1898 / 28 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 01 Feb 1898 18:00:01 GMT) scan diff

geben, daß die Ginnahmen fortgesetzt stelgen, daß aber nicht im gleichen Prozentsatz die Verwaltungskosten steigen, und demgemäß allmählich die Relation zwischen Einnahmen und Verwaltungskosten eine günstigere wird, wie dag j. B. auch bereits bei den Berufägenossenschaften der Fall gewesen ist. Aber ich habe allerdings die Ueberjeugung, daß es vielleicht in Zukunft auch möglich sein wird, wenn erst der Kanal in selnem ganzen Bau mehr befestigt ift, wenn alle die Prozesse und Streltigkeiten, die mit den Anliegern schweben, erledigt sind, die Ver⸗ waltung nicht unwesentlich zu vereinfachen.

Was den Verkehr auf dem Kanal selbst betrifft, so scheint es allerdings nöthig, nicht unerhebliche Erweiterungsbauten vorzunehmen, d. b. namentlich die Zahl der Ausweichen wesentlich zu vermehren. Ich meine aber, daß diese Kosten sich aus dem laufenden Verwaltungt⸗ Etat bestreiten lassen werden.

Was die Anregung betrifft, ob wir nicht Agenten anstellen sollen, die die Vortheile des Kanals der Schiffahrt treibenden Bevölkerung klar machen und für den Kanal so zu sagen Propaganda machen, so ist auch das bereits erwogen worden. Wir haben uns aber überjeugt, daß die Bedingungen für die Kanalfahrt in den Schiffahrt treibenden Kreisen im allgemeinen so bekannt sind, daß wir, glaube ich, durch solche Agenten niemandem etwas Neues sagen könnten. Die Hauptsache ist, daß wir doch ziemlich bewußte Konkurrenten des Kanalg haben, die jede Gelegenheit benutzen, auch den kleinsten Unfall auszubeuten und darauf hinzuweisen: das ist der berühmte Kanal, wo diese und jene Unglücksfälle sich zugetragen haben. Eine solche Polemik versuchen wir allerdings fortgesetzt auch öffentlich zu bekämpfen. Ich erinnere nur an den so sehr übertriebenen Fal mit dem Dampfer Versailles“, der allerdings im Kanal wiederholt stecken blieb, aber

nicht aus Ursachen, die an den Lootsen lagen oder an den Kanal⸗ profilen, sondern an der außerordentlich schweren Steuerfähigkeit des Schiffes; jum Beweise, daß dies der eigentliche Grund war, dient die Thatsache, daß das Schiff demnächst auch in der Elbe fest⸗ gelaufen ist.

Was schließlich die Einnahmen des Kanals betrifft, so befinden wir uns jetzt auf einer aufsteigenden Linie. Die Verkehrssteigerung in Registertons hat während der neun Monate des Jahres 1897 gegenüber dem gleichen Zeitraum des Jahres 1896 schon 32,5 0 be⸗ tragen, es waren in diesem Verkehr nach Registertons die Elbhäfen mit 23 0, die deutschen Ostseehäfen mit 20 betheiligt; demnäͤchst folgen die russischen, die schwedischen Häfen, dann die deutschen Nordseehäfen außerhalb der Elbhäfen, dann die niederländischen und Rheinhäfen, die dänischen und schließlich die britischen Häfen, von denen nur eine Frequenz an Registertons von b, 21 zu ver— zeichnen ist.

Wag weiter die Einnahmen betrifft, so hat die Steigerung der⸗ selben vom Jahre 1896/97 zu 1897/98 in der Zeit vom 1. April bis zum 31. Dejember 1897 gegenüber dem Vorjahre 217791 „, oder 266 o betragen. Es ist ferner anzunehmen, wenn man die Ein⸗ nahmen, die wir voraussichtlich in diesem Quartal bis zum 31. März zu erwarten haben, schätzt, daß der Unterschied gegen das Etatssoll an Mehreinnahme etwa 110 000 M betragen wird.

Wenn sich auch die Hoffnungen nicht erfüllen werden, die wir seinerjeit an die Frequenz des Kanals vielleicht geknüpft haben, so glaube ich doch die Erwartung aussprechen zu können, daß in abseh⸗ barer Zeit es möglich sein wird, die Verwaltungskosten des Kanals zu decken.

Die Anzahl der Unfälle hat sich fortgesetzt vermindert; die Sicher⸗ heit des Verkehrs auf dem Kanal ist demgemäß gestiegen, und auch das Zutrauen der Schiffahrt treibenden Bevölkerung zum Kanal wird sich unzweifelhaft von Jahr ju Jahr besestigen und daraus sich auch eine steigende Einnahme ergeben.

Abg. Jebsen (nl): Ich habe in der vori en Session bereits ausgeführt, daß eine Ermäßigung der Tarife die Frequenz vermehren würde; das ist geschehen; zur stärteren Frequenz hat aber auch die Grhöhung der Frachten etwas beigetragen, die Schiffer konnten die Kanalabgaben eher tragen als sonst. Meist benutzen Schiffe dentscher Nationalität den Kanal. Die Einnahme aus dem Schlepplohn deckt die Kosten nicht; es ist aber erfreulich, daß der Staatssekretär von einer Erhöhung desselben absehen will. Einen verwickelten Tarif ö nicht einführen, sondern denselben vielmehr möglichst einfach

eftalten. 3 Abg. Molkenbuhr behauptet, daß Schlepper an kleinen Fahr⸗ zeugen vorbeigefahren seien, ohne sie mitzunehmen.

Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner:

Ich möchte dem Herrn Vorredner gegenüber nur darauf hinweisen, daß nach der Instruktion ein Schiff, welches das Signal zeigt, mit genommen zu werden, verlangen kann, daß der Schleppzug anhält. Wenn also in diesem Falle der Schleppzjug nicht angehalten hat, so muß das an außerordentlichen Verhältnissen gelegen baben. Vielleicht war der Zug schon komplett. Ich werde aber diesen Spezialfall jedenfalls feststellen und vielleicht in der dritten Lesung Gelegenheit nehmen, das Sachverhältniß auf Grund amtlicher Untersuchung klar zu legen.

Die Ausgaben für das Kanalamt werden bewilligt.

Unter den einmaligen Ausgaben befindet sich ein Posten von 100 090 M6 zur weiteren Ausschmückung des Reichstagsgebäudes.

ierzu liegt ein Antrag des Abg Lenzmann (fr. Volksp.) vor, diesen ger! auf den Etat des Reichstages zu übertragen.

