1898 / 26 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 29 Jan 1898 18:00:01 GMT) scan diff

Deutscher Reichstag. AV. Sitzung vom 28. Januar 1898, 2 Uhr.

Das Haus setzt die zweite Berathung des Reichshaus⸗ halts⸗Etats für das Rechnungsjahr 1898, und zwar des Etats des Reichsamts des Innern, bei den Ausgaben für das Kaiserliche Gesundheitsamt fort.

Abg. Oertel (Son,) macht auf die Gefahr aufmerksam, die für

die Arbeiter durch Milzbrandvergiftung, die in den Roßhaar—⸗ pinnereien 2c. möglich sei, vorltege. Der verstorbene Abg. Grillen⸗

erger habe bereits mehrfach auf diese Vergiftungsgefahr hingewiesen, und es sei bedauerlich, daß eine große Verzögerung entstanden sei in dem Erlaß von Vorschriften bezuglich dieser Betriebe, die schon längere Zeit ausgeartet seien, gegen die aber eine bet Qpposition 8. der Unternehmer entstanden sei, während die Arbeiter diese

orschriften als das Mindeste dessen betrachteten, was angeordnet werden müßte. Die Unternehmer wollten die Desinfektion der ö ausschließen, weil diese Haare darunter leiden würden, sie wollten ferner von der wirksamsten Desinfektion durch Dampf nichts wissen. Damit würden die ganzen Vorschristen aber wirkungslos werden. Auch gegen den Ausschluß der minderjährigen Arbeiter aus diesen Be⸗ trieben gerwahrten sich die Unternehmer, obgleich diese Bestimmung erst 1908 in Kraft treten sollte. Ebenso sträubten sie sich gegen den alljährlich einmal vorzunehmenden Kalkanstrich der Arbeitsräume, weil die Arbeiter für die Tage, an denen der Anstrich erfolgen würde, ihren Lohn verlören; die Arbeiter seien aber bereit, diesen Lohnverlust zu tragen. Wie werde sich die Regierung zu diesen Wünschen der Unternehmer stellen? Die Vereinigten Pinselfabriken hätten trotz reichlicher Abschreibungen 10 o0g Dividende vertheilt. Die Unternehmer meinten, daß die Desinfektion die Waare ver⸗ schlechtere. Das werde bestritten, besonders bezüglich des Verfahren einer Mailänder Firma, über welcheg das Kaiserliche Gesundheitsamt doch wohl Erkundigungen eingezogen habe. Besonders gefährlich sei die Beschäftigung von Heimarbeitern bei der Verarbeitung von Thierhaaren. t

Direktor des Kaiserlichen Gesundheitsamts Dr. Köhler: Eg ist dankbar anzuerkennen, daß der Vorredner die erheblichen n. Schwierigkeiten zugegeben hat. Es ist dies seitens der Regierung stets hervorgeboben worden; wir wollen auch die Sache in an—⸗ gemessener und beschleunigter Weise zum Abschluß bringen. Denn die Angelegenheit schwebt seit zehn Jahren. Aber derartige Fragen lassen sich nicht bloß im Laboratorium lösen. Es muß untersucht werden, ob die Laboratoriumsversuche sich in die Praxis übertragen lassen. Der Vorredner hat ja auch auf ein neueres Verfahren hinge⸗ wiesen. Die Mailänder . ist seit Jahren bekannt und wir haben über ihr Verfahren Erkundigungen eingejogen. Nach Berathung einer Konferenz, die aus Industriellen und Sachverständigen, aus Arbeitnehmern und Arbeitgebern bestand, ist eine Verordnung aut⸗ gearbeitet worden, die aber erst 1908 in Kraft treten soll.

Abg. Beckh fr. Volkep.): Auch die Arbeitnehmer haben an erkannt, daß erhebliche technische Schwierigkeiten der Desinfektion entgegenstehen; aber in Nürnberg sind Unternehmer und Arbeiter einig darüber, daß Vorbeugemaßregeln gefunden werden müssen, und darauf wird von allen Seiten hingewirkt.

Abg. Rettich (. kons.): Große Verluste hat die Landwirthschaft durch die Maul,. und Klauenseuche erlitten. Dieselben werden für 1892 auf 160 Millionen Mark geschätzt. Ohne die getroffenen Vor⸗ beugungsmaßregeln wäre die Seuche wahrscheinlich noch umfassender gewesen. Wir dürfen nicht nachlassen, die Ursachen der Seuche zu erforschen. Das Nothwendigste ist aber die vollständige Absperrung gegen dag Ausland. Es ist auf diesem Gebiete manches geschehen, aber weshalb ist die Einfuhr von Schweinen aus Rußland nicht verboten? In Oberschlesien, wo die Schweine auf die Schlachthöfe eingeführt werden, sind die Schlächter die Vermittler der Seuchengefahr. Auch die Einfuhr von Rindvieh aus Oesterreich nach Bayern ist eine Quelle der Ansteckungsgefahr. Ich bin kein Freund von Quarantänen, möchte aber doch die Einrichtung derselben Oesterreich gegenüber dem ier gen Zustande vorziehen Sowohl der Reichstag wie der Landtag . en Gelder zur Erforschung der Maul. und Klauenseuche bewilligt. Der Erreger der Krankheit ift noch nicht entdeckt. Aber die Ergebnisse

der e, . sollen demnächst dem Reichstage bekannt gegeben

werden. Das ist erfreulich, aber dadurch werden die Forderungen der Landwirthschaft nicht hinfällig. Das esterum censeo der Landwirth⸗ schaft heißt: vollständige Sperre der Grenzen. 4.

Abg. Blos (Soz) beschwert sich über die Verunreinigung der ,, Flüßchen Ocker und Innerste durch die Zucker⸗ abriken.

Direktor des Kaiserlichen Gesundheitsamts Dr. Köhler: Es ist schwierig, allgemeine Grundsätze zur Verhütung dieser Mißstände auf— zustellen, man wird die einzelnen 6 untersuchen müssen. Im Nordharz liegen die Verhältnisse besonders schwierig. weil dort Preußen über Braunschweig und Braunichweig über , d. sich beschwert, im letzteren Falle nicht wegen der Zuckerfabrlken, sondern wegen der Verarbeitung von Kalisaljen. Es wird gut sein, die Be⸗ schwerden bei den einzelnen Regierungen und bei dem Reichskanzler ein⸗ zubringen. ; ö

3 Graf zu Inn; und Knyphausen (d. kons): Die ein heimischen Maßregeln, die großen Beschränkungen der persönlichen Se r welche damit verbunden sind, haben nichts geholfen, um die

aul⸗ und Klauenseuche zurückjndrängen; wir an der. Westgrenze stehen auf dem Standpunkt: lieber die Sachen laufen lassen, als noch weiter die Schädigungen ertragen. Anders liegt die Angelegenheit der Grenze gegenüber. Es muß die strengste Grenzsperre durchgeführt werden und zwar gegen alles Vieb, da wir in Deutschland vollständig in der Lage sind, den inneren Marlt mit Vieh zu versorgen.

