Deutscher Reichstas. ö 32. Sitzung vom 4. Februar 1896, 2 Uhr. des Reich shaus⸗
Etats der Reich t⸗ bei dem Titel
t die Kürzung
ständniß mit dem An⸗
trage der Budgetkomm Sonntagöobestellung von
Packeten auf die Zeit um die Packetabholung in B so habe die Postverwaltung Anforderungen f stellt leute nicht erfüllen könnten, die die Post se würde also eine Erweiterung der Annahmest werden ö. und ö n ,, 1
äfte zwängen, ihre Packete frühieitige — 66 bi *. Packete von den Geschäften bis zum gf. blich zurückbehalten würden. Dir Post könne durch ihre orschriften dafür forgen, daß die Geschãftsleute gejwungen würden, ihre Packete früher aufzugeben. Der Schalterdienst müsse früher geschlossen werben, damif die Beamten ihren Abfertigungsdienst besorgen könnten; es müßte aber, um die Vorschristen streng durchzuführen, dafür gesorgt werden, daß nicht etwa die Babnpostämter
jeferung belästigt würden. Ein solches . . er üg, . ia he her, in den kauf⸗ maͤnnifchen Geschäften angestellten Personen. Redner bemängelt ferner die Art der Vertheilung der Remunerationen, worüber der Kommission eine Uebersicht vorgelegt sei. Der den Beamten ertheilte Urlaub sei immer noch nicht genügend; es fehle an jeder einheitlichen Regelung. In einem Berliner Vorort z. B. würden die Beamten in drei Klassen Jetheilt, die 1), 7 oder 3 Ta . Urlaub erhielten; aber diese Klassen würden nicht etwa nach dem Bien ste lter gebildet, sondern gan nach Belieben dez Direktors. Die Landbriesträger in Königeberg sollten 6 Tage Urlaub erhalten, aber eg werde dabei bestimmt, daß daraus der Postkasse keine Ausgaben erwachsen dürften. An anterer Stelle würden einzelne Beamte beurlaubt, aber die Mehrarbeit müßten diejenigen Beamten leisten, die keinen Üürlaub hätten. Üeber die mangelnde Sonntagsruhe und die langen Dienststunden an Wochentagen werde ebenfalls noch geklagt. Die Fürsorge der oberen Instanzen habe nach dieser Richtung hin noch nicht genügend gewirkt, wofür Redner mehrere Beispiele anführt. Ble Beamten in Hannover müßten sich ihren freien Sonntag ver⸗ dienen durch Üeberarbeit in der Woche und durch Ueberarbeit an dem nicht freien Sonntag. Die Beamten in Hannover sollen, wie Redner behauptet, sowohl in Hinsicht auf ihre Bezüge, wie in Hinsicht auf die Anrechnung ihret Dien flzeit schlechter gestellt sein als die Beamten anderer Bezirke. Ber Postassistenten⸗Verband werde immer noch behelligt, Der Post⸗ rath Mannig habe den Postassistenten bel der Ober · Psstdirektion er⸗ öffnet, daß alle Postassistenten, die dem Verbande angehörten, versetzt werden würden, weil sie nicht würdig seien, eine Vertrguensstellung bei der Ober ⸗Poftdireklion zu beklelden. Gine solche Maßregelun von Beamten liege nicht in den Rechten der Postverwaltung. Be seiner Personalresorm werde der Staatsselretär ein großes Feld für seine Thätigkeit finden.
Staatssekretär des Reichs⸗Postamts von Podbielski:
Ich darf wohl auf die einzelnen Punkte, die der Herr Vorredner angeführt hat, der Reihe nach eingehen, umsomehr, weil einzelne der Richtigstellung bedürfen, und weil, wenn sie zutreffend wären, die Reicht postverwaltung sich, gelinde gesagt, der gröbsten Vergehen schuldig gemacht hätte.
Was zuerst die Sonntagsruhe anbelangt, so habe ich bereits in der Budgelkommission Gelegenheit gehabt, den Herren zu sagen, daß die Reichspostverwaltung unausgesetzt bestrebt ist, ihren Beamten nach Möglichkeit den Sonntag Nachmittag frei zu machen, und daß infolge dessen nach den Verhandlungen, die wir mit den Interessentenkreisen im Oktober gepflogen haben, die Vorschrift ergehen soll, daß die Schalterstunden vom Nachmittag auf den Mittag verlegt werden. Des weiteren habe ich dem Herrn Abg. Dr. Lingens die Zusicherung gegeben, daß wir nach Möglichkeit bestrebt sein werden, den Sonntagt⸗ bestelldienst einzuschränken.
Ich kann hierbei nur der Hoffnung Augzdruck geben, daß wir auch von allen Theilen der Bevölkerung auf diesem Wege unterstũtzt werden. Jedenfalls hat die Postverwaltung an sich den aufrichtigsten Wunsch, die Sonntagsbestellung einzuschränken und nach Möglichkeit den Beamten freie Nachmittage zu beschaffen und ihnen, was ich ver⸗ sichern kann, unbedingt den Besuch der Gotteshäuser zu erleichtern und zu ermöglichen.