Abg. Sin ger (Soz.) berichtet über die Verhandlungen der Budget⸗ , n. über diese Fragen, aus welchen hervorgehe, daß die Mehrheit der Kommission der Meinung gewesen sei, daß der Reichs. tag als 6 des Hauses über die weitere Ausschmückung zu bestimmen Hibe m Anschluß an eine Resolution vom Jahre 1896, welche die betreffenden Auigaben auf den Etat des Reichstages übertragen wollte, beantrage die Kommission: ‚Es möge eine aus? Mitgliedern des . es und drei Mitgliedern des Bundesrathg zusammengesetzte omm

Reichstagggebaͤudeß mit Bildwerken und Malereien sowie sonstigen ken Vorschläge zu machen und die Ausführung zu überwachen

hat.. Die bereits bf. ten Arbeiten, von welchen einige jur Aug—⸗ ung nach Paris gesendet werden sollten, seien von dem Staat.

ekretär deg Innern vorläufig sistiert worden.

Abg. Schmidt Elberfeld (fr. Vollgp.) weist darauf hin, daß die Hꝛesolis hon dahin zu verstehen sei, daß die Kommission unter dem ., des Reichstags Präsidenten verhandeln ß In den Etats von

3/94 bis 1896597 seien bereits Summen für die Uusschmückun des 4 ebäudeg eingestellt; aber es seien dabei immer na einem Bes 1. des Reichztages die Gegenstände bezeichnet worden, welche bes f werden sollten. Diesmal seien die Gelder ge⸗ 66 * ohne Angabe der e, , die beschafft werden sollen, ö dit Reichgtagg. Baukommlssion kelne Vorschläge gemacht habe.

. mlckung des oStagsgebäudes sei eine innere Angelegen⸗ ö Neichgtageg. Deghalb sollte nach einem Beschlusfe der Bau⸗

on e i, werden, welche über die Ausschmückung des.

lommission diese nicht mehr mit der Vorbereitung betraut werden. Auch im alten Reichstagsgebäude . die Bauten immer auf An⸗ ordnung des Präsidenten erfolgt. Der Bundezrath habe ausdrücklich erklären lafsen, daß er kein Kondominium über das Reichstagsgebaäͤude beanspruche. Werbe der Antrag der Budgetkommisston angenommen, so werde die Frage nicht entschleden, sondern die Entscheidung hinaug⸗ geschoben. Das Präsidium müsse sich auch bei Annahme des Kom. missiongantrages das Recht wahren, in diefer inneren Angelegenheit des Reichstages die Entscheidung zu treffen. ö

Abg. Dr. Schneider kfr. Volksp.): Die eben gehörten Ausführungen müssen uns in der Forderung bestärken, die einmaligen Ausgaben auf den Etat des Reichstages zu übertragen. Denn danach würde die gemäß dem Antrage der Budgetkommisston einzusetzende Kommission nur Vorschläge ju machen haben, die Entscheidung über die Ausführungen aber würde dem Präsidium jufallen. Wünsche könnte der Bundegrath dem Reichtztags. Präͤsidium auch ohne Einsetzung einer solchen Kom—⸗ mission zur Kenniniß bringen.

Abg Dr. Lieber (Zentr): Meine ölitischen Freunde stehen

auf dem Standpunkt der Resolution des Reichetages vom vorigen Jahre. Sie haben sich dem Antrage der Budgetkommission an⸗ eschlossen, weil gegenwärtig der Zeltpunkt eintreien wird, wo ein dn dium des . eine Zeit lang nicht vorhanden sein wird, da die Legislaturperiode zu Ende geht. Die einfache Annahme des Antrages Lenzmann ist nicht möglich. Das Reichgamt des Innern an eine andere Stellung in dieser Frage einnehmen zu wollen als rüher, wo ausdrücklich anerkannt wurde, daß im Reichstagsgebäude lediglich der Reichstag zu bestimmen habe.

Abg. Richter (fr. Volksp.): Ich verstehe diesen Antrag der , nicht. Die richtige Form ist die, daß alle Aug⸗ gaben, welche für den Reichstag gemacht werden, auf den Gtat dez. selben gebracht werden und daß dessen Vorstand alle Sachen ent⸗ scheidet ahne eine Zwischenkommission, zu welcher auch Nichtmitglieder des Reichstags gehören. Daß wir am Ende der Legislaturperiode stehen und ein Interregnum bis zur neuen Legislaturperlode bestehen wird, hat nichts zu bedeuten; denn vor dem Interregnum stehen schlicß⸗ lich alle Angelegenheiten des Reichstages, auch zum Beispiel die An— stellung von Beamten 2. Bisher sind daraus niemals Schwierig; keiten entstanden. Der beste Ausweg ist, während diefer Zwischenzelt alle Neuerungen zu unterlassen. Wo besteht sonst in Reichs tagssachen tine besondere begutachtende Kommission? Vas Präsidium . ja Gutachter nach Belieben zuziehen. Warum sollen Mitglieder deg Bundetratheg hinzugejogen werden, die hier nur Gäste find? Das ist um so bedenklicher, als es eine kurze Zeit gegeben hat, wo man dieses Gebäude als ein gemeinschaftliches für Reichstag und Bundesrath betrachtete. Der Kommissiongbeschluß ist wohl nur aus einer Un⸗ kenntniß der sachlichen und rechtlichen Verhältnisse entstanden.

Abg. Rickert (fr. Vgg.) erklärt sich für Uebertragung der Aug⸗ gaben auf den Etat des Reichstages, aber dagegen, daß der Reichstag die Verwaltung von Restfonds übernehme, die im Etat des Reichs amt des Innern stehen.

Abg Sin ger (Soz.) führt, nicht als Berichterstatter, sondern im eigenen Namen aus; der Reschstag habe über das Innere seines Ge— baͤudes selbst zu bestimmen. Es sei nur die sachliche Schwierigkeit vor⸗ handen gewesen, daß der Reichstag als solcher keine bindenden Verträge schließen könne; deshalb seien die Ausgaben auf den Etat des Reichs amts des Innern übertragen worden. Redner kommt dann auf die Kekliner 1 sprechen, die in einer Eingabe an den Präsidenten um Sicherung hrer Stellung gebeten haben. Die Kellner, die früher garnichts bekommen hatten, bekämen jetzt fir jeden Tag der Plenarsitzung 1 4 Das sei unzureichend und des Reichstages nicht würdig. enn der schwache Besuch deg Reichstages dahin wirke, daß die Kellner auch nicht einmal durch Trinkgelder ein annehmbares Einkommen erzielten, so müsse man den Wunsch haben, daß Vorkehrungen getroffen würden, . Kellnern zu helfen. Dieser peinliche Zustand müsse beseitigt werden.

Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. Graf von Posadows ky⸗Wehner:

Wenn die 100 000 zur Ausschmückung des Reichtstagsgebäudes in den Etat des Reichgamts des Innern eingestellt werden, so sprechen eben hierfür zwei ganz nüchterne Gründe, die meines Erachteng voll— ständig treffend von den Herren Vorrednern betont sind: einmal, daß der Herr Praͤsident des Reichstages in dem Sinne wie eine Reichs⸗ behörde Verträge nicht abschließen kann (sehr richtig! rechts); und jweitens, daß Interregnen eintreten können, wo auch der bisherige Präsident, wie das bisher üblich ist, die Ver— waltung nicht fortführen kann, wo aber trotzdem, wie bei Bauten, Ausschmückungsarbeiten, die fortgeführt werden müssen, Zahlungen zu leisten, Anordnungen ju treffen sind. Wenn nicht ein voll—⸗ kommener Geschäftsstillstand eintreten soll, muß also stets eine legitime Instanz vorhanden sein, die die negotiorum gestio führt. Gegenüber dieser nüchternen Thatsache bin ich weit entfernt, heute über die Frage irgend welche staatsrechtliche Deduktionen an— stellen zu wollen; es glebt Fragen im öffentlichen Rechte, die ziemlich delikater Natur sind und wo man gut thut, die Dinge so zu behandeln, daß das Selbstgefübl keiner Partei verletzt wird und Jedem doch thatsächlich sein gutes Recht wird. Daß auch die verbündeten Regierungen in diesem Hause eine Berechtigung haben, das liegt in den thatsächlichen Verhältnissen, daß sie hier Arbeitszimmer, Ver⸗ sammlungslokale haben müssen und ihre Anwesenheit in diesem Hause eine staatsrechtliche Nothwendigkeit ist. Ich glaube, in praxi kann es sich doch nur darum handeln, daß der Reichstag auf die innere Ausschmückung den Einfluß erreicht, den er wünscht und den er legitimer Weise wünschen muß, und ich glaube in der That, daß, wenn Sie die alte Baukommission nicht mehr fortarbeiten lassen wollen, man am besten thut, man nimmt diese Resolution an, wie sie hier formuliert ist. (Zuruf aus der Mitte.) Dann, meine Herren, wird der Reichstag re vera vollkommen ju seinem Recht gelangen, die verbündeten Regierungen werden ebenfalls in der Lage sein, ihre Wünsche auszusprechen, und ich bin fest überjeugt, daß diese Kom⸗ mission durchaus zur Zufriedenheit des hohen Hauses fungieren wird ohne alle Reibungen.

Abg. von Kardorff (Rp.): Ich bitte doch, die Frage nicht noch einmal an die Budgetkommission zurück zu überweisen, da eine Meinungsänderung wohl bei keinem Mitgliede derselben zu er⸗ warten ist.

Ab . Dr. Lieber sZentr.) bestreitet, daß der Reichstags Prä⸗ dent Verträge abzuschließen nicht berechtigt e Er halte es für . daß die zu wählende Kommission unter Vorsitz des

Präsidenten tagen solle.

Abg. Pr. Graf zu Stolberg⸗Wernigerode (d, kons? schließt sich den Ausführungen des Abg. von Kardorff an. Der Präsident des Reichstages habe nicht das Recht, Verträge abzuschlicßen, wie die Leiter der Reichgämter, welche mit der Stellvertretung des Reicht. kanzlers beauftragt seien.

Abg. Schmidt Elberfeld weist darauf hin, daß der Präsident des , ,. Beamte anstelle, also doch wohl Verträge a ki 24 6 es auch thatsächlich im alten Reichttagsgebäude der Fall gewesen sei.

Abg. Richter bleibt dabei, daß die Budgetkommission nicht richtig informiert gewesen sel.. Zwischen den Änschauungen des Staatssekretärs und des Abg. Lieber besteße ein fundamentaler Gegen⸗ satz; letzterer wolle nur für dieses Jahr die Ausgaben beim Reichs amt des Innern lassen, während ersterer dies , . lich wolle und dem Reichstag das Recht bestreite, Verträge abzuschlicßen, wag allen That.

6 en widerspreche. Der Bundegrath * auch ein Interesse an der stellung der Tagetzerdnung deg Reichgtages; aber degwegen habe

noch niemand den Gedanken gehabt, für diese Frane eine K einzusetzen, zu der auch Hafer des , . Abg. von Kardorfs: Wir sind dieser prinziplellen Frage aus

dem Wege gegangen, weil ein t en h a n. in Interregnum bevorsteht, wenn der

Der Antrag au Zurücküberweisung der Anträge an die Budgetkommission . abgelehnt, ebenso der ,, Lenz⸗ mann; der Antrag der Kommisfion gelangt zur Annahme.

ü BVei der Ausgabe von 60 000 M zur Aurüstung einer Tiefsee⸗Expedition spricht daß . . lfr. . . ,. daruber aug,

en Regierungen für diesen rein wisssen Zweck eine so hohe Summe auggesetzt haben. ef ekt n Abg. von Kardorff: In? der Kommisston habe ich bei dieser Ausgabe die Frage an die , . gerichtet wegen Anlegung einer seigmischen Station in Straßburg. Straßburg ist ein besonders ge⸗ eigneter Punkt, um die Erdbebenbewegungen zu beobachten. Der Staatssekretär stellte in Aussicht, daß die Forderungen bielleicht be⸗

rücksichtigt werden könnten, wenn d nichst . ) zugehen würde. un dem Reichstage ein Nachtrags. Gtat

