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luer, welche die Zuckerinduftrie beläftigt, und die Abschaffung
r Kontingentierung, die nur mit der Ausfuhrprämie in Verbindung
. 6 eine Einschränkung der Produktion wird durch die letztere erre
nich t.
Abg. Roesicke (b. k. F.) erklärt, er halte ebenfalls die Be⸗ . der Prämien für dringend nothwendig. Dagegen halte er es nicht für richtig, daß man 6 Aufhebung der Prämien in Deutschland die ö des F! chlagszolls in Amerika verlange; damit würde nur der Weltmarktpreis im allgemeinen zum Schaden der deutschen Zuckerindustrie herabgesetzt werden. Die Schäden der Betriebssteuer und der Kontingentierung hätte man auf der Linken k besonders bedenklich sei die Wirkung der Einzelkontingente ewesen.
g Abg. Dr. Graf zu Stolberg Wernigerode: Die Beseitigung der Kontingentierung empfiehlt sich nur bei Fortfall der Prämien. Ich habe dem letzten Zuckersteuergesetz sehr kühl gegen übergestanden; es war aber nicht mehr zu erreichen, weil die Gegner des Gesetzes gar keine Prämien mehr wollten.
Der Titel wird bewilligt.
Die Branntweinsteuer ist auf 117 686 910 M . 528 910 6 Maischbottichsteuer und 101 157 000 M Ver⸗ rauchsabgabe) veranschlagt.
Abg. Bassermann (ul.) empfieht die Berücksichtigung einer Eingabe der Mannheimer Handelskammer, die eine Ausdehnung der Vergütung der Brennsteuer auch auf den zu anderen gewerblichen Zwecken als zur Essigfabrikation verwendeten Branntwein verlange, solange nicht der französische Zoll auf Celluloid herabgesetzt bezw. der deutsche Zoll dafür erböht worden sei. Die deuischen Celluloid⸗ för könnten den deutschen Konsum vollständig befriedigen, wenn e nicht mit der Abgabe für Spiritus belastet wären.
Direktor im Reichsamt des Innern Dr. von Koerner: Der Bundetrath hat über die Petition noch keinen Beschluß gefaßt; es ist ihm aber auch eine Eingabe im entgegengesetzten Sinne zugegangen.
Abg. Gamp (Rp.); Anspruch bat die Ceiluloid⸗Industrie nur auf Ersatz der Maischraumsteuer, nicht aber auf die nur für den Export bestimmte Brennsteuer. Aber vielleicht liegt eine unberechtigte, den Export hindernde Belastung der genannten Industrie vor, die der Bundesrath beseitigen könnte. Redner empfiehlt die Beseitigung der Erhebungskosten von 150j 60 für die Brennsteuer, nicht aber eine Ver⸗ minderung der Bezüge der Einzelstagten bei den indirekten Steuern.
Großherzoglich bazischer Bevollmächtigter zum Bundesrath, Ministerial⸗Direktor Scherer erklärt, er halte es für unberechtigt, die Erhebungekosten der Brennsteuer zu kürzen.
Abg. Müller-⸗Fulda (Zentr. : Die Brennsteuer soll in erster Linie zur Ausfuhrvergütung verwendet werden, nicht um den Einzel- staaten einen Gewinn zuzuwenden.
Die Branntweinsteuer wird genehmigt.
Die Hrausteuer ist auf 28 262 530 MS veranschlagt.
Abg. Roesicke (b. k. F.) empfiehlt die Einführung eines Ver—⸗ bots der Surrogate bei der Bierbereitung, das von der Regierung selbst in der Vorlage wegen Verdoppelung der Brausteuer anerkannt sei. Infolge des Surrogatsverbotsß, fährt Redner fort, haben die bayerischen Biere an Ruf gewonnen, während in der Brausteuer⸗ gemeinschaft die Steuer auf Surrogate deren Verwendung derselben gleichsam sanktioniert. Es werden aber immer mehr Surrogate verwendet, die nicht versteuert werden, z. B. daz Saccharin, welches nur als Süßstoff, aber nicht wie das Mal als Nährsteff wirkt. Es wird damit ein Bier bergestellt, welches fast gar kein Malz mehr enthält. In Berlin hat fich eine ganz neue Industrie gebildet zur Herstellung von Saccharin— bier welches als Werdersches Bier, Malzbier ꝛc. bejeichnet wird. Während gute Biere 8 — 120,0 Extrakt enthalten, enthält das Saccharin bier höchstens Po / g Extrakt. Man braucht dazu gar keine Brauerei, Es wird ein Hektoliter Bier gekauft, mit Wasser auf das Fünffache verdünnt und Saccharin zugesetzt. Dag geht soweit, daß die Kutscher diefer Bierverleger Fläschchen mit Saccharin bei sich führen, um je nach dem Wunsche der Konsumenten das Bier mehr oder weniger süß zu machen. Durch die Steuer auf Saccharin würde dessen Verwendung zur Blerbereitung kaum gehindert werden; denn es sind nur ganz geringe Mengen dafür erforderlich. Es kann nur das Verbot der Verwendung des Saccharins in Betracht kommen. Denn selbst ein Deklarationgjwang würde keinen Erfolg haben; man würde schließlich andere Süßstoffe als gerade das Saccharin berwenden. Die Regierung sollte der Industrie, welche sich gegen die Verwendung solcher Surrogate sträubt, in der Erlangung diefet Ziels behilflich sein.
Berichterstatter Abg. Dr. Paasche dankt dem Vorredner für seine Aussührungen und bedauert nur, daß der Abg. Hermes nicht dieselben Bedenken beim Saccharinantrag gellend gemacht habe. Persönlich bemerkt Abg. Dr. Hermes (fr. Volkep. ), daß er nicht für die Bierverfälscher gesprochen habe, sondern nur von dem Saccharin als Geschmackskorrigens, nicht als Ersatz von Malz.
Der Titel „Brausteuer“ wird genehmigt.
Bei dem Titel: „Aversa“ kommt der
Abg. Rad wanski (Zentr.) auf die Grenzsperre an der ober— schlesischen Grene zu sprechen und empfiehlt eine Milderung der dort getroffenen Anordnungen.
Die Aversen werden genehmigt, ebenso die Reichs— stempel abgaben.
Beim Etat des Rechnungshofes fragt Abg. Dr. Pie schel (nl) nach dem Schicksal des Komptabilitäts⸗ gesetzes. Es sei darauf hingewiesen worden, daß erst in Preußen ein solches durchgeführt werden müsse. Die Vorlage sei jetzt in Preußen gemacht. Die Frage der justifizierenden Kabinetsordres habe eine vor— läufige Erltdigung dadurch gefunden, daß nach einer Zusage des früheren Schatzsekretärs diese Ordretz in jedem Jahre mitgetheilt werden sollen. Hoffentlich werde der gegenwartige Schatzsekretär eben- falls eine solche Zusicherung abgeben, damit man durch diese Frage nicht in der Rechnungeprüfung aufgehalten werde.
Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts Dr. Freiherr von Thielmann:
Meine Herren! Ich bin bereit, dieselbe Erklärung abzugeben, wie sie mein Herr Amtsvorgänger sowohl in der Rechnungekommission, wie in diesem hohen Haufe gegeben hat. Um das Verhältniß noch einmal kurz darzulegen, möchte ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten einige Zeilen aus dem verlesen, was Herr Graf Posadowtly in der Kommission gesagt hat. Mein Herr Amts vorgänger sagte wörtlich: ,
Den Gegenstand der Meinungeverschiedenheit, infolge deren die Entlastung der vorgelegten Rechnungen vom Reichstage bisher bean⸗ standet worden ist, bildet bekanntlich die Frage, ob die auf dem Gebiet der Militärverwaltung ergangenen Allerhöchsten Nieder⸗ schlagungsordres als Erlasse der Kontingentsherren anzusehen und als solche von dem betreffenden Kriege. Minister gegenzuzeichnen sind, oder ob sie sich als Kaiserliche Erlasse darstellen und dem gemäß der Gegenzeichnung des Reichskanzlers bedürfen.
Von der Reichsverwaltung muß an der seither vertretenen Auf⸗ fassung festgehalten werden. Nach dem geltenden Recht bildet zwar die gesammte Landmacht des Reichs ein einheitliches Heer, welches in Krieg und Frieden unter dem Befehl des Kaisers steht; aber die Heeres verwaltung beruht nicht beim Reich, sondern wird von den einzelnen Kontingenten geführt.
Nach dieser Einleitung sagt mein Herr Amte vorgänger: Allerdings fällt dem Reichelanzler, welcher nach der Vor⸗ schrift im Artikel 72 der Reiche verfassung jährlich den gesetz gebenden Faltoren Rechnung zu legen hat, diesen gegenüber die Verantwort⸗
lichkeit für die gesammte Finanzgebahrung zu, mithin auch für die
auf dem Gebiet der Kontingentsverwaltungen erfolgenden Nieder=
schlagungen. Diese Verantwortlichkeit ist aber nicht nothwendiger⸗ weise gerade durch die Gegenzeichnung eines bezüglichen Kaiserlichen
Erlasses zu bethätigen. Sie wird materiell dadurch gewähr-
leistet, daß in jedem einzelnen Falle, in welchem
eine Niederschlagung bei dem Kontingentsherrn nachgesucht werden soll, das Einverständniß des Reichskanzlers herbeigeführt wird, und tritt formell dadurch in die Erscheinung, daß die durch die Allerhöchsten Entschließungen justifizierten Posten in die vom Reichskanzler zur Entlastung vorzulegenden Rechnungen Aufnahme finden. Das ist der wesentliche Inhalt der Erklärung meines Herrn Amts⸗ vorgängertz; ich schließe mich ihm voll an, indem ich hier ausdrücklich erkläre, daß der Reichskanzler sowohl materiell wie formell die Ver⸗ antwortung für die justifizlerenden Kabinetsordres übernimmt.
Der Etat des Rechnungshofes wird angenommen, ebenso der Etat des Reichs⸗Schatzamts, soweit er nicht der Budget⸗ kommission überwiesen ist. ;
Es folgt die zweite Berathung des Gesetzentwurfs über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichts—⸗ barkeit.
Abg. Bgssermgnn (nl) empfiehlt die en bloc-Annahme der Vorlage nach dem Beschlusse der Kommifsion und richtet alsdann folgende beiden Fragen an den Staatssekretär: 1) Wenn Lin Register⸗ richter eine Aktlengesellschaft wegen Nichtigkeit löschen will, ist es dann während der Frist von drei Monaten dieser Gefellschaft gestattet, durch eine Generalpersammlung die Mängel des Statuts zu beseitigen? 2) Wenn eine Aktiengesellschast von dem Registerrichter für nichtig erklärt ist und die Nichtigkeit im Handelsregtfler ein etragen wurde, tritt dann das Liquidationsverfahren des Handelegesetzbuchs ein?
Staatssekretär des Reichs-Justizamts Dr. Nieberding:
Ich glaube erklären zu dürfen, daß die verbündeten Regierungen sich bezüglich der ersten Frage durchaus im Einverständniß mit dem Herrn Vorredner befinden. Die Frist von drei Monaten, welche den Betheiligten gegeben ist, bevor die Löschung eintreten soll, ist gerade mit Rücksicht darauf so weit bemessen, daß denselben die Möglichkeit bleiben soll, die Schäden, welche vorliegen und eventuell zur Löschung führen müßten, in der Zwischenzeit noch zu beseitigen. Die verbündeten Regierungen haben auf dem Standpunkt ge⸗ standen, daß es immerhin eine bedauerliche Nothwendigkeit ist, wenn man zur Löschung einer Gesellschaft im Register schreiten muß. Um dieser bedauerlichen Nothwendigkeit nach Thunlichkeit vorzubeugen, ist eine geräumige Frist gesetzt, in der die Mängel beseitigt werden können, derart, daß nach ihrer Beseitigung der Anlaß fehlt, zur Löschung zu schreiten.
Was die zweite Frage des Herrn Vorredners betrifft, was nach der Löschung bezüglich der Abwickelung der Angelegenheiten der ge⸗ löschten Gesellschaft zu geschehen habe, so kann ich darauf ebenfalls, wie ich glaube, im Einverständniß mit dem Herrn Vorredner, er⸗ widern, daß dann dasjenige Liquidationsverfahren eintritt, welches das Handeltgesetz vorgesehen hat und welches zunächst Vlatz greift nach der Löschung einer Gesellschaft, die auf Antrag erfolgt. Die Bestim⸗ mung des Handelsgesetzbuchs über die Voraussetzung dieses Verfahrens ist so gefaßt, daß sie nicht bloß die Löschung auf Antrag im Auge bat, sondern auch die ex officio vor sich gehenden Löschungen. Bei der Fassung dieser Bestimmung des Handelsgesetzbuchs hatten wir bereits diejenigen Bestimmungen im Auge, welche der Gesetzentwurf, betreffend die freiwillige Gerichtsbarkeit über die ex officio-Löschung enthält.
Es wird also in den Fällen, welche der Herr Vorredner berührt hat, ganz in derselben Weise das Liquidationsverfahren des 9 gesetzbuchs zur Anwendung kommen, welches in den anderen Fällen, wo eine Löschung auf Klage erfolgt ist, Platz. greift.