Wag nun den zweiten Wunsch anlangt, die Packetannahme, so hat der Herr Vorredner bereits ausgeführt, wie sich die Sache entwickelt hat. Der Veisuch, hier in Berlin durch Abholen bel den großen Geschäftshäusern die Packetannahmeräume zu ent⸗ lasten, ist als fehlgeschlagen zu betrachten, weil die Herren sich nicht damit einverstanden erklären konnten, in einem gewissen Turnus dis Packete bereit zu stellen. tie Wagen fuhren vor, und dann hieß es: die Packete sind noch nicht fertig, kommt später wieder. Ja, meine Herren, bei einem großen Betrieb
geht das nicht, da müssen die Räder scharf ineinandergreifen; infolge dessen hat sich dieser Versuch, der auf meine direkte Veranlassung vorgenommen wuide — nachdem ich mich von den Unzuträglichkeiten gerade der Packetannahmeräume in Berlin aus eigener Anschauung überzeugt hatte —, als mißglückt heraus⸗ gestellt, dagegen scheint er in anderen Orten von Erfolg gekrönt zu sein. Ich muß hierbei ausdrücklich hervorheben, die Post kann nicht um son st etwa die Packete von diesen Geschäften abholen lassen, denn dann könnte auch jeder Bewohner des Landes das mit dem gleichen Recht von uns fordern, daß wir die Packete aus ihren Häusern ab⸗ holen. (Sehr richtig! rechts.) Also es müßten naturgemäß mindestens die Selbstkosten erstattet werden. Es ist gar keine Frage, die Packet⸗ annahmeräume sind gegenüber dem sich auf wenige Abendstunden zu⸗ sammendrängenden Annahmeverkehr unzulänglich. — Der Abg. Singer hat die Verhältnisse richtig dargestellt. Die Angestellten der betreffenden Geschäftshäuser werden am Schlusse ihres Dienstes mit den Packeten hingesandt; ihr Dienst ist ju Ende, wenn die Packete abgeliefert sind. Wie lange aber die Ablieferung dauert, darum kümmern sich die Geschäftshäuser nicht. Weiter aber, meine Herren, weiden Sie mir zugeben, daß die beamten, die in diesen Räumen beschäftigt sind, ganz unendlich schwer belastet werden dadurch, daß sie nach 8 Uhr Abends die ganze Expedition dieser Packete vornehmen müssen. Kamen die Geschäfte uns etwag mehr entgegen, so würden wir früher am Abend die Gxpedition beendigen können. Ich habe infolge dessen Ver⸗ anlassung genommen, mich an saͤmmtliche Handelskammern Deutsch⸗ lands zu wenden, ihnen durch Rundschreiben mitzutheilen, welche Un⸗ zuträglichleiten sich durch das bisherige Verfahren der Geschäftzwelt herausgebildet hätten, und daß ich hoffte, daß die Handelskammern so viel Einwirkung auf die Betheiligten auszuliben vermöchten, daß
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eine andere Regelung aus sich selbft Platz greifen könnte. Ich habe sodann die Handelgkammern ersucht, nochmals Vorschläge ju machen, wie sie glauben, daß diesem ganz unzwelfelhaften Uebelstande abge⸗ holfen werden könnte. Ich glaube, mene Herren, es ist richtig, daß ich nicht gleich mit rauher Hand eingegriffen habe, wie die Herren mit vorgeschlagen haben, zwei Stunden früher den Annahme⸗ dienst einzustellen, sondern daß ich erst noch den Versuch mache, daß die Handelskammern durch ihren Einfluß bei den betheiligten Häufern diejenige Einwirkung ausüben, die nothwendig ist, um diese weniger erfreulichen Zustaͤnde zu beseitigen. Im Anschluß an diese Erßrterung über die Packetannahme kam nun der Herr Abg. Singer dazu zu sagen: wir haben Millionen — ich glaube, es war das letzte Mal 80 000 MÆ — bewilligt. Man hat nur ein Haus eingerissen. Was hat nun die Postverwaltung mit dem Gelde gemacht? Er klagte mich, resp. die Verwaltung gewissermaßen an, als ob hier nicht Rechtens verfahren worden wäre; wenigstens klang es so heraus. (Zuruf bei den Sozialdemokraten) Warum sie nicht verwendet sind ? Ja, meine Herren, da müßte ich doch den Nachweis liefern, daß die Gelder noch überflüssig wären! Aber, wenn Herr Singer die Freundlichkeit gehabt hätte, im Etat nachzusehen, so würde er wahrgenommen haben, daß die Gelder nie zum Bau gefordert, sondern es beißt ausdrücklich: zur Erweiterung des Grundstückkomplexes an der Heiligegeist ; und Spandauerstraße. Unter dem Titel 5 finden Sie einen Posten zu diesem Zweck auch in früheren Jahren aus⸗ gebracht. Also nicht zum Bau, sondern lediglich zur Erweiterung der Grundstücke sind die Bewilligungen erfolgt, und ich habe hier zu er⸗ klären, daß eine Vorlage wegen Bebauung erst im nächsten Jahre bei dem Reichstage eingebracht werden soll.
Was nun die Frage der Remunerationen anlangt, so sind es eigentlich Bilder aus der Vergangenheit, die der Herr Abg. Singer vorgeführt hat. Ich habe im Vorjahre der Budgetkommission an⸗ gehört, als diese Frage in dieser Kommission eingehend erörtert wurde, wo seitens deös Herrn Grafen von Posadowtzky, des damaligen Staatssekretärs Les Reichs- Schatzamts, die Grundsätze vor— gelesen wurden, nach denen der Remunerations⸗ und Unter- stüͤtzungstitel (28 in Zukunft verwaltet werden sollte. Und nach diefen Grundsätzen, meine Herren, die im vorigen Jahre zur Erörterung kamen, hat auch in diesem Jahre im Etat eine ent⸗— sprechende Theilung dieses Titels stattgefunden. Wenn die Herren die Freundlichkeit haben, den Etat nachzuschlagen, so werden Sie unter dem Titel 38 drei Abtheilungen finden, und werden weiter finden, daß trotz der Zunahme der höheren Beamten 146 000 ab⸗ gesetzt sind. Das ist die Summe, die in früheren Zeiten für die Remunerationen für höhere Beamte bejahlt wurde, und wie ersichtlich ist, ist zur Zeit ein Remunerationsfonds für höhere Beamte nicht ausgeworfen. Nun will ih gern zngeben, das ganze Remunerationtwesen hat immer etwas Unangenehmes. Ist es doch für den Vorgesetzten, namentlich, wenn er den Verhält- nissen fernsteht und den betreffenden Mann, der die Remuneration empfangen soll, nicht kennt, recht schwierig und verantwortlich, sich ein Bild von den Verhältnissen zu machen, und die Remuneration zu bewilligen. Aber, meine Herren, sagen Sie selbst, es ist that sächlich schwer, ohne einen solchen Fonds auszukommen. Ich kann nur anführen: was an mir ist, werde ich thun, um für die Beamten den Fonds bestens zu verwenden. Inzwischen ist auch in der Presse anerkannt worden, daß diesen Winter bei der Packetbeförderung resp. bel der umfassenden Neujahrsbestellung der Briefe saͤmmtlichen Leuten Kaffee u. s. w. in einheitlicher Weise gegeben wurde. Das kam jedem zu gute, und es ist zweifellos für den Chef einer Verwaltung leichter und angenehmer in dieser Weise zu prozedieren, als wenn ich dem Einen etwas gebe und dem Anderen nicht, was zweifellos ein gewisses Mißbehagen und Unbehagen hervorruft.