Direktor des Kaiserlichen Gesundheitsamts Dr. Köhler: Nachdem wir im Jahre 1893 einen Höhepunkt der Seuche batten, erfolgte eine Abnahme, 1396 wieder ein Anschwellen und jetzt wieder ein Nach⸗ lassen der Seuche. Daß man die Sache laufen lassen solle, entspricht vielleicht den Spezialerfahrungen, die man in einem kleinen Bezirk gemacht hat. Anders werden die Vertreter derjenigen Bezirke sprechen, in denen die Seuche cinen sehr bözartigen Verlauf genommen hat, in denen die Todessälle häufig gewesen sind. Wir haben noch nicht alles erreicht und dürfen nicht nachlaͤssen. Die Vurchführung der Grenzsperre liegt den verbündeten Regierungen sehr am Herzen. So⸗ bald in Schweden und Norwegen die Maul, und Klauenseuche auf⸗ etreten war, wurden die Grenjen sofort gesperrt. Daß die Ver⸗ ö. pung der Maul⸗ und Klauenseuche durch aus Oesterreich ein⸗ eführtes Rindvieh erfolgt sei, hat sich bei den angestellten Nach⸗ orschungen nicht bewahrheitet. Die Forschungen des Kaiserlichen Ee elles sind in einer Druckschrift zusammengeftellt, die demnächst dem Hause zugehen wird. Die Thatfache, daß der Keim länger wirksam bleibt, als man bigher annabm, ist schon ein wichtiges 8e. der Forschungen. Die Versuche der Immunisierung werden ortgesetzt.

aa Dr. Langer hans (fr. Volksp.): Mit den Maßregeln gegen die Maul⸗ und Klauenseuche sollte man nicht zu schnell vor⸗ gehen. Früher wurden die Grenzen beim Herannahen der Cholera gesperrt, ohne jeden Nutzen. Erst durch die neueren Forschungen Koch's ist es gelungen, die Verbreitungsart der Cholera ju erkennen. Die Maul⸗ und Klauenseuche hat zu⸗ und abgenommen trotz aller Grenzsperren. Man kann schließlich nicht Menschen und Thiere gegen alle Krankheiten en, Da nicht bloß die Thiere die Seuche übertragen, sondern auch die Menschen, so müßten wir ung völlig gegen andere Länder absperren; das hat aber keinen Zweck, da die Seuche in Deutschland ebenso star herrscht wie im Auslande. Wir stören dadurch nur unseren Verkehr.

Abg. Dr. Hitze (3entr.): Da die Seuche auch durch Menschen übertragen werden kann, haben wir den Hausierhandel mit Vieh ver bieten wollen. Die Grenzsperre 4 mehr, als sie nützt. Redner tritt für eine Verordnung bezüglich der Milzbrandgefahr in Roß⸗ haarspinnereien ein und spricht die Hoffnung aus, daß die Regierung big zur dritten Lesung des Gtats bestimmte Erklärungen werde ab— geben können.

Abg. Graf von Arnim (Rp.): Die Landwirthschaft kann nicht warten, bis das Kaiserliche . mit seinen Forschungen zu Ende gekommen sein wird; in der Probinz Brandenburg sind 537 Orte von der Maul⸗ und Klauenseuche infiziert. In England ist durch die Grenisperre erreicht, daß die Seuche unterdrückt ist. Wenn es auch anzuerkennen ist, daß die Reglerungs⸗Präsidenten in jedem Bezirke Quarantaͤnen einrichten, so ist es doch richtiger, die Quarantäne an die Grenze zu verlegen. Daß man ohne den Import von Ruß⸗ land nicht auszukommen erklärt, ift eine Herabsetzung der eigenen e e g. wie wir in Schleswig ⸗Holstein in der Wilster Marsch ꝛc. aben. Die Grenzen sperren und das Inland ganz freizugeben, wie der Graf Knyphausen verlangt, ist nicht angängig. ö

. Dr. Graf zu Stolberg Wernigerode (d. kons.): Für die Ernäbrung des Volkes ist auzreichend gesorgt. Die Vergleichung mit der Cholera ist nicht zutreffend, denn es handelt sich dabei um eine Quarantäne, die wir erkämpfen. In England herrscht das un⸗ bedingte Einfuhrverbot, seit dessen Bestehen die Seuchen in England abgenommen haben. Ich möchte die Regierung bitten, uns darüber Aufklärung zu geben.

Direktor des fi mig Gesundheitsamts Dr. Köhler: England ist in der That frei von Maul und Klauenseuche, aber nicht bloß in⸗ folge des Einfuhrverbotz, sondern auch infolge der dort herrschenden Vorschriften, wonach alle erkrankten Thiere gegen volle Entschädigung abgeschlachtet werden. .

Abg. Dr. Kruse (nl. tritt dem Abg. Grafen Knyphausen darin bei, daß die Sperrmaßregeln im Inlande nicht genützt, sondern nur eine starke Belaͤstigung der Landwirthe mit sich gebracht hätten.

Abg. Nauck (Rp.) hält die Sperrung der Grenze auch Oester⸗ reich gegenüber für nothwendig, weil das aus Bayern nach Norddeutsch⸗ land eingeführte Rindvieh die Maul und Klauenseuche eingeführt habe. In Bayern werde die Seuche scheinbar schnell unterdrückt, wenn sie auftrete, um den . nicht zu stören.

