaffen wird, welche die Flette selbst einer an Zabl überlegenen gegenüber leistunge- fähig macht. Wir wollen wie die Regierung das Wohbl des Vater⸗ landes; daher können wir mit vollem Vertrauen die Vorlage an— nebmen. Sollte sich herausstellen, daß mit der Organisation daz Richtige nicht getroffen ist, so wird es nothwendig fein, eine Aende⸗ rung herbeizuführen, und ich hoffe, das der nächste Reichstag seine Hilfe dazu nicht versagen wird. Ich würde die Vorlage ohne weiteres annehmen. Wenn es gelingt, eine andere Ferm zu finden, die dae selbe erreicht, so wird sich darüber reden lassen. Möge über die wichtige Frage eine Einigung zu stande kommen.
Damit schließt die Diskussion; die Vorlage wird an die Budgetkommission überwiesen.
Es folgt nachstehende Interpellation des Abg. Basser⸗ mann (nl):
Welche Maßregeln gedenken die verbündeten Regierungen m ergreifen, um den auf Monopolisierung des deutschen Petroleum. handels gerichteten Bestrebungen der Standard Dil Company ent gegenzutreten?“
Staatssekretär des Innern, Staats-Minister Dr. Graf von Posa dowsky⸗Wehner: Ich bin bereit, die Interpellation sofeort zu beantworten.
Abg. Bassermann (nl): 1862 begründete Herr Rockefeller eine kleine Raffinerie für Petroleum; er hat es sehr bald verstanden, eine Vereinigung aller Raffinerien herbeizufübren, namentlich auch durch eine Vereinbarung mit den Eisenbabnen bezüglich der billigeren Verfrachtung von Petroleum. Die Kämpfe gegen seine Bestrebungen baben stets mit einem Siege des Herrn Rockefeller geendet, der dadurch eine Weltmacht geworden ist, deren Vorgehen den Charakter der brutalen Rücksichtslesigkeit trägt und selbst vor der Bestechung maßgebender Faktoren in Amerika nicht zurückschreckt. Die Be— strebungen, Deutschland, dessen Einfuhr von Petroleum von großer Bedeutung ist, unter die Verrschaft der Standard Oil Company zu bringen, sind bekannt Man hat die deutschen Interessen am — aufgekauft oder durch die Konkurrenz vernichtet.
nfang der neunziger Jahre wurde der Kampf aufgenommen gegen die bisher noch Widerstand leistenden Fabriken, Philipp Poth in Mannheim und Rossow, Jung u. Co. in Bremen. Der Kampf bat mit dem Unterliegen der beiden Firmen geendigt, sodaß das Prixat= monopol durchgeführt ist. Der Reichstag und die verbündeten Re— gierungen haben die Bedenklichkeit eines folchen Privatmone⸗ pvols vollständig anerkannt. 1895 wies Staatssekretr von Boetticher auf die Schädigung des deutschen Publikums bin, welche durch die Steigerung des Petroleumpreises entftehen würde; er erklärte, daß die Reichsregierung bereits in Erwägungen eingetreten sei; die Erwägungen sollen nach einer Aeußerung desselben Staatssekretärs Ende 18980 einen gewissen As schluß gefunden haben. Die noch vorhandenen selbständigen Händler sucht man in die Macht der Standard Oil Company ju ziehen durch besondere Kontrakte, deren Inhalt der Redner mittheilt. Die Händler würden dadurch nur Kommissionäre, ja eigentlich nur Beamte