Was nun die Frage des Urlaubs anlangt, so kam diese Frage schon in der Budgetkommission zur Erörterung. Wie es j. B. nicht möglich ist, genau festzusetzen, wie weit und wie viel ein Landbriefträger täglich zu gehen hat, und wie es unmöglich und mit dem Postbestell⸗ dienst unverträglich ist, wenn ein Landbriefträger, der für gewöhnlich nur 20 Em zu gehen hat, seine Thätigkeit als erfüllt ansehen und Briefe nicht mehr bestellen wollte — weil er das Recht hat, nach Zurücklegung der 20 Km aufzuhören, so kann auch keinem ein Recht auf Urlaub zugestanden werden. Ich muß da immer wieder hervorheben: weder ein Ober⸗Postdirektor noch ein Landbriefträger hat ein Recht auf Utlaub; das wird auch nie eine Verwaltnng zugeben. Nehmen Sie an, es liegt ein Krankheitsfall vor, nun sagt der Mann, ich habe ein Recht auf Urlaub, ich muß weggehen, und der Betrieb würde still ftehen; das geht doch unmöglich. Eine wohlwollende Verwaltung wird ihren Beamten alles zuwenden, was sie kann, und wenn die Herren die Blätter der deutschen Reichs Post⸗ verwaltung von Jahrzehnten durchblättern, so werden sie zugeben, daß mein Herr Vorgänger immer nur von Wohlwollen für seine Untergebenen getragen war, und das, meine Herren, finden Sie auch bis auf den heutigen Tag. Für unsere Unter⸗ beamten sind gewissermaßen erst seit drei Jahren Bestimmungen über den Urlaub erlassen; wir sind in der Entwickelung der ganzen Sache, und was ich kann, werde ich den Unterbeamten gewiß zuwenden. Aber bedenken Sie immer auch die Kehrseite! Bereits im vorigen Jahre 1896/97 betrugen die Stellvertretungskosten für die Unterbeamten bereits 87 000 M Ja, meine Herren, ohne solche Summen geht es nicht ab, und sie werden naturgemäß steigen, je mehr dergleichen Ver⸗ haltnisse, die gewissermaßen einen Urlaubsanspruch begründen, zunehmen. Beil Krankheitzursachen, bei der Einziehung von Postbeamten zu Dienst⸗ leistungen in der Armee ist eine absolut einheitliche Regelung auch thatsächlich unmöglich. Ich habe auch schon angeführt, daß das Urlaubsbedürfniß eine Bureaubeamten zweifellos ein größeres ist, wie das eines Beamten, der täglich in frischer freier Luft als Landbrief⸗ träger sich bewegt (sehr richtig! rechts), das wird man mir, glaube ich, nicht abstreiten können.
Aehnlich verhält es sich auch mit der Klage betreffs der Diätare in Hannover. Ja, meine Herren, Deutschland ist groß, und die Ver⸗ hältnisse des Osteng sind nicht identisch mit denen des Westens.
Die große Gefahr für uns liegt immer darin, daß ein Theil der Beamtenschaft oder hier in diesem Falle der Diätare sagt: die be⸗ kommen dag, infolge dessen müssen wir das Gleiche bekom Jen. Wenn wir in dem Bezirk Bromberg dergleichen Hilfeboten fü billigeres Geld, den dortigen Lohnverhältnissen entsprechend r 2 4 bekommen und wir am Rhein, den dortigen höheren Sätzen für Wohnung und für Verpflegung entsprechend, 2 b 0 M beiahlen müssen,
so wörbe ich es nicht fär billig erachten, nun plötzlich den Brom-
pie Beamten sich nicht vereinigen, sondern vertrauensvoll an
bergern dasselbe zujubewilligen, oder in dem Falle, der hier ange führt ift, in Hannober dasselbe juzubilligen, sondern ich meine, diese Ent- lohnung für Hilfskräfte muß immer im Verhältniß stehen zu der allgemeinen Lage der Löhne an dem betreffenden Ort. Und daß wir
als Lohndrücker erscheinen, ich glaube, das hat man noch niemals der
Reichs. Postverwaltung vorgeworfen.
Wag nun die Angelegenheit Schüßling anlangt, die ja auch nur kurz gestreift ist, so ist es ja zweifellos, daß in jeder großen Ver⸗ waltung Verstõße gegen die allgemeinen Vorschriften vorkommen. Sie sind von mir nicht gebilligt worden, soweit sie zu meiner Kenntniß gekommen sind. Im Gegentheil, meine Herren, wer sich gegen die Vorschriften vergeht, der muß auch von dem Chef der Verwaltung entsprechend gestraft werden. Das ist geschehen, und ich hoffe, daß die eingetretene Remedur helfend wirken wird. Ich kann nur erklären, mit meinem Wissen und Willen geschieht es nicht, daß Unterbeamte von ihren Vorgesetzten mit Namen belegt werden, die nicht dem Ver⸗ kehr, wie er zwischen Vorgesetzten und Untergebenen stattfinden soll, entsprechen.