Königlich Bayerischer Bevollmächtigter zum Bundesrath Ritter von Herrmann: Der i Vorredner hat auf die Verhältnisse in Bayern hingewiesen in einer Art und Weise, daß es den Anschein gewinnt, als würden dort die einschlägigen bundesräthlichen und reichs⸗ gesetzlichen Bestimmungen gegen die Maul und Klauenseuche nicht ordentlich gehandhabt. Dem muß ich ganz entschieden widersprechen. Ein derartiger Vorwurf ist . B. bei Gelegenheit der Berathung dieser Angelegenheit in dem bayerischen Landtage, die erst vor un⸗ gefähr zwei oder drei Monaten stattgefunden hat, von keiner Seite erhoben. Die Vorschriften, wie sie vom Reich gegeben sind zur Verhütung der Der g, n, von Seuchen, werden in Bayern auf das Genaueste gehandhabt. Es ist ja möglich, daß aus Bayern auch einmal ein Seuchenfall in ein anderes Bundesland ver⸗ schleppt wird; aber diesen Vorwurf kann ich ja, wenn ein solcher darin liegen sollte, ganz gut jedem anderen Bundesstaat auch machen. Sie dürfen überzeugt sein, daß bei uns auch hin und wieder der Fall eintritt, daß aus Norddeutschland, aus Württemberg oder Baden die Seuche eingeschleppt wird. Es ist ja die Möglichkeit . ausgeschlossen, daß auch aus Oesterreich die Seuche nach Deutsch⸗ land verschleppt wird, und daber der Wunsch auggesprochen, daß die Grenze gegen Oesterreich völlig gesperrt werde. gin Zeit ist bereits die Grenze gegen Oesterreich in Bezug auf die Einfuhr von Schafen und Schweinen vollkommen gesperrt. 3h Bezug auf das Verbot der Ein⸗ fuhr von Rindvieh bestehen nur zwei Ausnahmen, welche mit solchen Kautelen umgeben sind, daß die Einschleppung der Maul⸗ und Klauenseuche aus Oesterreich fast völlig ausgeschlossen erscheint. Die eine Ausnahme geht dahin, daß Fettvieh in plombierten Wagen in einige bayerische Schlachthöfe eingeführt werden kann. Darüber besteht die Vorschrift, daß durch gesundheitliche und ortepolizeiliche Atteste an der Grenze nachgewiesen werden muß, daß ö Vieh nur aus seuchefreien Gegenden kommt. Ferner muß das Vieh an der Grenze vom Thierarjt Stück für Stück untersucht werden, dann wird das Vieh in plombierten Wagen in die Schlachthöfe geschafft und darf von dort nicht mehr lebend fortgeschafft, sondern muß dort etödtet werden. Weiter besteht die Vorschrift, daß derartiges Ge ern, Vieh mit inländischem Vieh im Schlachthofe nicht zu—⸗ sammengebracht werden daif. In neuester Zeit hat die bayerische Re⸗ gierung über die Verordnung des Bundesraths hinaus angeordnet, daß das importierte Vieh bei der Ankunft im Schlachtbof wiener Stück für Stück untersucht werden muß. Während die bundesräth⸗ liche Verordnung vom Jahre 1880 ferner vorschreibt, daß die Thiere alsCbald nach dem Eintreffen im Schlachthof geschlachtet werden müssen, hat im vorigen Jahre die bayerische Reglerung bestimmt, daß die Schlachtung des Viehes in München und Nürnberg spätestens in den nächsten drei Tagen erfolgen muß, in den anderen Schlachtbäusern es kommen nur wenige in Frage spätestens in zwei Tagen. Ich möchte behaupten, daß es auf diese Weise fast unmöglich gewesen ist, daß die Seuche aus bayerischen Schlachthöfen verschleppt werden kann. Eine zweite Ausnahme in Bezug auf, die Grenzsperre gegen Qesterreich eht dahin, daß in die Grenzbezirke, d. h. in die nächste Nähe der

renze, Zucht und Kleinvieh eingeführt werden darf. Aber auch dies darf nur geschehen gemäß bundesräthlicher Beschlüsse vom Jahre 1890 unter ganz besonderen Kautelen. Es muß zunächst durch Ge⸗ sundheiteatteste nachgewiesen werben, daß dag Vieh aug seuche⸗ freien Gegenden fiammt. In der Regel wird das Vieh ohnehin nur aus den naͤchstgelegenen ausländischen Grenz—⸗ bezirken eingesührt. Das importierte Vieh muß in dem Gehöft des Gutsbesttzers, der nur eine bemessene Anzahl für jedes An—⸗ wesen 24 Stück in 34 nach Bedarf einführen darf, 30 Tage lang, und nördlich der Donau 69 Tage lang verbleiben und darf nicht eher weiter verkauft werden. Es läßt sich nicht wobl annehmen, daß durch derartiges Vieh die Seuche weiter nach Deutschland verschleypt wird. Es scheint mir daher eine völlige Sperre der Grenze gegen Oesterreich fachlich nicht geboten. Im übrigen komme ich . das zurück, was ich vorhin sagte: ich muß die bayerischen Behörden aus— drücklich dagegen verwahren, daß man ihnen den Vorwurf macht, sie würden die seuchepolizeilichen Vorschriften nicht so genau handhaben, wie es anderwärtz irgendwie geschieht.

Abg. Dr. Graf zu Stolberg ⸗Wernigerode: Die Mit⸗ theilungen des Direktors im Kaiserlichen He fund ge er über die eng⸗ lischen Verhältnisse haben in mir den Wunsch verstärkt, über die dortigen Verhältnisse etwas Raäheres zu erfahren, denn sie sind ein Muster für uns. Ehe wir nicht mehrere Jahre hintereinander die Grenzen abgesperrt haben, können wir die jetzt im Inlande herrschen⸗ den Vorschriften nicht aufgeben.

Abg. Haase (Sor) bejwelfelt, daß die Absperrung der Grenzen den beabsichtigten Zweck erreichen würde. Denn die Seuche herrsche nicht in den Grenjprovinzen vorwiegend, sondern trete jum theil spontan in den von der Grenze entfernteren Propinjzen auf. Man sollte die Grenzen lieber öffnen, statt sie zu sperren.

Abg. Dr. Langer hans (fr. Volkap.) hält auch dafür, daß die Seuche nicht vom Auslande, sondern von dem Inlande nach dem Inlande verbreitet werde. Daran sei nicht der Berliner Viehhandel schuld, wo jedes seuchenkranke Vieh sofort getödtet werde, sendern dat Vieh kamme meist vom Inlande. Durch die nach bestimmten Schlachthäusern ein⸗ geführten Stücke Vieh werde die Seuche nicht verbreitet, da diese sofort geschlachtet würden.

Abg. von Kardorff (Ry) weist darauf hin, daß vor einigen Jahren in seinem Kreise die Maul⸗ und Klauenseuche infolge der Cin⸗ führung bayerischen Rindviehs ausgebrochen sei. Es liege also alle Veran af ng vor, eine wirksame Grenzsperre durchzuführen, da die Seuche 6 vom Auslande eingeschleppt werde. Daß die Seuche spontan entstehe, sei kaum zu glauben.

