Nenß q. L. 2 er Landtag ist am 29. v. M. im Auftrage Seiner Durch n des ga ten durch den Ober⸗Regierungs-Rath von Meding geschloffen worden. Ihre Erledigung haben gefunden und sind bereits als Gesetze veröffentlicht worden die Vorlagen, betreffend den Etat für 1898 bis 1900, die Aende⸗ rungen der Beamtenbesoldungen, sowie die . des Diensteinkommens der Volksschullehrer auf dem platten Lande und der Geistlichen in Minimalstellen.
Oesterreich⸗Ungarn.
Der Kaiser empfing gestern Vormittag den ungarischen Minister⸗Präsidenten Baron Ban ffy.
Der „Budapester Korrespondenz zufolge setzten die Finanz⸗ Minister Dr. Böhm von Bawerk und Hr. von Lukäcs gestern ihre Berathungen fort, um das Material zu sichten und vorzubereiten, welches die Basis für die Berathungen der seinerzeit zu wählenden Quoten-Deputationen bilden wird.
Eine Bekanntmachung des Rektors der Wiener Universität verbietet den Studierenden die Abhaltung von Versammlungen in den Höfen, auf den Gängen, Stiegen und Vorhallen der Universitaͤt, ferner das Singen von Liedern und das Halten von Reden daselbst.
Frankreich.
Die Deputirtenkammer genehmigte gestern einflimmig den Gesetzentwurf, betreffend die Beseitigung der Umwallung von Parls zwischen dem Point du jour und Pantin, und begann hierauf die Berathung des Marine-Etats. Der Deputirte Lockroy unterwarf wiederum den Zustand der Flotte einer scha gn Beurtheilung, wobei er namenilich auf die zahlreichen Kesselunfälle hinwies. Er sprach die Hoffnung aus, daß die für Neubauten eforderten 80 Millionen eine nützliche Verwendung . würden. Redner wandte sich ferner iadelnd gegen die
ureauz des Marine⸗Ministeriums, in welchen Unordnung herrsche, und verlangte, daß die für die Mißstände Verant⸗ wortlichen zur Rechenschaft gezogen würden; er rühmte die i nn und den Heldenmuth der französischen See—⸗ eute, bezeichnete hingegen die Verwaltung als sehr unvoll⸗ kommen. Sodann wies er auf die Anstrengungen aller Völker zur Vermehrung ihrer Flotte hin und hielt biesen entgegen, daß bie französische Kolonialflotte aus Holzschiffen bestehe. Lockroy bemerkte dabei, Deutschland habe ein Flottenpro⸗ ramm mit bewundernswürdiger Methode aufgestellt; seine 8 besäßen Schnelligkeit und Gediegenheit. Im weiteren Verlaufe seiner Rede beklagte Lockroy den Mangel an Zufluchts⸗ und Verproviantierungshäfen; er führte hierfür das Beispiel Großbritanniens an und betonte, daß Frank⸗ reich im Mittelmeere nur Toulon habe; wenn seine Schiffe versolgt werden sollten, so würden sie in Biserta nichts von dem, was nöthig sei, vorfinden, und wenn Frankreich Biserta verlieren sollte, würde sogar die Vertheidigung von Algier in Frage gestellt werden. Locktoy erörterte sodann die Verhältnisse in den einzelnen Seehäfen Frankreichs, von denen er die meisten als sehr ungenügend bezeichnete; er forderte, es müsse Gibraltar gegenüber ein Hafen gegründet werden, wo eine Flottille von Torpedobooten den britischen Schiffen die Ein⸗ fahrt ins Mittelmeer verwehren könne. In seiner Kritik über den allgemeinen Zustand der Flotte sagte er u. a., dieselbe enthalte zahlreiche nicht verfugbare oder minderwerthige Schiffe. Das Ministerium habe anerkannt, daß die Artillerie bestimmter Schiffe geändert werden müsse. Diese Lage sei im Auslande durch die Berichte der an Bord der französischen Schiffe zugelassenen fremdländischen Offiziere bekannt geworden. Die Mängel der französischen Flotte seien die zu geringe Schnelligkeit, die Ueberzahl der Artillerie⸗Modelle und die fehlende Stetigkeit. Hier brach Lockroy infolge von Ermüdung . ausführlichen Barlegungen ab; es wurde beschlossen, daß ieselben heute fortgesetzt werden sollten, und die Sitzung auf⸗ gehoben.
Dem „Echo de Paris“ zufolge hat der Admiralitäts⸗ rath eine Resolution angenommen, in welcher das Bedauern ausgedrückt wird, daß Frankreich infolge materieller Schwierig⸗ keiten nicht im stande sei, demnächst eine Anzahl Panzer⸗ schiffe in den Dienst zu stellen; die Zahl der bis 1904 fertig zu stellenden Panzerschiffe ist von dem Admiralitätsrath auf 26 festgesetzt worden.
Italien.
In der gestrigen Sitzung der Deputirtenkammer ge⸗ langten, wie „W. T. B.“ berichtet, Anfragen und Inter⸗ pellationen über die Herabsetzung der Getreidezölle zur Verhandlung. Der Jinanz⸗Minister Branca erklärte, er halte es für zeitgemäß, die Zölle herabzusetzen, nicht aber für rathsam, dieselben vollstaͤndig abzuschaffen. Das Haus beschloß, die Berathung heute fortzusetzen, gleichzeitig damit die Erörterung über die Ver⸗ ordnung, betreffend die Herabsetzung der Getreidezölle, zu beginnen und die Berathung der Bankvorlage zu ver⸗ ö Auf eine Anfrage des Deputirten del Balzo über se Thätigkeit der diplomatischen Vertretung Italiens in Paris in der Dreyfus⸗-Angelegenheit erwiderte der Unter⸗Staats⸗ ekretär des Auswärtigen Graf Bonin: „Unsere diplomatische ertretung in Paris hatte nicht die Aufgabe, irgend welche Thätigkeit in der Dreyfus⸗Angelegenheit auszuüben; denn es handelt sich dabei um eine Angelegenheit von sehr delikater Natur, die ausschließlich innerpolitischen Charakters ist und in der die ausländischen Vertretungen aus einleuchtenden Gründen der internationalen Korrektheit eine um so größere Neserve bewahren müssen, je lebhafter das Interesse und die Erregung sind, die in Frankreich erweckt wurden. Die Tagesblätter . das Gerücht verzeichnet, daß Beamte der italienischen
otschaft vorgeladen worden seien, um Aussagen zu machen. Bisher ist noch kein Schritt dieser Art notifiziert worden. Wenn dies weiterhin geschehen sollte, so wird der Fall gegeben sein, zu prüfen, welche Instruktionen diesen Beamten zu eben sind, — immer unbeschadet der Formen des be⸗ onderen Verfahrens, wie sie durch die Egxterritorialität efordert werden. Uebrigens kann ich in der bestimmtesten Weise versichern, daß weder unser Militär⸗Attachs noch irgend ein anderer Agent oder Repräsentant der italienischen Negierung jemals irgend welche, sei es direkte, sei es indirekte, J., zu Dreyfus hatte.“ Der Deputirte del Balzo erklärte sich durch die Mittheilungen des Unter⸗Stgatssekretärg ö an befriedigt. Die Sitzung wurde sodann auf⸗ gehoben.
