1898 / 74 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 26 Mar 1898 18:00:01 GMT) scan diff

4 . eingereichten Gesuche um Ausbau .

Wegestrecken wurden dem Landes⸗Ausschuß zur Berücksichtigung bezw. Bescheidung der Petenten überwiesen. Ein Gesuch um g für eine an Milzbrand gefallene Kuh wurde abgelehnt. Nachdem dann noch dem Pförtner bei der Heil- und Pflege⸗Anstalt Eichberg sowie einer früheren Waärterin bei derselben Anstalt ein. Gnadengehalt von je 200 S6 und einem Oherwärter bei der Heil⸗ und Pflege⸗Anstalt Weil⸗ münster 200 S6 als zweite Dienstprämie bewilligt worden waren, wurde die Sitzung geschlossen.

Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach.

Der Landtag erledigte gestern das Steuergesetz für die Jahre 1899—1901 und wurde sodann vertagt.

Sachsen⸗Coburg⸗Gotha.

Seine Königliche Hoheit der Herzog ist am 24. 8. M. in Villefranche angekommen. Das Befinden Höchsidesselben ist, der „Goth. Ztg.“ zufolge, jetzt im Ganzen befriedigend. Um jedoch nicht zu unvermittelt wieder in das rauhere nördliche Klima zu kommen, gedenkt Seine Königliche Hoheit noch bis etwa Mitte April im Süden zu verweilen.

Bremen.

Seine Majestät der Kaiser traf, wie ‚„W. T. B.“ meldet, gestern Nachmittag um 1 Uhr 45 Minuten am Kaiserhafen in Bremerhaven ein, wo die bereits vorher aus Bremen an⸗ gekommenen Theilnehmer an der Seefahrt Seine Majestät be⸗ grüßten. Bei dem Dampfer „Kaiser Wilhelm der Große“ hatte die Garnison mit Musik Äufstellung genommen. Seine Majestät begab Sich sofort mit dem Gefolge an Bord, worauf mit der Durchschleusung des Dampfers durch die Kammerschleuse begonnen wurde, welche um 3 Uhr beendet war. Das an beiden Seiten auf der Kaje zahlreich versammelte Publikum brachte fortgesetzt Hurrahrufe aus, wofür Seine Majestät freundlich dankie. Das Schiff ging dann mit voller Kraft stromabwärts. Das Wetter war klar, doch wehte ein stürmi⸗ scher Wind.

Oesterreich⸗ Ungarn.

Dem Erzherzog und der Erzherzogin Friedrich sind aus Anlaß des Hinscheidens der Erzherzogin Natalie die wärmsten Beileidsbezeugungen des Kaisers Franz Joseph, sämmtlicher Mitglieder des Kaiserlichen Hauses und der Deutschen Kaiserlichen Majestäten zugegangen,

Die „Neue Freie Presse“ meldet aus Tetschen, daß Schöner er in einer daselbst gestern abgehaltenen Versamm⸗ lung von Landwirthen namens seiner Gruppe die deutsche Gemeinschaft aufgekündigt habe; seine Partei nehme den Kampf gegen die deutsche Fortschritts- und Volkspartei wieder auf.

Großbritannien und Irland.

Im Unterhause fragte gestern Assmead⸗Bartlett an, ob die Pekinger Meldung der „Times“, daß Ching die Forde⸗ rungen Rußlands zugestanden habe, richtig sei. Der Par laments⸗ Sekretär des Auswärtigen Curzon erwiderte, die Regierung habe keine Bestätigung dieses Gerüchtes erhalten. Das Haus nahm im weiteren Verlauf der Sitzung die erste Lesung der Bill, betreffend die griechische Anleihe, an.

Frankreich.

Die Deputirtenkammer nahm gestern ohne Berathung den Gesetzentwurf an, welcher die Regierung ermächtigt, für Madagaskar eine Anleihe im Betrage von 5. Millonen Frances zu emittieren. Dieselbe ist hauptsächlich zur Anlage von Ver⸗ kehrswegen bestimmt.

Italien.

In der gestrigen Sitzung der Deputirtenkammer stellte, wie ‚W. T. B.“ berichtet, der Deputirte de Na va die Anfrage, was die Regierung in der Simplon⸗ Angelegenheit sowie bezüglich ihres Antheils an den Erträgnissen der Gotthardlinte angesichts der Verstaatlichung der schweizerischen Bahnen zu thun gedenke. Der Minister des Aeußern Visconti Venosta erklärte, die Regierung werde darüber mit der Schweiz in Unterhandlungen treten und nicht verfehlen, sich auch mit Deutschland ins Einvernehmen zu setzen, das sich hinsichtlich der Gotthardbahn in aleicher Rechtslage wie Italien befinde. Auf eine Anfrage der Deputirten Farina und Santini wegen der Gerüchte über den Verkauf itallenischer Kriegsschiffe nach dem Auslande erwiderte der Marine⸗Minister Brin: Die Regierung habe die ihr von fremden Staaten gemachten Anerbietungen, betreffend den Ankauf der im Bau begriffenen Kriegsschiffe, in ernstliche Er⸗ wägung gezogen, könne jedoch augenblicklich über die schweben⸗ den Unterhandlungen keine Mittheilungen machen. Der Minister fügte hinzu: Er könne die Erklärung abgeben, daß die Regierung darauf bedacht sei, sich streng an die Vorschriften des Kompta⸗ bilitätsgesetzes zu halten. Was das Unternehmen betreffe, um das es sich handele, so entspreche es den Staatsinteressen und werde zahlreichen Arbeitern Beschäftigung verschaffen. Die Abgg. Santini und Farina bekämpften lebhaft den Verkauf von Schiffen; ersterer sprach die Befürchtung aus, daß dies diplomatische Verwickelungen nach sich ziehen könne; Farina meinte, es sei nicht angängig, daß rieser Verkauf stattfinde, und führte aus, die Schiffe ‚Varese“ und „Garibaldi könnten nicht ohne ein eigens hierfür angenommenes Gesetz verkauft werden. Der Marine⸗Minister Brin wies die Beschuldigung zurück, daß die Operation, um die es sich handele, das Ansehen der Marine schädigen könne. Ihm habe immer der Gedanke am Herzen gelegen, die nationale Arbeit dadurch zu fördern, daß die eigenen Schiffe in Italien gebaut mürden ohne Heranziehung des Auslandes. Es sei ein erhebendes Gefühl, ganz und gar in Italien erbaute Schiffe fremden Nationen verkaufen zu können. Die Schiffe, wegen deren Verkauf man jetzt unter⸗ handle, ständen noch nicht in der Schiffsliste als Eigenthum des Staats aufgeführt. Außer dem Vortheil für die nationale Arbeit trage der Verkauf zur Erhöhung des An⸗ sehens des Staats bei; denn wenn die Vereinigten Staaten wegen des Ankaufs italienischer Schiffe unterhandelten, so bedeute dies, daß ein so industrielles Volk den Fortschritt des italienischen Schiffsbaues hochschätze. Er könne ver⸗ sichern, daß, wenn die Verhandlungen wegen des Verkaufs der beiden genannten Schiffe nicht zum Abschluß kämen, schon ein Vertrag mit auswärtigen Häusern wegen des Ankaufs ähnlicher Schiffe bereit liege. Die Regierung müsse die Frage nach jeder Richtung reiflich erwägen, ehe sie wegen des Verkaufs eine abschlägige Antwort ertheile. Die Ver⸗ theidigungskraft der italienischen Flotte erleide durch den Ver⸗ kauf keine Einbuße, da es sich um zwei noch nicht vollendete Schiffe

