1898 / 103 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 02 May 1898 18:00:01 GMT) scan diff

weshalb ich dem Maglstrat ausführliche Gründe nicht heilt habe. Meine Herren, um Ihnen ein klares Bild der nzen Sache zu verschaffen, auch der Konsequenzen, die schon der Magistrat in Breslau bei der Stellung seines Antrages im Auge gehabt hat, möchte ich Ihnen am liebsten den Antrag wörtlich verlesen; das würde aber doch, glaube ich, hier zu weit führen; ich bin ohnehin genöthigt, einigermaßen weitläufig auf die Sache einzugehen und ich beschränke mich darauf, Ihnen mitzutheilen, daß der Magistrat im wesentlichen etwa Folgendes in der Eingabe ausgeführt hat; ich will dabei ausdrücklich die Wendungen gebrauchen, die der Magistrat ge—⸗ braucht hat, damit ich nicht etwa die Sache hier zu ungünstig für den Magistrat darstelle, sondern im Gegentheil, ich will alles jum Ausdruck bringen, was namentlich für die optima fides des Magistrats, für die gute Absicht, in der man den Antrag gestellt hat, spricht. Denn davon bin ich völlig durchdrungen, daß der Magistrat hier optima fide gehandelt hat.

Der Magistrat führt in der Eingabe Folgendes aus: eine größere Anzahl von Mädchen strebe erfahrungsmäßig schon jetzt nach einer höheren wissenschaftlichen Bildung, suche sich die Berechtigung zum Besuch einer Universität durch Privatstudien und durch den Besuch mehr oder weniger fragwürdiger Privatanstalten zu verschaffen; dabei seien diese Mädchen mancherlei Fährlichkeiten und Unzuträglich⸗ keiten ausgesetzt; andere Mädchen, zahlreiche Mädchen würden eben nur durch diese in der Unvollkommenheit der weib⸗— lichen Bildungsanstalten begründeten Härten und Gefahren von der sonst erstrebten wissenschaftlichen Bildung abgehalten; diese Mädchen vermehrten dann in beklagenswerther Weise die Zahl der geprüften, aber keine Anstellung im Schuldienst findenden Lehrerinnen, und sehr zahlreich seien die Fälle, daß Mädchen aus guten Familien in späteren Jahren, von der Noth gedrängt, sich unter schweren Anstrengungen

und Entbehrungen einen Theil derjenigen wissenschaftlichen Bildung zu verschaffen suchten, die sie früher ganz leicht in umfassender Weise sich hätten aneignen können, wenn sie nur Anstalten dafür gehabt hätten, und der Magistrat wolle daher geistig begabten und strebsamen Mädchen den Weg ebnen, auf welchem sie, gleich den Knaben, ein höheres Ziel er— reichen, ihrem Leben einen tieferen Inhalt geben, an der geistigen Arbeit lebendiger und wirksamer theilnehmen und insbesondere eine ausreichende Vorbildung für die Universitätsstudien erlangen können, um sich für einen ihren Fähigkeiten und Neigungen entsprechenden, mit dem weiblichen Wesen verträglichen höheren Lebensberuf vorzubereiten.

Zur Erreichung dieses Ziels halte der Magistrat den Weg für den rechten, der die Mädchen in einer für die Aufnahme des Wissens— stoffs geeigneten Altersstufe und im Anschluß an bewährte“ Schul⸗ formen in die wissenschaftliche Bahn hineinführe; er habe dazu die von der Schuldeputation vorgeschlagene Form gewählt, die sich in dem Grundgedanken der sogenannten Reformschule anschließe.

Dieser Lehrplan nun wird in der Eingabe beigefügt und näher erläutert. Es wird ausdrücklich bemerkt das möchte ich doch nicht verschweigen daß der Plan selbstverständlich nur die vorläufige Grund—⸗ lage bilde und je nach den im Laufe der Entwickelung der Anstalt gesammelten Erfahrungen auch Aenderungen solle erfahren dürfen.

Der Magistrat beantragt, einstweilen die Genehmigung des Ministers dafür herbeizuführen, daß mit dem neuen Schuljahre zu Ostern dieses Jahres der Versuch in Anlehnung an die städtische Viktoriaschule, deren Direktor aus voller Ueberzeugung die Leitung zu übernehmen bereit sei, ins Werk gesetzt werde, und zwar vor— läuüfig mit Klasse 111, der allmählich die folgenden Klassen angefügt werden sollten. Der Magistrat verpflichtet sich sodann aus— drücklich, die Anstalt angemessen zu dotieren und den Unterricht durch pro facultate docendi geprüfte, ordnungsmäßig berufene Lehrer er— theilen zu lassen. Dann fährt der Mazistrat folgendermaßen wörtlich fort und da muß ich schon die Erlaubniß erbitten, einige Zeilen vorlesen zu dürfen