Portugal.
Der Finanz⸗Ausschuß der Deputirtenkammer hat nach einer Meldung des „Reuter'schen Bureaus der Kammer das von ihm durchberathene Gesetz über die Umwandlung der äußeren Schuld vorgelegt. Man glaube allgemein, die Vorlage werde beträchtlichen Abänderungen unterzogen werden.
Türkei.
Der Albanesen⸗Chef Riza Bey ist, dem „W. T. B.“ ue g mit seinem wiederholten Verlangen, in die Heimath zurückkehren zu dürfen, abgewie sen worden. Dagegen erhielt er die Zusage, man werde den Mutessarif von Ipek nach Kon⸗ stantinopel kommen lassen, um auf Grund der Anschuldigungen Riza Beys eine Untersuchung einzuleiten.
Amerika.
Das Repräsentantenhaus hat, wie ‚W. T. B.“ aus Washington meldet, die Resolution Teller, in welcher ge⸗ fordert wird, daß die Bonds der Vereinigten Staaten sowohl in Gold wie in Silber zahlbar sein sollen, mit 182 gegen 132 Stimmen verworfen.
Der Belagerungszustand in Rio de Ja neiro ist bis zum 23. Februar verlängert worden.
Asien.
Wie dem „Reuler'schen Bureau“ aus Peschawur ge⸗ meldet wird, berichtete der General Westmacott, daß die Niederlage, welche die Engländer bei Schinkumar Kotal in der Nähe von Mamani erlitten haben, die Folge eines unaufgeklärten Rückzugs einer Kompagnie Siths von einem hohen Bergrücken gewesen sei, welcher den Schlüssel der Position gebildet habe und vom Feinde hierauf wieder besetzt worden sei. Die Zurückeroberung des Berg— rückens habe die Verluste der Engländer verursacht. Aber auch der Verlust der Feinde sei ein schwerer gewesen, da in einer Entfernung von 30 Yards abseits der kämpfenden Truppen ein Angriff von 725 Mann Verstärkungen aus Bara er⸗ folgt sei.
Afrika.
Aus Tanger wird, dem „Reuter'schen Bureau“ zufolge, amtlich gemeldet, daß das dem „Globe Venture Syndicate“ gehörige Schiff „Tourmaline“, welches den Versuch gemacht haben solle, Waffen und Vorräthe an der Sut⸗Küsie zu landen, daran verhindert worden sei. Das Schiff habe auf den Re— gierungs Dampfer „Hassani“ gefeuert, welcher das Feuer erwidert habe. Ein Boot, in dem sich drei Engländer befunden hätten, sei von Regierungstruppen genommen worden. Alle Dörfer, deren Bewohner sich den Fremden freundlich erwiesen hätten, seien von den Truppen zerstört und viele Einwohner getödtet und verwundet worden.
Parlamentarische Nachrichten.
Die Schlußberichte über die gestrigen Sitzungen des Reichstages und des Hauses der Abgeordneten be⸗ finden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.
— In der heutigen (30) Sitzung des Reichstages, welcher der Staatssekretär des Reichs⸗Justizamts Dr. Nieber⸗ ding beiwohnte, wurde die zweite Berathung des Reichs⸗ haushalts-Etats für 1898 bei dem Etat des Reichs⸗ Justizamts, und zwar beim Titel Gehalt des Staats⸗ sekretärs“ fortgesetzt. Als erster Redner sprach der
Abg. Dr. Pieschel (nl.) dem Reichs⸗Justizamt den Wunsch aus, es möge, um die Kenntniß des neuen Zivilrechts bei den deutschen Richtern zu fördern, in dem bis 1900 noch gegebenen Zeitraum die möglichste Entlastung der Richter von ihren Berufegeschäften durch Hinzuziehung von Hilfskräften herbeiführen.
Staatssekretär des Reichs. Justizamts Dr. Nieberding, dessen Rede morgen im Wortlaut nachgetragen werden wird, sagte jedes mögliche Entgegenkommen in dieser Richtung zu, in der Hauptsache liege aber die Erfüllung dieses Wunsches bei den Einzelstaaten.
(Schluß des Blattes.)
— Das Haus der Abgeordneten setzte in der heutigen 42) Sitzung, welcher der Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Hammerstein beiwohnte, die zweite Be⸗ rathung des Staatshaushalts-Etats für 188/99 bei den dauernden Ausgaben der landwirthschaftlichen
Verwaltung fort. . ;
Bei dem Kapitel der landwirthschaftlichen Lehr⸗ anstal ten weist 2
Abg. Dr. LotichipLus (nl. auf, die segensreiche Thätigkeit des pomologischen Instituts in Geisenheim hin und beklagt die zuneh— mende Konkurrenz des ausländischen Obstes, welche durch die Eisen⸗/ babntarife begünstigt werde. Das belgische und holländische Obst genieße den Vortheil des Spezialtarifs 1, das aus Süddeutschland kommende Obst nicht, dessen Absatz infolge dessen zurückgegangen sei. Schon vor einigen Jahren sei ein Antrag Knebel auf bessere Tarisierung für Obst angenommen worden. Eine solche müsse endlich für ganz Deutschland eintreten. Der Obstbau spiele namentlich im Westen eine bedeutende wirthschaftliche Rolle. Er bitte den Landwirthschafts⸗Minister, auf eine günstigere Tarifterung für einheimisches Obst bei dem EisenbahnMinister hinzuwirken.
Geheimer Regierungs⸗Rath Conrad erklärt, daß die Regierung dieser Anregung sympathisch gegenüberstehe und bereits Verhandlungen darüber in den betheiligten Ressorts schwebten. Der Eisenbahn⸗ Minister habe mitgetheilt, daß die Erhebungen über den Versand von Obst in ganjen Wagen noch nicht abgeschlossen seien und mit der Regelung des Stückguttarifs in Verbindungen ständen. Er stelle dem Abg. Lotichius anheim, die Sache beim Eisenbahn⸗Etat nochmals zur Sprache zu bringen.