der Gesellschaft werden. Protestversammlungen haben sich mit Beschwerden an den Reichskanzler gewendet. Die Standard Oil Company hat del Petroleum direkt an die Konsumenten gehracht und theilweise ist in meh reren Stãdten des Westens schon der ganze Zwischenhandel vollständig au⸗⸗ geschaltet worden. Es ist behauptet worden, daß der Konsument ken Interesse an der Ausgestaltung der Dinge habe, weil die Preise gegen ⸗ wärtig sehr niedrig sind. Als eine Fusion der Gesellschaften * standen war, trat eine Preissteigerung ein. Als aber die Pure On Company den Kampf aufnahm, trat eine Preisermäßigung ein, die Konkurrenz zu vernichten. Wenn einmal ein vollständiges Nen der Organisation über alle Theile Deutschlands verbreitet ö wird die Konkurrenz nicht mehr eingreifen können. Darn tritt des Interesse der Konsumenten neben dem der Hännler in den Vordergrund. In Belgien ift das Monopol durch die Sr böhung der Preise um 25 /o zu Tage getreten. Die Einfübrrns von Gas und Elektrinität verursacht Kosten. Der Spiritus kenn
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dem Petroleum vielleicht Konkurrenz machen, aber er kann es 1 2 bei den kleinen Motoren nicht ersetzen. Wenn das Monopol dar= eführt wird, wird es gelingen, die Notierung der Preise zu beseit:sn*. 71 konkurrierendes Land käme zunächst Rußland in Betracht; es ien sich aber ein geradezu fluchtartiges Zurückweichen der russischen Petroley * ausfuhr. Man nimmt an, daß eine Verstãndigung mit der amerikani cd Gesellschaft zu stande gekommen ist. Galizien sucht seinen Absatz hauptfächlich in Oesterreich. Ob die Pure Oil Comrpanꝰ den Gard! zu fübren im ftande ist, ist zweifelbaft. Was muß geschehen seitenẽ der Regierung, um den Monopolisierungsbestrebungen entgegenzutreten Es wird für die verbündeten Regierungen schwer sein, durchgreifende Maßregeln zu treffen. Die Interrellation foll auch den Zweg hat. die schwanken den Elemente in dem Kampfe zu befestigen. Die Gin⸗ fubr des ruffischen Petroleums soll begünstigt werden kännen durch Verkauf nach Gewicht, nicht nach dem Füssigkeitsmaß. Ein weitere Weg wäre die Festsetzung eines gewissen Minimum ven Kernöl: ferner soll der Test in Deutschland von 21 Grad auf 28 Grad erhöht wer enn. Weiter ist darauf hingewiesen worden, man möge die Einfuhr russischen Petroleums durch ermäßigte Frachten erleichtern. Desterreich · Ungarn sst mit einem Gesetzentwurf Über die Kartelle vorgegangen, indem die letzteren unter Staatsaufsicht stellt; die Ausführung eines Rartelli kann untersagt und bestraft werden, wenn dadurch die Konsumtesh und die Gizeugung beeinträchtigt wird. Man wird sagen: alle solchen Maßregeln werden nichts helfen. Aber eines könnte erl. erreicht werden, daß der Exiftenz⸗ und Konkurrenzkampf auf eine Reihe ren Jahren bin aus verlängert würde. Die Gefahr ist nickt gering, din wenn das Netz der Organisation über ganz Deutschland ausgespan
sein wird, wird man nichts mehr ausrichten können. .