Die Vorlage wird darauf ohne weitere Debatte an— genommen.
Es folgt die erste Lesung des Gesetzentwurfs zur Er— gänzung der Gesetze, pen ef Postdampfschiffs⸗-Ver⸗ bindungen mit überseeischen Ländern.
Staatssekretär des Reichs⸗Postamts von Podbiels ki: Im Hinblick auf die eingehenden Erörterungen des vorigen Jahres, im Hinblick auf die, wie ich glaube, sehr ausführliche Begründung, die der Gesetzesvorlage beigefügt ist und in Erwartung der wahr— scheinlich umfangreichen Kommissionsberathung glaube ich, daß es einer besonders großen Einführungsrede für diese Vorlage nicht bedürfen wird. Die Vorlage selbst stellt sich dar als eine wesentliche Verbesserung der vorjährigen; denn einerseits finden Sie die Mindestgeschwindigkeit der Dampfer auf 14 Knoten erhöht und andererseits ist im Gesetz⸗ entwurf vorgesehen, daß der Unternehmer diese Geschwindigkeit während der Vertragszeit steigern muß, sofern die Postschiffe der konkurrierenden Nationen zur Entwickelung größerer Schnelligkeit veranlaßt werden sollten.
Ich darf wohl darauf hinweisen, daß zur Zeit auf Grund der — bestehenden Verträge die englischen Postdampfer 13,ů3, die frauzösischen 14 Knoten laufen.
Die Vorlage steht ganz positiv auf dem Boden der Thatsachen; sie hat aber naturgemäß eine erhöhte Bedeutung durch unsere neueren chinesischen Erwerbungen bekommen. Schauen Sie hinaus, so sehen Sie, daß, während innerhalb Deutschlands Grenzen der fried— liche Wettbewerb waltet, draußen der wirthschaftliche Kampf tobt, und in diesem wirthschaftlichen Kampf ist es dem Ringen Deutschlands gelungen, von der vierten auf die zweite Stelle im Waarenumsatz zu gelangen. Sie kennen die Zahlen der letzten Handelsbilanzen und wissen, daß heute noch der Waarenumsatz Englands 12 Milliarden gegen denjenigen von 84 Milliarden Deutsch⸗ lands ist, daß also Deutschland an zweiter Stelle im Umsatze steht. Es ift wohl keine Frage, wir können unseren Waaren— umsatz noch vermehren, wenn es uns gelingt, stärkere Be⸗ ziehungen zu den einzelnen Absatzgebieten zu erreichen. Ich darf Sie erinnern an die Verhandlungen aus Anlaß der ersten Postdampfervorlage im Jahre 1884, wo von mancher Seite aus dem Hause darauf hingewiesen wurde, daß gar keine Veranlassung vorliege, diese Handelsbeziehungen zu erweitern und zu verstärken, weil Deutsch⸗ lands Handel kein Interesse nach Ost⸗Asien hätte, und wo damals Fürst von Bismarck dieser Ansicht energisch entgegentrat und sagte: „Ich bin überzeugt, daß, wenn Sie diese Vorlage bewilligen, die Geschichte den Ausführungen des Herrn Abg. Bamberger Unrecht geben wird“, der gerade darauf hingewiesen hatte, daß Deutschland kein Interesse an der Sache hätte. Zur Zeit genügen die bestehenden Dampferverbindungen
dels⸗
nicht, insbesondere weil die englischen und französischen Dampfer in
9. einem 14tägigen Turnus laufen. Wir müssen infolge dessen auch daran denken, daß wir für unsere Handels und Postbeziehungen gleichhäufige und gleichwerthige Verbindungen schaffen, wie sie für unsere Stellung im Welthandel und im Wettbewerb der Völker unbedingt nothwendig sind. Es besteht wohl kein Zweifel darüber, daß gerade in Ost⸗-A1sien produktivreiche Länder liegen mit einer Bevölkerung, die jedenfalls zum Austausch der Güter
befähigt ist, besser vielleicht wie manche unserer afrikanischen Kolonien. (Hört! hört! links.)
Aus diesem Grunde wird wohl, wie ich glaube, nirgends im Hause ein Widerspruch gegen die beabsichtigte Vermehrung und Ver⸗ besserung unserer Postdampferverbindungen sich erheben, ingt⸗ besondere nachdem es auch der Regierung gelungen ist — ich habe es an dieser Stelle auch besonders hervor⸗ zuheben —, dank der Bereitwilligkeit des Noꝛddeutschen Lloyd, daß die Postdampfer nach Ost.Asien künftig abwechselnd von Bremen und von Hamburg auslaufen und demgemäß unsere beiden großen Dampferunternehmungen, der Lloyd und die Packetfahrt, an der Ausführung dieseg Post⸗Dampferbetriebs sich betheiligen werden. Die in früheren Zeiten ausgesprochene Befürchtung, daß, wenn solche subventionierten Linien beständen, keine neuen Dampfer gebaut, keine neuen Schiffe in die Fahrt eingestellt würden, hat sich nicht bestätigt, und auch, wenn im vorigen Jahre von mancher Seite her Bedenken erhoben wurden, daß bestehende deutsche Linien in ihrem Wettbewerb beschrẽnkt würden, so glaube ich, hat sich allmählich doch die oöffent⸗· liche Meinung dahin abgeklärt, daß das nicht zutreffend ist. Es ift ein ganz bedeutender Unterschied zwischen schnellfahrenden Dampfern, die zu vergleichen sind mit den Schnellzügen auf unseren Eisenbahnen, und einem Frachtdampfer, der an Stelle des Güterzuges tritt; er⸗ fahrungsgemäß wird durch eine schnellere oder bessere Verbindung im Post⸗ und Passagierverkehr auch der Waarenverkehr belebt und gehoben. So hoffen die verbündeten Regierungen, daß das hohe Haus dieser erneuten Vorlage sich freundlich gegenüberstellen wird im Interesse unseres Welthandels, im Interesse des deutschen Absatzes und auch im Interesse der führenden Stellung, welche Deutschland seit langer Zeit im Weltpostverein gehabt hat und hoffentlich sich erhalten wird. (Bravo!)
