1898 / 34 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 08 Feb 1898 18:00:01 GMT) scan diff

. anschließen, aber ich halte eine Zahl von 14 Mit⸗

ern f i n Vorredner hat 9. seine Aufgabe außer ·

tlich leicht gemacht. Wenn zu einer früheren Zeit die Vor 3.

bracht worden wäre, so würde sie allseitig begrüßt worden sein als

For zur Sicherung der äußeren Lage der Privatdozenten gegenüber dem jetzigen verworrenen Rechtgzustande, den der Kultus⸗ Mnister richtig geschildert hat und der dringend einer Regelung und ; n arf. Diese Regelung ist nicht bloß ein Bedürfniß für die Stagtzaufsichtsbehörde, denn für mich ist es kein Zweifel, daß dieser das Recht zufteht, einen Privatdozenten aus seinem Lehramt zu entfernen. Ver Unterrichts. Minister ist gar nicht befugt, das Staatsaufsichts⸗ recht auß der Hand zu geben. Es würde dem Kultus Minister unbenommen sein, die . Rechte verhältnisse seinerseits klar⸗

2 ellen und den Privatdozenten die venia legendi zu entziehen.

n Bedürfniß für die Staatsregierung liegt nicht vor. Aber die Erfahrung hat gelehrt, daß die Disziplinargewalt des Unterrichtè⸗ Ministers, die an keine Garantien gebunden ist, sehr selten zur An⸗ wendung kommt. Man hat sich in dem Falle Arons gescheut, von dieser diskretionären Gewalt Gebrauch zu machen. Es liegt dringend im Interesse der Privatdozenten, ihre Rechts. und Disziplinar⸗ verhältnisse, gegenüber der Willkür der Verwaltungsbehörde durch eine gesetzliche Regelung klarzustellen. Entspricht nun die vor- eschlagene Regelung der Zweckmäßigkeit, der Stellung und den wr fe fen der ö. der Universitäten und des Staates? Die Universitäten sind aus Korporationen immer mehr Staatsanstalten eworden zur Erziehung des Nachwuchses an Beamten, Lehrern und senern der Kirche, an Aerzten 2c. Die Lehrthätigkeit der Privat- dozenten ist völlig gleichberechtigt der Lehrthätigkeit der Professoren. Die Regelung für die Professoren und Privatdozenten muß deshalb eine einheitliche sein mit der Ausnahme, daß Abweichungen stattfinden müssen, weil die letzteren nicht Beamte sind, sondern eine beamtenähnliche Stellung bekleiden. Der Pflichtenkreis der Privatdozenten kann nicht anders umgrenzt werden als der der Professoren. Daß sich an die Mit⸗ wirkung des Staats Ministeriums bei dem Disziplinarverfahren gegen die gr henne , politische Beeinflussungen knüpfen könnten, ist nicht anzunehmen; es ist deshalb nicht nöthig, an die Stelle des Ministeriums das Ober⸗Verwaltungsgericht zu setzen, zumal dadurch die Privat⸗ dozenten einer anderen obersten Disziplinarbehörde unterstellt werden würden, als die Professoren. Ich bin der Meinung, daß die Vorlage vorbehaltlich einer Aenderung in Einzelheiten auf dem richtigen Stand⸗ punkte steht. Es wird sich empfehlen, die Vorlage möglichst bald anzunehmen.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten D. Dr. Bosse:

Meine Herren! Ich möchte doch in Bezug auf eins, was der Herr Vorredner gesagt hat, mich äußern. Einverstanden bin ich damit, daß der Unterrichts⸗Minister garnicht befugt ist, staatliche Auf⸗ sichtẽrechte aus der Hand zu geben. Eine andere Frage ist es, ob nicht die Anwendung der völlig diskretionären, an keine Form ge⸗ bundenen Disziplinargewalt des Ministers unter Umständen, nament⸗ lich dann wenn sie streitig ist, den Schein einer tendenzissen Willkür erwecken kann, und ob damit nicht der Sache erheblich geschadet werden könnte.

Was mich aber hauptsächlich bewegt, das Wort zu ergreifen, das ist, daß der Herr Vorredner auch den Fall Arons erwähnt hat, und daß der Fall Arons in der That im Zusammenhang mit dieser Vor⸗ lage steht. Darüber möchte ich mich aussprechen; ich bin es dem hohen Hause schuldig, hierüber offene Auskunft zu geben.

Meine Herren, in der Begründung des Entwurfs ist der Fall Arons nicht erwähnt. Er gehört auch gar nicht hinein. Denn der Fall Arons ist nicht der Grund dieses Gesetzes, sondern er ist nur der Anlaß, der Ausgangspunkt ge⸗ wesen, durch den wir auf diese Ordnung hingeführt worden sind, allerdings ein Anlaß von sehr ernster, ich glaube durchschlagender und grundsätzlicher Bedeutung. Ganz fern liegt es mir und ich möchte das noch einmal ausdrücken —, den Zusammenhang dieses Falles Arons mit der Vorlage in Abrede zu stellen. Er liegt ja ganz offen zu Tage für Jedermann, der der Sache aufmerksam gefolgt ist. Es ist das ja auch nicht geheim gehalten, sondern in den Zeitungen ist darüber vollkommen offen berichtet.

Nun, meine Herren, der Anlaß ist der Fall Arons für diese Vor⸗ lage gewesen, aber nicht zu dem Zweck, um die Regierung erst in die Lage zu bringen, den Privatdozenten Arons removieren zu können. Das konnten wir ohnehin. Die Möglichkeit dazu war uns in doppelter Weise gegeben: einmal kraft des, hier in Berlin zwar streitig gewordenen, aber doch immerhin von uns stets festgehal⸗ tenen Rechts, das in dem Oberaufsichtsrecht liegt, und sodann darin, wie der Herr Vorredner ganz richtig ausgeführt hat, daß wir die Möglichkeit gehabt hatten, die Statuten der philosophischen Fakultät einseitig auf dem Wege zu ändern, auf dem sie zu stande gekommen sind; auf diesem Wege hätte man, wenn man gewollt hätte, die Zweifel an der Zuständigkeit des Ministers beseitigen können. Indeß der Gedanke, den ich vorhin angedeutet babe, ob nicht in solchen Fällen, wo sich Streit erhoben hat, und wo es sich um eine Rechtsfrage handelt, die einseitige, formlose Durchschneidung des Knotens dem allgemeinen Rechtsbewußtsein schadet, und ob ein solches Verfahren der Autorität wirklich mehr nützt als der von uns einge— schlagene Weg: die Sache auf gesetzlichem Wege zum Austrage zu bringen, dieser Gedanke bedarf doch wohl der ernstesten Erwägung. Jedenfallz hat es die Staatsregierung nicht für rathsam gehalten, von den beiden Wegen, die uns zur Verfügung standen, zu⸗ nächst den einen einzuschlagen, und sie durfte das um so unbedenk⸗ licher, als, wie ich schon ausgeführt habe, die unmittelbare praktische Bedeutung des Falles Arons in conereto mit Rücksicht auf das Fach, das dieser Gelehrte vertritt, nicht gerade allzu hoch anzuschlagen sein dürfte. Andererseits muß ich aber hervorheben, daß um so größer die prinzipielle Bedeutung des Falles und um so wichtiger die Frage ist, ob ein erklärtes Mitglied, ein politisch thaäͤtiger Genosse der sozialdemokratischen Partei öffentlich anerkannter Lehrer unserer akademischen Jugend sein und bleiben kann. Mir scheint es um so richtiger, diese Frage im Wege eines geordneten Rechtsverfahren zu ihrem endlichen Austrage zu bringen. Und in dieser prinzipiellen Frage liegt der Zusammenhang des Falles Arons mit dem Gesetz⸗

