Qualitãt
ittel . Verkaufte
Gezahlter Preis für 1 Doppelzentner
Menge
Marktort
niedrigster 6.
höchster
höchster 66.
niedrigster niedrigster
16.
Doppelzentner
46
Außerdem wurden am Markttage (Spalte 1) nach überschlãglicher Schätzung verkauft Doppelzentner (Preis unbekannt)
Am vorigen
Durchschnitts⸗ 2. Markttage
preis für 1Doppel⸗ zentner
Verkaufs⸗
werth Durch⸗
schnitts⸗ preis
14,40 16,90 1700 13,50 15,50
1475
—
Schönau a. K. lIberstadt. llenburg
Marne
Goslar ;
Duderstadt.
Lüneburg.
Paderborn
Saathafer.
Limburg 4. S..
Dinkelbũhl
Schweinfurt
Biberach
Laupheim
Neberlingen
Schwerin i. M.
Braunschweig.
Altenburg
w
Hirschber⸗
de 23
16, 00
14, 40 14,00 16,50 1400
1550 jo n 16 65
Ne e e 2 2 2 2 2 9 2 8 2242
8
2. 4. Greifenhagen: Nichts gebandelt, der steigenden Preise halber wird das Getreide nach der Berkaufswerth auf volle Mark abgerundet mitgetheilt.
Die verkaufte Menge wird auf volle Doppelzentner und Ein liegender Stri
— —
I in den Spalten für Preise hat die Bedeutung,
15 60 1750 18,090 16,00 19,00
1600
20, 00 16,80 16,80 1700 17,20 1700 1750 15,50 1750 17,50 16.90 1, 00
15,00 16,50 17,50 1459 16, b0 1700 15, 00 18,00
1470 16,50 17,09 13,50 16,50
15.00
15 80
16,20 16.50 1717 1450 1706 17306 16,50 16,40
1510
16.00 14,00 16,50 14,50
1550 1616 16 36
41450
Bemerkungen.
Stettin gebracht. . Der Durchschnittsp
daß der betreffende Preis nicht vorgekommen ist; ein Punkt (.
73 425 1656
reis wird aus den unabgerundeten Zahlen berechnet. in den letzten sechs Spalten, daß entsprechender Bericht fehlt.
Deutscher Neichstag. 76. Sitzung vom A. April 1898, 1 Uhr.
Auf der Tagesordnung steht zunächst die erste Berathung des Nachtrags⸗Etats zum Reichshaushalts⸗Etat
für 1898. bg Dr. Lieber (Sentr.) bittet, den Nachtragè. Etat der Budget edner bemängelt,
kommifston zur Vorberathung zu überweisen. daß die Mehrausgaben durch Matrikularbeiträge und durch Kürzung der eigenen Einnahmen des Reichg aufgebracht werden sollten. Be⸗ züglich der Ausgaben für Kiautschou fei die Begründung zu dürftig ausgefallen; sie werde hoffentlich in der Kommisston ergänzt werden, namentlich in Bezug darauf, wie es mit der militärischen Be⸗ setzung von Kiautschou gehalten werden solle und ob auf die Dauer eine Verbindung mit dem Reichs Marineamt nothwendig sei. Nach der Befetzung von Wei⸗hai⸗wei durch England werde zu erwägen sein, welche Rückwirkung dies auf die deutsche Besetzung von Kigutschou haben werde. In dem Nachtragsetat bermisse man die Gehaltstz⸗ erhöhungen für die PostUnterbemten, welche die verbündeten Re⸗ gierungen füär das nächste Jahr in Aussicht genommen haben sollen. Wäre diese Forderung jetzt in diesem Nachtragsetat gestellt worden, so hätte die Legislaturperiode mit einer harmonischen Verständigung abgeschlossen; es hätten dann auch die Gehälter für die Staats⸗ sekrefäre der Reichsämter erhöht werden können.
Staatssekretãr des Reichs⸗Schatzamts Dr. Freiherr von Thiel mann:
Ich kann dem Herrn Vorredner die Versicherung geben, daß seine Voraussetzungen betreffs der Finanzierung des Nachtrags⸗ Etats zutreffen. Diejenigen Ueberschüsse, auf welche die 5 Millionen in dieser Nachtrags⸗ Etat verwiesen sind, sind die erwarteten eigenen Ueberschüsse des Reichs; die Ueberschüsse der Ueberweisungs⸗ steuern und der Zölle sind dabei nicht in Betracht gezogen. Wenn bei Aufstellung des Etats im vorigen Herbst das Resultat der Ein⸗ nahmen bis jum Monat März bereits vorgelegen hätte, so würden wir die Einnahmen sowohl aus den Zöllen wie aus den meisten Steuern entsprechend höher haben veranschlagen können. Da wir bel der Aufstellung des Etats aber an die 24 monatliche Periode vom September bis August gebunden waren, hat er aufgestellt werden müssen, wie geschehen ist. Nach den bis Ende März vorliegenden Nachrichten läßt sich aber mit Sicherheit annehmen, daß die eigenen Einnahmen des Reichs im Rechnungsjahre 1898 einen solchen Ueber⸗ schuß liefern werden, daß die 5. Millionen für Kiautschou darin Deckung finden.