Wag nun den berühmten Fall Landsmann anlangt, so sagte ja Herr Singer bereits: Die Pestverwaltung wird auch wohl sofort recherchiert haben. Ich kann die Versicherung geben: als ich das las, habe ich gleich ein „Unmöglich' an den Rand der Notiz geschrieben, und dieses Unmöglich“ hat sich nach den Feststellungen des That⸗ bestandes hier auch ergeben. Um was handelte es sich? Es ist zunächst nicht etwa ein Antrag des Generals an das Postamt gerichtet worden, sondern der General hat das Postamt ersucht, er möchte bei ihm Abends aufwarten. Der Mann hatte aber eine Stunde länger Dienst und vermochte einen anderen dort angestellten Hilfsboten Namens Juds, daß er seinen Dienst übernahm. Der Hergang ist nun ganz einfach. Der Betreffende kommt zu dem Vor⸗ steher des Amts und sagt: Ich bitte um Urlasb; ich habe heute Abend länger Dienst, der Juds will meinen Dienst übernehmen. Ist das etwas Unrechtes, sollte man da etwas Wunderbares vermuthen? Das ist es nicht. Es kam noch etwaz Anderes hinzu. Juds war zufällig bei einem Begräbniß der Urlaub verweigert. Kurzum, es kamen Komplilationen hinzu, und die Notin kam in die Zeitungen. Sie sieht natürlich wunderbar aus; aber Sie werden zugeben: der⸗ gleichen Sachen passieren immer. Zur Zeit, als der Amts vorsteher den Urlaub bewilligte, hatte er keine Ahnung, daß der Mann Auf⸗ wartegeschäften bei dem General nachgehen wollte. Es wäre auch ein Eingriff in die persönliche Freiheit gewesen, wenn der Amts vorsteher anders gehandelt hätte; es würde dann der Verwaltung ein großer Vorwurf gemacht worden sein.
Was die Maßregelung der Assistenten anlangt, so erklaͤre ich: ich schaffe keine Märtyrer. Auf meine Anweisung hin hat der betreffende Postrath nicht gehandelt, und sobald es zu meiner Kenntniß kam, habe ich auch eingegriffen. Meine Herren, so lange dieser Assistentenverein existiert und lediglich seine eigenen Interessen verfolgt, habe ich mich nicht darum zu kümmern. Die Frage würde nur akut werden, sobald sich etwa dort Bestrebungen geltend machen, die in unseren Reicht . Post⸗ betrieb hemmend und störend eingreifen. Meine heilige Pflicht ist es aber, dafür zu sorgen, daß jeder, ob reich, ob arm, ob hoch oder niedrig, seine Briefe zur Zeit erhält, und Sie würden mir erhebliche Vorwürfe machen, wenn ich nicht die Disziplin innerhalb meiner Körperschaft aufrecht erhalten wollte. Das liegt aber auf einem ganz anderen Gebiete, meine Herren. Hier handelt es sich lediglich um den Verein an sich; ob er heute ein Waarenhaus oder sonstige Bestrebungen hat, geht mich nichts an. Wir leben einmal in Deutschland in der Zeit der Vereinsmeierei. (Lachen und Zurufe links.)
Ich glaube, meine Herren, ich habe wohl auf alle Punkte ge⸗ antwortet, die Herr Abg. Singer bier angeschnitten hat. Im übrigen wird sich ja bei den späteren Kapiteln auf die Frage des Personals noch zurückkommen lassen. Ich behalte mir vor, dann noch ein⸗ gehender darüber zu sprechen. (Bravol rechts.)
Abg. Lenzmann (fr. Vollsp.) Die Beseitigung der Privat⸗ posten wird vom Staatzssekretär beabsichtigt, Er will überhaupt ein Gesetz über die Reform des ponnen einbringen; der Entwurf soll schon an den Bundesrath gelangt sein. Ich möchte um die baldige Veröffentlichung bitten, damit die Vorlage vom Publikum erörtert werden kann. Daraus wird der Staats sekretãr Fiel mehr über die Wünsche des Publikums erfahren, als bei der Harun al⸗Raschid Rolle, die er zuweilen gespielt haben soll. Dem Wunsch nach Entlastung der Poslbeamten vom Sonntags dienst ist etwas Rechnung getragen worden.. Aber schablonen mäßig darf nicht verfahren werden; denn überall den Nachmittags dienst am Sonntag wegfallen zu lassen, scheint mir nicht e lg. An Stelle der Packetsammelwagen, die sich nicht bewährt haben, sollte man die Schalterräume in den Postgebäuden, die so piel Geld gekostet haben, für den Packetverkehr erweitern. Der freie Sonntag nach einem Nachtdienst ist für die Beamten nicht ausreichend. Dle Post sekretãre klagen darüber, daß sie immer noch nicht den Gerichts Sekretãren gleichgestellt sind, welche letzteren eine Gehaltsgufbesserung von 00 „ erhalten haben. Die Thätigkeit der Postsekretäre ist eine schwierige; sie haben Nachtdienst und Sonntagsdienst; sie haben in ber Woche nicht sechs, sondern sieben Arbeitstage. (Prãäsident Freiherr pon Buüol weist darauf hin, daß über die einzelnen Beamtenklassen später verhandelt werden würde) In dem Postassistenten · Verein sind vielleicht manche Elemente vorhanden, die Unzufriedenbeit verbreiten. Aber diese Gefahr wird bekämpft durch die frele Entwickelung, welche dem Verein auch besfere Elemente zuführen wird. Ich würde es für zweckmäßig halten, wenn auch die Unterbeamten sich zusammenthun wärden.“ Dazu haben wir bisher nur lehr geringfügige Ansãͤtze. Minister von Miquel hat allerdings den Wunsch ,,.
re Vor⸗ esetzten wenden sollen. Gleichzeitig wird aber den Beamten die . verboten. Die be , . sollte die Vereinigun der Beamten zulassen. Mit Befriedigung haben wir gehört, da eine Personalreform stattfinden, daß Verwaltung und Betriebe strenge eschleden werden sollen. Ger, nicht im Wege der Verordnung volljogen werden. Dabei sollten den Postassistenten auch die höheren Stellungen erschlossen werden. Die Tagegelder nicht nur der Unterbeamten, sondern auch der Postasststenten sind, für den Westen wenigstens, ju niedrig be⸗ i Ich für meinen Theil bin der e daß wir das Ge- halt des Staatssekretärs kürzen, bis unsere Wänsche ,, der Unterbeamten erfüllt sind. Aber gehen den Willen der uf können wir nicht Gehaltserhöhungen in den Ctat einstellen, das i taatgrechtlich nicht möglich. Wir müsfen ung also guf eine Resolution 6 en. Kann die Bestimmung nicht abgeschafft werden, daß im technischen Dienst beschäffigte Beamte nicht in den Vorstädten wohnen dürfen? In den Vororten können si 8 leichter ce, als in den Städten. Gehälter wird geltend gemacht, daß der Andrang zu den hi groß sei. Sollen die Beamten w e. geregelt werden, dann geht dle ganze Würde des Beamten verloren.
egen die Ehrhöhung der
(gortsetzung in der gweilen Beilage)
Diese Scheidung sollte aber im Wege deg =
diese Beamten ein eigenes
Postfstellen ehälter nach Angebot und
Zweite Beilage
zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Käniglich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
M 32.
