der deutschen Bevölkerung in den ehemals polnischen Landes⸗ theilen die wirthschaftliche und polttische Stellung gewahrt bleibt, die für das preußische Staatswohl unbedingt noth⸗ wendig ist (Bravo! rechts, und die Politik der preußischen Regierung geht mithin nur dahin, das deutsche Element, wie es in den gemischt sprachlichen Landestheilen im Osten vorhanden ist, ju erhalten und zu stärken. (Bravo rechts.) Es liegt der preußischen Staatsregierung insbesondere ferne, die polnische Bevölkerung, wie das häufig in der Presse behauptet wird, germanisieren zu wollen. (Zuruf) Ein solcher Versuch wäre fruchtlos und nach meiner Kenntniß der Verhältnisse auch thöricht. Aber die Einsassen des preußischen Staats polnischer Zunge sind Preußen und gehören als solche auch zum Deutschen Reich. Der Herr Redner der polnischen Fraktion hat ausdrücklich anerkannt, daß die Vertheidigung Deutsch⸗ lands zur See eine wichtige, eine nothwendige Maßregel sei. Er hat auch sachlich nicht die Bedeutung der Flottenvorlage bestritten. Ich meine, wenn also seitens der polnischen Fraktion die sachliche Nothwendigkeit dieser Vorlage anerkannt wird, so hätte die Fraktion folgerichtig die Verpflichtung., auch dafür zu stimmen l(sehr richtigh, statt in einer innerpolitischen Maßregel der preußischen Regierung einen Grund für die Ablehnung einer nothwendigen Maßregel der Landes vertheidigung im Reiche zu suchen; denn die ehemals polnischen Landestheile sind ein Theil des preußischen Staats und damit des Deutschen Reichs, und sie haben deshalb das ganz gleiche Interesse an der Vertheidigung Deutschlands wie die Staatsbürger deutscher Zunge. (Zuruf) Ich hätte gewünscht, daß die polnische Fraktion aus politischen und taktischen Gründen zu dieser Ueberzeugung gekommen wäre, und ich muß es zurückweisen, wenn hier im Reichstage auf die preußische Regierung ein Angriff gerichtet wird, der den Anschein erweckt, als wenn wir einen Krieg gegen unsere polnischen Unterthanen führten. Wir vertreten die Staatsraison, wir vertreten die Inter essen der deutschen Bevölkerung, soweit diese Vertretung aus poli⸗ tischem Interesse unbedingt geboten ist, wir werden aber auch die polnischen Staatsbürger Preußens stets mit gleichem Maße messen, wie die Staatsbürger deutscher Zunge. (Bravo
Abg. Dr. Lieb er verwahrt sich in persönlicher Bemerkung da— egen, daß aus seinen Worten gefolgert werden könne, daß er seinen kandpunkt gewechselt habe; er habe im vorigen Jahre, wie heute, den Standpunkt der Mehrheit der Kommission vertreten.
Abg. Dr. Schönlank: Der Abg. Lieber hat sich aber beide Male auf den Standpunkt der Mehrheit der Kommission n, , n
Darauf wird nach 5 Uhr die weitere Berathung bis Donnerstag 11 Uhr vertagt.
Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 54. Sitzung vom 23. März 1898.
Das Haus setzt die zweite Berathung des Etats der Eisenbahn verwaltung bei dem Titel „Einnahmen aus dem Güterverkehr“ und die Debatte über den An⸗ trag Gothein auf Versetzung von Getreide, Malz und Mühlenfabrikaten aus dem Spezialtarif Lin den niedrigeren Spezialtarif Il fort.
Abg. Dr. Beumer (nl): In einer an das Haus gerichteten Denkschrift des Vereins der lothringischen Elseninteressenten werden mir und der rheinisch westfälischen Eisen⸗ und Stahlindustrie ganz unqualifizierbare Vorwürfe gemacht. Ich bleibe dabei, daß für Millionen Erzkonzessionen in den Besitz ausländischer Gründungs⸗ gesellschaften übergegangen sind. Die genannte Denkschrift behauptet unrichtige Thatsachen. Es wird gesagt, daß die beiden Haupt⸗ gruppen der Eisenindustriellen nur aus rein persönlichen Gründen die Verbilligung der Eisenfrachten beantragt hätten. Der Minister wird mir bezeugen, daß die betheiligte Eisenbahn⸗Direktion zu der Ueberzeugung gelangt ist, daß diese Behauptung objektiv un⸗ wahr ist. Bie minutiösesten Untersuchungen der Eisenbahnverwaltung haben ergeben, daß die Kosten für die Herstellung des Thomas⸗ roheiseng fich im Ruhrbezirk um 1,10 M. ver Tonne, in Lothringen nur um O56 M erhöht haben. Daß es sich hier keineswegs um eine künstliche Begünstigung eines Bezirks handelt, beweist, daß auch die schlesische Industrie die Frachtermäßigung gewünscht hat, unter der außerdem die Staatsfinanzen garnicht werden zu leiden haben. Die rheinisch⸗westfälischen Hochöfen bedürfen der Ermäßigung auch im Interesse der Landwirthschaft, denn durch den Bezug der Minette werden sie in den Stand gesetzt, ihre Schlackenproduktion aufrecht zu erhalten. Ich hoffe und wünsche, daß die Staatsregierung das Votum des Landezessenbahnraths für eine Tarifermäßigung schleunigft in Kraft setzen wird.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Meine Herren! Gegen den Vorwurf der Parteilichkeit, der mir in der vorhin erwähnten, von dem Herrn General⸗Sekretär Ragotzezy in Metz verfaßten Denkschrift gemacht worden ist, dürfte mich schon allein der Umstand schützen, daß ich nicht nur preußischer Eisenbahn ⸗Minister, sondern auch Chef der Reichseisenbahnen in Elsaß⸗Lothringen bin, welche gleicherzeit die Luxemburgischen Bahnen mitverwalten, daß ich also in meiner amtlichen Stellung verpflichtet bin, in dieser Frage auch die Interessen der Reichslande sowohl wie Luxemburgs zu wahren. Meine Herren, mich schützt aber ferner ein Umstand, der schon vom Herrn Grafen Kanitz wie von dem Herrn Abg. Dr. Beumer erwähnt worden ist, daß nämlich wohl selten eine Tariffrage so gründlich, so eingehend nach allen Seiten hin studiert worden ist, wie die Frage der Ermäßi⸗ gungen der Erztarife von Lothringen und Luxemburg nach der Ruhr, bezw. nach anderen Revieren. Und, meine Herren, sie ist eingehend studiert worden, nicht bloß in Bezug auf die Behauptungen, die seitens der rheinisch ⸗westfälischen Hochofenindustrie aufgestellt worden sind; meine Kommissare haben auch das gesammte lothringische und luxemburgische Erz und Hochofenrevier bereist, und dort unter Zu⸗ ziehung der Interessenten die gesammten technischen und wirthschaft⸗ lichen Verhältnisse der Erzproduktion und der Hochofenproduktion untersucht.
