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aß ein solcher Zweifel nicht bestehen
e ist 6. Auffaffung der Reichs. Justizamts bei—⸗ getreten. Demgemäß hat denn auch der Herr Präsident des Hauset,
und zwar mit Rücksicht auch auf einen früheren Vorgang, seine Zu⸗
stimmung dazu ausgesprochen, daß die Berichtigung erfolge, und auf Grund dieser Uebereinstimmung mit dem den Reichstag repräsen⸗ tierenden Organ, dem Herrn Präsidenten des Hauses, und nachdem auch die Zustimmung des Bundegraths mit dieser Auffassung kon⸗ statiert worden war, ist die Berichtigung geschehen.
Meine Herren, wenn der Vorgang irgendwie Bedenken erregen könnte — nach meiner Ueberzeugung sind solche Bedenken freilich unbegründet —, dann würden sie schon dadurch sich erledigen müssen, daß in früherer Zeit in einem anderen Falle unter noch schwierigeren Verhältnissen ganz in der gleichen Weise verfahren worden ist. Das ist im Jahre 1873 geschehen und betraf die Berichtigung, die auch von dem Herrn Vorredner er wähnt wurde, zu dem Militärstrafgesetzbuch. In einer seiner Straf⸗ bestimmungen, die eine viel schwerer wiegende Bedeutung haben als die Bestimmung der Gewerbeordnung, um deren Korrektur es sich hier handelte, war, wie ja von dem Herrn Vorredner zutreffend hervorgehoben worden ist, durch ein Versehen im Bureau des Hauses eine Zeile weggeblieben und damit eine Limitierung des Strafmaßes weggefallen. Es handelte sich um die Frage, ob man nachträglich diese Zeile einschalten könne. Damals lag der Fall auch noch insofern mißlicher, als schon in einem früheren Stadium der Verhandlungen des Reichstages dieser Irrthum vor- gekommen war und man damals vielleicht wohl zweifeln konnte, ob in den weiteren Lesungen des Hauses der thatsächliche Wortlaut der Vorlage dem Sinne der Beschlüsse des Reichstages entspreche. Aber, meine Herren, bei der Regierung glaubte man damals keinen Zweifel darüber hegen zu sollen, wie die Absicht des Hauses gewesen war, als es seine Beschlüsse faßte. Aber auch damals hat die Regierung es für an⸗ gemessen gehalten, eine Berichtigung nicht eintreten zu lassen, bevor sie sich darüber mit dem Präsidenten des Reichstages benommen hatte. Nun, meine Herren, der damalige Präsident des Reichstages, der Herr Präsident Dr. Simson, der spätere Präsident des Reichsgerichts, also gewiß eine parlamentarisch wie juristisch unanfechtbare Autorität, hat sich dahin ausgesprochen, daß die Berichtigung unbedenklich sei. Die Berichtigung ist darauf erfolgt, sie ist in der Praxis nicht beanstandet worden, und wir sind nur denselben Weg gewandelt bei der gegen—⸗ wärtigen Berichtigung, welcher im Jahre 1873 betreten ist, ohne daß damals oder später von irgend einer Seite, namentlich auch nicht aus diesem Hause heraus, ein Bedenken gegen das Vorgehen erhoben worden wäre.
Nun, meine Herren, ist hier angeführt worden, daß diese Be— richtigung ohne Unterschrift erfolgt sei, daß man gar nicht wisse, von wem sie ausgegangen sei und daß sie auf Autorität infolgedessen einen Anspruch nicht erheben könne. Meine Herren, das ist eine Be— merkung, die sich auch bei verschiedenen Staatsrechtslehrern findet, die, wenn man sich auf einen ganz formalistischen Standpunkt stellt, sich vielleicht vertreten läßt, aber die doch durch eine lange Praxis der Verwaltung in Preußen wie im Reich für uns überholt ist. Man hat im Laufe der Zeit eine Menge von Berichtigungen dieser Art vornehmen müssen — natürlich Irrthümer kommen bei derartigen Publikationen ja unausbleiblich vor, bei aller Sorgfalt sind sie nicht zu vermeiden. Weder die Gerichte, noch irgendwelche Verwaltungestellen, noch auch die parlamentarischen Körperschaften im Reich und in Preußen haben bisher Anstand genommen, derartige Berichtigungen zu respektieren, und, meine Herren, das ist ja ganz natürlich, denn das ganze Gesetzblatt erscheint unter der Autorität und Verantwortlichkeit der Regierung, es kann in das Blatt nichts hinein⸗ kommen, als was auf die Veranlassung der Regiernng hineingesetzt worden ist. Ob mit, ob ohne Unierschrift, alle Bekanntmachungen gehen von dem für das Gesetzblatt verantwortlichen Ressort aus; sie sind rein amtlicher Natur.
Aber, meine Herren, ich will Sie nach dieser Richtung noch weiter beruhigen. Wir haben in neuester Zeit eine Entscheidung des Reichs⸗ gerichts bekommen, die einen ähnlichen Fall betrifft. Sie betrifft eine Korrektur, die vorgenommen werden mußte an dem vor zwei Jahren erschienenen sogenannten Depotgesetz. Auch bei diesem Gesetz waren kleine Irrthümer untergelaufen, die einer Berichtigung bedurften. Die Berichtigung ist im Reichs- Gesetzblatt in ganz gleicher Weise erfolgt wie die gegenwärtig angefochtene Berichtigung. Sie ist aber Gegenstand eines Prszesses geworden und der Prozeß bis in die letzte Instanz, an das Reichegericht gelangt insofern, als der Verklagte die Ungültigkeit der betreffenden Bestimmungen wegen der aus der Korrektur sich ergebenden, unzureichenden Publikazion behauptete. Das Reichsgericht hat sich indeß an dem Vorkommniß nicht gestoßen; es hat diese Berichtigung nicht beanstandet und ist über den Einwand des Verklagten hinweggegangen.
