1898 / 31 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 04 Feb 1898 18:00:01 GMT) scan diff

unbedingt gerechtfertigt sei. Ich machte darauf aufmerksam, daß allein in diesen Jahre in neun Monaten eine Steigerung der Gin nahmen gegen dag vorige Jahr um 17 Millionen einige Hundert tausend Mark stattgefunden hätte; das ergiebt, für das Jahr berechnet, eine Gesammtstelgerung von 8oso. Wenn die Verwaltung in Ueber⸗ einstimmung mit dem Reichs-Schatzamt hier nur etwas über 5 /o der Mehreinnahmen eingestellt hat, so glaube ich, daß das nicht eine überschwaͤngliche Schätzung der jukünftigen Einnahmen bedeutet, daß das vielmehr den thatsächlichen Verhältnissen entsprechen wird. .

Waß nun die verschledenen, von dem Herrn Vorredner an mich gestellten Fragen anlangt, so dürfte ja eigentlich von ihm beabsichtigt sein, daß ich hier plötzlich mit einer großen Rede vor Sie hintrete, um all die einzelnen Fragen bis ins Detail zu erörtern.

Wag in erster Linie die Frage anlangt, betreffend die Reform bon Gebühren bei den Portis, so wissen die Herren, daß eine solche Vorlage bereits dem Bundesrath zugegangen ist. Ich habe hier aut⸗ drücklich zu erklären, daß die Ueberschrift der Vorlage, die seitens des Herrn Vorredners bemängelt wurde, in Erwägung, daß es sich um die Abänderung der verschiedenen Gesetze: des Postgesetzes, des Post⸗ taxgesetzes und der einzelnen Novellen handelt, so gestaltet werden mußte. Sie enthält, wie ich anführen darf, die Frage der Erhöhung des Gewichts, die Frage, wie weit man in den Städten resp. den an⸗ grenzenden Ortschaften auf eine Ermäßigung des Portos herabgehen kann, resp. die Ermäßigung für Berlin.

Ich möchte hierbei speziell anführen, um von den Herren nicht mißverstanden zu werden resp. einer Deutung zu unterliegen, die heute wieder in den Ausführungen des Herrn Abg. Müller (Sagan) vorkam, als wenn ich in der Budgetkommission eine bindende Erklärung darüber abgegeben hätte, nicht durch Tarifermäßigungen etwa die Privatbeförderungsanstalten zu schädigen: zu einer solcher Erklärung war ich weder berechtigt nach irgend einer Richtung hin, noch hätte ich sie sonst abgeben können; denn die Tarifermäßigungen hängen, soweit es sich um Abänderung gesetz⸗ lich festgelegter Tarife handelt, von den verbündeten Regierungen und vom Reichstage ab. Ich habe persönlich nur gesagt, ich würde es für wünschenswerther erachten, auf dem Wege des Gesetzes die Ver⸗ hältnisse klar zu stellen, als auf dem Wege des Tarifkrieges. Wenn nach dem pflichtmäßigen Ermessen der Behörde im allgemeinen Interesse eine Herabsetzung des Portos für wünschenswerth erachtet wird, dann kann man doch unmöglich den Privatbeförderungsanstalten ein Recht vindizieren, zu sagen: das schädigt unsere Interessen. Also

das möchte ich nach dieser Richtung hin klar stellen.

Wenn der Herr Abg. Müller weiter gesagt hat, ich hätte versucht, ein Parallelogramm der Kräfte konstruiert und aus ihm abgeleitet, was ich thun resp. vorschlagen wollte, so, glaube ich, irrt er sich nach dieser Richtung hin. Es ist für mich an jedem Punkte die Pflicht, zu er⸗ wägen: gelten die Maßregeln der Allgemeinheit, dann habe ich sie auszu⸗ führen; gelten sie nur besonderen Interessen und einzelnen Kreisen, so muß ich sie zurückweisen. Also ich habe nicht ein Abwägen zwischen den ver⸗ schledenen Interessen, sondern ein Abwägen zwischen dem Interesse der Allgemeinheit und den Sonderinteressen, und treten etwa Sonder⸗ interessen herbor, so heißt es immer: Leistung gegen Leistung! Wenn in einer Stadt von kaufmännischen Kreisen von mir verlangt wird, daß ich mehr Boten für eine spät ankommende Post einstellen soll, und dies kommt lediglich einem speziellen Kreis von Kaufleuten zu gute, so kann ich nur antworten: ich bin bereit, bezahlt aber die Boten. Ich glaube, das entspricht auch den allgemeinen Verhäͤltnissen.

Also, meine Herren, ich habe nicht etwa zwischen den verschiedenen Intereffen abgewogen, sondern ich habe mich nur bemüht, durch die Konferenzen, die im Monat Oktober stattgefunden haben, aus den Kreisen der Vertreter von Handel, Industrie und Landwirthschaft zu hören, welche Klagen im allgemeinen in diesen Kreisen vorhanden, und welche Bedürfnisse heute herangetreten seien. Es liegt mir auch fern, etwa mit der Keule der Gesetzgebung, wie der Herr Vorredner sagt, heute die Privat⸗Postanstalten todtschlagen zu wollen; es liegt lediglich in meiner Absicht, das zu klären, was in allen großen Ländern Europas sowohl als auch außerhalb Europas, z. B. in Nord⸗ Amerika, Rechtens ist, daß der geschlossene Brief als ein Beförderunge⸗ objekt für die Post der Allgemeinheit, d. h. für die Post des Landes, angesehen wird. Das zu klären, wird ja nachher die Aufgabe des Gesetzes sein, welches hoffentlich noch in dieser Session Ihnen vor—⸗ gelegt wird, und ich habe immer noch zu sagen: Seien Sie überzeugt, meine Herren vom Monat August an haben wir ununter⸗ brochen über diese Sache verhandelt es sind immerhin eine ganze Menge von Momenten maßgebend, die es nicht ermöglichen, ein Gesetz, das man für wichtig hält, vorzulegen; sondern im Deutschen Reich ist eine Reihe von Faktoren zu hören, ehe eine solche Vorlage beim Bundesrath eingebracht werden kann, und ehe sie dem Reichstage zugeht. Es liegt also nicht eine Verschleppung vor; sondern Sie dürfen Sich überzeugt halten, wir haben unausgesetzt an dieser Sache gearbeitet, und ich hoffe, daß sie in diesem Jahre zur Verabschiedung kommen wird.