Stagtssekretär des Innern, Staats-Minister Dr. Gra von Posadowsky⸗Wehner: ö

Meine Herren! Im allgemeinen halte ich es für erwünscht, wenn das Reich derartige wissenschafiliche und Kulturaufgaben seiner⸗ seits übernimmt, und ich bin auch der Ansicht, daß Straßburg für die Errichtung einer seigmischen Station in besondetem Maße geeignet ist. Schon auf dem internationalen Geographen Kongreß in London im Jabre 1895 wurde Straßburg bezeichnet als ein Ort, der sich für eine Station zur Beobachtung von Erdbeben in hervorragender Weise eignet. Es soll das nicht etwa bloß eine Station sein für Elsaß. Lothringen, auch nicht bloß für Deutschland, sondern für ein großes Gebiet von Mittel. Europa. Straßburg ist auch der Ort, wo seit dem Jahre 1889 fortgesetzt am eifrigsften in Deutschland seismische Beobachtungen angestellt und wissenschaftliche Arbeiten über diese seismischen Beobachtungen veröffentlicht sind. Enblich ist in Straßburg das Instrument, was vorzugsweise jetzt zu Beobachtungen von Erdbeben benutzt wird, nicht nur zur ersten Anwendung gelangt, sondern auch erheblich erweitert. Ich glaube deshalb, wenn wir in Deutschland eine solche Zentralbeobachtungsstation einrichten, so ist Straßburg ein vorzuggweise geeigneter Ort. Ich werde mich in dieser Frage schleunigst sowohl mit dem Herrn Statthalter von Elsaß⸗ Lothringen wie auch mit den wissenschaftlichen Stellen in den Bundes- staaten in Verbindung setzen, und kann ich die Verhandlungen bis dahin abschließen, so hoffe ich, daß der Wunsch des Herrn von Kardorff in dem unzwelfelhaft vorzulegenden Ergänzungs⸗Etat auch einen etats- mäßigen Ausdruck finden wird. (Bravoh

Die . für die Tiefseeforschung wird bewilligt; damit ist der Etat des Reichsamts des Innern erledigt.

Es folgt der Etat des Reichs⸗Fustizam is? Beim Titel „Gehalt des Staatssekretärs“ geht

Abg, Basserm ann (n.) auf die Frage des größeren 5 der Bauhandwerker ein, worüber let ein Entwurf veröffentlicht sei. Es sei zu begrüßen, daß, eine reichsgesetzliche Regelung ins Auge efaßt sei, weil die Mißstände sich in allen größeren deutschen

tädten bemerkbar gemacht hätten. Der Entwurf wolle den Bauarbeitern und Bauhandwerkern eine Sicherungshypothek gewähren, aber nur in Städten von über 50 000 Einwohnern. Die gegen den Entwurf vor— gebrachten Bedenken, namentlich bezüglich der Taxation, selen unbe⸗ gründet; denn solche Taxationen kämen auch bei anderen Gelegenheiten bor. Cine Gefährdung des reellen Hypotheken verkebrs werde nicht eintreten. Wer Geld auf eine Baustelle gebe, müsse sich darauf gefaßt machen, daß er bei der Bebaunng derselben mit den Forderungen der Bauhandwerker zu thun hekomme. Redner weist ferner darauf hin, daß der S369 des Strafgesetzbuchs, welcher den Schlosser unter Strafe stelle, der ohne Genehmigung des Wohnungsinhabers einen Schlüssel zur Wohnung anfertige, veraltet sei; denn heute seien nur 24 Schlüssel nothwendig, um alle Schlösser zu öffnen. Bei einer Revision des Reichs⸗ Strafgesetzbuches sollte diese Frage geregelt werden. Redner erinnert ferner an die Ausführung der jum Binnenschiffahrtsgesetz angenom⸗ menen Resolutionen, welche die reichsgesetzliche Regelung des Dispache⸗ verfahrens und die Einführung einer Prufung für Binnenschiffer ver⸗ langen. Endlich fordert Redner die Einrichtung kaufmännischer Schiedsgerichte, für die sich die Gehilfenverbände af sämmtlich aus⸗ gesprochen, während die n , . sich jum theil für dieselben erklärt hätten. Ob die Schiedsgerichte an die bestebenden Gewerhe⸗· gerichte oder an die Amtsgerichte anzugliedern seien, werde sich schließlich von selbst ergeben, nachdem die Wahl der Schiedgrichter angenommen sein werde.

Staatssekretär des Reichs⸗Justizamts Dr. Nieberding:

Meine Herren! Zu dem Vortrage des Herrn Vorredners habe ich nur einige aufklärende Bemerkungen jzu machen. Der Herr Vor⸗ redner hat zunächst hervorgehoben, daß die Bestimmungen des Straf⸗ gesetzbuchs, nach denen Schlosser, die unbefugt Schlüssel anfertigen und verkaufen, bestraft werden, veraltet seien und einer Reviston bedürfen. Ich kann dem Herrn Vorredner in dieser Auffassung nur beitreten. Ich bin in der Lage, das nicht nur für meine Person zu sagen, sondern kann hinzufügen, daß auch von seiten der verbündeten Regierungen das Bedürfniß einer anderweitigen Gestaltung dieser Vorschrift anerkannt worden ist; sobald wir zu einer Revision den Strafgesetzbuches kommen, die ja auch als eine der nächsten großen Aufgaben vor uns liegt, wird zweifellos auch dieser Punkt aus den Strafbestimmungen über Uebertretungen in nähere Er⸗ wägungen genommen werden. Eine besondere Vorlage, die sich auf diesen Punkt beschränkt, dem Reichstage zu machen, das würde sich nicht empfehlen, schon aus dem Grunde nicht, weil auch viele andere Bestimmungen des Titels über die Uebertretungen im Strafgesetz⸗ buch mindestens ebenso reformbedürftig sind. Dieser ganze Titel des Strafgesetzbuches über die Uebertretungen ist meines Erachtens ver⸗ altet; er ist übernommen aus dem preußischen Strafgesetzbuch von 1851 und hätte in vieler Beziehung schon bei seiner Aufnahme in unserem Strafgesetzbuch Anlaß zu Beanstandungen geben können. Sobald wir an die Revision des Strafgesetzbuches kommen, wird nach meiner Meinung dieser ganze Titel einer gründlichen Durch⸗ prüfung unterworfen werden müssen.