Meine Herren, ich darf hier vielleicht noch hinzufügen, daß mit der Leitung dieser Kommission der jetzige Ministerial⸗Direktor im Handels⸗Ministerium, Hoeter, betraut war, der seit langen Jahren gerade in dieser Frage vollständig zu Hause ist. (Sehr richtig! links.) Meine Herren, ich kann auch im allgemeinen nur bestätigen, daß das Ergebniß der Untersuchung im wesentlichen mit den Angaben der Nordwestdeutschen Gruppe übereinstimmt. Es ist außerordentlich schwierig, selbst schwierig für den konkurrierenden Fachmann, die Kosten der Roheisenproduktion vollständig bis auf den letzten Pfennig festzustellen; denn die Faktoren, die hierauf einwirken, sind einem stetigen Wechsel unterworfen, je nachdem die Konjunkturen der Kohlen⸗ preise, der Erzpreise, der Tagelöhne u. s. w. schwanken. Aber das darf doch wohl als unbestritten angenommen werden, daß die Pro⸗
duktionskosten des Roheisens in Rheinland⸗Westfalen zur Zeit der Untersuchung höher waren, als die Produktionskosten der gleichen industriellen Anlagen in Lothringen und Luxemburg.
Meine Herren, die Frage ist, wie der Herr Abg. Graf Kanitz bereits hervorgehoben hat, eine seit langen Jahren ventilierte. Sie ist angeregt worden allerdings von der rheinisch⸗westfälischen Hochofen⸗ industrie, die seit der Cinführung des Thomas ⸗Prozesses und der immer weiteren Ausdehnung derselben insbesondere für die Stahlproduktion genöthigt war, sich nach Erzen umzusehen, da phosphorhaltige Erze in der Nähe überhaupt nicht mehr erhältlich waren. Die Ersatzmittel, welche anfangs dafür noch zur Verfügung standen, das Rasenerz am Niederrhein und in Holland, die alten Puddel⸗ und Schweißofen⸗ schlacken, die auf den früheren Produktionsstätten und auch zum theil auf den jetzigen zerstreut lagen, näherten sich ihrem Ende. Wollte daher die rheinisch ⸗westfälische Hochofenindustrie auf der Höhe bleiben, so mußte sie sich nach neuen phosphorhaltigen Erzen umsehen; und da war es natürlich, daß die geographisch am nächsten liegenden Minetteerze in Lothringen ⸗ Luxemburg, welche ohnedies den großen Vorzug haben, daß sie wegen ihrer erheblichen Kalkbeimischung außer— ordentlich leichtflüssig sind und daher eine verhältnißmäßig geringere Koktaufwendung erfordern, in erster Linie ins Auge gefaßt wurden.
Meine Herren, aus diesen Bestrebungen ging zunächst der Antrag der betreffenden Interessenten auf Erbauung des Moselkanals hervor. Der Moselkanal, wenn er ausgeführt worden wäre, hätte ja für die Eisenindustrie, namentlich für diejenige, die unmittelbar oder in der nächsten Nähe des Rheins gelegen, jedenfalls wohl noch größere Vor— theile gebracht, als die Ermäßigung der Erztarife auf den Eisen bahnen. (Sehr richtig! links) Aus dem Moselkanal ist bis heute nichts geworden. Es stellten sich ihm Schwierigkeiten entgegen, die der Frage selbst nicht ganz fern lagen. Die Mosel ist auf einem Theil ihres Laufes begrenzt von Luxemburg. Die Luxemburger Regierung wurde durch die Hochofeninteressenten gerade nicht günstig gestimmt für eine Moselkanalisierung, und verweigerte daher ihrer seits den Beitritt zu einem derartigen Unternehmen. Infolgedessen wurde seitens der betheiligten Industrien wieder der dringende Antrag an die Staatsregierung gerichtet, den Erzen einen billigeren Eisenbahntarif zukommen zu lassen. Meine Herren, die rheinisch⸗west · fälische Eisenindustrie begründete diesen Antrag einmal damit, daß sie gegen das Ausland entschieden gestärkt werden müsse, und zweitens damit, daß sie einer Ausgleichung bedürfe gegen die lothringisch⸗ luxemburgische Eisenindustrie. Und zwar gab sie dabei zu verstehen, daß, wenn diese Ermäßigungen nicht gewährt werden sollten oder könnten, sie mit der Zeit voraussichtlich in die Lage gedrängt werden wüde, einen Theil ihrer Hochöfen nach Lothringen ⸗Luxemburg zu verlegen, da die Berechnung für die Herstellungskosten des Roheisens eine derartige Verschiebung mit der Zeit als 5konomisch richtig erweisen würde. Meine Herren, ob das nun wirklich der Fall gewesen sein würde, darüber habe ich kein maßgebendes Urtheil. Die Probe auf das Exempel ist verschoben worden, und zwar zum theil wohl aus dem Grunde, weil durch die schwedischen Erze sich ein gewisser Ersatz für die luxemburgisch⸗ lothringische Minette darbot. Die schwedischen Erze aus den Etzbezirken Gelivara und Grängesberg sind sehr hochhaltig an Eisen, aber sehr schwer⸗ flüssig und konnten bisher in größeren Massen auch nur von denienigen Werken bezogen werden, welche in der Nähe der Wasserstraßen liegen, also in der Nähe des Rheins. Beim Bau des Dortmund ⸗Ems-⸗Kanals ist allerdings auch wesentlich darauf mitgerechnet worden, daß der Import derartiger Erze für das nördliche Revier der Hochofenproduktion in Rheinland⸗Westfalen Ermäßigungen bringen müsse. Allein die Zone derjenigen Werke, welche hiervon einen nennenswerthen Vortheil erlangen werden, ist nicht sehr ausgedehnt, wie das durch genaue Be—⸗ rechnungen festgestellt ist. Der mittlere und westliche Theil der Hoch⸗ ofenindustrie wird davon im Großen und Ganzen wenig berührt.
