zurumen, die seitens des Reiche den Angehörigen oder den Erzeugniffen des meistbegünstigten Landes gewährt werden. Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. Graf
von Posadowsky⸗Wehner:
Meine Herren! Am 30. Juli tritt das handelepolttische Ver⸗ hältniß zwischen Deutschland und England infolge der seitens der Königlich großbritannischen Regierung erfolgten Kündigung außer Kraft. Bekanntlich bestimmt § 7 des bestehenden Handelsvertrags, daß wir nicht nur im englischen Mutterlande, sondern auch in sämmt⸗ lichen Kolonien und Besitzungen des englischen Reichs das unein⸗ geschränkte und unbedingte Recht der Meistbegünstigung genießen. Die englische Regierung ist indessen nicht geneigt, in einem künftigen Handelsvertrage eine gleiche Bestimmung aufzunehmen, und hat hierin bekanntlich auch der Grund gelegen, warum sie das bestehende Handelsvertragsverhältniß mit Deutschland gekündigt hat. Es ist selbstverständlich, daß, wenn Deutschland in dieser Weise die unbedingte Meistbegünstigung in England und in den englischen Kolonien in Zukunft nicht mehr besitzen sollte, hierdurch unsere handelspolitische Stellung im englischen Weltreiche wesentlich eingeschränkt werden würde, und es ist auch ferner klar, daß durch diese Stellungnahme der Königlich großbritannischen Regierung, welche der selbständigen Ent⸗ schließung ihrer selbständigen Kolonien über das zukünftige handels politische Verhältniß zu Deutschland nicht vorgreifen will, die mit Deutschland schwebenden Handelsvertragsverhandlungen wesentlich er⸗ schwert und verlangsamt werden. Es ist uns zu unserem Bedauern nicht gelungen, bisher zu einer Einigung mit der Königlich großbritannischen Regierung zu gelangen, und es ist selbftverständlich auch ausgeschlossen, daß bei der Kürze der Zeit, in der das hohe Haus sich noch ver— sammelt finden wird, ein solches Abkommen Ihrer gesetzlichen Ge⸗ nehmigung unterbreitet werden könnte. Es ist aber wünschenswerth, daß zwischen den beiden Reichen, welche durch so vielfache und wichtige handelspolitische Beziehungen mit einander verknüpft sind, nicht ein handelspolitisches Interregnum eintritt, und hierin liegt der Grund, warum wir von Ihnen die Vollmacht erbitten, welche in dieser Vorlage niedergelegt ist. Ich habe der Begründung des Ent- wurf nichts beizufügen und kann nur die Versicherung abgeben, daß wir von dieser Vollmacht keinen Gebrauch machen werden, wenn uns nicht gegenüber dem Angebot der Meistbegünstigung unsererseits vollkommen ausreichende, gleichwerthige Anerbietungen und Zugeständ⸗ nisse gemacht werden sollten. (Bravo! und Sehr gut! rechts und in der Mitte.)
Auch diese Vorlage gelangt ohne weitere Debatte in erster und zweiter Lesung zur Annahme.
Die Berathung einer bei der dritten Berathung des Reichshaushalts⸗Etats zurückgestellten Resolution bezüglich des Verbots der Verwendung von Süßstoffen zur Bierbereitung wird auf Antrag des Abg. Rickert (fr. Vgg.) von der Tagesordnung abgesetzt.
Darauf werden mehrere Petitionen berathen, welche bei der dritten Lesung des Etats zurückgestellt worden waren.
Die Petition eines ,,. um Gewährung des Wohnungsgeldzuschusses wird durch Uebergang zur Tages⸗ ordnung n . ie Petition um Aufbesserung des Ge⸗ halts der Betriebs⸗Sekretäre der Kaiserlichen Werften wird den verbündeten Regierungen zur Berücksichti⸗ gung überwiesen. Ferner werden einige Petitionen, die zum
tat der Postverwaltung eingegangen waren, entsprechend den Beschlüssen der Budgetkommission erledigt.
Eine Petition, betreffend die Gleichstellung der Post⸗ sekretäre mit den Gerichts-Sekretären hinsichtlich der Besoldung, soll nach dem Antrage der Kommission unter Be⸗ rücksichtigung der in baldige Aussicht gestellten allgemeinen Personalreform durch Uebergang zur Tagesordnung erledigt werden.
Abg. Rickert fragt, ob bei der Personalreform eine Aenderung der Gehälter stattfinden werde. Wenn das nicht der Fall sei, dann habe der Antrag gar keinen Zweck.
Abg. von Kardorff (Rp.): In der Rudgetkommission wurde festgestellt, daß bei der Personalreform die Zahl der Sekretäre sich vermindern würde, während für die älteren jetzt noch die Möglichkeit vorhanden ist, vermittels einer Prüfung Ober⸗Sekretär zu werden.
Staatssekretär des Reichs⸗Postamts von Podbielski:
Die letzte Frage habe ich zu bejahen. Im übrigen möchte ich nur darauf hinweisen, daß die Personalreform doch eine klarere Trennung zwischen dem Betriebsdienst und dem oberen Verwaltungs dienst herbeiführen soll. Ja, wie weit die geplante Personalreform neue Stellen schaffen und dadurch auch andere Gehaltsverhältnisse be⸗ dingen wird, darüber heute eine definitive Erklärung abzugeben — darauf deutet mein Kopfschütteln dem Herrn Abg. Rickert gegenüber hin — ja, meine Herren, das heute zu sagen, würde wirklich für mich etwas Unmögliches sein. Ich meine, wir müssen klar darüber sein, daß die Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist; aber die positive Zusage, glaube ich, kann kein Chef einer Verwaltung für die Zukunft geben.
Ich meine also, das muß als Material, wie auch der Herr Berichterstatter den Herren vorgetragen hat und wie es auch in der Kommission eingehend erörtert ist, bei Gelegenheit der Personalreform geprüft werden.
Ich möchte dem Herrn Abg. Rickert gegenüber noch hervorheben: gerade die geforderten Zahlen sind nach sorgfältigen Erhebungen der Budgetkommission auf deren Wunsch vorgelegt worden, und für die Richtigkeit dieser Zahlen bin ich bereit einzustehen.