Abg. Dr. Paas che (n.): Strenge Absperrung nach außen wollen auch wir. Die strenge Absperrung im Innern kann aber gerade zur Verbreitung der Seuche en Die Erkrankung des Viehs wird häufig e, ,. damit die kleineren Bauern, die nur Kühe als Zugvleh benutzen, in ihrer Ernte⸗ und sonstigen Arbeit nicht gestört werden. Man sollte demjenigen, der die erste Anzeige erstattet, eine . gewähren. Daß eine Verschleppung der Seuche vom Berliner Viehhof nicht möglich sei, möchte ich dahingestellt sein lassen.

Abg. Graf von , . g, n n, . (b. k. F.): In Bezug auf die Unterdrückung der Seuchen wird die heutige Debatte nichts Zweck⸗

, . en, en, wenn . nicht n ,, Maß⸗ regel en eßen. In England ordnet man in kürzester Fr n r hahn , an. in n r ,. land th ist, sollte auch bei ung geschehen können. Wir müssen die . im Innern haben und deshalb die Grenze sperren. , weft ngs⸗ gefahr liegt in den Eisenbahnwagen, in denen das Vieh aus dem Aug⸗ lande eingeführt wird. Der Ansteckungsstoff hält viel länger vor, als man annimmt. Die Wagen werden jenseits der Ostgrenze nicht besonders durchgreifend und sorgfältig desinfiziert. Es wäre schon ein Fortschrit, wenn das Vieh, welches aug dem Osten kommt, an der Grenze um⸗ geladen werden müßte. Die Wissenschaft sollte sich damit beschäͤftigen, auf wie lange Zeit die Inkubationsgefahr sich erstreckt. Die Ansteckung entsteht oft aus dem Dung, der den Viehwagen entnommen ist, oder dadurch, daß aus den Transportwagen etwas durchsickert und in die Ställe verschleypt wird. Rigorose Maßregeln im Inlande sind nicht ju entbehren, sie werden aber nicht zu dem gewünschten Ergebnisse führen, wenn wir nicht zur . Methode der vollständigen Ab⸗ sperrung übergehen. Darauf bitte ich das Augenmerk in erster Linie 1 i oder einen Umschlag bezw. eine Quarantäne an der Grenze nzurichten.

Abg. Dr. Müller Sagan (fr. Volkep.): Ich halte es für un= perständlich, an der Grenze eine strenge Sperre einführen, im Inlande aber eine laxere Handhabung der Gesetzgebung zulassen zu wollen. Ehe man eine strenge Sperre verlangt, müß man den Beweis erbringen, daß durch die Sperre etwas errescht wird. Dieser Beweis ist aber nicht erbracht. Es wird also nichts übrig bleiben, als auf dem Wege der internationalen Abmachungen vorzugehen.

Abg. Wurm (Soz.) empfiehlt als das beste Mittel obligatorische Viehversicherung mit ausreichender Entschädigung. Dadurch würde die Verheimlichung der Seuche verhindert werden. Ferner müßte die thierärztliche Aufsicht verstärkt werden, damit auch die Futterverhaͤltnisse sestgestellt werden könnten; denn wo Rübenschnitzehl und Schlempe verfüttert würden, solle die Ansteckungsgefahr am größten sein.

Abg. Preiß (b. k. 85 wünscht eine Verbesserung des Wein⸗ gesetzeß zum Schutz der Naturweine, dahin, daß unter Wein nur reiner Naturwein verstanden werden solle, während aller andere Wein als verzuckerter oder Kunstwein bezeichnet werden müsse. Noch 9. aber würde es sein, das Gesetz ganz aufzubeben und den Ver⸗ kehr mit Weinen unter das gewöhnliche Recht zu stellen.

Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner:

Ich kann dem Herrn Vorredner erwidern, daß mir alle die Klagen, die er hier von der Tribüne des Hauseg zum Ausdruck gebracht hat, wohl bekannt sind. Wie den Herren erinnerlich ist, wurde im vorigen Jahre in einer Kommission des hohen Hauses dieselbe Frage auf das eingehendste erörtert. Aber, meine Herren, ohne den Wein pantschern, die ich auch sehr verachte, irgend welchen Vorschub leisten zu wollen, muß ich doch schon jetzt darauf hinweisen, daß die Schwierigkeit des Kampfes gegen die Weinverfälschung noch in unserer mangelhaften Kenntniß der chemischen Vorgänge auf diesem Gebiete liegt. Es wurde kürzlich nech in einer Versammlung, ich glaube von Pfälzer Weininteressenten aus. drücklich darauf hingewiesen, wie die wirksamste Bekämpfung der Weinfaälschung immer nur darin liegen kann, daß die Chemie solche Fortschritte auf dem Gebiete der Weinuntersuchung macht, um die analysenfesten, d. h. gefälschten Weine, die auch als analysenfest aus⸗ drücklich ausgeboten werden, von den reinen Naturweinen zu unter⸗ scheiden.