Meine Herren, die Frage ist nun mit allen Interessenten seit Jahren verhandelt worden und war schließlich zu einem gewissen Er— gebniß dahin gelangt, daß die lothringisch⸗luxemburgischen Interessenten sagten: ja, wenn das einmal nicht anders ist, wenn die Erztarife er⸗ mäßigt werden sollen, dann müßt ihr uns in irgend einer Weise ent— schädigen. Und zwar stellten sie zunächst den Antrag, die Entschädigung in einer Ermäßigung der Kokestarife des Ruhrvereins nach Elsaß— Lothringen zu gewähren. Diese Ermäßigung der Kokestarife würde für die Eisenbahnverwaltung eine große finanzielle Einbuße mit sich bringen.
Es ist dann ferner die Frage geprüft worden, ob eine billige Ausgleichung nicht auch durch die Ermäßigung der Roheisenfracht ge— schehen könnte. Diese Frage ist zur Zeit noch in der Schwebe. In—
zwischen meldeten sich außer den beiden hauptsächlich interessierten
Gruppen der Roheisenproduktion auch die anderen in einiger Ent— fernung liegenden, also zunächst die Aachener Werke, die Saarwerke und in letzter Linie auch die Werke an der Sieg, Lahn und Dill. Die eigentliche Erzproduktion in Lothringen⸗Luxemburg ist dabei aus dem Grunde wenig in den Vordergrund getreten, weil die Erz— felder entweder noch in der Hand des luxemburgischen Staats oder in der Hand der lothringisch⸗luxemburgischen Hochofenindustrie oder endlich in der Hand der rheinisch ⸗westfälischen, der Aachener und der Saarindustrie sich befinden, also eine eigentliche selbständige Erz⸗ produktion verhältnißmäßig nur in geringem Maße besteht. Es ist nicht zu leugnen, daß auch die Werke im Aachener Revier, an der Saar sowie an der Sieg, Lahn und Dill an der Entscheidung der vorliegenden Frage wesentlich interessiert sind. Dabei möchte ich in— dessen auf eine Bemerkung, die gestern Hert Graf Kanitz gemacht hat, eingehen, daß nämlich die Produzenten von der Sieg, Lahn und Dill behaupteten, die rheinisch⸗westfälische Industrie würde seitens der Staatgeisenbahnverwaltung zu ihren Ungunsten und auf ihre Kosten entschieden bevorzugt. Meine Herren, wenn jemand bevorzugt ist, so ist es die Sieg, Lahn und Dill, denen seit einer langen Reihe von Jahren ausnahmsweise niedrige Tarife für die Roheisen produktion bewilligt worden sind. Es ist das der sogenannte Noth⸗ standstarif, der seiner Zeit bewilligt wurde, um dem damals wirklich vorhandenen Nothstand in den Bergwerkdistrikten der Sieg, Lahn und Dill entgegenzuwirken. Diese Tarife sind aber auch, nachdem der Nothstand längst überwunden ist, den betreffenden Revieren gelassen worden, sodaß meines Erachtens die Interessenten dieser Reviere keine Ursache haben, über eine Parteilichkeit der Staatseisenbahnverwaltung Klage zu führen. Meine Herren, die Entscheidung in dieser Frage ist noch nicht getroffen, aber nahe bevorstehend. Die Eisenbahndirektion Köln ist zunächst von mir beauftragt worden, nochmals gerade diese Verhältnisse im Aachener Revier, an der Saar, der Dill und der
Lahn und im Osnabrückeschen genauer zu prüfen nach der Richtung
hin, welchen Einfluß die beantragte Tarifermäßigung der Erze auf sie ausüben könnte. Ich bin daher auch heute nicht in der Lage, irgend eine Erklärung über den Ausfall der Entscheidung in dieser Frage abzugeben.
Ich möchte zum Schluß aber bemerken, daß es sich hier voraus. sichtlich nicht um Ausnahmetarife von Lothringen ⸗Luxemburg nach der Ruhr und den übrigen Relationen handelt, sondern voraussichtlich um eine allgemeine Ermäßigung der Erztarife. Meine Herren, die Frage wird auch in der letzten Instanz, im preußischen Staats. Ministerium, mit aller Gründlichkeit geprüft werden. Von einem Vorurtheil und einer Parteinahme für irgend welche Interessentengruppen kann meines Erachtens durchaus nicht die Rede sein. (Bravo! bei den National liberalen.)
Abg. Graf von Kanitz Ekons.): Von der Regierung ist darauf hin. gewiesen worden, daß der BDortmund⸗ Ems Kanal nicht nur ein Aequivalent für die Unterhaltung, sondern auch eine angemessene Veizinsung und Amortisation bringen soll. Man hat die aug— wärtige Konkurrenz als Motiy für die Ermäßigung, des Tarift angeführt und sich auf die billigen Frachten und niedrigen Arbeit löhne in Amerika bezogen. Dieser Hinweis ist aber hinfällig, da die amerikanischen Erze dort zum großen Theil garnicht auf der Eisenbahn verfrachtet werden und die Kokspreise dort sehr viel niedriger sind als bei uns. Die Arbeitslöhne sind fast gleich. Die Zahl der Erjarbeiter im Ruhrgebiet hat sich in 17 Jahren um mehr als 100 000 vermehrt, und das ist für mich und für Herrn von Stumm bedenklich. Was sollen den benachtheiligten/ Gebieten für Kompensationen gewährt werden? Es sollen ihnen Tarifermäßigungen zugestanden werden. Das ist eine Schraube ohne Ende; bald werden die Kokstarife, bald die für Minette ermäßigt; im Interesse einer stetigen Tarifpolitik muß dieser Schraube ein Ende bereitet werden. Ich gebe zu, daß das Rhein- und Siegrevier sich seit 10 Jahren im Besitz eines Nothstandstarifs befindet. Es ist aber zu befürchten, daß sie in Zukunft durch den Dortmund Ems ⸗Kanal geschädigt werden. Ich freus mich, daß der Minister die Frage noch nicht entschieden hat; sie verdient eine sehr sorgfältige Prüfung.