Der Antrag der Budgetkommission wird angenommen.
Die Petitionen, betreffen Verbesserungen der An⸗ stellungs- und Besoldungsverhältnisse der Unter⸗ beamten, sollen durch die Beschlüsse des Reichstags für erledigt erklärt werden.
Abg. Singer (Soz) fragt, ob es richtig sei, daß der Bundes rath den Beschluß gefaßt habe, diese Gehaltsaufbesserungen im nächsten Jahre vorzunehmen, und warum diese Frage nicht im Nachtrags⸗Etat bereits erledigt worden sei. Der Reichstag könnte jetzt noch die Gehalts⸗ erhöhungen für die Landbriefträger in den Etat stellen. Die Sache sollte nochmals der Budgetkommission überwiesen werden, um die Gehaltserhöhung in den Nachtrags⸗Etat einzufügen. Redner empfiehlt ferner eine leichtere Sommerkleidung für die Briefträger und eine Verstärkung der Beurlaubungen.
Staatssekretär des Reichs⸗Postamts von Podbielski:
Ich glaube, die Darstellung, die Herr Singer von dem Gang der Verhandlungen in der Budgetkommission über diesen Gegenstand ge—⸗ geben hat, stimmt nicht völlig mit der Wirklichkeit überein. Ich habe bereits in der Budgetkommission bei der Erörterung dieser Frage eingehend auseinandergesetzt, aus welchen Gründen eg
zur Zeit für die Reichsregierung nicht möglich sei, die Gehälter!
bereits im laufenden Gtatsjahre zu erhöhen, und ich habe damals weiter erklärt, die verbündeten Regierungen wären bereit, im folgenden Gtatsjahr 1899, 1900 die Summe hierfür einzustellen. Diese meine damalige Erklärung ist auch gutgeheißen worden durch den Beschluß des Burväzraths, wie er auch in den Zeitungen angeführt worden ist, der darauf hinausgeht, in den nächsten Etat diese Gehaltserhöhung für die Unterbeamten einzustellen.
Meine Herren, ich möchte davor warnen, Verkuppelung gewissermaßen vorzunehmen (sehr richtig! rechts) und diese Sache wieder mit anderen zusammen zu werfen. (Sehr richtig! rechts!) Es handelt sich hier um eine klare Stellung im Etat; der Etat wird nicht allein vom Reichstage, sondern von diesem und den verbündeten Regierungen zusammengestellt, und aus diesem Grunde möchte ich warnen, auf diesen Weg von neuem zu gehen und etwa zu glauben, daß durch eine Verkuppelung etwas erreicht werden kann. Ich glaube, dat ist auch die korrekte Haltung der Regierung von Anfang an gewesen. Ich habe auch in der Budgetkommission darauf hingewiesen, von welch großer Bedeutung es sei, daß auch von dem Ressort, welches gleich der Postverwaltung eine sehr große Zahl von Unterbeamten beschäͤftigt, nämlich der preußischen Eisenbahnverwaltung, nicht plötzlich mit der Erhöhung der Gehälter vorgegangen wird; daß es zweck mäßig sei, wenn beide Verwaltungen gleichzeitig hiermit vorgehen. Die preußische Eisenbabnverwaltung ist auch schlüssig geworden, die Gehaltsaufbesserung erst im Jahre 1899 eintreten zu lassen, wo auch die Reichs Postverwaltung die Summe hierfür in den Etat ein⸗ stellen will.
Was die Sommerkleidung anlangt, so habe ich erklärt, daß bereits im vorigen Sommer Versuche mit einer leichteren Kleidung gemacht worden sind und auch in diesem Jahre in umfang⸗ reichem Maße vorgenommen werden sollen, und daß mein Wille es sei, eine leichte Kleidung für die Unterbeamten und besonders für die Landbriefträger einzuführen.
Weiter sind gelegentlich der Etatsberathung die beiden anderen Fragen, Dienstzeit und Urlaub, gestreift worden, und ich habe darauf hingewiesen, welch erhebliche Mehrkosten der Reichs⸗Post⸗ verwaltung durch die Stellvertretung beim Urlaub entstehen, daß es nahezu 100 000 M sind, daß ich aber den Urlaub, soweit es geht, durchzuführen beabsichtige; wir werden ja bei dem nächsten Etat uns über die Dienstzeit ausführlicher zu unterhalten haben. Ich habe meine Bereitwilligkeit erklärt, nach dieser Richtung den Unter— beamten das zuzuwenden, was in meinen Kräften steht.
Abg. Dr. Müller⸗Sagan (fr. Volksp.) schließt sich den Aus—⸗ führungen und Anträgen des Abg. Singer an.
Der Antrag der Kommission wird angenommen.
Es folgt die Fortsetzung der zweiten Berathung des von dem Abg. Salisch (d. kons.) beantragten Gesetzentwurfs wegen der Einführung des Nacheides und der , wissentlich falscher, unbeeideter Aus— agen.
] Die Debatte über den Antrag Rintelen zum § 443 der , m,. eine konfessionelle Schlußformel bei der Eidesleistung hinzuzufügen, wird fortgesetzt.
Abg. von Salisch beantragt: für die Angehörigen der evan— gelischen Kirche die Formel „Durch Jesum Christum zur Seligkeit“ und für die Angehörigen der katholischen Kirche die Formel „und sein heiliges Epan gelium“ zuzulassen.
Abg. Dr. Rintelen (Sentr.) empfiehlt die gesetzliche Zulassung der konsessioncllen Schlußformel für den Eid, weil die Rechisprechung durchaus nicht so günstig für die Anwendung der konfessionellen Schlußformel sei, wie der Staatssekretär des Reichs-⸗Justizamts es dargestellt habe. Gerade da dem Eide seine christliche Form genommen sei, müsse es allen Chriften wünschenswerth sein, ihrem Giauben bei der Eidesleistung Ausdruck zu geben
Abg. von Salisch empfiehlt seinen Antrag, da er keinen Christen, namentlich nicht einen Geistlichen in die Verlegenheit bringen wolle, daß ihm ein Richter bei der Leistung des Eides den Gebrauch einer konfessionellen Schlußformel nicht gestatte.