Der Herr Vorredner hat dann den Wunsch ausgesprochen, daß der Resolution deg Reichztages, welche den Befähigungsnachweis für Flußschlffer eingeführt sehen will, baldigst Rechnung getragen werden möge. Nun ist ja diese Resolution allerdings zu einem Gegenstand beschlossen worden, der dem Ressort des Reichz⸗Justizamts angehört. Die Resolution wurde beschlossen bei Gelegenheit der Erledigung des Binnenschiffahrtsgesetzes, allein, meine Herren, das Prüfungtwesen und die Frage des Befähigungsnachweises- für Schiffer gehört, ebenso wie der Befähigungsnachweig, für andere Gewerbetreibende, dem Ressort des Reichs⸗Justizamts nicht an, sondern sie fällt in das Gebiet des Reichszamtg deg Innern. Ich bin nicht in der Lage zu sagen, wie welt die Arbeiten gediehen sind, die etwa in Veranlassung dieser Resolutlon bei dem gedachten Ressort eingeleitet worden

find. Ich kann dem Herrn Vorredner nur anheimgeben, bei der dritten Lesung des Etats des Reichgamts des Innern, wenn er darüber Auf⸗ klärung zu haben wünscht, eine entsprechende Anfrage zu stellen.

Was endlich die Einführung kaufmännischer Schiedsgerichte betrifft, so sind die Vorarbeiten, welche erforderlich sind, um diese keineswegs so einfache Frage zur Erledigung zu bringen, seit längerer Zeit im Gange. Sie werden gemeinschaftlich vom Reichzamt des Innern und dem Reichs-Justijamt geführt. Wie weit die Arbeiten zur Zeit gediehen sind, kann ich Ihnen aber nicht sagen. Es schweben zur Zeit Erörterungen im Reichßamt des Innern. Wir, meine Herren, im Reich⸗Justizamt haben im Laufe des letzten Jahres keine Zeit gehabt, uns mit dieser Frage zu beschäftigen. Ich ver— spreche aber dem geehrten Herrn Vorredner, daß, sobald wir wieder etwas von den dringendsten Arbeiten aufathmen können, diese Frage mit zu den ersten gehören wird, die unserer näheren Prüfung unter⸗

zogen werden sollen.

Abg. Rickert (fr. Vgg.):: Wie steht es mit der reichsgesetzlichen Regelung des Strafvollzugs und namentlich mit der Frage der Deportation von Verhrechern in unsere Kolonien? Hat die Reicht⸗ Justizverwaltung Kenntniß genommen von der öffentlichen Diskufsion der letzteren Frage?

Staatssekretär des Reichs⸗Justizamts Dr. Nie berding:

Meine Herren! Die Frage, ob nicht ein Theil unserer Gefängniß⸗ strafen ersetzt werden könne durch die Einführung der Deportation, ist ja in den letzten Jahren, wie der Herr Vorredner zutreffend hervor⸗ gehoben hat, vielfach und so lebhaft erörtert worden, daß auch die Reicht ˖Justizverwaltung sich nicht hat entziehen können, ihre Aufmerk⸗ samkeit ihr zuzuwenden. Es ist zweifellos, daß, wenn es gelingen sollte, diese Frage derart zu bejahen, daß es praktisch möglich sein würde, einen Theil unserer Gefängnißsträflinge zur Verbüßung der Strafen in die Kolonien abzuführen, damit für unser Gefängnißwesen in finanzieller, wirthschaftlicher und moralischer Beziehung ein Vortheil erzielt würde, der nicht unterschätzt werden darf. Diese Erwägung hat auch der Reichsverwaltung Veranlassung gegeben, sich zunächst darüber Aufklärung zu verschaffen, wie an Ort und Stelle bei den einzelnen Kolonieperwaltungen die Frage angesehen wird. Wenn wir die Durchführbarkeit von Maßregeln der angeregten Art prüfen wollen, werden wir zunächst doch wissen müssen, wie die Stellen, die die Verhältnisse der einzelnen Kolonien am genauesten und authentisch kennen und die in der Lage sind, ein verantwortliches Votum in der Sache abzugeben, über die Ausführbarkeit denken.

Nun, meine Herren, hat im Jahre 1895 bis in das Jahr 1896 hinein hieraus die Kolonialverwaltung Anlaß genommen, an die Gouverneure unserer afrikanischen Kolonien zu schreiben, an die Gou⸗ verneure von Togo, von Kamerun, von Südwest-Afrlka und von Ost—⸗ Afrika, und die Frage zu stellen, in wie weit sie es für zulässig, finan⸗ nell durchführbar und im Interesse der Kolonten, andererseits aber auch im Interesse der Sträflinge erachten würden, wenn man die Deportation in gewissen Grenzen in das deutsche Strafensystem einführen wollte. Meine Herren, die Antworten der Gouverneure sind sämmtlich verneinend außfallen. Die Gouyerneure der vier Kolonien haben übereinstimmend, wenn auch nicht aus ganz gleichen Gründen, wie das ja aus den ver⸗ schiedenen Verhältnissen der Kolonien sich ergiebt, aber doch über⸗ einstimmend im Resultat, abgerathen, einen solchen Schritt zu thun. Am weitesten und entschiedensten in dieser Richtung gehen die Aeuße⸗ rungen der Gouverneure unserer tropischen Kolonien.

Die Gründe, aus denen die Herren entschieden von einem Ein— geben auf ein derartiges Projekt abrathen zu müssen glauben, beruhen einmal in den klimatischen Verhältnissen. Sie erklãren, daß es unmöglich sein würde, Gefangene dort hinzubringen, ohne sie, zum theil wenigstens, ernsten Lebengefahren auszusetzen, für die Uebrigen aber die Gefahr langwieriger Krankheiten heraufzubeschwören. Der Gouverneur von Kamerun geht soweit, zu erklären, wenn man einen Versuch dieser Art machen wollte, würde das Resultat in kurzer Zeit das sein, daß die ganze Sträflingskolonie ein großes Kranken— haus bildete. (Hört! hört! bei den Sozialdemokraten.)

Der jweite Grund, der die Gouverneure abhält, dem Projekt näher ju treten, ist der, daß die Autorität der weißen Bevölkerung entschieden leiden würde, wenn Weiße dorthin gebracht würden, um angesichts der farbigen Bevölkerung ihre Strafen zu verbüßen. Die Autorität des weißen Regiments beruht wesentlich darauf, daß die farbigen Elemente der Bevölkerung gewohnt sind und hoffentlich ge— wohnt bleiben werden, in den weißen Einwanderern ein üÜber— legeneg Kulturelement ju erblicken. Wenn es dahin kommen sollte, daß Weiße angesichts der einheimischen Rassen den Strafen und zwar, wie es dort eben nicht anders möglich ist, großentheils im Freien und oͤffentlich unterzogen werden, dann würde zweifellos die Autorität, die gegenwärtig die weiße Bevölkerung genießt, schwerer Erschütterung ausgesetzt sein.