Abg. Knebel (nl) bemerkt, daß er diesen Rath befolgen wolle, und weist darauf hin, daß die letzte Obsternte im Westen schlecht, die im Osten dagegen reichlich, die letztere aber nicht verwerthbar gewesen sei, weil die hohen Eisenbahntarife den Transport an n nn; machten. Unser einheimischer Obstbau müsse vor der ausländischen Konkurrenz geschützt werden. Es müsse aber nicht auf Massenerzeugung Werth gelegt werden, sondern auf Anpflanzung derjenigen Obst⸗ sorten, welche in den betreffenden Gegenden gut fortkommen. Der amerikanische Obstbau werde durch einen Schädling, die Schild⸗ laus, vernichtet, und wir müßten alle geeigneten Maßregeln ergreifen, um eine Einschleppung dieses Schädlings nach Guropa zu verhindern. Er erinnere an die Beschädigungen unseres Weinbaus durch die Reblaus und den Heu⸗ und zSauerwurm. Zur Hebung des Obstbaues sei ein energisches Zusammenwirken aller Interessenten erforderlich; wenn irgendwo, sei hier der Ruf nach Sammlung angebracht. Auch die Volksschullehrer müßten sich Kenntnisse im Obstbau verschaffen.
Geheimer d, . Dr. Müller erwidert, daß die Unter⸗ weisung der Volksschullehrer im Obstbau bereits nach Kräften ge⸗ fördert werde.
Geheimer Regierungs⸗Rath Wesener theilt mit, daß Amerlka
bereits Maßregeln gegen die Schildlaus ergriffen habe, und daß auch
eiten unserer Regierung die nöthigen Schritte sowohl gegen die Einschle pur dieses m s wie gegen den Heu⸗ un . ö. ; 96 ,. 3 9. Barthold fr. kons) spricht seine Freude darüber au
daß für die landwirthschaftlichen Mittelschulen 3 O00 ½p mehr ö für die Versorgung der Hinterbllebenen der Lehrer und Beamten dieser Schulen 12009 neu in den Etat eingestellt sind. Das werde hoffentlich diese Schulen, die bieher als Schulen zweiten Ranges angesehen worden seien, auf die Stufe stellen, auf die sie ehörten. Auch die landwirthschaftlichen Winterschulen bedurften weiterer förderung und vor allem bedeutender Vermehrung. Ebenso bitte er. ür die Vermehrung der landwirthschaftlichen Wanderlehrer in den nächsten Etat die erforderlichen Mittel einzustellen. Die ländlichen Fortbildungsschulen seien auch noch nicht in der Lage, ihre Aufgaben voll zu erfüllen. Statt dieser Schulen solle man Heber den Wander⸗ . und in Verbindung damit den fachlichen Unterricht rdern.
Geheimer Regierungs, Rath Dr. Müller bemerkt, daß nicht die Absicht vorliege, die ländlichen Fortbildungöschulen mit han em Unterricht auszustatten und so den Fachschulen Konkurrenz zu machen. Die Ansichten über die ländlichen Fortbildungsschulen gingen sehr weit e l Gteinfel Abg. von Mendel, Steinfels (kons tritt für die Errichtun ländlicher Haushaltungeschulen ein, damit die Frauen für ihren 2 schaftlichen Beruf altz Hausfrau vorgebildel werden könnten. Ein altes Sprichwort sage: „Der Mann kann nicht so viel mit dem Wagen in die Scheune einfahren, wie die Frau mit der Schürze heraußtragen kann. Auch die ethische Seite, die Liebe zu ihrem Beruf alk. Kameradin des Manne, die Liebe zum Vaterlande müsse, in der Seele der Frau unseres Lendwirths geweckt werden. Die Frauen seien die Trägerinnen des Familienlebens; die praktische e m unserer Töchter müsse mit der ethischen Hand in Hand gehen.
M nister für Landwirthschaft z, Freiherr von Hammerstein: Die Erzielung eines Reingewinns im landwirthschaftlichen Gewerbe liegt allerdings wesentlich mit in den Händen der Frau; die Frau hat im Hause für die Hühnerzucht, die Aufsicht über den Garten und die Pflege der Viehzucht c. mehr zu sorgen als der Mann. Dazu kommt, daß die Führung des Haushalts ebenfalls, vielleicht nicht direkt nach der Seite des Gewinns, sondern nach der Seite der Ersparung, von der weitesten Bedeutung ist, und endlich ist die Frage nicht bloß eine wirthschaftliche, sondern hat auch eine sozialpolitische Bedeutung. Wenn die Frau dem Manne daß Leben im Hause angenehm und zufriedenstelled macht, wird der Mann nicht verleitet, aus dem Hause ju gehen, außerhalb Geld auszugeben und Ver⸗ gnüqungen zu suchen. Ich bin mit den Darlegungen des Vorredners vollkommen einverstanden. Ich habe schon im borigen Jahre versucht, für Haushaltungeschulen von der Staatsverwaltung Mittel zur Ver⸗ fügung zu erhalten. Bis jetzt ist mir das nicht gelungen, ich werde aber meine Bemühungen fortsetzen, und nach ener mir pribatim gemachten Mittheilung des Finanz ⸗Ministers hoffe ich, im nächsten Jahre für diefe Zwecke größere Summen autzwerfen zu können. Aber der Staat allein kann die Sache nicht machen, sondern hier liegt wesentlich auch eine Aufgabe der Landwirthschaftékammern, Provinzialverbände u. s. w. vor. Meiner⸗ seits soll aber alles geschehen, um zur Unterstützung auch Staatsmittel zur Verfügung zu stellen.
Abg Dr. Dünkelberg (ul) weist auf die Schwierigkeiten hin, die der Ausbildung landwirthschastlicher Lehrer entgegenständen. Den Landwirthen, deren Söhne für as Examen der Einjährig⸗ Frei⸗ willigen sich vorbilden lassen wollen, sollte gerathen werden, ihre Söhne eine normale Realschule besuchen zu . und am Orte dieser Realschulen sollten Winterschulen mit einem erweiterten Lehrplan errichtet werden. Diese Art der Vorbildung würde für die künftigen Landwirthe besser sein als diejenige auf den landwirth⸗ schaftlichen Mittelschulen. Zum mindesten müßten diese zu Real⸗ schulen reorganistert werden, da in kleineren Orten nun einmal selten r gl Realschulen existierten. Das sei auch schon in Herford geschehen.