Abg. Rich ter (fr. Volksp.): T seitens Englands ist eigentlich ein Vortheil, Rußlands dadurch etwas ausgeglichen wind, , . als Puffer dazwischen geschoben hat. Die Kosten für
sautschou sind allerdingsZs etwas hoch gegriffen; aber je höher sie nd, desto mehr sollte man die Kolonialausquben anderwärts be⸗ chneiden. Die Begründung ist etwas dürftig; man müßte darlegen, wie man im einzelnen zur Berechnung der Summe auf 6 Millionen ekommen ist; man müßte prüfen, ob darin nicht Ausgaben enthalten nd, die auf die Dauer berechnet sind, und ob darin erste Raten ent⸗ halten sind, welche nachher ihre Konsequenzen haben. Verhandlungen mit Privatfirmen wegen der Betheiligung an den Kosten sollen ein⸗ geleitet sein. Da nur durch Privatunternehmer Kiautschou eine größere Bedeutung erlangen kann, ist es richtig, die Unternehmer zu den allgemeinen Verwaltungskosten und zu den allgemeinen Auf⸗ wendungen heranzuziehen. Das sogenannte Preußenkonsortium soll ja Konjesstonen beantragt haben. Ich muß meine Verwunderung aussprechen darüber, daß für die Post . Unterbeamten nichts in den Ctat aufgenommen ist. Das Hinderniß scheint an Preußen zu liegen, welches erst seinerseits für seine Beamten etwas thun will; das kontrastiert etwas mit der aug in Fürsorge sůr die Geistlichen in Preußen. Neu ist, daß die atrikularbeiträge nicht endgültig festgesetzt werden, sondern daß sie nur fowest erhoben werden sollen, als die Ausgaben nicht durch die üleberschüffe der eigenen Cinnahmen des Reichs gedeckt werden. Dadurch schwächen wir die Mittel, welche für spätere Etatsjahre zur Verfügung gestellt werden. Diesem Verfahren liegt das Streben zu Grunde, die Matrikularbeiträge und die Ueberwelfungen in gleicher Höhe ju erhalten, wohin das Streben des ö von Miquel seit Jahren geht. Diesem Verfahren müssen wir entgegen treten, um nicht das Elnnahmebewilligungsrecht des Reichstages zu
schãdigen.
. Dr. Paasche (ul.): Ein eigentlicher Widerspruch gegen die Forderungen der Regierung ist nicht erhoben worden, selbst von Herrn Richter nicht. Daß über die Einrichtungen in Kiautschou ein⸗ gehende Autzlunft gegeben wird, halte ich für selbstverständlich. Die Übrigen Forderungen des Nachtrag ⸗Etats entsprechen dem Antrage des Reichstages, ingbesondere die Forderungen von 60 0090 für die Ginrichtung einer biologischen Station. Bedauerlich ist aher, daß nicht auch fär die mechanisch'technische Anstalt und für die seismische Station Mittel in den Etat eingeflellt sind, daß ferner für die Post⸗ unterbeamten noch nicht die Gehaltserhöhung i wird, welche der Reichstag r ch hat, und daß für die Kriegsinvaliden nichts
Welteres geschehen ist. Abg. Liebknecht (Soz.) spricht sich in längerer Rede, während
Die Besetzung von Wei⸗hai⸗wei weill das Uebergewicht daß England sich
wird, sehr abfällig über die Pachtung von Kiautschou und die gesammte von der Regierung verfolgte innere und äußere Politik aus. Staatssekretär des Innern, Staatsminister Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner: Ich bin zunächst dem Herrn Präsidenten dankbar dafür, daß er die Verlesung dieses Briefes, den hier der Herr Abg. Liebknecht vor ⸗ trug, unterbrochen hat. Dieser Brief ist, glaube ich, wörtlich in der⸗ selben Fassung auch bei mir eingegangen. Ich habe dies Schreiben sofort an den Herrn Minister des Innern gegeben, und dort wird die Sache unterfucht werden. Liegt in der That ein Versehen vor, so bin ich fest überzeugt, daß der Herr Minister des Innern Remedur eintreten lassen wird. Der Herr Abg. Liebknecht hat demnächst gesprochen von der Gewaltthätigkeit der Regierung in Deutschland; er hat ferner davon gesprochen, daß die Kapitalisten Deutschland gründlich autgeplündert hätten, in Deutschland wäre aber nichts mehr zu finden, sie müßten deshalb entferntere Zonen aufsuchen. (Heiterkeit) Ich muß ehrlich gestanden sagen, ich bewundere den Muth des Herrn Abg. Liebknecht gegenüber seinen eigenen Auffassungen von dem, was geschehen soll, wenn die Herren Sozialdemokraten einmal die Macht haben — ein Fall, der nicht eintreten wird — (sehr wahr! rechts. — Abwarten! links), noch von einer gewaltthätigen Regierung zu sprechen. (Zuruf links.) — Ich bitte sehr, Herr Lieb- knecht, jetzt habe ich das Wort. — Ich habe hier einen Aufsatz in der . Cotzmopolis*, der unterschrieben ist: W. Liebknecht. Ich glaube, ich irre nicht, wenn der Schriftsteller mit dem verehrten Herrn Ab— geordneten identisch ist. (Zuruf) Er weist nach, wie die Sonal⸗ demokratie sich schließlich in den Besitz des Eigenthums setzen müßte, wenn sie ihre kollektivistischen Pläne ausführen will, und dabei heißt es dann wörtlich: Zur Veranschaulichung ein Beispiel aus der Heimath. Herr Krupp in Essen verkörpert — wie berechnet worden ist — in seiner großindustriellen Person die industrielle Produktivkrast von 100 000 (hunderttausend) Schmied emeistern mit Handwerksbetrieb. Hundert ⸗ tausend Schmiedemeister zur sozialistischen Organisation zu bringen, wäre ein hart Stück Arbeit. Mit dem einen Herrn Krupp er ledigt sich zur gegebenen Zeit die Sache in zwei Mi⸗ nuten freundschaftlicher Unterhaltung unter vier Augen. (Hört, hört h
Dann kann der Betrieb ohne Unterbrechung sofort weiter gehen. (Zurufe links) Der Herr Abg. Liebknecht hat also den Muth, von einer gewaltthätigen Regierung zu sprechen, während er selbst solche
läne entwickelt. Ich bedaure, daß Herr Krupp nicht da ist, um sich äußern zu können, wie er sich dieser Unterhaltung gegenüber stellen würde in zwei Minuten unter vier Augen, einer Unter⸗ haltung, die den Mann aus seinem Besitz, den ihm sein Vater durch Intelligenz und rastlose Arbeit erworben, aus einem Betriebe, den er in großmüthiger und edler Weise fortführt, binnen zwei Minuten expropriteren soll. Ja, das ist Ihre Gerechtigkeit! (Sehr wahr! rechtg. — Heiterkeit links) Ich muß wirklich sagen, das ist ein hohes Maß von Naivität. Kurz davor, ehe diese Austzeinandersetzungen ge⸗ macht sind, steht aber in dem selben Aufsatz:
„Wir Sozialisten sind ja tolerant; wir wollen leinen Menschen vergewaltigen!