handele, die durch andere, bessere ersetzt werden könnten. Der

Minister schloß, es sei noch keine endgültige Entscheidung ge—⸗ troffen, und die Regierung werde sich von den wahren Interessen des Landes, von dem doppelten Standpunkte der nationglen Arbeit und der nationalen Vertheidigung aus leiten lassen. Es sei ein Lebenginteresse Italiens, daß der Markt in den Kolonien und in Süd-Amerika der italienischen Arbeit offen erhalten bleibe; irgend welche Komplikationen könne die vor—⸗ liegende Frage nicht herbeiführen. Schließlich brachten die Deputirten de Nobili, Santini und Genossen den Antrag ein, die Regierung aufzufordern, daß sie der Kammer einen entsprechenden Gesetzen twurf vorlege, ehe sie zum Verkauf von Schiffen schreite. Auf Vorschlag des Marine⸗Ministers wird dieser Antrag heute zur Berathung gelangen. Epanien.

Der Bericht der spanischen Untersuchungs⸗ kommission kommt, einer Meldung des „W. T. B.“ zu—⸗ folge, zu dem Schlusse, daß die Explosion auf der „Maine“ einer inneren Ursache zuzuschreiben sei. Der amexritanische Gesandte Wood ford hatte gestern eine längere Unterredung mit dem Minister des Aeußern Gullon.

Türkei.

Der großbritannische Botschafter Sir Philip Cuxxrie wurde gestern nach dem Selamlik von dem Sultan in Audienz empfangen. In amtlichen türkischen Kreisen wird die Meldung des „Standard“ über angebliche militärische Vor— bereitungen seitens der Türkei für unbegründet erklärt.

Griechenland.

Wie „W. T. B.“ aus Athen erfährt, erklärte Karditzi vor dem Untersuchungsrichter., daß die Dynamithombe, die er bei sich geführt habe, für Delyannis bestimmt gewesen sei; wäre der Anschlag gegen den König gelungen, so würde er sich nach Delyannis' Hause begeben haben, um dort die Bombe zu schleudern. Kein Anwalt habe die Vertheidigung Karditzts übernommen, weshalb worden sei; der Angeklagte habe indessen jede Vertheidigung für unnöthig erklärt.

Die Regierung hat zwei aus Thessalien desertierte tür—⸗ kische Offiziere ausgewiesen und dieselben nach Cypern gebracht.

Dänemark.

Die Session des Reichstags ist, wie „W. T. B.“

meldet, gestern geschlossen worden. Amerika.

Dem „‚Reuter'schen Bureau“ wird aus Washington

gemeldet, daß der Kapitän Marix mit dem Bericht der

Untersuchungskommission, betreffend die Explosion auf

der „Maine“, am Donnerstag daselbst eingetroffen sei. Der

1

Bericht sei gestern dem Marine⸗Sekretär Long übergeben worden, der ihn dem Präsidenten Mac Kinley überreicht

habe. Der Bericht werde in einer Konferenz der Mitglieder des Kabinets zur Verlesung gelangen und am Montag mit einer kurzen Botschaft über die der Explosion voran— gegangenen Ereignisse dem Kongreß zugehen. telegraphisch nach Madrid übermittelt worden, um von dem

amerikanischen Botschafter der spanischen Regierung vorgelegt Wie es heiße, solle der Bericht die Katastrophe haushalts⸗Etais für 1898 99 fortgesetzt.

zu werden. ö zwei auf einander folgenden Explosionen zuschreiben, von denen die erste durch eine unterseeische bewegliche Mine erfolgt sei,

worauf die zweite in einer kleinen Pulverkammer stattgefunden

habe.

Kommando über das fliegende Geschwader in Hampton⸗Roads zu übernehmen, und wird auf dem „Brooklyn“ als Flagg— schiff in See gehen.

acht Dampf Yachten und vier Schleppdampfer angekauft, welche als Hilfsschiffe der Flotte dienen sollen

Schiffe, welche zum Leuchtihurmdienst gehören, sind dem Marine⸗Departement überwiesen worden.

Nach einer amtlichen Depesche aus Havanna hat in der Sierra Chaparra ein Zusfammenstoß stattgefunden. Der General Lugque nahm das Lager der Aufstaͤndischen, von denen 48 getödtet und 150 verwundet wurden; auf seiten der Spanier wurden ein Kapitän und 9 Soldaten getödtet sowie mehrere Offiziere und 58 Soldaten verwundet.

Asien.

Der „Times“ wird aus Peking gemeldet, Rußland willige ein, daß Talienwan für Schiffe und für den Handel aller Länder gegen Entrichtung von Einfuhrzöllen, ähnlich den⸗ jenigen in den chinesischen Vertragshäfen, offen sein solle.

Die Verwaltung und Erhebung der Zölle werde dieselbe sein

wie in jedem anderen zussischen Hafen; Rußland verpflichte sich jedoch, den nach Abzug der Unkosten sich ergebenden Ueberschuß der in Talienwan vereinnahmten Zollgefälle an China abzuliefern.

Afrika.

Wie die „Times“ aus Kapstadt meldet, haben die Wahlen für den gesetzgebenden Rath eine knappe Ma⸗ jorität der Rhodes-Partei gegenüber der Fortschrittspartei ergeben.

Parlamentarische Nachrichten.