Ministerial⸗ Direktor Dr. Thiel: Der Vorredner ist in Bezug auf Herford nicht unterrichtet. Eine Verwandlung in eine Realschule hat nicht stattgefunden. Die landwirthschaftlichen Mittelschulen sind keineswegs eine sog. Presse. Es ist viel schwerer, auf ihnen die Berechtigung zum einjährig⸗freiwilligen Dienst zu erreichen, als auf einer Realschule, und der Fachunterricht, den die jungen Leute auf ihnen erhalten, ist immer noch besser als gar kein Fachunterricht. Die Er⸗ folge dieser Schulen sind jedenfalls besser, als der Vorredner an⸗ nimmt, und ich kann ihm nicht versprechen, daß die Verwaltung auf seine Wünsche eingeht.
Abg. Dr. Glattfelter (3entr) fragt an, welche Erfahrungen man mit den Fortbildungsschulen für die Landwirthschaft in Schlesien gemacht habe. Eg komme bei diesen Schulen weniger auf eine Fach⸗ bildung als auf eine Befestigung des Volksschulwissens an. Der Selbfthilse müsse ein großer Spielraum gelassen werden.
Geheimer Regierungö. Rath Dr. Müller: Die Zahl der Kort⸗ bildungsschulen hat sich im letzten Jahre vermehrt, und auch in Schlesten sind mit diesen sehr gute Erfahrungen gemacht worden.
Abg. Leppel mann (Zentr.); Bei unß in Westfalen hat sich die Einrichtung bewährt, daß Gutsbesitzer ihre Töchter mehrere Jahre in ihrem Haushalt in allen Haushalteperrichtungen unterweisen lassen. Unsere landwirthschaftlichen Schulen sind aus eigener Initiative gegründet worden und gedeihen ohne staatliche Beihilfe. Auch in kleineren Städten müssen solche Schulen errichtet werden, damit die jungen Leute auf dem Lande bleiben und nicht in die größeren Städte gehen. ͤ
Abg. von Brockhausen; Die Landwirthschaftsschulen haben sich sehr bewährt. Sie geben die Berechtigung zum Subalterndienst; autgeschlossen sind aber einzelne Carrisren, wie die der Landmesser und Markscheider. Dies ist sehr bedauerlich, und ich möchte die Regierung bitten, zu erwägen, ob den Abiturienten der Land⸗ wirthschaftzschulen nicht auch diese Laufbahnen eröffnet werden können. Den Hinterbliebenen der Elementarlehrer an diesen Schulen in Pommern müßte eine größere Fürsorge durch Aufnahme der Lehrer in die Wittwen. und Waisenlasse der Probinz zugewandt werden. Namentlich in Schievelbein wird in dieser Hinsicht Klage geführt.
Gehelmer Regierungs⸗Rath Dr. Müller; Unsere Bemühungen nach diefer Richtung sind bit jetzt leider ohne Erfolg gewesen. Wir werden aber die Sache im Auge behalten.
Abg. Dr. Dünkelberg erklärt, daß er den Lehrern der land⸗ wirthschaftlichen Mittelschulen nicht habe zu nahe treten wollen. Die Leistungen dieser Schulen selen um so mehr anzuerkennen, je mangel- hafter fie organistert seien. Selne Vorschläge seien aus der Praxis geschöpst, und es sei bedauerlich, daß die Perwaltung damit nicht einmal einen Versuch machen wolle. In Hildesheim beständen schen Institutionen, wie er sie wünsche. Die dortigen Schulen würden sast ausschließlich won Söhnen der Landwirthe besucht.
Das Kapitel der landwirthschaftlichen Lehranstalten wird
bewilligt. (Schluß des Blattes.)
Dem Reich tage ist der Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung der Gesetze, betreffend Postdampfschiffs verbindungen mit überfeeischen Ländern, zugegangen.
— Dem Hause der Abgeordneten ist ein Nachweis über die Verwendung des Dispositionsfonds von 2 500 000 6 im Ctatg, Cxtraordinarlumn der Eifenbahnverwaltung für 1896 / 97 sowie ein Nachweis über die Verwendung des auß ere tat s⸗ mäßigen Dispositionsfonds der Gisenbahnverwaltung, der in Höhe von 20 000 000 KM aus dem Jahres b berschusse für
1895/96 gebildet wurde, zugegangen.
— — — —
Nr. 4 des Centralblatts für das Deutsche Reich“, herausgegeben im Reichszamt des Innern, vom 28. Januar, hat fol⸗ genden Inhalt: 1) KonsulatWesen: Ermächtigungen zur Vornahme von Zivilstands ˖ Akten, — Entlassung, — Einziehung eines Vize⸗ Kon sulats, — Exequatur⸗Ertheilung. — ) Finanz Wesen: Rachweisung der Einnahmen des Reichs vom 1. April 1897 bis Ende Dezember 1897. — 3) Militär Wesen: Zweiter Nachtrag zum Gesammtverzeich⸗ nisse der den Militäranwärtern in den Bundesstaaten vorbehaltenen Stellen, — Gesammtyerzeichniß der zur Anstellung von Militäranwärtern peryflichteten Privateisenbahnen, — Ergänzung der preußischen Zusatz⸗ bestimmungen zu den Grundsätzen über die Anstellung der Militär- anwärter, — Abänderung der Verzeichnisse a. der den Militär⸗ anwärtern im Reichsdienst vorbehaltenen Stellen, b. der für die Bewerbungen um diese Stellen in Betracht kommenden , . behörden, C. desgl. der für die bayerische Militärverwaltung zustäͤn⸗ digen Behörden. — 4 Zoll⸗ und Steuer Wesen: Veränderungen in dem Stande oder den Befugnissen der Zoll⸗ und Steuerstellen. — 5) Allgemeine Verwaltungs Sachen: Erscheinen des Handbuchs für das Deutsche Reich auf das Jahr 1898.
Statiftik und Volkswirthschaft.
Zur Arbeiterbewegung.
In Berlin ist der Ausstand der Schuhmacher beendet. Vor dem Einigungsamt des Berliner Gewerbegerichts er⸗ schienen gestern Vormittag die Vertreter der Schuhwaarenfabrikanten und die Vertreter der Arbeiter. Beide Theile erklärten sich mit den am Sonnabend vor dem Schiedsgericht getroffenen Einigungs« bedingungen einverstanden. Die Arbeit in sämmtlichen Berliner Ech uffn sollte heute Morgen wieder aufgenommen werden.