entwurfe, wie er Ihnen jetzt vorliegt. Da ich nun einmal auf die Sache durch die Erwähnung des Falles Arons durch den Herrn Vorredner gekommen bin, so wollen Sie mir gestaiten, Ihnen auch den eigentlichen status causa et contro versie des näheren vorzutragen. 2 Der Dr. Leo Arong war früher in Straßburg für das Fach der

Physik habilitiert und ist im Jahre 1890 in die philosophische Fakultät

F hiesigen Universität übergetreten. Einige Jahre spaͤter erfuhr ich zuerst auf amtlichem Wege eiwas von seinen Beziehungen zur Sozial⸗ demokratie. Iniwischen hat er sich aus einem einfachen Genossen zu einem eifrigen Förderer und Führer der Sozialdemokratie entwickelt. Damit, meine Herren, trat ganz von selbst an mich die Frage heran, ob es mit der öffentlichen Ordnung verträglich sei, daß ein aktives, erllärteg Mitglied der sozialdemokratischen Partei als Lehrer an einer

preußlschen Hochschule belassen werden könne, wobel es garnicht darauf ankam, auf welches Fach seine eigentliche Lehrthätigkeit sich bezog. Die Antwort auf diese Frage ist mir persönlich niemals einen Augen⸗ blick zweifelhaft gewesen: ich stehe verneinend dazu.

Unsere Universitäten, meine Herren, sind, wie auch der Herr Vorredner mit Recht hervorgehoben hat es ist das aus— drücklich im Allgemeinen Landrecht im § 1 Tit. 12 des zweiten Theils ausgesprochen Veranstaltungen des Staats. Sie haben nicht bloß wie die Akademien die Aufgabe der freien wissenschaftlichen Forschung, sie sind zugleich Lehranstalten, sie sind Schulen im emi⸗ nenten Sinne, Hochschulen, und zwar Hochschulen im Dienste des monarchisch verfaßten, des Königlich preußischen Staats. (Sehr richtig! rechts) Ihnen liegt auch besonders die Verpflichtung ob, künftige Beamte, Lehrer und Geistliche für ihren Beruf vorzubilden und tüchtig zu machen. Nun kann es meines Erachtens gar keinem Zweifel unterliegen, daß dazu nicht genügt die bloße Uebermittelung von Kenntnissen und wissenschaftliche Anregung, sondern daß es die Aufgabe der Universitäten ist, die Jugend auch mit der Liebe für König und Vaterland, mit dem Respekt vor der Monarchie und vor der Verfassung und mit der Achtung vor unseren staatlichen Einrichtungen zu versehen und diese Liebe und diese Achtung und diesen Respekt zu hegen und zu pflegen. Meine Herren, die Lehrer bei uns, und zwar alle Lehrer, gleichgültig auf welcher Unterrichtestufe sie ftehen, haben gemeinsam die Aufgabe, ihren Beruf in diesem Sinne, so lange sie in unserem monarchischen Staat leben, aufzufassen; ja, ich gehe noch weiter, sie haben auch die Aufgabe und den Beruf, daß sie der Jugend, die sie unterrichten, und die ihnen anvertraut ist, ein vorbildliches Beispiel auf diesem Gebiete geben. (Bravo! rechts.) Meine Herren, was ich hier ausspreche, ist nicht etwa etwas Neues. Das sind ja Dinge, die immer so bei uns gewesen sind. Ich will nur darauf hinweisen, daß noch bei der Neugründung der jüngsten deutschen Universität, Straßburg, unser Hochseliger Kaiser, in ganz außerordentlich schöner Weise diesem Gedanken Ausdruck gegeben hat. In der Stiftungsurkunde der Universität Straßburg, die von dem Hochseligen Kaiser vollzogen und von dem Fürsten Bismarck gegengezeichnet ist, heißt es:

„Wir begründen demnach diese Hochschule von neuem, auf daß an ihr im Dienste der Wahrheit die Wissenschaft gepflegt, die Jugend gelehrt und so der Boden bereitet werde, auf welchem mit geistiger Erkenntniß wahrhaftige Gottesfurcht und Hingebung für das Gemeinwesen gedeihen“.

Und, meine Herren, ganz in demselben Geiste waren die Allerhöchsten Botschaften gehalten, mit denen des regierenden Kaisers Majestät die Universitäten Königsberg und Halle im Jahre 1894 bei ihren Jubiläen begrüßt hat.

Nun, meine Herren, daß sich diese Aufgabe mit der Zugehörigkeit eines Lehrers zur sozialdemokratischen Partei, die ja notorisch nach ihren eigenen authentischen Erklärungen die bestehende Staats und Rechtsordnung feindlich bekämpft und sie beseitigen will, ja diese Beseitigung zum Ziel ihrer ganzen Parteithätigleit gemacht hat, daß sich diese Aufgabe mit der Zugehörigkeit zu dieser Partei nicht ver⸗ trägt, daß diese beiden Gegensätze, die sich hier ergeben, nicht mit einander zu vereinbaren sind, das werde ich garnicht weiter auszuführen nöthig haben, ich glaube, das wird mir jeder zugeben. Für Beamte ist das auch in mehreren Ent⸗ scheidungen des Ober ⸗Verwaltungsgerichts ausdrücklich ausge⸗ sprochen; zu den Beamten gehören aber auch die Professoren, und die einfachste Konsequenz nöthigt uns unausweichlich dazu, das Gleiche auch für die Privatdozenten anzunehmen. Sie bilden die Vorstufe für die Professur, sie haben in ihrer Lehrthätigkeit gleiche Funktionen auszuüben und der akademischen Jugend gegenüber haben sie auch die—⸗ selben Aufgaben wie die Professoren zu erfüllen.