Abg. Frese fr. Vgg.); Die Postdampfer müssen wegen der schnellen Fahrt und wegen ihrer stärteren Maschinen sowie für den Personenverkehr sehr viel Raum, den andere Schiffe zur Unter⸗ bringung der Ladung verwenden können, für die Kohlen und für die Passagiere verwenden. Deshalb müssen sie eine Subvention erhalten, um ihnen den Dienst zu ermöglichen, den sie im Interesse des Handels und der Industrie zu leisten haben. Von befonderer Beßeutung scheint mir, im Gegensatz zu den Gegnern der Dampfersubvention, der Personenverkehr zu sein. Alle Einrichtungen der deutschen Schiffe und die persönlichen Eigenschaften der Offiziere und Mannschaften werden außerordentlich gelobt, namentlich auch von Ausländern, die unsere Schiffe gern benutzen. Die fremden Völker, welche unsere Schiffe sehen, werden sich sagen: Eine Nation, die so stolje Schiffe herstellen kann, wird auch andere Dinge leisten können. Deuksch— land hat noch in letzter Stunde eine vortreffliche Erwerbung in Ching gemacht. Wir müssen uns jetzt um so mehr rüsten zum Wettkampf, und dazu gehört der deutsche Postdampfer, der denen der Konkurrenten ebenbürtig gemacht werden muß. Die einzelnen „Staaten leisten erhebliche Unterstützungen für ihre üäberseeischen Verbindungen, und zwar bezahlen alle Staaten mit Ausnahmg der Niederlande mehr als. Deutschland. Ser Vertrag mit dem Lloyd ist für das Reich ein überaus glücklicher gewesen. Der Lloyd ist namentlich durch die Einstellung der Schiffe der Barbarossa „Klasse seinen Verpflichtungen vollständig nach= gelommen. Er hat sich mit seinem Schiffsmaterial durch Reubauten auf der Höhe der Zeit erhalten. Die Dampfer sind sogar zum theil schon jetzt über die zugesicherten, Leistungen hinausgegangen. Mit der Steigerung der Leistungen steigen auch die Betrießskosten; gerade die letzte Meile, die Steigerung von 13 auf 14 Knoten für die Stunde, steigert den Kohlenverbrauch. Auch auf dem Meere hat sich die Rothwendigkeit des schnelleren Verkehrs mehr und mehr herausgestellt: das zeigt die Entwickelung des Verkehrs zwischen Deutschland und den Vereinigten Stagten von Norz⸗ Amerika. Der Frachtverkehr wird durch den schnellen Postdampferverkehr garnicht geschädigt. Das Moment der Regelmäßigkeit des schnellen Verkehrs ist von großer Bedeutung. Es stärkt den Zusammenhang der deutschen Kaufleute im Auslande mit der Heimath und bebt ihr Vertrauen, Es ist kein Zweifel, daß die Sibirische Eisenbahn eine starke Annäherung an den Osten, an das nördliche und mittlere Ching erzielen wird. Rußland wird seine Waaren durch Exporttarife begünstigen. Aber der westeuropäische Reisende wird sich schwer ennschließen, diesen Eisenbahnweg in nehmen; er muß erst durch Rußland reisen, muß durch ein Land reisen, dessen Sprache er nicht versteht, und, dessen Paß⸗ und Zoll⸗ wesen nicht gerade verlockend ist. Es liegt eine dringende Auf⸗— forderung vor, für eine schnellere Verbindung zu sorgen. um der Konkurrenz der Sibirischen Bahn für die westeuropãischen Waaren zu begegnen, und es beweist einen weitautschauenden Blick, daß die Re⸗ gicrung für die Postdampfer in Zukunft eine größere Beschleunigung verlangt hat. Es ist außerordentlich wünschengwerth, sehr bald zu einer Vermehrung der Fahrten nach Ost· Asien zu kommen. Hoffentlich würdigen die Mitglieder der Kommission die Bedeutung dieses Um⸗ standes; ich möchte bitten, die Vorlage nicht der Budgetkommission zu überweisen, die außerordentlich belastet zu sein pflegt, sondern einer besonderen Kommission.
Darauf wird die Berathung abgebrochen.
Schluß 5i / Uhr. Nächste Sitzung Mittwoch 2 Uhr Zweite Lesung des Antrages der Sozialdemokraten wegen deg Vereins und Versammlungsrechts; Antrag Müller⸗Waldeck wegen der Kontrole der Versicherungsgesellschaften.)
Preußischer Landtag. Herrenhaus. 3. Sitzung vom 15. Februar 1898.
Der Erste Vize-Präsident Freiherr von Manteuffel eröffnet die Sitzung mit der Mittheilung, daß das Präsidium von Seiner Majestät dem Kaiser und König empfangen worden ist und Allerhöchstdemselben zum Geburtstage am MN. Januar die Glückwünsche des Hauses dargebracht hat.
Das Andenken der verstorbenen Mitglieder Ober⸗Buͤrger⸗ meister Tamms⸗Stralsund und Graf Matuschka von Toppolczan ehrt das Haus in der üblichen Weise.
Auf der Tagesordnung steht die zweite Berathung des aus Anlaß der Hochwasserverheerungen in Schlesien und Brandenburg am Eröffnungstage der laufenden Landtags— session eingebrachten Antrags des Herzogs von Ratibor:
die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, unverzüglich dem Landtage der Monarchie einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch welchen die erforderlichen Mittel bereit gestellt werden, um, zur i n,, wasser kata strophen, die dauernde Verbesserung der Hochwasserabflußverhältnisse einzelnen besonders gefährlicher Privatflüsse der Probinzen Schlesten und Brandenburg durch Regulierung der Flußläufe, Freilegung der Hochwasserabflußprofile, Zurückhaltung bon Hochwasser und Ge⸗ schieben in den Quellgebieten u. dgl. herbeizuführen.
Graf von Pfeil⸗Hausdorf hatte als Amendement folgende Einschaltung hinter dem Worte „Quellgebieten“ be⸗
antragt: forstliche Anschonung entwaldeter Höhen, sowie Verhütung weiterer schädlicher Entwaldungen“
Die Kommission, der diese Anträge überwiesen waren, hat sich nach eingehender Berathung auf folgenden Antrag eeinigt: 3 im Vertrauen, daß die Königliche Staatsregierung mit thun
lichster Beschleunigung alle diejenigen Maßregeln ergreifen wird, welche zur Verhütung künftiger Hochwasserkatastrophen, wie solche im vergangenen Jahre insbesondere in, den Provinzen Schlesien und. Brandenburg eingetreten sind, geeignet erscheinen, sämmtliche vorliegenden Anträge der Königlichen Staatsregierung als Material zu überweisen.
