1898 / 50 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 26 Feb 1898 18:00:01 GMT) scan diff

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Gezahlter Preis für 1 Doppelzentner

Menge

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höchster niedrigster höchster 6 M M60. j.

niedrigster Doppelzentner

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Außerdem wurden am Markttage (Spalte I) nach überschlãäglicher Schätzung verkauft Doppelzentner (Preis unbekannt)

Durchschnitts⸗˖ preis

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Durch⸗ 1Doppel⸗ schnittg⸗ zentner preis

6. 66.

Am vorigen Markttage

. opfingen Mainz.. St. Avold. Demmin Anklam Trebnitz. Breslau

J .

Die verkaufte Menge wird auf volle Doppelzentner und der Verkaufswerth auf volle Mark abgerundet mitgetheilt.

Noch: Hafer. 15,60 15,80 1440 1b, 00

16, 40 1460 1470 1400 13,50 14,00 15.56 14.606 14,60 13, 00

15,09 14,40

1550 1550 13 26 e, 4 13 06

1530

1700 16 05 15.46 156,56 14 66 14.66 14 56 15.656 14.46 14.26

1486 1630 1656 16 56

14,40 13,20 15, 80 16,00 Bem er kungen.

16,40

165,60

18,38 14.36

16,05 14,00 13,64 13,60 13,52 13,52

* 14

13770 1350 15,96 15.89

15,12 14,67

1600 14.26

25.2. 19.2.

Der Durchschnittspreis wird aus den unabgerundeten Zahlen berechnet.

Ein liegender Strich (— in den Spalten fuͤr Preise hat die Bedeutung, daß der betreffende Preis nicht vorgekommen ist; ein Punkt C6.) in den letzten sechs Spalten, daß entsprechender Bericht fehlt.

Deutscher Reichstag. 50. Sitzung vom 25. Februar 1898, 1 Uhr.

Auf der Tagesordnung steht zunächst die zweite Be⸗ rathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Entschädigung der im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochenen Personen.

Die Erwiderung des Staatssekretärs des Reichs⸗Justizamts Dr. Nieberding auf die Ausführungen des Abg. Lenzmann im ersten Theil der Sitzung, über welchen in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet wurde, hatte folgenden Wortlaut:

Meine Herren! Ich bedauere, der Aufforderung, die der Herr Vorredner so dringlich an die Adresse der verbündeten Regierungen gerichtet hat, nicht Folge geben zu können. Ich muß erklären, daß die verbündeten Regierungen auf die Aufrechterhaltung der Vorlage in dem Umfange wenigstens, wie Ihre Kommission sie beschlossen hat, den allergrößten Werth legen, und muß weiter hinzufügen, was auch bereits in der Kommission meinerseits erklärt worden ist, daß, wenn Sie nach Maßgabe des Antrags Auer beschließen und damit die Entschädigungspflicht des Staats für alle Fälle einer Freisprechung ein⸗ führen sollten, nach meiner Ueberzeugung die Vorlage gefallen sein würde. Die verbündeten Regierungen werden sich ich glaube das erklären zu dürfen auf den Weg, den der Herr Abg. Auer ein⸗ schlägt, in keinem Fall einlassen, und das Resultat würde sein, daß nach so langjährigen Bemühungen für einen Fortschritt auf diesem Gebiet wiederum wir bei dem alten Zustand verbleiben würden.

Meine Herren, ich bin gegenüber den Vorwürfen, die der Herr Abg. Lenzmann den verbündeten Regierungen macht, indem er be— hauptet, sie seien mit dem Volksgefühl in dieser Frage nicht in Be⸗ rührung, sie urtheilen nach bureaukratisch gesammelten Erfahrungen, und dasjenige, was die Vorlage enthalte, sei weit entfernt, demjenigen zu entsprechen, was das Volk seinerseits erwartet ich sage, diesen Vorwürfen gegenüber bin ich vollständig beruhigt. Auch wir haben unsere Quellen, die Stimmung des Volkes festzustellen und wenn wir von allem Anderen absehen wollen, meine Herren, so wäre ich dochͥ in der Lage, mich auf die Auffassung des Reichstages selbst zu berufen, dem doch der Herr Abg. Lenzmann nicht absprechen wird, daß er seiner⸗ seits Fühlung mit der Volksseele habe. In der That hat der Reichstag im Jahre 1882 durch seine Kommission, im Jahre 1886 sogar durch das Plenum ausdrücklich festgestellt, daß er es für gerechtfertigt halte, die Entschädigung so zu beschränken, wie es die gegenwärtige Vorlage der Regierung thut. Und wenn auch im Jahre 1882 bei den Kommissions—⸗ berathungen anerkannt wurde, daß in gewissen Fällen über den Rahmen der Vorlage der verbündeten Regierungen hinaus eine Entschädigung noch angebracht sein möge, so wurde doch auch anerkannt, daß keinez⸗ wegs in allen Fällen ein Entschädigungsanspruch nach dieser Seite mit Recht geltend gemacht werden könne. Uns genügt, daß der Reichstag früher sich so ausgesprochen hat, und wir sind über zeugt nach der Aussprache, die hier in der ersten Lesung erfolgt ist, daß der Reichstag uns auch dieses Mal in seiner Mehrheit beitreten wird. Ich weise die Behauptung des Herrn Abg. Lenzmann, als wenn wir mit einer solchen Vorlage das Gefühl des Volkes verletzten und berechtigte Ansprüche nicht erfüllten, ent⸗ schieden zurück.