Abg. Jürgensen (ul.) wuͤnscht eine größere Einstellung von guten Viehwagen in Schleswig Holstein und eine Beschleunigung der Viehzüge. . ⸗ ;
Abg. von Mendel ⸗Steinfels (kons.): Bei weitem Trank port müssen in den Viehwagen ausreichende Trinkeinrichtungen angebracht werden. Die Wagen sollten gut ventiliert und gedeckt werden, damit sie auch im Winter ohne Thierquälerei benutzt werden können. So. bald eine Seuche ausbricht, müssen sie nicht nur mit warmem Wasser und Sodalösung, sondern mit einer söprozentigen Karbollösung desinß⸗˖ ziert werden. Wir verlangen vor allem eine Vermehrung der Vieh— wagen.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Ich gestatte mir, zu den Ausführungen des Herrn Abg. von Mendel einzelne Bemerkungen zu machen.
Die Vermehrung der Viehwagen ist bereits angeordnet und voll⸗ zieht sich in regelmäßigem Gange. In Bezug auf die Ausrüstung der Viehwagen mit Tränkvorrichtung glaubte ich allerdings, Herrn von Mendel gestern so verstanden zu haben, als wünsche er neben den Tränk⸗ auch Futtereinrichtungen. Diese sind früher in ziemlich reichem Maße eingeführt gewesen, sie sind aber auf Wunsch der Vieh⸗ händler wieder beseitigt worden, und die Eisenbahnen haben sich über⸗ zeugen müssen, daß die Ausstattung mit Tränkvorrichtungen unzweckmäßig war, und zwar erstens unzweckmäßig aus dem Grunde, weil das Vieh über⸗ haupt im Wagen keinen Trank aus diesen Vorrichtungen annimmt; namentlich ist genau konstatirt worden, daß alles Weidevieh auf dem Transport weder Trank noch Futter zu sich nimmt, sondern, daß es, wenn es unterwegs gefüttert oder getränkt werden muß, erst ausgeladen und für einige Zeit in den Stall gestellt werden muß. Wenn aber das Vieh wirklich bereit ist, unterwegs Trank anzunehmen, dann ist dies viel einfacher mit einem Eimer als mit einer festen Tränk— vorrichtung zu machen. Diese Tränkvorrichtung hat zweitens den Nachtheil, daß außerordentlich viel Verletzungen vorkommen; beim Rangieren wird das Vieh gegen diese Tränkvorrichtung geworfen und zerbricht sich dabei die Gliedmaßen. Das ist sehr vielfach beobachtet worden, und deswegen möchte ich bitten, daß diese Frage in land—⸗ wirthschaftlichen Kreisen noch näher studiert wird, ehe wir dazu übergehen, derartige Tränkvorrichtungen wieder in den Wagen an— zubringen.
Was die Desinfektion betrifft, und zwar die Frage, ob man, wenn in einer großen Ausdehnung Seuchen im Lande herrschen, sofort die schärfere Desinfektion vorschreiben soll, so bin ich sehr gern berck, mit dem Herrn Landwirthschafts⸗Minister diesbezüglich in Verbindung zu treten, nach dessen Gutachten wir unsere Anordnungen ja stetz machen und machen müssen. Ich möchte mir aber gestatten, in dieser Beziehung, wenn der Herr Präsident es erlaubt, aus den Vorschristen über die Reinigung und Deginfektion den betreffenden Passus vor— zulesen:
Der Landespolizeibehörde bleibt vorbehalten, diese Art der Dek infektion — Detinfektion b nämlich — auch in anderen Fällen anzuordnen, wenn sie solches zur Verhütung der Verschleppung von Seuchen für unerläßlich erachtet. Also, wenn der Herr Landwirthschafts ⸗Minister derselben Ansicht ist, die der Herr Abg. von Mendel hier vertritt, so bin ich gern berett, diesen Weg zu beschreiten.
Was die letzte Frage anbetrifft, die Anstellung von Versuchen mit Getreidetransportwagen, so bin ich ebenfalls bereit, den land wirthschaftlichen Wünschen entgegenzukommen. (Bravo!)
Abg. von Werdeck (kons.) fragt, ob die Verwaltung die Absicht habe, 2W0-Zentner⸗Wagen einzuführen. Dies würde den kleineren landwirthschaftlichen Genossenschaften sehr unerwünscht sein. Redner wünscht die Benachrichtigung der Besteller von Wagen, ob sie die ber stellten Wagen erhalten können. l .
Wirklicher Geheimer Ober Regierungs- Rath Möllhausen; Den letzteren Wunsche soll entvrochen werden. Die größeren Wagen sind eingeführt worden, um die Züge zu verkürjen; aber wenn diese Wagen nicht vollgeladen sind, brauchen sie auch nicht voll bezahlt iu werden.
Abg. Reichardt (nul) spricht sich gegen eine Frachtermäßigung für die Zuckerausfuhr aus. Wenn auch der Export größer würhe, würde doch die gesammte Zuckerindustrie davon keinen Nutzen haben, da der Weltmarktpreis sich um den Betrag unserer Frachtermäßigung verringern würde. Dann würden die Inlandsfabrlken, welche ö. Wasserweg ane könnten und an der Frachtermäßiqung nicht toe nähmen, die Differen zahlen müssen. Deghalb habe sich die Handen; kammer der , Sachsen gegen diese Tarifermäßigung erklart, ö sibrigens waßrscheinlich Sestertesch mehr nützen würde als manch inländischen Zuckerfabriken. — .
Abg. Wal lbrecht (nl): Ich kann diesen Ansichten nicht ö. stimmen. Pen Defterreichern wird kein Nutzen erwachsen. 5
annover wüänscht man die Ermäßigung; auch der Verein der deuts 9 uckerindustriellen hat sich im allgemeinen Interesse für dleselbe a
Ih Hünschs ferner die Anlage eincr Piehrampe Neben
. Henle Flake dire Kälber im Wagen
dem Bahnhofe in Hannover.
und brüllen die ganze Nacht hindurch. Ein Mensch würde wegen solchen Skandals eingesperrt werden. Die Hausbesitzer können des⸗ halb ihre Wohnungen nicht vermiethen.
Ein Regierung skommissar sagt den Bau der Vieh⸗
rampe zu. ö Abg. Baensch⸗Schmidtlein (fr. kons.) befürwortet, daß die
den Landwirthen in den Ueberschwemmungägebieten zugestandenen Frachtermäßigungen allen Betheiligten und auch in diesem Frühjahr noch gewährt würden.