Staatssekretär des Reichs-Justizamts Dr. Nieberding:
Meine Herren! Ich werde die Zeit des hohen Hauses für eine Replik auf dasjenige, was der Herr Abg. Dr. Rintelen ausgeführt bat, nicht in Anspruch nehmen. Ich bleibe trotz dieser Ausführung bei demjenigen stehen, was ich die Ehre hatte, gestern vorzutragen. Ich verwahre mich nur gegen eine Bemerkung, die in seine Ausfüh⸗ rung eingeschlossen ist, indem etwa gesagt wurde, es sei ja wohl jetzt nicht an der Zeit, den christlichen Gefühlen bei dieser Gelegenheit entgegenzutreten. Meine Herren, ich glaube, ich habe gestern in meinen Ausführungen nichts gesagt, und es hat auch in der Tendenz meiner Ausführungen nichts gefunden werden können, was auf die Absicht gedeutet werden könnte, bei dieser Gelegenheit den christ⸗ lichen Gefühlen entgegenzutreten. Eine solche AUnterstellung zu machen, kann ich dem Herrn Abg. Dr. nicht gestatten. (Zuruf in der Mitte Das hat der Herr Abg. Dr. Rintelen allerdings gethan, und ich nehme für mich in Anspruch, wenn ich einen anderen Standpunkt einnehme wie er, daß es mir ebensowohl wie ihm darum zu hun ist, die christlichen Gefühle und Interessen bei dirser Gelegenheit zu wahren. (Sehr richtig!)
Meine Herren, was dann den Antrag des Herrn Abg. von Salisch anbetrifft, so bedauere ich, daß die Warnung, die ich mir er⸗ laubte gestern an ihn zu richten, nichts gefruchtet hat. Ich muß aber doch sagen, daß der Antrag, wie er vorliegt, nach meinem Gefühle sich noch weniger empfiehlt als dasjenige, was sich in dem ursprünglichen Antrage Rintelen befindet. (Sehr richtig! links.) Meine Herren, dasjenige, was der Antrag von Salisch will, ist nichts Andere, als die Eidesformeln, die die alte preußische Gerichtsordnung für den Osten Preußens eingeführt hatte, nun auf das ganze deutsche Reich zu übertragen. Diese alten preußischen Formeln, die allein bei der Eidesleistung gebraucht werden durften, hatten aber keine Rechtsgültigkeit über die alten preußischen Provinzen hinaus, ja nicht einmal in der altpreußischen Provinz der Rheinlande galten sie. In den Rheinlanden, in Hannover, in Schleswig Holstein, in Hessen⸗Rafsau und dann in ganz Süddeutsch⸗ land, im Königreich Sachsen, in Mecklenburg, in Braun⸗ schweig sind diese Formeln nicht gebräuchlich gewesen; dort hat das Volk nach anderen Formeln, theils auf Grund des Landesgesetzes, theils auf Grund frommer Tradition, geschworen. Nun geht der An⸗ trag des Herrn Abg. von Salisch dahin, dem ganzen übrigen Deutsch—⸗ land die vor 1879 in den altpreußischen Provinzen geltend gewesenen Formeln aufzudrängen. (Zustimmung rechts) Ja, meine Herren, das heißt, demjenigen Theile des Volkes, der bisher in der Lage war, auch nach der jetzigen Prozeßordnung in der Lage war, seiner Gewohn⸗ heit und der Tradition gemäß andere Formeln zu brauchen, diese For⸗ meln jetzt untersagen und ihn zwingen, gegen sein Gewissen entweder gar
wiederum eine
Rintelen
keine Formel der gesetzlichen Cidesnorm hinzuzufügen, von Herrn von Salisch empfohlen wird. (Zuruf rechts.) nur eine von den beiden, im Antrage bezeichneten Formeln gestaite sein, meine Herren. (Sehr richtig! links.) Daraus folgt, daß all anderen unzulässig sind (sehr richtig! links), und daraus solxt daß den Leuten, die bisher gewohnt waren, eine ander Formel anzuwenden, es in Zukunft untersagt sein solle, die zu thun (sehr richtig! links), und gegen den darin enthaltenen Gewissensdruck lehne ich mich, auf. (Sehr richtig! link) Ich glaube, die Erfahrungen, die wir gemacht haben, geben in keiner Richtung einen Anhalt, in dieser Weise gegen die religiösen Gefühle eines Theiles des christlichen Volkes Deutschlands aufzutreten, und deshalb, meine Herren, glaube ich auch nicht, daß das Haus geneigt sein wird, auf diesen Antrag einzugehen.
Nun, meine Herren, hat Herr von Salisch einen Mangel jn seinem Antrage ja schon bemerkt und hat versucht, ihn zu berichtigen, indem ihm bekannt geworden ist, daß die Formel, die er hier ausschließlich für die katholische Bevölkerung vorgeschlagen hat, zum theil auch von der evangelischen Be vl kerung und vielleicht auch umgekehrt angewandt wird. (Geiterkeit Er will nun damit helfen, daß nach Belieben der eyangelischen und katholischen Bevölkerung die Auswahl unter diesen beiden Formeln freistehen soll. (Zuruf rechts.) Ja, meine Herren, nur unter diesen beiden Formeln. Der Einwand, den ich gegen den Vorschlag erhebe, daß andere altgewohnte, beliebte, ehrwürdige Formeln anzuwenden dem Volke verboten wird, bleibt bestehen (sehr richtig! links), und gerade die Formel, meine Herren, die von altersher auf Grund ge— meiner Rechtsgewohnheit in Deutschland vor allem Verbreitun gewonnen batte, nämlich zu schwören: ‚so wahr mir Gott helfe und sein heiliges Wort“, diesen Zusatz, der in einem sehr großen Theile Deutschlands vor allem die Vorliebe der Bevölkerung für sich hatte, den will der Herr Abg. von Salisch untersagen.