Wir setzen hierbei voraus, daß bei normalen Fortschritten der Schule nach ihrer vollen Ausgestaltung der Mmister ihr das Richt der Reifeprüfung in demselben Umfange wie den Gymnasien für Knaben gewähren und den mit dem Reifezeugniß versehenen Mädchen die Berechtigung zum Universitätsstudium nicht vor— enthalten werde. Wir wünschen ferner, daß denjenigen Mädchen, die auf der neuen Anstalt das Reifezeugniß für die Universität er langen, erleichterte Bedingungen für den Besuch des Lehrerinnenseminars in Bezug auf die obligatorische Dauer des Seminarkursus gewährt werden möge, wie dies in der Sitzung des Hauses der Abgeordneten vom 3. Mai 1897 von dem Vertreter der Königlichen Staatsregierung in Aussicht gestellt ist.

Nun, meine Herren, dieses Inaucsichtstellen einer Berücksichtigung des Abiturientenexamens bei der Lehrerinnenprüfung ist damals von meinem Herrn Kommissar, dem Wirklichem Geheimen Ober- Regierungs⸗Rath Dr. Schneider, allerdings hier ausgesprochen, aber in einer höchst vorsichtigen Form ausgesprochen. Egz ist ausdrücklich gesagt, daß nach sehr vielen Seiten hin eine solche Berücksichtigung nicht stattfinden kann, so wenig wie man einen Gymnasiasten, der ge— wisse Kenntnisse hat, ohne weiteres als Lehrer in eine Schulllasse hinein lassen kann; es gehört eben auch eine pädagogische und methodische Vorbildung für den Lehrerberuf dazu. Kurz, diese Zusage ist so unbestimmt, und unter so vielen Kautelen gegeben worden, daß sie uns in keiner Weise bindet, und auch nicht binden kann. Ich bin aber ganz einverstanden mit allem gewesen was mein Herr Kommissarius damals gesagt hat. Warum nicht? Unter Umständen wird man ein Mädchen bei der Lehrerinnenprüfung nicht nochmals in Kenntnissen zu prüfen brauchen, deren Besitz es bereits im Abiturientenexamen dargelegt hat.

Der Magistrat verlangt also von mir und macht zur Voraus setzung seines ganzen Plans die Zusage (Widerspruch links) jawohl, meine Herren, hier steht geschrieben: wir setzen hierbei voraus (Unruhe links), er macht es zur Voraussetzung seines ganzen Plans, daß ich sowohl eingreifen sollte in die Frage der Unwersitäten als in die Frage der Berechtigung zur Ablegung des Abiturienteneraments, und ebenso in die Frage der Prüfung der Lehrerinnen.

Nun, meine Herren, diese Zusage konnte ich selbst beim besten Willen nicht ertheilen. Denn das güiffe tief in die Verhälmnisse der Universitäten, in die Verhältnisse der Prüfung von Lehrerinnen ein, und ein Zugeständniß auf diesen beiden Gebieten konnte ich ein— seitig nicht machen und wollte ich auch nicht machen. Denn, meine Herren, darüber kann man sich nicht täuschen, daß ein Zugeständniß auf diesen Gebieten einen niemals wieder rückgängig zu machenden Schritt vorwärts bedeutet (sehr richtig! rechts im Sinne

Dadurch erhält der ganze Antrag des Maglstrats von Breslau die Bedeutung eines Vorstoßes im Sinne dieser Frauenbewegung, ich möchte sagen, den Charakter einer Kraftprobe, ob die Unterrichts⸗ verwaltung den Muth haben würde, dem jetzt sehr stark andrängenden Modeprinzip gegenüber die Genehmigung, die hier nachgesucht war, zu ertheilen.

Nun, meine Herren, ich konnte die Voraussetzung und die Zusage nicht geben, und schon damit war nach meiner Ansicht der ganze Antrag hinfällig. Die Gründe, aus denen ich die Zusage ablehnen mußte, liegen ganz abgesehen davon, daß eine einigermaßen ihres Weges sichere und zielbewußte Regierung solchen Kraftproben gegenüber sich nicht leicht willfährig zeigen wird die Gründe dafür liegen in der gesammten Lage der Universitäten gegenüber dem Verlangen, ihre Hörsäle schrankenlos dem Frauenstudium zu öffnen. Die Stellung der Unterrichtsverwaltung in der Frage ist folgende.