(Heiterkeit rechts) Der Abg. Liebknecht hat dann Ausdrücke ange wendet, die ich verzichte, hier zu wiederholen. Ich habe vor kurzem in einer christlich sozialen oder national - sozialen Zeitschrift einen Auf⸗ satz gelesen, der sich in mehreren Spalten mit der Frage abquält: ist die Sozialdemokratie national und patriotisch? Nun, ich glaube, meine Herren, man hätte diese Frage einfacher beantworten können, und ich glaube, der Verfasser würde sie einfacher beantwortet haben, wenn er die Rede angehört hätte, die heute der Abg. Liebknecht gehalten hat. (Sehr richtig! rechts.) Danach kann man über die Gesinnung der Sozialdemokratie garnicht mehr zweifelhaft sein.
Der Abg. Liebknecht hat gesagt, die Auswanderung aus Deutsch⸗
(Sehr richtig! links.)
der Militärpflicht zu entziehen (sehr wahr!
sich
infolgedessen sie sich der Pflicht gegenüber
welcher er vom Průsidenten unterbrochen und zur Ordnung gerufen
land wäre die Folge der erbärmlichen Zustände, die hier herrschten. Eine wesentliche Ursache der Auswanderung hat darin gelegen, daß die Leute glaubten, sich im Auslande besseres Brot verdienen ju können, und auch unter Umständen sich verdient haben. Aber, meine Herren, die militärischen Listen weisen nach, daß auch ein großer Prozentsatz Leute ausgewandert sind, einfach um rechts). Daß diese Leute nachher ein Feigenblatt für ihren Entschluß suchen, dem Vaterlande entzogen haben, das ist ein ganz natürlicher Vorgang. (Zuruf linkt.) Ich freue mich wirklich, daß uns heute der Abg. Liebknecht hier diese
Rede gehalten hat, denn es giebt leider eine Richtung in Deutschland, die sich noch immer damit beschäftigt, ob sich die Sozialdemokratie nicht gemausert hätte und einfach eine Reformpartei geworden wäre. (Zuruf links) — Nein, meine Herren, keine Wahlrede, sondern ich will und muß antworten auf das, was der Herr Abgeordnete gesagt hat. So finde ich z. B. hier in einem Aufsatz folgenden Pafsus — ich weiß nicht, von wem der Aufsatz herrührt —:
„Was die vollständige Umwandlung der Soꝛialdemokratie in eine Reformpartei aufhält, ist ihr tiefes Mißtrauen gegen die Regierung und die in ihr augenblicklich herrschenden sozialpolitischen reaktionären Tendenzen.“
Was zunächst die Behauptung betrifft, daß in der Regierung sozial⸗ politische reaktionäre Tendenzen gegen früher herrschen, so kann ich nur sagen: es trägt diese Behauptung den Charakter einer falschen Anschuldigung. (Heiterkeit links) Wenn aber gesagt ist, daß es nur das Mißtrauen gegen die Regierung ist, was die vollständige Um⸗ wandlung der Sozialdemokratie in eine Reformpartei verhindert hat, so muß der Verfasser dieses Aufsatzes davon ausgehen, daß, wenn er z. B. die Politik leiten könnte, wahrscheinlich das Mißtrauen der Sozialdemokratie gegen die Regierung schwinden würde. Ich glaube das nicht; aber wenn es wirklich so wäre, dann würde eben die Regierung, wenn auch unter monarchischer Form, eine innerlich sozialdemokratische Regierung werden müssen, denn nach den Aeußerungen, die wir heute wieder von dem Herrn Liebknecht gehört haben, die jedes patriotische Gefühl mit Füßen treten, würde das Mißtrauen der Sozialdemokratie gegen die Regierung doch nur weichen können, wenn sie selbst ähnlichen soʒialdemokratischen Tendenzen huldigte. Meine Herren, ich wiederhole, es ist gut, daß in diesem Augenblick noch eine solche Rede gehalten ist. (Sehr richtig! rechts) Es bestätigt das nur wieder, was der Herr Abg. Liebknecht in einer öffentlichen Versammlung gesagt hat und was ebenso in einem Artikel des Vorwärts“ gesagt ist: wir andern unsere Taktik, wir ändern unsere Mittel, wir lernen fortgesetzt zu (sehr richtig! links), aber wir bleiben, was wir sind lsehr richtig! links, wir sind eine revolutionäre Partei. (Sehr wahr! links) Unser Endziel bleibt dasselbe. (Sehr richtig! links) Ich hoffe dringend, daß sich das die bürgerlichen Parteien gesagt sein lassen, daß sie endlich zueinander halten, daß sie nicht in einem gemeinschaftlichen Kampfe gegen die Sozialdemokratie zu seht auf die gegenseitige Farbe achten, und daß sie sich endlich bewußt sind, daß das Ziel der Sozialdemokratie ist und bleibt, an Stelle der bestehenden bürgerlichen Gesellschaftẽt⸗ ordnung, an Stelle des historischen monarchischen Staats eine unerträgliche Arbeiterdespotie zu stellen, und das wollen wir nicht! (Zaruf links. Bravoh
. Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Staats⸗Minister von Bülow:
Es ist nicht meine Absicht, meine Herren, auf alle Punkle ein⸗ zugehen, welche im Laufe der heutigen Diskussion berührt worden sind, schon weil ich nicht weiß, ob es den Intentionen dieses bohen Hauses entsprechen würde, wenn ich die ganze Kiautschoudebatte, die ganze Flottendebatte und auch noch eine Reihe anderer schwerwiegender Fragen wieder aufrollen wollte. Ich möchte aber auf einige Be⸗ merkungen in Kürze erwidern, die mich besonders frappiert haben.