In der heutigen (70.) Sitzung des Reichstages, welcher der Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe, der Staats sekretär des Innern, Staats⸗-Minister Dr. Giaf von Posa⸗ dowsky⸗Wehner, der Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Staats-Minister von Bülow, der Staatssekretär des Reichs⸗Marineamts, Kontre⸗ Admiral Tirpitz und der Staatssekretär des Reichs⸗-Schatzamts Dr. Freiherr von Thielmann beiwohnten, wurde die zweite Berathung des . betreffend die deutsche Flotte, fort⸗ gesetzt.

Nach dem 8 2 soll die Bereitstellung der Mittel für die Ersatzbauten der jährlichen Festsetzung durch den Reichs⸗ haushalts-Etat mit der Maßgabe unterliegen, daß in der Regel Linien⸗ und Küstenpanzerschiffe nach 25 Jahren, große Kreuzer nach 20 und kleine Kreuzer nach 15 Jahren ersetzt werden können. Verlängerungen der Fristen bedürfen der Zustimmung des Bundesraths, Verkürzungen derjenigen des Reichstages.

. Freiherr von Buol bittet die Redner, sich streng an die Sache zu halten, damit die zweite Berathung der Vorlage und auch die zweite Berathung des Martine ⸗Etats noch heute erledigt

ihm ein Offizialsertheidiger bestellt

Der Bericht sei

. ; geringeren Za Dem Vernehmen nach hat das Marine⸗-Departement

Sechzehn

g. Liebermann von Sonnenberg Reformp.): Nach dieser Bitte des Präsidenten muß ich es mir versagen, den Standpunkt meiner Partei so ausgiebig zu vertreten, wie die anderen Partelen es getban haben. Ich muß mir das Recht dazu bis zur dritten Lesung vorbehalten.

Abg. Dr. Rintelen (Zentr.): Es ist mir schwer geworden, für das Sexennat zu stimmen angesichts der Stimmung der fatholischen Bevölkerung gegenüber der Haltung der preußischen Re⸗ gierung bei der Debatte über den Kultus⸗Gtat ( Präsident Freiherr von Buol fordert den Redner auf, zur Sache zu kommen); noch viel schwerer wird es mir, für dag Aeternaf zu stimmen. Ich habe für 8 1 gestimmt, weil ich mich überzeugt habe, daß neue Steuern für die Durchführung der Vorlage kaum nöthig fein werden, und weil ich mich von der Mehrheit meiner Freunde in dieser wichtigen Frage nicht trennen will. Durch §2 bindet sich der Reichstag auf ewige Zeiten; er kann nach Ablauf der sechs Jahre niemals wieder freie Hand bekommen; er kann einen Ersatzbau nur verweigern, wenn der Bundesrath damit einvperstanden ist; sonst müssen die Mittel dafür immer zu einer gewissen Zeit in den Etat eingestellt werden. Damit ist das Budgetrecht des Reichstages ein für allemal beseitigt. Das hindert mich, für § 2 zu stiramen.

Im weiteren Verlauf der Debatte, über welche am Mon⸗ tag ausführlich berichtet werden wird, nehmen wiederholt das Wort: der Dt e eg fte ?. des Innern, Staats⸗Minister Dr. Graf von Posadowsky, der Staatssekretär, des Reichs-Marineamts, Kontre-Admiral Tirpitz, die Abgg. Fuchs (Zentr.), Dr. Barth (fr. Vgg), Roeren (Zentr.), Dr. Spahn (Zentr... Richter (fr. Volksp.), Dr. von Levetzow (d. kons), Singer (Soz), Dr. von Bennigsen (nl), Keßler (3entr.) und der Berichterstatter Abg. Dr.

Lieber (Hentr).

Bei Schluß des Blattes wird die namentliche Abstimmung vorgenommen, welche die Annahme des § 2 mit 193 gegen 1I18 Stimmen ergiebt.

Auf der Tagesordnung der heutigen (56.) Sitzung des es der Abgeordneten, welcher der Vize⸗Präsident taats⸗Ministeriums, Finanz-Minister Dr. von Miquel und der Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen bei⸗ wohnten, stand zunächst die Berathung des Berichts über die Bauausführungen und Beschaffungen der Eisenbahnverwaltung während des Zeitraums vom 1. Oktober 1896 bis dahin 1897.

Abg. Möller (nl.) beantragt, die Berathung dieses

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aus 8 S

Gegenstandes sowie der Nachweisungen der zur Förderung des

Baues von Kleinbahnen bis Ende 1897 bewilligten oder in Aussicht gestellten Staatsbeihilfen von der Tagesordnung ab⸗ zusetzen und erst später in Verbindung mit den Verhandlungen über das Kleinbahngesetz stattfinden zu lassen, damit die Be⸗

rathung des Staatshaushalts-Etats für 1898/99 beschleunigt

werden könne.

Die Abgg. Dr. von Heydebrand und der Lasa (kons.) und Dr. Porsch (Zentr.) schließen sich diesem Vorschlage an, während Abg. Broemel (fr. Vgg.) ihm anfangs widerspricht, schließlich aber seinen Widerspruch zurückzieht.

Der Vorschlag des Abg. Möller wird angenommen.

Die Mittheilung des Finanz-Ministers und des Ministers der öffentlichen Arbeiten, betreffend den Erlös für verkaufte Berliner Stadtbahnparzellen, und der Bericht über die weitere Ausführung von Eisenbahnverstaatlichungsgesetzen werden in einmaliger Berathung durch Kenninißnahme erledigt.

Hierauf wird die zweite Berathung des Staats⸗

(

Die Etats der Staats-Schuldenverwaltung und der allgemeinen Finanzverwaltung werden ohne Debatte

ö r,, genehmigt. Der Commodore Schley hat den Befehl erhalten, das

Beim Etat des Finanz⸗-Ministeriums weist

Abg. von Arnim (kons.) darauf hin, daß die große Zahl der Regierungs Assessoren nicht im rechten Verhältniß stehe zu der viel der Regierungs⸗Räthe. Die etatsmäßigen Stellen müßten vermehrt werden, damit die Assessoren nicht so lange auf ihre Anstellung zu warten brauchten.

Unter⸗Staatssekretär Meinecke: die Wartezeit der AÄAssessoren möglichst zu verkürzen. letzten Zeit ist eine größere Zahl von Assessoren Räthen ernannt worden.