Der Herr Abgeordnete hat zwei Vorschläge gemacht: einerseits, ob man nicht das Weingesetz vom Jahre 1892 ganz aufheben solle und einfach den Wein nur unter das Nahrungsmittelgesetz stellen solle, und zweitens, ob man nicht eine Bestimmung erlassen könne, wonach als Wein überhaupt nur Das gilt, was reiner Naturwein, das heißt ein Produkt aus der Kelterung von Trauben, ist. Jedem Menschen, der Wein trinkt, würde ja eine solche gesetzliche Bestimmung sehr sympathisch sein (Sehr richtig!): aber ob sie aus⸗ zuführen ist, ist eine ganz andere Frage. Zunächst ist es unzweifelhaft gesetzlich zulässig, gewisse Ingredienzien, insbesondere Zucker, dem Naturwein zuzusetzen. Der Herr Vorredner hat nun und ähnlich ist die Frage schon von einer Reihe von Weininteressenten behandelt worden angeregt, ob man nicht eine gesetzliche Bestimmung erlassen solle, den Zusatz von zuckeriger Lösung nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zu gestatten. Gewiß kann man eine solche Bestimmung erlassen; wer aber deren Beachtung kontrolieren soll, das ist mir vollkommen unklar. Wenn Sie kontrolieren wollen, wie lange ein Winzer zuckerige Lösung zu seinem Most zusetzen darf, dann müßten Sie eine Kellerkontrole einführen, gegen die sich ein allgemeiner Sturm der Entrüstung in den Weinländern erheben würde. Warum ist denn das Weinsteuergesetz damals hauptsächlich bekämpft worden? Weil man sagte, damit wäre eine Kontrole, auch der Winzer, verbunden, die vollkommen unerträglich scheine. Wie Sie sich erinnern, war das der Schluß einer mit Beifall aufgenommenen Rede des früheren Herrn Abg. Zorn von Bulach. Außerdem ist doch der Zusatz von Zucker und von einer Anjahl Schönungs— mittel bisher gestattet, weil er für unsere kleinen sauren Weine unbedingt nothwendig erscheint. Ich glaube also, man würde den Winzern selbst schweren Schaden zufügen, wenn man eine Bestimmung erließe, die erklärte. Wein ist lediglich ein Kelterungs⸗ und Gährungsprodukt aus Trauben und darf keinerlei Zusatz enthalten. Von der Mouillage, meine Herren, die eine so große Rolle spielt, will ich schon garnicht sprechen. Also all diese Vorschläge, die gemacht sind in Bezug auf den Zeitpunkt, bis zu welchem Zucker zugesetzt werden darf, und in Bezug auf die sonstigen erlaubten oder unerlaubten Ingredienzien, setzen eine sehr energische Kontrole voraus und zwar eine Kontrole, die sich erstreckt von der Wiege bis zum Grabe des Weins (Heiterkeit), von dem Kelterraum bis zur Kehle des Trinker; denn wie soll man sonst die Identität des Weins, wo er herkommt, und ob nicht inzwischen weiter unerlaubte Ingredienzien zugesetzt sind wie soll man das feststellen, wenn man nicht fortgesetzt eine ganz spezielle Kontrole über den Wein ausübt?

Es ist noch von einem Verbot des Kunstweins die Rede gewesen oder von einer Vor schrift., daß mindestens all' der Wein, der nicht aus Wein besteht, sondern aus anderen Ingredienzien ganz oder theil⸗ weise jusammengesetzt ist, nur als Kunstwein verkauft werden darf. Ich gestatte mir, zu bemerken, daß in dieser Beziehung das Wein⸗ gesetz von 1892 schon eine ganz eingehende Bestimmung enthält, in der ausdrücklich gesagt ist, daß Tresfterwein, Rosinenwein, Hefenweine oder ähnliche Kunstweine auch nur unter einer Bezeichnung verkauft werden dürfen, die sie als Kunstweine charakterisieren. Gegenüber den vielfachen Beschwerden aus den Weingegenden über Weinpantscherei habe ich mich veranlaßt gesehen, mich zunächst an den preußischen Herrn Landwirthschafte⸗Minister u wenden, und dieser hat mir daß Ersuchen ausgedrückt, von Reichs wegen keinerlei vorbereitende gesetzliche Schritte zu thun, bis er nicht seinerseits sachverständige

Kötperschaften und namentlich das Landes Oekonomiekollegium gehört hat. Ich bin sehr gern bereit, die Frage in der Richtung zu prüfen. ob nicht dem offenbar maßlosen Betruge im Weinhandel, der um Schaden der ehrlichen Winzer getrieben wird, durch eine Verschärfung des Weingesetzes entgegentreten werden kann. Aber wer eine solche Ver= schärfung will, muß sich auch mit einer verschärften Kontrole einver⸗ standen erklären. (Sehr richtig ) Denn Strafbestimmungen, ohne daß sie ausgeführt werden, sind nichts als eine lex imperfecta (Sehr richtig h, und wenn wir zu solchen verschärften Kontrol vorschriften kommen, müssen sie sich auch gegen die Winzer selbst richten. Man hat, wenn man von Kunstwein spricht, immer nur den Gedanken: Kunstwein ist ein Getränk, das fabrikationsmäßig von Leuten hergestellt wird, die mit den Winzern garnichts zu thun haben. Aber nach wiederholten Aeußerungen in der Presse und hier im Hause sind die aller⸗ gefährlichsten Weinpantschet zum theil doch die Winzer selbst, die ihren Wein kolossal verlängern, durch übermäßigen Zuckeraufguß, durch allerlei Verschnitt, Spritzusätze u. s. w. In dem Keller der Winzer sind, wenn man den wiederholten Anklagen in der Oeffentlichkeit glauben darf, zum theil sehr bedeutende Kunstweinfabriken (Zustimmung und Wider— spruch), und die Frage ist deshalb höchst zweifelhaft: wo fängt der Knnstwein an, und wo hört der Naturwein auf? Man kaun natür- lich schlechten Wein so verlängern durch Zuckerlösungen, Spritzusätze u. s. w., daß der Prozentsatz, der an wirklicher Trauben kelterung darin enthalten ist, nur noch ein minimaler ist, und leider gilt ja bei den Weinpanschern der Grundsatz: je saurer, desto besser! Je saurer der Wein ist, desto mehr kann man ihn durch Zuckeraufguß verlängern.

Ich bin also berelt, der Frage näher zu treten. Ich werde zunächst mit dem Herrn Landwirthschafts-⸗Ministers weiter verhandeln, aber ich bitte, meine Herren, sich darüber klar zu sein: wollen Sie einen verschärften Kampf gegen die Unehrlichkeit auf dem Gebiete des Weinbandels, gegen den Betrug, so müssen Sie uns auch ver— schärfte gesetzliche Kontrolmaßregeln in die Hand geben. (Sehr richtig!)

Abg. Reißhaus (Sor) bedauert, daß die Reichsregierung sich über die Aufhebung des Impfiwanges noch nicht schlüssig gemacht, sondern nur einen dilatorischen Beschluß gefaßt habe. Man sollte in die beabsichtigte Kommission auch die Impfjwanggegner berufen, deren Schaar immer mehr zunehme.

Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner:

Meine Herren! Die verbündeten Regierungen stehen auf dem Standpunkte, die Aufrechterhaltung des Impfgesetzes nicht in Frage stellen zu lassen. Dagegen wollen sie in Erwägungen eintreten, ob nicht die Ausführungsvorschriften entsprechend den Fortschritten unserer Kenntniß vom Wesen der Lymphe, der Impfung u. s. w. zu ver⸗ bessern und zu ergänzen sind. In die Kommission waren auch Gegner der Impfung einberufen worden, um vollkommen unparteiisch zu verfahren.