Auf die Ausführungen des Herrn Abg. Dr. Lieber beehre ich mich zu erwidern, daß ich gern bereit bin, das Abkommen mit China, so⸗ bald dasselbe im Wortlaut vorliegen wird, der Budgetkommission mitzutheilen und im Anschlusse hieran alle wünschenswerthen Erlãute⸗ rungen zu geben.
Ueber Wei ⸗Hai. Wei möchte ich Folgendes sagen: Wir haben keinerlei Abmachungen mit England, ich freue mich aber, als Beweis für die guten Gesinnungen der englischen Regierung konstatieren zu können, daß dieselbe aus eigenem Antriebe die im Reichs Anzeiger publhzierte Erklärung abgegeben hat, welche uns die Sicherheit ge⸗ währt, daß England von Wei -Hal-Wei aus nicht in unsere politische und wirthschaftliche Interessensphäre eingreifen wird. .
Es ist von der Auftheilung von China gesprochen worden. Eine solche Auftheilung würde jedenfalls nicht von uns ausgegangen sein; wir haben nur bei Zeiten dafür gesorgt, daß wir, was auch kommen möge, nicht ganz leer ausgehen. Wann sich ein Gisenbahnzug in Be⸗ wegung setzt, hängt nicht immer von dem Belieben des Reisenden ab. wohl aber, daß er nicht den Anschluß versäumt. Den Letzten beißen die Hunde. (Heiterkeit) Wir wünschen aber nicht — und das möchte ich mit besonderem Nachdruck betonen —, daß es zu einer Auftheilung des chinesischen Reichs komme. Ich glaube auch beute noch, daß et ju einer solchen Aufthellung in absehbarer Zeit nicht kommen wird.
SZedenfalls haben wir — und damit meine ich am besten sowohl nie Gründe, welche uns nach Kiautschou geführt haben, als die Be. deutung von Kiautschou für uns jusammenzufassen — in Kiautschou eine strategische und politische Position gewonnen, die uns einen be⸗ stimmenden Einfluß auf die künftigen Geschicke OstAsiens sichert. Von diesem festen Punkte aus können wir die weitere Entwickelung der Dinge mit Ruhe und mit Gelassenheit abwarten. Wir haben eine so große Aktionssphäre vor uns und so bedeutsame Aufgaben, daß wir andere Mächte um die ihnen gemachten Zugeständnisse nicht zu be⸗ neiden brauchen. (Sehr gut) Die deutsche auswärtige Politik wird, pie überall, so auch in Ost ⸗Asien ihren Weg ruhig, fest und friedlich ju verfolgen wissen. Den Störenfried werden wir nirgends spielen, zas Aschenbrödel aber auch nicht! (Lebhaftes Bravo.)
Abg. Bebel (Soz.) verbreitet sich den Ausführungen des Staats⸗ sekretärnüz des Innern gegenüber über die . und Fel te.
Sonialdemokratie, welche dieselben geblieben seien wie früher.
Staatssekretär des Innern, Staats⸗Mini . en , ,,, ats⸗Minister Dr. Graf
Meine Herren! Ich habe nie daran gejweifelt, daß die Sozial⸗ demokratie ihre alten revslutionären Endziele weiter verfolgt, wie bis⸗ het, und ich kann ferner dem Herrn Abg. Bebel versichern, daß ich mich seit Jahrzehnten mit der sozialen Frage sehr eingehend beschäf⸗ tigt habe, vielleicht eingehender, wie ihm angenehm ist. Der Abg. Bebel hat sich auf das Wahlprogramm der sozialdemokratischen Partei berufen. Zunächst, meine Herren, Wahlprogramme sehen manchmal ganz anders aus, wie ihre thatsächliche Ausführung und wie die Ge—⸗ danken, die man innerlich hegt. (Zuruf bei den Sozialdemokraten.) Also, um mich mit einem Wahlprogramm zu beruhigen, dazu bin ich nicht harmlos genug. Der Herr Abg. Bebel hat behauptet: „Wir erstreben die Macht auf legalem Wege“. Nun, die von seinem Kollegen Liebknecht in Aussicht gestellte Unterredung mit Herrn Krupp unter vier Augen, um ihn binnen zwei Minuten aus seinem Besitz zu expropriieren, ist ein drastischer Belag dafür, wie die Sozialdemokratie gedenkt, auf Iegalem Wege die besitzenden Klassen, sobald sie nur die Macht hat, zu beseitigen. (Unruhe bei den Sozialdemokraten. Das mögen sich alle Unternehmer und Besitzenden im Deutschen Reich gesagt sein lassen, ich empfehle ihnen diesen Aufsatz von Herrn W. Liebknecht in der ‚Cosmopolis“ ganz besonders zur Lektüre.