Wenn der Herr Abg. Lenzmann sich immer auf das Volksgefühl beruft, wie kommt es denn, daß in allen Ländern der kultivierten Welt das Volksgefühl sich bei einer Entschädigung unschuldig Verurtheilter in dem Rahmen, wie unsere Vorlage ihn enthält, beruhigt hat? Ja, wenn das Volksgefühl ein so klares, entschiedenes und dringliches wäre, wie Herr Lenz— mann meint, dann würde es doch Wunder nehmen, daß wir allein in Deutschland noch zurückgeblieben wären, und das nicht erfüllt hätten, was das Volksgefühl verlangt. Nun, überall, mit Ausnahme eines einzigen Landes, ist die Entschädigungspflicht in den Grenzen gehalten, welche wir gezogen haben; und nirgends, soweit ich ver⸗ nommen habe, ist die Behauptung geltend gemacht, als wenn diese Gesetz⸗ gebung mit dem Volkegefühl in Widerspruch gerathen wäre. Das einzige Land ich habe das bei der ersten Lesung der Vorlage schon erwähnt —, welches nach dieser Richtung weiter geht, ist Oesterreich, aber in Desterreich hat man keinen Anspruch von Rechtswegen, sondern nur von Billigkeitswegen. Wenn Sie sich auf diesen österreichischen Standpunkt stellen, dann nimmt die Frage natürlich ein ganz andere Gesicht an.

Der Herr Abg. Lenzmann hat dann ausgeführt, daß man eine Entschädigung schon deshalb in allen Fällen der Freisprechung im Wiederaufnahmeverfahren gewähren müsse, weil durch diese Frei⸗ sprechung ja dargethan wäre, daß das erste Verfahren ein mangelhafteß gewesen sei. In ähnlichen Darlegungen hat sich ja auch der Herr Abg. Munckel bei der ersten Lesung bewegt. Ich bestreite die Richtigkeit dieser Behauptung. Es wird keineswegs in allen Fällen, in welchen im Wiederaufnahmeberfahren elne Frei⸗ sprechung eines Verurtheilten erfolgt, damit anerkannt, daß das Verfahren der ersten Instanz ein mangelhaftes gewesen sei.

Dieses kann durchaus ordnungsgemäß gewesen sein. Es kann

der Fall so gelegen haben, daß ein Wiederaufnahmeverfahren ohne inneren Grund verstattet wurde, und es kann infolge dessen kommen, daß im Wiederaufnahmeverfahren gegen das materielle Recht die Freisprechung des Angeklagten erfolgt. Das kann nicht nur vorkommen, es ist sehr häufig vorgekommen. (Sehr richtig! Der preußische Herr Justiz⸗Minister hat uns vor Jahren bezeugt, daß in den Fällen der Freisprechung, welche im Wiederaufnahmeverfahren erfolgt ist, sehr häufig ich glaube, mich zu erinnern, sogar in den meisten dieser Fälle die Freisprechung erfolgt ist, weil die Beweise, welche im ersten Verfahren erbracht werden konnten, nun nicht mehr vorlagen, sodaß die Freisprechung geschah formell zu Recht, aber materiell zu Unrecht. Da kann der Herr Abg. Lenzmann sich meiner Meinung nach nicht darauf berufen, daß durch das Wiederaufnahmeverfahren, wenn es zur Freisprechung führe, die Mangelhaftigkeit des ersten Verfahrens dar⸗ gethan werde, und noch weniger darauf, daß derjenige, welcher das Glück hat, im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen zu werden, weil die Beweise gegen ihn nicht mehr vorliegen, welche abermals zur Ver⸗ urtheilung hätten führen müssen, obendrein noch eine Entschädigung vom Staat erhalten müsse; im Gegentheil, ich behaupte, daß dies dem Rechts⸗ und Sittlichkeitsgefühl des Volkes widerspricht.

Der Herr Abg. Lenzmann hat nun noch, und das hat auch schon der Herr Abg. Munckel in der ersten Lesung gethan, gegen die Prozedur, welche wir gewählt haben, um diejenigen im Wiederaufnahmeverfahren Freigesprochenen, welche auf Entschädigung keinen Anspruch erheben können, weil ein Theil des Schuldverdachtes sie auch noch nach der Frei⸗ sprechung belastet, zu schonen, den Vorwurf erhoben, daß es künstlich sei, ja, daß es gewissermaßen eine Art Vehmgericht darstelle. Alle diese Versuche, das vorgeschlagene Verfahren ins Komische zu ziehen, lasse ich auf sich beruhen; ich glaube, ich darf sie der Würdigung des hohen Hauses ruhig überlassen. Es wird in Fällen der hier fraglichen Art von seiten des Gerichtshofes nicht anders verfahren, als in vielen anderen Fällen des ganzen Aufnahme⸗ verfahrens, und wenn dies Verfahren hier mit Ausdrücken wie Vehmgericht bezeichnet wird, so glaube ich, bedarf das keiner Wider⸗ legung.

Ich gebe ja vollständig zu, daß das Verfahren nicht so durch⸗ sichtig und einfach ist, wie wir an und fGr sich es gestaltet zu sehen wünschten; aber Ihre Kommission hat anerkennen müssen, daß es eben nicht möglich ist, es anders zu gestalten, so lange wir das Wiederaufnahmeverfahren in den Grenzen lassen, in denen es augenblicklich besteht. Wollen Sie ein einfacheres Verfahren für die Entschädigung der Frei⸗ gesprochenen einführen, dann müssen Sie das Wiederaufnahme⸗ verfahren überhaupt beschränken. So lange Sie das nicht thun, bleibt kein anderer Weg, als eine Entschädigung überhaupt nicht zu gewähren oder die Entschädigung zu gewähren auf dem Wege, den wir Ihnen vorgeschlagen haben. Ich bin überzeugt, daß, wenn Sie den von uns vorgeschlagenen Weg wählen, Sie damit dem Volksgefühl gegenüber das Ihrige gethan haben werden, und daß keineswegs im Volk der Vor⸗ wurf erhoben werden wird, als sei dasjenige, was das Gesetz gewährt, hinter dem zurückgeblieben, was Recht und Billigkeit auch ver⸗ langen können.