Geheimer Regierungs⸗Rath Krönig theilt die einzelnen Vor— aussetzungen mit, unter denen der Frachterlaß gewährt werde. Einige Lokalbehörden schienen allerdings diese Bestimmungen mißverstanden zu haben. Der Frachterlaß solle auch weiter gewährt werden.
Damit schließt die Diskussion. Der Antrag Gothein wird der Budgetkommission überwiesen. Die Einnahme aus dem Güterverkehr wird bewilligt.
Bei der Einnahme für Ueberlassung von Bahnanlagen und für Leistungen zu Gunsten Dritter, 20 107 400 S, bemängelt
Abg. Dr. von Woyna (fr. kons.) die Höhe der Beiträge, welche die Kleinbahnen bezahlen müfsen für den Umbau von Stationen der Staatsbahnen wegen des Anschlusses der Kleinbahn an diese, und bittet, hierin nach milden Grundsätzen zu verfahren.
Wirklicher Geheimer Ober- Regierungs- Rath Möllhausen theilt mit, daß eine Rommission zur Prüfung diesec Frage bereits ein⸗ gesetzt sei, und daß ein mildes Verfahren eintreten solle. .
Der Titel und der Rest der Einnahmen werden bewilligt.
Bei den dauernden Ausgaben, und zwar bei den Besoldungen der Beamten der vom Staat verwalteten Eisen⸗ bahnen, bittet
Referent Abg. Möller (ul), die Petitionen einzelner Beamten, kategorien aus der Diskussion auszuscheiden, da diese Petitionen erst noch ig der Budgetkommission berathen würden.
Die Abgg. Dr. Lohmann-⸗Hagen (nl.) u. Gen. bean⸗ tragen,
den Vermerk im Etat zu streichen, daß mit gewissen Modalitäten 135 Stellen der Eisenbahn⸗Bau. und Betriebs bezw. Maschinen⸗ inspektoren künftig wegfallen sollen. ;
Die Abgg. Dr. Sattler (nl) und Dr. Beumer (nl.) beantragen,
die Bezeichnung „bau und maschinentechnische Eisenbahn⸗Be⸗ triebsingenieure“ zu erfetzen durch „Ober Bahnmeister“.
Abg. Dr. Lohm ann-Hagen begründet seinen Antrag damit, daß nach den Erklärungen der Regierung es an höheren technischen Be— amten fehle und daß in den nächsten sechs Jahren wahrscheinlich von diesem Etatsvermerk überhaupt kein Gebrauch gemacht werden könne. Wenn aber wirklich ein Bedürfniß für eine solche Sielle aufhöre, so sei die Verwaltung in der Lage, die Stelle einzuziehen. Er möchte im Gegenteil um eine Vermehrung der technischen Beamtenstellen bitten, um den gerechten Klagen dieser Beamten abzuhelfen.
Geheimer Sber⸗Finanz Rath Lehmann bittet um die Aufrecht erhaltung des Etatsvermerks. Es handle sich um Stellen, die nur für einen vorübergehenden Bedarf geschaffen seien.
Abg. Mücke (Zentr) tritt für die Verbesserung der Anstellungẽ⸗ und Pensioneverbältnisse der Telegraphistinnen und sonstigen Ge⸗ hilfinnen im Eisenbahndienst ein. .
Geheimer Regierungs Rath Hoff theilt mit, daß die etats— mäßigen Stellen den Fahrkartenagusgeberinnen, Telegraphistinnen ꝛe. verliehen werden sollen, wenn sie fünf Jahre im Amte sind. .
Abg. Knebel (nl) unterstützt den Antrag Lobmann; es herrsche wohl allgemein die Meinung, daß von dem Etatsvermerk kein Ge⸗ brauch gemacht werden könne. Der Vermerk diene nur als eine Warnungstafel, die vom Studium des Baufachs abschrecke; nach keiner Beamtenkategorie sei aber die Nachfrage so groß, wie nach den Baumeistern. Mindesters müßten die schon neun und zehn Jahre diätarisch beschäftigten Baumeister etatsmäßig angestellt werden.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Meine Herren! Das ist ja eben der Zweck der neueren Bemerkung, die in den Etat gesetzt worden ist, daß den Baumeistern, die noch aus den älteren Jahrgängen stammen, zur etatsmäßigen Anstellung ver⸗ holfen werde. Es sind 22 Baumeister aus dem Jahre 1887, 23 aus dem Jahre 1888 und 27 aus dem Jahre 1889. Im Jahre 1890 fällt die Zahl sofort auf 6. Welchen Bedarf wir nach einer Reihe von Jahren haben werden, werden wir ja bei den demnächstigen Etatsberathungen und bei der Aufstellung der demnächstigen Etats zu erwägen haben. Aber zur Zeit können wir nicht übersehen, ob die 135 Stellen, die eingesetzt sind, dann noch erforderlich sind oder nicht.
Die Baubeamten selber haben darüber einen viel richtigeren Be⸗ griff als die Herren, die hier darüber gesprochen haben. (Zuruf bei den Nationalliberalen: Na! na) In den „Klagen und Wünschen der höheren Techniker der preußischen Eisenbahnverwaltung“ ist unter anderem — der Herr Präsident wird wohl gestatten, daß ich den kurzen Absatz vorlese — mit vollem Verständniß der Sachlage gesagt worden:
Bezüglich der Techniker dagegen hat die Staatseisenbahnver⸗ waltung in den 80 er Jahren den Fehler begangen, weit mehr An⸗ wärter, Regierungsbaumeister, einzuberufen, als nach dem zu er⸗ wartenden Jahresabgang an älteren Beamten zulässig war.
Um diesen Fehler wieder gnt zu machen, ist die Vereinbarung mit dem Herrn Finanz ⸗Minister getroffen und die Bemerkung in den Etat aufgenommen worden.
Die Techniker stehen in Bezug auf die etatsmäßige Anstellung verhältnißmäßig recht günstig. 82 9 sind etatsmäßig angestellt. Ich kann nur bitten, daß das Haus sich dem Votum der Budgetkommission
anschließt.
Abg. Reimnitz (nl) wünscht eine Verbesserung der Gehalte—⸗ und Pensionsverhältnisse der Eisenbahnwerkfübrer.