Wir stehen dem Bedürfnisse, für das weibliche Geschlecht eine erweiterte Erwerbsthätigkeit, erweiterte Gelegenheit zu einem anständigen Erwerbe auch durch wissenschaftliche Thätigkeit herbeizuführen, nicht ablehnend, sondern wohlwollend und fördernd gegenüber, allerdings unter dem Vorbehalte der durch das wirkliche Bedürfniß gezogenen Grenzen. Innerhalb dieser Grenzen wird aber schon jetzt dem Bedürfnisse in entgegenkommender Weise Rechnung getragen. Ich gewähre den jungen Mädchen, die Universitäͤts⸗ vorlesungen besuchen wollen, Gelegenheit dazu, indem ich sie auch ohne

Maturitätsprüfung unter der Voraussetzung als Hospitantinnen zu— lasse, daß sie bei genügender Vorbildung das Einverständniß der Univeisitätslehrer und des Rektors der Universität erlangen. Aus der Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht soll, wie ich aue— drücklich angeordnet habe, an sich ein Bedenken dabei nicht hergeleitet werden. Soweit es sich also um das Bildungsbedürfniß der jungen Mädchen handelt, stehen ihnen alle Pforten der Wissenschaft offen. Nun hatten einzelne dieser Damen, allerdings eine verschwindende Minderzahl, den dringenden Wunsch, das Maturitätserxamen an einem Gymnasium ablegen zu dürfen. Ich habe ihnen diesen Wunsch gewährt; ich habe sie als Extranerinnen zum Abiturienten examen zugelassen und ihnen dabei die Wahl der betreffenden Anstalt freigestellt. Ich habe das gethan mit Rücksicht darauf, daß einzelne dieser Damen, die zu mir kamen, wünschten, auch wissenschaft⸗ liche Ehren an den Universitäten erwerben zu können, sofern die Universitäten dazu bereit seien. Ein solcher Fall ist erst kürzlich in Halle eingetreten. Was ließe sich auch wohl dagegen sagen, wenn eine junge Dame auf dem Gebiete der Medizin oder z. B. der Mathematik zum Doktor promoviert wird? Der wesentliche Grund aber ist noch ein anderer. Es waren einige dieser jungen Damen vorhanden, die den dringenden Wunsch hatten, Medizin zu studieren. Wir sind nun auf Grund der gemachten Erfahrungen der Meinung, daß, falls sich Damen finden, die die körperliche, geistige und sittliche Kraft haben, alles das zu leisten, was zur Ab— legung der medizinischen Approbationsprüfung gehört, es in der That recht wünschenswerth wäre, wenn wir, sei es auch nur in beschränkter Anzahl, weibliche Aerzte hätten. Es giebt eine Reihe von Fällen, die konstatiert sind, wo Frauen absolut nicht zu bewegen gewesen sind, auch bei schweren Erkrankungen sich von männlichen Aerzten untersuchen oder behandeln zu lassen, daß es für Frauen und Kinderkrankheiten recht nützlich sein kann, wenn man einen vorausgesetzt immer vollkommen tüchtigen und leistungs⸗ fähigen weiblichen Arzt an das Krankenbett rufen kann. Diesen Bestrebungen bin ich, allerdings unter der Voraussetzung der Tüchtig— keit und unter der Voraussetzung der gleichen Leistung wie bei den Männern, durchaus nicht entgegen; im Gegentheil, ich habe den Damen die Wege gebahnt, ich habe selbst die Initiative bei den Reichsbehörden ergriffen, von denen jn die ärztliche Approbatisans— prüfung ressortiert, um herbeizuführen, daß die Hospitantinnensemester diesen Damen bei der ärztlichen Approbation prüfung angerechnet werden. Aus demselben Grunde habe ich ihnen die Möglichkeit verschafft, das Abiturientenexamen zu machen. Ich konnte das thun, weil unsere Prüfungs⸗ kommissionen an den Gymnasien sich vollauf in jeder Beziehung bewährt haben und weil nach dieser Richtung hin auch nicht das mindeste Bedenken bestand. Das ist auch der Grund, meine Herren, weshalb ich gar keine Bedenken getragen habe, private Gymnasialkurse, wie sie in Berlin durch Fräulein Helene Lange geleitet, und zwar recht gut geleitet werden, zuzulassen. Denn, meine Herren, ich bin nicht willens, eine Dame, die die sittliche Kraft, die körperliche und intellektuelle Tüchtig— keit besitzt, um die für das Maturitätsexamen erforderliche Bildung sich anzueignen, daran zu hindern. Aber das alles habe ich freilich nur gethan, wenn es sich um Mädchen handelte, die reif genug waren, um in dieser Beziehung einen wohlerwogenen, freien Entschluß fassen und durchführen zu können.

Eine völlig andere Frage ist die, ob man durch Errichtung eines öffentlichen Mädchengymnasiums nach dem Breslauer Plan bereits zwölfjährige Kinder in die gymnasiale Laufbahn hineinführen oder gar hineinlecken solle. (Sehr richtig! rechts) Diese Frage habe ich ver neint und werde ich weiter verneinen. (Sehr richtig! rechts) Denn, meine Herren, damit würden wir den sozialen Unterschieden, um von allen anderen Bedenken zu schweigen, die wir ohnehin haben, durch eine öffentliche unter staatlicher Autorität wirkende Institution einen neuen Unterschied hinzufügen. Wir würden dann öffentliche Mädchengymuasien mit Maturitätsprüfungen haben, die natürlich als vornehmere Bildungtanstalten gelten und eine große Anziehungs— kraft ausüben würden, nicht bloß aus wissenschaftlichen, sondern auch aus Eitelkeitsgründen. (Sehr richtig! rechts) Meine Herren, diese öffentlichen Mädchengymnasien würden staatlich autorisierte Berufs⸗ schulen sein, in welche die Mädchen vom 12. Jahr an geschickt würden zu einer Zeit, wo weder sie selbst, noch ihre Eltern, noch die Er⸗ ziehungsberechtigten in der Lage sind, zu übersehen, ob die Kinder die körperliche, intellektuelle Bildungsfähigkeit und Neigung besitzen, sich einem gelehrten Beruf zu widmen.