Um Ihnen aber ein Bild zu geben, wie man in anderen Staaten Über diese Frage denkt, bin ich in der Lage, Ihnen zwei recht inter⸗ essante Dokumente vorzutragen. Erstens hatte Großbritannien be⸗ kanntlich eine Impfkommission eingesetzt, und in dem Schlußbericht dieser Königlichen Kommission heißt es:

Durch Königliche Verordnung vom 29. Mai 1889 war eine Kommission von 18 Mitgliedern berufen worden, um die Impfpflege zu prüfen und erforderlichenfalls Vorschläge zur Abänderung der be⸗ stehenden Gesetzgebung auf dem Gebiete des Impfwesens zu machen. Die Kommission hat nach Beendigung ihrer Arbeiten nunmehr im August 1896 ihren Schlußbericht erstattet; zwei Mitglieder haben ihr Gutachten in einem besonderen Bericht niedergelegt. Dem Be⸗ richt der Mehrheit zufolge hat die Kommission 136 Sitzungen ab— gehalten und 187 Zeugen vernommen. Das Ergebniß der Be⸗ rathungen über den Werth der Impfung wurde nach eingehender, auf umfangreiche Beweismittel gestützter Begründung in nach— stehendem Satze niedergelegt:

Indem wir so

ich darf es wohl gleich übersetzen die Frage studierten, erschien es unmöglich, sich dem Schlusse zu entziehen, daß die Impfung einen schützenden Effekt hat in Bezug auf die echten Blattern.“

Dann ist zu Gunsten der Impffrage sehr energisch hingewiesen worden auf die Erfahrungen, die unsere Armee im Kriege 1870 mit der Pockenansteckunge fähigkeit gegenüber der französischen Armee gemacht hat. Seitens des französischen KriegsMinisteriums war bekanntlich die Zahl der infolge der Pocken während des französischen Krieges Gestorbenen und Erkrankten öffentlich mitgetheilt. Später hat die französische Regierung diese Zahl korrigiert, d. h. herabgesetzt auf Grund nochmaliger Recherchen. Ich habe nun durch unsere Botschaft in Paris mich an das französische Kriegs Ministerium gewandt, um Mittheilungen zu erhalten, worauf diese Reduktion der Zahlen beruht, und welche Auffassung nunmehr die franjösische Armeeleitung über den Werth der Impfung habe. In der Antwort heißt es wörtlich ich darf es auch wohl gleich übersetzen —:

Wenn die Verheerungen der Pocken auch nicht so umfangreich gewesen sind, wie sie im Bericht von 1889 angegeben waren, so waren sie doch nicht minder schrecklich. In Anbetracht des Umstandes, daß unleugbar die Revaccination dazu beiträgt, diese Krankheit immer mehr in der Armee zu tilgen und in der Zivilbevölkerung einzu⸗ schränken, läßt sich dies wahrscheinlich als das Einzige bezeichnen, was als Ergebniß der über den genannten Gegenstand stattgefundenen Erörterungen und Nach— forschungen festzuhalten ist.“

Also der französische Kriegs⸗Minister sagt: durch die Impfung ist bie Ausdehnung der Pocken nicht nur unzwelfelhaft mehr und mehr auch in der französischen Armee zurückgegangen, sondern auch in der Zivilbevslkerung, und die Feststellung dieser Thatsache genügt voll⸗

kommen, um gegenüber allen wissenschaftlichen Diekussionen an der

Impfung festzuhalten. Und ich glaube, meine Herren, auf diesem Standpunkt müssen auch die verbündeten Regierungen stehen bleiben.

Abg. Dr. Kru se (nl.) hält dafür, daß die Grundsäͤtze des bestehenden Impsa sepè⸗ richtig seien. Redner fragt ferner nach dem Stand der Apothekengesetzgebung.

Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner:

Im Jahre 1896 hat im Reichgamt des Innern eine Konferenz stattgefunden jur Berathung der Grundzüge einer Apothekengesetz⸗ gebung, und sind zu dieser Konferenz sowohl Apothekenbesitzer heran.

gezogen worden, wie auch nichtbesitzende Apotheker. Ich muß indeß darauf hinweisen, daß die Ansichten über die Regulierung des Apothekenwesens in dieser Konferenz außerordentlich weit auseinander⸗ gingen. Nichtsdestoweniger hat man im Reichgamt des Innern elnen Gesetzentwurf ausgearbeitet, und über diesen Gesetzentwurf wird gegen⸗ wärtig mit der preußischen Regierung verhandelt. Das ist die gegen⸗ wärtige Lage der Sache; ein Weiteres kann ich zur Zeit nicht mit⸗ theilen. . Auf eine Anregung des Abg. Oertel (Soz.), daß man in Bezug auf die Verhütung der Milzbrandgefahr wensgstens mit den

Mitteln einschreiten sollte, die jetzt schon als wirksam anerkannt seien, erklärt der

Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner:

Meine Herren! Ich stehe sachlich vollständig auf dem Stand— punkt des Herrn Vorredners. Es ist ganz unzweifelhaft, daß mit den Roßhaarspinnereien und der Pinselfabrikation nicht unerhebliche Ge⸗ fahren für die Arbeiter verbunden sind und daß Vorschriften erlassen werden müssen und zwar sobald wie möglich —, um die Arbeiter soweit thunlich gegen diese Gefahr zu schützen. Nur darin kann ich dem Herrn Vorredner nicht Recht geben, daß Arbelter über die Frage nicht gehört worden sind. Bei der vorjährigen Berathung sind Arbeiter gehört worden, und wir werden jetzt zu dem Entwurf der Verordnung, der ja vielfache Billigung gefunden hat, wiederum eine Konferenz zusammenberufen und zu dieser Arbeiter zuziehen. Es bestehen noch eine ganze Anzahl von Fragen, die noch nicht ganz geklärt sind. Es wird beispielsweise von den Unternehmern ein⸗ gewendet, daß Schweingwolle und Ziegenhaare keinen Ansteckungsstoff enthalten, daß kein Fall nachgewiesen wäre, daß infolge der Ver—⸗ arbeitung von Schweingwolle und Ziegenhaaren ein Milzbrandfall unter den Arbeitern herbeigeführt worden ist.

Et wurde von den Unternehmern eingewendet, daß, wenn wir auch die Desinfektion jenes Rohmaterials anordnen sollten, ein Theil desselben werthlos werden würde, und die Konkurrenz der Fabrikate mit denen anderer Staaten nicht aufrecht erhalten werden könnte.