Aus London meldet W. T. B.“ zum Ausstande der en glischen Maschinenbauarbeiter vom gestrigen Tage: In den Hauptzentren der Maschinenbau⸗Industrie wird die Arbeit allgemein wieder aufgenommen.
Kunst und Wissenschaft.
Der 16. Kongreß für innere Medizin findet in den Tagen vom 13. —16. April 1898 in Wiesbaden statt. Das Präsidium übernimmt Herr Geheimer Sanitäts- Rath, Professor Dr. Moritz Schmidt (Frankfurt a. M.). Folgende Themata sollen zur Berhand⸗ lung kommen: Am ersten Sitzungstage, Mittwoch, den 13. April: Ueber den medizinisch ⸗klinischen Unterricht. Referenten: Herr Ge⸗ heimer Rath, Professor Dr. von Ziemßen (München) und Herr , Dr. R. von Jaksch (Prag). Am dritten Sitzungstage,
reitag, den 15. April: Ueber intestinale Autointoxikationen und Darm ⸗Antisepsis. Referenten: Herr Professor Dr. Müller (Marburg) und Herr Professer Dr. Brieger (Berlin). Auf besondere Aufforderung des Geschäftscomités hat sich Herr Professor Dr. Leo (Bonn) bereit erklärt, einen Vortrag über den gegenwärtigen Stand der Behandlung des Diabetes mellitus zu halten. Folgende Vor— träge und Demonstrationen sind bereits angemeldet: Herr Schott (Wan heim): Ueber chronische Herzmuskelerkrankungen. — Hert van Niessen (aesbaden): Der Syphilisbaeillus (Demonstration) — Herr B. Laquer (Wiesbaden): Ueber den Einfluß der Milchdiät auf die Ausscheidung der gepaarten Schwefelsäuren. — Herr Determann (St. Blasien): Klinische Untersuchungen über Blutplättchen. — Herr Weintraud (Wies⸗ baden): Ueber experimentelle Magenectasien. Weitere Anmeldungen von Vorträgen nimmt der ständige Sekretär des Kongresses, Herr Sanitäts. Rath Dr. Emil Pfeiffer, Wiesbaden, Parkstraße 9b, ent⸗ gegen. — Mit dem Kongreß ist eine Aussteklung von neueren ärztlichen Apparaten, Instrumenten, Präparaten u. f. w, soweit sie für die innere Medizin von Interesse sind, verbunden. Be⸗ sondere Gebühren werden dafür den Ausstellern nicht berechnet. Hin⸗ und Rückfracht, Aufstellen und Wiedereinpacken sowie etwa nöthige Beaufsichtigung sind üblicher Weise Sache der Herren Aussteller. Anmeldungen und Auskunft bei Herrn Sanitäts-Rath Dr. Emil Pfeiffer (Wiesbaden), Parkstraße 9b.
44 Fünf Münchener Maler, die sich den an der Amper gelegenen oberbayerischen Marktflecken Dachau und seine malerische, mit Ried⸗ gras bewachsene Ebene, das „Dachauer Moog', als künstlerisches Re⸗ bier erkoren haben: Ludwig Dill, Adolf Hölzel, Hugo König, Arthur Langhammer und Fritz von Uhde, sind mit ihren neuesten Arbeiten gegenwärtig in einer Ausstellung der Firma Keller u. Reiner (Potsdamerstraße 122) vertreten. Fast ausschließ⸗ lich Veduten auf dem genannten Gebiet malt neuerdings Ludwig Dill, der Führer der Münchener Sezession, der früher durch seine vor⸗ nehmen venezianischen Kanalansichten einen weiten Kreis von Bewunderern um sich zu versammeln verstand. Dill' Farbenvortrag ist breiter, fleckiger geworden; die Grundsätze der schottischen Landschaftsmaler haben Macht über ihn gewonnen; er arbeitet zunächst auf dekorative , , hin, ohne sich um klare Scheidung der Formen und
inien des Landschaftsbildes ju lümmern. Wo es ihm gelingt, in diesem mosaikartigen, ungeregelten Farbenspiel den Stimmung gehalt eines Naturausschnitts festzuhalten und im Beschauer wiederzuwecken, müssen Einwände und Bedenken verstummen. Leider läßt sich dies aber nicht von allen seinen ausgestellten Bildern sagen, zumal das Urtheil über Absicht und Wirkung dieser reinkoloristischen Natur⸗ wiedergabe durch die wenig glückliche elektrische Beleuchtung der Aug= stellungsräume fast unmöglich gemacht wird. Adolf Höljel hat zwei größere Bilder und eine Reihe interessanter, weich angelegter Zeich= nungen ausgestellt. Gegenüber seinen glitzernden, scharf pointierten Schneelandschaften, die zuerst die Aufmerksamkeit auf den böhmischen Maler lenkten, bedeuten diese Arbeiten ebenfalls einen Schritt zu breiterer, etwaß verschwommener Formengebung, ohne daß der Künstler dadurch an persönlicher Eigénart erheblich gewonnen hätte. Die Landschaften, Interieurs und Bildnisse Hugo König's, eines . resdners, der gegenwärtig eine Professur an der Münchener
kademie bekleidet, fesseln durch die zarte, fast weibliche Auffaffung, der die weich vertreibende Maltechnik angepaßt ist. Ein junges, weiß gekleidetes Mädchen, das bei Mondlicht in einem hellgetünchten Jimmer am Schrelbtisch sitzt, kennzeichnet die Neigung des Malers, lichte Tonwerthe fein gegeneinander abjustimmen, am glücklichsten. Wesentlich robuster ist die Malweise Arthur Langhammer'g, der vor herbem Naturalismus nicht zurückschreckt, wenn eg gilt, Typen aus dem Volksleben hinzustellen. Seine Zeichnungen lassen den Einfluß Wil= helm deibl nicht verkennen Der bekannteste und älteste unter den fangen eg, ist Fritz von Uh de, der drei von einander fehr ver⸗ chiedene Bilder ausgestellt hat. Eine Gruppe junger Mädchen und ö. in einer Sommeriaube, von hellem Sonnenlicht umflossen, 2 t — . die scharfen Lichtgegensaätze anfangs etwas unruhig ö . fleckig, ö. das Auge die vielen feinsinnigen Einzelheiten n der Durchhilduns der Fermen und dem Augdtuck ber Köpfe entdeckt hat. Das Bild reibt sich ahnlichen Schilderungen fröhlichen Jugend— glücks von der Hand des Meisterg vollwerthig an. Bescheidener in den Größen verbältnissen, aber vons Farben. und Seelen ebeng, dabei treuherzig und ungekünstelt in der Auffassung des biblischen Vorgangs, ist der Abschied des jungen Tobiag yon seinem erblindeten Vater‘, während in der fast lebensgroßen Bildnißstudie eines alten. Mannes Uhde den Spuren Velajquen folgt,“ ohne dessen tief eindringende Cbarakteristik ganz zu erreschen. Vaß weng anziehende Modell eines herabgekommenen Alten ist in eine lebhaft bewegte Pose gebracht, den innern Grund diefer Erregung vermag man sedoch nicht zu entdecken. Wahrscheinlich handelt es fich um die Studie zu einer größeren Komposition, deren Inhalt erst die nähere Erklärung abgeben kann.