Endlich, meine Herren, machen die Gouverneure darauf auf⸗ merksam, daß, wo bisher von der Deportation als Strafmittel Ge— brauch gemacht worden ist, dies immer nur geschah in Ländern mit ganz geringer Bevölkerung, wo die Deportierten den Stamm mit hergaben, um die Bevölkerung eigentlich erst aus sich herauswachsen zu lassen. Nun sind aber unsere tropischen Kolonien bereits gegenwärtig so stark bevölkert, daß für einen Deportationsversuch dorthin die gleiche Vor= aussetzung ohne weiteres wegfällt. Die Gouverneure erklären, daß in ihren bevölkerten Gebieten für derartige Sträflinge in der That kein Raum sei und daß, wenn man einen Versuch mit der Depor—- tation machen wolle, man ihn dahin richten müsse, wo die Bevölkerung noch verhältnißmäßig gering im Lande ist. Diese Bedenken, meine Derren, sind bis jzu einem gewissen Grade auch für das Gebiet unserer übrigen ostafrikanischen Kolonien entscheidend, sie werden in manchen Theilen allerdings nicht so durchgreifend sein. Fůr diese treten aber wieder 1wei andere Gründe ein, die ernste Beachtung beanspruchen. Einmal liegen die Gebiete, die wegen ihrer geringen Bevölkerung und wegen ihrer gesunderen, klimatisch den Weißen zuträglicheren Verhaͤltnisse sich für den Aufenthalt von Sträflingen eignen würden, so weit im Innern, daß schon der Transport allein Kosten verursachen würde, gegen welche die Kosten der Unterbringung in Gefängnissen bei ung, sehr zurücktreten müßten.

Außerdem würde nöthig sein, eine so starke Bewachung dieser Sträflinge vorjusehen und zwar durch weiße Auf seher, da farbige Leute für diesen Aussichtsdienst Welßen gegenüber nicht verwendet werden können daß damit die Koften sich noch weiter erheblich steigern würden. Am wenigsten, meine Herren, fallen diese Gründe obwohl auch noch schwer genug. aber doch im Verhältniß ju den anderen Kolonien am wenigsten ins Gewicht gegenüber unserer Kolonie Südwest⸗ Afrika. Aber

darüber besteht nach den Berichten des Gouverneurg kein Zweifel, daß in der Kolonie selbst ein Versuch mit einer Deportation von Sträflingen der entschiedensten Abneigung begegnen würde. Hier vor allem kommt auch in Betracht, daß die Leute weit ins Innere ge⸗ bracht werden müßten, daß sie unter steter weißer Aufsicht gehalten werden müßten und nach den dortigen Verhältnissen nur für Straßen, Wegebauten, Entwässerung und dergleichen Arbeiten im Freien ver⸗ wendet werden könnten; für Arbeiten, die sich nicht stabil an einem Ort erledigen, sondern sich von Strecke zu Strecke weiter in das Land hinein bewegen, ein Umstand, der natürlich die Unterbringung und Beaufsichtigung der Sträflinge aufs höchste erschwert. Auch der Gouverneur dieser Kolonie, die, wie gesagt, die verhältniß⸗ mäßig am wenigsten ungünstigen Bedingungen für eine Deportation bieten würde, erklärt, daß wenn man einen Versuch mit diesem Strafmittel machen wolle, man ihn nur machen dürfe mit einer kleinen Zahl von Gefangenen, höchstens 100, auf die man sich zunächst beschränken müsse, bis weitere Erfahrungen in der Praxis gesammelt sein würden, daß man zweitens keine Ge—⸗ fangenen hinbringen dürfe, die wegen Eigenthumsvergehen Strafe er leiden, weil der Import derartiger Leute im Lande große Beunruhigung erzeugen würde; daß man drittens keine weiblichen Personen hinbringen dürfe, und daß man endlich unter allen Umständen dafür sorgen müßte, diejenigen Deportierten, die ihre Strafen dort verbüßt haben, nicht etwa dort zu lassen, sondern wieder in ihre Heimath zurückzu⸗ führen habe. (Sehr richtig h

Meine Herren, daß unter solchen Bedingungen von einer Deporta⸗ tion keine Rede sein kann, brauche ich Ihnen nicht auszuführen. (Sehr richtig) Meine Herren, wie die Dinge liegen, ist es bei einigen unserer Kolonien in der That nach ihrer ganzen materlellen Entwickelung schon viel zu spät, an Deyportationgversuche zu denken, bei anderen Kolonien aber vielleicht noch ju früh, weil das Innere des Landes noch nicht so weit aufgeschlossen ist, um einen leichten Zugang zu gestatten. Ueberall in der Welt, meine Herren, wo mit Deportation Erfolge erzielt worden sind, haben sie sich vollzogen in Gebieten, die unmittelbar mit der Küste in Zusammenhang stehen und so auf daz leichteste zugänglich waren. Ueberall aber, wo diese Voraug⸗ setzung in unseren Kolonien vorliegt, ist der Versuch einer Deportation nach den Berichten, die wir erhalten haben, ausgeschlossen. Ich glaube nicht, daß die Reichsperwaltung nach den Ergebnissen dieser Er—⸗ örterungen vorerst Anlaß haben wird, der Frage nochmals näher zu treten. (Bravo h

Abg. Auer (Soz.) führt aug, daß man sich also umsomehr damit beschäftigen 3 wie der Strafvollzug in Deutschland selbst geregelt werden fil ie Bundesregierungen hätten sich über die Grundsätze des Strafvollzugs geeinigt, da eine reichsgesetzliche Regelung jetzt nicht möglich sei. Die Journalisten und Schriftsteller beschwerten sich mit i darüber, daß ihre Kollegen, die wegen nicht gemeiner Verbrechen verurthellt seien, wie die gemeinen Verbrecher be— handelt würden. Daran würde durch den Zundetraths. beschluß nichts geändert; auch die Selbfstbeköstigung und Selbstbeschästigung sollte für selche Personen nur ausnahmgtz— weise zugelassen werden. An der Stelle des gesetzlichen Rechts bleibe das Belieben der Aufsichtsbebörden bestehen. Man habe die politischen Gefangenen mit Kaffeelesen und Wergzupfen beschäftigt; man lasse den gefangenen Redakteuren keine Zeitung zukommen und transportiere sie in gefesseltem Zustande. Beschwerden bei den zuständigen Instanzen hälfen nicht. Einem Redakteur, der sich darüber beschwert habe, daß er mit Stuhlflechten beschästigt worden sei, sei geantwortet worden, daß diese Arbeit für ihn ausgewählt sei, weil sie reinlich und leicht zu erlernen fel. Bag heiße zum Schaden den Hohn hinzufügen. Man sollte nur die Be— handlung der Duellanten, z. B. des Grafen Uexküll, mit der Be⸗ handlung der politischen i n, z. B. des Dr. Wrede, vergleichen,

dessen Gesundheit durch die Festungshaft ruiniert worden sei, odaß er sich der Haft entzogen habe.