Heute, meine Herren, auf die einzelnen Verhältnisse der Privat⸗ posten einzugehen, halte ich nicht für angebracht, um so weniger, da wir hoffentlich in wenigen Wochen vielleicht in 14 Tagen schon hier in der Lage sind, eingehend über das Gesetz zu verhandeln. Ich glaube also, ich würde die Diskussion sehr ins Weite spinnen, wenn ich auf die einzelnen dort gestellten Fragen eingehen wollte. Ich möchte aber nur das Eine anführen, meine Herren: der Herr Abg. Müller (Sagan) war so freundlich, den Prlvatposten einen guten Stammbuchvers zu schreiben. Er sagt: sie haben nur im

Interesse der Gesammtheit gearbeitet. Nein, meine Herren, es war private Erwerbtzthätigkeit. (Sehr richtig! rechts und in der Mitte.)

Wat nun die Anfrage über die Drucksachen anlangt, so kann ich nur versichern, neue Bestimmungen sind nicht ergangen. Naturgemäß haben wir bei der heutigen Steigerung des Verkehrs die Pflicht, daß wir bei den zur Abfertigung kommenden Sendungen in erster Linie die

Briefe nehmen. Sie sind an sich schon kenntlich durch ihr Aeußeres. Können wir bei der Absendung nicht alle Sachen mitnehmen, so blelben natürlich nicht die Briefe, sondern die Drucksachen zurück. Ich spreche hier nicht von Zeltungen, die kommen in ganz anderer Weise zur Expedition. Aber weiter, meine Herren! Der Herr Abg. Müller meinte, wir könnten doch unmöglich den Drucksachen ansehen, welche von ihnen schneller befördert werden müssen. Ich kann darauf ant— worten: die Erfahrung lehrt, daß wir gewisse Unterscheidungszeichen

besitzen, und zwar an der Art ihrer Auflieferung. Meine Herren, was in großen Körben, in großen Massen aufgeliefert wird, das sind

im allgemeinen Sendungen, von denen wir anzunehmen berechtigt sind, daß sie besondere Eile nicht beanspruchen. Die Möglichkeit besteht, daß wir diese Massen in demselben Moment nicht zu bewäl⸗ tigen vermögen. Ich bemerke aber ausdrücklich, zur Zeit sind keine Aenderungen der Vorschriften vorgenommen; ob es in der Folge geschehen wird, heute Ihnen zu erklären, bin ich wirklich noch nicht in der Lage. Ich weiß sehr wohl, es klingt hinten der Satz nach: dann befördert die anderen Sachen billiger. Ja, meine Herren, wo sollen wir hinkommen, wenn wir nicht, entsprechend der Leistung der Post, rie Gegenleistung verlangen? Ich komme nachher darauf, was der Herr Abg. Müller gesagt hat: bei den Zeitungen bestehe kein rich tiges Verhältniß zwischen den Leistungen der Post und den Gegen leistungen, was ja auch von allen Parteien bestätigt wird. (Sehr richtig) Ich bin damit einverstanden: es muß das richtige Verhältniß zwischen Leistung und Gegenleistung überall erhalten werden.

Ich kann im übrigen nur hervorheben: in neuerer Zeit, wenigstens im letzten Halbjahr, sind mir, soweit mir bewußt ist, keine Be—⸗ schwerden zugegangen, daß die Drucksachen nicht prompt befördert werden. Ich weiß wohl, daß es ein Moment der Reibung gegeben hat, aber dieses Reibungsmoment ist verschwunden, und ich kann nur konstatieren, daß neuerdings, meines Wissens, solche Beschwerden nicht eingegangen sind.

Was nun die Frage wegen einer Aenderung in den Bestellgängen angeht, so habe ich in der Budgetkommission erklärt, daß generell eine Beschränkung der Bestellgänge in Berlin zur Zeit nicht verfügt worden ist, und das kann ich auch heute noch aufrecht erhalten. Auf der anderen Seite kommt es auf dem Lande und in den kleinen Städten oft genug vor, daß wir beobachten, wie ein Briefträger mit sehr wenig Briefen seinen Gang macht. Stellt die Ober ⸗Postdirektion fest, daß sich dieser Gang nicht mehr lohnt, so wird sie ihn ein⸗ ziehen. Meine Herren, das ist eine Sache, die einfach geschäftlich er⸗ ledigt wird und von dem Bedürfniß abhängt. Sie werden uns zugeben, daß, wenn ein Briefträger mit 2, 3 Briefen herumgehen soll, man da ein Bedürfniß nicht mehr anerkennen kann und infolge dessen die Einziehung eines Bestellganges stattfinden muß. Solche Vorgänge erwecken in dem Moment, wo wir heute vor weitgreifenden Post⸗ reformen stehen, erhöhte Aufmerksamkeit, sie sind aber immer schon vor⸗ genommen; sie werden nur heute um so mehr wahrgenommen, weil die allgemeine Aufmerksamkeit mehr darauf gerichtet ist und wir Aende⸗ rungen beabsichtigen.