Und nun, meine Herren, noch einen zweiten Beweig dafür! Es hat ein früherer Züricher Privatdozent, Herr Conrad Schmidt, in der wissenschaftlichen Beilage des „Vorwärts“ einen Aufsatz ver—⸗ öffentlicht: „Endziel und Bewegung“, d. h. der sozialdemokratischen Bewegung. Der Inhalt — ich gebe ihn hier nach einem Preß⸗ erzeugniß wieder, die Darstellung ist aber zutreffend — lautet: „ Die Aufgabe der politischen Gesetzgebung sei es, Hand in Hand mit den gewerkschaftlichen Arbeiterkoalitionen den Kapitaleigenthümer durch Beschränkung seiner Rechte mehr und mehr in die Rolle des Ver— walters herabzudrücken und so die Funktionen des Kapitals mehr und mehr in den Dienst der Gesellschaft bineinzuziehen. (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten) Die Absicht könne dabei nichts Anderes sein, als ohne Störung des gesellschaftlichen Produktions. prozesses, die bei unvermittelt dekretierter Expropriation unvermeidlich wäre und am schwersten die Arbeiterklasse selbst treffen würde, das Obereigenthum, welches die Gesellschaft durch fortgesetzte Aus⸗ debnung ihrer Kontrole über die Produktion bereits gewonnen hat, in wirkliches Eigenthum zu verwandeln (ssehr richtig! bei den Sozialdemokraten), dem mürbe gemachten Kapitalisten der seinen Besitz immer werthloser für ihn selbst werden sieht, die Leitung und Verwaltung des Betriebs abzunehmen, d. h. von der gesellschaftlichen Kontrole der Produktion zur eigentlichen Ver—⸗ gesellschaft lichung der Produktionsmittel überzugehen.“ (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.)
Meine Herren, es läßt das in die Taktik der Sozialdemokratie tief blicken. Man macht erst die besitzenden Klassen mürbe, und wenn sie mürbe genung sind, dann hält man die Rück⸗ prache unter vier Augen, um sie binnen zwei Minuten aus ibrem Besitz gewaltsam zu verjagen. Ich habe auch nie bestritten, daß die Sozialdemokratie ihre revolutionären Ziele auf⸗ recht erhält, ich habe mich nur gegen die Opportunisten gewandt, die uns immer noch das Märchen von der Mauserung der Sozial⸗ demokratie vorerzählen, gegen welches die Sozialdemokratie selbst auf das Allerschärfste protestiert. Das sind eben Opportunisten, deren Beifallsbedürfniß bei der Masse größer ist, als ihre politische Einsicht. (Sehr richtig! rechts.)
Schließlich will ich aber mit Herrn Bebel noch ein ernsteres Wort sprechen. (Lachen bei den Sozialdemokraten.) Der Herr Abg. Bebel hat wiederholt darauf hingedeutet, schon in früheren Reden, nun käme ganz sicher wieder ein Sozialistengesetz. Das mag ja für die Wahlkampagne der Herren Sozialdemokraten ein ganz geeignetes Zugmittel sein. (Hört, bört! bei den Sozial. demolraten. Ich kann dem Herrn Abg. Bebel aber sagen, daß ein solches Gesetz zur Zeit nicht in Aussicht steht, und ich will ihm auch sagen, warum nicht. Ich würde es im gegen⸗ wärtigen Augenblick für einen politisch bedenklichen Schritt halten, den bürgerlichen Klassen das polizeiliche Schutzschild eines energischen sozialistischen Repressionsgesetzes zu geben. Die bürgerliche Klasse könnte sich bei einem solchen Gesetz beruhigen, und wenn damit die Sozialdemokratie nicht von der Erdoberfläche vertilgt würde, könnte man sagen: ja, die Regierung führt das Gefetz eben nur schlaff aus. Nein, meine Herren, ich bin der Ansicht, die bürgerlichen Klassen in Deutschland müssen selbst immer mehr zu der Ueberzeugung lommen, daß der Kampf, den die Regierung gegen die Sozialdemokratie pflichtgemwäß führen muß — denn die Sozial⸗ demokratie stellt den Pripatbesitz und unsere bestehende Staats derfassung in Frage (sehr richtig! rechts, daß dieser Kampf nicht ein Duell jwischen der Regierung und der sozialdemokratischen Partei ist, sondern ein Kampf, den die besitzenden Klassen mit der Regierung und an der Seite der Regierung führen müssen! (Sehr gut! rechtz; Lachen bei den Sozialdemokraten.) Da es sich bei dem Kampf gegen die Sozialdemokraten recht eigentlich um eine Frage der be⸗ sitzenden Klassen, um eine Frage des bestehenden Staatswesen handelt, dethalb, meine Herren, muß in die bürgerlichen Klassen das Gefühl davon dringen, wie gefährlich die sozialdemokratische Bewegung ist, und daß es eine Pflicht der Nothwehr, der Selbstvertheidigung ist, — ob es populär ift oder nicht — die Regierung in diesem
ampf zu unter stüůtzen. (Bravo! rechts.)