Staatssekretär des Reichs⸗Justizamts Dr. Nieberding:

Meine Herren, die letzte Frage, die der Herr Vorredner an mich gestellt hat, wann wir zu einer gesetzlichen Regelung des Strafvollzugs kommen würden, habe ich bereits mehrmals Gelegenheit gehabt, im Hause zu beantworten, und zwar dahin zu beantworten, daß, wie die Dinge jetzt liegen, eine gesetzliche Regelung des Strafvolljugs unmög⸗ lich sei, so lange wir die Revision des Strafgesetzbuchs nicht hinter uns haben, eine Revision, die uns ja in nicht zu langer Zeit sich aufdrängen wird. Die Bestimmungen des Strafgesetzbuchs über den Strafvollzug sind bekanntlich so unvollständig, daß sie in dieser Art neben einem Gesetz, das den Strafvollzug ausführlich regelt, nicht bestehen bleiben kann. Außerdem bedarf es noch weiterer Bestimmungen neben dem Straf⸗ vollzug, insbesondere über die Strafart und Strafzumessung bei jugendlichen Personen, bei Frauen, über die bedingte Verurtheilung, über die Verhängung kurzer Freiheitsstrafen und vieles andere alles Sachen, die auf Art und Umfang der Strafvollzugs Einrichtungen für Freiheitsstrafen so erheblich einwirken werden, daß es vergebliche Mühe sein würde, jetzt mit der Ordnung des Strafvollzugs zu beginnen, um dann später die Art der Bestrafung, auf der der Straf⸗ volljug doch beruht, im Strafgesetzbuch einer Revision zu unter— ziehen. Ich bin überzeugt, daß wenn die Revision des Strafgesetzbuchs erst zu Ende geführt sein wird, auch die Ordnung des Strafvollzugs dann nachkommen wird; denn niemand zweifelt daran, daß eine einheitliche Regelung des Strafvollzuges in Deutschland eine nothwendige und unerläßliche Ergänzung unseres Strafgesetzbuches bildet.

Nun hat der Herr Vorredner die vorläufigen Bestimmungen be⸗ rührt, über die der Bundesrath sich geeinigt hat, nicht um die Sache damit zum Abschluß zu bringen, sondern um die spätere gesetzliche Regelung vorzubereiten und zu erleichtern; denn es ist immer schon eine Erleichterung, wenn einmal die Gefängnißverwaltungen gehindert werden, weiter in ihren Einrichtungen auzeinanderzugehen, als sie bis dahin auzeinandergegangen waren, und über gewisse Punkte sich zu verständigen, die bis dahin unter ihnen strittig gewesen waren. Darin liegt doch schon eine Annäherung an dag gemeinsame Recht. Ist eine solche Ginigung erfolgt, dann wird es mweifelloß später leichter werden, diejenige Verständigung unter den verbündeten Regierungen herbeizuführen, die erforderlich ist, um die gesetzliche Regelung des Strafvolljuges an den Reichztag zu bringen. Meine Herren, der Herr Vorredner hat nun betont, daß es doch wenigstens möglich gewesen ware, für die Preßdelikte, für die politischen Vergehen besondere Vorkehrungen be⸗ hufs eines milderen Strafvolliugs ju trefftn. Nein, das ist nicht möglich; denn wir würden damit in Widerspruch kommen mit dem Strafgesetzibuch. Unser Strafrecht kennt keine besonderen Straf⸗ bestimmungen für einzelne Beruftarten; ebensogut wie die Presse be⸗ sondere Bestimmungen über den Strafvollsug in Anspruch nehmen könnte, könnten auch andere Berufezwelge dies in gleicher Weise

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in Anspruch nehmen; denn auch andere Berufszweige werden den Anspruch erheben, daß ihre Vertreter aus Leuten bestehen, die auf höhere Bildung sich berufen können, denen bei etwaigen Strafthaten gemeine Gesinnung fern gelegen habe. Aber das Straf⸗ gesetzbuch gestattet nicht, nach dieser Richtung hin Bevorzugungen für einen besonderen Stand eintreten zu lassen, wir können Bevorzugungen