Meine Herren, ich glaube, es wäre der allerschlechteste Weg, den Sie einschlagen können, den Schwierigkeiten in der Weise abzuhelfen, daß Sie, indem Sie einem Theil des Velkes einen alibeliebten Zusaz belassen, einem andern Theil des Volkes den Gebrauch ihm ebenss lieb gewordener Zusätze untersagen — zum Gewissensdruck für den Einzelnen und nicht zur Erhöhung der Würde des Eides im Ganzen. (Bravo! links.)
Abg. Träger (fr. Vollep.); Ich halte die Anträge von Salisch und Rintelen sür sehr gefährlich, ja geradezu der Verfassung wider— sprechend. In der alten preußischen Gerichtsordnung bestand auch eine besondere Eidesformel für die Juden. Man hat diese Ver— . beseitigt, um eine möglichst knappe Eidesformel zu erzielen.
Abg. Dr. von Cuny (nL) bittet ebenfalls um Ablehnung aller Anträge, weil es dann bei dem bestehenden Rechtszustande bleibe, wonach jeder seinen religiösen Gefühlen Ausdruck geben könne, während die Anträge die Schwörenden in ihrer Freiheit beschränken würden.
Abg von Salisch meint, daß die gleichwerthige Behandlung von Juden und Christen bei der Eidesleistung unzulässig sei.
Abg. Graf von Bernstorff (Rp.) glaubt, daß der Antrag von Salisch die Sache erheblich erschwere; man sollte also bei dem Antrag Rintelen bleiben.
Abg. Schall (3. kons) hält die konfessionelle Schlußformel für nothwendig zur Hebung der Heiligkeit des Gides, die dringend noth—
wendig sei. . . Abg. Stadthagen (Soz.) bittet, alle Anträge abzulehnen,
namentlich den Antrag von Salisch, weil der letztere nicht den An⸗ schauungen der christlichen Sekten, der Mennoniten, Herrnhuter *, Rechnung trage. Eine Gewissensnoth bestehe für die Christen 1 nicht, sondern nur für die Dissidenten, welche zur Leistung des christ⸗ lichen Eides gezwungen würden. Man sollte nur bestimmen, daß der Eid beginne: Ich schwöre ꝛc.“, und dem Schwörenden die Schluß— formel ruhig überlassen.
Der Antrag Rintelen wird darauf angenommen.
Die Kom mission beantragt, bezüglich der Vereidigung der Geistlichen in den 88 52 und 58 der Strafprozeßordnung Aenderungen vorzunehmen. Nach §z 52 sollen die Geistlichen zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt sein in Ansehung dessen, was ihnen bei Ausübung der Seelsorge anvertraut ist. Die Kommission hat diese Bestimmung gestrichen und im S586 hinzugefügt:
„Die Vernehmung eines Geistlichen erstreckt sich uscht auf Dasjenige, was ihm bei Ausübung der Seelsorge anvertraut ist. Das Gericht soll dem Geistlichen vor seiner Vernehmung von vor— stehenden Bestimmungen Kenntniß geben.“
Staatssekretär des Reichs⸗Justizamts Dr. Nieberding
Meine Herren! Ich bitte, mir eine kurze Bemerkung zu ge— statten zu der Art und Weise, wie hier versucht worden ist, die Fragt der Vereidigung der Geifstlichen anders zu lösen, als dies durch das bestehende Recht gescheben ist. Ich bin jwar nicht ermächtigt, zu dieser Frage im Namen der verbündeten Regierungen Stellung su nehmen. Ich glaube, mich aber doch für verpflichtet halten zu müssen, meine Bedenken gegen die Beschlüsse der Kommission Ihnen mitm— theilen, da ich Grund zur Annahme habe, daß wenigstens bei einem roßen Theil der verbündeten Regierungen diese Bedenken getheilt werden, und zu einer dem Hause nicht genehmen Entschließung der verbündeten Regierungen bezüglich dieses Punktes führen könnten.
Meine Herren, das bisherige Recht geht davon aus, daß an und für sich auch der Geistliche verpflichtet ist, über alles Zeugniß abzu— legen, was in den Kreis seiner Wahrnehmungen gelangte. Aber das Gesetz giebt dem Geistlichen das Recht, über dasjenige das Zeugnif abzulehnen, was ihm in Ausübung der Seelsorge zur Kenntniß ga kommen ist. Dieser Satz war ausgesprochen in der ersten Nummer des 5 52, der nunmehr nach Beschluß Ihrer Kommission ge— strichen und der ersetzt worden ist — und darin liegt der von Herrn Abg. von Salisch hervorgehobene Zusammenhang der beiden Bestimmungen — durch den dritten Absatz des 5 68. Dieser dritte Absatz des 5 58 stellt nun einen ganz neuen Grundsatz auf. Auch nach diesem ist selbstverständlich der Geistliche verpfichtet, Zeugniß abzulegen, aber das Zeugniß, das der Geistliche abzulegen hat, erstreckt sich nach dieser Bestimmung eo ipso, ohne weiteres nir auf diejenigen Wahrnehmungen, die dem Geistlichen außerhalb des greises der Seelsorge zur Keuntniß gekommen sind, derart, daß alle Baht nehmnngen, die er innerhalb der Seelsorge gemacht hat, als nicht vorhanden gelten und bel seiner Aussage von ihm als nicht vorhnden angesehen werden dürfen. Der Unterschied, meine Hertei, it vielleicht für diejenigen Mitglieder des hohen Hauses, die nicht Juristen sind, nicht auf den ersten Augenblick greiß bar. Ich will mir deshalb erlauben, an einem Bespiele den Unterschied klar zu machen; er ist von Erheblichkelt. Nein Herren, denken Sie sich den Fall, daß bei einer Schlägere eine Person durch einen Mesferstich schwer in die Brust getroffen st; es
oder diese, die Es sol ⸗
wird nach dem Thäter geforscht; der Geistliche des Orts ist Zeuge der Schlägerei im Ganzen, aber vielleicht nicht in den Einzel⸗ heiten gewesen; er hat aber dadurch, daß einer der Betheiligten bei ihm Gewissensberuhigung gesucht hat, Ge— legenheit gehabt, in Autübung seiner seelsorgerischen Thätig⸗ keit bei der Unterhaltung mit diesem Betheiligten zu erfahren, wie der Messerstich und von wem er geführt worden ist; er wird nun vor dem Gerichtshof zum Zeugniß über die Sache auf— gefordert. Meine Herren, wenn der Richter ihn nun fragt: können Sie etwas bekunden darüber, wer den Messerstich geführt hat und wie die Verwundung vor sich gegangen ist? so würde der Geistliche nach dem bestehenden Recht in der Lage sein zu erklären: ich verweigere auf Grund des Fh2mein Zeugniß, ich bin nicht verpflichtet, hierüber zu zeugen, da, wenn mir etwa über die Frage des Richters etwas zur Kenntniß gekommen sein sollte, mir dieses nur zur Kenntniß gekommen sein könnte in Ausübung meiner seelsorgerischen Thätigkeit. Wenn nun aber diese Frage auf Grund der Bestimmung, wie sie hier von der Kommission vorgeschlagen ist, an den Geistlichen ge⸗ stellt wird, wenn der Geistliche, der innerhalb seiner seelsorgerischen Thätigkeit erfahren hat, wie der Messerstich geführt wurde, von dem Richter gefragt wird: können Sie etwas be— kunden über die Art und Weise, wie die Verwundung sich vollzog? dann wird auf Grund dieser Bestimmung der Geistliche in der Lage sein zu erklären: nein, ich weiß davon nichts. Das, meine Herren, ist der Unterschied der beiden Fassungen, und er ist entscheidend.