Abg. Bartels (kons.) erachtet es für gleichgültig, ob die Ge⸗ schäfje von Assessoren oder Regierungs⸗Räthen erledigt werden, wenn die Beamten nur ausreichend kesoldet merden. Die Vertheilung der Assessoren auf die einzelnen Abtheilungen der Regierungen müsse nach bestimmten Grundsätzen erfolgen. Es fei zu bedauern, daß dieser Ver⸗ bandlung der Minister des Innern nicht beiwohne, von dem diese Beamten ressortierten.

Unter⸗Staatsseksetär Meinecke: Die Wartezeit beträgt jetzt nur noch 8 Jahre; der Assessor bekommt schon nach 2, 3 Jahren 1500 40 Remuneration. Früber mußten die Assessoren 5, 6 Jahre warten, ohne daß sie einen Pfennig erhielten.

Abg. Dr. von Heydebrand und der La fa (kons.): Vielleicht ließen sich diese Mißstände durch eine gewisse Dezentralisation der Verwaltung, durch eine Theilung der Regierungsbezirke beseitigen.

Vize ⸗Präsident des Staats, Ministeriums, Finanz Minister Dr. von Miquel: Dieser Frage sind wir schon früher näher ge— treten; man hat uns aber davon abgeratben, z. B. in Düsseldorf. Ich gebe zu, daß einzelne Regierungs-Präsidenten überlastet sind. Vielleicht empfiehlt es sich, den Ober⸗Regierungs⸗Räthen eine andere Stellung zu geben. Der Minister des Innern ist keineswegs hier der einzige Ressort⸗Minister in dieser Frage. Die An⸗ stellung der Regierungs Räthe geschieht in Uebereinstimmung mit anderen Ressorts. Der Fonds zur Remunerierung der Assessoren ist um eine halbe Million Mark erhöht worden, und eine weitere Er⸗ höhung soll noch erfolgen nach Maßgabe der Berufung von Assessoren. Auch die Zahl der etatsmäßigen Stellen wird noch weiter ver— mehrt werden. Andererseitß wird bei der Annahme der Assessoren und auch der Referendare mit der größten Vorsicht zu verfahren sein. Der Minister des Innern hat für die Regierungs ⸗Assessoren das größte Interesse.

Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (fr. kons.): Die Regierungs⸗Präsidenten können bei der Fülle der Geschäfte kaum noch die Verantwortung tragen. Der Regierungsbezirk Oppeln könnte allerdings getheilt werden. Bei den anderen Regierungsbezirken aber würde es sich empfehlen, die Dezentralisation durchzuführen, sodaß das Landrathsamt die staatliche Obrigkeit in erster Instanz veitritt und auch die Gnischeidung trifft. Dies würde das Schreibwerk vermindern und die Geschäfte er⸗ leichtern. Soll aber der Landrath seine Aufgabe voll erfüllen, so darf er sein Amt nicht mehr als Durchgangspoften für höhere Stellen ansehen, fondern muß mit den Interessen des Kreises verwachsen sein. Gin anderer höherer Beamter, ein Assessor, könnte ihm einen großen Theil des Schreibwerks abnehmen. Ich bitte also, den Gedanken einer derartigen Dezentralisation noch weiter zu verfolgen, als es bisher schon geschehen ist.

Abg. Bartels bemerkt, daß bei der jetzigen nebel lestunf der Regierungen kaum zuviel Assessoren und Referendare vorhanden eien. Die Ober⸗Regierungs⸗Räthe, welche die Geschäfte der früheren Direktoren versaͤhen, sollten nicht mehr mit einer Funktionszulage abgefunden, sondern ihren Leistungen entsprechend mit den Senats Präsidenten der letztinstanzlichen Gerichte im Rang und Gehalt gleich⸗ gestellt werden.

Die Regierung ist bemüht, Noch in der zu Regierungs⸗

Abg. Freiherr von Plettenberg (lons) steßt der Frage der Dezentralisation sympathisch gegenüber erklärt sich aber gegen eine Theilung des Regierungsbezirk Düssel dorf.

Abg. Dr. Friedberg (nl,): Wird der Vorschlag des Abg. von Zedlitz durchgeführt, so hört der Landrath auf, lokaler Beamter zu sein. Für die Bezirksregierungen müßte eine etate mäßige Vorstufe eingeführt werden, wie sie auch bei den Gerichten besteht.

Abg. Kirsch (Zentr) bedauert, daß einzelne Beamtenkategorien

durch das Beamtenbesoldungsgesetz vorübergehend schlechter gestellt worden seien und daß eine Ausgleichung durch eine generelle An ordnung des Ministers nicht überall durchgeführt sei. Die Straf⸗ anstalts⸗Sekretäre bezögen jetzt ein Miimalgehalt von 1500 9, z06 S weniger als bisher. Verhandlungen jwischen dem Minister des Innern und dem Finanz ⸗Miniffer sollten zu keinem Resultat ge⸗ führt haben. Diesen Beamten müsse eine Remuneration gegeben werden. Geheimer Ober ⸗Finanz⸗Rath Belian: Diesen Beamten ist das Dienstalter um drei Jahre vordatiert worden. Die Verbandlungen mit dem Minister des Innern hahen zu einem befriedigenden Ergebniß geführt.

(Schluß des Blattes.)

Statistik und Volkswirthschaft.

Auswärtiger Handel des deutschen Zollgebiets im Februar 1898. (Nach dem vom Kaiserlichen Statistischen Amt herausgegebenen Februarheft.)

A. Einfuhr im Februar in Tonnen zu 1000 kg netto: 2572 869 gegen 2 340 825 im Februar 1897, daber mehr 232 143. Hierunter Edelmetalle 108. An der Steigerung nehmen bauptsächlich heil: Droguerierl, Apotheker, und Farbewagren (4 25919), Erden, Erze ꝛc. (63 363), Getreide ꝛe. (21 834), Holi e und Waaren daraus (64 807), Steine und Steinwaagren (16 961), Kohlen (97 9369), während die Einfuhr von Material . Spe⸗ zereie, Konditorwaaren erheblich (um ts1 799) zurückgegangen ist. Der Nusfall betrifft hauptsächlich ungeschälten Reis und Weizenmehl. Die Gesammteinfuhr in den beiden Jahresmonaten betrug h 516730 gegen 4 929 608 im Vorjahr, daber 4 587 092. Die erbeblichste Steigerung zeigt sich bei Kohlen (4 220 314), dann bei Holz [96 514), Getreide (96 363), Erden, Erzen (89 029).