Der Refere nt, Ober Bürgermeister Büchtemann⸗ Görlitz, er⸗ stattet ausführlichen mündlichen Bericht über den Gang der Fom⸗ missionsverhandlungen. Die Kommission habe erkannt, daß sich die Generalisierung des Antrags empfehle, dann aber sich auf den Antrag auf Ueberweisung als Material geeinigt, nachdem sich aus den Er— llärungen der Regierung ergeben habe, daß auf diesem Wege der
weck der Anträge ebenso schnell erreicht werde. Die Regierung abe anerkannt, daß eine Reform des schlesischen Auenrechts Voraug⸗· setzung einer rationellen Regulierung und Unterhaltung der Privatflüsse sei. Für die erstmalige Regulierung werde die Regierung auch finanziell sich ihrer Verpflichtung nicht entziehen; einen Theil müßten die Interessenten tragen. Vor der Bereitstellung der Mittel müßten aber auch die administrativen Fragen klargestellt sein. Mit den Vor— arbeiten gehe die Regierung energisch vor. Für Schlesien werde eventuell ein Spezialgesetz über die Unterhaltung der Privatflüsse vorgelegt werden. . .
Herzog von Ratibor; Aus den Erklärungen der Regierung geht hervor, daß diese die feste Absicht hat, in Schlesien in abseh⸗ barer Zeit auf dem Wege der Gesetzgebung unseren Wünschen ent⸗
egenzukommen. Wenn ich auch meine, daß man mit der einfachen Annahme meines Antrags ebenso vorwärts gekommen wäre, bin ich doch mit dem Kommissionsantrage einverstanden und spreche der Re— . für ihre Zusage noch ausdrücklich meinen Dank aus., Hoffent⸗ ich bleibt die Regierung sich bewußt, daß hier Eile noth thut. Von der Generalisierung des Gedankens können wir uns ja auch nur das Beste für die ganze Monarchie versprechen. Die im anderen Hause gegen die Regierung bei Berathung der Nothstandsvorlage erhobenen Vorwürfe sind unberechtigt; die Regierung hat beantragt, was der Ober Präsident gefordert hat, und dieser hat fich mit gröster Umsicht und Ausdauer über die Verhältnisse zu informieren gesucht und sich der schweren Aufgahe voll und ganz gewachsen gezeigt. ;
Graf von Pückler⸗Burghauß erklärt, daß er den Kom missiong antrag auch annehme, findet aber das Material etwas dürftig. Die technischen Fragen der Regulierung seien zu wenig in den Vordergrund getreten. Man dürfe nicht im Unterlaufe eines Flusses ebenso regulieren wie im Oberlauf und im Quellgebiet. Das Flußbett dürfe nicht durch Bauten eingeengt werden; in dieser Beziehung sei die Anlage von Chausseen längs der Flußufer im Oberlaufe aufs sorgfältigfte dareufhin zu prüfen, ob dadurch dem Flusse genügender Abflußraum bei Hochwasser bleibe. ;
Graf von Mirbach hält die Erhaltung eines genügenden Wald- bestandes für das Entscheidende bei der Bekämpfung der Wasser— kalamitäten. Auch in der Ebene seien langgestreckte Höhenzüge vor— handen, die immer mehr entwaldet würden. Hierauf müsse der Minister sein besonderes Augenmerk richten. Ein Eingriff in das Privateigenthum durch ein einschneidendes Waldschwtzgesetz sei bei der heutigen Lage der Landwirthschaft leider nicht durchführbar, käme auch bei der so vorgeschrittenen Devastation viel zu spär. Der Wieder bewaldung müsse sich die allgemeine Aufmerksamkeit wieder zuwenden.
Herr von Levetzow hofft, daß die Regierung das überwiesene Material mit Vorsicht und mit Schonung der Interessen der An⸗ wohner der unteren Flußläufe benutzen werde. Was bisher bei Wasserkatastrophen geschehen sei, stimme ihn den neuen Anregungen gegenüber recht pessimistisch. Die Regulierung der Gebirgsflüsse und die Beseitigung der Abflaßhindernisse seien Maßregeln, die den ober—⸗ halb Wohnenden helsen, den unterhalb Wohnenden aber zum Ver— derben gereichen. Die Anwohner der mittleren und unteren Oder wüßten davon ein Lied zu singen; stetige Erhöhung des Fluß⸗ bettes und damit stetiges Steigen der Gefahr bei Hochwassern sei die Folge. Die Ufer müßten viel höber, als jetzt gebräuchlich, befestigt werden. Die einseitige Rücksichinahme auf die Schiffahrt bringe den Adjazenten bei den Regulierungsacbeiten den größten Schaden. Eine einheitliche Leitung und Beaufsichtigung der gesammten Wasser⸗ und Strombauperhältnisse nach dem Muster des holländischen Waterstaat würde ein erster Schritt zum Bessern sein. Mit den Thalsperren sollte man auch unter Geldopfern größere Versuche machen. .
Minister für Landwirthschaft z. Freiherr von Hammer⸗ stein:
Ich habe nicht die Absicht, in eine sachliche Debatte einzutreten, weil ich glau be, daß dieselbe augenblicklich zwecklos sein würde. Ich beschränke mich darauf, dem hohen Hause eine kurze Mittheilung zu machen.
Nachdem seit Monaten die Königliche Staatsregierung unter Be⸗ theiligung aller Ressorts die eingehendsten Untersuchungen und Ver⸗ handlungen über diejenigen Mittel angestellt hatte, welche zu ergreifen sein würden, um präventiv gegen die großen Gefahren vorzugehen, welche die schlesischen Gebirgsflüsse regelmäßig wiederkehrend nun seit einer langen Reihe von Jahren herbeigeführt haben, hatte auf heute Morgen Seine Majestät unser Allergnädigster Kaiser und König eine Kronrathesitzung be⸗ fohlen. In dieser Kronrathesitzung ist das Ergebniß der biaher ge— pflogenen Ermittelungen Seiner Majestät vorgelegt worden. Unter Allerhöchster Leitung ist Beschluß darüber gefaßt: einmal, ob es möglich sei, schon dem gegenwärtigen Landtage der Monarchie gesetzliche Unter⸗ lagen zu unterbreiten, besonders ob das vorliegende technische Material genüge, gesetzliche Vorlagen ausreichend zu begründen, um schon in dieser Legislatur Periode einen Beschluß des Landtages über Gewäh⸗ rung von Mitteln jum Ausbau der Gebirgsflüsse und der Oder, über die Feststellnng der Unterhaltungspflicht dessen, was geschaffen werden soll, u. s. w. ausreichend zu begründen, auch um über die beabsichtigten gesetzlichen Maßnahmen eine Berathung und Beschlußnahme des Provinzial⸗LSandtages der Mark Brandenburg und Schlesiens herbeizuführen, die gesetzlich geboten ist. Gegen Ende dieses Monats treten diese Landtage schon jusammen. Es war immerhin zweifelhaft, ob bis dahin die gesetzlichen Vorlagen so gründlich vorbereitet und ausgearbeitet werden konnten, daß man nicht Gefahr lief, von dem einen oder anderen Landtage einen ablehnenden Bescheid zu erhalten. Andererseits glaubte man, daß das bisher vorliegende technische Material noch eine genügende Unterlage für die Entscheidung der Frage nicht gewähre, welche Maßnahmen jum Ausbau der Gebirgsflüsse, auch des Hauptrezipienten, der Oder, jun ergreifen seien. Der Kronrath hat daher beschlossen, einmal das gesammte technische Material im Laufe dieseß Sommers unter Heranziehung aller verfügbaren technischen Kräfte so schleunig wie möglich zu vervollständigen. Zweitens sollen die legislativen Arbeiten, die zum theil schon vorliegen, einer nochmaligen gründlichen Reviston unterwerfen worden.