Ich bitte Sie also, lassen Sie es bei der Vorlage, und lehnen Sie den von dem Herrn Abg. Lenzmann befürworteten Antrag ab! (Bravo!)

Nach den Abgg. Roeren (Zentr.), Dr. von Buchka (d. kons.), Boltz (nk.), Muncckel fr. Volksp.) und dem Wirk⸗ lichen Geheimen Ober⸗Regierungs⸗Rath von Lenthe nimmt das Wort der

Abg. Dr. Rintelen (Zentr.), welcher erklärt, er halte den durch den Kommissionsbeschluß gewährten Entschädigungsanspruch nicht für ausreichend und werde gegen die Vorlage stimmen.

Abg. Haase (Soz.) verwirft den Standpunkt derjenigen, welche, um doch etwas zu stande zu bringen, sich der Vorlage anbequemen wollten; hier komme alles auf das Prinzip an. Man sollte dem ent⸗ sprechend einmal die Entschädigung jedem Freigesprochenen zusprechen, ferner die grobe Fahrlässigkeit! als Ausschließungsgrund beseitigen und schließlich auch die Entschädigung für unschuldig erlittene Unter⸗ suchungshaft einführen. Nur einem so umgestalteten § 1 könne die sozialdemokratische Partei zustimmen. Die Kommissionssassung schaffe keineswegs eine Verbesserung, zumal wenn man beachte, daß das K nicht mit genügenden Garantien um⸗ geben sei.

Wirklicher Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath von Lenthe: Meine Herren! Ich will mich mit dem Herrn Vorredner nicht in einen Streit darüber einlassen, ob die Aenderung des bestehenden Rechtszustandes nur aus Billigkeitsgründen gefordert werden kann, oder ob etwa nach Analogien anderer Verhältnisse es als eine recht- liche ,, . erscheint, daß man ein solches neues Gesetz, welches die Entschädigungspflicht der Staatskasse für die im Wieder⸗ aafnahmeverfahren freigesprochenen Personen in unser Recht ein—⸗ führt eine Thatsache ist jedenfalls, daß jur Zeit ein Rechtssatz, der eine solche Entschädigungspflicht der Staatskasse begründet, nicht besteht. Bestände ein solcher ate ef, so würde ja eben die Einführung eines solchen Gesetzes unnöthig sein. Der Herr Vorredner hat gemeint, man müßte dem Gesetzentwurf, wie er jetzt vorliegt, aus allen Kräften widersprechen, weil die Hoffnung, daß demnächst noch etwas Besseres erreicht werden könne, eine geringere würde, wenn man sich eben auf die Annahme

Gestalt angenommen Dagegen bin ich mit dem Herrn Vorredner der Meinung, daß, wenn dieser Entwurf abgelehnt wird, nicht zu erwarten ist, daß seitens der verbündeten Regierungen ein anderer Entwurf vorgelegt werden wird, durch welchen jedem im Wiederaufnahmeverfahren Frei⸗ gesprochenen Entschädigung gewährt wird. Wenn der 4 Vorredner glaubt, daß eine el ftr mn, von solcher Stärke hervortreten wüärde, um die verbündeten Regierungen zu einer Aenderung ihres Standpunktes zu bewegen, so beruht das doch, glaube ich, auf einer Ueberschätzung, (hört! hört l), die er der Bedeutung seiner eigenen Partei beilegt. Von den verbündeten Regierungen wird die Ansicht vertreten, daß man im Volke nicht weiterzugehen wünscht, als es in dieser Vorlage geschehen ist. Wenn dann der Herr Abgeordnete sich auf die Aeußerung eines Herrn aus der Zentrumspartei beruft, des Herrn Abgeordneten Roeren, der ausgesprochen haben soll, es schiene ihm das Konsequenteste und Richtigste, wenn die Entschädigung jedem Freigesprochenen gegeben würde, so beruht das doch, glaube ich, auf einem Mißverständniß. Der Herr Abg. Roeren will, wenn ich seine Ausführung in der Kommission und hier recht verstanden habe, nicht jedem Frei⸗ gesprochenen die Entschädigung gewähren, sondern will dies nur unter der Voraussetzung, daß das Wiederaufnahme⸗ verfahren in der Weise beschränkt wird, daß dadurch die nöthigen Garantien gegeben werden. Ich glaube, der Herr Abg. Roeren würde sich also dem Standpunkt anschließen, den der Herr Abg. Rintelen vertritt. Hier ist heute wiederholt hervorgehoben worden, daß die Vorlage das unerwünschte Ergebniß herbeiführe, daß dadurch zwei Klassen Freigesprochener geschaffen würden, und daß in gewisser Beziehung das alte Uebel der absolutio ab instantia wieder eingeführt würde. Ich habe vorhin ja schon zugegeben, daß, wenn das Wiederaufnahmeverfahren die genügenden Garantien böte, es das Er⸗ wünschteste sein würde, daß man ohne weiteres jedem im Wieder⸗ aufnahmeverfahren Freigesprochenen die Entschädigung gewähren könnte; aber ich glaube, daß doch die Besorgniß vor den Folgen, welche die Schaffung von zwei Klassen Freigesprochener haben würde, etwas übertrieben ist. Von einer Wiedereinführung der absolutio ab instantia kann unter keinen Umständen die Rede sein. Die Bedeutung dieser Einrichtung war die, daß der im Strafverfahren Freigesprochene jederzeit, auch ohne daß neue Gründe hervortraten, von neuem wieder in Untersuchung gezogen werden konnte. Davon ist nicht die Rede. Es wird nach wie vor mit der erfolgten Freisprechung eine endgültige Erledigung der Sache herbeigeführt. Wenn nun jetzt im Entwurf, der insoweit von Ihrer Kommission gebilligt ist, vorgeschlagen wird, daß über die Frage, ob eine Entschädigung zu gewähren ist oder nicht, nicht im Urtheile selbst, sondern in einem dem Be⸗ treffenden besonders zuzustellenden Beschluß entschieden werden soll, so hat man damit allerdings vermeiden wollen, daß aus dem Urtheil selbst hervorgehe, ob der Freigesprochene zu der einen oder anderen Kategorie von Freigesprochenen gehört; aber von einer besonderen Geheimnißthuerei ist dabei keine Rede. Es soll nur äußerlich nicht sofort zur Erscheinung gebracht werden, daß man berhaupt zwei Kategorien Freigesprochener hätte; das Urtheil sell sich auf die Frage, ob der Angeklagte freizusprechen, beschränken. Die Entscheidung, welche in dem besonders zuzustellenden Beschlusse ergeht und welche von ganz denselben Richtern gegeben wird, bietet dieselben Garantien, als ob sie im Urtheil enthalten wären. Ich laube, es kann aus diesem Grunde daher ein Widerspruch gegen die . nicht erhoben werden.