Was nun die Frage des Telephons anlangt, so möchte ich immer wieder hervorheben dag habe ich auch in der Budgetkommission ausgesprochen es ist sehr schwer, eine genaue Rechnung, wenn ich so sagen soll, eine buchmäßige Rechnung aufzumachen zwischen den einzelnen Verwaltungen. Ich habe bereits bei diesem Artikel in der Budgetkommission Gelegenheit gehabt, darauf hinzuweisen, daß wir garnicht in der Lage sind, erstens die Telegraphengebühren zu trennen von den Portogebühren, weil eben eine Menge Telegramme mit Postfreimarken versehen und letztere bei den Posteinnahmen ver⸗ rechnet werden. So erscheinen sie in einem anderen Konto; während sie in daß Konto der Telegraphengebühr ge⸗ hören. Wir haben versucht, eine möglichst unparteiische Rechnung über Einnahmen, Ausgaben und Finanzergebniß des Telegraphengesetzes aufzustellen, deren Richtigkeit aber erst geprüft werden kann, wenn wir die Gegenrechnung der Post dagegengestellt haben. Dies ist nicht in einem Viertel⸗ oder halben Jahre zu machen; bedenken Sie, daß wir jedes einzelne Gebäude in Bezug auf seinen Erwerbäpreis oder Nutzungswerth einstellen müssen, um eine genaue Rechnung zu bekommen. Meine Herren, ich sagte schon: das sich ergebende Faeit ist, daß wir that— sächlich bei den Telegraphengebühren einen erheblichen Zuschuß aus Reichsmitteln leisten müssen. Ich habe auch darauf hin⸗ gewiesen, daß selbst England, wo gegenüber, unseren 38 Millionen Telegrammen in einem Jahre 81 Millionen befördert werden und welches gegenüber unseren HI6 (00 km an Leitungen nur unge⸗ fähr 340 000 kin, also etwas mehr als die Hälfte besitzt, daß selbst England im Vorjahre einen Zuschuß von 142 000 Pfund, also rund 3 Millionen Maik geleistet hat. Also, wenn das dort schon statt⸗ findet, so ist es ganz naturgemäß, daß bei uns der Rechnungsabschluß für unseren Telegraphenverkehr noch ungünstiger stehen muß. Dem gegenüber habe ich hervorgehoben, daß bei den Telephonen die Rech⸗ nung günstiger steht. Ich möchte auf die Frage des Herrn Abg. Müller, daß früher gesagt wurde, der Ueberschuß aus dem Fern⸗ sprechwesen betrage 140/09, noch erklären, daß ich mich vielleicht in der Budgetkommission nicht so deutlich ausgedrückt habe. Ich habe mich verpflichtet gefühlt, das gesammte Kapital für Gebäude, die Anlagen und Apparate nach deren Werth einzustellen, dann die Amortisationk quoten, die bei den verschiedenen Posten ver⸗— schwindend sind, anzusetzen und außerdem noch eine 30/0 Ver⸗ zinsung des verwendeten Kapitals in Rechnung zu stellen. Danach hat sich ergeben, daß ein Ueberschuß von 45/0 übrig blieb. Läßt man Amortisation und Verzinsung außer Betracht, so mag ein Ueberschuß von ea. 14060, wie in früheren Jahren angegeben wurde, heraus— kommen. Die Verwaltung ist von dem Bestreben geleitet, möglichst allen Theilen der Bevölkerung den Nutzen des Fernsprechers zu erschließen und ist von neuem der Frage näher getreten, wie durch eine den Verhältnissen mehr sich anpassende Gestaltung des Betriebes, sowie durch Ermäßigung der Fernsprechgebühren der Fernsprecher weiteren Kreisen als bisher zugänglich gemacht werden kann. Die Ermitte— lungen erstrecken sich namentlich auf die Möglichkeit einer Vereinfachung der Bau und Betriebsweise, ferner darauf, ob es rathsam ist, unter Einführung automa— tischer Gesprächszähler dem Tarifsystem eine andere Grundlage zu geben. Ich glaube, aus diesen Erklärungen werden Sie entnehmen, daß die Reichs Postverwaltung die Verpflichtung fühlt, auf diesem Gebiet vorzugehen und den Klagen, wie sie aus vielen Theilen des Landes an uns herangetreten sind, Abhilfe zu schaffen. Ich kann hier heute nur einen Fall anführen: wir haben Er- hebungen im Lande stattfinden lassen wegen der Ausdehnung des Fernsprechwesens auf dem platten Lande. Die Berichte sind ein⸗ gegangen, sie sind noch nicht speziell kalkuliert und durchgesehen, ich kann aber heute schon sagen: wenn wir dem Bedürfniß ves platten Landes zur Zeit entsprechen wollen, so würde ich allein annähernd 8 Millionen Mark verlangen müssen, um die Sache zur Durchführung zu bringen. (Zuruf) Man ruft mir zu: Man los!“ Ja, meine

Der Herr Abg. Müller (Sagan) wies mich darauf hin, daß in England bessere Telegraphenapparate zur Verwendung kämen als wie in Deutschland. Es ist ja wohl nicht zu bestreiten, daß wir zu Zeiten eine Menge von Schwierigkeiten uns entgegentreten sahen bei der Ein⸗ führung neuer Apparate. Das lag nicht allein an dem Apparat selber sondern auch an der Schwierigkeit, das Personal für einen solchen meist komplizierten Apparat auszubilden; denn feinere Apparate ver⸗ langen ein viel besser ausgebildetes Personal. Ein Mann, der einen ein⸗ fachen Morse⸗Apparat bedienen kann, kann noch lange nicht den Hughes⸗ Apparat bedienen, und wiederum, melne Herren, auch einen Hughes Apparat zu bedienen, ist noch jweierlei: es giebt Beamte, die unendlich viel auf diesem Apparat leisten; es giebt Leute, die mit diesem Apparat auch nicht viel mehr leisten wie auf dem gewöhnlichen Morse. Also, der bessere Apparat verlangt also auch eine ganz andere Vorbereitung des Beamtenpersonals. In der Reichs⸗Postverwaltung befinden sich, nicht etwa seit meinem Eintritt in meine Stellung, sondern von früherer Zeit, Hughes⸗Apparate wie Klopf-⸗Apparate, also gerade die⸗ jenigen Systeme, die wesentlich dazu beitragen, den Telegraphenverkehr zu beschleunigen und zu erleichtern; in neuerer Zeit sind wir im Ein⸗ vernehmen mit England auch schon dazu übergegangen, eine Linie, Berlin- London, im Gegensprechsystem, mit Hughes, Apparaten zu betreiben, und wenn auch hin und wieder noch Störungen vorkommen, so dürfen wir doch erwarten, daß diese neue Betriebsweise wesentlich zur Beschleunigung beitragen und in der Zukunft auf keine Schwierig keiten stoßen wird.