Meine Herren, neben diesen öffentlichen Mädchengymnasien hätten wir dann ebenfalls als eine öffentliche Institution die jetzige neunklassige höhere Mädchenschule, deren Ziel auf die Vermittelung einer allgemeinen, nicht berufsmäßigen weiblichen Bildung auf sittlich⸗ religiöser Grundlage hinausgeht, Schulen, die ihre Schülerinnen nicht zu Konkurrentinnen der Männer, sondern zu deren Gehilfinnen, nicht zu Gelehrtinnen, auch nicht zu gelehrten Blaustrümpfen, sondern zu tüchtigen deutschen Hausfrauen machen wollen. (Bravo! rechts.) Meine Herren, diese staatlich organisierten höheren Mädchenschulen würden eine Anstalt zweiten Ranges werden. Und wer würde

einem für sie unnützen Ballast einer gelehrten Bildung belastet werden. Meine Herren, darin liegt aber die Gefahr einer gewaltsamen Störung und Verkümmernng unserer gesammten jetzigen Mädchenbildung, und in diesem Sinne darin stimme ich dem Herrn Abg. Rickert, der das im vorigen Jahre von der Frauen⸗ frage gesagt hat, vollkommen zu ist es eine Kulturfrage ersten Ranges, ob man ohne den Nachweis eines dringenden Bedürfnisses solche Gefahren durch die Zulassung öffentlicher Institutionen und Experimente heraufbeschwören soll. Meine Herren, daß aber ein wirkliches Bedürfniß dazu nachgewiesen sei und daß ein solches Be⸗ dürfniß zur Zeit auch nur annähernd nachgewiesen werden könnte, be⸗ streite ich durchaus. (Sehr richtig! rechts.)

Meine Herren, 4 heute sagt Herr Gothein 26; ich will aber auch die 26 gelten lassen, uns sind nur 24 angesagt Schülerinnen, 16 evangelische, 1katholische und 7 jüdische (Heiterkeit, die beweisen das behauptete Bedürfniß sicher nicht. Eigentlich ist diese Zahl von 24 Mädchen bei der Bevölkerung Schlestens, die ja über 4 Millionen beträgt, eine lächerlich kleine, und daß diese auch auf privatem Wege, wenn sie wirklich so tüchtig, so kraftvoll und so von Wissensdurst beseelt sind, wie angenommen werden muß, das Maturitaäͤtsexamen machen können, wenn sie es machen wollen, darüber kann doch nicht der mindeste Zweifel obwalten.

Meine Herren, es ist Thatsache, daß in ganz Preußen zur Gym— nasialreifeprüfung überhaupt sich nur gemeldet haben im Jahre 1895/96 acht Mädchen, die alle und zwar recht gut bestanden haben, im Jahre 1896/97 vier Mädchen, von denen eine nicht be- standen hat, im Jahre 1897/98 zum Michaelistermin sechs Mädchen, von denen jwei nicht bestanden haben, und zum Ostertermin fünf, über die ich noch keinen Bericht habe. Aber auch diese 23 Damen stammten noch nicht einmal sämmtlich aus Preußen! Und daraus will man ein allgemeines Bedürfniß für die Herstellung öffentlicher, unter staatlicher Autorität stehender Maͤdchengymnasien konstruieren. Alle diese Damen haben sich privatim oder mit Hilfe von privaten Anstalten wie hier in Berlin vorbereitet; aber alle waren in der Lage, mit einer gewissen Reife und mit voller Freiheit ermessen zu können, ob sie Kraft, Neigung und Fähigkeit hatten, einen solchen Kursus zu besuchen.

Meine Herren, ich bin der Meinung, und darin werden mir Alle beistimmen, die pädagogische Erfahrungen haben —, im allgemeinen sind Mädchen dieser Art in Bezug auf körperliche, geistige und Willenskraft Ausnahmen; aber für diese Ausnahmen ist ja der Weg bereits geöffnet. Die große Mehrzahl unserer jungen Mädchen hat diese Kraft nicht; die große Mehrzahl will auch gar— nicht diesen Gelebrtenberuf und diesen gelehrten Anstrich unserer Mädchenbildung haben darüber kann doch gar kein Zweifel sein —. Die große Mehrzahl unserer Mütter rechnet darauf, daß ihre Töchter heirathen (sehr richtig! rechts Bewegung linke), und die große Mehrzahl unserer Töchter rechnet auch darauf; darüber wollen wir uns doch keinen Illusionen hingeben (Zustimmung.)