Abg. Roeren erklärt, er sähe es auch lieber, wenn alle Frei— gesprochenen die Entschädigung bekämen; aber der kleine Rest, der nach der Kommissionsfassung ausgeschlossen bleibe, könne ihn nicht veranlassen, durch Zustimmung zu dem Antrag Auer das ganze Gesetz in Gefahr zu bringen.

Damit schließt die Diskussion. .

Der Antrag des Abg. Auer (Soz.) auf Streichung des Passus, welcher von dem Nachweis der Unschuld des An⸗ ö bezw. von dem Fortfall der Verdachtsgründe handelt, wird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und einiger freisinnigen und Zentrumsmitglieder abgelehnt.

Abg. Singer (Soz.) bezweifelt vor der weiteren Abstimmung die Beschlußfähigkeit des Hauses.

Dieser Zweifel wird vom Präsidenten als begründet erklärt und die Beschlußunfähigkeit konstatiert. Die Sitzung muß abgebrochen werden.

Der Präsident setzt die nächste Sitzung auf 3 Uhr 10 Minuten an.

Schluß 2 Uhr 50 Minuten.

51. Sitzung vom 25. Februar 1898, 31, Uhr.

Auf der Tagesordnung steht die zweite Berathung der von dem Abg. Dr. Rintelen und den Abgg. Lenzmann und Munckel eingebrachten Ge 5 welche die Wiederaufnahme der früheren B gif des Hauses wegen Abänderung des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Strafprozeßordnung bezwecken. Die beiden Anträge weichen in einer Reihe von Einzelheiten von einander ab.

Auf Vorschlag des Abg. Dr. von Buchka (d. u wird die Erörterung begonnen mit § 77 des Gerichtsverfassungs⸗ gesetzes, der über die Besetzung der Strafkammern Be⸗ stimmung trifft.

Nach dem bestehenden Gesetz entscheiden die Landgerichts⸗ kammern in der Besetzung von drei Mitgliedern mit Einschluß des Vorsitzenden. Die Sirafkammern sind in der Hauptver⸗ handlung mit 5 Mitgliedern, in der Berufungsinstanz bei Uebertrefungen und in den Fällen der Privatklage aber mit 3 Mitgliedern einschließlich des Vorsitzenden zu besetzen.

Nach dem Antrage des Abg. Dr. Rintelen, der die Be⸗ rufung gegen die Strafkammerurtheile aufgenommen hat, sollen die Strafkammern in der Besetzung mit fünf Mitglie⸗ dern entscheiden in der Hauptverhandlung, wenn Verbrechen mit Ausnahme solcher strafbaren Handlungen, welche nur des⸗ halb als Verbrechen sich darstellen, weil sie im Rückfall be⸗

angen sind, den Gegenstand der Untersuchung bilden, sowie n der Berufungsinstanz bei Vergehen mit Ausnahme der Privatklage.

Abg. Dr. von Buchka (d. kons) beantragt folgende Fasfung des 5 77: „Die Kammern entscheiden in der Besetzung von 3 Mitgliedern mit Einschluß des Vorsitzenden. Die Straf⸗ kammern sind für die Hauptverhandlung in der Berufungginstanz bei Vergehen außer den Fällen der Privatklage mit 5 Mitgliedern ein⸗ schließlich des Vorsitzenden zu besetzen. Redner bittet um die An— nahme dieses Antrags, da die verbündeten Regierungen sich s. 3. aus⸗ drücklich gegen den von dem Antrag Rintelen aufgenommenen früheren Beschluß des Hauses ausgesprochen hätten und kein Umstand auf eine Veränderung in ihrer Stellungnahme schließen lasse. Werde sein An⸗ trag abgelehnt und der Antrag Rintelen angenommen, so werde er, wenn die Regierung sich nicht aͤußere, an der weiteren aussichtslosen Berathung sich nicht betheiligen.

Abg. Dr. Pieschel (ul.) spricht sich für den Antrag Rintelen aus.