Staatssekretãr des Innern, Staats⸗-Minister Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner:
Meine Herren! Die Frage ist in dem Ausgangspunkte, welcher Veranlassung gegeben hat zu dieser Interpellation, eine ziemlich schwierige⸗ Auf der einen Seite befindet sich ein mächtiger Produjent, wel⸗ gleichjeitig Besttzer eines großen Theils des Rohmaterials ist, auf der
anderen Seite stehen deutsche Käufer, welche in einem priwvatrecht.⸗ lichen Vertrags verbãltniß mit der Standard Dil Company bezũglich deren Filialen in Deutschland steben. Es fragt sich nun: ist die Gesetztebung in der Lage, einzuschreiten gegenüber einem solchen privaten Vertragsverhãltniß, was man vielleicht nach den Bestimmungen, die jetzt den deutschen Abnehmern vorgeschrieben sind, juristisch als conditiones turpes“ enthaltend zu bezeichnen geneigt ist. Man würde einem Verlangen gegenüber, daß die Staatsregierung sich in dieses Vertrage verhältniß einmischen sollte, vielleicht mit Recht den Ginwand erheben können: daß es sich eben lediglich um ein privates Vertragsverbältniß bandelt, ein Vertrags verhältniß jwischen Käufer und Verkäufer. Es ist ferner fraglich, ob diese Bedingungen, wenn man sie auch seitens der Interessenten für „eonditiones turpes? hält, juristisch die Auflösung des Vertrags herbeiführen könnten. Andererseits steht aber auch allen den Abnehmern, die solche Vertrãge noch nicht geschlofsen haben, vollkommen frei, die Vollziehung der Vertrãge abzulehnen.
Meine Herren, wenn ich von dieser Grundlage aus zunächst auf die Wirkung übergehe, welche die deutsche Filiale der Standard Dil Company, die Deutsch⸗Amerikanische Petroleum ˖ Gesellschaft in Bremen auf die Preisgestaltung ausgeübt hat, so muß ich allerdings anerkennen, daß seit Begründung der Deutsch ⸗Amerikanischen Petroleum · Gesellschaft in Bremen die Preise für Petroleum in Deutschland zu Gunsten des deutschen Konsumenten fast fortgesetzt in absteigender Linie sich bewegt haben. (Hört, hört! Sehr richtig) Im Jahre 1890 ist die Deutsch⸗Amerikanische Petroleum ⸗Gesellschaft begründet worden. Damals stand der Durchschnittspreis für einen Doppel zentner Petroleum Standard Oil auf 13, * Der Preis sank im Jahre 1891 auf 12,6, im Jahre 1892 auf 11,1, im Jahre 1893 auf 955; im Jahre 1894 stieg er um eine Kleinigkeit, auf 9,7 4 Dann kam das berühmte Jahr 1895, wo hier im hohen Hause zuerst die Petroleumfrage Gegenstand einer ziemlich eingehenden Erörterung wurde. — Es ist nicht aufgeklärt, ob es sich damals um eine Spe ku⸗ lation der Standard Dil Company handelte, oder ob in der That die Standard Oil Company nicht über die nöthigen Roh— materialien verfügte. Das kann man aber sagen: die Deutsch⸗ Amer ikanische Petroleum ⸗ Gesellschaft hat nach der glaub⸗ würdigen Versicherung ihrer Vertreter keinen Nutzen aus dieser Preis- steigerung gezogen, sondern selbst, weil sie das nöthige Petroleum ihren deutschen Abnehmern nicht liefern konnte, sehr erhebliche Ver⸗ luste erlitten.
Bekanntlich stieg im April 1895 der Preis für den Doppel Zentner auf 19 4; infolgedessen war auch der Durchschnittspreis für das Jahr 1895 wieder ein erheblicher, das heißt 13,5, fast ebenso hoch wie im Jahre 1890, als die Deutsch⸗ Amerikanische Petroleum. Gesellschaft gegründet wurde. Im Jahre 1896 sank der Preis wieder auf 12,4, und jetzt in der Zeit vom Januar bis Oktober hat der Durchschnittspreis 10,82 betragen. Der billigste Preis, den wir überhaupt seit dem Jahre 1890 gehabt haben, war 9g, 28, und heute steht der Preis in Bremen 9, 80. Meine Herren, man wird also die Behauptung nicht erweisen können, daß die deutsche Filiale der Standars Dil Company dazu beigetragen hätte, den Petroleumpreis in Deutschland zu steigern, selbst wenn man das Jahr 1895 in Betracht zieht. Daß der Preis so gesunken ist, das ist, glaube ich, eine ganz natürliche Erscheinung, die einerseits in der Konzentration des Petroleumhandels liegt, die ja fast den Charakter einer Monopolvoerwaltung trägt, und andererseits in der ausgezeichnet geschickten Art, mit der es die Deutsch⸗Amerika⸗ nische Gesellschaft verstanden hat, das Petroleum in der denkbar be⸗ quemsten Weise allen Abnehmern zuzuführen.