Bezüglich der Frage der Packetbeförderung habe ich bereits in der Budgetkommission erklärt, daß eine Erhöhung der Gebühren für die Packetbeförderung, wie ich glaube, bei keiner Partei des Hauses auch nur den geringsten Beifall finden würde. Meine Herren, es ist heute nicht bloß die Industrie, es ist auch die Landwirthschaft, die an der Ausgestaltung des Tarifs den lebendigsten Antheil nimmt. Denken Sie sich, meine Herren, wo sollte die Landwirthschaft heute hin mit ihrer Beförderung der Butter, der Eier, des Käses u. s. w., die heute vielfach lediglich auf diesen schnellen postalischen Verkehr an⸗ gewiesen sind! Ich möchte auch nicht eingehen auf die etwaigen Kontroversen zwischen Post und Eisenbahn. Die Post hat der Eisen⸗ bahn gegenüber immer den großen Vortheil, daß sie schnell zu be—⸗ fördern vermag, und daß die Leute infolge dessen ihre einzelnen Sen⸗ dungen lieber in kleine Theile zerlegen und uns zur Postbeförderung übergeben. Ich gebe ja zu, es kommen noch andere Momente mit hinzu. Das Wesentliche für uns ist immer, daß wir bestrebt sind, die Verkehrsbeziehungen zu erleichtern, denn damit erhöhen wir nicht allein die Einnahmen, wir nützen meiner Anficht nach allen Kreisen der Bevölkerung Deutschlands.

Der Herr Abg. Müller sagte Eingangs: Ja, was denkt sich nur der neue Staatssekretär, wie will er vorgehen? Nun, meine Herren, die erste Antwort habe ich ihm ja schon gegeben, ich habe gesagt, es ist im Bundesrath eine Gesetzesvorlage auf dem Gebiet des Post⸗ wesens eingebracht worden; sie enthält tarifarische Bestimmungen, sie enthält auch die Stellung zu den Privat · Beförderungsanstalten.

Meine Herren, auf der anderen Seite habe ich in der Budget⸗ kommission darauf hingewiesen, daß ich als die zweite in Angriff zu nehmende Reform die Frage des Zeitungstarifs ansehe. Ich habe nur gebeten, mir für diese Session noch Aufschub zu gewähren, weil ich sehr mit der Arbeit überlastet bin. Ich habe dabei hervorgehoben, was ja auch seitens des Herrn Abg. Müller betont ist, daß die jetzige Tarifgestaltung unhaltbar ist, weil sie ungerechte Verhältnisse ge⸗ schaffen hat, daß es in der Absicht liegt, sowohl das häufigere Er—⸗ scheinen der betreffenden Zeitung, wie das Gewicht, welches wir zu befördern haben, zu berücksichtigen. Dabei wird einer Anregung der Budgetkommission folgend erwogen werden, inwieweit, da wir in Deutschland keine Insertionssteuer besitzen, die Inserate in Betracht zu ziehen sind.

Also, meine Herren, ich hoffe, Ihnen im Anschluß an diese Novelle über die Zeitungstarife in der nächsten Session auf Grund meiner Erklärungen über die Ausgestaltung des Telegraph⸗ und Telephonwesens die betreffende Novelle vorlegen zu können. Als Schluß dieses meines Vorgehens erachte ich die Reform des Personals. Dies ist eine der wichtigsten Fragen; sie ist aber nicht eher zu lösen, bis wir nicht Klarheit über die Ausgestaltung des gesammten Verkehrs haben; ich rechne und hoffe auf Ihre Unterstützung. (Bravo! rechts.)

Abg. Dr. Graf zu Stolberg ⸗Wernigerode (d. kons.): Ich will den Staatssekretär nicht drängen zur Beantwortung von Fragen, die er nicht beantworten kann. it der Anwendung des Grundsatzes von Leistungen und Gegenleistungen in dem Zeitungstarif sind wir durch⸗ aut einverstanden. Denn heute sind die Brlese viel theurer als die

eitungen. Wir werden abwarten, was die Regierung vorschlagen wird.

g ist zu bedauern, daß man 1871 bei der Regelung des . die Lücke deg Stadtverkehrs offen gelassen hat. Man hätte bei dem Auftauchen der Privat · Postanlten die Lücke noch schließen können; jetzt sind große Kapltalien in solchen Unternehmungen angelegt worden. Der gegen. waäͤrtige Zustand ist unhalthar. Jeßt müssen die kleinen Städte und das platte Land ein höheres Briesporto zahlen, weil die Privatanstalten in den großen Städten die Sahne abschöpfen. Die Privatposten werden auf gesetzgeberischem Wege beseitigt werden müssen. Eine Entschädigung kann nicht stattfinden. Als die Landwirthe durch die Entstehung der Markthallen von den Märkten ausgeschlossen wurden,

ĩ keine Entschädigung gegeben. ö i. Hr ole Da eine 5 in Aussicht gestellt ist, so

zweckmäßiger, die Debatte heute zu unterlassen. Ich dieser Frage befragt hat.

rüher wurde immer nur Handel und Industrie gehört. Bereits 1885 hi ich die Nothwendigkeit einer Aenderung des Zeitungstarifs dem Die Lokalpresse könnte in der Weise unterstützt werden, daß die Beförderungssätze

wäre es eigentli ö ö bin dem Staatssekretär dankbar dafür, daß er bezügli auch Sachverständige aus dem Kreise der Landwirthscha

Staats sekretär von Stephan gegenüber vertreten.

für weitere Entfernungen erhöht werden. Wer eine Drucksache schnell befördert haben will, kann sie ja als Brief aufgeben. Wenn man von dem Grundsatze der Leistung und Gegenleistung ausgehen wollte, würden die ärmeren Landestheile überhaupt keinen Anspruch auf die Postanstalten haben. Wenn die Priwat⸗Postanstalten auf⸗ gehoben, werden, sollte man ihr angestelltes Beamtenpersonal be⸗ rücksichtigen und ihnen Anstellungsfählgkeit im Reichspostdienst be—⸗ willigen. Die Postverwaltung hat die Privatanstalten epa st gh indem sie ihnen den ,, . statt des Weichbildes freigegeben hat. Die Postverwaltung hatte fräher einschreiten sollen; aber sie wollte es nicht mit der öffentlichen Meinung verderben. ien, des Baues der Telegraphenlinien ist die 5 über das 9j des Be⸗ dürfnisses hinausgegangen. Die Bedürfnisse der Landwirthschaft wer⸗ den besser durch das Telephon erfüllt. Wenn die Ausbildung des Telephonnetzes nur 8 Millionen Mark kostet, so wird die Regierung keinen Widerstand finden, wenn sie die Bauten einschränkt und das Geld für diesen Zweck verwendet. Ich möchte, wie im vorigen Jahre, die Befreiung der außerhalb der Schalterstunden zur Beförderung