Meine Herren, die Unvereinbarkeit der beiden Dinge: der öffent⸗ lichen, unter staatlichem Schutz, unter der staatlichen Autorität, in der Monarchie Preußen, an der Königlichen Friedrich⸗Wilhelms⸗ Universität auszuübenden Lehrthätigkeit mit der erklärten aktiven Zugehörigkeit zur sozialdemokratischen Partei, er—⸗ giebt sich schon aus der Form, wie die Privatdozenten bei uns zugelassen werden; diese Form lautet dahin, daß sie unter dem Wahrzeichen und der Autorität Seiner Majestät des Königs, sub auspiciis et auctoritate regis, den Zutritt zur akademischen Lehr— thätigkeit erlangen.

Meine Herren, das scheint mir doch durchzuschlagen, es ist nach meiner Auffassung so einleuchtend, daß ich eine Zeitlang erwarten zu können glaubte, Herr Dr. Arons würde das selbst einsehen und selbst diese Konsequenz ziehen und sich stillschweigend aus dem Bunde der Königlichen Friedrich⸗Wilhelms⸗Universität zurückziehen. Als sich nun diese Erwartung nicht erfüllte, habe ich die Fakaltät aufgefordert, dis⸗ ziplinarisch gegen den Dr. Arons vorzugehen. Die Fakultät hat dies zunächst abgelehnt, hat sich dann aber, als Dr. Arons agitatorisch mehr hervortrat, mit einer Verwarnung begnügt. Diese Verwarnung genügte aber nicht der staatlichen Ordnung und genügte nicht den An⸗ forderungen, die ich im Namen derselben stellen zu müssen glaube.

Nun, meine Herren, bin ich weit entfernt, gegen die philosophische Fakultät den Vorwurf erheben zu wollen, daß sie ihre Pflicht nicht nach ihrer besten gewissenhaftesten NUeberzeugung erfüllt habe; gegen ihre bona fides wird gewiß niemand Zweifel erheben. Aber die Regierung ist allerdings der Meinung, daß die Fakultät den Fall nicht in seiner vollen staatlichen Bedeutung erfaßt und daß sie deshalb ihn auch nicht richtig behandelt hat, daß sie insbesondere in Beurtheilung des Falles den Anforde⸗ rungen der öffentlichen Ordnung und der Staatgraison nicht genügend Rechnung getragen hat.

Unter diesen Umständen wird ja die Regierung es bei dieser Stellungnahme der Fakultät nicht bewenden lassen; sie wird das um so weniger können, als Dr. Arons neuerdings wieder in sozial⸗ demokratischen Parteiversammlungen, auf Parteitagen, in sehr auf⸗ fälliger Weise hervorgetreten ist. Wenn also der Gesetzentwurf zu stande kommt, so wird die Regierung nicht säumen, unmittelbar die Fakultät wieder mit dem Fall Arons zu befassen, und demnächst im geordneten Rechtswege die Sache zum Austrag zu bringen. Wenn die Sache in dieser Weise, wie ich hoffe, ihre end⸗ gültige Erledigung finden wird, wird das ganz zweifellos nach meiner Ueberzeugung auch für weltere Kreise von nützlicher Bedeutung sein. Das, meine Herren, ist die unbedingte Wahrheit über den Fall Arons. (Bravol rechts.)

Abg. Dr. Virchow (fr. Volksp.): Ich bin dem Abg. von Zedlitz dankbar dafür, daß er das erlösende Wort des Ministers über den