2
Für Kunstliebhaber dürfte die Nachricht von Interesse sein, daß Georg Hirth in München, der Herausgeber des inn , 9 der ‚Liebhaber⸗Bibliothek alter Illustratoren', des Kulturgeschicht⸗ lichen Bilderbuchegß und anderer Kunst⸗Publikationen, seine Kunst sammlung unter den Hammer bringen lassen wird. Dieselbe hat im Laufe der Jahre den Umfang eines Museums angenommen, welchem die in einem Privathause zur Verfügung stehenden Räume nicht genügen. Die Hirth'sche Sammlung umfaßt Kunstgegenstände fast jeder Art aus den letzten vier Jahrhunderten, namentlich aber aus dem achtzehnten, französische und englische Farbenkupferstiche 2c. Der reich illustrierte Katalog wird unter anderem eine Abtheilung mit dem Titel Deutsch⸗ Tanagra“ enthalten, in welcher Hunderte der schönsten und seltensten Porzellangruppen aus Nymphenburg, Frankenthal, Höchst (Melchior), Ludwigsburg, Niederwiller, Wien, eißen ze. aufgeführt sind. Die Verstelgerung soll unter Leitung des Herrn Hugo Helbing (München) im kommenden Mai stattfinden.
In Dresden ist der bekannte Thiermaler und Zeichner Guido amm er, ein Bruder des 1862 aus dem Leben geschiedenen Dichters ulius Hammer, gestorben. Er war am 4. Februar 1821 in Dresden
geboren, besuchte die dortige Kunst⸗Akademie und setzte seit 1842 in Julius Hübner's Atelier seine Studien fort. Als Jagdliebhaber wandte er sich bald der Thiermalerei zu und fand mit seinen frischen, naturwahren Thier, und Jagdbildern großen Beifall. Die Dresdner Galerie besitzt von ihm die Gemälde. Ge⸗ flecktes Windspiel ! (1852) und „Wildsau mit Frischlingen von einem . gestellt' (1860). In weiten Kreisen bekannt wurde er als Illustrator der Gartenlaube“ und Zeichner für die Illustrierte Zeitung“; zu seinen Illustrationen schrieb er selbst anziehende Schilde⸗ rungen. Selbständig erschienen von ihm die Werke: „Hubertus— bilder, Album für Jäger und Jagdfreunde (Glogau 18656, 2. Aufl. 1877); „Jagdbilder und Geschichten aus Wald und Flur“ (daselbst
1863, 2. Aufl. 1889); „Wild⸗,, Wald, und Waldmannsbilder
(Leipzig 1891).
Literatur.
Die soziale Lage der arbeitenden Klassen in Berlin. Nebst mehreren graphischen Darstellungen. Von Dr G. Hir schberg, Direktorial ⸗Assistenten am rn ffn Amt der Stadt Berlin. 7, 311 S. Verlag von Otto Liebmann hierselbst. . 5,50 M — Mit diesem Werke bietet der durch andere statistischen
rbeiten bereits bekannt gewordene Verfasser ein Buch von großer Reichhaltigkeit und Genauigkeit der Angaben, das ebenso belehrend für die Lektüre wie nützlich zum Nachschlagen ist. Die Inhalts- angabe der einzelnen Kapitel wird zum Beweise dessen genügen. Be⸗ handelt sind: die Zahl der Arbeiter, ihre Zusammensetzung nach Beruf, Alter, Konfession, die örtliche Bewegung, die Wohnungsverhältnisse, die Erkrankungen und Sterbefälle, das Arbeiterversicherungswesen, das Schulwesen, die soziale Fürsorge der Behörden, die Organisationen der Selbsthilfe, die Arbeiter- e, , die Arbeitslosigkeit, der Arbeitsnachweis, Arbeitslohn, Arbeitszeit, Arbeits verhältnisse, endlich die Lebenshaltung. Im Schluß wort spricht der Verfasser seine Ueberzeugung aus, daß die Berliner Kommunalpolitik sich allmählich zum Schutze der wirthschaftlich Schwachen weiter entwickeln, daß aber auch zugleich die soziale Selbsthilfe der arbeitenden Klassen sich nachdrücklicher zusammen⸗ schließen, organisieren und so zur Hebung der sozialen Lage beitragen werde.. Durch den Hinweis auf die Zustände in früheren Zeiten zeigt er, 9. die Verhältnisse der Arbeiter Berlins schon bisber Forischritte zum Besseren gemacht haben. Als Handbuch der Berliner Sozial statistik ist daz Werk eine werthvolle Gabe.