Abg. von Czarlinski (Pole) tritt für die vermehrte Sonntags⸗ ruhe der Gepäckträger ein, die nur an jedem vierten oder fünften Sonntag von 127 Uhr Nachts bis 12 Uhr Mittags Ruhe hätten. Gin Gepäckträger habe in seinen 37 Dienstjahren nicht einen einzigen ganzen freien Sonntag gehabt. Herr von Werdeck habe sich über eine polnische Speisenkarte in einem Speisewagen aufgehalten; eine all- gemeine Entrüstung habe dies nicht hervorgerufen, der Zug sei dadurch auch nicht gefährdet worden. Redner beschwert sich sodann über Wahlbeeinflussungen des Stations-⸗Vorstehers in Dirschau, der zu einem Beamten gesagt habe: Wenn Sie nicht deutsch wählen, kommen Sie dahin, wohin Fricke gekommen ist.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Meine Herren! Die Beamten haben im Dienst deutsch zu sprechen und nicht polnisch. (Sehr richtig! rechts und bei den Rational⸗ liberalen. Diese Vorschrift hat der Stationsvorsteher, wie es scheint, einem seiner Untergebenen eingeschärft. (Rufe bei den Polen: nein!) Was er noch daneben gesagt hat, das kann ich ja nicht wissen; das könnte erst durch eine nähere Untersuchung festgestellt werden. (Abg. von Czarlinski: davon ist gar nicht die Rede gewesen! Der Herr Minister hat mich gar nicht verstanden) Dann bedaure ich das. Ich habe den Herrn Vorredner dahin verstanden, daß der Stationg⸗ vorsteher seinem Untergebenen, dem Telegraphisten, untersagt habe, im Dienste polnisch zu sprechen. (Abg. von Czarlinski: nein! er hat tzesagt, er solle deutsch wählen) Wählen? — Dann habe ich Sie
mißverstanden. (Abg. von Czarlinski: Wahlagitation getrieben) Dann werde ich aus der Mittheilung des Herrn Abgeordneten Ver⸗ anlassung nehmen, die Sache näher zu untersuchen. —
Der Herr Vorredner hat auch über die Sonntagsruhe der Gepäckträger gesprochen. Meine Herren, die Gepäckträger sind keine Beamten, sondern sie sind Arbeiter, die im Eisenbahndienst be⸗ schäftigt sind. Ihre Besoldung ist verschieden: sie besteht entweder in Tagelohn oder in den Gebühren, die sie von den Reisenden zu erheben haben. Meistentheils ist letzteres der Fall. Alsdann haben aber die Leute ein großes Interesse daran, zu einem Zuge zugegen ju sein, und ich weiß aus einer ganzen Reihe von Vorfällen, daß sie sogar wegen dieses Geldinteresses es vorziehen, den ganzen Sonntag im Dienst zu bleiben. Es besteht jedoch die Vorschrift, daß den Leuten an jedem zweiten, mindestens aber an jedem dritten Sonntage Gelegenheit gegeben werde, ihren kirchlichen Pflichten nachzukommen, und dazu wird ihnen auch thatsächlich Gelegenheit geboten. Im übrigen kann ich nur sagen, daß mit Nachdruck auf die Beobachtung aller für die Sonntagsruhe gegebenen Vorschriften gehalten wird. Es können aber Zeiten eintreten, und sie sind im vorigen Herbst eingetreten, wo das nicht immer ausführbar ist.
Abg. Dr. Göttinger (nl) bittet den Minister, bei der Auf⸗
hebung der Klasse der Betriebs- Sekretäre möglichst alle Härten zu ver= meiden, die Stellen der Eisenbahn-⸗Sckretäre zu vermehren und die Eisenbahn⸗Telegraphisten den Reichs Telegraphisten gleichzustellen. Ueber die bevorstehende Aufbesserung der Unterbeamten spreche er seine gan besondere Freude aus. Abg. Felisch (kons) schließt sich dem Wunsche des Vorredners in Bezug auf die Betriebs. Sekretäre an und bittet um Anrechnung der diätarischen Beschäftigung der Baumeister auf deren Dienstalter. Er stimmt ferner dem Plane der Aufbesserung der Gehaltsverhältnisse der Unterbeamten zu und empfiehlt namentlich eine Besserstellung der Zugführer und der Rangiermeister,
Abg. Kircher (Sentr.) bemängelt, daß bei den Gũterexpeditions⸗ Vorstehern eine Verminderung der Stellen in der unteren Gehalts— klasse eingetreten sei. . .
Geheimer Regierungs⸗Rath Hoff weist nach, daß diese Auf⸗ fassung auf einem Irrthum beruhe.
Abg. von Bockelberg (kons.) betont, daß in seiner Partei das Wohlwollen für die Beamten ebenso groß sei, wie bei den anderen Parteien. Wenn seine Partei den Antrag Lohmann ablehne, so geschehe es nicht aus Mangel an Wohlwollen für die höheren Techniker; im Gegentbeil, im vorigen Jahre seien ja Einrichtungen getroffen worden, damit die drei ältesten Jahrgänge zur Anstellung kommen konnten. Der Antrag Lohmann wolle aber vorübergehend nothwendige Stellen dauernd festsetzen. Es sei ein etatsrechtliches Unikum, daß man der Verwaltung mehr Stellen aufdränge, als sie gebrauchen könne.
Abg. Wallbrecht: Diese Stellen sind doch geschaffen worden, weil sie nothwendig waren, und es werden noch mehr nothwendig werden, zwar nicht für den Betrieb, aber für die Neubauten. Ein Unikum ist es daher, erst einen solchen Vermerk zu machen. Man muß die Beamten zufrieden stellen, und deshalb müssen die Techniker den anderen Beamten gleichgestellt werden.