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Fall Arons gefunden hat. Also das ist der eigentliche Gegenstand unserer heutigen Unterhaltung und auch nach den Mittheilungen deg Ministers der Kernpunkt der Sache, die Ursache und der Anlaß des Gesetzeg. Ich habe in dem vorliegenden Material bis jetzt vergeblich , t, welches die ed, fl, Veranlassung war, weshalb der Minister 5j entschlossen hat, einen solchen Gesetzentwurf vorzulegen. Ich komme dabei immer wieder auf den Fall Arons. Ich will gleich bemerken, 6 ich über die Gründe, welche die philosopbische Fakultät in dem Fa Arons geleitet haben, nicht besonderg unterrichtet bin; ich will darüber weder eine mißbilligende noch eine . , , thun. Ich vermag also auch nicht ein Urtheil darüber abzugeben, ob der Minister Recht hat, wenn er der Fakultät gewissermaßen einen Vorwurf macht. Ich überlasse die Diskussion darüber, ob ein generelles Gesetz des Inhalts erlafsen werden soll, daß jemand, der einer sozial- demokratischen Auffassung verdächtig ist, ausgeschlossen werden muß von einem öffentlichen Lehramt, den anderen Herren. Zunächst hebe ich heivor, daß meines Wissens seit Jahren außer dem Fall Arons kein einziger Fall bekannt geworden ist, der irgendwie Ver⸗ anlassung geben könnte, eine solche Operation vorzunehmen, wie wir sie jetzt machen sollen. Der Minister hat die Vor⸗ lage motiviert mit seinem juristischen Schönheitsgefühl. Es mache einen schlechten Eindruck, wenn die Statuten der Univer⸗ sitäten so verschledenartig wären und die Fakutäten nicht ganz genau auf dieselbe Weise ausgestattet seien. Ich würde verstehen, daß man ein solches Gesetz erließe, wenn es sich hier um eine generelle und einheitliche Neuregelung des Rechtswesens handelte; aber daß man hier, wo gar keine Veranlassung vorliegt, nur seinem Schön heits⸗ gefühl nachgehen, alles schön ordentlich und einförmig machen will, will mir nicht leicht in den Kopf. Ich fürchte doch, daß der Fall Arong dem Minister näher lag, als die Schönheit der Un wversitãtẽ gesetze Diese Univpersitäts. Gesetzgebung stammt ja aut verschiedenen Jahrhunderten. Die Statuten sind mehr und mehr modifiziert worden, aber ihre Grundlage ist bis jetzt nicht erschüttert worden. Ich bestreite auch, daß die Korporationsrechte der Universitäten schon im 16. und 17. Jahrhundert in die Brüche ge⸗ gangen seien; auch das Landrecht erkennt noch ausdrücklich die Univer- sitäten als privilegierte Korporationen an. Das geht auch daraus hervor, daß die preußischen Universitäten Eigenthum besitzen. Nach der Auffafsung des Ministers ist dasselbe jetzt Stgatgeigenthum. (Abg. Dr. Irmer; Nein) Sie sind doch nicht der Minister! Der Staat erweise den Privatdozenten Wohlthaten und messe ihnen dafür eine beamtenähnliche Qualität bei, Nach meiner Auffassung ist, das ganz un⸗ zutreffend. Der korporative Charakter der Universitäten ist doch nicht ganz verloren. Allerdings sind die Universitäten selbst schuld daran, daß sie sich nicht stark genug erwiesen haben, um die Eingriffe in ihre Rechte zurückzuweisen. So ist es gekommen, daß willkürlich die Statuten geändert worden sind und kaum noch praklisch gelten. Ich habe schon, früher darauf hingewiesen, wie wenig die Statuten dem Kultus. Ministerium gegenüber zu bedeuten haben. Aber die Korpo⸗ ration ist noch immer da. Ursprünglich bestanden die Universitäten überhaupt aus lauter Privatdozenten. Der gesammte Lehrkörper bestand aus Personen, die freiwillig lehrten. Die Organisation und die Statuten sind nachher hinzugekommen, aber es ist immer der Charakter bestehen geblieben, daß es eigentlich ein freies Zusammentreten wissen⸗ schaftlicher Männer war, die vor ihren Schülern Vorträge hielten. Von dieser ganzen alten universitas ist nichts weiter zurückgeblieben als die Privatdozenten. Das Recht zu lehren wurde ursprünglich mit der Doktorwürde erworben; jeder Doktor hatte das Recht zu lesen. Mit der Zeit ist aber noch eine besondere Prüfung hinzu gekommen, nach deren Bestehen die venia legendi ertheilt wurde; der alte Doktor brauchte keine venia legendi, er hatte sie schon mit seinem Divlom in der Tasche. Die Privatdozenten sind immer noch die Repräsentanten der allgemeinen Freiheit der Lehre, welche nur von dem Nachweis einer gewissen Fülle von Kenntnissen abhängig war; die weitere Prüfung soll jetzt darthun, ob der Doktor sich soweit entwickelt hat, daß er für sein besonderes Fach besondere Kenntnisse besitzt, und unsere Statuten schreiben aus drücklich vor, daß seine Arbeiten ausgezeichnet sein müssen. Durch diese Habilitation gewinnt der Doktor das Recht, auf der Universität zu lesen. Aber zwischen seinem Recht und dem der ordentlichen Pro⸗ fessoren besteht eine große Differenz; der Ordinarius kann lesen, worüber er will, der Priwatdozent jedoch nur über das Fach, für welches er seine besondere Befähigung nachgewiesen hat; er bekommt die venia legendi in beschränktem Maße. Wenn er Physiker ist, kann er nicht ohne weiteres über Chemie lesen. Ich will klarmachen, daß wir in der That an den Lebensnerv der Universität kommen. Wenn Sie die Privatdozenten im wesentlichen beschränken wollen, so schneiden Sie einen Theil der Wurzeln ab, aus denen unser ganzes gelehrtes Leben seine Nahrung und sein Material zur weiteren Entwickelung schöpft. Vor allen Dingen bitte ich, daß Sie mit Respekt vor dieser Einrichtung stehen bleiben, die das ganze deutsche Leben durchdrungen hat, auf deren Entwickelung das beruht, was wir mit Stolz als den Ruhm der deutschen Nation betrachten. Ich wünsche, daß nichts geschieht, was darin irgend eine Schädigung bringen könnte. Das e rf? für eine Aenderung ist nicht so unabweisbar, wie Herr von Zedlitz sagt. Nur vereinzelte Fälle kommen vor; Sie muͤssen Dezennien durchlaufen, um einmal einen Fall herauszufinden. Nimmt man alle Fälle seit Menschengedenken zusammen, so kommen wir vielleicht auf ein halbes Dutzend. Wenn man die Motive liest, könnte man meinen, das Gesetz sei aus lauter Liebe zu den Privat⸗ dozenten eingebracht, die eine geschützte, sichere Stellung erhalten sollen. Aber ihre Stellung wird ncht gestärkt, sondern erschüttert. Sohald Sie die Privatdozenten vor einen Disziplinargerichtshof stellen, werden Sie in der ganzen Nation eine Bewegung dagegen hervorrufen. Je weniger Sie da machen, um so besser. Daß das 36 die Stellung der Privatdozenten verbessern könnte, wird niemand im Volke verstehen. Daher will ich das auch garnicht zu verbessern oder zu amendieren suchen; ich sähe es am liebsten, wenn wir die Vorlage ganz einfach begraben könnten. Ich würde auch bei einem Amendement, das Ober⸗ Verwaltungsgericht zur oberften Disziplinarbehörde jzu machen, in Ver⸗ legenbeit kommen. Ich möchte weder das Eine, noch das Andere. Der Minister will sich des Rechtes nicht herauben, das er schon hat. Ich erkenne seine Hingabe und sein Interesse vollkommen an, aber ich kann nicht bedauern, daß keiner seiner Vorgänger das Recht irgendwie angewandt hat. Nach dem geltenden Recht ist zweifellos der Minifter in der Lage, auf Antrag der Fakultät eine Remotion vorzunehmen. Wenn wir bisher wirklich einmal zu einem Antrage auf Remotion kamen und dem Privatdozenten das sagten, so hat er sein eigenes Austreten angezeigt. Sie werden das vielleicht nicht genügend finden, sondern eine feierliche Operation vornehmen und sie urbi et orbi mittheilen wollen. Aber dem Mann noch ein besonderes Odium anzuthun, daß man aller Welt das Disziplinarverfahren mittheilt, ist doch nicht an⸗ gebracht, Ich habe nicht den Verdacht, daß im Ministerium die Fälle mit großer Befangenheit beurtheilt werden. Ich freue mich ich sehe das an dem Fall Arons —, daß man im Ministerium der Sache noch gtertis⸗ gegenübersteht. Ein Bedürfniß für die Vorlage erkenne i nicht an. Ich bitte alle Parteien, an dieser alten, ehrwürdigen, bewährten Institutionen der Privat⸗ dozenten; die, auf der freiheitlichen , beruht, möglichst wenig zu rütteln. Wir Professoren selbst haben unter Umständen von der Entwickelung des Privatdozententhums Un— , nn, in einzelnen Fakultäten haben wir 69 - 70 Privat · dozenteß, und daß da manche unbequemen Verhältnisse vorkommen, läßt sich denken. Nichtedestowenlger find wir stolz darquf, daß ein solcher Nachwuchs da ist und dem in fer gn eine solche Fülle bon Kräften zur Verfügung steht für die Ernennung von Pro fessoren. Wo in der . giebt es noch einmal solche Verhält⸗ nisse? In den großen Staaten der Welt beneidet man uns um dieses Pripatdozentenkhum; in Frankreich wundert man sich, wie wir das gemacht haben; in England, wo alles in einzelne Schulen aus= eingndergefallen ist, sehnt man sich nach der Wiederzusampenfassung u Universitäts körpern. Auch in Amerika besteht die größte Schwierig= keit, neue Elemente heranzuziehen, die weiteres Material für die Professoren bilden. Wir haben allen Grund, so schonend wie möglich daran zu gehen. (Fortsetzung in der Zweiten Beilage.)