(Fortsetzung aus der Ersten Beilage.)
Staatssekretär des Reichs-Postamts von Pobbielski:
Meine Herren! Auf den letzten Appell kann ich natürlich selbst nicht antworten. Im übrigen, glaube ich, fiel Sonnenschein und Regen, je nachdem, auf mich herab. Ich möchte, um die Diskussion nicht zu weit auszuspinnen, nur thatsächlich einiges berichtigen. Die Verfügung, wodurch die etatsmäßige Anstellung bereits nach acht, nicht wie früher nach zwölf Jahren stattfiadet, ist bereitg am 5. Januar im Amtsblatt des Reichs. Postamts publiziert worden, entsprechend der Ankündigung, die ich in der Budget kommission seiner Zeit abgegeben habe. Ich glaube, den Reichstag wird es aber interessieren zu hören, von welcher großen Bedeutung für die Beamtenkörperschaft der Reichs, Postverwaltung diese Maß—⸗ regel ist. Wir haben bis jetzt unkündbar angeftellte Beamte 9407 gehabt, diese Zahl ist durch diese einzige Verfügung bereits auf 17746 gestiegen. Das zeigt also, wie diese Maßregeln, die anfangs nur ganz klein erscheinen, bei der großen Zahl der angestellten Beamten wirken. Ich habe ebenso zu erklären, daß auch eine Verfügung erlassen ist, durch welche für die lebenslänglich angestellten Beamten die Kündigungsfrist von 4 Wochen auf 3 Monate erhöht worden ist.
Was die Anrechnung des Jahres der Militäranwärter betrifft, so kann ich mich nur auf die Ordre vom Jahre 1891 beziehen, durch die diese Sache geregelt ist; dergleichen Fragen sind äußerst schwierig. Sie erscheinen in dem einzelnen Fall sehr leicht zu lösen; generalisiert man sie, so entstehen naturgemäß große Schwierigkeiten.
Was nun die Wohnungsfrage anlangt, die gestern von dem Herrn Abg. Werner berührt worden ist, so ist in erster Linie doch immer noth⸗ wendig, auf die Dienstverhältnisse Rücksicht zu nehmen. Denken Sie sich geneigtest, wir haben Beamte, die des Morgens ganz früh zum Dienst antreten müssen zu einer Zeit, wo Vorortverkehr, Omnibus u. s. w. noch nicht im Gange ist. Wenn diese Beamten draußen wohnen, welche Schwierigkeiten entstehen dann für den Dienst! Wir ge⸗ brauchen aber auch unter Umständen in unvorherzusehenden Fällen noth⸗ wendig schnell einen Beamten und müssen ihn dann herbeirufen lassen. Wohnt er aber im Vorort, so entstehen auch Schwierigkeiten, er ist unter Umständen garnicht zu erlangen. Es ist nicht etwa ein generelles Verbot, draußen zu wohnen, sondern die Reichs Post⸗ verwaltung hat sich nur für die betreffende Ober⸗Postdirektion das Recht vorbehalten, daß Beamte, die in einem Außenort wohnen wollen, dazu der Genehmigung bedürfen, und ich glaube, wie die Herren schon vorher aus meinen Erklärungen ersehen haben, kommen wir den be— rechtigten Wünschen unserer Beamten, soweit dies nach den dienftlichen Verhältnissen irgend thunlich ist, entgegen.
Abg. Dr. von Levetzow . kons.): Die Staatssekretäre kommen in Berlin mit ihrem Gehalt nicht aus; sie müssen aus eigener Tasche zulegen. Besonders liegt die Nothwendigkeit der Gehaltserhöhung für das sehr umfangreiche Postressort vor. Wir werden für die Be⸗ willigung des höheren Gehalts stimmen und verwahren uns dagegen, daß die Frage der Gehaltserhöhung für die Unterbeamten damit ver⸗ uickt wird. Die Folge wird sein, daß zwar der Staatssekretär die
ehaltserhöhung nicht erhält, aber die Unterbeamten sie auch nicht erhalten. Denn es kann kein Staatssekretär eine Gehaltserhöhung für seine Unterbeamten verlangen, wenn ihm dabei gesagt wird, er be⸗ antrage sie nur, um selbst eine Gehaltserhöhung zu erlangen.
Abg. Dr. Lingens (Zentr.) bittet die Postverwaltung dringend, bei der Personalreform dafür zu sorgen, daß die Sonntagsruhe voll⸗ ständig durchgeführt werde; denn vorläufig sei es darum, namentlich in den großen Städten, noch schlecht bestellt; namentlich seien ihm wieder lebhafte Klagen aus Hamburg zugekommen. Redner empfiehlt dann die Beschränkung der Packetbestellung am Sonntag auf die Eilsendungen und spricht seine Befriedigung darüber aus, daß den katholischen Postbeamten am Sonntag die Möglichkeit verschafft sei, den Frühgottesdienst zu besuchen.