Ich glaube, wenn die Regierung auf solche Vorgänge, die unter der Sanktion der parlamentarischen Autoritäten, der gerichtlichen und der Verwaltungepraxis stehen, und die jetzt auch bei dem höchsten Gerichtshof des Reichs nicht auf Bedenken gestoßen sind, sich berufen kann, wird sie auch mit gutem Gewissen behaupten dürfen, daß ihr Verfahren nicht anfechtbar ist. Ich möchte meinerseits bitten, dem vorliegenden Antrage keine Folge zu geben und es bei der bisherigen Praxis, die im Hause niemals beanstandet worden ist, zu belassen.
Abg. Freiherr von Stumm (Rp.): Die Sache ist von Herrn Stadthagen iu übermäßiger Weise aufgebanscht worden, darüber kann kein Zweifel sein. Der letzte Absatz des § 1382 ist damals fast unverändert so geblieben, wie er von den verbündeten Regierungen vorgelegt wurde; es ist nur eine kleine Abänderung vorgenommen, im übrigen hat der Reichstag der Vorlage in zweiter und dritter Lesung zugestimmt. Nur durch ein Versehen ist die Nummerierung nicht berichtigt worden. Ein besonderer Gesetzentwurf würde sich nicht lohnen; ich halte es deshalb für zweckmäßig, daß der Reichstag durch
Beschluß seine Zustimmung zu dieser Berichtigung ertheilt.
Abg. Dr. Spahn (Zentr.): Daß Gesetz und Verfassung verletzt sind, kann ich durchaus nicht anerkennen. Die Berichtigung ist materiell vollständig richtig. Besser waͤre es vielleicht gewesen, die Berichtigung nicht im Reichs Gesetzblatt sondern nur in den Ver— ordnungsblättern vorzunehmen. Daß ein Versehen vorliegt, kann durchaus gar nicht zweifelhaft sein. Ich will dem Präsidenten nicht u nahe treten, aber ich möchte doch die Frage aufwerfen, ob der
räsident in diesen Fragen befugt ist, den Reichtztag zu vertreten. ch möchte bitten, daß die beiden gestellten Anträge der Sozial
demokraten und des Herrn von Stumm der Geschästsordnungskom⸗ mission überwiesen werden.
ollen die bei ublilation von Gefetzen vor. ommen, richtig gestellt werden? Bet aller e , vor dem äsidenten kann ich ich ihm doch nicht das Recht geben, in dieser
r . den Reichstag zu vertreten. So wie die Anträge gestellt sind,
sind sie nicht annehmbar. Der Widerruf der erichtigung würde ja den Irrthum selbst noch nicht richtig stellen. Es wird zweckmäßig sein, die Anträge einer Kommission zu überweisen. Ich muß jedenfalls bestreiten, daß die Staatssekretäre der Reichsämter die Befugniß in Anspruch nehmen, einseitig ohne Unter schrift und ohne Mitwirkung des Reichstages eine Berichtigung vor— zunehmen. Es können allerdings Fälle vorkommen, wo einzelne Irr⸗ thümer berichtigt werden müssen; aber diese Berichtigungen müssen
oder seines Stellvertreters, und der Reichstag muß von dieser Be— richtigung in Kenntniß gesetzt und seine nachträgliche Zustimmung eln⸗ geholt werden.
Abg. Stadthagen: Der gegenwärtige Präsident kann nicht die Meinung eines früheren Reichktages zum Ausdruck bringen. Der Antrag des Herrn von Stumm kann nur in Form eines Gesetzes in drei Lesungen zur Annahme gelangen.
Staatssekretär des Reichs⸗Justizamts Dr. Nieberding:
Meine Herren! Ich möchte gegenüber den Ausführungen des letzten Herrn Redners doch noch einmal konstatieren, daß, soweit ich erkennen kann, das ganze Haus mit Ausnahme der Herren auf der äußersten Linken darin mit den verbündeten Re— gierungen übereinstimmt, daß die Berichtigung, die wir im Reichs Gesetzblatt vorgenommen haben, den korrekten Sinn der Beschlüsse von Reichstag und Bundesrath wiedergiebt. (Sehr richtig! rechts) Wenn Herr Stadthagen noch Zweifel hegt und sogar so weit geht, der Verwaltung die Möglichkeit zu unter— stellen, daß sie die Berichtigung vorgenommen habe, weil sie sich scheue, die Hilfe des Reichstages in Anspruch zu nehmen, so glaube ich, bedarf das einer weiteren Widerlegung nicht. (Sehr guth Ich überlasse das der Würdigung des Hauses.
Wenn der Herr Abgeordnete dann die Frage aufgeworfen hat, ob die Gerichte nun an die Berichtigung gebunden seien, so habe ich darauf zu antworten, daß die Gerichte frei zu prüfen haben, ob und in welchem Sinne die Publikation eines Gesetzes richtig und ver— fassungsmäßig erfolgt ist. Die Gerichte würden also dieser Berich— tigung vollständig frei gegenüberstehen und sich darüber schlüssig machen können, ob die Berichtigung zur Publikation des Gesetzes gehört oder nicht.