Herren, ich muß natürlich erst die Mittel bewilligt erhalten, ehe ich

auf diesem Wege vorzugehen vermag.

aufgegebenen Medizinsendungen von dem Zuschlagsporto empfehlen. 3 die Relchspost diese Aufgabe nicht lösen kann, dann steht sie

nicht auf der Höhe der Zeit. Redner wendet sich jum Schluß gege ö here , ö. die Postverwaltung . ö. err ö gegen

Staatssekretär des Reichs⸗Postamts von Podbielski:

Ich möchte zunächst eine Klarstellung dem Herrn Vorredner gegenüber vornehmen. Der Herr Vorredner führte aus, die Reicht. Postverwaltung hätte in Berlin der Privat-Postbeförderungtanstalt gestattet, daß sie ihren Verkehr auf Charlottenburg ich glaube, er nannte noch einige andere Orte ausdehne. Meine Herren, dazu waren wir nicht berechtigt, das haben wir auch nicht gethan. Die Berechtigung der Post ergiebt sich einfach aus dem Gesetz über das Postwesen des Deutschen Reichs. Da heißt es, daß die Beförderung aller versiegelten, zugenähten oder sonst verschlossenen Briefe und aller Zeitungen politischen Inhalts, welche öfter als einmal wöchentlich er⸗ scheinen u. s. w. sowie die weiteren Bestimmungen, deren Verlesung Sie mir erlassen werden —, dem Postregal unterliegt. Diesem Post⸗ gesetz sind Drucksachen und offene Briefe weiter nicht unterworfen. Infolge dessen befördern die Privatbeförderungeanstalten diese Sachen, wie sie sie auch nach anderen Gegenden befördern können. (Zuruf) Gewiß, ich komme darauf. Wenn sich geschlossene Briefe in Briefkasten der Außenorte finden, dann wird stets dem Einsender mitgetheilt: Wollen Sie, daß der Brief aufgemacht wird? Verschlossene Briefe befördein sie nicht. Es ist in der letzten Zeit nichts Entgegen—⸗ stehendes zur Kenntniß der Postverwaltung gekommen. Ich kann nicht fortwährend revidieren oder revidieren lassen. Jeder Bewohner des Landes beobachtet und befolgt die Gesetze, und ich nehme an, daß auch die Privatbeförderungsanstalten das thun. Aber ich kann nur sagen, sie dürfen verschlossene Briefe nicht befördern.

Was nun die beiden anderen Fragen anlangt, so kann ich dem Herrn Vorredner nur versichern, ich werde wohlwollend die Beförde⸗ rung der Arzneien noch einmal prüfen lassen; vielleicht findet sich ein Ausweg, obwohl ich immer wieder hervorheben möchte: die Post- verwaltung kümmert sich nicht um den Inhalt der Sendungen. Von diesem Grundprinzip abzugehen, birgt eine große Gefahr in sich. Im Moment erscheint es annehmbar, ich gebe zu: vom menschlichen Herzen geleitet, würde ich sofort zustimmen, aber auf der anderen Seite be—⸗ denken Sie das erschwerende Moment, wenn wir anfangen, uns um den Inhalt der einzelnen Briefe oder Packete zu kümmern. Das ist ein Grundsatz, von dem möchte ich prinzipiell nicht gerne abweichen.

Posthäuser in kleinen Städten auf Reichskosten zu erbauen, befürchte ich, wird auf erheblichen Widerstand stoßen; in der Budgetkommission wenigstens ist es mir oft so vorgekommen daß schon jetzt bei meinen Bauten der Blaustift waltet, und wenn ich auch in diesem Jahre anzuerkennen habe, daß ich ohne Abstrich in der Budgetkommission durchgekommen bin, so muß ich doch sagen, erscheint es mir bedenklich, mit großen Mehrforderungen auf diesem Gebiet zu erscheinen, und es ist auch von mir gelegentlich der Erbauung kleinerer Wohnhäuser für Unter⸗ beamte erklärt worden, diese Unterbeamtenhäuser würden unendlich viel mehr Geld kosten, wenn sie von der Postverwaltung erbaut würden; ich habe immer erklärt, sie müssen von den an Ort und Stelle wohnenden Unternehmern erbaut werden. So bin ich auch heute noch überzeugt: wollte ich in kleinen Städten selbst bauen, so würde recht theuer gebaut werden, und ich glaube, auch die Zustimmung des Hauses zu finden, wenn ich immer noch sage: leider baut der Reichs ⸗Postfiekus theurer wie die Privat⸗ unternehmer, und daraus erklärt sich auch die Schlußfolgerung mit den Go resp. 35 ½ für die Grunderwerbung. Wir kaufen auch den Grund und Boden meist theurer als der Privatmann, Wenigstens ist das der Eindruck, der nicht allein in der Reichs- Post⸗ verwaltung herrscht, sondern der mir auch in den Kommunen ent⸗ gegengetreten ist; wenn heute eine Kommune ein Grundstück kaufen will, muß sie es auch viel theurer bezahlen wie ein Privatmann; ich möchte vor der Hand wenigstens nicht dazu rathen, bevor erst in den größeren Städten unsere Baupläne durchgeführt sind, plötzlich heraus⸗ zugehen in die kleineren Städte. Ich glaube, wir kommen da immer noch zu einfacheren Verhältnissen, wenn wir diese Erbauung der Privat⸗ unternehmung überlassen.

Abg. Singer (Soz.) tritt sür Herabsetzung des Stadtportos für Briefe und sür Postanweisungen sowie für Ermäßigung der Telephongebühren ein. Der Grundsatz von Lelstung und Gegenleistung könne hier nicht in Betracht kommen. In Schweden, wo niedrige Gebühren erhoben würden, . das Telephonwesen glänzende Ein⸗ nahmen. In der Kommission habe der Staatssekretär seine Erklärung, daß den Privat ⸗Postanstalien durch gesetzliche Maßregeln zu Leibe gegangen werden solle, viel schärfer abgegeben als hier im Hause. Der Staats⸗ sekretär sollte sich mit der Durchbringung seiner Vorlage beeilen. Eigentlich hätte sie beim Beginn der Session vorgelegt werden müssen. Bezüglich der Personalreform sollte der Staatssekretär dafür sorgen, daß sie nicht in den Hintergrund geschoben werde.