Es wird indessen die Debatte wesentlich abkürzen können, wenn ich die Erklärung hier verlese, die ich auf Grund mündlicher Verhandlungen von einem Vertreter der Deutsch⸗Amerikanischen Petroleum Gesellschaft erhalten habe. Dieser Herr hat mir gegenüber erklärt: er habe bereits Auftrag gegeben, keine weiteren solchen Verträge wie diejenigen, die zum Gegenstande lebhafter Beschwerden, namentlich von Mannheim aus, geworden sind, abzuschließen, und es liege nicht in der Absicht der Deutsch⸗Amerikanischen Petroleum—⸗ Gesellschaft, je wieder mit solchen Verträgen vorzugehen. Sie konnten sich freilich nicht fest binden, da es sie sonst lahm legen würde, wenn die Pure Dil Company demnächst mit solchen Verträgen vorgehen würde. Sie seien auch nicht in der Lage, der Mannheim⸗ Bremer Petroleum ⸗Aktiengesellschaft Vorschriften zu machen, doch wisse er, der Bertreter der Deutsch⸗Amerikanischen Gesellschaft, daß auch die Nannheim⸗Bremer Petroleum⸗Gesellschaft keine weiteren Abschlässe auf Grund dieses angefeindeten Vertragsformulars mehr schließen würde, und er bezweifle auch nicht, daß auch ferner die Mannheim-Bremer Petroleum⸗-Ge—⸗ sellschaft auf solche verzichte; wenigstens würde die Deutsch⸗Amerika⸗ nische Petroleum Gesellschaft alle Mühe anwenden, um die Mannheim ⸗Bremer Gesellschaft zu einem solchen Verzicht zu bewegen.
Meine Herren, wenn hiermit das abgeschlossen ist, was ich über die private Seite der Frage zu sagen vermag, und was immerhin erkennen läßt, daß die bezeichneten Filialen der Standard Dil Company wohl selbst zur Erkenntniß gekommen sind, daß man solche Verträge dem deutschen Händler nicht jumuthen sollte und auf dem begonnenen Wege einhalten muß, so ist damit doch für die Reichs regierung die Frage nicht erschöpft, denn die Frage ist für sie wichtig, insoweit es sich hier auch um ein vol kswirthschaftliches Interesse handelt. Bereits im Jahre 1895, als die große Preissteigerung stattfand, bin ich in die Erwägung der Frage eingetreten, ob es mög⸗ lich wäre, mit Mitteln des Reichs oder der Einzelstaaten die deutschen Dutsiders, insbesondere die Firmen in Bremen und Mannheim, welche noch nicht unter der Kentrole der Standard Oil Company standen, zu unterstützen. Es hätte das nur geschehen können, wenn man große Kapitalien flüssig gemacht hätte, um jene Herren in die Lage zu versetzen, an allen wichtigen Zentralpunkten des Eisenbahn— verkehrs große Tanks zu errichten und sich große Tankschiffe zu be⸗ schaffen, nicht nur für den ozeanischen Verkehr, sondern auch für den Verkehr die Flüsse aufwärtsz. Aber bei näherer Erwägung mußte man sich doch sagen, daß das eine Aktion ist, welche eine Staattreglerung nicht in Bewegung setzen kann; denn wer garantierte ung, selbst wenn wir diese große Verantwortung übernommen hätten, wenn wir uns so in Handel und Wandel, in Angebot und Nachfrage gemischt hätten, daß nicht dann vielleicht die Standard Oll Company ihrerseitg den Outsiders solche Offerte machte, daß letztere sich unter den ander ⸗
weiten günstigeren Bedingungen für ihren Betrieb demnächst doch mit der Standard Dil Company verbunden hätten und so unsere Anlagen entwerthet und damit unsere Kapitalien nutzlos vergeudet wären? Wenn ich deshalb in der Presse einen Angriff gegen die Reichsregie⸗ rung gelesen habe, daß sie im Jahre 1895 nicht sofort ganz energisch zu Gunsten der Dutsiders gegen die Standard Oil Company vor- gegangen sei und die deutschen Outsiders unterstũtzt hätte, so, glaube ich, sind diese Angriffe vollkommen unberechtigt. Ich glaube nicht, daß sich das hohe Haus dazu hätte bereit finden lassen, der Reichs Finanz- verwaltung Mittel in die Hand zu geben, um den Kampf der deut⸗ schen Dutsiders gegen die ausländischen Trusts zu unterstützen, weil vorübergehend die Petroleumpreise gestiegen waren.