Hierin liegt auch ein Moment gegenüber den Bedenken, die von dem Herrn Abg. Dr. von Bennigsen geltend gemacht worden sind. Es ist für die Reichsverwaltung vollständig unmöglich, auf dem hier erörterten Wege, also durch Einschiebung einer Berichtigung in das Reichs- Gesetzblatt eine Abweichung von dem herbeizuführen, was seitens der gesetzgebenden Faktoren des Reichs beschlossen worden ist; denn diese Berichtigungen stehen unter der Kontrole der Gerichte; diese werden darüber befinden, ob die Berichtigungen dem Sinn der durch die Verfassung vorgesehenen Publikation der Be— schlüsse der gesetzgebenden Faktoren entsprechen. Also die Be sorgniß, daß möglicherweise auf diesem Wege von seiten der Regierung etwas geschehen könnte, was den Sinn des Gesetzes vollständig verkehrt, er⸗ ledigt sich ohne weiteres durch die selbständigen Prüfungsbefugnisse, die den Gerichten gegenüber derartigen Publikationen zustehen. Des⸗ halb können Sie nach meiner Meinung auch ruhig den Gerichten überlassen, ob in der That die hier fragliche Berichtigung korrekt ist oder nicht. Für das Land, für die betheiligten Interessen, ist damit jede Möglichkeit einer Schädigung verhütet. Werden die Gerichte erkennen im Sinne dessen, was wir berichtigt haben, dann wird sich das Haus dabei bescheiden dürfen, daß unser Verfahren ein korrektes ist. Wenn die Gerichte anders erkennen, dann ist unsere Berichtigung hinfällig, dann ist in anderem Sinn der Inhalt des Gesetzes festgestellt. Nach dieser Richtung werden auch etwaige
Beschlüsse Ihrer Kommission nichts ändern können, denn auch ihren Beschlüssen gegenüber stehen die Gerichte vollständig unabhängig da, und Sie werden auf dem Wege, der durch diese Kommissions— berathung in Aussicht genommen ist, nach meiner Meinung nichts erreichen. Wenn Sie bindende Maßregeln vorsehen wollen, die auch den Gerichten gegenüber eine Textberichtigung als entscheidend hin— stellen, so kann nur der Weg eines neuen Gesetzes gewählt werden. Aber darin werden Sie alle mit mir einverstanden sein: die vorliegende Sache ist auf der einen Seite zu klar, auf der andern zu unbedeutend, als daß man den Weg der Gesetzgebung dafür hätte in Anspruch nehmen dürfen.
Nach einigen weiteren Bemerkungen der Abgg. Freiherr von Stumm und Dr. Spahn stellt . Abg. Dr. von Bennigsen fest, daß es dem Reichstage nur darauf ankommen könne, daß bei allen solchen Berichtigungen der Reichstag in irgend einer Form mitwirke.
Die gestellten Anträge werden einstimmig der Geschäfts⸗ ordnungskommission überwiesen. Der Etat des Reichskanzlers wird genehmigt.
Es folgt der Etat des Auswärtigen Amts.
Abg. Richter (fr. Volkep) fragt, wie es mit der Verlängerung des zum 30. Juli 1898 gekündigten englischen Handelsvertrags stehe, und ob eine provisorische Verlängerung eintreten solle. Er fragt ferner, oh Bedenken entgegenständen, die Abmachungen mit China zu veröffentlichen. . .
„Direktor im Auswärtigen Amt, Wirklicher Geheimer Rath Reichardt: Meine Berren! Ich erlaube mir auf die Anfrage des Herrin Abg. Richter bezüglich der Handels vertrags · Verhandlungen mit England zu erwidern, daß diese seit geraumer Zeit in Gang befind⸗ lichen Verhandlungen bis in die neueste Zeit förderlich fortgesetzt worden sind. Wir haben ganz kürzlich von England eine materielle Erklärung über unsere Vorschläge erhalten. Diese materielle Erklärung unterliegt jetzt der Prüfung, entzieht sich aber selbstverständlich jeder näheren Darlegung in diesem Augenblick. In der Ungewißheit darüber, oh die eingeleiteten Verhandlungen bis zum 30. Juli zum definitiven Abschluß eines neuen Vertrags führen werden, sind beide Regierungen gegenwärtig in einen Meinungsaustausch über die Möglichkeit getreten, durch ein Provisorium die gegenseitigen handels⸗ politischen Beziehungen zu regeln.
Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Staats⸗Minister von Bülow:
Auf den letzten Theil der Ausführungen des Herrn Vorredners aus dem Hause habe ich zu erwidern, daß der — alle früheren auf Kiaotschau und Shantung bezüglichen Abmachungen zwischen der deutschen und der chinesischen Regierung zusammenfassende — Ge⸗ sammtvertrag am 6. d. M. in Peking unterzeichnet worden ist. Die Urkunde dieses Vertrages ist vorgestern mit dem Dampfer des Nord⸗ deutschen Lloyd „Bayern“ aus Tientsin abgegangen und soll Anfang Mai hier eintreffen. Ueber den Inhalt des Vertrages vermag ich
zur Zeit keine weiteren Mittheilungen zu machen als diejenigen, welche
Hauses zu bringen.
dann sofort erfolgen und zwar mit Unterschrift des Reichskanzlers
Auf eine Anregung des Abg. Sch midt⸗Frankfurt eee der einen Fall von Belästigung eines Deutschen in Bu garien zur Sprache bringt, erklärt .
Unter-Stagattesekretär Dr. Freiherr von Richthofen, daß dem Auswärtigen Amt der Fall nicht bekannt geworden sei, daß aber eine Untersuchung eingeleitet werden würde.
Abg. Pauli (Rp) fragt, ob in der Witu⸗Angelegenhelit der Ge⸗ brüder Denhardt etwas geschehen sei.
Unter⸗-Staatzsekretär Dr. Freiherr von Richthofen: Im Junt vorigen Jahres ist die Sache in der Petitionskommission verhandelt und dabet die Mittheilung gemacht worden, daß die Ansprüche der Gebrüder Denhardt durch ein Schiedsgericht entschieden werden sollen, wenn der Rechtsweg nicht zulässig ist. Ob das letztere der Fall ist, ist noch nicht festgestellt.
Abg. Werner (Reformp.): Diese ausweichende Antwort kann mich ebensowenig befriedigen, wie die frühere Antwort. Die Abtretung von Witu zum Austtausch gegen Helgoland ist von allen patriotischen Männern auf, da entschtedenste herurtheilt worden. Wenn bie Veutschen im Auslande so im Stiche gelasfen werden, wie die Gebrüder Denhardt, dann ist es kein Wunder, daß die Veutschen dem Vater⸗ lande nicht treu bleiben.