Nun, meine Herren, die Bedenken, die ich dem gegenüber hege und die, wie ich wiederhole, nach meiner Meinung auch im Schooße der verbündeten Regierungen getbeilt werden dürften, die vielleicht auf das Schicksal der Vorlage einen entscheidenden Einfluß haben, sind folgende. Bisher war der Richter in der Lage, wenn der Geistliche sich unter Berufung auf seine seelforgerische Thätigkeit des Zeugnisses enthielt, durch Fragen über den sonstigen Sachverhalt mit aller nöthigen Diskretion festzu⸗ stellen, daß bezüglich der Begrenzung der seelsorgerischen Thätigkeit und der Wahrnehmungen, die in diese Thätigkeit hineinfallen, über⸗ haupt über die Anwendung des Eidesablehnungsrechts in dem ge⸗ gebenen Fall, bei dem Geistlichen ein Irrthum nicht vorliege; denn der Geistliche hatte sich doch im allgemeinen über den Fall dem Richter gegenüber auszusprechen und seine Eidesablehnung zu begründen. Diese Möglichkeit, meine Herren, wird fortfallen, wenn das, was Ihre Kom⸗ mission vorschlägt, Gesetz werden sollte; denn der Geistliche wird gan einfach mit Ja und Nein und mit positiven Erklärungen
antworten, die sich auf die Wahrnehmungen außerhalb der Seelsorge beschränken. Dasjenige, was er in Ausübung der Seelsorge erfahren zu haben meint, ist für ihn und den Richter nicht vorhanden. Der Richter erfährt daher nach dieser Richtung hin gar nichts, er ist deshalb auch gar nicht in der Lage, irgend welche Korrektur der vielleicht nicht zutreffenden Auffassung des Geistlichen ein⸗ treten ju lassen. Darin, meine Herren, liegt eine Gefahr für die Rechts—⸗ verfolgung, die nicht unterschätzt werden darf. Diese Gefahr muß um so mehr beachtet werden, wenn wir erwägen wollen, daß es sich hier nicht bloß um die Geistlichen der großen organisierten und disziplinierten Kirchen handelt, sondern um Geistliche auch anderer Bekenntnisse, auch für solche Glaubensgemeinschaften, bei denen Sie vielleicht nicht geneigt sein werden, dem Geistlichen unter allen Umständen kraft seiner Er— ziehung die Umsicht und die Einsicht zuzutrauen, die nöthig ist, um von dieser Bestimmung Gebrauch zu machen, ohne die Rechtsverfolgung in unberechtigter Weise einzuschränken.
Das zweite Bedenken, meine Herren, das ich gegenüber dieser Vorschrift geltend zu machen habe, ist folgendes: Indem nach der Bestimmung, die Ihre Kommission vorschlägt, dasjenige, was der Geistliche in Ausübung seiner Seelsorge erfahren hat, ohne weiteres aus dem Kreise der Fragestellung des Richters ausscheidet, wird der Geistliche nicht einmal in die Lage gebracht, auch über diejenigen Wahrnehmungen seiner seelsorgerischen Thätigkeit dem Richter eine Mittheilung zu machen, über die er an und für sich keinen Anstand nehmen würde, eine Mittheilung dem Richter zukommen zu lassen; denn der Inhalt dieser Wahrnehmungen innerhalb seiner seelsorgerischen Thätigkeit liegt ganz außerhalb der gerichtlichen Behandlung, er wird von ihr gar nicht berührt. Gegenwärtig, meine Herren, ist der Geistliche in der Lage, indem er über gewisse Punkte seiner sꝑeelsorgerischen Wahr— nehmungen das Zeugniß nicht verweigert, im Interesse der Rechts— verfolgung dem Richter Auskunft zu geben, obwohl es sich um Wahr— nebmungen aus dem Kreise seiner seelsorgerischen Arbeit handelt. In Zukunft, meine Herren, wird das ausgeschlossen sein.