Staatssekretär des Reichs⸗Postamts von Podbielski:

Meine Herren! Der Herr Vorredner hat zuletzt gewissermaßen den Appell an mich gerichtet, daß ich endlich mit Eifer an die mir gestellten Aufgaben gehen sollte, namentlich an die Personalreform, während er auf der anderen Seite meinen Fleiß bisher sehr ungünstig beurtheilte und meinte, es wäre gar nichts, eine Vorlage zu machen; es müßten bereits die ganzen Vorlagen dem Hause vorgelegt werden. Nun, meine Herren, vielleicht ist er in der Lage, in einem zukünftigen Staat, wenn er hier steht, schneller zu arbeiten, obgleich ich mich wundere, daß ein Anhänger des Achtstunden⸗Arbeitstages dem jetzigen Vertreter der Reichs, Postverwaltung zumuthet, mindestens dreimal acht Stunden zu arbeiten. Die Zensur war ja sehr mangelhaft; ich habe sie aber von meinem Standpunkt nicht anders erwartet.

Meine Herren, es ist nun dem Herrn Abg. Singer wieder ein eigenthümlich Ding passiert, indem er Thatsachen behauptet, die von hier aus schon in ganz anderer Weise klargestellt worden sind. Ich habe ausdrücklich wie ich glaube, auch in meiner ersten Rede, ich habe wenigstens die Absicht gehabt, ich spreche ja aber frei erklärt: die Gewichtsfrage ist in dem vorzulegenden Gesetze mitenthalten, und muß darin enthalten sein; denn es handelt sich nicht bloß um ein Postgesetz, sondern um ein Posttaxgesetz.

Weiter aber die Frage der Ausdehnung des Gebiets, in dem das 5 Pfennigporto gelten solll Meine Herren, das aus dem Aermel zu schütteln, erscheint vielleicht dem Herrn Abg. Singer, der die poft⸗ technischen Schwierigkeiten nicht kennt, sehr leicht; in der That kommen doch aber außer dem Bundesrath auch noch Staaten wie Württemberg und Bayern in Betracht, auf deren eigene Postgestaltung ein solches Gesetz von bedeutendem Einfluß sein würde; die müssen doch auch erst gefragt werden. Ich kann versichern, daß ich seit der Zeit auch nicht einen Tag das Gesetz aus der Hand gelegt habe; denn außer einer ganzen Reihe von Faktoren, mit denen ein Einverständniß

erztelt werden muß, kommt doch schließlich auch der Reilchs⸗ Schatz sekretär in Betracht. Sie werden mir zugeben, daß ein solcheg Gesetz zweifellos einen Einfluß auf die Gestaltung unseres nächstjahrigen Etatz hat. Wenn ich auch nicht hoffe, daß in Zukunft ein Ausfall eintreten wird, so wird es doch zunächst unvermeidlich sein; es muß daher überlegt sein, nach welcher Richtung die Finanzlage gestattet, vorzugehen. Also plötzlich aus dem Verborgenen heraus mit einem Gesetz ju erscheinen, das ist unmöglich; sondern es müssen erst eine Reihe berathender Faktoren gehört werden, ehe ich in der Lage bin, ein solches Gesetz dem Bundesrathe respektive den verbündeten Regierungen und später dem Reichstage vorzulegen.

Meine Herren, was dann dis Privatposten betrifft, so wird auch der Herr Abg. Singer, wenn er seine Rede im Stenogramm nach—Q liest, finden, daß seine Rede zu dem Schluß berechtigt: erfüllt die Reichs ⸗Postverwaltung die Anforderungen, die wir für nöthig halten, dann müssen auch die Privat⸗Postanstalten aufhören. Diesen Schluß hat er bloß nicht ziehen wollen, er ergiebt sich aber ganz naturgemäß als letzter Eckstein seiner Rede. (Sehr richtig! rechts.)

Meine Herren, ich möchte heute nicht die Privatbeförderungsfrage hier aufrollen, sie wird ja immer wieder von dieser oder jener Seite angeschnitten werden; aber eins möchte ich hervorheben gegenüber den auch vom Herrn Abg. Singer erwähnten Ausspruch, daß Tausende und Abertausende von Leuten in den Privatbeförderungtanstalten be⸗ schäftigt sind. Meine Herren, wir haben eine Aufstellung aus den letzten Tagen machen lassen, und daraus halte ich mich für verpflichtet, Ihnen einige Zahlen vorzulesen. Wir haben 2291 im Deutschen Reich in Privatbeförderungsanstalten beschäftigte Leute, von denen auf Berlin allein 1188 kommen. Also von Zehntausenden kann gar nicht die Rede sein; Sie sehen also, daß die Sache sehr stark aufgebauscht ist.

Was nun die Uebernahme dieser Leute in den Dienst des Staates anbelangt diese Frage ist ja seitens des Herrn Müller⸗Sagan in der Budgetkommission angeschnitten worden —, so werde ich ja Gelegenheit haben, Ihnen das Detail vorzulegen. Aber was würden Sie sagen, wenn solche Jungens, wie sie in den Briefbeför⸗ derungsanstalten beschäftigt sind, in die Reichs. Postverwaltung über⸗ nommen werden! das sind alles Fragen, die im einzelnen e. en werden müssen. Zweifellos wird im gesammten Reichttag niemand etwas dagegen einwenden, daß Unterbeamte, deren Interessen geschädigt würden, sichergestellt werden. Da brauchen sich die Herren nicht als Anwälte aufzuwerfen das sind Erwägungen, die aus dem Reichstag heraus, schon in der Budgetkommission vom Herrn Abgeordneten Müller⸗Sagan angeregt worden sind.

Weiter sagt dann der Herr Abgeordnete: die Postverwaltung ist eine überaus fiskalische kleinliche Verwaltung, es ist eine elende Plus⸗ macherei so war ungefähr der Ausdruck. Es ist zwar nicht meine Absicht, durch besondere Einnahmen zu glänzen, aber aus dieser fiskalischen Monopolverwaltung resultiert doch immerhin eine gewisse Summe der Einnahmen, und wenn wir die verthun, so müssen die Gelder von anderer Seite, unter Umständen bei schwierigeren Verhältnissen, aufgebracht werden. Es geht sogar so weit, das klang auch aus den Worten des Herrn Abg. Singer beinahe heraus daß die Reichs⸗ Postverwaltung nächstens gezwungen werden soll, auch die Briefe für alle Leute selber zu schreiben. (Heiterkeit Das ist das letzte; Sie wollen ja schließlich, daß wir alles übernehmen, und ich wiederhole den Grundsatz, den ich in früherer Zeit schon den Herren vorgehalten habe: wir können nach vielen Richtungen hin uns wesentlich erleich⸗ tern, wenn das Publikum eine Summe von Handleistungen selber übernimmt, so wie ich sie immer wieder den Herren vorgeführt habe.