Abg. Dr. Rintelen (Zentr) ist der Meinung, daß die Regie⸗ rung seinem Antrage ernsthaften Widerstand nicht mehr entgegensetzen könne. An einem Mangel an Richterpersonal werde die Durchführung des Antrages nicht mehr scheitern. Es müsse ein Weg geschaffen werden, auf dem beide Theile sich entgegenkommen könnten. Auch die Frei⸗ sinnigen müßten dafür stimmen, wenn ihnen am Zustandekommen der Berufung etwas gelegen sei.

Abg. Lenz mann lf. Volksp.) spricht sein Bedauern darüber aus, daß die verbündeten Regierungen zu den einzelnen, hier in Be—⸗ tracht kommenden Fragen keine feste Stellung genommen hätten und auch jetz zu nehmen nicht geneigt schienen. So lange aber keine Meinungtzäußerung erfolge, habe man keine Ursache, von der wohl⸗ erwogenen Ueberzengung irgend etwas zu opfern. Für das Dreimänner⸗ Kollegium mit Einstimmigkeit habe er sich ja schon früher erklärt; es komme aber nicht auf seine persönliche Ueberjeugung an, sondern die verbündeten Regierungen seien dem Hause den Beweis schuldig, daß nach Einführnng der Berufung die fünf Richter der Strafkammer nicht mehr nöthig wären, sondern auch drei Männer genügten. Mit der Personal⸗ und namentlich mit der Kostenfrage dürfe man solche Fragen nicht abthun. Solange der Bundesrath schweige, müßten die if . des Fünf⸗Richter⸗Kollegiums bei dem bisherigen gesetzlichen

ustande verharren.

Staatssekretär des Reichs-Justizamts Dr. Nieberding:

Wenn der Herr Abg. Lenzmann der Erwartung Ausdruck gegeben hat, daß ich ermächtigt sein würde, namens der verbündeten Regierungen hier Erklärungen abzugeben, so muß ich ihn zu meinem Bedauern in seinen Erwartungen täuschen. (Hört! hört! Oh! oh!) Ich bin nicht in der Lage, namens der verbündeten Regierungen hier irgend etwas zu erklären. Wenn Vertreter des Reichs ⸗Justizamts heute hier erschienen sind, so geschieht das aus erklärlichem Interesse an der Sache und in dem lebhaften Wunsche, soweit es in unserer Macht ist, durch thatsächliche Aufklärungen Ihre Verhandlungen zu unterstützen. Aber nach irgend einer Richtung für oder gegen die hier vorliegenden Anträge Stellung zu nehmen, bin ich nicht in der Lage. Ich bin deshalb auch nicht im stande, den Glauben, den der Herr Abg. Dr. Rintelen in seinem Vortrage aussprach, irgendwie entweder zu bekräftigen oder zu entkräften. (Hört! hört) Ich muß die von ihm aufgeworfene Frage ganz dahingestellt sein lassen.

Diese Stellungnahme der Regierungen ist ja eine ganz erklär⸗ liche, und Herr Lenzmann sagte vorhin ja selbst, gegenüber einem Initiativantrag, wie er hier vorliegt, sei seitens der Regierungen irgend eine bindende Aeußerung nicht zu erwarten. Das hohe Haus weiß, daß es feststehende Regel ist, welche der Bundesrath beachtet, in Fragen dieser Art, Fragen, die aus der Initiative des Hauses zur Diskussion ge— bracht werden, keine Erklärung vor der dritten Lesung abzugeben. (Zuruf) Ich weiß im Augenblick nicht, wie es mit dem Antrag Kanitz liegt. Ich sage nur: wenn Ausnahmen vorgekommen sind ich habe von einer feststehenden Regel gesprochen, und beim Bundesrath werden Regeln wobl ebenso gut Ausnahmen finden, wie anderßwo auf der Welt; ich bleibe aber dabei, daß die Regel dahin geht, daß auf Initiativanträge eine Erklärung seitens der Regierungen im Laufe der Berathungen nicht abgegeben wird. Wenn bel irgend einer Gelegenheit kein Anlaß vorliegt, den Regierungen aus dieser Haltung einen Vorwurf zu machen, so ist es, meine ich, hier so. Die Regierungen haben die Vorlage, welche vor 2 Jahren scheiterte, zweimal im Reichstage eingebracht. Als das erste Mal trotz der lebhaften Bemühungen der Regierungsvertreter die Vorlage nicht zur Verabschiedung kam, haben sie nicht gezögert, in der nächsten Session die Vorlage wieder einzubringen. Als die Kommissionsverhandlungen in der neuen Session sich so hinjogen, daß wiederum keine Aussicht bestand, die Sache bald zum Abschluß zu bringen, erklärten sich die Regierungen damit einverstanden, im Interesse der Vorlage die Session nicht zu schließen, sondern nur zu vertagen. Als nach der Vertagung im Herbst die Verhand⸗ lungen wieder aufgenommen wurden, habe ich, nachdem ich bereits im Sommer namens der Regierungen mein Möglichstes gethan hatte, innerhalb der Kommission eine Klärung über die definitive Stellungnahme der Regierungen zu schaffen, Veranlassung genommen, im Kreise der verschiedenen Parteien meine Erklärungen vom Sommer zu bekräftigen und damit doch einigermaßen die Stellung der Re—⸗ glerungen für die Abstimmung im Hause erkennbar zu stellen. Aber das alles hat nichts gefruchtet. Sie sind über die damaligen Erklärungen ruhig hinweggegangen und haben eine Stellung genommen, die uns nöthigte, zu erklären, daß wir auf die weitere Berathung der Vorlage verzichteten. Diese Haltung der Regierungen in drei aufeinanderfolgenden Sessionen materiell bestand ja die zweite Session aus jwei Sessionen muß, glaube ich, die Regierungen gegen jeden Vorwurf schützen, als wenn sie es bei der Sache nicht ernst gemeint hätten.