Unter⸗Stagtssekretär Dr. Freiherr von Richthofen: Ob die Ansprüche der Gebrüder Denhardt vollständig berechtigt sind, wurde in der Petitionskommission ebenfalls bezweifelt; man hielt dafür, daß es sich dabei um kaufmännische Spekulationsgeschäfte handelte
Abg Dr. Lieber (Sentr): Wir sind auch patriotische Männer, aber wir haben die Gewinnung von Helgoland für das Reich stets mit Freuden begrüßt.
Abg. Werner: Ich hätte nur gewünscht, daß ein anderes Objekt dagegen ausgetauscht worden wäre.
Der Etat des Auswärtigen Amts und der Etat der Schutz⸗ gebiete werden genehmigt.
Darauf wird um 5 Uhr die weitere Berathung bis Mittwoch 12 Uhr vertagt.
Preuszischer Landtag. Herrenhaus. 9. Sitzung vom 29. März 1898.
Auf der Tagesordnung steht zunächst der mündliche Be⸗ richt der Finanzkommission über den Gesetzentwurf wegen Erhöhung des Grundkapitals der Preußischen Zentral⸗Genossenschaftskasse von 20 auf 50 Millionen Mark.
Berichterstatter Herr von Graß beantragt die unveränderte An= nahme der Vorlage und berichtet eingehend über die Verhandlungen, welche in der Kommission über die ganze Geschäftsgebahrung der Kasse stattgefunden haben. .
Präsident des Reichsbank -Direktoriums Dr. Koch: Ich bin mit der Erhöhung des Grundkapitals der Kasse vollkommen cinverstanden. Die Aufgabe der Kasse ist ja allerdings sehr schwierig, aber sie kon⸗ trolliert sehr eingehend den Vermögensstand der kreditsuchenden Ge⸗ nossenschafts verbände. Doch die Solvenz der Verbände allein genügt nicht, um ihnen Kredit gewähren zu können. Es darf sich immer nur um einen vorübergehenden Kredit handeln. Im anderen Hause ist bei dieser Gelegenheit wieder die Reichs bank abfällig kritisiert worden. Vie Reichshank steht der Zentral. Gen ossenschaftskasse durchaus freundlich gegen⸗ über. Es ist behauptet worden, die Reichsbank halte keinen stabilen Zing— fuß. Die Reichsbank bemüht sich aber ebenfalls in dieser Richtung, sie hat im vorigen Jahre 19 Wochen lang den Diskont auf 305 gehalten. Die Genossenschaftskasse kann sich auf die Reichsbank stützen; die Reichsbank hat keine solche Stütze, sie ist immer der letzte Geldgeber und muß deshalb unter Umständen mit dem Zinsfuß in die Höhe gehen. Solche Umstände sind eingetreten, und wir mußten den Diskont nothwendiger Weise bis auf 5 oo erhöhen, um den Metallvorrath zu schützen. Wir müssen eben den Bewegungen des Geldmarktes folgen. Mit den bewährten Grundsätzen der Reichsbank nützen wir dem Lande.
WVeigze⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:
Zuvörderst muß ich dem Herrn Reichsbank⸗Präsidenten meinen Dank für seine Zusicherung aussprechen, daß er auch in Zukunft der Zentral— genossenschaftskasse mit Wohlwollen gegenübertreten wird, denn wir haben ja in manchen Beziehungen allerdings, wie jedes große Geschäft im Lande, auf die Hilfe der Reichsbank zu rechnen, und wie ich be⸗ zeugen kann, daß in der Vergangenheit die Reichsbank in dieser Beziehung in durchaus freundlicher Weise der Zentralgenossenschafts⸗ kasse entgegengelommen ist, so freue ich mich um so mehr, daß das auch in Zukunft der Fall sein wird. Andererseits wird die Reichsbank sich aber auch klar gemacht haben, daß die Existenz der Zentralgenossen⸗ schaftekasse die Reichsbank von vielen für sie mehr oder weniger lästigen Anforderungen befreit hat (sehr richtig! Man muß zugeben, daß die Reichsbank nicht in der Lage ist, die Kreditverhältnisse der Landwirthschaft in der Weise zu berücksichtigen, wie es die Zentral⸗ genossenschaftskasse vermag, und letztere ist ja gerade für diesen Zweck gegründet, weil man sich sagte, die Anforderungen, die die Land⸗ wirthschaft an den Kredit stellen muß, sind ganz andere, wie die An— sprüche det Industrie und des Handels. (Sehr richtig h
Ich kann aber nun vor allem dem Herrn Berichterftatter meinen besonderen Dank aussprechen für die außerordentliche Klarheit, EGinsicht und sachentsprechende Behandlung der ganzen Frage, die aus seinem Referat hervorging. (Zustimmung.) Ich kann nur sagen, ich habe daraus erkannt, daß der Berichterstatter tief in die Bedeutung aller in dieser Richtung auftauchenden Fragen eingedrungen ist. (Sehr richtig h
Meine Herren, im andern Hause sowohl wie hier hat der Antrag der Königlichen Staatsregierung, das Grundkapital der Genossenschafts⸗ kasse zu erhöhen, vollständige Zustimmung, gefunden und ich glaube, wir haben in den Motiven und in der Denkschrift das Bedürfniß nach dieser Seite hin auch unwiderleglich nachgewiesen. Man muß ja gewiß bei der Erhöhung des Grundkapitals eines Geschaͤfts Vorsicht walten lassen, denn ein all zu großes Grundkapital, welches keine richtige Verwendung im Geschäft findet, ist ein gefährliches Ver—⸗ führungsmittel für die Verwaltung, mag sie auch noch so solide sein, und wir sind im Finanz Ministerium erst nach gründlicher, bis in die Details gehender Prüfung zu dieser von der Verwaltung der Zentral⸗ genossenschaftskasse gewünschten Erhöhung des Grundkapitals geschritten.