Nun, meine Herren, vergegenwärtigen Sie sich, was alles in den Kreis der seelsorgerischen Thätigkeit fällt, die ja einen sehr vagen, der fubjektiven Auslegung sehr zugänglichen Begriff darstellt. Wenn wir bedenken, daß sich die Thätigkeit, vom Beichtstuhl ganz zu schwelgen, nicht bloß bethätigt in der Kirche, in der Schule, in An dachten häuslicher Art, sondern auch im Familienverkehr, auf Spazier- gängen — unter Umständen kann ja ein solcher Verkehr den Charakter annehmen, um in den Kreis der seelsorgerischen Thätigkeit mit Recht bineingejogen zu werden —, dann ist es allerdings möglich, daß durch diese Voischrift der Kreis dessen, was der Richter zur Eruierung der Wahrheit nöthig hat, so eingeschränkt wird, daß darin eine für die Rechtzinteressen des Staates und der Bevölkerung sehr bedenkliche Maßregel gefunden werden muß.
Drittens, meine Herren, habe ich folgendes Bedenken vorzutragen: Wenn der Geistliche in der Lage ist, alles dasjenige, was er inner⸗ halb seiner amtlichen Thätigkeit erfahren hat, bei der Vernehmung als nicht vorbanden anzusehen, dann kann der Fall sich folgender maßen stellen: Der Geistliche wird über eine Thatsache ver⸗ nommen, die er nur kennt auf Grund seelsorgerischen Benehmens mit der einen oder anderen Person. Diese Personen wissen, daß sie dem Geistlichen Mittheilung gemacht haben. Die Personen sind anwesend in dem Zuhörerraum, während der Geistliche von dem Richter vernommen wird. Der Geistliche wird gefragt und hat nach dem Gesetz zu erklären und zu beschwören, er wisse von der Sache nichtc. Den Eid legt er dahin ab, daß er die reine Wahrheit gesagt habe und nichts verschwiegen habe.
Meine Herren, ich glaube, wenige Geistliche werden bereit sein, mit dieser Mentalreservation, zu der das Gesetz sie legitimieren würde, den Eid zu leisten, und noch weniger wird das Volk ein der⸗ artiges Verhalten des Geistlichen zu verstehen wissen. Ich glaube, die verbündeten Regierungen werden sich doch die Frage vorlegen müssen, ob, wenn sie den Geistlichen in eine derartige Lage bringen, sie nicht dazu beitragen, die Autorität des Geistlichen zudem zu er—
schüttern; ein Schaden, der dem hinzutreten würde, daß eine Ein schränkung der Rechtsverfolgung in unzulässiger Weise eintritt.
Meine Herren, die ganze Angelegenheit hat sich daraus entwickelt, daß es sich zunächst nach einer Anregung des Zentrums nur darum handelte, diejenigen Wahrnehmungen absolut von der richterlichen Feststellung auszuschließen, die in der Ohrenbeichte zur Kenntniß des Geistlichen gelangt sind. Die Kommission war nicht geneigt, auf einen dahin gerichteten Antrag einzugehen. Um aber der Sache ge⸗ recht zu werden, hat sie an die Stelle der Beichte nunmehr die ganze geistlichée Thätigkeit des Geistlichen gesetzt, und darin, meine Herren, liegt der Fehler, darin, daß man die Wahrnehmungen, die in der Beichte gemacht worden sind, ohne weiteres gleichgestellt hat den Wahrnehmungen, welche der Geistliche in seiner ganzen seelsorgerischen Arbeit macht. (Sehr richtig! links.) Daraus ergeben sich die Gefahren für die Rechtsinteressen und die Gefahren für die Stellung des Geistlichen, die ich mir erlaubte, Ihnen darzulegen.
Meine Herren, wenn Sie diese Punkte würdigen, so glaube ich, werden Sie nicht umhin können, zuzugeben, daß es sich um schwerwiegende Bedenken handelt. Die verbündeten Regierungen sind, davon bin ich überzeugt, gewiß nicht abgeneigt, allen Anforderungen im Interesse der Seelsorge, die auf diesem Gebiete mit Recht gestellt werden können, volle Würdigung zu theil werden zu lassen. Aber, meine Herren, ich bin doch verpflichtet, das hervorzuheben, daß bisher den Justizverwaltungen der deutschen Regierungen nichts bekannt geworden ist, was dazu nöthigen könnte, so weitgehende Abänderungen unseres bestehenden Rechts vorzunehmen, und daß auch von seiten der kirchlichen Behörden in keiner Weise Anregungen gegeben werden, die zu einer solchen weitgreifenden Maß— regel nöthigen könnten.
Meine Herren, ich bin nicht in der Lage, Ihnen hier etwas Be⸗ stimmtes vorzuschlagen; ich habe nur die Verpflichtung, um Ihre Verhandlungen zu fördern, den Bedenken Ausdruck zu geben, die ich die Ehre hatte, Ihnen vorzutragen, und ich kann Sie nur bitten: unterschätzen Sie die Bedeutung dieser Bedenken nicht!
Abg. von Salisch erklärt, er halte den Sinn der Bestimmung nicht für so bedenklich wie der Staatssekretär, sonst würde er dagegen , Schmidt⸗Warburg (Zentr) stimmt dem Vorredner zu; ohne eine solche Vorschrift sei das Beichtgeheimniß nicht zu wahren.
Abg. Iskraut (Reformp.) erklärt, er schließe sich den Aust führungen der beiden Vorredner vollständig an.
Abg. Schall beantragt, in dem Beschluß der Kommission ausdrücklich zu sagen, daß die Vernehmung des Geistlichen sich nicht erstrecken dürfe auf dasjenige, was ihm unter dem Siegel des Beicht.« oder Seelsorge⸗Geheimnisses anvertraut sei. Damit würde allen An⸗ forderungen genügt sein.
Abg. Freiherr von Stumm (Rp.) hält die Anträge für über⸗ flüssig, da nach der Erklärung des Staatssekretärs weder die gericht lichen, noch die kirchlichen Behörden irgend ein Bedürfniß für eine Aenderung anerkannt hätten. Das Beichtgeheimniß sei durch die be⸗ stehende Gesetzgebung vollkommen gewahrt.
Darauf wird um 5i Uhr die Berathung abgebrochen. Nächste Sitzung Freitag 1 Uhr. (Erste Lesung der Novelle zum Naturalleistungsgesetz; zweite Lesung des Gesetzes über die elektrischen Maßeinheiten; Petitionen; Antrag, betreffend die Besteuerung des Saccharins, und Fortsetzung der obigen Berathung.)
vorurtheilsfrei
Prenßischer Landtag. Herrenhaus. 12. Sitzung vom 28. April 1898.
Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden. ;
Die Berathung des Staatshaushalts⸗-⸗Etats für 1898 99 wird beim Etat der Forstverwaltung fortgesetzt.
Graf von Mirbach bespricht den billigen Exporttarif für russisches Holz. Wenn er auch die Bedeutung der großen Handels—⸗ plätze gern anerkennen wolle, so sei es doch ein unberechtigtes Ver- langen, für Nutzholz den Identitätsnachweis aufzuheben; denn Holz sei keine fungible Waare wie Getreide. Die inländische Holzproduk⸗ tion würde dadurch geschädigt; die Ablehnung dieses Verlangens liege auch im Interesse der Forstverwaltung.
ber⸗-Landforstmeister Donner: Der Minister hat eine Kom⸗ mission an Ort und Stelle entsendet, welche die Verlältnisse genau studieren und mit den Interessenten verhandeln soll. Die Kommission hat inzwischen die Handelsplätze Danzig, Königsberg und Memel be— reist und wird den Ministerien für Landwirthschaft und für öffentliche Arbeiten eine Vorlage unterbreiten. Eine Entscheidung ist noch nicht getroffen, aber die agrarischen Wünsche werden vollkommen berück— sichtigt werden. Itdenfalls wird der Landwirthschafts Minister nicht zugeben, daß das inländische Holz schlechter gestellt wird bei den Tranzporten als das des Auslandes. ;
Graf von Klinckowstroem bedauert, daß die Interessenten von diesen Konferenzen der Kommission keine Kenntniß gehabt hätten, und wünscht, daß wenigstens noch nachträglich die Forstinteressenten befragt würden. Nur für eine besondere Spezialität von russischem Holz könne der Stadt Memel ein billigerer Tarif zugestanden werden für den Export nach anderen Ländern.
Graf von Mirbach beftätigt, daß den Interessenten von den Konferenzen der Kommission nichts bekannt geworden sei. Er wolle den Interessen des Handels gern entgegenkommen, aber es müsse immer abgewogen werden, wo das Plus und das Minus liege.
Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer⸗ stein:
Ich kann Herrn Grafen von Mirbach darin Recht geben, daß eine schriftliche Aufforderung, an den Konferenzen theil zu nehmen, an die Vertreter der Landwirthschaft nicht ergangen ist. Es ist aber unterblieben, weil mir von jener Seite mitgetheilt war, daß die Herren nicht aufgefordert zu werden wünschten. Ich glaube, das wird Herr Graf von Klinckowstroem be—⸗ stätigen. Also Herr Graf von Mirbach hat in der Beziehung Recht, daß eine formelle Aufforderung zur Betheiligung nicht ergangen ist. Sie ist aber nur unterblieben, weil mir gesagt wurde, man wünsche nicht aufgefordert zu werden.
Im übrigen erkläre ich, daß ich, wie bisher so auch fernerhin, gewillt bin, unsere inländische Forstproduktion gegen die Konkurrenz durch den Import ausländischen Holjes möglichst und sowelt zulässig zu schützen, ich werde das auch in diesem speziellen Fall thun, soweit das ausführbar ist.
Beim Etat der landwirthschaftlichen Verwaltung
merkt . Herr von Klitzing: Die Landwirthschaftskammern haben das Recht. Beiträge zu erheben. In ig re,, ö sefes Rechts ganz gut. In der Provinz Brandenburg n n, n . Schwierigkeiten dabei. Die Eisenbahn⸗
ö. nnn, er . ch vollsändig, elwaß ju jahlen, während die
Direktionen weigern
Gisenbahn⸗Direktionen in der Provinz Sachsen ohne weiteres on in haben. Auch der Strombaufiskus mußte erst verklagt werden, ehe er etwas bezahlte; ebenso steht es mit den Pfarrländerelen. Die Kreise schicken die Beiträge eln ohne jede Abrechnung, so haben manche Kreise in verschi⸗denen Jahren ganz verschiedene Beiträge eingeschickt. Es müßten Hebelisten eingeführt werden, was den Landräthen an der Hand der Ergänzungssteuer garnicht schwer werden könnte. Ferner müßte der Zelstpunkt der Einsendung der Beiträge bestimmt festgesetzt werden; auf dem Klagewege ist eine rechtzeitige Einsendung der Bei⸗ träge nicht zu erreichen, es giebt höchstens den Beschwerdeweg. Redner beschwert sich ferner darüber, daß das in Berlin errichtete Kornhaus nicht der landwirthschaftlichen Hauptgenossenschaft, für die es bestimmt gewesen sei, überlassen worden sei, sondern einer anderen Genossenschaft. Es wäre wenigstens dadurch zu helfen, ö das Getreide der land⸗ wirthschaftlichen Hauptgenossenschaft dort aufgenommen werde. Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hamm'er⸗ stein:
Ich gestatte mir, auf den ersten und dritten Punkt zu antworten und die Beantwortung des zweiten Punktes wegen der Kornhäuser dem Herrn Ministerial Direktor Thiel zu überlassen.
Was den ersten Punkt betrifft, so ist es entschuldbar und er⸗ klärlich, daß eine neue Einrichtung wie die der Landwirthschafts⸗ kammern nach verschiedenen Richtungen hin noch Erfahrungen machen muß, und die liegen in diesem Fall auf dem Gebiet des Besteuerungt⸗ rechtes, was ja ein ganz neues Recht ist, zu dessen Ausführung die organisatorischen Bestimmungen sich sehr verschieden in den einzelnen Landwirthschafts kammern entwickelt haben.
Was die Heranziehung des Eisenbahnfiskus zu Beiträgen für die Landwirthschaftskammern betrifft, so schweben darüber Verhandlungen, die voraussichtlich in allernächster Zeit zum Abschluß gelangen und beiwecken, daß möglichst die Beiträge, welche der Eisenbahnfiskus für seine Grundstücke an eine bestimmte Landwirthschaftskammer zu ent- richten hat, ein für alle Mal in einer Summe entrichtet werden.