Wir können übrigens auch jetzt garnicht übersehen, wie sich das Ergebniß der Verhandlungen gestalten wird. Herr Dr. von Buchka hob vorber mit vollem Recht hervor, daß neben dem einen Differenzpunkt, welcher jetzt jur Verhandlung steht,

zwischen Regierung und Reichstag noch eine Anzahl anderer wichtiger Punkte, welche die Anträge enthalten, streitig sind, und über die wir noch immer nicht die Ansicht des Hauses kennen. Es wäre vielleicht eine andere Sache, wenn es sich bloß um einen einzigen Differenzpunkt handelte. Das ist aber durchaus nicht der Fall. Die Vorlage ist durchzogen von Zweifelspunkten, denen gegen⸗ über die Regierung vor zwei Jahren wohl ihre Stellung genommen hat, während das Haus diese Stellung außer Acht ließ und eine entgegengesetzte Stellung einnahm. Da sollen jetzt die verbündeten Regierungen ohne weiteres wieder ihre Auffassung dem Hause doku⸗ mentieren, ohne zu wissen, wie das Haus selbst diese Initiatip⸗ anträge aufnehmen wird? Das können Sie wirklich von ihnen nach allem, was vorgegangen, nicht verlangen. Ich wieder⸗ hole: ich werde auch im weiteren Verlaufe der Verhandlungen nicht in der Lage sein, namens der verbündeten Regterungen irgend etwas Verbindendes zu erklären, wenngleich wir, soweit die Verhand⸗ lungen Gelegenheit dazu bieten, gerne bereit sein werden, Sie bei der Diskussion zu unterstätzen. Dazu sind wir hier erschienen, zu nichts Weiterem.

Wenn der Herr Abg. Lenzmann der Regierung aber borhin den Vorwurf gemacht hat, daß sie in der Frage, die jetzt zur Debatte steht, sich ausschließlich von finanziellen Gesichtspunkten habe leiten lassen, so muß ich dagegen doch ein Wort sagen. Den Vorwurf, daß bei dieser Frage für die Haltung der verbündeten Regierungen finanzielle Erwägungen maßgebend gewesen seien, indem die Verände⸗ rungen der Organisation, die eventuell erforderlich sein würden, mit zu hohen Aufwendungen verknüpft sein würden, muß ich zurückweisen. Der Vorwurf ist schon in den Verhandlungen der letzten Jahre wiederholt aufgetreten. Er hatte einen gewissen, aber doch nur äußer⸗ lichen Anhaltpunkt darin gefunden ein Anlaß, der natürlich von den Herren Rednern, die gegen die Regierung sprachen, mit Leb⸗ haftigkeit aufgenommen wurde —, daß ein Vertreter der Königlich sächsischen Regierung hier die Höhe der Kosten bezifferte, die annähernd aus den in Aussicht genommenen Reorganisationen für Sachsen zu erwarten sein würden. Damals hat nun der preußische Herr Justiz-⸗Minister selbst hier im Hause erklärt, daß es der preußischen Regierung durchaus fern liege, finanzielle Gesichtspunkte für ihre Haltung entscheiden zu lassen. Als am 14. Dezember 1896 hier die Frage zur Verhandlung stand, die auch heute wieder vorliegt, wie die Gerichte besetzt sein sollen, mit 3 oder 5 Richtern, da habe ich nicht nur im Namen der verbündeten Regierungen die Unterstellung, als wenn für ihre Haltung finanzielle Gesichtspunkte entscheidend seien, bestimmt bestritten, sondern ich habe in einem ausführlichen Vortrag vor diesem hohen Hause die Gesichtspunkte dargelegt, die für uns entscheidend seien, um die damaligen Anträge nicht zu acceptieren. Wenn der Herr Abgeordnete Lenzmann dieser Erklärungen ungeachtet heute wiederum zu dem Vorwurf anders kann ich es nicht nennen zurückkommt, dann haben wir überhaupt auf Glauben bei dem geehrten Herrn nicht mehr zu rechnen. Da muß ich verzichten, in dieser Frage mich mit ihm auseinanderzusetzen. Ich hoffe aber, das hohe Haus wird den Erklärungen, die der preußische Herr Justiz⸗Minister hier abgegeben hat, denen ich mich angeschlossen habe, mehr Glauben schenken, als er. (Bravo! rechts.)

Abg. Haase (Soz.) erklärt, daß nach Ansicht der Sozial⸗ demokraten die Rechtsgarantien für den Angeklagten viel zu gering seien. Seine Partei lege den Hauptnachdruck auf die Verbesserung des Vorverfahrens und des Untersuchungsverfahrens. Dennoch würde sie für die Anträge stimmen, soweit diese eine Verbesserung des bis⸗ herigen Zustandes brächten.

Abg. Graf von Bernstorff (Rp.) erklärt sich bereit, bei der Wichtigkeit der Sache die Hand zu einem Kompromiß zu bieten. Aus praktischen Gründen habe er den Vermittelungsantrag Rintelen unterstützt, er hoffe aber, daß, wenn dieser angenommen werde, man Gelegenheit haben werde, zwischen der zweiten und dritten Lesung die Stellung der Regierung kennen zu lernen, und daß man dann in dritter Lesung sich vielleicht doch auf den Buchka'schen Antrag ver⸗ einigen werde.