Wenn das aber wahr ist Sie scheinen ja zuzustimmen so muß die Unterrichtsperwaltung doch mit dieser Regel rechnen, und sie darf nicht etwa die Regel zur Ausnahme machen oder umgekehrt. Also, meine Herren, ein allgemeines Bedürfniß für gelehrte Mädchen anstalten wird zwar sehr häufig behauptet, aber bewiesen ist es bisber noch nicht. Ich weiß sehr wohl, daß es ausgezeichnete, gescheute, treffliche und in edelster Weiblichkeit dastehende Frauen giebt, die dem jetzigen modernen Ruf nach der gelehrten Frauenbildung zustimmen. Alle Ehre diesen Damen! Aber die Ziehung der logischen Kon— sequenzen, die ihre Forderungen nothwendigerweise haben würden, ist die Stärke dieser Damen nicht, wie es überhaupt die Stärke der Frauen nicht ist, logische Konsequenzen zu ziehen.

Meine Herren, wolltẽ man durch öffentliche, staatlich organisierte Institutionen die Ausnahme zur Regel machen, so ist die Konsequenz ganz unabweisbar, daß man schließlich die Frauen in allen öffentlichen Berufen und Rechten den Männern, wenigstens annähernd, gleich⸗ stellen muß, und das wollen ja auch die Vertreter und Vertreterinnen der extremeren Frauenbewegung haben, das sprechen sie offen aus. Ich halte dies Verlangen für unnatürlich, ja für widernatürlich ssehr richtig! rechts), ich halte es für ungesund und für undurchführ⸗ bar, und die Unterrichtsverwaltung kann unter keinen Umständen die Hand dazu bieten, daß man diese Bahn betritt. (Bravo! rechts.) Die ganze Idee der Frauenbewegung, wonach die Frauen als Kon kurrentinnen der Männer sich nach allen Seiten hin aufspielen, ist falsch.

Ich habe, ehe ich die Interpellation beantwortete, es natür— lich nicht unterlassen, mich der Zustimmung des König⸗ lichen Staats- Ministeriums zu versichern, daß ich sie auch in diesem Sinne beantworten durfte, und ich habe die einstimmige Zustimmung des StaatsMinisteriums gefunden. Dabei kam auch die Frage der Konkurrenz zur Sprache, und es wurde von dem Herrn Minister ⸗Präsidenten ganz richtig bemerkt, der Wett— bewerb zwischen Männern und Frauen ist gar kein gleicher, und zwar sind die Frauen im Vortheil; denn die Frauen haben nicht die all⸗ gemelne Wehrpflicht (große Heiterkeit rechts), also damit kommen sie schon in der Aneiennität den Männern voraus. (Fortgesetzte Heiterkeit) Meine Herren, stellen Sie sich das bloß vor, daß wir Frauen als Philologen, wie sie es jetzt schon begehren, an den künftigen Mädchengymnasien oder an den Männergymnasien, was ich für sehr unpraktisch halten würde, anstellen würden, oder daß wir sie gar als Richter oder Rechtsanwalte anstellen würden! Dann gehen alle diese Frauen den Männern um 1 Jahr vor, und zwar nicht bloß um das eine Jahr, sondern um die Zeit der Reserve⸗ und Landwehrübung. (Heiterkeit. )

Meine Herren, für die Einstellung dieses Amazonenkorps wird wohl einstweilen der Reichstag nicht zu haben sein. (Heiterkeit. ) Meine Herren, ich muß hier noch erwähnen, daß zur Zeit den Mädchen, die die Universttät besuchen, die Immatrikulation, d. h. ein Rechtsanspruch zu allen Vorlesungen auch gegen den Willen der be⸗ treffenden Dozenten, nicht gewährt werden. kann. Unsere Fakultäten, die iweifellos als Männer. Universitäten begründet sind, sind zur Zeit noch überwiegend gegen die Gewährung dieses Rechtes. Die Statuten unserer Fakultäten und Universitäten im Wege der Oktroyierung zu andern, ist ja äußersten Falls, wenn die Noth es dringend verlangt, allenfalls rechtlich zulässig; aber, meine Herren, wohlgethan ware ein so tiefer Eingriff in die korporative Selbstverwaltung der Universitäten auf diesem Gebiete ganz gewiß nicht.

der gegenwärtig sich geltend machenden modernen Frauenbewegung.!

die Kosten tragen? Zahlreiche Kinder, die zu frühzeitig mit

(Schluß in der Zr iten Beilage.)

gymnasiums ausgegangen ist, haben wir in neuester Zeit für die

Mn 1O3X.