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

M 4.

Berlin, Dienstag, den 8. Februar

1898S.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Abg. Dr. Irmer (kons.): Wir werden für eine Kommission von 14 Mirgliedern stimmen. Daß wir in der Sache nicht zu viel Spektakel machen sollen, diesen Rath hätte der Abg. Virchow an die Adresse seiner Parteipresse richten sollen, die die Vorlage in maß— loser Weise kritisiert hat und von einem Daumenschrauben, und Knebelgesetz gesprochen hat. Herr Virchow hat die Rechte der Universttäten aus ihrem korpoiativen Charakter deduziert. Die Universitäten mögen im Mittelalter Korporationen gewesen sein, aber damals waren auch die Studenten Substrat der juristischen Person, nicht bloß die Privatdozenten. Gegenwärtig sind die Privatdozenten nicht Substrat der juristischen Person, und die Virchow'sche Auffassung würde dahin sühren, daß die Professoren den Privatdozenten über⸗ geordnet wären. Die Universitäten sind nicht mehr Korporationen, sondern Anstalten, und die Statuten allein sind nicht maßgebend. Une wäre es am liebsten gewesen, wenn der Minister in dem Falle Arons schon jetzt von den Befugnissen Gebrauch gemacht hätte, die ihm unbedingt jetzt schon zustehen. Dieses Gesetz enthält insofern eine Beschränkung seiner Rechte. In der Beurtheilung des Falles Arons stehen wir ganz auf der Seite des Ministers, und wir erwarten von der Regierung, daß sie nach ihrer heutigen erfreulichen Stellungnahme zur Sozialdemokratie ungesäumt vergehen wird. Nicht die Gesinnung bekämpfen wir, sondern ihre Bethätigung. Es widerspricht der Würde des Staats, daß er an seinen öffentlichen Lehranstalten Männer duldet, die auf den Umsturz des Staats hinarbeiten. Ob das Staatę⸗Ministerium oder das Ober⸗Verwaltungsgericht schließlich entscheidet, ist eine offene Frage. Von einem Eingriff in die Freiheit der Wissenschaft ist hier nicht die Rede. Herr Arons mag seine Ansichten in Journalen u. s. w. vor— tragen, aber nicht an der Universität. Die Wissenschaft würde nach der Doktrin unserer Gegner ja auch leiden, wenn ein Universwmiäts— lehrer durch Gefängnißstrafe seinem Lehramt entzogen würde. Das dem Abg. Rickert nahestehende Deutsche Reichsblatt“ spricht davon, daß der Minister die Peitsche in die Hand nehmen wolle, um ihnen die sozialistischen Gelüste auszutreiben. Ist Herr Virchow auch dieser Ansicht? Auf mich haben seine Ausführungen nicht den Eindruck gemacht. Es soll bier nur gleiches Recht für alle geschaffen werden.

Abg. Dr. Porsch (3entr.): Die materielle Willfür gegen die Privatdozenten wird durch dieseg Gesetz nicht geändert, ihre Rechts— lage aber im Großen und Ganzen verbessert. Eine Rechtesicherheit haben wir jetzt nicht; der Minister kann jetzt jedem Privatdozenten die Thür vor der Nase zuschlagen, und schon darum empfiehlt es sich, diesen Gesetzentwurf näher ing Auge zu fassen. Ob die Universitaͤten Korporationen oder bloß Anstalten des Staats sind, kommt hier nicht in Betracht. Die Universitäten sind groß geworden durch ihre Freiheiten, und diese dürfen nur soweit beschränkt werden, als es das oͤffentliche Interesse verlangt. Herr Virchow ist im Kulturkampf mit seinen Kollegen gegen die große Korporation der katholischen Kirche aufgetreten, während er jetzt dem koixrorativen Charakter der Universitäten das Wort redet. Indessen, ich will darauf nicht weiter eingehen. Hat der Minister vorher die Univer⸗— sitäten gehört? Das Urtheil der Breslauer Universität liegt vor uns, und ich wünscke, daß auch die anderen Hochschulen sich äußern. Auch ich enthalte mich eines Urtheils über den Fall Arons. Die religtöse, politische und wissenschaftliche Richtung eines Privatdozenten an sich sollte kein Grund zur Entlassung sein, auch nicht deren Aeußerung, so bedauerlich sie auch ist, sondern nur der Mißbrauch des Katheders, um die Grundlagen des Staais zu unter- graben, und eine ungehörige, zu weitgehende Agitation außerhalb der Universität. Man muß aber dabei sehr vorsichtig sein. Beshalb würde ich Aronz nicht entlassen, bloß weil er der sozlaldemokratischen Partei angebört. Würden Sie auch einen Privatdozenten mit aus— geprägt atheistischer Gesinnung entlassen? Einer zweiten Instanz über der Fakultät würde ich zustimmen, wenn dafür eine richtige Form ge— funden würde. Vielleicht würde der Minister versönlich als letzte Instanz den Privatdozenten einen größeren Schutz ewähren als das Staats Ministerium. Die Breslauer 6. hat sich für das Ober⸗Verwaltungsgericht ent⸗ chieden; ich lasse darüber mit mir reden. Bedenklich aber ist mir, daß dieseg Gesetz das geltende mangelhafte Disziplinargesetz für nicht richterliche Beamte ohne weiteres sinngemäß!“ auf die Privat⸗ dozenten angewendet wissen will. Dadurch wird die staatsrechtliche Stellung der Privatdozenten noch unsicherer. Der Privatdozent hat überhaupt gar kein Amt“. Ein Beamter steht nach Hinschius in einem zur Treue verpflichteten Dienstverhältniß. Die Privatdozenten leisten nicht einmal einen Diensteid, sie haben auch nicht den Pflichten⸗ kreis der Professoren. Die Disziplin hat in erster Linie die Fakultät und erst in zweiter der Minister zu üben, nicht umgefehrt, wie es nach ken, Entwurf der Fall zu sein scheint. Er muß entsprechend geändert werden.