Abg. Schmidt ⸗Warburg (Zentr.) stellt gegenüber dem Abg. Lenzmann fest, daß nicht das ganze Zentrum den Antrag Rintelen unterschrieben habe, dafür aber eine Anzahl Mitglieder aus anderen Parteien. Der Antrag sei auch keineswegs der frühere Kommissions⸗ beschluß, sondern decke sich wörtlich mit einem von ihm (Redner) s. 8. gestellten Eventualantrag. Einigermaßen aber fange doch auch Herr Lenzmann an, sich zum Fünf⸗Richter⸗Kollegium zu bekehren. Hätte Herr Lenzmann nicht s. Z. mit der Parole „Berufung um jeden Preis“ alles darangeben wollen, so waͤre man jetzt weiter. Da der Regierung nicht viel daran gelegen scheine, sie sich auch mit erneuten Erwägungen nicht beeilt habe, so wäre es unklug, sich aufs Ungewisse zu Opfern zu verstehen, die vielleicht aceeptiert würden, ohne daß die Wünsche des Reichstages bezüglich der Besetzung der Strafkammern Erhörung fänden.

Staatssekretär des Reichs⸗Justizamts Dr. Nieberding:

Meine Herren! Der Herr Vorredner hat mir einen Vorwurf darauß gemacht, daß ich, obwohl schon so lange Zeit in Kenntniß dieses Antrages, dennoch das Meinige nicht gethan hätte, um eine Stellung nahme der verbündeten Regierungen herbetzuführen, die mich ermächtigte, hier zu dem Antrage Erklärungen abzugeben. Der Herr Vorredner scheint dabei von der Ansicht auszugehen, als wenn es bloß einer An⸗ regung von meiner Seite bedürfte, um die verbündeten Regierungen zu einer Stellungnahme zu bestimmen. Da überschätzi er doch meine Stellung und meinen Einfluß bedeutend. Er weiß ja auch überhaupt nicht, ob ich nicht vielleicht den Versuch gemacht habe, fest⸗ zustellen, wie weit die verbündeten Regierungen geneigt sein würden, in der Sache gleich im voraus Stellung zu nehmen. Daß eine sehr große Neigung nach dieser Richtung hin nicht vorhanden sein konnte, das habe ich bereits dem Herrn Abg. Lenzmann gegenüber hervorgehoben, das konnte sich auch jeder denken; aber ob meinerseits nicht das Nöthige geschehen ist, die Sache zur Erwägung der verbündeten Regierungen ju bringen, das weiß der Herr Abgeordnete nicht, und ich muß deshalb ablehnen, wenn mir ein Vorwurf gemacht wird, als ob ich zum Nachtheil des Antrages das mir Obliegende in der Sache nicht gethan hätte.

Wag die Stellung der verbündeten Regierungen diesen beiden An⸗ trägen gegenüber betrifft, von welchen der Herr Vorredner sprach, so habe ich mehrmals in den früheren Verhandlungen Gelegenheit gehabt und von dieser Gelegenheit reichlichen Gebrauch ge⸗ macht, um die Herren darauf hinzuweisen, daß im Schoß den verbündeten Regierungen keineswegs allseitige Uebereinstimmung in dieser Sache besteht, und den Herren ans Heri gelegt, sie möchten nicht ju viel verlangen, wenn sie die Widerstände, die im Schoße der verbündeten Regierungen vorhanden sind, nicht stärken wollten.

Damalg hat man auf meine Warnungen nicht geachtet. Daß in

zwischen diese Widerstände bei den Reglerungen geringer geworden sein sollten, das anzunehmen werden Sie kaum einen Grund haben, und Sie werden sich daraus, und nicht aus einer Säumniß von meiner Seite sehr wohl erklären können, wenn die verbündeten Regierungen in der Sache vorläufig noch, wie es ihr Recht, Zurückhaltung beobachten.

Abg. Beckh (fr. Volksp.): Dann müssen wir unsere Vorwürfe also direkt an die verbündeten Regierungen richten. Warum will man die Sache nicht wenigstens in Erwägung ziehen? Ist doch in dem Entwurf der Militär- Strafprozeßordnung die Berufung enthalten. Jetzt weiß niemand, wie er sich zu der Sache stellen soll. Unter diesen Ümständen kann ich auch dem Antrag Rintelen, dem ich persönlich nicht abgeneigt gewesen wäre, nicht zustimmen.

bg. von Kardorff (Rp.): Die Unterzeichner des Antrags Rintelen sind keineswegs alle mit allen Einzelheiten desselben ein⸗ verstanden, sondern wollken z. B. die hochwichtige Frage der Berufung

wieder zur Verhandlung stellen. . Dr. Spahn (Zentr.): Dem Antrag Rintelen wird die

Regierung nach der Erklaäͤrung des Staatssekretärs sicher ein Nein entgegenfetzen. Unter diesen Umständen ist es doch ganz ungerecht- fertigt, dem Haufe, welches J. 3. mit so großer Mehrheit für die fünf Richter eingetreten ist, bei der heutigen schwachen Besetzung zu⸗ zumuthen, einen entgegengesetzten Beschluß zu fassen.

Abg. Dr. gon ö konstatiert, daß seine deutsch konservativen Freunde, fowelt sie den Antrag Rintelen unterschriehen hätten, dies nur auß dem gleichen Motiv wie der Abg. von Kardorff gethan hätten und für seinen Antrag stimmen würden.

Abg. Lenzmann:; Die heutige Debatte ergiebt doch wenigstens die Feststellung, daß die verbündeten Regierungen auch einem zur Nachgiebigkeit geneigten Hause gegenüber aus ihrer Reserve nicht heraus zutreten ir sind. Gegen den Vorwurf des Abg. Schmidt⸗ Warburg muß ich mich entschieden verwahren.