Ich kann auch nur den Herrn Abgeordneten darauf hinweisen, daß betreffend das Telephonwesen wir nicht etwa nur an die wohl⸗ habenden Leute denken und es dementsprechend ausgestalten, sondern, wie ich vorher schon erwähnte, geht unser Bestreben dahin, das Telephon möglichst weiten Kreisen der Bevölkerung zugänglich zu machen. Mir ist vollkommen klar, daß ein kleiner Handwerker, wenn er die Möglichkeit hat, das Telephon zu benutzen, konkurrenzfähiger ist, und daß er heute schwer seufzt, wenn er das Ding nicht hat; darüber ist kein Zweifel. Aber wenn Sie mich auf Schweden hinweisen, so erwidere ich ich habe es in der Kommission bereits ausgeführt —: die Herren mögen doch bedenken, daß in Schweden eine ganz andere Entlohnung der unteren Beamten stattfindet, als bei uns. Ich habe bereits gesagt, daß dort Telephonistinnen mit einem Gehalt von 30 Kronen, also 36 S, angestellt sind, und ich möchte wohl wissen, welchen Angriffen ich ausgesetzt wäre, wenn ich etwa wagen sollte, für solches Geld hier untere Beamte einzustellen. Also, meine Herren, das hängt evident mit einander zusammen: ist der Arbeitslohn im Lande ein theurer, so kann ich nicht billiger arbeiten; die Verhältnisse des Landes kommen eben dabei mit in Betracht, ganz abgesehen davon, daß die GEnt⸗ wickelung des Telephonwesens in Schweden auf einem ver—⸗ hältnißmäßig kleineren Raum statifindet als bei uns. Wenn Sie die Entwickelung des Telephonwesens in Berlin und des dortigen mit einander vergleichen, so werden Sie sehen, zu welchen günstigeren Resultaten wir gekommen sind, wenn ich auch nicht verkenne, daß es zur Zeit für weite Kreise noch zu theuer ist.

Zum Schlusse muß ich noch auf einen Punkt eingehen, in welchem die Herren Abgg. Müller und Singer in einem gewissen Rechte sind. In der neulichen Sitzung der Budgetkommission gab ich zu, daß der Herr Abg. Müller in dem, was er heute gesagt hat, betrefft des Tarifs, im Recht war, das heißt insofern, als er das letzte Wort gehabt hat. Aber ich habe schon damals erklärt, daß wir ja noch zu einer weiteren Erörterung der Sache kommen würden, und ich wollte mit Willen nicht immer wieder auf dasselbe zurück⸗ kommen, weil ich Gelegenheit habe, noch bei dem Gesetz selber die Sache klarzustellen. Weder ich noch irgend jemand sonst ist ja berechtigt, über Gesetze freigebig zu disponieren und zu sagen: es wird kein anderer Tarif den Privatposten gegenüber

angewandt werden. Dazu war ich auch in der Kommission nicht berechtigt und habe es auch nicht ausgesprochen, sondern der Herr Abg. Müller nahm es als Faktum hin, dem ich allerdings in der Kommission nicht widersprochen habe. Ich kann auch dem Herrn Abg. Singer nur wiederholen, welcher meinte, ich könnte ja leicht Gesetze hier im Reichstage einbringen: ja, bitte, lesen Sie doch einmal das Postgesetz! Das Postgesetz ent hält in seinen Eingangsbestlmmungen genaue Vorschriften über die geschlossenen Briefe und Zeitungen; aber es behalt auch im S ho dem Herrn

Reicht kanzler eine Menge von Rechten, betreffs der Tarife innerhalb der

Städte, vor, und so ist heute noch der Herr Reichskanzler zur Herab⸗ setzung der Tarife auf Grund des § 50 berechtigt, also z. B. ferner auch den Postanweisungeverkehr billiger zu gestalten. Gelegentlich der Einbringung des Gesetzes wird voraussichtlich auch die Erklärung ab⸗ gegeben werden, daß für Beträge bis 5 M im Postanweisunggverkehr entsprechend wie im Nachnahmeverkehr das Porto auf 10 8 herabgesetzt werden wird. Ich habe diese Sache schon gestreift, wenn ich auch nicht näher darauf eingegangen bin; aber jetzt, nachdem etz gewissermaßen so klingt, als wenn die Reichs- Postverwaltung sich immer erst drängen ließe, während es meiner Ansicht nach die Aufgabe der Post ist, die Bedürfnisse des Verkehrs zu erkennen und dementsprechend die er⸗ forderlichen Vorschläge dem Herrn Reichskanzler, als dem Chef der Verwaltung, zu unterbreiten, habe ich geglaubt, hier darauf zurück= kommen zu sollen. (Bravo!)

Abg. Dr. Ham macher ful) spricht ebenfalls den Wunsch aus, daß die angekündigte Vorlage möglichst bald an den Reichstag kommen möge. Bezüglich der Entwickelung der Privat Poftanstalten habe er schon vor mehreren Jahren aus den Aeußerungen des Staatssekretärs von Stephan entnommen, daß derselbe die Wirkung der Privat- anstalten unterschätzt habe, weil er von der Vorzüglichkeit der Posteinrichtungen überzeugt gewesen sei. Dadurch selen die Reichs- PVostverwaltung und der Reichstag in eine schwierige Lage gekommen. Denn die Privatanstalten seien angewachsen, und ihre Ehle sei ebenso legitim wie jede andere gewerbliche Thätigkeit. Eine Ent⸗ schädigung müßte alf eintreten. Ueber die Modalltäten könne später verhandelt werden. Daß die Einnahmen aus den Telegraphen nicht so erheblich zunähmen, sei darauf zurückzuführen, daß der Verkehr ssich mehr und mehr des Telephong bediene. Man sollte das Telegraphen⸗ und Telephonnetz als ein einheitliches Unternehmen betrachlen und demgemäß behandeln. Große Einnahmen könne man aber nicht er— zielen, wenn man in einer bevölkerunggarmen Gegend ebenso wie in Berlin pie hobe Gebübr von 150 46 verlange. Die Gebühren müßten den speziellen Verhältnissen angepaßt werden.