Wenn aan aber von der Voraussetzung ausgehen könnte, daß die Standard Oil Company ihr Monopol in Deutschland beabsichtigt noch weiter auszubilden, um demnächst eine unbillige Preis⸗ steige rung des Petroleums herbeizuführen, so giebt es meines Erachtens nur drei Wege der Abwehr, die zum theil von dem Herrn Interpellanten schon angedeutet worden sind. Der eine Weg besteht zunächst in der Begünstigung des russischen Petroleums. Uns könnte es in vielen Beziehungen nur erwünscht sein, wenn sich das russische Petroleum in Deutschland einen weiteren Markt suchte. Wir haben auch das russische Petreleum bereits dadurch begünstigt, daß wir die Zollabfertigung des russischen Petroleums nach Volumen und nicht nach Gewicht nachgelassen haben, weil bekanntlich dasselbe ein größeres spezifisches Gewicht hat, als das amerikanische. Trotz dieser Begünstigung zeigt aber die Statistik nicht, daß die Einfuhr russischen Petroleums gewachsen ist, wenn man auch von einer fluchtartigen Zurückziehung aus Deutschland nicht sprechen kann. Ich gestatte mir, die Zahlen anzuführen. Im Jahre 1894 be⸗ trug die Einfuhr von amerikanischem Prtoleum 7574139 dz, während von russischem Petroleum nur 232 091 dz eingeführt wurden. Im Jahre 1895 war die Einfuhr des amerikanischen Petroleums ungefähr die gleiche, die Einfuhr des russischen Petroleums stieg rund auf 550 000 42; im Jahre 1896 sank sie auf 430 000 d2 und im Jahre 1897, in der Zeit vom Januar bis Oktober, haben wir eine Einfuhr von russischem Petroleum von 296 000 4z gehabt. Es scheint deshalb, daß man in Rußland entweder nicht den Werth auf den deutschen Markt legt, wie wir wünschten, oder daß das russische Petroleum mit dem Preis des amerikanischen Petroleums nicht wirk⸗ sam zu konkurrieren vermag.
Welche Mittel könnten wir nun weiter ergreifen, um dem russischen Petroleum die Versorgung des deutschen Markts zu erleichtern? Zunächst ist es, wie schon der Herr Interpellant angeführt hat, mög lich, den Testpunkt, d. h. Inflammungspunkt, zu erhöhen. Be— kanntlich beträgt der Testpunkt für das Petroleum, das vorzugsweise in Deutschland gebrannt wird, Standard White, 21 Grad Celsius, des theureren Water White dagegen 23 Grad; das russische Petroleum hat einen Testpunkt von ea. 30 Grad. Man könnte also in Deutschland den Testpunkt erhöhen, damit namentlich das minderwerthige amerikanische Petroleum ausschließen und immerhin das russische Petroleum so etwas konkurrenzfähiger machen. Aber eine Seite hat diese Erhöhung des Testpunktes, die uns bisher von dieser Maßregel zurückgehalten hat. Die Erhöhung des Testpunktes bedingt nämlich selbstverständlich eine bessere Raffination und eine solche vertheuert den Preis dieses wichtigen Konsumartikels. Die Erhöhung des Testpunktes würde also unzweifel⸗ haft mit Opfern verbunden sein für die deutschen Konsumenten.