Universitätgrichter, Geheimer Regierungs ⸗Rath Dr. Daude: Der Entwurf spricht nur von einer sinngemäßen Anwendung des Disziplinargesetzes. Die Privatdozenten haben ebenfalls einen Pflichten⸗

kreiß, sie müssen eine bestimmte Stundenzahl innehalten c.; und die

Verletzung dieser Pflichten soll eben geahndet werden. Darauf kann man aber besser in der Kommission eingehen.

Abg. Dr. Friedberg (ul.): Auf den Fall Arons will ich nicht näher eingeben. Meine politischen Freunde halten es für unverträg⸗ lich mit der Stellung eines Privatdozenten, wenn diese ausgefüllt wird von einem sozialdemokratischen Agitötor, und es würde eine Schwäche des Staats sein, wenn er fo eiwas weiter duldete. Meine Partei hält den Grundsatz der Freiheit der Wissenschaft hoch, wir haben aber eine Beeinträchtigung derselben in dieser Vorlage nicht entdeckt. Gewiß haben 3er nnen, eine große Bedeutung für die Wissenschaft aber Herr Virchow hat nicht nachgewiesen, daß sie durch dieses , , werden. Ez wäre gut gewesen, wenn in den Motiven eine Zusammenstellung der Statuten der Universitäten gegeben ware. Nach dem Statut von Halle kann der Minister einen Privatdozenten einseitig removieren. Ich erinnere an den Fall Dühring, in dem nur persönliche Differenzen dazu führten, den Herrn in der Fakultät un= möglich zu machen. Diejenigen, die in der Fakultät sißzen, nehmen für die Universitäten den korporgtlven Charakter in Anspruch, und Liesenigen n . den Charakter einer Staatsanstalt. Das ist Sache der Auffassung. Ich stehe auf dem Boden der Bor⸗ lage, halte es aber für bedentlich, das Staat. Ministerium als zweite Instanz fungieren zu en das ist ebenso nutzlos, wie in der Frage des Kleinbahngesetzes. as Staats. Ministerium wird die Minister schwerlich desgponieren. Die Privatdozenten stehen hier ungünstiger als die Professoren, weil das Urtheil des Disziplinargerichtshofs gegen sie in zweiter 53 in pejus geändert werden kann. Deshalb halten wir es für besser, wenn das Ober · Verwaltungsgericht die zweite Instanz bildet. Bei der Verhängung von Ordnungsftrafen muß die Fakultät gehört werden. Den Pflichtenkreis der Privatdozenten Trier zu begrenzen, als es schon geschehen, wird sehr schwer sein. Die Ausführungen des Zentrums machen mich etwas kopfscheu; ich fange an, bedenklich u werden, wenn vie Herren für die Freiheit der Wissenschaft eintreten. Ich halte es nicht für richtig, atheistische Privatdosenten zu beseitigen; das wäre ein Schlag gegen die Freiheit des Gewisseng. Der religiöse Glaube ist für den Staat irrelepant. Fine Kommission von 14 Mitgliedern halte ich fr ausreichend. Widersprechen muß ich noch der Auffassung des Abg. Irmer, daß ein

rivatdozent nur in Journalen die freie Kiffe har üben darf. ir wollen keinen Unterschled von einer freien Wissenschaft und

einer staatlich konzefsionierten Wissenschaft, sondern die wirklich freie Wissenschaft.

Ahg. Dr. Steph an (Zentr.): 3 Friedberg will den atheistischen Privatdoßenten nicht zu nahe kommen. Wir halten es aber für bedenklicher, wenn Atheisten unsere Jugend wer—⸗ derben, als wenn verkappte Sozialdemokraten in der Fakultät sind. Gegen unchristliche Prof ssoren geht man meines Wiffens nicht vor. Ist nicht ein Privatdorent, der die Ehe und Familie, das. Christentbum, die Monarchie angreift, nicht ebenso gefährlich wie ein Sozialdemokrat? Es müßten überhaupt die Fälle genauer bezeichnet weiden, wegen deren die Professoren und Privatdozenten zur Verantwortung gezogen werden dürfen. Die Technischen Hochschulen diesem Gesetz durch Königliche Verordnung zu unterwerfen, halte ich nicht für angebracht. Für eine Freiheit der Wissenschaft sind wir auch, aber wir wollen nicht, daß die Privat- dozenten gewisse Grundlagen des Staats und der Religion antasten. Haben wir üherhaupt eine freie Wissenschaft? Man läßt ja nicht einmal eine solche für unsere Orden zu.

Abg. Stöcker (b. . P): Das Gesetz ist nicht absolut nothwendig, wie überhaupt der Minister in dieser Frage besser entscheiden kann als das Staatz. Ministerium; man braucht daraus nicht immer eine Haupt⸗ und Staattaktion zu machen. Andererseits muß ich zugeben, daß beson⸗ dere Umstände einen Anlaß zu diesem Gesetz gegeben haben. Daß ein Privatdozent öffentlich als ein Sozialdemokrat auftritt, halte ich für unerträglich; es ist dabei gleichgültig, ob er ein Naturwissenschaftler ist oder ein Nationalökonom. Man muß die Nichtsnutzigkeiten in sozialdemokratischen Zeitschriften kennen, um sich klar zu machen, wie viel Zunder in der Jugend für die sozialistische Lehre vorhanden ist. Die Sozialdemokraten bestreiten prinzipiell die Ordnung des Staatz, und so lange das der Fall ist, ist es ein Widersinn, daß einem solchen nicht nur die Unterweisung, sondern auch die Erziehung der jungen Leute anvertraut wird. Eine gewisse Berechtigung hat es auch, wenn das Zentrum gegen atheistische Dozenten Bedenken hat; ein atheistischer Theologie Professor wäre undenkbar, und es wäre richtig, gegen den wilden Atheismus und die Gottesverspottung eines solchen Professors ebenso vorzugehen, wie gegen einen sozialdemokratischen Dozenten. Einen Eingriff in die Wissenschaft finde ich in dieser Vorlage nicht. Der Glaube ist für den Staat durchaus nicht Nebensache, wenigstens nicht in der Schule. Es ist absolut falsch, daß der religibse Glaube für den Staat irrelevant, daß der Stagt unchristlich sei. Der Widerspruch gegen diesen Entwurf erklärt sich daraus, daß in den Kreisen namentlich der Berliner Professoren die Besorgniß herrscht, daß er gewisse soziale Ten— denzen nicht durch die Erörterung, sondern durch Gewaltmaßregeln bekämpfen will. Diese Besorgniß ist ja auch nicht ganz unbegründet. Ich erinnere nur an die Angriffe gegen den Staatssozialismus. Man beurtheilt diese Strömung mit einer gewissen Nervosität falsch. Der § 2 des Disziplinargesetzes muß klar und deutlich sagen, was bestraft werden soll und was nicht, die zweite Instanz solte das Ober⸗Ver⸗ waltungègericht sein; dadurch wird am besten der Verdacht vermieden, als ob politische Gesichtspunkte für die Beurtheilung eines Dozenten maßgebend sein sollen.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Die letzten Ausführungen des Herrn Vorredners waren ja im höchsten Grade interessant, auch für den Kultus⸗-Minister, sowelt sie sich auf die soziale Erziehung der Theologen beziehen, aber sie stehen eigentlich in einem engen Zusammenhange mit dieser Vor⸗ lage über die Disziplinarverhältnisse der Privatdozenten, soweit ich sehe, nicht. Ich glaube deshalb, daß ich keinen Anlaß habe, an dieser Stelle gerade auf diese Ausführungen näher einzugehen; es wird sich ja, wenn das nöthig sein sollte, dazu noch Gelegenheit finden.