(Schluß in der Zweiten Beilage.!
zum Dentschen Reichs⸗A
Zweite Beilage
Berlin, Mittwoch, den 30. März
** 23.
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Die Zentralgenessenschaftskasse muß doch möglichst — möglichst, sage ich — auf eigenen Füßen stehen. Ihr Kapital muß für sie an sich in regelmäßigen Zeiten allein ausreichen, sie darf sich nicht gewöhnen, regelmäßig das Manko ihres Grundkapitals zu decken durch An⸗ leihen, die sie beim Finanz ⸗Minister macht. Ich bin ja vielfach deshalb getadelt, daß ich auch dauernde Hilfe, soweit die Staats- interessen es gestatten, durch Hergabe von Vorschüssen an die Zentral⸗ genossenschaftskafsse gewährt habe; ich habe aber nie einsehen können, warum 1 zeitweilige Rentbarmachung überflüssiger Kapitalien, die zeitweilig in der Generalkasse sich befinden, nicht vorgenommen werden soll, warum ich die Bestände bloß der Seehandlung zur Verwendung für reine Handelszwecke und nicht vielmehr ebensogut für die Land- wirthschaft durch Gewährung von Vorschüssen an die Zentral⸗ genossenschaftskasse verwenden soll. (Bravo!) Im Gegentheil, ich freue mich, daß jetzt die Landwirthschaft und das Kleingewerbe eine Organisation gefunden haben, durch welche eine derartige Hilfe möglich geworden ist, die nicht auf Kosten des Staats, sondern im Interesse der Rentbarmachung der Kapitalien des Staats gegeben wird und also nicht als eine unberechtigte Begünstigung einer einzelnen Klasse angesehen werden kann. Die Zentralgenossenschaftskasse hat uns sogar angeboten, daß sie bereit sei, den Durchschnittszins, den die Seehandlung für diese vom Staate rentbar gemachten Kapitalien zahlt, ihrerseits auch zu vergüten. Die Verhandlungen schweben darüber noch, ich bin aber im Interesse beider Theile im Ganzen nicht geneigt, hierauf einzugehen, aber das beweist doch, daß die Zentralgenossen⸗ schaftskasse in dieser Beziehung vor der Seehandlung keinerlei Vor- züge beansprucht, sondern bereit ist, dasjenige zu leisten, was der Staat durch eine bisher ausschließliche anderweitige Beleihung be— kommen hat.
Nun habe ich aber immer doch davor gewarnt, daß die Zentral⸗ genossenschaftekasse sich gewifsermaßen gewöhnt, auf diese vom Staat gegebenen Vorschüsse zu rekurrieren, denn das ist eine unsichere Sache. Wie häufig kommen wir selbst bei der Reichsbank nahezu an das Minimum heran, welches wir bei derselben nach den Verträgen in der Reichsbank liegen haben müssen! Es können plötzlich starke Anforde⸗ rungen an die Generalstaatskasse herantreten, namentlich bei großen Zahlungen für Bauten, Konvertierungen ꝛc. ꝛc., und es könnte sür die Zentralgenossenschaftskasse gefährlich werden, dann darauf allzuviel zu rekurrieren. Sie muß ihren Hauptstützpunkt in ihren eigenen Kapitalien haben. Wir sind auch sehr vorsichtig gewesen, da wir nicht gleich 30 Mil⸗ lionen gegeben haben, sondern das Kapital nur verdoppelt haben, also um 20 Millionen erhöht, und es dem Finanz⸗Minister vorbehalten haben, nach Maßgabe des eintretenden Bedürfnisses das Kapital um 30 Millionen zu erhöhen. Ich glaube also, wir haben nach beiden Seiten hin alle Vorsicht walten lassen. Meine Herren, so viel steht doch wohl fest: wer das Geschäftsgebahren der Zentralgenossenschafts— kasse sich einigermaßen angesehen hat, muß zugeben, daß dieselbe für die mittleren Klassen in Stadt und Land eine wahre Wohlthat ge⸗ wesen ist (sehr richtig!), und ebenso steht fest, daß wir in keiner Weise die freie Bewegung, die Selbstverwaltung und Selbstverantwortlichkeit der einzelnen Genossenschaften und Genossenschaftskassen über die Maßen beengt haben. Wir sind nicht weiter gegangen, als es noth⸗ wendig ist für jeden Kreditgeber, um sich eine genaue Kenntniß von der Lage des Kreditnehmers zu verschaffen und sich vollkommen klar⸗ zuhalten, daß die Gelder, die die Zentralgenossenschaftskasse an die Verbandskassen leiht, auch lediglich zu dem Zweck verwendet werden, zu welchem der Staat sie hergiebt. (Sehr richtigh
Diese beiden Standpunkte müssen wir unbedingt festhalten. Wir können nicht dulden, daß eine Verbandskasse, mit der wir ja nur direkt in Geschäftsverbindung stehen, die vom Staate gegebenen Vorschüsse etwa für ihre eigenen, gar für Spekulationszwecke verwendet; diese Gelder müssen ausschließlich verwendet werden für die Genossenschaften, für die die Verbandskasse nur als Vermittlerin dient zwischen den Einzel⸗ genossenschaften nnd der Zentralgenossenschaftskasse. Diejenigen Kontrolen, welche dazu nöthig sind, um hierüber völlig klar zu werden in der Zentralstelle, brauchen wir unbedingt, und diejenigen Kosten, welche, wie es hier und da gegenwärtig fast den Anschein hat, hierin ein Uebermaß von Eingreifen seitens der Zentralgenossenschafiskassen finden, die befinden sich auf verkehrtestem Wege. Wer diese Kontrolen, die wir nach unseren Erfahrungen für nothwendig halten, und auf denen das revidierte Reglement beruht, nicht zulassen will, ja, meine Herren, der muß schließlich auf die Geschäftsverbindung mit der Zentral— genossenschaftskasse verzichten; denn der Herr