Dann hat der Herr Vorredner von den Herzeigenschaften des Petroleums gesprochen. Man solle Vorschriften erlassen, welche bestimmte Qualitäten des Petroleums bedingen, und so geeignet sind, das russische Petroleum gegenüber dem amerikanischen zu be— günstigen. Auch darüber haben wir im Reichs ⸗ Gesundheitsamt sehr eingehende Versuche angestellt, sind aber ju der technischen Ueber⸗ zeugung gekommen, daß die verschiedenen Herzeigenschaften der ein⸗ zelnen Petroleumsorten nicht wesentlich genug sind, um daraufhin irgend eine Maßregel gegen ein bestimmtes Petroleum ergreifen zu können. Eine Maßregel, die wir schaa ergriffen haben, ist die Zoll⸗ abnahme nach dem Volumen anstatt nach dem Gewicht. Hierin liegt in der That schon jetzt eine gewisse Begünstigung des russischen Petroleums gegenüber dem amerikanischen. Wir könnten nun, da das Petroleum eingekauft wird nach dem Gewicht, und verkauft nach dem Volumen, das russische noch dadurch weiter be⸗ günstigen, daß man gesetzlich vorschriebe: Petroleum darf über⸗ haupt nur nach Gewicht verkauft werden. Da das russische schwerer ist, würde es hierdurch einen Vorsprung erlangen. Ich bitte aber zu erwägen, daß diese Maßregel ebenfalls nicht ganz ohne Be⸗ denken ist. Zunächst wird selbstverständlich der Verkauf von Pe— troleum in Detailgeschäften nach Gewicht das Geschäft außerordentlich erschweren, während jetzt der Petroleumverkauf so glatt, ich möchte fast sagen, so elegant reguliert ist, daß die Manipulation nichts zu wünschen läßt. Im Keller hat der Detailhändler sein Reservoir, oben im Laden füllt er es ab; es ist eine Skala da, an welcher er genau ablesen kann, wie viel er verkauft, wie viel Bestand er noch hat. Dieser bequeme Verkauf des Petroleums würde wahrscheinlich verschwinden.
Aber noch weiter. Erlassen wir eine derartige gesetzliche Vor⸗ schrift, so wird vor allen Dingen der ambulante Verkauf des Petroleums wesentlich erschwert, wenn nicht unmöglich gemacht. Denn das wird sich schwer machen lassen, daß der umherfahrende Wagen jedem Konsumenten auf der Straße oder im Hause das Petroleum juwiegt. Eine sehr wichtige Frage würde die sein: Können wir die Raffination des Petroleums, oder vielmehr ist es praktisch, wäre es eine wirksame Maßregel gegenüber der Standard Oil Company, die Raffination des Petroleums für den deutschen Verbrauch nach Deutschland zu verlegen? Diese Maßregel hat zwei Voraussetzungen: erstens müßten wir selbstverständlich eine Zolldifferenz eintreten lassen zwischen Roh— petroleum und raffiniertem Petroleum. Dlese Zolldifferenz könnten wir in zwiefacher Weise herstellen: entweder, indem wir den jetzigen Petroleumzoll von 6 ½ pro Doppelzentner belassen, und den Zoll für Rohpetroleum ermäßigen. Damit wäre ein erheblicher finanzieller Verlust für die Reichskasse verbunden, oder, indem wir den jetzigen Zoll von 6 Æ für Rohpetroleum belassen und den Zoll für raffiniertes Petroleum erhöhen. Damit wäre selbstverständlich eine Vertheuerung des Konsumartikels für die Konsumenten verbunden; denn wenn auch die Petroleumraffinerie nach Deutschland für deutschen Verbrauch verlegt würde, so würden die deutschen Raffinerien doch nicht billiger verkaufen, als wie um den