Staatssekretär des Reichs⸗Postamts von Podbielski:
Ich kann dem Herrn Abg. Dr. Lingens im Namen der Reichs⸗ Postverwaltung für die fortgesetzten Anregungen, die er auf dem Gebiete der Sonntagsruhe und Sonntageheiligung uns gegeben hat, nur dankbar sein, und ich darf ihm die Versicherung geben, daß die Verwaltung bemüht ist, seinen Anregungen zu folgen und nach Möglichkeit eine Einschränkung des Sonntagsbestelldienstes vorzu—⸗ nehmen. Ich sage ausdrücklich: nach Möglichkeit, weil Herr Dr. Lingens mir zugeben wird, daß wir nicht auf einmal das Ganze erreichen können. Das muß aber das von uns anzustrebende Ideal sein, und ich hoffe, daß die Zeit nicht mehr fern ist, wo wir das erreicht haben, was voll und ganz seinen Wünschen entspricht. (Bravo h
Abg. Liebermann von Sonnenberg (Reformp.):; Die Er— klärung des Herrn Staatssekretärs über den gala er, Hiereln! seine Bemerkung, daß er die Vereine der Unterbeamten nicht hindern wolle, sin für die Beamten sehr viel werth, und dadurch unterscheidet sich eine Haltung von der, ich will nicht sagen seines Vorgängers, aber des Unter Staatssekretärs des letzteren. Wenn wieder einmal ein Ausländer sich ungeiogen benimmt, so wird hoffentlich jetzt die Genug⸗ thuung fuͤr die Beamten eine schneidigere sein als früher. Ich hoffe auch, daß er dafür sorgen wird, daß in der Verwaltung und in der böheren Postearriöre nicht das juriffische Element überwiegend wird. Die Aufbesserung der Gehälter der n,. ist dringend noth⸗ wendig, da diese Herren sich nicht in einer Durchgangsstellung be⸗ finden; denn nur ein kleiner Theil derselben erreicht die Stellung der Ober Postsekretäre. Redner bringt dann die Wünsche der einzelnen Beantenkategorien vor. Wer e. Freiherr von Buol bemerkt dem Redner, daß die Einzelheiten erst bei den späteren Titeln verhandelt werden sollen) Redner spricht seine Befriedigung darüber aug, daß man eine Sommerbekleidung für die Brieftrãger schaffen wolle; es wäre noch zu wünschen, daß für die Landbriefträger eine Winterdienstmütze nach dem Muster der Forstdienstmütze beschafft würde. Mit getheilter Empfindung werde dagegen die Erklärung des Staats sekretärs aufgenommen werden, daß mehr weibliche d, n angeftellt werden sollen. Bezüglich der Packetannahme u. s. w. möchte er (Redner) wünschen, da alles vermieden würde, was dazu diene, den 6 aarenhäusern ihr . u erleichtern. Jede rlelchterung sollten sie bezahlen.
edner empfiehlt, die n, des Sonntags Nachmittags⸗ dienstes auf den Mittag, eine in iche Revision des Post-⸗Zeitungs⸗ tarifs und eine bessere Berücssichtigung der Peripherie Berlins bei der Briefbestellung. Ferner beschwert er sich darüber, a eine Poft⸗ karte mit sädischen Karikaturen als unzuläfsig nicht bestellt worden sei. Die Zurückweisung 9 durch Hinweis auf eine Vorschrift be⸗ gründet worden, welche Postkarten beleidigenden Inhalts von der
Berlin, Sannabend, den 5. Februar
Beförderung ausschließe. Zum Schluß erklärt Redner, auch seine Partei werde dafür stimmen, daß das Gehalt des Staats sekre tärs um 6000 M gekürzt würde.
Staatssekretär des Reichs⸗Postamts von Podbiels ki:
Meine Herren! Betreffs der Gehaltsfrage werden wir ja nachher bei den einzelnen Titeln noch zu einer Erörterung kommen. Ich be— halte mir vor, dem Herrn Abg. von Liebermann die nöthigen Auf⸗ klärungen über diese Frage zu geben. Jetzt fühle ich mich speziell nur veranlaßt, auf eine direkt an mich gerichtete Anfrage betreffs einer Postkarte, ob sie beleidigenden Inhalts gewesen ist oder nicht, Rede und Antwort zu stehen. Auf der einen Seite kümmert sich die Reichs ⸗Postyerwaltung nicht um den Inhalt. Unsere Beamten sollen also auch von dem Inhalt der Postkarten keine Kenntniß nehmen. Aber es sind hier zwei Seelen in unserer Post, denn auf der anderen Seite kommt die Frage der Beleidigung in Betracht, wie sie auch hier in 5 14 der Postordnung richtig angezogen ist. Ich kann in dem vorliegenden Falle nur konstatieren, daß auch umgekehrt bei der Reichs Postverwaltung schon lange vorher im Laufe des Sommers Beschwerden eingingen über diese speziell aus Frankfurt am Main abgesandten Postkarten. Ueber die Auffassung des Adressaten ein Urtheil zu fällen, steht uns garnicht zu. Es fühlen sich aber Bewohner Deutschlands durch diese Karten beleidigt. Also den einzelnen Empfänger ju fragen, wie nachher seitens des betreffenden Absenders geschehen ist, ob er sich dadurch beleidigt fühlt, ist etwas, was die Reichs— Postverwaltung unmöglich ausführen kann, sondern sie kann nur sagen: nach diesen Bildern, die dort in Frankfurt am Main zur Versendung kamen, fühlen sich Bewohner Deutschlands beleidigt. Infolge dessen haben wir solche Postkarten von der Beförderung ausgeschlossen. Das mit den Einzelnen zu erörtern, halte ich für vollkommen unmöglich durchzuführen. (Sehr richtig! rechts.)
Abg. in , gn (Zentr.): Die Erklärung des Staats- sekretärs über die Postreform klang in der Kommission etwas frischer und zuversichtlicher. Die Reformen sind alle seit Jahren gefordert und man könnte jetzt wirklich damit etwas schneller vorgehen, nament- lich mit der Erhohung des Gewichts der einfachen Briefe und mit der Ermäßigung der Gebühr für Postanweisungen über kleinere Beträge.