Zweite Beilage zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

Berlin, Montag, den 2. Mai

1898.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Meine Herren, es liegt auch dazu gar kein zwingendes Bedürfniß vor; selbst wenn wir auf georduetem Wege zur Immatrikulation der Studentinnen gelangten, so liegt ein Bedürfniß für ein Mädchen⸗ gymnasium zur Zeit nicht vor. Denn jedes Mädchen, das Kraft und Fähigkeit besitzt, die Reifeprüfung abzulegen, hat dazu auch jetzt schon hinreichend Gelegenheit; wenn sie will, und wenn sie kann, so kann sie zu einem Gymnastal Direktor gehen, braucht sich nur dort zu melden und kann das Abiturientenexamen machen, wie es die genannten 23 Damen gemacht haben.

Meine Herren, nun muß ich wohl noch ein Wort hinzufügen über den Lehrplan, der doch auch für die Unterrichtsverwaltung wesentlich in Betracht kommt. Nach dem Lehrplan, den der Magistrat von Breslau vorgelegt hat, sollte das Mädchengymnasium an die bestehende städtische höhere Mädchenschule, die Viktoriaschule in Breslau, angegliedert werden. Die dritte Klasse sollte angeblich der Unter ⸗Tertia eines Reformgymnasiums entsprechen, und hier sollten die Mädchen 6 Stunden lateinischen Unterricht haben. Die beiden oberen Klassen der höheren Mädchenschule sollten 8 und 6 Stunden Latein haben. Dann sollten für das eigentliche Gymnasium 4 neue Klassen, entsprechend den beiden Sekunden und den beiden Primen eines Reformgymnasiums, auf diese höhere Mädchenschule mit ihren 9 Klassen aufgesetzt werden. In jeder dieser 4 oberen Klassen, den eigentlichen Symnasialklassen, wie sie der Magistrat geplant hatte, erscheinen wöchentlich 8 Stunden Latein, 8 Stunden Griechisch, 4 Stunden Mathematik, 2 Stunden Französisch und in Unter⸗Sekunda wöchentlich 1 sage: eine Stunde Geschichte und Geographie (hört! hört! rechts), in Ober ⸗Sekunda und Unter⸗Prima je 2 Stunden Geschichte und Erdkunde, in Ober⸗Prima 3 Stunden. Zeichnen und Gesang fallen in diesen 4 oberen Klassen ganz aus, immerhin ein Punkt, der gerade bei jungen Mädchen nicht ganz außer Betracht zu lassen sein dürfte. Trotzdem hat dieser Lehrplan immerhin für jede dieser vier Gymnasialklassen, in die die zungen Mädchen vom 15. bis etwa zum 19. Jahre gehen würden, wöchentlich 32, 365, 35 und 36 obligatorische Lehrstunden, also 2, 7, 7 und 8 Stunden mehr als auf dem Gymnasium für die männliche Jugend. Ja, meine Herren, und das für Mädchen! Wenn das nicht eine ganz exorbitante Belastung ist, dann giebt es keine. (Sehr richtig!)

Meine Herren, nun sehe ich ganz davon ab, daß selbst der Lehr⸗ plan für das Reformgymnasium für die männliche Jugend noch ein bisher durchaus nicht abgeschlossenes Experiment ist. Das Reform⸗ avmnastum, das Goethe ⸗Gymnasium in Frankfurt, für welches ich das größte Interesse habe ich habe es selbst eingehend besucht giebt allerdings zu sehr guten Hoffnungen Anlaß, aber auch dort sind wir zur Zeit erst bis zu den Sekunden gekommen; wir haben noch keine Primen und haben noch keine Maturitätsprüfung gehabt. Wir können also noch gar kein abschließendes Urtheil darüber haben, ob das Experiment vollständig gelingen wird. Und dazu kommt noch, daß wir in Frankfurt ganz ungewöhnliche Verhältnisse haben; wir haben dort ein Elitelehrerkollegium und eine ganz außer— ordentlich tüchtige, besonnene, für die Sache einge⸗ nommene, erfahrene, zielbewußte Leitung. Und doch selbst in Frankfurt, von wo aus die ganze Bewegung zu Gunsten des Reform⸗

Oberstufe den Lehiplan schon ändern müssen. Also wir haben die beste Hoffnung für den Frankfurter Versuch; aber es ist und bleibt zur Zeit ein durchaus noch unbewährtes und noch nicht abgeschlossenes

Ziele der Volksschule hinausreichenden Unterricht, davon etwa 46 000 in höheren Mädchenschulen und 30000 in Mittel⸗ schulen. Diesen Kindern gegenüber hat doch die Unterrichts verwaltung ernste Pflichten, und sie darf diese Pflichten bloßen Mode⸗ bestrebungen gegenüber unmöglich vernachlässigen. Das darf und wird sie nicht thun. Gewiß nicht!