Drittens soll das gesammelte!
technische Material, das festgestellte legislative Material den Provinzial ⸗ Landtagen für die Mark Brandenburg und Schlesien in einer ad hoe im Herbst zu berufenden Versammlung zur Berathung vorgelegt werden. Nachdem das geschehen ift, soll dann auf Grund aller dieser Verhandlungen dem Landtage der Monarchie im nächsten Winter eine umfassende Vorlage zugehen.
Dabei ist zum Ausdruck gekommen, daß der Staat sich verpflichtet erachtet und gewillt ist, wegen der absonderlichen Verhältnisse mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln auch auf finanziellem Gebiete in größerem Umfang einzugreifen; (Bravo andererseits ist dabei allerdings auch jum Ausdruck gekommen, daß man es für erforderlich hält, daß die betheiligten Provinzen sowohl für den Ausbau größere Opfer bringen, als auch daß die Unter⸗ haltung dessen, was geschaffen wird, durch leistungsfähige Korporationen sichergestellt wird.
Meine Herren, auch ist die Frage der Neuorganisation der Wasserverwaltung in der Spitze und infolge dessen auch in den weiteren Instanzen Gegenstand eingehender Prüfung und Berathung gewesen. Ich bin nicht berechtigt, das Ergebniß dieses Theiles der Berathung jetzt schon zur Kenntniß des hohen Hauses zu bringen. Es wird dies voraussichtlich alsbald geschehen, wie ich glaube und hoffe, den Wünschen entsprechend, die in dieser Beziehung seowohl hier im Hause wie auch im Abgeordnetenhause zu Tage getreten sind.
Bei dieser Sachlage, meine Herren, erübrigt es sich, auf eine sach—⸗ liche Erörterung, zu der eine ganze Reihe sehr interessanter Be— merkungen hier Anlaß gab, meinerseits jetzt einzugehen. Namens der Staatsregierung darf ich erklären, daß die Staatsregierung den ge— stellten Antrag, das gesammte Material, einschließlich des sebr ein⸗ gehenden Vortrags Ihres Herrn Referenten, der Staatsregierung für die weiteren Verhandlungen als Material zu überweisen, aeceptiert. (Bravo!)
Damit schließt die Diskussion. Einstimmig wird der Kommissionsantrag zum Beschluß erhoben.
Schluß gegen 4 Uhr. Nächste Sitzung Mittwoch 2 Uhr. (Gesetzentwürfe, betr. Amtskautionen, Anerbenrecht für West⸗ falen; Petitionen.)
Haus der Abgeordneten. 22. Sitzung vom 15. Februar 1898.
Ueber den ersten Theil der Sitzung ist schon berichtet worden.
Auf der Tagesordnung steht die erste Berathung des Gesetzentwurfs wegen Erhöhung des Grundkapitals der Preußischen Zentralgenossenschaftskasse.
Abg. Richter (fr. Vp): Ich bin ein alter Freund des Genossen⸗ schaftswesens und habe 36 Jahre lang daran mitgearbeitet. Ich habe mit Freuden die Entwickelung des landwirthschaftlichen Genossen⸗ schaftswesens gesehen; um so mebr muß ich warnen, wenn ich sehe, daß die Entwickelang eine falsche Bahn einschlägt. Herr Graw ist ein Bewunderer der Zentralgenossenschaftskasse, er ist Mitglied des Zentralausschusses, also für ihre Geschäftsführung mit verantwortlich. Herr Lückhoff hat trotz aller Sympathie für die Sache im Ganzen Bedenken gegen die Art und Weise der Geschäftsführung. Was über die Zentralgenossenschaftskaßfse mitgetheilt worden ist, ist nicht genügend, um ein klares Bild zu geben. Selbst die Seehand⸗ lung giebt uns alljährlich einen vollständigen Jahresbericht und theilt uns ihre Bilanzen mit. genossenschaftskasse mindestens verlangen. Man sucht die Echöhung des Kapitals zu rechtfertigen auß der großen Zahl von Genossen— schaften, welche sich der Zentralkasse angeschlossen haben. Die Sach⸗ verständigen haben bei der Gründung die Summe von fünf Millionen als ausreichend bezeichnet; sie hatten dabei nicht die erste Arbeit, sondern die ganze Entwickelung vor Augen. Die Zahl der Genossen— schaften hat sich seit der Gründung um 25 9υô erhöht; das würde eine Erhöhung des Grundkapitals um J, also auf 64 Millionen begründen. Es kommt nicht auf die Zahl der Genossen⸗ schaften an, sondern auf den Geschäftsverkehr derselben. Die Kasse bat sich innerlich ganz verändert. Der Zweck der Zentralkasse war, nicht bloß Mittel zur Verfügung zu stellen, sondern auch die über⸗ flüssigen Bestände der Genossenschaften aufzunehmen. Dieser zweite Zweck ist garnicht erfüllt, und daraus entsteht das zunehmende Be— dürfniß nach einer Steigerung des Grundkapitals. Das Grund kapital soll nicht mehr bloß das Rückgrat der Geschäftsführung sein, sondern es soll den ganzen Geschäftsumfang decken. Das ist die
Folge der falschen Zinspolitik, die getrieben wird, des Bestrebens, 1