B. Ausfuhr im Februar in Tonnen zu 1000 kg netto: 2166 889 gegen 1 964188 im Februar 1897, daher mehr 1967091. Hierunter Edelmetalle 37. An der Steigerung sind hauptsächlich be⸗ tbeiligt: Drogurie⸗ c. Waren (4 13572), Eisen und Eilenwaaren (22 850). Erden, Erze (32 927), Getreide (45 938), Steine ze. 14 5485, Kohlen (57 131), Thonwaaren (6270), während nur 10 von 4 Nummern des Zolltarifs eine Abnahme der Ausfuhr mit ins—⸗ gesammt 7181 zeigen. Ueber die Hälfte (3844) entfällt auf Material · ꝛc. Waaren (Rohzucker ift um 23 620 gefallen, Brotzucker dagegen um 9697 gestiegen).

Die Gesammtausfuhr in den Monaten Januar und Februar betrug 4 498 659 gegen 3 814 699 im Jahre 1897, daber mehr 683 g60. Mehr als die Hälfte entfällt auf Koblen (50 708), dann folgen Erden, Erze (83 14), Getreide (981 634). Rur 6 von 43 Zolltarif Nummern zeigen eine Abnahme der Ausfuhr.

Im Februarheft ist auch die Kammgarneinfuhr berücksichtigt; sie ergab (stalistische Nummern 887/891) in den beiden Monaten 704 t.

Deutschlands Roheisenprodu ktion.

Nach den statistischen Ermittelungen des Vereins deutscher Eisen⸗ und Stahlindu strieller belief sich die Roheisen⸗ produktion des Deutschen Reichs (einschl. Luxemburgs) im Monat Februar 1898 auf 5? a4 tb; darunter Puddelroheisen und Spiegel⸗ eisen 123 658 t, Bessemerroheisen 35 341 t, Thomasroheisen 294 468 t, Gießereiroheisen 104 057 t. Die Produktion im Januar 1898 betrug

626 871 t, im Februar 1897 519 859 t. Vom 1. Januar bis 28. Fe⸗ bruar 1898 wurden produziert

1184395 1 gegen 16084323 t im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

Zur Arbeiterbewegung.

In Tilsit haben, einer Mittheilung des „Vorwärts“ jufolge, 600 Arbeiter auf den Holzplätzen die Arbeit niedergelegt; sie fordern die zehnstündige Arbeitszeit.

In Schwerte sind, wie die ‚Rhein.Westf. Ztg. berichtet, die An streichergesellen wegen Lohnstreites in den Ausstand getreten.

In Leipzig ist der Ausstand der Dachdeckergehilfen, der nach einer Mittheilung der ‚Lpz. Ztg.“ neun Tage dauerte und wegen Lohnstreites ausgebrochen war, für beendet erklärt worden. Die Forderungen der Gehilfen sollen im wesentlichen bewilligt worden sein.

Hier in Schuhfabriken, wie

Berlin ist der Ausstand der Schuhmacher der der ‚Vorwärts“ mittheilt, zu Ungunsten der Arbeiter beendet worden. In einer am Mittwoch abgebaltenen Ver⸗ sammlung der Ausständigen wurde einstimmig beschlossen, die den Fabrikanten unterbreiteten Forderungen in Bezug auf den Arheits—⸗ nachweis zurückjuziehen und mit den Fabrikanten darüber in Ver— handlung zu treten, daß die Arbeit zu den alten Bedingungen auf⸗ genommen wird und keine Maßregelung durch den Aibeite nachweis statifinden. Von den Fabrikanten soll den Vertretern der Arbeiter er⸗ klärt worden sein, daß niem and von dem Arbeitsnachweis gemaßregelt werden solle.

Kunst und Wissenschaft.

Das Antiquarium des Königlichen Museums“) hat im letzten Quartal des Jahres 1897 eine kleine griechische Bronzelampe zum Geschenk erhalten und ferner folgende Neuerwerbungen (sämmtlich aus dem Kunsthandel) gemacht: Zunächst acht griechische bemalte Thongefäße, darunter eine alterthümliche Schale, die dem bisher in der Sammlung nicht vertretenen sogenannten Vurva⸗Typus angehört, mit schwarzfiguriger Darstellung nebeneinander gestellter Thiere und dazwischen Poseidon thronend, ihm gegenüber Triton; ferner ein Gefäß aliböotischer Gattung in Gestalt eines Schweins, auf dessen Bauch tanzende Männer aufgemalt sind. Ein Gefäß in Kopfform gehört der attischen Keramik vom Ende des VI. Jahrhunderts vor Chr. an und ist merkwürdig durch eine in rothfiguriger Technik auagesparte Palmette am Hinterkopf. Eine rothfigurige Oinochoe des V. Jahrhunderts zeigt am Grabe ein Mädchen, dem ein hinzutreten⸗ der Jüngling wie tröstend die Hand auf den Scheitel legt. Gleich falls dem V. Jahrhundert gehört eine weißgrundige Pyxis an mit Darstellung häuslicher Scenen. Das IV. Jahrhundert ist durch einen großen Skypbos vertreten, auf dem Herakles unter den Göttern und auf der anderen Seite ein bacchisches Bild aufgemalt ist. An figürlichen griechischen Terrakotten sind erworben: Ein mykenisches

dol, eine, weibliche Gottheit auf einem Delphin stehend, eine känzerin, eine Frau auf einem Stier sitzend, eine Sphinx, eine Sirene, sämmtlich von alterthümlichem Stil, ferner eine dem 1V. Jahrhundert angehörige, aber noch streng belleidete weibliche Figur, ein Stier im Typus der Kabirion⸗Votive und eine kleine Cikade. Unter den neuerworbenen Bronzen ragt am meisten hervor ein schlauchförmiges Gefäß mit reichverziertem

riff aus Boßcoreale. Gin Schöpflöffel mit einem als Enienkopf endenden Griff und ein alterthümlichez, mit gravierten Ornamenten ersehenec. flaches Gefäß mit weit eingebogener Wandung, das guf ren dreifüßigen Unterfatz steht, stammen aus Griechenland; An , . Stücken sind die Statuette eines leierspielenden Apoll, ein 2 mblem eines Geräths verwendeter bärtiger Kopf im Silens— Ws und eine sehr zierliche, kauernde Aphrodite zu nennen, die die

) S. a. Nr. 71 d. R. u. St. Anz..