Meine Herren, der verhältnißmäßig geringen Mehrzahl von Mädchen gegenüber, die auf einen dauernden berufsmäßigen Erwerb angewiesen sind, eine Minderzahl, die in den letzten Jahren sich allerdings leider sehr gesteigert hat, wir erkennen das vollkommen an erkennt auch die Unterrichtsverwaltung ihre Pflicht an, ihnen Gelegenheit zu geben, um sich für einen anständigen Erwerb tüchtig zu machen. Aber diese Pflicht ist doch nur eine Wirkung von Noth— ständen in unserer bürgerlichen Gesellschaft; sie bleibt doch Ausnahme, und sie darf unmöglich zur Regel werden.

Von diesem Gesichtspunkte aus ist die unterrichtliche Bildung unserer Töchter so eingerichtet worden, daß sie nicht zu lange in den Schulen, die der allgemeinen Bildung dienen, zurückgehalten werden. Selbst die höhere Mädchenschule legt ihrem Lehrplan nur eine neunjährige Unterrichtszeit zu Grunde und überläßt es den Mädchen, dann auf der so gewonnenen Grundlage je nach Neigung und Be— dürfniß weiter zu lernen, entweder in wahlfreien Kursen oder in Privatstunden oder auch, wenn sie wollen, in Kunstschulen, Zeichen schulen, Handelsschulen, Fortbildungsschulen allerlei Art. Aus der Erfahrung dieses Bedürfnisses heraus sind bisher auch die privaten Gymnasialkurse errichtet und auch genehmigt worden. Aber, meine Herren, das ist doch hier, nach dem, was ich ausgeführt habe, wie mir scheint, luce clarius. Die Behauptung der Presse, daß zwischen der Zulassung dieser privaten Gymnasialkurse und der Nichtgenehmigung des Breslauer öffentlichen Mädchengymna—⸗ siums ein unlösbarer Widerspruch bestehe, ist völlig unzutreffend. In die wahlfreien Kurse treten reifere Mädchen meist wohl nach ihrer freien Wahl ein, nachdem sie in der höheren Mädchenschule den Grund des allgemeinen Wissens und der allgemeinen weiblichen Bildung ge⸗ legt und die Fähigkeit gewonnen haben, selbst zu prüfen, wie sie am besten für ihre Zukunft sorgen wollen. Es darf doch auch angenommen werden, daß ihre geistige und körperliche Leistung und Kraft dann schon eine einigermaßen erprobte und ausreichende ist. Dem Mädchen gymnasium des Breslauer Magistrats sollten aber Kinder zugeführt werden. Das erscheint der Unterrichtsverwaltung als ein verhängniß⸗ voller Mißgriff

Meine Herren, man könnte ja fragen, ob man nicht für die höheren Mädchenschulen auf die Gymnasialbildung in Latein, Mathe⸗ matik u. s. w. hinauskommen sollte. Ich lasse diese Frage dahin⸗ gestellt. Aber es zeigt sich hier ein ganz seltsamer, wunderlicher Widerspruch. Die Vertreter des Mädchengymnasiums sind meistens nicht etwa Anhänger des humanistischen Gymnasiums für die männ⸗ liche Jugend, sondern vielmehr überwiegend Anhänger des Real⸗ gymnasiums. Also, meine Herren, die ganze Forderung öffentlicher Mädchengymnasien kommt immer wieder darauf hinaus, eine Berufs⸗ vorbildung zu geben. Für die Berufsvorbildung ist die gelehrte Bil⸗ dung zwar nöthig, aber für die allgemeine religiös⸗sittliche Bildung hat sich die Bildung, wie wir sie in unseren Mädchenschulen geben, im allgemeinen bewährt, und diese allgemeine weibliche Bildung sorgt sicherer für den Nachwuchs an tüchtigen Gattinnen, Hausfrauen und Gehilfinnen der Hausfrau, als das berufsmäßige Mädchengymnasium.

Meine Herren, ich resumiere mich dahin: der Plan des Breslauer öffentlichen Mädchengymnasiums gab durch die Anlehnung einerseits

Experiment.

Nun, meine Herren, liegt es doch auf der Hand, wie große methodische und pädagogische Bedenken dagegen sprechen, eine solche noch garnicht einmal abgeschlossene Schulform in ziemlich mechanischer Weise auf ein Mädchengymnasium zu übertragen; denn wenn man das thut und wenn man dabei die Gefahr ist doch sehr groß Fehler macht, wer leidet unter solchen Fehlern? doch niemand anders als die armen Mädchen, die im Vertrauen auf die staatliche Autorität, die ja die Anstalt genehmigt hat, sich der experimentierenden Schule anvertraut und die ungeheure Arbeitslast vielleicht bis zu der Zeit auf sich genommen haben, wo sie endlich sehen, daß sie das Ziel garnicht erreichen. Wen würde man dafür verantwortlich machen, wenn ich die Anstalt in dieser Weise genehmigt hätte? Die Unterrichts—⸗ verwaltung, und mit vollem Rechte! Nein, meine Herren, das könnte ich nicht thun, und wenn heute der Antrag nech einmal gestellt würde, so würde ich es genau wieder so machen, ich würde ihn ablehnen (Bravo! rechts.)