Preis des Rohprodukts plus Raffinadenzoll. (Sehr wahr) Außerdem hat es noch das eine Bedenken, daß, wenn wir die Petroleumraffinerie nach Deutschland verlegten, wir den Nebenprodukten der Braunkohlen industrie eine sehr lästige Konkurrenz machen würden. Aber über diese Bedenken würde man schließlich doch hinwegkommen. Zweierlei ist mir jedoch noch zweifelhaft. Erstens ist man bekanntlich in Frank⸗ reich mit großen finanziellen Opfern für den Staat den Weg gegangen, daß man den Petroleumzoll für Raffinade und Rohpetroleum differenziert, um die Raffinerie nach Frankreich ju ziehen. Die Wir⸗ kungen davon sind nicht sehr ermuthigend, denn während wir beispiels =. weise in Deutschland für den Kopf einen Petroleumperbrauch von 16,4 Kg haben, hat Frankreich nur einen solchen von 5,8. Ferner wird von zuverlässiger Seite behauptet, daß auch in den französischen Raffinerien die Standard Oil Company ihre Hand drin babe. Ich wüßte auch in der That kein Mittel, zu verhindern, daß die Standard Dil Company sich eventuell in Deutschland entweder eigene Raffi⸗ nerien anlegte, oder sich kapitalistisch an den vorhandenen Raffinerien betheiligte.
Es ist von dem Herrn Interpellanten auf das österreichische Kartellverbot hingewiesen. Soweit meine Kenntniß der österreichi⸗ schen Verhältnisse reicht, handelt es sich hier um eine gesetzgeberische Vorlage, die bisher nicht zur Verabschiedung gelangt ist. Man hat aber meines Wissens in einer Anzahl amerikanischer Einzelstaaten Versuche mit dem Kartellverbot gemacht, aber gleichzeitig auch die Erfahrung machen müssen, daß ein solches gesetzliches Verbot nicht durchführbar ist, sondern an allen Ecken und Enden umgangen werden kann.
Ein anderer Weg, um das russische Petroleum gegenüber dem amerikanischen zu begünstigen, ist noch der, die Eisenbahnfrachten für das russische Petroleum herabzusetzen. Meines Wissens haben darüber bereits im Königlich preußischen Eisenbahn⸗Ministerium Erwägungen stattgefunden und sind zu einem gewissen Abschluß gelangt. Einem Mißbrauch des amerikanischen Trusts könnte man endlich dadurch begegnen, daß man durch eine Zoll⸗ erhöhung eventuell das fremde Petroleum überhaupt ver⸗ theuerte, um zu ermöglichen, deutsche Brennstoffe bei uns zu verwenden. Ich denke hierbei an die Versuche auf dem Gebiete der Verwendung des Spiritus als Leuchtstoff. Wenn jetzt der Liter Petroleum den Preis von 20 8 hat und der Liter 100 0, Spiritus zu 236 geliefert werden könnte, würde nach einem sachverständigen Gutachten, welches mir abgegeben ist, der Spiritus mit dem Petroleum konkurrieren können. Jemehr sich also eventuell der Preis des Petroleums erhöhen sollte dadurch, daß die Standard Oil Company von ihrem Trust einen rücksichtslosen Ge⸗ brauch machte, desto mehr würde die Wahrscheinlichkeit steigen, daß der deutsche Spiritus als Leuchtmittel in eine erfolgreiche Konkurrenz mit dem Petroleum zu treten vermöchte. Ob es aber jetzt möglich ist, daß die Landwirthschaft den Liter 100 gradigen Spiritus zu 26 3 herstellt, ist mir zweifelhaft; im gegenwärtigen Augenblick geschieht es jedenfalls nicht. Sollten aber die amerikanischen