Die Einnahmen aus Porto⸗ und Telegraphengebühren werden bewilligt; . die übrigen Einnahmen.

Beim ersten Titel der Ausgaben, Gehalt des Staats⸗ sekretärs“, berichtet der Abg. Dr. Paasche über den bereits mitgetheilten Antrag der Budgetkommission wegen Herabsetzung des Gehalts des Staatssekretaͤrs auf 4 009 M

Außerdem beantragt die Budgelkommission:

»den Reichekanzler zu ersuchen, veranlassen zu wollen, daß die Annahme und Bestellung von Packeten an Sonn und Feiertagen, mit Ausnahme der Zeit vom 18. bis 31. Dezember, nur in den Vormittagsstunden bis 12 Uhr stattfinde.“

Abg. Werner (Reformp. tritt für die Verbesserung der Ge⸗ hälter der Unterbeamten ein. Wenn man Lie Aufbesserung für den Staatssekretär bewilligen wollte, würden die Unterbeamten noch lange warten können. Nach welchen Grundsätzen die Gratifitationen vertheilt würden, sei nicht zu ermitteln; sie sollten ebenso wie die Stellenzulage ganz wegfallen, weil sie zur Liebedienerei verführten. Die Sonntagsruhe für die Beamten fei mehr gewährleistet als früher, aber es bleibe noch recht viel zu thun, ebenso in Bezug auf die tägliche Dienstzeit der Beamten. Km n nothwendig sei ein neuer Zeitungstarif. Nachdem man die Privbat⸗ posten habe erwachsen lassen, wäre es unberechtigt, sie ohne weiteres und ohne Entschädigung zu beseitigen. Jedenfalls sollte man für die Unterbeamten der Privatposten sorgen.

Darauf wird um Hi / Uhr die weitere Berathung bis Freitag 2 Uhr vertagt.

Prenßszischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

13. Sitzung vom 3. Februar 1898.

Das Haus setzt die zweite Berathung des Staats⸗ haushalts-Etats für 1898/99 bei dem Eiat der Gestüt⸗

ver waltung fort.

ö. den ersten Theil der Debatte ist bereits berichtet worden.

Bei den dauernden 1 spricht

Abg. von Mendel ⸗Stelnfels (konf) sein Bedauern über die Zunahme des amerikanischen Pferdeimports aus und wünscht zur Ab— wehr eine ftärkere Förderung der Kaltblutzucht. Allerdings fei im Interesse unserer Armee die Warmblutzucht unerläßlich, aber man solle das Eine thun und das Andere nicht lassen. Es ce unrichtig, bestimmten Bezirken die Warmblutzucht aufzuzwingen, wenn nicht die Vorbedingungen dazu dort von der Natur gegeben feien. Nicht nur die kaltblütigen Hengste bedürften einer Vermehrung, sondern auch das Stutenmaterial müsse verbessert werden, wenn nicht die Leistungsfähigkeit der Arbeitspferde von Jahr zu. Jahr zurückgehen solle. In die Landgestüte würden oft zu junge Hengste eingestellt. Anzuerkennen sei, 2 die Qualitãt des in den letzten Jahren von dem Dber-Landstallmelster angekauften Hengstmaterigls ein ganz ausgezeichneteg sei. Er müsse aber für die Provinz Sachsen noch um die Errichtung eines Quarantänestalls und um die Erweiterung des Landgestüts bitten. siei Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer⸗

enn

Meine Herren! Es ist einzuräumen, daß die Zufuhr amerikanischer Pferde in den letzten Jahren erheblich zugenommen hat und zwar nicht allein der kalt“, sondern auch der warmblütigen Pferde. Die big⸗ herigen Erfahrungen erweisen aber, daß die Käufer amerikanischer Pferde vielfach ungünstige Erfahrungen machen. Die eingeführten Pferde müssen sich acelimatisieren und die Strapazen der Seefahrt überwinden. Sie bekommen vielfach influenzaartige Krankheiten; ob sie nachhaltig von derselben Dauerhaftigkeit in der Arbeit sind, wie die in Deutsch⸗ land gezogenen Kalt- und Warmblüter, ist eine offene Frage, die erst durch längere Erfahrung festgestellt werden kann.

Der Herr Vorredner hat als unbestreitbar den Satz aufgestellt, daß für die Landwirthschaft auf schwerem Boden die Benutzung der Kaltblüter rentabler und zweckmäßiger sei, als die von Warmblütern Dieser Sitz steht doch wohl nicht so unbestritten fest. Beispiels⸗ weise werden in der Provinz Hannober in großen Gebietstheilen, in denen Zuckerrübenbau unter schwierigen Geländeverhältnissen ge⸗ trieben wird, von den Landwirthen schwere Warmblüter noch den Kaltblütern vorgezogen, weil deren Verwendung für rentabler gehalten wird. (Sehr richtig! rechts) Für die Richtigkeit dieser Auffassung sprechen eine Reihe von Umständen. Wenn einerseits das kaltblütige Pferd zwar früher anspannungsfähig ist wie das warmblütige der Unter⸗ schied ist ewa zwei Jahre so steht dem gegenüber, daß man mit Gewißheit darauf rechnen kann, daß das kaltblütige Pferd mit 14, 15, 16 Jahren das Ende seiner Leistungefähigkeit erreicht, während die Warmblüter meist bis zu 30 Jahren dienstfähig bleiben. Dazu kommt, daß die Kaltblüter schlagartigen Krankheiten unterworfen sind. So ist mir von einem Domänenpächter ich will den Namen hier nennen von Herrn von Dietze (Barby) mitgetheilt, daß er jeden Sonn und Festtag seine Kaltblüter durch die Leute bewegen lassen müsse, weil, wenn infolge eineg zweiten Festtages die Pferde stehen bleiben, große Gefahr des eintretenden Verlustes durch Schlaganfälle

vorliege.