Der zweite Punkt, der hervorgehoben wurde, ist, daß es doch sehr unbequem sei, wenn das Verwaltungsstreitverfahren erfolge. — Meine Herren, das beruht auf der bestehenden Gesetzgebung, und die landwirthschaftliche Verwaltung ist nicht in der Lage, in das Recht, im Instanzenwege auf Beschwerden die Entscheidung des Ober- Verwaltungsgerichts bezw. des Bezirksausschusses herbeizuführen, ein zugreifen. Es ist übrigens auch zweckmäßig, daß auf diesem Wege Zweifel über die Auslegung maßgebender gesetzlicher Bestimmungen zum Austrag gebracht werden.
Wenn hingewiesen ist auf die Mitwirkung der Herren Landräthe, so glaube ich schon jetzt erklären zu können, daß meines Erachtens kaum Bedenken entgegenstehen, die Landräthe dahin anzuweisen, daß sie mit dem Material, das zu ihrer Verfügung steht, die Ausführung dieses Besteuerungsrechts möglichst fördern, damit dasselbe sachlich und richtig nach den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen ausgeführt werde. Darüber zu entscheiden, ob und wie weit die Landräthe befugt sind, das Steuermaterial aus der Ergänzungssteuer und sonstigen Veranlagungen heranzuziehen, steht mir nicht zu. Das werden die Herren selbst wissen, und wo Zweifel entstehen, hat darüber der Herr Finanz⸗Minister zu entscheiden.
Dann hat der geehrte Herr Vorredner angefragt, ob die Ent⸗ scheidung zweiter Instanz gegen Anordnungen der Kreis⸗Thierärzte den Departements ⸗Thierärzten zustehe. Die Entscheidung zweiter Instanz gebührt in den bezeichneten Fällen den Königlichen Polizei⸗ Präsidenten.
Ministerial Direktor Dr. Thiel: Das Kornhaus in Berlin sollte nicht denselben Zweck haben wie die anderen Kornhäuser in den Pro⸗ vinzen, die rein gewerblichen Zwecken dienen. Das Kornhaus in Berlin ist errichtet zu dem Zweck, die beste Art der Lagerung des Getreides ausfindig zu machen. Aber nach Beendigung der Versuche soll das Kornhaus einer solchen Genossenschaft., die, wie die Haupt⸗ genossenschaft, die landwirthschaftlichen Interessen dieses Bezirks ver⸗ tritt, zur Verfügung gestellt werden.
Herr von Klitz ing: Unter dem 11. August 1897 hat die land⸗ wirthschaftliche Verwaltung der landwirthschaftlichen Hauptgenossen⸗ schaft angezeigt, daß ihr die Benutzung des Kornhauses für ihr Ge⸗ treide freistehe, wenn sie dies für die anzustellenden Versuche verwenden lassen wolle; dann aber ist das Kornhaus, ohne diese Hauptgenossen⸗ schaft weiter zu befragen, einer anderen Genossenschaft gegeben worden. Wunderbar ist doch, daß in einer Provinz die Eisenbahn⸗ Direktionen sofort die Beiträge für die Landwürthschaftskammern leisten, in einer anderen Provinz aber sich weigern. Wir müssen nun wegen jedes einzelnen Direktionsbezirks die Klage führen. Da müßte doch von dem Minister Einheitlichkeit herbeigeführt werden. stei Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer⸗
ein:
Ich bin nicht in der Lage, Auskunft darüber zu geben, weshalb einzelne Eisenbahn⸗Direktionen die Frage, ob Beitragsverpflichtung besteht, in das Verwaltungsstreitverfahren gebracht haben. Ich kann nur wiederbolt mittheilen, daß meinerseits Verhandlungen mit dem Herrn Arbeits⸗Minister nach der Richtung eingeleitet sind, um mög⸗ lichst einheitlich die Beitragspflicht des Eisenbahn Fiskus zu den Kosten der landwirthschaftlichen Kammern zu ordnen. Diese Verhandlungen schweben noch, werden aber voraussichtlich zu einem Herrn von Klitzing befriedigenden Ergebniß führen.
Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:
An und für sich würde ja für jede einzelne Gemeinde nach meiner Ansicht der Grundsteuerreinertrag am besten bei der Katasterverwal⸗ tung zu erfahren sein. Das würde nur da einige Schwierigkeiten haben, wo die Grundstücke in verschiedenen Gemeinden bezw. über den Kreis hinaus liegen. Es mag daher am einfachsten geschehen durch die Zusammensummierung bei der Ergänzungssteuer. Ich kann nur Herrn von Klitzing sagen: an die Finanzverwaltung sind in dieser Beziehung überhaupt noch keine Anträge gekommen. Wir würden ja gern erwägen, ob sich das mit den Bestimmungen über die Ergänzungk⸗ steuer, bezw. deren Geheimhaltung verträgt. Vorläufig sehe ich kein erhebliches Hinderniß in der Sache und wir werden, sowie die An⸗ träge an uns kommen, die Frage prüfen und eine Entscheidung treffen. Ich hoffe, daß das schließlich dazu führen wird, der Landwirtbschafts⸗ kammer die Sache zu erleichtern. Herr von Klitzing hat selbst zu meiner Freude schon anerkannt, daß die Kosten, die hierdurch etwa erwachsen sollten, von der Landwirthschaftskammer getragen werden müßten.
Ministerial Direktor Dr. Thiel: Die Hauptgenossenschaft hat das Schreiben der landwirthschaftlichen Verwaltung dahin miß⸗ verstanden, daß ihr das Kornhaus ganz in Verwaltung gegeben werde. Davon konnte keine Rede sein. Dagegen sollte ihr ein Theil des Kornhauses für ihre Zwecke vermiethet werden. Hoffentlich gelingt
es, eine Einigun 32 der ,,, und dem land⸗ wirthschaftlichen Lehrinstitut, welches das Kornhaus verwaltet, herbei⸗
zuführen.