Bekrönung einer Nadel bildet. Die Sammlung der Gläser wurde durch eine geriefelte Schale aus bräunlichem Glase und einen griechischen blauen Aryballos mit gelber und weißer Aederung be— reichert. Zu den Silbergefäßen kam ein zierliches, fein ge⸗ arbeitetes, aber leider siark fragmentiertes griechisches Fläschchen hinzu, dag der Form und Ornamentik nach wahrscheinlich dem III. Jahrhundert v. Chr. angehört. Die Miscellaneen- Sammlung ist durch neun Zaubergeräthe aus Bronze und Stein vermehrt worden; sie stammen aus Pergamon. Die rr , arbeiten am Hildesbeimer Silberschatz haben auch im letzten Quartal des veiflossenen Jahres, freilich nicht ohne größere Unter— brechungen, ibren Fortgang genommen. Das neu eingerichtete Zimmer, in dem der Schatz Aufstellung gefunden hat, liegt neben dem Mittel saal der Sammlung iwischen den beiden Dienstzimmern und hat vor⸗ zügliches Licht. Die Gefäße sind in zwei besonderen Schränken von etwa 2 m Länge und Höbe und 3 bis 4m Breite aufgestellt, die ge⸗ wöhnlicheren Gebrauchsgefäse in der unteren, das feinere Geschirr, die Schalen, Becher, Näpfe u. dergl. in der oberen Abtheilung. Die Ver⸗ theilung der Gefäße in die beiden Schränke ist so vorgenommen, daß die zu Garnituren zusammengehörigen Stücke zusammen⸗ geblieben sind; im übrigen ist die Absicht, jedes einzelne Stück in seiner Schönheit und Eigenart möglichst zur Geltung zu bringen, für die Aufstellung maßgebend gewesen. Diese Absicht hat auch dazu gesührt, den großen Kiater mit den Schlingpflanzen und Putten ganz für sich auf einem eigenen Untersatz zwischen den beiden Schränken aufzustellen. Er ist durch diese Isolierung als das bedeutendste Stück des Schatzes hervorgehoben.

Das Münzkabinet erwarb in dem angegebenen Zeitraum 503 Münzen, 11 Stück Papiergeld, 189 galvanoplastische Münz⸗ kopien, 2 Siegelstempel und einen fragmentierten Brief von dem be—⸗ rühmten Numismatiker J. H. Eckhel. Unter den neu erworbenen griechischen Münzen ragt durch die Schönheit der Darstellung eine Großbronze von Tarsos bervor mit dem Kopfe des Antinoos und dem Bilde des auf einem Panther gelagerten jugendlichen Dionysos. Von den deutschen Münzen der sächsisch-fräntischen Kaiserzeit sind er— wähnenswerth ein Magdeburger Pfennig (aus dem Funde von Uenglingen in der Altmark), der um das Jahr 1199 zu Ehren des Kaifers Otto J. geprägt ist, und eine merkwürdige Reihe zu Wein⸗

heim (einer Münzstätte der Aebte von Lorsch) geprägter Dünnpfennige. Aus dem Brakteaten⸗Funde von Ringleben im Schwarzburgischen, welcher neben einem Reiterpfennig des Landgrafen Ludwig IV. von Thü⸗

ringen zumeist Nordbäuser Pfennige mit dem sitzenden Königspaar enthielt, war dem Münzkabinet die erste Auswahl zu nehmen ge— stattet. Der der Wende vom XIII. zum XIV. Jahrhundert an⸗ gebörende Fund von Alterode (unweit Halle) hat außer einer Anzahl Brandenburger Denare namentlich im Anschluß an diese seitens der Herzöge ron Sachsen⸗Wittenberg, der Grafen von Anhalt, Breng und Querfurt und der Abtei Quedlinburg geprägte Pfennige sowie kleine Brakteaten geliefert. Das Ministerlum der öffentlichen Arbeiten überwies aus dem großen Funde an der alten Brücke zu Frankfurt a. M. 68 deutsche Goldmünsen aus den Jahren 1726 bis 1814 als Geschenk.

Im Königlichen Kunstgewerbe⸗Museum ist gegenwärtig in einem der oberen Räume eine Anzahl von Neuerwerbungen ausgestellt, welche den Bestand der Sammlung, namentlich auf zwei Gebieten, der Keramik und der Goldschmiedekunst, ansehnlich erweitern, gleichzeitig aber auch die künstlerischen Leistungen unserer Tage berück= fichtigen. Die Wände des Raumz schmücken ein persischer Kunstteppich von 7 m Länge auös dem Ende dez 16. Jahrhunderts sowie zwei italienische TerracottaFriese der Renaissance Zeit, darunter einer von seltener Schönheit. Unter den keramischen Arbeiten seien besonders eine Gruppe von Fayencen von Bernard Palissy, eine Fasntiner Buckelschale mit dem ungewöhnlichen Decor: Weiß auf schwarsblauem Grund, erwähnt; ferner von Porzellanen ein Savreg-Teller mit zosenrothem, gemeinhin als rose Dubarry bezeichnetem Fond, zwei Nymphenburger Teller, eine Fürstenberger Vase, sewie ein in kleinem Maßstabe gefertigtes Monument auf Gellert in Meißner Porzellan. In einem besonderen Schrank ist eine Anzahl chinesischer Porzellane vereinigt; darunter finden sich eine Gruppe von Arbeiten in zweifarbiger Scharffeuer⸗ malerei (blau und kupferroth unter Glasur) sowie gute Beispiele aus dem Anfange des 18. Jahrhunderts mit einerseits zarten und durch⸗ sichtigen, andererseits opaken Emails über der Glasur. Gut sind ferner eine Rothglafur. Vase und eine Flasche in etwas matter Blau— malerei und narbiger Glasur (peau d'orange).

Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt in den Edelmetall⸗ arbeiten; obenan stehen einige Prachtstücke, wie eine überaus feine goldene Zuckerdofe Pariser Arbeit um 1775 und drei gothische Stücke: ein Hostienloͤffel mit dem Relief ⸗Figürchen der Madonna und Achatgriff, ein Abendmahlskelch vom Jahre 1575, sowie ein Damengürtel mit Silber und Emailschmuck. Die drei letztgenannten Stücke sind eine höchst werthvolle Stiftung aus der bis zu Anfang dieses Jahres im Museum aufgestellten Sammlung des verstorbenen Banquiers Martin Heckscher.