Staatssekretär des Reichs⸗Postamts von Podbielski:
Gestern bereits hatte ich Veranlassung, dem Herrn Abg. Singer zu entgegnen, daß ich bei meinen ersten Ausführungen am gestrigen Tage ausdrücklich hervorgehoben hätte, daß der dem Bundesrath z. 3. vorliegende Gesetzentwurf auch Bestimmungen enthielte über die Er⸗ höhung des Gewichts und die Ausdehnung des Tarif im Nahverkehr resp. Berlins. Meine Herren, ich habe mein Stenogramm nachgelesen und habe diese Aeußerung auch darin gefunden; ich kann nur den Herrn Abg. Müller (Fulda) darauf verweisen, daß ich es ausdrücklich gestern gesagt und wiederholt habe. Heute tritt mir der Vorwurf wieder entgegen, das neue Gesetz enthielte bloß das Monopol, während that sächlich auch die Gewichts⸗ und Tariffragen darin berücksichtigt sind. Ich verweise daher auf das Stenogramm meiner gestrigen Rede.
Was nun die Frage betreffs der Ermäßigung der Gebühren für Postanweisungen über kleinere Beträge anlangt, so habe ich allerdings erklärt, daß es in meiner Absicht liege, derartige Ermäßigungen ein⸗ zuführen; aber Sie kennen doch auch die Bestimmungen des Post— gesetzes, dessen 5 50 ausdrücklich sagt: der Reichskanzler verordnet es, nachdem er den Bundesrath angehört hat. Meine Herren, Sie verwechseln sehr oft die Stellung des Staatssekretärs im Reich mit der eines Ministerz — in Preußen vielleicht. Wir sind in ganz anderer abhängiger Lage; ich muß ganz andere Faktoren befragen, deren Zustimmung nothwendig ist. Wenn ich auch ferner persönlich davon überzeugt bin, daß der Einnahmeausfall, den dergleichen Er⸗ mäßigungen, abgesehen von ihrer Berechtigung den ärmeren Kreisen der Bevölkerung gegenüber, naturgemäß mit sich bringen, in der Zu—⸗ kunft wieder ausgeglichen wird, so muß doch im ersten Jahre mit einem solchen Einfluß auf die Reichs Finanzen gerechnet werden.
Ich möchte nach dieser Richtung hin klarstellen, daß ich aller⸗ dings nicht in der Lage bin, eine derartige Vorlage ohne weiteres zu machen. Ich habe meine früheren Erklärungen nicht eingeschränkt, aber ich kann auch den gesetzlichen Boden absolut nicht verlassen: erst muß der Bundesrath dem Antrage des Herrn Reichskanzlers zu⸗ stimmen.
Die übrigen Fragen, glaube ich, kommen bei den einzelnen späteren Titeln noch zur Erwägung, und ich behalte mir vor, dann darauf näher einzugehen.
Abg. Schmidt ⸗Frankfurt (Soz) fragt, was der Staatszsekretär von den besonderen belgischen Sonntagsmarken halte, verwahrt sich gegen die Beseitigung der Prlwat. Postanftalten, namentlich weil dadurch deren Angestellte geschädigt würden, und bringt eine Reihe von Be⸗ schwerden über angebliche Mihstände vor.
Damit schließt die Diekussion. Das Gehalt des Staats⸗ sekretärs wird nur in Höhe von 24 000 S. bewilligt. Die gestern mitgetheilte Resolution wegen der Sonntags packet— bestellung wird fast einstimmig genehmigt.
Schluß 6 Uhr. Nächste Sitzung Sonnabend 2 Uhr. (Erste Lesungen des Vertrages mit dem Oranje⸗Freistaat und der Gesetzentwürfe, betr. die Kautionen, betr. das Branntwein⸗ kontingent und betr. Aenderungen der Konkurzordnung.)
Preußszischer Landtag. Haus der Abgeordneten.
14. Sitzung vom 4. Februar 1896.
Die zweite Berathung des Staatshaushalts⸗ ine für 1896/9 wird bei dem Etat der Justizver waltung ortgesetzt. ;
f weng inn ahmen werden ohne Debatte bewilligt.
Bei nden dauernden Ausgaben, und zwar bei dem Titel* Halt des Ministers“ giebt
Abs er sch (gentr) seiner Freude über den Allerböchsten Erlaß vom 2. V. Ausdruck, durch welchen die Richter der unteren
Instanzen 3 die Staatganwalte im Range den Verwaltung beamten glei ef i hn! wenn ihm auch der Ausdruck Staatganwaltschaftg⸗
1898.
Rath‘ nicht gefalle. Redner rügt sodann die Anwendung der Titulaturen in den Gerichtsverhandlungen; je nach ihrer gesell⸗ schaftlichen Stellung würden z. B. die Zeugen alt Herr Feng oder bloß als „Zeugen angeredet. Uebertriebene Höflichkeit ses nicht am Platze, der Titel „Herr“ konne fortbleiben. Das Formularwesen be⸗ dürfe auch der Vereinfachung. Zur Vorbereitung für die Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs sei schon im vorigen Jahre eine neue Rathsstelle im Ministerium geschaffen, es seien aber noch keine Autz⸗ führungegesetze eingebracht, wozu es hohe Zeit sei. Dagegen experi⸗ mentiere man mit manchen anderen Gesetzen, z. B. mit dem Anerben⸗ gesetz. Das rheinisch⸗westfälische Gebiet sei jetzt dem Qber ⸗Landeg⸗ gericht in Hamm unterstellt; es sei erforderlich, jwei Qber ⸗Landes- ,, Köln und Hamm, zu bilden. Trotz des Gerichtskostengesetzes eien die Gerichts kosten nicht niedriger, sondern sogar höher geworden, namentlich für die Erbbescheinigungen. Es müsse deshalb eine Novelle zum Gerichtskostengesetz eingebracht werden; vielleicht könne man auch für die freiwillige Gerichtsbarkeit die Kosten reichsgesetzlich regeln. Die Rechtspflege könne nur gedeihen, wenn sie sich von finanziellen Grwägungen fernhalte.