Berichterstatter hat mit Recht hervorgehoben, wenn diese festen — er sagt sogar starren — Grund⸗ sätze nicht beobachtet werden, dann hat die ganze segensreiche Thätig⸗ keit der Zentralgenossenschaftskassen schließlich ein Ende. (Sehr richtig ) Mit bloßer Laxitude kann man sich zwar für den Augenblicke Freunde machen (Heiterkeit); aber man gefährdet den großen Zweck einer dauernden und nach meiner Meinung bei richtiger Verwaltung in Zukunft noch weitaus wachsenden Hilfe für die Landwirthschaft und für das Klein- gewerbe. (Sehr richtig) Der Herr Berichterstatter hat sehr richtig hervorgehoben, daß eine gewisse Gefahr in jedem solchen Staatsinstitut liegt, wie man deswegen auch vorgezogen hat, die Reichsbank nicht als ein Staatsinstitut zu konstituieren; gar zu leicht entsteht der Glaube: jetzt steht der Staat hinter der Sache, dessen Besitz ist unendlich, und von dem kann man Mitteln fordern jeder Art, Wohlwollen und Güte nach allen Richtungen. (Sehr richtig) Meine Herren, dieser Glaube war hier auch im Anfang wohl an manchen Stellen ausgebildet; es sind dadurch im Anfang allerdings in der Verwaltung manche Schwierigkeiten entstanden, und diese Geschäftsvorschriften und Grund
sätze, welche wir jetzt festgestellt haben, sind eben ein Produkt der Er⸗
fahrungen, die wir in der Zwischenzeit gemacht haben. Der Herr Berichterstatter hat das ganz richtig dargelegt. Leute, die sich bloß zusammenthun, um drückende andere Schulden abzustoßen, Realkredit⸗; schulden zu bezahlen, und die es, weil sie keinen Realkredit mehr haben, nun versuchen, unter der Form des Personalkredits sich zu helfen in Gesellschaften, die den schönen Namen „wirthschaftliche
Genossenschaften' annehmen, aber in Wahrheit „Pumpgesellschaften“ sind (Heiterkeit), die, meine Herren, können wir auf die Dauer nicht hrauchen. Wir können nicht zulassen — und darauf hat der Herr Berichterstatter auch mit vollem Recht hingewiesen —, daß man ver⸗ sucht, diesen Personalkredit zu Zwecken zu verwenden, für welche ledig lich der Realkredit vorhanden ist. Wenn jemand ein Lagerhaus oder eine Scheune oder einen Stall bauen will und er fordert dafür Per- sonalkredit, so fordert er ihn nicht zur Ergänzung und Stärkung seines Betriebskapitalg, sondern für Zwecke, die es ihm unmöglich machen, in einer gegebenen Zeit zurückzuzahlen. Wie will denn der Mann, der sich einen Stall baut, von diesem Personalkredit in einer gegebenen Zeit, selbst innerhalb eines Jahres, einen solchen Kredit wieder flüssig machen und zurückzahlen? Nein, meine Herren, für eine richtige feste Begrenzung derjenigen Zwecke, für welche der Personalkredit allein dienen darf, ist die erste Bedingung, daß die
Kapitalien nicht festgelegt werden und nachher so eine Weiterent⸗
wickelung des Genossenschaftswesens gänzlich ausgeschlossen wäre. Allerdings bin ich der Meinung, daß, wenn es uns gelingt, diesen Personalkredit immer weiter im Lande zu organisieren, unter den möglichst günstigsten Bedingungen mit denjenigen Fristen, die die Land⸗ wirthschaft und das Kleingewerbe brauchen, daß dadurch die Vorautsetzung einmal gegeben wird und allein gegeben werden kann zu einer wirk— lichen eingreifenden Einschränkung des Realkredites und der Ver— schuldung des Grundbesitzes zu kommen. Diese wirthschaftliche Erziehung, die gerade die Genossenschaftskasse leisten muß, ist fast noch mehr werth als Geld. Wenn wir zu lax sind, wenn wir keine festen Grundsätze beobachten, dann richten wir geradezu Unheil an: nicht bloß dadurch, daß die Leute unnützes Geld nehmen und sich mehr und mehr verschulden, sondern weil wir das Gegentheil dann sind von einem wirth⸗ schaftlicher Erzieher; wir verführen die Leute zu leichtem Kreditnehmen, und wir erreichen geiade das Gegentheil von dem, was diese Kasse erreichen muß. (Sehr richtig) Meine Herren, Sie können versichert sein, daß die Verwaltung der Kasse entschlossen ist, nach diesen Grund⸗ sätzen zu verfahren, und daß auch ich bemüht sein werde, die Ver— waltung immer in dieser Linie zu halten. Ich bin überzeugt, wir werden da manche Klage hören, daß die Verwaltung zu streng, zu engherzig ist, daß sie den einzelnen Wünschen nicht genügend entgegen⸗ kommt; aber ich möchte die Herren bitten, wenn Sie solche Klagen hören, genau zu prüfen, und ich glaube, Sie werden in allen Fällen finden, daß die Klagen unbegründet sind und die Kasse Recht hat.
Die Kasse ist ein öffentliches Institut. Sie können sicher sein, daß wir jede Kritik, die gegen ihre Geschäftsgebahrung in begrändeter Weise geübt wird, gern hören, prüfen und schließlich dasjenige darauf verfügen werden, was erforderlich ist. (Lebhaftes Bravo h
Herr von Klitzing: Die Geschäftsführung der Kasse ist bisher eine vortreffliche gewesen. Als aber Herr Dr. Heiligenstadt aus der Reichsbank in die Genossenschaftékasse übertrat, setzte er neue Grund sätze für die Geschäftsführung durch, gegen welche die landwirthschaft⸗ lichen Genossenschaftsverbände Front gemacht haben. Der Verband der Provinz Brandenburg hat mich beauftragt, dies zur Sprache zu bringen.
Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:
Es haben sich allerdings, wie ich erfahren habe, fünf Kassen vorläufig geweigert, diese Grundsätze anzunehmen. Gründe haben sie mir noch nicht beigebracht, und ich werde mit den Kassen, wenn sie mir die Gründe beibringen, ganz gerne diskutieren. Ich glaube aber vorläufig, wenn die Herren ihre Gründe vorlegen, und ich diese Gründe dem hohen Hause mittheilen würde, so würden diese Gründe sehr wenig Gewicht und Zustimmung finden.
Das sind aber doch nur fünf Kassen. Eine Anzahl anderer haben diese Grundsätze gebilligt, andere haben sich noch nicht erklärt; aber ich hoffe, diese fünf Kassen werden ziemlich allein bleiben.
Wenn die Kassen jedoch in einer begründeten Weise Bedenken vorbringen gegen einzelne Bestimmungen, so werden wir diese sorg—⸗ fältig prüfen; ich habe nichts dagegen zu erinnern, den Ausschuß zu hören, obwohl der Ausschuß ja auch aus denjenigen Kassen zusammen— gesetzt ist, welche glauben, daß sie hier einer zu großen Kontrole unterworfen werden.
Herr von Klitzing meint, die Zentralkasse hätte so gut funktioniert bisher, daß eine Aenderung nicht nothwendig gewesen wäre. Ja, wir haben aber doch die Erfahrung gemacht, daß solche Aenderungen sehr rathsam und angezeigt waren, und gerade deswegen haben wir die schon ftüher bestehenden Grundsätze nun weiter entwickelt. Diese Verbandskassen wollen natürlich gerne, wie jedes große Geschäft für sich sein und wünschen, daß wir ihnen ohne jede weitere tiefer ein⸗ greifende Kontrole das Geld geben. Aber das wird auf die Dauer nach meiner Meinung nicht gehen können. Ich finde keine Veran⸗ lassung, hier die einzelnen Belege dafür beizubringen.
Meine Herren, wir haben namentlich neuerdings — und das scheint den Verbandskassen auch nicht angenehm zu sein — gewünscht, daß sie selbst uns, ich glaube alle Vierteljahr, eine Bilanz vorlegen, und ich kann darin keine Unbilligkeit finden, daß wir doch ungefähr wissen, wie die Verbandskasse steht und wie sie ihr Geld verwendet. Ebenso haben wir jährliche Berichte über die Geschäftsgebahrung der einzelnen Genossenschaften darüber, wie in den einzelnen Genossen⸗ schaften das Geld genommen und wie es wieder zurückgezahlt wird, eingeführt. Da gehen wir noch gar nicht so weit, wie z. B. einzelne Vereine, selbst hier in der Mark, längft vor dem Bestehen der Genossenschaftskasse gegangen sind, daß wir Mittheilungen über die Lage der einzelnen Genossen fordern, sondern wir fragen nur nach der Lage der Genossenschaft, ob sie eben fortwährend nimmt und etwa nichts wieder zurückgiebt, oder welcher Geschäftsumschlag innerhalb der einzelnen Genossenschaft, und zwischen der Genossenschaft und der Verbandskasse stattfindet, das ist doch nicht zu viel verlangt.
Das sind nach meiner Meinung gar keine übermäßigen Forde⸗ rungen, darüber können Sie sich mit Recht, glaube ich, nicht beklagen. Ich will aber noch gar kein definitives Urtheil darüber aussprechen. Wenn die Herren mir ihre Bedenken darlegen — bis jetzt habe ich nur allgemeine Reden gehört, das sei ein zu tiefes Gingreifen u. dgl.,
nzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger
L186 Oz.
darauf kann ich nichts geben — so kann ich selbst urtheilen. Wenn
sie sagen, daß die Geschäftsfreiheit dadurch zu sehr beschränkt würde,
daß sie zu sehr ein geschnürt würden durch feste bureaukratische Regeln, — soweit Bureaukrat bin ich noch nicht geworden, daß ich nicht mit der größten Objektivität das prüfen würde. (Heiterkeit. Bravoh
. Präsident des Reichsbank ⸗Direktoriums Hr. Koch stellt fest, daß die Reichsbank auf die Einführung der neuen Grundsaätze für vie Kredit- gewährung der Kasse keinen Einfluß geübt und daß Dr. Heiligenstadt der Verwaltung der Reichsbant nicht angehört, sondern nur im statistischen Bureau gearbeitet hat.
Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:
Meine Herren! Ich habe vorhin übersehen, mein Bedauern da— rüber auszusprechen, daß Herr von Klitzing einen einzelnen Direktor des Direktoriums der Zentralgenossenschaftskasse in dieser Weise charakterisirt hat. Glauben Sie denn, Herr von Klitzing, daß Herr Freiherr von Huene ein so schwacher Mann ist (Heiterkeit), daß er sich von einem seiner Mitdirektoren bestimmen lassen wird, gegen seine Ueberzeugung zu handeln? Wir haben drei Direktoren. Der eine hat jahrelang in der Reichsbank gearbeitet; und der Herr Direktor Heiligenstadt ist nicht bloß ein wissenschaftlich hoch stehender Mann, sondern einer der wenigen Männer, der bei dieser Wissenschaftlichkeit jahrelang im praktischen Bankgeschäft thätig gewesen ist, der also das Geschäftsleben ganz genau aus eigener Erfahrung kennt.