unabhängig vom Geldmarkt Kredit zu gewähren. Die Schwan kungen des Zinsfußes kann man höchstens in sozialdemokratischen Staaten beseitigen und auch da wohl nicht ganz. Man haͤlt an dem Prinzip des billigen Zinsfußes von 3 o½ fest, mag auf dem Geldmarkt der Zinsfuß auch bis auf 5o/o steigen. Alles drängt sich dazu, Geld aus der Zentralkasse zu erhalten. Dle Zentralkasse ist kein Geschäfts-Institut mehr sondern ein Wohl⸗ thätigkeits⸗Institut; die Mittel eines solchen Instituts sind begrenzt, unbegrenzt aber sind die Ansprüche an ein solches. Man hat es meinem Freunde Schulze Delitzsch verdacht, daß er auf der Selbst—⸗ hilfe bestand und alle Staatshilfe zurückwies. Er hat zuerst auch Kassen gegründet, die billigen Kredit geben sollten; aber diese Kassen sind zu Grunde gegangen. Man hat Staatsgelder herangezogen, man hat Depositen von den kommunalen Sparkassen angenommen; diese Gelder können natürlich jeden Augenblick der Zentralkasse wieder entzogen werden. Die Zentralgenossenschaflskasse stützt sich vorzugsweise auf die Genossenschaften ländlichen Charakters. , n , können unter Landwirthen gebildet werden. Aber Kreditgenossenschaften sollen möglichst viele Berufakreise umfassen. Beli Beschränkung auf einen Berufszweig tritt bei allen Mitgliedern der Geldbedarf zu gleicher Zeit auf und kann nicht ausgeglichen werden. Auch die Verbande kassen leiden unter dieser Einseitigkeit der Unterlage. Bei Geld⸗ überfluß legen diese Kassen ihr Geld in Effekten an, bei Geldmangel müssen sie vielleicht mit Kursverlust verkaufen oder zu böherem Zinsfuß lombardieren, als sie selbst erhalten. Ebenso falsch ist es, die Handwerker allein zu Genosfenschaften zu vereinigen. Denn die Handwerker wollen sich nicht von ihren Konkurrenten in die Karten sehen lassen, und daher haben sich solche Handwerker⸗ genossenschaften auch nicht zahlreich gebildet. Wenn gleichzeitig große Geldansprüche entstehen, so hindert die falsche Zinspolitik die Ein⸗ schränkung der Ansprüche durch Erhöhung des Jinsfußes. Es wird schließlich einfach der Kredit direkt verweigert oder durch strengere Anforderungen erschwert. Wie ist es mit dem Kredit überhaupt bestellt? Darüber erfahren wir nichts, als daß er nicht liquid ist. Wie vertheilen sich die Kreditsummen? Die Rücknahlungen sollen steigen. Das ist doch selbstverständlich, je länger der Geschaͤfts verkehr dauert. Wird nur vorübergehender oder dauernder Kredit gewährt? Man scheint aber nicht bloß Betriebs-, sondern auch Anlagekapital hergegeben zu haben für Molkereien, Brennereien, Getreidespeicher, Zuckerfabriken ze. In der Begründung wird sogar Geld verlangt ür einen Kredit, der noch garnicht beansprucht ist, namentlich zur Lombardierung von Getreide. Solche Spekulationsgeschäfte soll jemand nur für eigene Rechnung, nicht mit Geldern einer Genossen⸗ schaft treiben. Die Privatbank kennt ihre Kunden und prüft ihre Verhältnisse; die Zentralkasse verkehrt eigentlich nur brieflich mit ihren Kunden und jwar in einseitigem Kontokurrentverkehr; es wird viel mehr Geld geholt als zurückgebracht. Die Genossenschafts« verbände haben keine besonderen Kassen; sie brauchen nur Briefmarken
Eine Bilanz könnten wir von der Zentral,
und einen Briefschrank. Die Verbände sind aber nur kreditwürdig
nach der Haftsumme ihrer Genossenschaften, die indeß nur einen sehr
beschränkten Verkehr haben. Die Zentralgenossenschaftskasse hat eine
Treibhaus kultur für Genossenschaften hervorgerufen. Bei den
Schulze'schen Genossenschaften wird dafür , daß dag eigene
Geld zum fremden Geld in ein gewisses Verhaͤltniß . wird.
Unter den 1500 neuen e feng ten sind nach der Ansicht Sach⸗
verständiger 1099 taube Nüsse. Es giebt Genossenschaften darunter,
die überhaupt keine Geschäfte gemacht haben; es sind darunter kleine
lebensunfähige Kafsen. Der Landwirthschafts ⸗Minister hat ja auch in
einem Zirkular gewarnt. Die 1000 Kreditgenossenschaften nach
Schulze haben ihren 560 000 Mitgliedern 1674 Millionen Mark
Kredit gewährt, also 16 mal mehr als die Zentralkasse ihren Ge⸗
nossenschaften in zwei Jahren. Von der Zentralkasse wird
der Kreditnehmer das Geld zu 33 0½ erhalten. Bei den
Schulze'schen Genossenschaften wird das Geld zu 4,95 e aus-
gegeben, dabei erhalten die Mitglieder aber die Dividenden. Das
Durchschnittsdarlehn pro Kopf der Mitglieder beträgt bei den zur
Zentralkasse gehörenden Genossenschaften 47 , der Zintzunterschied
34 , und um dieses Linsengericht schafft man eine . künstliche Vermehrung der Genossenschaften. Man schafft ein Recht auf Kredit. Warum soll dieses Recht beschränkt bleiben auf die selbständigen Produjenten? Warum soll es nicht ausgedehnt werden auf die Arbeiter? Mit solcher Staatshilfe wollte Lassalle die Arbeiter locken. Man hüte sich, solche Gedanken wieder wachzurufen und den 2 zu vermehren, aus dem die sozialistischen Gedanken er⸗ wachsen.