Justiz⸗Minister Schönstedt:
Meine Herren! Mit Rücksicht auf die große Zahl von Einzel⸗ heiten, die der Herr Abg. Kirsch angeregt hat, halte ich es für zweck⸗ mäßig, auf die Bemerkungen desselben sofort zu erwidern. Ich darf dabei wohl beginnen mit denjenigen Punkten, die eine größere materielle Bedeutung in Anspruch nehmen können. Die wichtigste feiner An⸗ regungen war wohl die, wie es mit den Ausführungsgesetzen zum Bürgerlichen Gesetzbuch stehe. Ich glaube, aus dem Ton seiner Aeußerungen nicht haben entnehmen zu müssen, daß er, wenn solche Gesetze bisher nicht dem hohen HYause vorgelegt worden sind, daraus einen Vorwurf gegen die preußische Justiz⸗ verwaltung hat herleiten wollen, obgleich eine solche möglicher Weise in der Andeutung zu finden gewesen wäre, daß schon vor mehreren Jahren mit Rücksicht auf diese großen Arbeiten dem Justiz⸗ Ministerium eine neue Rathstelle bewilligt worden sei. Ob in der That die Forderung dieser neuen Rathstelle im Hinblick auf die durch die Ausführungsgesetze zum Bürgerlichen Gesetzbuch entstehenden Mehrarbeiten bewilligt worden ist, möchte ich in Zwelfel ziehen. (Abg. Kirsch: Das steht in der Begründung!) Sollte dieser Umstand auch mitgewirkt haben, so meine ich doch, daß schon die allgemeine Zunahme der Geschäfte des Justiz ⸗Ministeriums ausgereicht haben würde und auch ausgereicht hat, eine solche Stellen- vermehrung zu rechtfertigen. Im übrigen kann ich dem hohen Hause die Versicherung geben, daß die Ausarbeitung der Ausführungsgesetze zum Bürgerlichen Gesetzbuch sich in bester, lebhafter Vorbereitung befindet und daß voraussichtlich die nächste Session ganz erheblich mit diesen Gesetzen belastet sein wird.
Wenn Preußen auf diesem Gebiete nicht ebenso rasch und prompt vorgehen kann, wie dies seitens anderer Bundesstaaten der Fall ist, so liegt die außerordentliche Schwierigkeit, die wir in Preußen zu bekämpfen und zu bewältigen haben, in der großen Mannigfaltig⸗ keit und Verschiedenartigkeit der hier geltenden Rechte. Meine Herren, das Bürgerliche Gesetzbuch nöthigt die preußische Justizverwaltung zu einer fast vollständigen Revision aller in Preußen geltenden privatrechtlichen Gesetze, und es wird der Um⸗ fang der Ihnen vorzulegenden Gesetze deshalb ein recht erheblicher sein. Sie werden aus den Ihnen vorzulegenden Gesetzen das Maß und die Menge der Arbeit, die zur Vorbereitung derselben erforderlich war, garnicht zu erkennen vermögen. Denn diese Vorarbeiten haben lediglich den Zweck, alle diejenigen Materien auszuscheiden, bezüglich deren eine eingehende Prüfung ergiebt, daß sie eine Aenderung und Berücksichtigung in dem Ausführungsgesetze nicht verlangen. Die Möglichkeit ist nicht ausgeschlossen, daß eines dieser Gesetze, das sich seiner Vollendung nähert, noch in der gegenwärtigen Session vorgelegt wird, und Sie würden damit vor eine außerordentlich schwierige Aufgabe gestellt werden. Das Gesetz betrifft nämlich die Behandlung des Güterstandes in den bestehenden Ehen und den im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch zugelassenen Vorbehalt landesgesetzlicher Bestimmung darüber, ob und in wie weit auch für die bestehenden Ehen das neue Recht zur Anwendung gebracht werden soll. Ob diese Vorlage noch in dieser Session eingebracht wird, wird einmal davon abhängen, wann der Entwurf zum Abschluß gelangt, dann von der Geschäftslage dieses hohen Hauses. Im übrigen würde es garnicht zweckmäßig ge⸗ wesen sein, die Menge der Ausführungsgesetze, die Sie zu gewärtigen haben, und die im inneren Zusammenhange mit einander stehen, dem hohen Hause in seiner gegenwärtigen Session vorzulegen, da voraus⸗ sichtlich die dem Hause gegebene Zeit garnicht ausgereicht haben würde, alle diese Entwürfe zur Verabschiedung zu bringen.
In materieller Beziehung hat Herr Abg. Kirsch weiter eine Re⸗ vision des Preußischen Gerichtskostengesetzes angeregt. Ich habe schon im vorigen Jahre erklärt, daß bezüglich der Wirkung des Gerichte⸗ kostengesetzes eingehende Erhebungen zunächst anzustellen selen. Diese Erhebungen finden bei den Gerichten seit dem Beginn des laufenden Etats jahres ftatt. Außer diesen allgemeinen Feststellungen sind für die Monate November, Dezember und Januar ganz genaue statistische Aufstellungen gemacht bezüglich der Arten und Gattungen der ein⸗ zelnen Kostenansätze. Im Zusammenhang mit den letzteren Er⸗ hebungen sind die sämmtlichen Notarien der Monarchie, die ja für erheb⸗ liche Positionen des Gerichtskostengesetzes faft in höherem Maße in Frage kommen als die Gerichte selbst, veranlaßt worden, auch ihrerseits für jene drei Monate genaue Aufstellungen der Zentralstelle einzureichen. Big dieses Material vollständig zusammengestellt und verarbeitet sein wird, werden voraussichtlich noch mehrere Monate vergehen, und erst dann kann in die Erwägung dieser Frage eingetreten werden, wobei ja auch der Herr Finanz ⸗Minister ein erhebliches Wort mitzureden haben wird, wenn eine Revision des Gerichtskostengesetzes stattfinden wird. Daß bei dieser Revision auch diejenigen Punkte erwogen werden, bei denen das neue Bürgerliche Gesetzbuch die Nothwendigkeit mit sich bringt, Abänderungsvorschläge ins Auge zu fassen, versteht sich von selbst.
Ich darf dann übergehen zu den mehr fermellen Anregungen det Herrn Abg. Kirsch, in denen derselbe wiederum seinen außerordentlich