Eine in ihrer Art einige Erwerbung bildet ein bei Pritzwalk in der Prignitz gehobener Fund von mittelalterlichem Schmuckgeräth, größtentheils aus vergoldetem Silber mit Verwendung von Niellez und Emailschmuck, farbigen Steinen und Korallen. Er enthält Spangen, Schließen in vollständigen Garnituren, Ringe, Knöpfe und Besatzstücke in verschiedener Größe und Ausführung nebst wenigen Münzen. Diese, einzelne Wappen sowie die ornamentalen Typen weisen auf die Zeit um 1400 hin, ohne eine befriedigende Vermuthung für die Herkunft und die Umstände des Zusammenfindens zu ergeben.

Nicht unerwähnt seien die Zinn Nachbildungen von 17 bezeichnenden Stücken aus dem großen antiken Silberfund von Boscoreale jetzt im Louvre zu Paris und eine mit dem Original ausgestellte Nach- bildung einer großen Zinnkanne im Besitz der Stadt Zittau, eines Hauptwerks deutscher Jinngießerei des 16. Jahrhunderts.

Aus der Zahl der Möbel und Holzarbeiten erwähnen wir einen schönen italiensschen Bildrahmen des 16. Ihs. sowie einen Kabinet⸗ schrank auf Säulengestell in Ebenholz mit Schnitzerei und ein⸗ grapviertem Ornament: ein Möbeltyp, der in der ersten Hälfte des 17. Ihs. besonders in Frankreich verbreitet gewesen zu sein scheint. Ber Gegenwart endlich, und zwar jener neuesten Richtung der französischen und belgischen Möbelkunst, welche auf den vorjährigen Autzflellungen in Brüssel und Paris sehr bemerkt wurde, gehört ein eleganter Toilettenlisch mit Stuhl von Charles Plumet in Paris an, von knapper, auf Ornamentschmuck verzichtender, vielfach an Eisen— arbeiten erinnernder Formenbehandlung.

Die neuerworbenen Textilien, darunter außer einigen mittelalter lichen, theilweise durch Aufnahmen ergänzten Stoffen Arbeiten von Hermann Obrist in München und ein in der Webeschule zu Scherre⸗ heck (Nordschlegwig) ausgeführter Wandteppich nach dem Entwurf von O. Eckmann, sind in der oberen Galerie um den großen Lichthof ausgestellt. .

Im Königlichen Kunstgewerbe⸗Museum sind gegen— wärtig von dem Königlichen Institut für Glasmalerei drei nach Kartons des Malers Julius Jürß ausgeführte Glasfenster ausgestellt, welche für das Treppenhaus der Villa des Stadtraths Barnling in Wietbaden bestimmt sind. Die Fenster stellen unter Bezugnahme auf die Berufsthätigkeit des Bestellers die Mechanik, die Industrie und den Bergbau dar. Der Figur des Bergbaues ist auf Wunsch des Bestellers eine von Professor Fr. Reusch in Königsberg modellierte Statuette eines Bergmanntz 4us dem „Bismarck Museum in Schönhausen zu Grunde gelegt. Die Malerelen find, entsprechend dem Stilcharakter der Villa, in den Formen der Renaissance gehalten; die technische Behandlung beruht auf der Schwarzloih⸗ Malerei unter Anwendung von in der Fritte gefärbten Gläfern mit Sinschluß von Kunstgelb und Ueberfangglakt.

Auch in den diesjährigen Osterferken findet in den biesigen Königlichen Museen ein archäologischer Kur sus für Lehrer höherer Unterrichts- Anstalten statt. Das Programm für diese Vorlesur gen, weiche Vormittag um 8 Uhr beginnen und (mit einer Pause) bis 3 2 Uhr dauern, lautet: 1) Donnerstag, den 14. April. Im Neuen Museum am Lustgarten. Direktor Pro⸗ fessor Dr. Erman: „Gepptische und assprische Denkmäler,. 23) Freitag, den 15. April. Im Alten Museum am Lust⸗ garten. Professor Dr. Kalkmann: „Alterthümer von Pergamon.“ 3) Sonnabend, den 16. April,. In der Olympia Aus⸗ stellung, hinter der National- Galerie. Oberlehrer, Professor Pr. Trendelenburg: „‚Altertbümer von Olympia. 4) Montag, den 18. April. In der Sammlung der Gixgabgüsse im Neuen Museum. Geheimer Regierungs Rath, Profefsor Dr Kekule von Stradanitz: „Die attische Kunst. Abendz 7 Uhr. Geheimer Regierungs- Rath, Professor Dr. Diel s: Die neugefundenen Gedichte des Bakchylides.“ 5) Diensfag. den 15. April. Im Museum für Vyͤller⸗ kunde, Königgräͤtzerstraße 120. Professor Dr. Winnefeld⸗ Die Autzgrabungen Schliemann's in Hissarlik. Tiryns und Mykenä'. 6) Donnerstag, den 21. April. In Neuen Museum (Antiquarium). Professor Dr. Winter; „Antike Keramik.. 7) Freitag, den 23. April. Im Neuen Museum (Antiquarium). Direktorsal. Assistent Dr. Pernice: „Antike Silber- und Bronze⸗ arbeiten?“. Die VDirektorialbeamten des Alten und des Neuen Mufeums (insbefondere diejenigen des Münzkabinets), sowie des Museumts für Völkerkunde sind bereit, während der Dauer des Kursus die Herren Theilnehmer an demselben persönlich durch die ihnen unter⸗ stellten Sammlungen zu führen.

Theater und Musik.

Königliches Schau spiel haus.

Ernst Rosmer's Märchendrama Königskinder“ mit der Mustt von Engelbert Humperdinck erfreut sich dauernd der Gunst des Publikums. Gestern trat als Gaͤnsemagd zum ersten Male Fräulein Ilong Sperr auf, welcher Darstellerin diese Rolle von Anfang an zugedacht war. Die junge Künstlerin bringt für die Rolle der Maid im Zauber. walde eine kindlich zarte Gestalt, gedankenvolle Augen und ein helles, jugendfrisches Organ mit. Dadurch kommt der Reiz der ersten Jugend- blüthe zu schöner Erscheinung, wie es das Märchen verlangt; denn es spricht ja von Könige kindern, vom Knaben, welcher das Mägdlein lebt. Da aber jedes Märchen einen tiefen geheimnißoollen Sinn birgt, in dem sich gleichsam die Volksseele ausspricht, so müssen auch die Märchenkinder, aus geheimnißvollen Augen schauend, die Fülle und den Reichthum einer reinen und tiefen Seele offen⸗ baren. Daran ließ es Fräulein Sperr wohl noch etwas fehlen. Ihre Gefühle haften noch an der Oberfläche und kommen noch nicht mit der wünschenswerthen Natürlichkeit und Unbefangenheit zum Aut druck. Daß ihr ein echter Herzton aber nicht fremd ift, bewies das leise Erschauern, welches sie bewegte, als sie das Nahen einer unsichtbaren Gewalt ahnungsvoll mit den Worten ankündigte: ‚Groß⸗= mutter, ich habe einen Menschen gesehen. Die Besetzung der übrigen Rollen war unverändert. Herr Christlans war wieder ein echter Märchenprinz und Herr Pohl ein wanderfroher, furchtloser Spielmann.