Uebrigens kann ich nur sagen, daß diese Grundsätze zwischen dem Direktorium der Zentralgenossenschaftskasse und dem Finanz ⸗Ministerium eingehend berathen sind, und daß ich in diesen Berathungen mich auch überzeugt habe, daß die Vorschläge des Direktoriums durchaus gesunde waren. Sollte ich mich, wie gesagt, eines Besseren überzeugen, so werden wir die Sache abändern. Aber, meine Herren, nun sind diese Grundsätze seit? Monaten in den Händen dieser Verbandskassen, sie sagten nichts, sie schwiegen stille, und im letzten Augenblick vor dem 1. April kommen sie mit solchen Eingaben und verlangen, daß ich das Inkrafttreten sistieren soll. Warum sind denn die verehrten Herren nicht früher gekommen, wenn sie gute Gründe hatten. Wie können sie von mir verlangen, daß ich solche von einer Reihe von Verbänden als unbedenklich anerkannte Grundsätze im Augenblick, wo der 1. April ins Land kommt, plötzlich sistieren soll, ohne Gründe in der Hand zu haben? Ich glaube, meine Herren, vielleicht sind wir in dem ersten Anfang zu gutmüthig gewesen, und vielleicht ist es nothwendig, daß die Zentralgenossenschaftskasse nun auch einmal fest bleibt.
Herr von Klitzing: Ich habe nicht gesagt, daß die Reichsbank selbst Einfluß geübt hat, sondern nur, daß Br. Heiligenstadt die
Grundsätze der Reichsbank auf die Kasse ausdehnen wollte.
Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:
Bis jetzt habe ich noch nicht einmal eine motivierte schriftliche Eingabe bekommen, die die Bitte enthielte, die Grundsätze außer Kraft zu setzen, sondern nur Herr Direktor Haas aus Offenbach hat mir einen Brief geschrieben, er wünschte, da die Sache so nicht ginge, daß die Anordnung nicht zum 1. April in Kraft trete. Darauf kann ich mich doch nicht einlassen. Das muß ich doch sagen, daß diese Grund⸗ sätze, die hier vereinbart sind, meines Wissens in vollständiger Ueber⸗ einstimmung aller Mitglieder des Direktoriums gefaßt worden sind und daß keineswegs ein einzelner Direktor in irgend einer Weise gegen den Willen der anderen dabei gehandelt hat.
Dann möchte ich noch dador warnen, etwa zu glauben, daß wir uns einbildeten, die Zentralgenossenschaftskasse nach den Grundsätzen der Reichsbank führen zu können. Ich habe vorher schon auseinander⸗ gesetzt, warum wir gerade diese Zentralgenossenschaftskasse gegründet haben, weil wir uns nämlich überzeugten, daß die Reichsbank nach ihrer ganzen Verfassung und ihrer nothwendigen Geschãftsgebahrung garnicht in der Lage ist, das zu leisten, was unter Beobachtung anderer Grundsätze die Zentralgenossenschaftskasse leisten kann. Diese Grund⸗ sätze der Reichsbank ahmen wir auch durchaus nicht nach; wenn Herrn von Klitzing das gesagt worden ist, so ist das bloß eine Redengart gewesen. Diese Grundsätze wollen weiter nichts, als was jeder ver⸗ ständige Kreditgeber verlangen muß: eine Einsicht in die Verhältnisse derer, die von ihm Kredit fordern. Im übrigen sind die Haupt- prinzipien, die wir von vornherein angenommen haben, in diesen Grundsätzen“ durchaus beibehalten worden.
Darauf wird die Vorlage einstimmig angenommen.
Ueber den Gesetzentwurf wegen Abänderung des Ge—⸗ setzes vom 26. April 1886, betreffend die Beförd erung deutscher Ansiedelungen in den Provinzen West⸗ preußen und Posen, berichtet namens der Kommission Ober⸗Bürgermeister Delbrück⸗Danzig und beantragt die An⸗ nahme der Vorlage. ̃
Graf von Hohenth al erinnert an die geschichtliche Entwickelung der polnischen Landestheile und will gern hundert Millionen bewilligen, um diese Lande festzuhalten, nach dem Worte, mit welchem der König von Preußen sie in Besitz genommen habe: ‚Was Preußen unter schweren Opfern erworben, hat Deutschland gewonnen?. Man habe bor einigen Jahren die Polen mit Sentimentalität, mit falscher Großmuth behandelt; jetzt sei die Haltung der Regierung eine mehr realpolitische, deren Nothwendigkeit die jüngste Haltung der Polen im Reichttage von neuem gezeigt habe.
Herr von Koscielski führt aus, daß das Gesetz den Artikel 4 der Verfassung verletze. Er trete immer für das nationale Wohl des deutschen Vaterlandes ein, und es müsse ihn deshalb eigenthũmlich berühren, wenn man gegen ihn ein Gefetz wie gegen die Physlorera . Eine Popularitätshascherei und politisches Doppelspiel seien das Merkmal des Kampfes gegen die Polen. Der Regierung werde von ihren Behörden einseitig berichtet, das audiatur et altera pars komme nicht zur Geltung. Die Polen würden verurtheilt auf Grund von amtlichen Informationen und Beweigstücken, die sie nicht kennen lernten. Was in dem französischen Prozeß allgemein empört habe, werde hier alle Tage gegen die Polen geübt. Ein preußischer Landrath habe sich als Verfasser falscher Zeitungsnachrichten e die Polen ann , Ein streberischer Beamter könne in den polnischen Landestheilen mehr schaden, als zehn pflichttreue Beamte wieder gut machen könnten. Solche Beamte könnten gar nicht objektiv sein, wenn site eg auch zu fein glaubten. Deshalb sollte die Reglerung aufhören, Richter in eigener . zu sein. 66 Begründung der Vorlage werfe man den Polen vor: groß⸗
polnische e. mit dem Endziel der Logreißung Poleng von Preußen, den geschäftlichen Boykott der deutschen Handwerker und Gewerbetreiben⸗