Abg. Dr.. Sattler (ul.) bittet um eine andere Uniform und anderen Rang für die Haltestellen Vorsteher, um sie von den Weichen stellern J. Klasse zu unterscheiden, und befürwortet seinen oben mit⸗ getheilten Antrag, den er jedoch dahin modifiziert: die Regierung zu ersuchen, für die bau⸗ und maschinentechnischen Eisenbahnbetriebs. Ingenieure eine andere zutreffende Dienstbezeichnung herbeizuführen. Redner weist ferner darauf hin, daß die Technischen Hochschulen den staat⸗ lichen Schutz des Titels Ingenieur wünschten. Man könne sich ja philo⸗ sophisch über alle Titel hinwegsetzen, aber innerhalb unseres Staats.« wesens seien die Titel doch nicht ohne Bedeutung, und deshalb müsse auch der technische Beruf äußerlich kenntlich gemacht werden. Die französischen Präsidenten Grövy und Carnot seien aus dem Stande der Techniker hervorgegangen. Die Regierung verletze diese Beamten durch Vorenthaltung eines geeigneten Titels.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Ich würde allerdings der Meinung sein, daß der vorliegende Antrag nicht wohl formell gerechtfertigt ist, da die Verleihung von Titeln und Rang ein Ausfluß der Kronrechte ist.
Was die Sache selbst betrifft, so sind den Vorständen der Bau⸗ und Betriebsinspektionen sowie auch den Vorständen der Maschinen⸗ inspektionen Stellvertreter, Assistenten, beigegeben. Den wichtigeren Inspektionen sind auch Baumeister neben den mittleren Beamten, zu⸗ getheilt.
Wir haben nun die Erfahrung gemacht, daß es absolut noth⸗ wendig ist, den Bau⸗ und Betriebsinspektionen solche Beamten zur Seite zu stellen, die eine schon mehr umfassende technische und all⸗ gemeine Bildung besitzen, und haben infolge dessen die Bedingungen festgestellt, welche diese Beamten zu erfüllen haben, um in diese mittleren Stellen einrücken zu können.
Diese Beamten sind zunächst als Betriebs⸗Kontroleure bezeichnet gewesen. Ihr Titel schien aber einmal unzureichend gegenüber dem Inhalt ihrer dienstlichen Thätigkeit, dann aber auch unzureichend gegenüber dem Maß von technischer Vorbildung, welches von ihnen verlangt werden mußte. Die Staatsregierung entschloß sich also, diese Beamten, vollständig entsprechend dem Gebiete ihrer Thätigkeit, mit dem Titel Eisenbahn ⸗Betriebsingenieur auszustatten. Sie hatte um so mehr Veranlassung dazu, diesen Titel zu wählen, weil er— fahrungsgemäß Beamte mit so weitgehender technischer Vorbildung mit einem Titel, der, wie Betriebs⸗Kontroleur, eigentlich dem technischen Wissen und der Bildung der Beamten nicht entsprach, sich nicht zu⸗ frieden geben konnten und daher auch in zureichender Zahl und mit zureichender Vorbildung sich nicht würden gemeldet haben.
Nun, meine Herren, hat sich gegen die Verleihung dieses Titels Eisenbahn⸗Betriebsingenieur, wie ich zugeben muß, in weiten Kreisen eine sehr lebhafte Agitation kund gegeben, und zwar ist diese Agitation wesentlich ausgegangen von den Professoren der Technischen Hochschulen und hat sich dann fortgepflanzt auf den Vorstand des Ingenieur⸗ und Architektenvereins. Mir ist die Sache eigentlich — muß ich sagen — ziemlich unverständlich. Ich bin mit dem Herrn Vorredner voll⸗ kommen der Meinung, daß der Stand der Techniker, der akademisch gebildeten Techniker, in aller und jeder Beziehung eine ganz außer- ordentliche Zukunft für sich hat. Um so weniger kann ich es begreifen, wenn er auf so kleinliche Dinge einen solchen Werth legt. Meine Herren, der Titel Eisenbahn⸗Betriebsingenieur entspricht vollkommen der Aufgabe, die den Leuten gestellt ist. Sie sollen den Bahn⸗ und Betriebs⸗Inspektor unterstützen und vertreten im ganzen Umfange seiner Thätigkeit, also nicht nur bezüglich der Bahnunterhaltungen und der Ergänzunggbauten, sondern auch auf dem ganzen Gebiete des Betriebes, und gerade das letztere ist die hervorragendste und wesent⸗ lichste Seite seiner Thätigkeit. Es würde daher der Titel Ober⸗ Bahnmeister für die betreffenden Beamten ganz und gar nicht passen. Er würde noch viel weniger passen für denjenigen Theil der Beamten, die dem maschinentechnischen Vorstande überwiesen werden als Assistenten und Stellvertreter. Da würde der Titel Ober⸗Bahnmeister
einfach gar keinen Sinn haben, denn mit der Bahnmeisterei hat der Vorstand des maschinentechnischen Wesens überhaupt garnichts zu thun. Meine Herren, es würde aber auch der Titel Ober⸗Bahnmeister insofern ganz unzutreffend sein, da ja diesen Beamten nicht nur die Bahnmeister, sondern auch die Stations⸗Vorsteher untergeordnet werden müssen, und ein Ober⸗Bahnmeister als Vorgesetzter des Stations ⸗Vorstehers würde doch, wie Sie mir zugeben werden, kein richtiges Verhältniß geben.
Ich möchte auch fernerhin darauf aufmerksam machen, daß ebenso wenig der Titel Betriebs · Afsistent der richtige Ausdruck für die Thätigkeit und die Aufgaben dieser Beamten sein würde, und der Titel Assistent würde namentlich im Verhältniß zu den ihm untergeordneten Stations beamten durchaus deplaeiert sein. .
Es giebt meines Erachtens keinen Titel, der richtiger die Aufgaben der betreffenden Beamten zum Ausdruck bringt als gerade der Titel Eisenbahn⸗Betriebsingenieur. Nun muß ich sagen und habe ich schon gesagt: ich begreife nicht, wie von seiten der übrigen Technik, also der höheren technischen Beamten inklusive der Technischen Hochschulen, hier- gegen ein Bedenken erhoben werden kann. Die staatlich geprüften technischen Beamten sind ja mit einem Titel ausgestattet, der sich vollständig unterscheidet von diesem ‚Eisenbahn⸗Betriebsingenieur und für diejenigen Techniker, die eben keine staatliche Prüfung durchgemacht haben, ist ja der Titel Ingenieur heutzutage vollständig frei.