Konz erte. ĩ .

Nach altem Herkommen in der vorosterlichen Zeit führte die Sing- Akademie gestern Bach'sche Passionsmusik auf. Dank dem unermüdlichen Eifer des Direktors, Professors Blumner, war es dies⸗ mal die so selten gesungene Johannis⸗Passion?. Sie wurde zum ersten Male 1833 von der Sing⸗Akfademie zu Gehör gebracht, dann erst wieder nach 50 Jahren und hat seitdem nur wenige Aufführungen erlebt, eigentlich mit Unrecht, denn gerade diese Passionsmnusik sist von wahrer innerlicher Frömmigkeit und wirkt tief ergreifend. Die eingeflochtenen Choräle, deren lieblichster Ach, Herr, laß dein lieb' Engelein“ das Werk beschließt, wurden von dem Chor mit jener ernften Schlichtheit wiedergegeben, wie sie der Zweck des Werkes, zur Andacht ju stimmen, erfordert. Gleichwie in der Matthäus Passionꝰ sind auch hier die Volkschöre in knapper Kürze gehalfen und kamen belebt und charakteristisch zum Ausdruck. Von den Soli fiel die große Aufgabe des Evangelisten Herrin Dierichs zu, und ihm besonders gebührt hohes Lob für die edle Art, mit welcher er die Recitative vortrug und das Melodische in ihnen stets klar hervorhob. In der dramatischen Schilderung der elementaren Vorgänge, wie sie die Worte „der Vorhang zerriß“ ꝛc. enthalten, mit der jäh in die Tiefe stürzenden Skala in der Begleitung und dem Tremolo beim Beben der Erde, ist Bach seiner Zeit weit vorausgeeilt. Herr Rolle sang die re. des Jesus mit schönem, volltönendem Baß; vielleicht hätte er den Dulder etwaz weniger und dafür den Welterlöser mehr hervorheben können. Herrn van Eweyl's für den Pilatus fast zu sympathisches Organ kam besonders in der mit Harsen⸗ und Cello⸗Begleitung ausgestatteten Arie . Betrachte, mein Seel“ zu schöner Geltung, ebenso Frau Geller⸗ Wolter's tiefe Altstimme in der Arie ‚Es ist vollbracht!“ Fräulein Haverlandt's feine Stimme führte die Sopran ⸗Arien gewandt und kunstvoll, aber etwas kühl aus.

Herr Dr. Felix Kraus gab am Mittwoch im Saal der Sing⸗Akademie seinen zweiten Liederabend, in welchem er wiederum die Zuhörer mehr durch seine große Vortragskunst als durch die Schönheit des Gesanges fesselte. Sein heroisch veranlagter Baß⸗ Bariton zeigt sich für den Vortrag kleiner lyrischer Lieder etwas spröde, doch versteht der Sänger es, ihren Empfin⸗ dunge gehalt zu klarer Darstellung zu bringen. Ein unsicheres Anfassen der Töne ließ nur die Intonation zuweilen schwankend erscheinen. Herr Karl Prohaska und Herr Dr. Goehler unterstützten auch diesmal den Konzertierenden durch Klavier- vorträge resp. Begleitung. An demselben Tage gab die junge Pianistin Fräulein Helene Obron ska im Saal Bechstein ibr erstes hiesiges Konzert und ließ in demselben ihre unter Leitung des Herrn Franz von Hennig trefflich geschulte Technik sowie eine feurig belebte Vortragsweise erkennen. Von besonderem Interesse war es, die fast gänzlich unbekannte Sonate in C-dur von F. W. Rust zu hören, die etwa im Jahre 1792 komponiert wurde und die Tiefe Bach's mit der Grazte Searlatti's vereinigt. Eine hierin bemerkbare, wohl durch das erste öffentliche Auftreten erklärliche Befangenheit der Konzertgeberin verschwand im Laufe des Abends fast gänzlich, so daß der Vortrag einer Humoreske (op. 53) von E. EG. Taubert, des beliebten As - dur - Nocturne (op. 19) von R. Radecke, und der Chopin'schen Polonaise in As-dur durch nichts beeinträchtigt wurde. Die junge Dame erntete für ihre aner⸗ kennenswerthen Leistungen Beifall und Hervorruf. Die Sängerin Fräu⸗ lein Cornelie Flues unterstützte das Konzert durch den Vortrag einiger Lieder von Beethoven, Gluck, Schumann, Schubert und Haydn, die sich gleichfalls einer günstigen Aufnahme erfreuten. Herr Ernst Otto Nodnagel gab in der Aula des Falk⸗ Realgymnasiums am Mittwoch seinen vierten Noritäten⸗Abend. Außer Liedern von Max Schillings und Felix Weingartner waren es besonders die eigenen Kompositionen des Konzertgebers und Sängertz, „Glückes genug! und „Sommertageglück', die mit außerordentlich lebhaftem Beifall aufgenommen wurden. Die Klavierbegleitung be⸗ fand sich in den geschickten Händen der Frau Henriette Bielenberg.

Am Donnerstag veranstaltete im Saal der Sing⸗Akademie dle hier bereits bekannte Pianistin Mary Wurm ein Konzert mit dem Philharmonischen Orchester. Sie begann mit dem etwas veralteten A-moll-Konzert von Hummel (op. 8b), bei dessen Vortrag zwar eine große Fertigkeit, aber wenig Kraft des Anschlags Arkennen ließ. Bie Wiedergabe der Rubinstein'schen Romanze in FE-dur gelang der Künstlerin am besten, während die Cis - dur Polonaise von Zarembski ihre Kraͤfte überstieß. Als Komponistin zeigte sich die Künstlerin noch in einem Konzert mit , n,, . welches zwar fließend und melodiös geschrieben ist, aber zu wenig Eigenart enthält. Das Werk wurde von den Zuhörern freundlich aufgenommen. Herr Charles

Dyer, ein Schüler von Frau Joachim, trug einige Lieder von Fielitz,