Geheimer Ober⸗Finanz Rath Havenstein: Der Vorredner hat eine ganze Reihe von Angriffen gegen die Zentralgenossenschaftekasse gerichtet, die nicht unerwidert bleiben dürfen. Die Zusammenfassung der Berufsgenossenschaften ist eine wirthschaftliche No˖ctihwendigkeit, und ich bin der letzte, der den Nutzen der Schulze⸗Delitzsch'schen Organisation bestreitet. Diese Genossenschaften sind aber Zentren gewisser Bezirke geworden; sie nützen nicht dem kleinen Bauern, ihr Zinsfuß ist zu kon die Kreditfrist zu kurz. Der Kredit müßte also lokalisiert und die Frist verlängert werden. Die Schulze'schen Genossenschaften konnten den ländlichen Personalkredit nicht genug pflegen, insoweit sie nicht schon länger bestanden und ein eigenes größeres Vermögen besaßen. Die Genossenschaftsbanken konnten nur bankmäßigen Kredit geben. Darum mußte ein neues Institut gegründet werden. Von ihm haben die Schulje'schen Genossenschaften gelernt; sie haben auch den Kredit in letzter Zeit bedeutend herabgesetzt. Wenn auch die Zusammen⸗ fassung von Berufsgenossenschaften manche Schwierigkeiten bietet, so sind sie doch nicht prinzipiell zu verwerfen. Die Zentralkasse wird einen großen Ausgleich zwischen Geldbedarf und Geldüberschuß in er⸗ höhtem Maße herbeiführen. Der preußische Staat hat schon unter Friedrich dem Großen diesen Weg betreten; ich erinnere an die Gründung der Landschaften, ferner an die öffentlichen Leihanstalten, die Gründung der Reichsbank. Die Zentralgenossenschaftskasse hat einen Ausgleich zwischen den einzelnen Verbänden zu Wege gebracht, sie hält auf angemessene Rückzablungen, sie bemißt die Höhe des Kredits nach der Lristungsfähigkeit, sie behält sich vor, den Kredit zu kürzen, wenn die Rückzahlungen nicht pünktlich erfolgen; sie will und wüͤnscht einen gesunden Ausgleich; sie befördert nicht, wie ihr vorgeworfen wird, einen ungesunden Geldverkehr. Man darf nicht vergessen, daß diese Genossenschaften junge Existenzen sind. Gut Ding will Weile hahen, und darum ist es nöthig, ihnen von oben Kredit zu geben durch die Zentralgenossenschaftskasse. Diese muß darauf Werth legen, daß die Verbandskassen ausschließlich mit ihr in Verbindung stehen, und wenn sie das will, so muß sie auch ihren berechtigten Kreditbedürfnissen genügen. Wir wollen auch das Selbstvertrauen und die Salbsthilfe der Genossenschaften stärken, und es liegt der Kasse durchaus fern, den Verbandskassen einen Kredit auf un⸗ gemessene Zeit zu geben. Herr Richter 5 in den Motiven die Bilanz der Zentralkasse. Diese Bilanz steht jeden Augenblick zur Verfügung, und ich bin bereit, jede Frage in der Kommission zu beantworten. Der Zinsfuß der Zentralkasse für die Verbandskassen ist mit 30/0 bemessen; er ist bemessen mit Rücksicht auf die spätere Spannung. Man kann aber der Frage näher treten, ob es sich rechtfertigt., diesen Zinsfuß dauernd zu halten, wenn der Zinsfuß auf dem Geldmarkt sich ändert. Daß die Kredite sicher sind, beruht auf der genossenschaftlichen Organisation mit ihrer weitgehenden Haftung und der Vörsicht bei der Kreditgewährung. Herr Richter befürchtet, daß die Unterstützung der Kornhausgenossen⸗ schaften eine ungesunde Spekulation fördern würde. Das wollen wir nicht; die Kornhausgenossenschaften werden aber doch Geld brauchen, um die erforderlichen Vorschüsse für das eingelegte Getreide zu jahlen. Die 40 Kornhäuser werden ungefähr 3 Millionen brauchen.
Geheimer Ober Regierungs⸗Rath Dr. Hermes: Der Land wirthschafts ⸗Minister hat in seiner Verfügung nur ein Warnungẽ⸗ signal geen wollen. Daß unter Tausenden neuer Genossenschaften sich auch lebengunfähige befinden und sich wieder auflösen, ist felbst= verständlich. Daß aber auf dem Gebiete der landwirthschaftlichen Genossenschaften sich eine Aera ungesunder Gründungen bilde, ist durchaus nicht zu befürchten. Diesen Genossenschaften gehören nicht nur Landwirthe an, sondern auch Pfarrer, Lehrer und Handwerker, sie sind auch über ganz Preußen und das Reich verbreitet, und darum ist ein Ausgleich sehr gut möglich, wenn die Ernteverhältnisse ver—
schieden sind. Abg. Dr. von Woyng (fr. kons.); Ich freue mich, daß Herr Richter wenigstens prinzipiell der Zentralgenossenschaftskaffe das Leben lassen will. Die frische und freie Konkurrenz zwischen der Zentral= genossenschaftskasse und den Schulze'schen Genossenschaften kann nur der ganzen wirthschaftlichen Entwicklung zu gute kommen. Dag Be⸗ dürfniß nach der Erhöhung des Grundkapitals ist in den Motiven hinreichend begründet worden; und man muß den Motiven folgen, wenn man einmal die ganze Sache für richtig hält. Im übrigen bat ja. der Abg. Richter ganz beachtenswerthe Vorschläge gemacht. Auch ich wünsche, daß die Verbände ibrerseits sich angelegen sein lassen, der Zentralgenossenschaftskasse mehr Mittel zuzuführen aus den Ueberschüssen. Die Buchkasse ist keine dankenswerthe Einrichtung, sie wird niemals eine besonders scharfe Kontrole des Kreditbedürfnisses vornehmen. Ich bitte die Tommission, diesem Punkte besondere Auf⸗ merksamkeit zu schenken. Die Schulze'schen Genossenschaften haben wenigstens früher einen zu hohen inn gefordert. Der Geschäfte⸗ verkehr der Sparkasse mit der Zentralkasse ist ein erfreulicher. Aber der Lombardzinsfuß ist im Verhältniß zur Verzinsung der Einlagen viel zu hoch. Vielleicht könnte die Sparkasse organisch an die Zentral⸗ kasse angeschlossen werden durch Königliche Verordnung. Wir werden für eine besondere Kommssion stimmen.
Abg. Freiherr von Hu ene (Zentr.): Bei den persönlichen Be⸗ ziehungen, die ich zur Zentralkasse habe, ist eg erklärlich, daß auch ich ein paar Worte zu der Sache spreche. Ich spreche aber nicht alt Regierungskommlssar. Ich werde in der Kommission die nöthige Aufklärung geben. Es handelt sich hier garnicht um eine Buchkaffe in dem Sinne, wie man es immer darstellt. Ich werde in der Kommission nachweisen, daß die Buchkasse, wie sie wirklich besteht, eine durchaus wohlthätige Einrichtung ist. Sie giebt uns einen Ein⸗ blick in die Geldwirthschaft der einzelnen Genossenschaften. Wir haben statistische Konten für die einzelnen Bezirke eingerichtet und haben uns so eine gute Kontrole über die einzelnen Genossenschaften ge— schaffen. Ver Zinsfuß von 30 ist allerdings nicht vom Stand—⸗ punkt des Bankberkehrs aufgestellt, sondern mit Rücksicht auf das Be— dürfniß der einzelnen Genossenschaften. Die ländlichen und die Hand⸗ werkerkassen können nicht mit einem permanent wechselnden Zinsfuß arbeiten. Unsere ländlichen Kassen sind doch nicht Schulze'sche Klein⸗ banken. Wir nehmen auch lieber 40/0, aber werden uns hüten, damit die ländlichen Kassen zu stören. en Richter sprach von ungefunden Gründungen. Der kalte Wasserstrahl ist schon oft erfolgt und wird hoffentlich gute Wirkungen thun. Redner geht sodann . die
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Richter'schen Rechnungen über die Ergebnisse der Schul ze'schen sen und der Zentralkasse ein und sucht nachzuweisen, daß der Abg. ter sich zu Ungunsten der Zentralkasse verrechnet hat, ebenfo wie in seinen bekannten Darstellungen über den Verlust bei der
Konvertierung der Konsols u. s. w. Wir werden uns freuen,