— Die Arbeitslosigkeit und die Berufsorganisa— tionen. Ein Beitrag zur Lösung der Arbeitslosen⸗Frage von Dr. Nikolgus Buschmann. 129 S. Berlin, Verlag von Puttkammer u. Mühlbrecht. Preis 2 Æ — In der Einleitung giebt dieses Buch eine knappe Darstellung von Begriff, Ursache und Wirkungen der Arbeitslosigkeit, sowie von Wesen, Geschichte, Organisation und Ver⸗ waltung der Gewerkvereine, welche der Verfasser als künftige Träger der Arbeitslosen Veisicherung wünscht. Dann werden die Bemühungen und Erfolge der Arbeiterberufévereine in Sachen der Versicherung gegen Arbeitslosigkeit erörtert und schließlich eigene Vorschläge ur Lösung des Problems gemacht. Der Verfasser will die Versicherung den Berufsvereinen zuweisen, doch sollen Staat und Unternehmer (Berufgenossenschaft) Beiträge zahlen. Die Grundzüge dieses Projekts sind folgende: Die Organisationen, welche die Arbeits- losen⸗Unteistützung einführen, sollen den Charakter einer jaristischen Person erhalten. Ein Beitrittszwang soll nicht eingeführt werden, doch sollen die Organisationen gehalten sein, jeden Arbeiter des von ihnen vertretenen Berufs, ohne Rücksicht auf . Parteistellung, auf⸗ junehmen. Bei Differenzen mit den Arbeitgebern sollen die Drganisationen verpflichtet sein, ein unparteitsches Schiensgericht anzurufen, ehe sie in einen Strike eintreten. Das Schiedtz⸗ gericht soll auch hier aus Arbeitern und Arbeitgebern zu gleichen Theilen und einem von der Regierung bestellten richterlichen Beamten zusammengesetzt sein, der bei Stimmengleichheit die Entscheidung giebt. Den Organisationen, welche diese Bedingungen erfüllen, soll ein Zu⸗ schuß zu den Kosten der Arbeitslosen⸗Unterstützung vom Staate und von den Unternehmern durch die Berufsgenossenschaften gesichert werden. Letztere sollen t, der Staat 4 der Ausgaben decken, sodaß den Gewerkvereinen Isiun zur Deckung verbleiben. Der Ver⸗ fasser berechnet, daß, wenn die Arbeitslosen in Industrie, Handel und Verkehr, wie sie bei den Zählungen vom 165. Juni und 2. Dejember 1895 ermittelt wurden, Mitglieder der Organisationen wären und unterstüßt werden sollten, die Leistungen folgenden Umfang annehmen würden: Arbeitslos waren in den genannten Berufggruppen 213 391 Arbeitnehmer, von denen nach Schätzung die Hälfte, also 106 696, dag ganje Jahr zu 300 Tagen gerechnet, mit durchschnittlich 1,265 ½ pro Tag unterstützt werden müßten; die Unterftützung beträgt dann 40 911 000 Se, wovon der Staat 6 668 500 A und die Beruftz⸗ genossenschaften 10 002 750 M zu jahlen hätten.
— Das Februarheft der Deutschen Run dschau' (Berlin W., Verlag der Gebrüder Paetel; Preis pro Quartal 3 ) bringt unter dem Titel Kigotschau⸗ einen Aufsatz, dessen Verfasser, N. von Brandt, an die jüngsten Ereignisse in Ost.Asten anknüpfend und auf den reichen Erfahrungen fußend, die er als deutscher Gesandter in China gesammelt hat, damit einen werthvollen Beitrag zur Erkenntniß der dortigen Verhaͤltnisse und ihrer Bedeutung für Deutschland bietet. Aus dem übrigen Inhalt sind besonders intereffant ein Charakterbild des italienischen Romandichters Gabriele d'Anunzio von Lady Blennerhassett und, als Beitrag jur Biographie George Sand'g, eine Schilderung von Schloß Nohant und seinen Marionetten, von Edmond hl hut Clemens Brentano's neuester Illu⸗ strator wird von Herman Grimm gewürdigt und, des heim egangenen W. H. Riehl in einem warm geschriebenen kleinen
rtikel gedacht. Die früher begonnenen Beiträge finden ihren Ab— schluß: Hermann Hüffer's Ausführungen über Annette von Droste— ile gf. weiter die Erinnerungen aus der Jugendzeit von Julius Rodenberg und die Novelle ‚Um der Heimath willen von Walther Siegfried, zu der sich als zweite belleiristische Gabe noch eine geist⸗ volle Skizze Lydia's Ideale! von Marie von Bunsen gesellt. Den Schluß des Heftes bilden ein Aufsatz über das neue deutsche Handels gesetzbuch von Friedrich Goldschmidt, eine politische Rundschau, Be—⸗ sprechungen von Schlenther's Buch über Gerhart Hauptmann von Erich Schmidt und der Bulle'schen neuen Uebersetzung von Oyidis Ver⸗ wandlungen, literarische Notizen und eine Bibliographie.
Land⸗ und Forstwirthschaft.
Ernteergebniß 1897 in der Provini Ontario (Canada).
Nach der von dem Landwirthschaftlichen Departement in Toronto
unter dem 23. November v. J. veröffentlichten letzten Schätzung der 1897er Ernte in der Propvir; Ontario stellt sich das Ergebni
24
an Winterweizen auf 23 988 051 Bushels, Sommerweizen 4 868 101 ö 12 021779 w S6 318 128 Roggen 3 382 005 Erbsen. 13 867 993 Bohnen 981 340 Heu und Klee 3 811 518 Tonnen.
Washington, 31. Januar. (W. T. B.) Nach dem Bericht des Ackerbau⸗ Departements über die Ernte ⸗Ergebniss des Jahres 1897 beträgt der Weizenertrag 530 149 000 Yin auf 39 4655 600 Aeres, der Ertrag an Mais 1902 968 000 Bushels auf S0 095 000 Acres und an Hafer 698 768 000 Bushels auf 25 730 000
Acres.
Verkehr s⸗Anstalten.
In Rußland werden russische Kreditbillets (Rubel⸗ noten) seit kurjem nicht mehr als zollpflichtige Gegen—⸗ stän de angesehen; es ist daher nicht mehr verboten, dieselben in ge⸗ ie, me, oder eingeschriebene Briefe nach oder aus Rußland ein⸗ zulegen.
Bremen, 31. Januar, (B. T B.) Norddeutscher Lloyd. Dampfer Prinz Heinrich“ 29. Jan. Reise v. Neapel n. Bremen fortges. Willebad.? 29. Jan. v. Bremen in Baltimore angek. ‚Krefelde, n. Kiaotschau best.. 29. Jan. in Hongkong angek. Bayern“ 30. Jan. Reise v. Antwerpen n. Ost⸗Asien fortgef. Prinz⸗Regent Luitpold“ 31. Jan. v. Port Said Reise n. Australien fortgesetzt.
— 1. Februar. (W. T. B.) Dampfer . . v. Ostasien kommend, 31. Jan. Vorm. Hongkong angek. Roland“, v. Baltimore kommend, 39. Jan. Nm. Dungeneß passtert. Aachen“ 30 Jan. Nm. Reise v. Corunna n. Villa Garcig fortgef. Barbarossa', v. Australien kommend, 30. Jan. Nm. Adelaide angek. Gera“, v. New Jork kommend, 31. Jan. St. Catherines Point passiert. ;
London, 31. Januar. (W. T. B.) Union-⸗Linie. Dampfer „Gaseon“ ist auf der Ausreise gestern in Kapstadt angekommen.
Cast le⸗-Linie. Dampfer Avondale Castle“ ist auf der Ausreise Sonnabend von Southampton abgegangen.