für keinen anderen Stand, aber deshalb auch für die bei der Presse

beschäftigten Bestraften nicht eintreten lassen. Was uns das Straf⸗ gesetzbuch gestattet, das ist, Rücksicht zu nehmen auf die individuellen Verhältnisse der einzelnen Bestraften, auf ihre Vorbildung, auf ihre Gesundheit, auf ihren bisherigen Beruf, auf ihre Beschäftigung. Nun hat der Herr Vorredner doch gerade anerkannt, daß die Bestimmungen, die der Bundesrath bis jetzt getroffen hat, im wesentlichen dem ent⸗ sprechen, was nach dieser Richtung überhaupt gewünscht werden kann. Der Herr Vorredner hat aus ihnen den 5 18 zitiert und ausdrücklich festgestellt, daß es danach möglich sei, auf die Verhältnisse der ein zelnen Gefangenen bezüglich des Arbeitszuweises besondere Rücksichten zu nehmen (Zuruf bei den Sozialdemokraten) ja, wir wollen doch erst einmal abwarten, ich komme gleich darauf, lassen die Herren mich doch erst aussprechen Rücksicht zu nehmen auf dag künftige Fortkommen, auf den Bildungsgrad, auf die Berufaverhaͤltniffe. Mehr hat der Herr Abg. Auer bei seinen Ausführungen über gewisse Ginjelfälle auch nicht verlangt, und wenn der Bundes rath sich in diesem Punkte über grundsätzliche Bestimmungen geeinigt hat, so, sollte ich meinen, wäre ez richtiger, dies anzuerkennen, als aus der Vergangenheit Beispiele heranzuztehen, die jedenfalls nicht dafür angeführt werden können, daß diese Be⸗ stimmungen ungenügend seien, denn diese Bestimmungen werden noch nicht überall durchgeführt sein; sie können natürlich nicht so, wie sie vom Bundesrath beschlossen sind, zur Ausführung kommen, sondern sie bedürfen noch näherer Ausführungsbestimmungen von serten der einzelnen Regierungen für deren Strafanstalts⸗Verwal⸗ tungen. Dann hat der Herr Abg. Auer selbst hervorgehoben, daß besondere Rücksichten gestattet seien bei der Bekoͤstigung der Gefangenen insoweit, daß auch die Gesundheitsvverhältnisse oder vielmehr, er hat dies eigentlich nicht hervorgehoben, er hat es über⸗ sehen, den Abs. 2 der betreffenden Vorschrift anzuziehen, er hat hervorgehoben, daß die Beköstigung bei den Gefangenen durchgängig die gleiche sein sollte, und hat daran den Vorwurf geknüpft: das sei ungenügend, gleiche Kost sei für verschiedene Menschen etwag sehr Verschiedenes. Ja, da hätte der Herr Abg. Auer doch auch den zweiten Absatz der Bestimmung, die er dem Hause mitgetheilt hat, verlesen sollen, worin ausdrücklich steht, daß, wo zur Erhaltung der Gesundheit und Arbeitsfähigkeit es geboten sei, Ab⸗ weichungen von der allgemeinen Kost jugestanden werden, und zwar auf Gutachten des Arztes und nach Bestimmung des Vorstandes der Anstalt. Also der Rücksicht, die der Herr Vorredner auf die Gesundheitsverhältnisse und die Arbeitsfähigkeit des einzelnen Mannes bei der Zutheilung der Kost genommen haben will, wird durch diese Bestimmung Rechnung getragen. Ich glaube, er hätte auch billigerweise diese Bestimmung anführen sollen; daß aber diejenigen Leute, die gesund und kräftig sind, in der Kost nicht verschieden gestellt werden dürfen, wenn die Gerechtigkeit überhaupt zu ihrem Rechte kommen soll, ist klar, und daß man nicht gestatten darf, daß Leute, die die allgemeine Kost vertragen, doch aug besonderer Rücksicht eine bessere Kost bekommen als die anderen Sträflinge, das werden Sle doch wohl nicht bestreiten wollen.

Nun hat der Herr Abgeordnete angeführt, auf die Presse nähme man keine Rücksicht, aber auf diejenigen Sträflinge, die wegen eines Duells bestraft werden, nãhme man in der Art ihrer Haft besondere Rũcksicht. Daß bei dem Duell eine andere Art der Haft eintritt, liegt aber darin, daß für solche Fälle eine besondere Strafe im Strafgesetzbuch aus⸗ drücklich vorgesehen ist, nämlich die Festungshaft. Soweit, wie das Strafgesetzbuch es gestattet, wird natürlich auf die einzelnen Arten von Vergehen Rücksicht genommen, aber nicht darüber hinaus.

Der Herr Abgeordnete hat dann hervorgehoben, daß auch bei Verhängung der Festungehaft sich Beispiele dafür anführen lassen, daß die einzelnen Sträflinge ungleich behandelt würden, und bat je eines Falles aus Stuttgart und Weichselmünde Erwähnung gethan. Ja, meine Herren, ich kann auch hier nur sagen, ich bedauere, daß der Herr Abgeordnete mir nicht zuvor davon Kenntniß gegeben hat, daß er diese Fälle zur Sprache bringen wolle; denn er kann nicht annehmen, daß ich über die betreffenden Verhältnisse soweit orientiert bin, um seine sehr in Ginzelheiten gehenden Ausführungen zu widerlegen. Ich muß nur bemerken, daß der Fall, der in Stuttgart ge⸗ spielt hat, meines Erinnerns unter die Militãrverwaltung gehört, daß der zur Festungesstrafe verurthellte Offizier wahrscheinlich in militärischer Haft sich befindet. Die Ziviljustij⸗ verwaltung kann über diesen Fall daher keine Auskunft geben. Der Herr Abgeordnete ist ja in der Lage, bei dem Etat der Militãrverwaltung die Auskunft, die er etwa wünscht, zu erbitten. Mir aber zwei solcher Fälle entgegenzuhalten und daraus herjuleiten, es habe offenkundig eine ungleiche Behandlung Platz gegriffen, das, meine Herren, weise ich zurück. Ich lehne eine Digkussion solcher Art ab, die auf un⸗ gleichem Boden sich bewegt, und die Herren, die immer dafür ein⸗ treten, daß man doch mit gerechtem Maße messen solle, sollten zunãchst darin gerecht sein, daß sie mir gestatten, auch meinerseits mich zu in⸗ formieren, damit ich meinerseits das Haus gerade so unterrichten kann, wie sie das thun. (Sehr richtigh

Nun hat der Herr Abgeordnete gewlssermaßen das Bedürfniß gehabt, sich zu entschuldigen, daß er hier eine Menge von Fällen vor⸗ gebracht hat, bei denen die humanen Rücksichten außer Betracht ge⸗ blieben seien, auf die die Gefangenen nach seiner Meinung Anspruch erheben können. Er meinte: wenn das, was er vorbrachte, einzelne abnorme Fälle gewesen wären, dann würde er bereit gewesen sein, mich vorher zu unterrichten, aber das sei alles nur der Ausdruck der herkömmlichen Ordnung der Dinge; so wie in diesen Fällen, gehe es überhaupt in den Gefängnissen zu, und deshalb habe er eine vorherige Mittheilung nicht für nöthig gehalten. Ja, da frage ich, weshalb denn nicht in diesem Fall? Kann er von mir verlangen, daß ich über die Verhältnisse in den Anstalten, wie sie nach seiner Meinung sich durchgängig gestalten, unterrichtet bin? Daß die bestehenden Vorschriften seinen Schilderungen nicht entsprechen, wird er mir selbst zugeben; jedenfalls bestreite ich, daß die Vor= schriften dahin gehen. Wie aber, gam abgesehen von den formellen Vorschriften, die Verhaältnisse im Ganzen und Großen in der Prarlg

liegen und ob die Fälle, die er angeführt hat, in der That der Augdruck

der gang und gäben Prari find, kann ich nicht obne weiteren beantworten