Es wird drittens vorgeschlagen, statt der Desinfektion und der Desinfektionskontrole im Inlande, in der Fabrik, die Desinfektion der eingehenden Roß⸗ und Rinderhaare an der Grenze anzuordnen. Alle diese Fragen muß die Konferenz noch klären, und es muß vor allen Dingen festgestellt werden, inwieweit diese Einwendungen thatsächlich begründet sind. Denn wenn man auch unzweifelhaft den Arbeitern jeden möglichen Schutz angedeihen lassen muß und mir liegt diese Frage, das kann ich Ihnen versichern, sehr am Herjen so wird man doch nicht so weit gehen können, daß man durch die Sicher- heitsmaßregeln einzelne Rohprodukte oder Fabrikate vollkommen werthlos macht. Hier die Wahrheit zu finden und die richtige Grenze jwischen den Forderungen, die wir im Interesse der Arbeiter stellen können, und den berechtigten Interessen der Indufstrie, die ihre Fabrikate durch das Desinfektionsverfahren nicht entwerthen lassen kann, das ist unsere nächste Aufgabe. Ich bin aber fest entschlassen, den Erlaß dieser Arbeiterschutzbestimmungen so sehr wie möglich zu beschleunigen.

Abg. Brunck ul); Es hat mich gefreut, daß der Staats- sekretär auf die Weinfrage eingegangen ist. Die Kellerkontrole ist garnicht so schwierig, denn es läßt sich leicht feststellen, wieviel ein Winzer geerntet hat.

Die Ausgaben für das Kaiserliche Gesundheitsamt werden bewilligt. Der Antrag des Abg. Dr. Müller⸗Sagan (fr. Volksp) wegen Errichtung einer biologischen Versuchsanstalt (30 000 ) wird angenommen.

Um 5ösg Uhr wird die weitere Berathung bis Sonn⸗ abend, 1 Uhr, vertagt. (Außerdem erste Lesung des Gesetz⸗ entwurfs über die anderweitige Festsetzung des Kontingents der Branntweinbrennereien.)

Prensischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

9. Sitzung vom 28. Januar 1898.

Das Haug beginnt die zweite Berathung des Staats⸗ haushalts⸗Etats fh 1898599 mit der Debatte über den Etat der landwirthschaftlichen Verwaltung, und zwar zunächst über die Ausgaben für das Ministergehalt.

Ueber den ersten Theil der Debatte ist bereits gestern berichtet worden. sie Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer⸗

ein:

Meine Herren! Bei der Generalberathung des Gesammt⸗Etats ist in diesem Jahre anders als in früheren Jahren verfahren. Wenn bei der Generaldebatte Fragen einzelner Ressorts berührt wurden, ist in früheren Jahren in der Regel von dem betreffenden Ressort⸗Minister sofort geantwortet. In dlesem Jahre ist die Be⸗ antwortung derartiger Fragen bis zur Spezialberathung der Einzel- Etats verschoben. Mit Rücksicht hierauf halte ich mich verpflichtet, auf allgemeine Gesichtspunkte, welche von den Herren Vorrednern berührt sind, kurz einzugehen.

Meine Herren, der Herr Ab. Freiherr von Eynatten hat am Schlusse seiner Rede der landwirthschaftlichen Verwaltung sein Ver⸗ trauen zu erkennen gegeben. Ich kann nun darauf erwidern, daß die landwirthschaftliche Verwaltung bemüht gewesen ist, sich solches Ver⸗ trauen ju erwerben, daß dieselbe fernerhin bemüht sein wird, dies Vertrauen zu erhalten und zu erweitern. Aber, meine Herren, ich möchte dabei darauf auf Eins hinweisen. Man wird nicht erreichen, daß die Interessentenkreise, also im vorliegenden Falle die landwirth⸗ schaftlichen Kreise, über Maßnahmen, welche zu ergreifen sind, um der gegenwärtigen schwierigen Lage der Landwirthschaft abzuhelfen, überein⸗ stimmen. Die Staatsverwaltung, besonders die landwirthschaftliche Verwaltung, wird selbstverständlich Ihre Wünsche bejw. die Wünsche der betheiligten Interessentenkreise prüfen und möglichst berücksichtigen; aber allen Forderungen derselben gerecht zu werden, alle Wünsche zu erfüllen, ist unmöglich, schon deshalb, weil die Wünsche der Be⸗ theiligten sich diametral gegenüberstehen werden.

Bei der Gelegenheit berühre ich eine Bemerkung des Herrn Abg. Reinecke, welcher die sogenannten großen Mittel allgemein erwähnte. Meine Herren, was große Mittel sind, ist schwer ju entscheiden. Der eine versteht dieses, der andere jenes Mittel darunter. Gin wesentlicher Uebelstand ist der, daß die Herren, welche von großen Mitteln reden, sich gewöhnlich damit begnügen, allgemein große Mittel zu fordern, aber dag, was sie darunter verftehen und daz hat Herr Relnecke in diesem Fall auch gethan nicht darlegen.

Meine Herren, die landwirthschaftliche Verwaltung ist stets bemüht und gewillt, nicht allein nach Ihrer Initiative, nicht allein nach der Initiative der Landwirthe zu prüfen, wie in der gegenwärtigen, schwierlgen Nothlage der Landwirth⸗ schaft zu helfen ist, sie verfolgt vielmehr auch mit Auf⸗ merksamkeit alles, was in anderen Kulturstaaten in dieser Richtung geschleht, da in allen Kulturstaaten die landwirthschaftliche Lage mehr oder weniger gleich schwierig ist. Ich beachte sorgsam, was in anderen Kulturstaaten geschieht, um der dortigen Lage der Landwirth⸗ schaft zu helfen. Ich habe aber gefunden, daß wir meistens mit Maß⸗ nahmen lange fertig sind, die andere Kulturstaaten in dieser Richtung noch erwägen.

Ich will nicht Rußland berühren, da dasselbe in seiner landwirth⸗ schaftlichen kulturellen Entwickelung weit hinter Deutschland zurücksteht. Dort erwägt man noch Maßnahmen, die hier seit langer Zeit bereits durchgeführt sind. Ich verweise aber auf Frankreich. Abgesehen von Maßnahmen der Zollpolitikt, welche dort ausführbar sind, weil dort die Zollpolitit nicht wie bei uns gebunden ist (sehr richtig! rechts), habe ich aus dem Vor⸗ gehen Frankreichs, eines Kulturstaates, welcher in seiner Entwickelung uns mindestens gleichsteht, wenn nicht voraus ist, habe ich keinerlei Maßnahme entnehmen können, die wir nicht entweder schon aus geführt haben, oder die wir im Begriffe sind auszuführen. Der fran zösische Minister Moͤline sucht Mittel der Abhilfe wie wir; vornehm⸗ lich auf dem Gebiet einmal der Produktionssteigerung, anderseits der Verminderung der Produktionskosten. Die englischen Verhaͤltnisse sind von den unsrigen sehr abweichend. Dort hat man seit Jahren eine eingehende landwirthschaftliche Enquste veranstaltet, damit Vorschläge für Ver⸗ besserung der Verhäͤltnisse verbunden. Die Ergebnisse dieser Unter⸗ suchung und Vorschläge habe ich einer Durchsicht und Prüfung unter⸗ worfen. Auch hier habe ich eine wesentliche Belehrung für unsere Verhältnisse nicht gefunden. Nirgend habe ich aber ein sogenanntes großes Mittel zur raschen und gründlichen Beseitigung der landwirth⸗ schaftlichen Nothlage zu entdecken vermocht.