Rotterdam, 31. Januar. (W. T. B.) Holland⸗Amerika⸗ Linke. Dampfer Edam“ von Amsterdam am Sonnabend Nach⸗ mittag in New⸗ York angekommen. D. „Rotterdam“ ist am Sonnabend Nachmittag von New⸗Jork nach Rotterdam abgegangen.
Theater und Musik.
. Konzerte.
Das zweite Abonnements Konzert degß Chors der Sing- Akademie am Sonnabend v. W. interessterte besonders durch mehrere hier noch nicht aufgefübrte Werke. Das „Pe Deum“ für Chor und Orchester von Franz Wüllner, das den Abend eröffnete, ist nur einmal, vor einigen Jahren, in den Rheinlanden gesungen worden. Im voraus ließ sich annehmen, daß der Komponist, der als gediegener Musiker bekannt, sich um den Chorgesang besonders verdient gemacht hat, und dessen Cantate „Heinrich der Finkler! in den sechziger Jahren den Preis errang, nicht Unbedeutendes geschaffen haben würde. Dieses Te Deum“ erbraust in mächtiger, fast Über⸗ wältigender Tonfülle, in welcher ein eingefügtes sansteres Sanctus“ wie erlösend wirkt. Im „Laudamus*“ und in dem inbrünstigen pMiserere“ erheben sich die einzelnen Stimmen zu hoher Schön heit. Ein kunstvoll gefügter Chor „In te, Domine“ führt das Ganze würdig zum Schluß. Es fehlt aber diesem Werke, so schön es auch stellenweise ist, das sofort Ansprechende und Packende, was den darauf folgenden Cantaten von Bach, die auch zum ersten Male hier zu Gehör gebracht wurden, in höchstem Maße eigen ist. ‚Jesus nahm zu sich die Zwölfen, ein kleineres Gebilde des unsterblichen Meisters, enthält ein herrliches Baß. Renttatip. Gro dagegen, nicht ihrem Umfange, aber ihrem geistigen Gehalt ee, ist die andere: Halt“ im Gedächtniß Jesu Christ'. Schon die einleitende mehrfache Wiederholung des Wortes Halt‘ durch den Chor ertönt eindringlich und fesselt sofort. Alle Schönheit der Kompssition gipfelt aber in dem unvergleichlichen Friede sei mit euch“; in lang gehaltenen Tönen singt der Baß . Gruß des Herrn, das erregt! Flehen der Oberstimmen beruhigend. Die Cantate „Ein' feste Burg ist unser Gott“ ist bekannter; sie schloß sich daran an und wurde vom Chor, wie auch die vorhergehenden, vor= züglich gesungen. Fräulein Haberlandt ließ darin in einer Arie ihren kleinen Sopran seinen ganzen Liebrei entfalten, auch Herr van Eweyk und Herr Pinks brachten in allen Gesängen ihre schönGen Stimmen zur vollen Geltung. Fräulein van Nievolt aus Frankfurt a. M. hatte wirkungsvolle Alt ⸗ Arien zu fingen. Vieles gelang ihr vortrefflich, doch stand nicht alles, was sie bot, auf gleicher Höhe. Herr Prosessor Blumner hat sich wie stets, so auch mit diesem Konzert um die Pflege der Bach'schen Musik hochberdient ge⸗ macht. Er hatte sich auch noch der Mühe unterzogen, das Textbuch mit Erläuterungen über die Cantaten zu versehen.
Im Saale der Sing⸗Akademie hatte Herr Raimund von Zur-Müblen am Sonntag wiederum einen Lieder Abend ver⸗ anstaltet, zu welchem sich die große Schaar seiner Anhänger zahlreich versammelt hatte. Die Vorzüge des Sängers siegen, wie schon wiederholt angeführt wurde, nicht in seinen stimmlichen Mitteln, sondern vielmehr im Vortrage. Es ist nur Wenigen gegeben, einem von Hause aus spröden hate e lünstlerische Wirkungen abzuringen, wie eg Herrn von Zur⸗ Mühlen zumeist gelingt. Am Anfang selnes letzten Konzerts er—= schien sein Organ besonders widerspenstig; in den Liedern Die Allmacht“ und „Du liebst mich nicht! von Schubert merkte man ihm die Anspannung der Kräfte an. Aber schon die dritte Gabe, Der Einsamer, von demselben Komponisten, klang freier. Später konnte der Sänger in wirkungsoollen Liedern von Tscharkowsky, in der Erinnerung, von Stange, sowie in englischen und kann icht Gesängen sein Publikum zu lebhaften Beifallsbezeugungen hinreißen, welche verschiedene . und Zugaben zur Folge hatten. Den Abend schlossen drei auf Wunsch gesungene Schumannssche Lieder würdig ab. Die Klavierbegleitung führte Herr Coenraad V. Bog mit anerkennenswerther Feinfühligkeit aus.
Herr Otto ir big ein hiesiger Komponist, gab gestern in demselben Saale sein erstes öffentliches Konzert mit dem von dem Kapellmeister Rebisek geleiteten Philharm onischen Orchester. Das Programm enthielt nur eigene Kompositionen. Gine Symphonie (Nr. ) in E-dur zeigte in ihren drei ersten Sätzen meist kurje, durch Pausen getrennte Tongruppen, die fortwährend sich wiederholten und nirgends eine stil volle Behandlung der Motive erkennen ließen. Das Finale war etwag geordneter in einer Gedankenentwickelung. In einer „Fidelitas“ überschriebenen
uvertüre trat der darch den Titel bedingte Charakter garnicht hervor. Am meisten Geschick eg der Komponist in einer Romanze“ für Violoncello mit rchester, während eine Serenade⸗ für. Streichorchester sJ wenig Anztehendes aufwies, da nach dem Vortrag derselben sogar Zeichen des Mißfallens lau würden. Der Violoncellist Herr Ja egues van Lier unterstützte das Konzert durch die verdienstoolle Ausführung der genannten Romanze‘, nach welcher reger Beifall folgte, der auch den ch, en des 8 alt. — Ebenfalls am gestrigen Montag ließen sich die Geschwister Madeleine ten O ave (Klabiery und Jean ten Ha ve (Violine) aus Paris im Saal ö zum ersten Mal hierselbst hören. Beide erzielten durch die im Ganzen lobengwerthe Wiedergabe zweier Sonaten für Klapter und Violine von Saint San und Schu ; und durch verschiedene Solovorträge Beifall. Besonders rr. Züge sind den beiden jungen Künstlern nicht nachjurühmen.
1