Petroleumpreise gesteigert werden, so würde mit jedem Pfennig Steigerung die Möglichkeit wachsen für die deutsche Landwirthschaft, mit ihrem Spiritus die Konkurrenz mit dem Pe⸗ troleum aufzunehmen. Das wäre allerdings nach meiner Ueberzeugung für die deutsche Landwirthschaft die glücklichste Sösung der Agrar⸗ frage. (Heiterkeit) Schon jetzt würden die deutschen Brennereien in der Lage sein, ihre Produktion zu verdoppeln (sehr richtig! rechts), und wenn sie ihre Produktion an Spiritus vervierfachten, dann würde sehr wohl der Spiritus konkurrieren mit dem Petroleum auch in Bezug auf das Quantum lsehr richtig! rechts), und mir ist auch von sachverständiger Seite — ich habe als Reichs⸗-Schatzsekretär und jetzt von neuem die Frage einer Prüfung unterzogen — versichert worden, daß zur Zeit Spirituslampen konstruiert werden, die voll⸗ kommen explosionssicher sind und allen Anforderungen des häuslichen Bedarfs genügen. Ich glaube also, wenn die Standard Oil Company ihre Trustrechte mißbrauchen sollte, so würde hierin ein willkommener Anlaß für die deutsche Landwirthschaft liegen, die Spiritusproduktion zu vergrößern und wirklich einen ernsten Wettbewerb mit dem Petroleum zu be⸗ ginnen. Wenn bisher dieser Wettbewerb nicht möglich gewesen ist, so liegt es vielleicht einestheils daran, daß man in der Konstruktion der Leuchtkörper noch nicht so weit gekommen ist, wie es wünschens⸗ werth, daß diese Leuchtkörper noch zu zerbrechlich sind, namentlich für grobe ungewandte Hände, anderentheils aber auch daran, daß bei dem gegenwärtigen, verhältnißmäßig noch geringen Gebrauch von Spiritus lampen dieselben noch zu theuer sind, weil sie in zu geringem Um⸗ fange produziert werden. Würde der Spiritus in größerem Umfange als bisher als Leuchtmittel verwendet werden, so würde selbstverständlich auch die Produktion des Leuchtkörpers wie die Produktion der Lampen eine wesentlich billigere werden.
Meine Herren, ich meine, wir haben immer noch, wenn auch, wie ich angedeutet habe, beschränkte Mittel, gegen eventuelle Mißbräuche der Standard Oil Company zu kämpfen, selbst wenn uns dieser Kampf vorübergehend gewisse finanzielle Opfer auferlegen sollte. Ich kann Ihnen deshalb versichern, daß, wenn die Standard Oil Company dazu übergehen sollte, in einer unbilligen Weise, spekulativ, die Preise dieses für uns so wichtigen Konsumartikels zu erböben oder fernerhin ungerechtfertigt hoch zu halten, wir alle diese Mittel, die hier angedeutet sind, rücksichtslos und sofort gebrauchen werden. (Bravo!) Ich wünsche aber vor allen Dingen, daß die russische Petroleumindustrie es sich mit allem Ernste angelegen sein läßt, ebenso wie die Outsiders der Pure Oil Company in Amerika, auch ihrerseits in eine wirksame Konkurrenz mit der Standard Oil Company zu treten. Alles das, was wir thun können, um diese Konkurrenz zu erleichtern, wird von unserer Seite eventuell geschehen. (Bravo )
Auf Antrag des Abg. Dr. Barth (fr. Vgg.) wird be⸗ schlossen, in die Besprechung der Interpellation einzutreten, die Besprechung selbst aber vertagt.
Schluß nach 5 Uhr. Nächste Sitzung Freitag 1 Uhr. e n fa der Interpellation Bassermann und erste Lesung es Etats.