Auf die sogenannten großen Mittel: Antrag Kanitz, Währungs⸗ frage, will ich augenblicklich nicht näher eingehen, da ja die Ansicht der Königlichen Staatzregierung darüber wiederholt dargelegt ist.

Nach diesen allgemeinen Bemerkungen wende ich mich zu den Darlegungen des Herrn Abg. Freiherrn von Eynatten. Derselbe stellt Erhöhungsanträge zu speziellen Positlonen des landwirthschaftlichen Etats in Aussicht, besonders zur Hebung der Geflügelzucht und den Dispositionsfonds für Hebung der Landwirthschaft und der Viehzucht. Einseitig eine solche Verstärkung zu beschließen, ist meines Erachtens der Landtag staatsrechtlich nicht befugt. Ob die Staatsregierung solchen Beschlüssen zustimmen würde, darüber kann ein Beschluß der Königlichen Staattzregierung erst erfolgen, wenn Ihre Anträge und Beschlüsse vorliegen.

Meine Herren, der Herr Abg. von Eynatten hat ferner das Wasserrecht berührt. Die Staatgreglerung hat geprüft, ob es opportun sei, noch in der letzten Tagung des Landtags ein so schwieriges Gesetz vorzulegen. Alle Parteien, glaube ich, werden mit der Staattregierung darin einer Meinung sein, daß es erwünscht war, die gegenwärtige Session nicht zu stark zu belasten, um für Wahlagitation allen Parteien möglichst freie Hand zu geben. (Heiterkeit Die Staatsregierung wäre zwar wohl in der Lage gewesen, einen Wasser⸗ rechtsgesetzentwurf vorzulegen; aber ob ein solcher zur Verabschiedung gekommen wäre, ist mir doch in hohem Grade zweifelhaft. Meine Herren, ich glaube zusichern zu dürfen, daß die Staatsregierung dem neuen Landtage baldigst einen solchen Entwurf vorlegen wird. Meinerseits habe ich wiederholt zugesichert, daß ich bemüht sein werde, diese Zusage zu erfüllen.

Herr Abg. von Eynatten hat besonders die Verunreinigung der Flüsse betont. Meine Herren, die Frage der Verunreinigung der Flüsse beabsichtigt man, nicht im allgemeinen Wasserrecht zu regeln lsehr richtig), sondern will diese Regelung einem besonderen Gesetze vorbehalten. Die Gründe dafür sind und ich glaube, damit werden Sie einverstanden sein durchschlagender Natur. Die Verunreinigung der Flüsse ist, je nachdem Industrie oder Landwirthschaft örtlich prävaliert, verschieden zu behandeln. Wo die Interessen der Industrie prävalieren, wird man gensöthigt seln, vorwiegend deren wo die Landwirthschaft prävaliert, vorwie⸗= gend dieses Interesse in den Vordergrund zu stellen, was in einem Wasserrechtsentwurf für die ganze Monarchie kaum ausführbar sein dürfte. (Sehr richtig) Also man beabsichtigt, die Frage der Fluß⸗ verunreinigung lokal oder provinziell zu regeln, weil dadurch es mög⸗ licher wird, die besonderen Interessen des Bezirks richtig gegenein⸗ ander abzuwägen.

Meine Herren, Herr von Eynatten hat dann die Verunreinigung, wenn ich recht verstand, von Dortmund berührt. Die Angelegenheit beschäftigt, so viel ich weiß, die betheiligten Ressorts und wird vor⸗ autsichtlich in absehbarer Zeit geordnet werden.

Herr von Eynatten hat darauf hingewiesen, daß es ein schwer zu ertragender Mißstand sei, daß die Reinigung von nicht schiffbaren oder Privatflüssen vielfach durch die Polijeibehorden zu einer Zeit angeordnet würde, wo die Landwirthe durch Ernte⸗ oder Bestellungsarbeiten in Anspruch genommen werden. Meine Herren, ich kann nur erklären, daß ich es für unerhört erachte, wenn die zuständigen Polizeiorgane Landräthe, Amte vorsteher, Bürgermeister 2c. zu einer Zeit derartige An⸗ ordnungen machen, wo die Landwirthe von ihrem Gewerbe voll in Anspruch genommen sind. Solchen Polizeibeamten fehlt für ihren Beruf auf dem Lande das richtige Verständniß. Meine Herren, ich bin jahrelang Landrath gewesen, habe aber nie Wegebesserunggarbelten, Flußreinigungen u. s. w. den Landwirthen angesonnen, wenn und so lange sie durch Ernte ⸗, Bestellungsarbeiten ꝛc. in Anspruch genommen waren. Bei dem großen Arbeitermangel auf dem Lande sollte man billig erwarten, daß solche Mißgriffe seitens der Behörden nicht erfolgen. Wenn mir Fälle der Art nachgewiesen werden, so werde ich bei dem betreffenden Ressort da ja die Angelegenheit dem diesseitigen Ressort nicht angehört mit aller Entschiedenheit dahin zu wirken versuchen, daß solche Fehlgriffe so kann ich sie nur bezeichnen nicht weiter vorkommen.

Herr Freiherr von GEynatten hat arch die Ginberufungen zu militärischen Uebungen ju ungelegener Zeit erwähnt. Dieser Gegen⸗ stand ist bereits bei der landwirthschaftlichen Verwaltung angeregt und von der landwirtbschaftlichen Verwaltung auch bei dem Herrn Kriegs. Minister jur Sprache gebracht. Der Herr Kriegs ⸗Minister hat, so weit ich mich erinnere, jzugesagt, daß in dieser Beziehung thunlichst die Interessen der Landwirthschaft berücksichtigt werden sollen.

Herr Freiherr von Eynatten hat die Frage der Ginschätzungen