Meine Herren, es wird behauptet in der Presse, daß in dem be⸗ stehenden Ingenieurverein mehr Ingenieure wären, die eine technische Hochschulbildung nicht durchgemacht haben, als solche, die eine durch⸗ gemacht haben. Ob das richtig ist, kann ich nicht feststellen, will ich auch dahingestellt sein lassen; aber das ist doch jedenfalls unzweifelhaft, daß im kommunalen Dienst, in der Privattechnik eine große Anzahl von Ingenieuren sich befinden, die keine akademische Bildung durch⸗ gemacht haben, die in Bezug auf ihre technische Fachbildung weitaus nicht diejenigen Ansprüche erfüllen können, die wir von den Eisenbahn⸗ Betriebsingenieuren verlangen.
Meine Herren, früher ist man überhaupt in der Beziehung nicht so empfindlich gewesen. Bei den alten Privatbahnen sind diese mitt⸗ leren Beamten immer als Ingenieure bezeichnet worden; bei der Rheinischen, bei der Köln⸗Mindener Bahn hießen diese mittleren Beamten Sektionsingenieure, hatten ungefähr dieselben Verrichtungen und Aufgaben zu erfüllen, die jetzt diesen Betriebsingenieuren zu⸗ gewiesen sind und niemand nahm Anstoß daran. Bei der Hessischen Ludwigsbahn haben wir diese Herren übernommen, und auch bei einer ganzen Reihe anderer Staatsbahnen außerhalb Preußens ist dieser Titel mittleren Beamten verliehen worden.
Ich will gar nicht weiter darauf exemplifizieren, daß ja auch in der Marine auch eine ganze Reihe von mittleren Beamten als In⸗ genieure bezeichnet sind, ja daß in der Marine sogar diesen mittleren Beamten die Möglichkeit gegeben ist, demnächst die höheren Stellen auch einzunehmen.
Ich möchte daher dringend bitten, daß auch der in Aussicht gestellte zweite Antrag des Herrn Abg. Dr. Sattler vom hohen Hause nicht angenommen wird, und daß das Haus damit ausspricht, daß auch nach seiner Auffassung der Titel Eisenbahn⸗Betriebgingenieur“ der richtige ist.
Ich möchte schließlich noch bemerken, daß einstweilen ja Vor⸗ schriften noch nicht bestehen, wonach die Hochschulen den Titel Ingenieur‘ in Form des Diploms oder in einer anderen Weise ver⸗ leihen und ihm damit auch eine gewisse staatliche Bedeutung geben. Aber selbst für den Fall, daß man sich hierzu entschließen würde würde immerhin dadurch, daß diese Ingenieure ‚Eisenbahn⸗Betriebg⸗ ingenieure“ benannt werden, doch ihre Stellung vollständig klargestellt sein und Verwechselungen mit den übrigen Ingenieuren nicht vor⸗ kommen.
Ich möchte daher meine Bitte wiederholen, auch den eventuellen Antrag des Herrn Abg. Sattler abzulehnen.
Abg. Bröse (kons.) weist auf verschiedene Unglücksfälle hin, welche durch nicht rechtzeitige Schließung der Barrièren bei Bahn⸗ übergängen herbeigeführt worden seien.
Abg. Cahensly Gentr.) spricht sich gegen den Antrag Sattler
aus, während Abg. Krawinkel (ul.) denselben sowie den Antrag Lohmann unterstützt.
Geheimer Ober ⸗Finanz Rath Lehmann betont nochmals die Nothwendigkeit des Etatevermerks, der zwar keine Warnungstafel sein solle, die von dem technischen Beruf abschreckt, aber doch klar machen solle, was ein junger Mann in diesem Berufe zu er⸗ warten habe.
Abg. von Knapp (ul.) befürwortet besonders die Gehaltg-⸗ aufbesserung für das Zugvpersonal und die Beamten des äußeren Dienstes und die Herausnahme der geprüften Telegraphenbeamten aus der Klasse der Unterbeamten.
Abg. Mies (Zentr.) bittet, die Elsenbahn ⸗Landmesser aus der Klasse der Sekretäre herauszunehmen. x
Abg. Ring (kons.) empfiehlt die Bureagudiätare, welche aug den Militäranwärtern hervorgegangen sind, dem Wohlwollen des Ministers; diese Beamte seien durch die Neuorganisation zu kurz gekommen, und es müsse ihr Aufrücken erleichtert werden. Redner befürwortet ferner die Erhöhung des Gehalts der Bahnsteigschaffner und der Werkmeister. ö
Abg. Wetekamp (fr. Volkep.) wünscht die Herausnahme der Telegraphisten aus der Klasse der Unterbeamten, die Vermehrung der Beamten des Abfertigungsdienstes und Festsetzung eines bestimmten Verhältnisses zwischen den Zahlen dieser Beamten J. und II. Klasse. Die Titelfrage lasse ihn ziemlich kühl; es sei wünschenswerth, daß die Beamten sich außerhalb des Dienstes mehr als Bürger denn alt Beamte fühlten.
Abg. Kir sch (Zentr.) meint, daß der Titel und Ordenssucht und dem Streberthum entgegengetreten werden müsse, und erklärt sich deshalb gegen den Antrag Sattler und ebenso gegen den Antrag Lohmann.
Abg. von Eichel (kons) tritt für die Wünsche der Werkführer, der Lademeister und der Packmeister ein.
Abg. Dr. Sattler bemerkt, daß sein Antrag ja nur die Ersetzung eines Titels durch einen anderen bezwecke.
Die Anträge Sattler und Lohmann werden abgelehnt; die Besoldungen werden bewilligt.
Bei den Wohnungsgeldzuschüssen für die Beamten giebt
Abg. Dr. Schultz Bochum (al) eine Nebersicht über die Thätig˖ keit der Baugenossenschaft, welche sich auf Grund des aus der Staatz. kasse zur Verfügung gestellten Fond von 5. Millionen Mark gebildet habe, um für die Eisenbahnbeamten Wohnungen zu beschaffen. Diese Genossenschaft könne das Wohnungsbedürfniß der Beamten noch nicht hinreichend befriedigen, es müsse also die Herstellung von Dienst⸗ wohnungen in schleunigerem Tempo betrieben werden. Im rheinisch. westfälischen Industriegebiet finde der Eisenbahnbeamte auf dem Lande viel schwerer eine Wohnung und müsse mehr dafür bezahlen als in der Stadt, und diese Beamten seien auf einen Wohnungsgeldzuschuß von 60 oder 70 M angewiesen. Durch Theuerungszulagen müßten die Elsenbahnbeamten im rheinisch westfälischen Rr, wieder in den Stand gesetzt werden, gesunde Wohnungen zu miethen.