Meine Herren, ich will noch weiter gehen. Es war klar, daß, wenn man ein Wahlgesetz erließ, welches auf dem allgemeinen gleichen Wahlrecht beruht, wo die Massen den Ausschlag geben, diese Massen suchen würden, vorzugsweise Männer zu wählen, die ihnen näher stehen als die oberen Klassen, und daß sich in einer so ge— bildeten politischen Körperschaft auch eine Partei bilden würde, die zar' a5oyrj die Interessen der arbeitenden Klassen im engeren Sinn vertritt. Ich glaube, die besitzenden Klassen müssen sich selbst sagen, daß das ein natürlicher Vorgang war, und ich gestehe offen ju: wenn infolge des allgemeinen Wahlrechts und der Verhandlungen, die sich in dieser Körperschaft daran an⸗ knüpften, ein größeres Verständniß sich für die Lage der Arbeiter verbreitet hat, wenn in der That in dem letzten Jahrzehnt auch mehr für die Arbeiter geschehen ist, so, möchte ich sagen, ist das eine ver⸗ söhnende Wirkung des allgemeinen Wahlrechts gegenüber den bedenk⸗ lichen moralischen Folgen, die sonst dieses Wahlrecht in vieler Beziehung nach sich gezogen hat. Ich stehe auch auf dem Stand punkt: wenn die besitzenden Klassen mit Erfolg den Kampf gegen die Sozialdemokraten führen wollen — und das ist ein Kampf, der nicht allein von der Regierung gekämpft werden kann, sondern der im deutschen Bolk selbst ausgekämpft werden muß —, dann werden sie allerdings auch zu manchen Opfern bereit sein müssen. Die be⸗ sitzenden Klassen sollten deshalb auch jetzt mehr denn je darauf achten, die arbeitenden Klassen billig und gerecht zu behandeln. (Sehr richtig! rechts und bei den Sozialdemokraten.) Das höchste Gut eines Volkes ist nicht die Dividende und ist nicht der Reinertrag (sehr richtig! bei den Sozialdemokraten) und man möchte in dieser Beziehung, meine ich, wünschen, daß das deutsche Volk etwas mehr wieder an das Volk der Denker und Träumer erinnerte und für solche ethischen Gesichts⸗ punkte vielleicht wieder etwas mehr Verständniß gewinnen möchte. (Zuruf bei den Sozialdemokraten.)
Aber alle revolutionären Tendenzen, die die sozialistische Partei verfolgt, müssen wir mit der größten Energie bekämpfen. Ich bin dafür und werde Ihnen stets den Beweis dafür liefern, daß, wenn wirklich Mißstände auf einem Gebiete bestehen, die sich in unserer unvoll⸗ kommenen Weltüberhaupt beseitigen lassen, ich alles dazu thun werde, um Abhilfe zu schaffen. (Zwischenruf bei den Sozialdemokraten; Heiterkeit.) — Gewiß, meine Herren, soweit meine Kraft reicht. — Der Herr Abg. Legien beispielsweise hat bei der Lesung des Etats verschiedene Mißstände im Baugewerbe berührt und eine Anzahl Vorkommnisse, die sich dort zugetragen haben. In einigem Nebensaäͤchlichen waren seine Mittheilungen irrig; in der Hauptsache habe ich gefunden, daß seine Mittheilungen zutreffend waren. Und ich kann Ihnen ver— sichern, daß ich jetzt schon Schritte gethan habe, um die Mißstände, die im Baugewerbe unzweifelhaft herrschen, im Interesse der Arbeiter zu beseitigen. Aber ebenso können Sie sich darauf verlassen, daß, soweit Ihre Bestrebungen revolutionär sind, soweit sie sich gegen die bestehende Staatsverfassung, gegen die bestehende Gesellschaftsordnung richten, die verbündeten Regierungen entschlossen sind, mit voller Energie, mit der Macht, die sie besitzen, gegen Sie einzuschreiten. (Bravo! rechts)
Abg. v. Kard ar Rp.): kann ni ĩ gierung * Thatkraft . ö. 2 unter 6 in. . nden war. Es giebt in der ganzen Welt kein Land, in welchem dem Arheiter so viel Gutes geboten wird, wie in Deutschland. Eine solche Steigerung der Löhne wie in Deutschland in den letzten Jahren eine solche Gerechtigkeit in der Verwaltung findet sich in keinem anderen Lande. Eine Klasse von Arbeitern ist allerdings elend: das sind diejenigen, welche von der Sozialdemokratie abhängig sind. Sie können nicht arbeiten, wo und für wen sie wollen; sie stehen unter dem Parteizwange und müssen ihren Führern leichtgläubig folgen. Gegen die Trübsal, die an keinem Menschen vorübergeht, half bisher immer dag Gyangelium; aber kein Sozialdemokrat wird sich der Tröstung des Evangeliums bedienen. Darin liegt der Keim zum Untergang der Sozialdemokratie: denn das Evangelium ist stärker als sie. Bezüglich der neuen biologischen Station hat mein Frattionsgenosse Schultz / Lupitz Bedenken dagegen erhoben, daß diese Station etwa in Berlin errichtet werden solle, weil die hier herrschende schlechte Luft eine Fehlerquelle für die Forscher sein würde. Redner empfiehlt ferner die Errichtung der seismischen Station in Straßburg, welches den zu ,,, bezüglich der geographischen Lage in erster
Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister 264 ,,, ts⸗Minister Dr. Graf
Meine Herren! Wir haben sofort, nachdem der Herr Abg. von Kardorff in der zweiten oder dritten Lesung des Stats den Wunsch vorgetragen hat, eine seismische Station in Straßburg errichtet zu sehen, uns mit der Landesverwaltung von Elsaß— Lothringen in Veibindung gesetzt. Es stellte sich aber heraus, daß die Frage, wie diese Station zur Landesverwaltung und zur Universität stehen soll, und wie sie stehen soll zum Herrn Reichs- kanzler, nicht so leicht zu lösen war, und vor allen Dingen machten sich auch Wünsche, namentlich auch aus Preußen heraus, dahin geltend, auch an anderen Orten in Korrespondenz mit dieser seismischen Station in Straßburg derartige Stationen zu errichten. Es war deshalb nicht möglich, Ihnen jetzt schon für den Nachtrags⸗Etat eine Vorlage zu bringen. Ich bin aber fest überzeugt, daß der nächste Etatsentwurf eine solche Vorlage enthalten wird.