Ich habe aus der ganzen bisherigen Diskussion den Ein— druck gewonnen, daß die Einzelfragen, die hier erörtert worden sind, im wesentlichen wohl in der Kommission noch— mals, und iwar gründlicher, als es hier geschehen, eroͤrtert werden müssen. Ich kann auch dem Herrn Abg. Dr. Fried⸗ berg sagen, daß eine Zusammenstellung der statutarischen Vorschriften bereits fertig ist und demnächst den Herren zugehen wird. Ich habe nur das Bedürfniß, gegenüber der radikalen Bekämpfung des Ent— wurfs, die durch den Abg. Herrn Dr. Virchow erfolgt ist, den Haupt⸗ punkt, in dem meines Erachtens die prinzipielle Differenz zwischen uns besteht, noch hervorzuheben.

Meine Herren, der Herr Abg. Dr. Virchow hat ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, die Universitäten seien privileglerte Korporationen. Das geben wir ihm bereitwillig zu, wir erkennen den korporativen Charakter der Universitäten ausdrücklich an; aber, meine Herren, wag wir nicht anzuerkennen vermögen, das ist der Anspruch zwar längst nicht aller, aber wenigstens mancher Professoren und Fakultäten auf die staatliche Anerkennung einer völlig uneingeschränkten, vollkommenen Souveränitätsstellung der Fakultäten. Das folgt nicht aus dem korporativen Charakter der Universttäten, wie sie sich entwickelt haben, und die Staatshoheit kann gar nicht in dieser Weise, wie es von einigen Seiten verlangt wird, vor der Souveränität der Fakultäten kapitulieren, und das darf sie auch nicht. (Sehr richtig! rechts.) Wo sollten wir hinkommen, wenn wir das thun wollten?

Meine Herren, es ist schon im Alterthum, im römischen Recht, ein alter Satz, daß, wenn man Rechte hat, man sie nicht schrankenlos und nicht maßlos geltend machen soll, sonst schadet man seinem eigenen Interesse. Genau so ist es hier mit dem Recht der Fakultät. Die Fakultäten und die Universitäten haben gewisse autonomische Befugnisse, und sie müssen sie haben, und sie sollen sie auch behalten; aber sie sollen sich bewußt bleiben, daß diese Befugnisse innerhalb des Staatszwecks und der staatlichen Ordnung liegen müssen. Darin liegt meines Grachtens der springende Punkt. Sobald man maßlos ein Recht geltend macht, erweckt man ganz naturgemäß den Widerspruch dagegen; wir haben das schon oft erlebt, auch in diesen akademischen Fragen.

Eins möchte ich noch anführen. Fürst Bismarck hat einmal über diese Dinge sich ausgesprochen; er hat die Ansprüche der Uni⸗ versitäten auf die Anerkennung dieser schrankenlosen korporativen Rechte, dieses Rechtg, daß sie immer das letzte Wort behalten müßten der Staatsgewalt gegenüber, zurückgewiesen, indem er darauf aufmerksam gemacht hat, daß ein Theil der Universitäten oder der Mitglieder der Universitäten verlangte, der Unterrichts Minister dürfe nur der Vollstrecker des Fakultätswillens sein, und das bezeichnete Fürst Bismarck wie mir scheint, mit Recht als eine Republikanisterung der Staate⸗ aufsicht, und diese Republikanisierung können wir nicht mitmachen, das wäre gegen unsere Pflicht und gegen unser Gewissen. Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied. Ich erkenne ausdrücklich den korporativen Charakter der Universitaten an, aber in dem Maße, daß sie sich unter⸗

ordnen der staatlichen Ordnung, in der sie steben. Das ist der letzte und tiefste Grund unserer Differenz über diese Vorlage.

Abg. Munckel (fr. Volksv): Nachdem einmal die Frage an⸗ geregt ist, muß sie auch gründlich geregelt werden. Wie die Regierung zu diesem Entwurfe gekommen ist, hat der Minister in dankenswerther Weise klargelegt. Wichtig ist aber, daß eine Sicherstellung der Privatdozenten nicht von diesen selbst gewünscht worden ist, sondern daß der Minister einen Dozenten durch Gesetz entfernen will, den er bisher nicht hat entfernen können. Bie Rechte hat ebenfalls diesen Wunsch ausgesprochen. Das ganze Gesetz richtet sich nur gegen Arons. Das ist ein banz extraordinäreß Vorgehen. Arong bekam im Jahre 1895 eine Aufforderung des Universitätsrichters, in einer gewissen Frage sich zu äußern. Arons lehnte dies ab. Im Juni erhielt er von der Fakultät drei Fragen vorgelegt über seine öffentliche Thätigkeit als Sozialdemokrat. Hierauf antwortete er allerdings und lebnte es nur ab, sich über seine zukünftigen Pläne zu äußern. Darauf ver— fügte die Fakultät, sie prüfe nicht die politische Gesinnun des Privatdozenten. Das ist vornehm gesprochen. (Dho! 12 Sie haben vielleicht von dem Begriff der Vornehmheit nicht die richtige Vorstellung. Die Fakultät warnte dann den Privat- dozenten vor Aeußerungen, die zu Mißdeutungen Anlaß geben könnten. Einer „wüsten Agitation will ich keineswegs das Wort reden. Aber niemand darf verlangen, daß ein Dozent als solcher nicht seine politische Meinung aussprechen soll. Auch Herr Stöcker hat alle Veranlassung, in der Beurtheilung dieser Dinge sehr vor—⸗ sichtig zu sein. Allerdings eine Meinung, von der kein Mensch etwas ahnt, kann nicht zum Gegenstand eines Disziplinarverfahrens gemacht werden. Von einer „maßlosen ! Ausübun von Rechten ist bei der Fakultät überhaupt augenblicklich nicht die Rede. Ein Privatdozent kann vom Minister nur removiert werden auf Antrag der Fakultät, Nach dem allgemeinen Landrecht kann kein Vorgesetzter einen Beamten entsetzen. Der Minister ist also im Irrthum trotz des Hinschius'schen. Gutachtenz. Er hat sich auch gescheut, sein angebliches Recht rücksichtslos auszuüben. Der Entwurf soll eben sein zweifelhaftes Recht stützen. Wird dieser Entwurf Gesetz, dann sind die Rechte der Fakultät vorüber, wenn sie auch mitzusprechen hat; denn die Bestimmungen des § 2 des Dig⸗ ziplinargesetzes von 18652 sind so dehnbar, daß sich schon That⸗ sachenꝰ werden finden lassen, um einen Dozenten zu maßregeln. Habe ich den Minister recht verstanden, so wird künftig kein Sozial⸗ demokrat als Privatdozent zugelassen werden, der sich auch nur ideell zu der sozialistlschen Lehre bekennt. Ist denn eine politische Ueberzeugung ein Vergehen? Und warum nur die sozialdemokratische und nicht auch die volksparteiliche und die des Zentrums, die auch der Reichs⸗ feindschaft verdächtigt worden sind? An der Universität ist es erste Pflicht, die Autorität des Staats und des Ministeriums zu achten. Wat haben Sie für eine Vorstellung von dieser Macht, die morgen nicht mehr ist, und von der unvergänglichen Macht der Wissenschast ? Das ist hier der Anfang vom Ende. Man fragt: Was ist erlaubt? Und das lehrt man dann an der Universität. Die Wahrheit geht hinweg über die Ministertische und folgt nur der ewigen Vernunft. Alles ist vergänglich. Mit der Ueberweisung an die Kommisston bin ich ein⸗ verstanden, um etwas Besseres an die Stelle des Gesetzes zu setzen.

Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa (tons.): Ueber allgemeine Wahrheiten und die Begriffe der Vornehmheit wellen wir mit dem Vorredner nicht streiten. Wir legen aber gegen die Behaup⸗ tung Protest ein. daß dieses Gesetz gegen die Persönlichkeit des Herrn Arons allein gerichtet sei. Dazu ist uns die Person des Herrn Ärontz nicht wichtig genug; es ist uns gleichgültig, ob der Herr Arons oder Cohn oder sonstwie heißt. Wir wollen nur nicht, daß ein Privatdozent sozial⸗ demokrgtische Agitation treibt. Arons hat trotz des Verweises der Fakultät seine agitatorische Thätigkeit fortgesetzt. Es wäre die Pflicht der Regierung gewesen, sofort gegen ihn vorzugehen, ohne erst dieses Gesetz abzuwarten. Das möchte ich noch klarer aussprechen, als es Herr Irmer schon gethan hat.

Abg. Dr. Porsch bemerkt, er schätze die Freiheit der Wissen⸗ schaft mehr als der Abg. Friedberg, glaube aber, daß die Konsequenz des Vorgehens gegen die Sozialdemokratie sei, auch gegen die atheistischen Professoren vorzugehen, die mit ihren Lehren ebenfalls die Grundlagen des Staats erschütterten, zu denen auch die christliche Religion gehöre.

Abg. Rickert (fr. Vgg.): Von dem Artikel des Deutschen Reichsblattes“ habe ich erst durch Herrn Irmer Kenntniß erhalten. Die Redaktion dieses Blattes bar ausdrücklich erklärt, daß ich mit der Redaktion und dem Inhalt des Reichsblattes‘ nichts zu thun habe. „Peitsche und Kandare! solche Ausdrücke hat das Blatt von den Agrariern gelernt. Verschonen Sie mich künftig mit solchen Anzapfungen! Uebrigens hat sich Professor Friedrich Paulsen ähnlich ausgesprochen. Die Profefforen wöttern hier die Einmischung der 9 Herr Paulsen vermuthet mit Recht, daß die ganze Vorlage als lex Arens von einer bestimmten parlamentarischen Richtung gewünscht worden ist. Ich beklage es, daß man wegen eines Falles die Klinke der Gesetzgebung ergriffen hat. Ein Bedürfniß dazu liegt nicht vor. Eine souveräne Stellun der Universität will kein Mensch, wozu also dieses Gesetz⸗ Na Herrn Paulsen wird man auch die national, soziale Richtung verfolgen. Was sagt Herr Stöcker dazu, dessen Thätigkeit auch von Regierungskreisen als gemeingefährlich bezeichnet worden ist? Atheistische Wendungen auf dem Katheder will er unterdrücken, also auch Goethe, Fichte; das ist bezeichnend für diesen Prediger der christ - lichen Liebe. Ich beglückwünsche den Minister, daß er bisher nicht gegen Arons vorgegangen ist, und ich hoffe, daß die Einflüsterungen der Rechten uuf ihn keinen Eindruck machen werden. Schafft man einen wissenschaftlichen Märtyrer, so würde dem Mann eine größere Bedeutung beigelegt werden, als er jetzt hat.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Ich bin wirklich jzwischen zwei Feuer gerathen. Ich kann mich nicht mit den Ausführungen des Herrn Abg. Rickert einverstanden erklären. Wenn er in dem ganzen Vorgehen mit diesem Gesetzentwurf Parteipolitik und Parteitendenz wittert und darin den Grund sieht, weshalb die Professoren gegen den Entwurf zum theil eingenommen seien, o kann ich nur sagen, diese Voraussetzung ist ganz falsch.

Es handelt sich hier garnicht um Parteitendenz oder Parteipolitik, sondern um eine große, prinzipielle Frage, nämlich die, ob es zulässig ist, ob es vereinbar mit einander ist, daß ein öffentlicher Lehrer an einer staatlichen Anstalt zu einer Partei gehört, die direkt aus⸗ gesprochenermaßen nach ihren eigenen authentischen Erklärungen die Existenz dieses Staates bestreitet, bekämpft und ihn beseitigen wil.

Sodann, meine Herren, wenn auch die Antwort des Herrn Abg. Dr. von Heydebrand in erster Linie gegen den Abg. Dr. Munckel gerichtet war, so muß ich doch darauf erwidern. Ich muß den Vorwurf, als ob es ung, als wenn es mir und dem Königlichen Staatz Ministerium an dem rechten Entschlusse gefehlt hätte, zu thun, was wir für unsere Pflicht erkannt haben, auf das ernstlichste zurückweisen. An diesem Ent- schlusse hat es uns nicht gefehlt. Ich bin in dem Moment, wo ich