Abg. Dr. Rinteten erklärt, er halte es keineswegs für dar- ethan, daß die Erklärung des Staatesekretärs so bestimmt gegen einen Antrag zu deuten waͤre, wie der Abg. Spahn belaupte. Auch der Abg. Spahn möge bedenken, daß . Mensch und jede Korpo⸗ ration fich irren könne. Die Möglichkeit sei gegeben, daß die Re⸗ gierung auf die Forderung der funf Richter eingehen würde, wenn diese nur die Verbrechen jur Aburthellung erhalten sollten. Es sei ihm um die Sache der Berufung zu thun; im politischen Leben komme es nicht auf starres Festhalten an einmal gefaßten Ideen an.

Damit schließt die Diskussion. Vor der Abstimmung be⸗ zweifelt Abg. Dr. von Buchka die Beschlußfähigkeit des Hauses. Da das Bureau den Zweifel theilt les sind etwa 40 Abgeordnete anwesend), so wird die Beschlußunfähigkeit konstatiert und die Sitzung abgebrochen.

Schluß 45 Uhr. Rächste Sitzung Montag 2 Uhr- (Etat des Reichs⸗Eisenbahnamts.)

Preußzischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 31. Sitzung vom 25. Februar 1898.

Ueber den ersten Theil der Debatte ist schon berichtet

worden. Die zweite Berathung des Staatzshaushalts⸗

Etats für 1898/99 wird im Ekat des Minifteriums für und Gewerbe bei dem Titel „Gehalt des

. inister s“ fortgesetzt.

Minister für Handel und Gewerbe Brefeld:

Meine Herren! Ich kann dem Herrn Vorredner nur dankbar sein für die allgemeine wohlwollende Beurtheilung des Etats, ing⸗= besondere desjenigen Theiles des Etats, der sich auf die Mittel für das gewerbliche Fachschulwesen bezieht. Ich glaube auch in der That, daß der Herr Vorredner alle Ursache hat, mit dem vorläufigen Ergebniß seiner verdienstvollen Wirksamkeit auf diesem Gebiete zu⸗ frieden zu sein. Ich erkenne dabei gern an, daß das, was in dieser Beziehung bisher geschehen ist, nur etwas Vorbereitendes ist, daß es nur die Einleitung zu der großen Aufgabe ist, die dem Staate noch vorbe⸗ halten bleibt. Ich kann namentlich anerkennen, daß derjenige Betrag, der unter Kap. 69 Tit. 7 für die dort bezeichneten Zwecke vorgesehen wird, für die wirksame Erfüllung dieser Zwecke in der That nicht ausreicht; ich glaube aber in Aussicht stellen zu können, daß wir in der Folge erhöhte Aufwendungen werden machen können.

Was speziell die Regelung der Gehalts⸗ und Pensionsverhältnisse der Lehrer an denjenigen gewerblichen Fachschulen anlangt, zu welchen der Staat einen Zuschuß leistet, so unterliegt dieselbe gegenwärtig der Ver- handlung, und ich glaube in Aussicht stellen zu können, daß das Er⸗ gebniß der Verhandlungen ein den Wünschen des Herrn Vorrednerg günstiges sein wird.

Nicht so günstig wie die Aeußerungen des Herrn Vorredners sind diejenigen des Herrn Abg. Schwarze. Derselbe ist zwar ebenfallg damit einverstanden, daß dasjenige, was in diesem Etat für das ge⸗ werbliche Fortbildungs⸗ und Fachschulwesen ausgesetzt ist, ausreichend sei; dagegen ist er der Meinung, daß dasjenige vollständig unzu- reichend sei, was speziell für die materlelle Hebung des Handwerk ausgeworfen ist.

Mit der grundsätzlichen Auffassung bezüglich der Förderung det Handwerks und des Kleinbetriebes kann ich mich in jeder Beziehung einverstanden erklären. Ich habe auch im vorigen Jahre sowohl in diesem hohen Hause wie auch im Reichstage erklärt, daß ich keineswegs der Meinung bin, daß das Handwerk und der Kleinbetrieb unrettbar zum Niedergang verurtheilt sind. Ich bin der Meinung und halte daran fest, daß es wohl möglich ist, das Handwerk und den Kleinbetrieb, wenn auch in veränderter Gestalt, zu erhalten, und daß es Aufgabe der Regierung ist, mit allen Mitteln dahin zu wirken. (Bravoh

Das kann geschehen durch das, was geleistet ist, und durch das, wag in Aussicht genommen ist.

Wir haben imwischen das Handwerkergesetz zur Verabschledung gebracht, dessen Ausführung wir nunmehr in Angriff genommen haben, dessen Durchführung aber nicht so einfach ist, wie der Herr Abg. Schwarze es sich gedacht hat. Es bedarf umfassender Vor bereitungen, ehe wir zur Errichtung von Handwerkerkammern über- gehen können. Ehe wir diese errichten können, ist es noth- wendig, jzunächst eine Umbildung der freien Innungen zu bewirken durch die Aufstellung eines Normalstatuts, welches dem neuen Gesetz entspricht; ferner ist es nothwendig, für die Bildung der Zwangt⸗ innungen ein Normalstatut zu entwerfen, auf Grund dessen die Bildung der Zwangsinnung demnächst erfolgt. Erst wenn diese Normalstatuten aufgestellt und der Reichgregierung mitgetheilt, sowie von dieser publiziert sind, ann die Neubildung des Unterbaneg für die Handwerkerkammern erfolgen. Auf Grund dieser Neu⸗ bildung kann dann erst die Errichtung der Handwerkerkammern er-

folgen. Injwischen haben wir für die Bildung der Bezirke ung dag