Was ferner die von dem Herrn Abg. Dr. Paasche angeregte Er⸗ richtung eines mechanisch-technischen Reichsinstituts betrifft, so kann ich ihm nur bemerken, daß daran gar kein Gedanke war zu der Zeit, wo während der Etatslesung die Frage hier erörtert wurde, sie schon in einem Nachtrage⸗Etat zu lösen. Die Errichtung einer mechanisch⸗ technischen Anstalt hat ja auch im preußischen Abgeordnetenhause einen
Gegenstand der Erörterung gebildet. Es wird sich zunächst darum handeln, zu entscheiden: ist eine eigene Reichsanstalt zu errichten, oder sind die Zwecke zu erreichen innerhalb der preußischen technisch ⸗ mechanischen Anstalt, die sich wieder in einer gewissen Beziehung zu der Technischen Hochschule in Charlottenburg befindet, oder hat das Reich nur die Anstalten, die sich bereits in Deutschland befinden, mit bestimmten Aufgaben auf dem Gebiete der mechanischen Technik zu betrauen und ihnen hierfür entsprechende Entschädigungen aus Reichs⸗ mitteln zu zahlen? Ich habe ausdrücklich anerkannt, daß das Ziel ein erstrebenswerthes ist, daß seine Erreichung im höchsten Interesse der Industrie und auch unserer Marine liegt; es ist aber eine sehr schwierige Frage und schon deshalb war es von Anfang an nicht vor⸗ auszusetzen, daß sie gelöst werden würde vor der nächsten Etats ⸗ periode.
Abg. Dr. Först er ⸗Neustettin (Reformp.) wendet ch gegen die Ausführungen des Abg. Liebknecht, in denen er eine Beschimpfung der zgteglerung und des Reichstags erblicke. (Vize. räsident Schmidt
erklärt, darüber zu urtheilen, sei Sache des Praͤstdiums, nicht Sache deg einzelnen Abgeordneten.) Wenn die nach st . Asten gesandten
deutschen Schiffe schlecht selen. so sel bas die 4 ottenvorlage. W. be fed eine ach ö müsse eg zu den Welthändeln Stellung nehmen. Man dürfe degh nicht die Hände in den Schoß legen, . müsse das Versͤumte , . reformierend; 3 von der 8 be ff 64 an. Nach einer weiteren Bemerkung des Abg. die Debatte geschlossen. ö . Der Nachtrags⸗ Etat wird darauf der Budgetlommission * t di 7 s folg e zweite Berathung des Gesetzentwurfs, b treffend Aenderungen der ,,,, ö. ö. Die Kommission, deren Berichterstatter Abg. Basser⸗ a. bn, i . . , . . erstattet Dr. ntelen (Zentr. ö I . zunehmen, da die Kommission sehr senn elt eg n gh . ö
Auf eine Fr n . Frage des Abg. Dr. Spahn (Zentr.) er⸗
Staatssekretär des Reichs⸗Justizamts Dr. Nieberding:
Meine Herren! Ich trage gar kein Bedenken, im Namen der verbündeten Regierungen die Erklärung abzugeben, daß sie ihrerseits, was die Auslegung des beregten Paragraphen betrifft, auf dem Stand⸗ punkt des Herrn Vorrednerz stehen und auch die Motive theilen, von denen der Herr Vorredner bei der Auslegung dieses Paragraphen aug⸗ gegangen ist. Ich glaube, nach dieser Erklärung kann zwischen dem, was der Herr Vorredner unter Billigung des Hauses, wie ich an⸗ nehme, vorgetragen hat, und demjenigen, was die verbündeten Regie⸗ rungen bezüglich der Tragweite dieseht Paragraphen denken, eine Meinungsverschiedenheit nicht angenommen werden und demgemäß ein Mißverständniß über die Bedeutung dieser Vorschrift nicht bestehen.
Der Gesetzentwurf wird darauf in der ⸗ mission mit großer Mehrheit en ö n, , , ö
Nächster Gegenstand der Tagesordnung ist die zweite Be⸗ rathung des von dem Abg. von Salisch (d. kons.) be⸗ antragten Gesetzentwurfs, betreffend einige Ab⸗ änderungen und Ergänzungen der Strafprozeß⸗ ordnung (bezüglich der Vereidigung und der Bestrafung wissentlich falscher, unbeeideter Aussagen)
Die Kommissionsbeschlüsse, betreffend die Einführung des . und die Eidesformel, werden ohne Debatte ge⸗
Abg. Dr. Rintelen beantragt, die Hinzufü ĩ . fessionellen Schlußformel zum ie n, ,, , Militaär⸗Strafprozeßordnung bereits beschlossen sei.
Abg. von Salisch fin , diesem Antrage zu, weil eine Ver⸗ schiedenheit zwischen der Zivil, und Militäͤrgerichtsbarkeit nicht be rechtigt sei.
Staatssekretär des Reichs⸗Justizamts Dr. Nieberding:
Herr Präsident, ich nehme an, daß zur Diskussion steht der Antrag des Herrn Abg. Dr. Rintelen zu 5 443. (Präsident Freiherr von Buol: Ganz richtig.)
Dann möchte ich das Haus bitten, mir einige Worte zu diesem Antrag zu gestatten. Der Herr Abg. Dr. Rintelen hat den Vorschlag gemacht, gegenüber der Eidesformel, die nach dem geltenden Gesetz mit den Worten schließt: „So wahr mir Gott helfe!“ ausdrücklich die Zulässigkeit auszusprechen, daß der Schwurpflichtige einen seinem Glaubenebekenntniß entsprechenden Zusatz hinzufüge. Er hat diesen Antrag damit gerechtfertigt, daß er auf die Militär⸗Strafprozeßordnung hinwies, in der allerdings, wie richtig von ihm hervorgehoben wurde, eine entsprechende ausdrückliche Ermächtigung aufgenommen ist — gegen den Vorschlag der verbün⸗ deten Regierungen, nach Beschluß der Kommission des Hauses. Meine Herren, als der Antrag des Herrn Abg. von Salisch und Genossen in der Kemmission VI, der er überwiesen war, in diesem Punkte zur Berathung kam, da lag gleichfalls der Vorschlag vor einen Zusatz dahin zu machen, durch welchen dem Schwurpflichtigen die Ermächtigung ertheilt wird, der Formel, die jeder Schwurpflichtige sprechen muß So wahr mir Gott helfe“, einen Zusatz zu machen der seinem Glaubensbekenntnisse entspricht. Wir haben in der Ram⸗ mission gegen diesen Vorschlag Bedenken erhoben und gebeten, es bei der Fassung des Gesetzes zu belassen, und die Kommisston hat sich den von uns ausgesprochenen Bedenken angeschlossen und hat den von dem Herrn Abg. Dr. Rintelen gegenwärtig wieder aufgenommenen Antrag verworfen. Ich möchte nun das hohe Haus bitten, es bei dem Beschluß der Kommission ju belassen und dem Antrage Rintelen die Zustimmung nicht zu ertheilen. Ich gebe zu, daß dadurch eine gewisse Disparität entsteht zwischen den Prozeßgesetzen des bürgerlichen Rechts und dem Entwurf der Militär⸗Strasprozeßordnung. Aber, meine Herren ich bin der Meinung, daß die Militär ⸗Strafprozeßordnung ein cigen⸗ artiges Gesetz ist, in dem ein solcher Zusatz wohl geduldet werden kann, auch wenn man ihn in die Zivilgesetze nicht aufnimmt, daß aber, wenn die Bedenken wegen der Disparität Geltung erlangen sollten, die richtige Lösung die sein würde, in der Militär ⸗Strafprozeß⸗ ordnung diesen Zusatz wieder zu beseitigen (sehr richtig! links), die Vorlage also in diesem Punkt wieder so zu gestalten, wie sie von seiten der ver⸗ bündeten Regierungen dem Hause vorgelegt war. Aber das wird ja Gegenstand der Beschlußfassung bei der Militär⸗Strafprozeßordnung sein. Ich glaube, gegenwärtig ist für uns die Frage die, ob es an und für sich richtiger ist, in den Zivilgesetzen den Zusatz, den der Herr Abg. Dr. Rintelen gemacht hat, aufzunehmen oder nicht.
Nun, meine Herren, muß ich zunächst konstatieren, daß, seitdem unsere neuen deutschen Prozeßgesetze bestehen, die gegenwärtige Fassung der Gesetze nirgendwo irgend welche Schwierigkeiten hervorgerufen hat. Die Thatsache, daß die gesetzliche Formel des Eides damit schließt daß der Schwörende erklärt: so wahr mir Gott helfen“, hat weder Bedenken bei den Gerichten erregt, noch Anstände in der Bevölkerung insbesondere bei denen gefunden, die zu dem Schwure herangezogen wurden. Ez sind insbesondere auch keine irgend welche religiösen Bedrückungen deshalb empfunden worden, namentlich nicht, seit weifelsfrei die gerichtliche Praxis sich dahin entwickelt hat, daß den einzelnen Personen, welche, durch ihr Gewissen gedrängt, den Wunsch haben, einen Zusatz zu der gesetzlichen Formel zu machen, von dem Gericht anftandslos die Hinzufügung eines entsprechenden Zusatzes gewährt wird. Aber auch darüber hinaus muß ich darauf hinweisen, daß in einem großen Theile Deutschlands schon vor dem Erlaß der Reichsprozeß- gesetze nach Maßgabe der Landesprozeßgesetze ein solcher Zusatz Rechtens nicht mehr war. Dag bayerische, das württembergische, das badische, das hessische Recht baben bereits vor dem Jahre 1879 den Zusatz, den der Herr Abg. Dr. Rintelen machen will, nicht gekannt,
und wenn jetzt eine Ergänzung der Reichsgesetze nach dieser Richtung vorgenommen werden soll, so heißt das, nicht nur die Reichtgesetz