Ich will auf die Bedenken nicht eingehen, die sich etwa gegen die vom Magistrat in Aussicht genommene Leitung des ganzen Versuchs durch den Direktor der höheren Mädchenschule, an die das Mädchen⸗ Gymnasium angeschlossen werden soll, erheben ließen. Ich will darauf nicht näher eingehen. Wir haben es bisher immer vermieden, Dinge hier zu besprechen, die an das Persönliche auch nur möglicherweise anstreifen könnten, und diese Gefahr wäre doch hier vielleicht nicht ganz abzuweisen. Aber, meine Herren, das ist ganz gewiß, daß eine höhere Mädchenschule mit dem Ziele der allgemeinen Bildung auf religiös⸗sittlicher Grundlage und ein Mädchen⸗Gymnasium mit dem Ziele für die Vorbereitung für ein gelehrtes Fachstudium zwei ganz verschiedene Dinge sind. Wir besorgen, daß bei dieser Vereinigung so disparater Veranstaltungen jede von beiden zu kurz kommt. Die höhere Mädchenschule würde in ihrem Lehrplan und in Erreichung ihrer Zwecke und Ziele zweiselles gestört werden, und das Mädchengymnasium ist weder ein rechtes Reformgymnasium noch ein rechtes humanistisches Gymnasium. Also schon deshalb lägen recht schwere Bedenken vor, diesen Weg zu gehen.

Wie weit man auch geneigt sein mag, den Wünschen der Reformer auf dem Gebiete des Unterrichts entgegenzukommen, so dürfen wir doch nicht unsere ganze jetzige Mädchenbildung und die Einrichtungen, die wir dafür getroffen haben, opfern, sodaß sie in völlig andere Bahnen geführt werden. Nach unseren statistischen Aufnahmen genießen etwa 75 000 Mädchen einen über die

an die bestehende höhere Mädchenschule, andererseitz an den noch nicht abgeschlossenen Versuch des sogenannten Reformgymnasiums zu ernsten technischen, unterrichtlichen und pädagogischen Bedenken Anlaß, und ferner, die Entscheidung über die Errichtung öffentlicher, unter staat⸗ licher Autorität stehender Mädchengymnasien ist solange nicht spruch⸗ reif, als nicht feststebt, in welchem Umfange Mädchen zum Universitäts—⸗ studium zugelassen werden sollen, und mit welchen Berechtigungen diese Zulassung verknüpft sein soll. Diese Vorfrage ist aber zur Zeit noch nicht gelöst, kann auch ohne schädliche Ueberstürzung zur Zeit noch nicht gelöst werden.

Meine Herren, es bleibt mir nur noch übrig, ein Wort darüber zu sagen, daß ich meinem Bescheide keine Gründe beigefügt habe. Man hat und auch der Abg. Gothein hat das wenigstens ange— deutet, in dem Bescheide eine befremdende Rücksichtslosigkeit gegen die städtischen Behörden erblicken wollen, die, wie ich voll anerkenne, bei ihrem Antrage von dem besten Willen beseelt waren. Mir hat nichts ferner gelegen, als die Absicht einer derartigen Rücksichtslosigkeit. Ich möchte aber doch hervorheben, daß ja mein Bescheid garnicht an den Magistrat von Breslau direkt gerichtet gewesen ist. Ich habe an die Regierung, die mir unmittelbar unterstellte Abtheilung für Kirchen. und Schulwesen in Breslau, den Bescheid gerichtet. Dadurch gewinnt die Sache immerhin ein etwas anderes Gesicht. Hätte der Magistrat unmittelbar an den Minister geschrieben, und hätte der Minister der Behörde der zweitgrößten Stadt Preußens unmittelbar zu antworten gehabt, dann wäre vielleicht die Frage, ob man nicht die Gründe hätte beifügen müssen, doch noch schärfer in den Vordergrund getreten.

Nun, meine Herren, die Hauptsache für mich war aber die Zeit. Im Januar hatte der Magistrat den Antrag gestellt. Im Laufe des März ist der Bericht der Königlichen Staatsregierung hierher gelangt. Der Bericht mußte hier eingehend geprüft werden, mußte zirkulieren bei einer großen Zahl von meinen Räthen. Also Anfang April waren wir in der Lage, die Sache zu berathen und den Bescheid festzustellen. Da war es die höchste Zeit, und ich habe von meiner Seite darauf gedrungen, sobald als möglich die Regierung auf ihren Bericht zu bescheiden, weil ich die Empfindung hatte: die Leute müssen wissen, ob sie zum neuen Schuljahr in der Lage sind, ein Ja oder Nein von dir zu hören. Wenn die städtischen Behörden wissen, es wird nicht genehmigt, so können sie danach ihre Maßregeln treffen. Ich mußte also die Entscheidung einigermaßen beeilen.

Nun bitte ich Sie, das zu erwägen. Wenn Sie mit einiger

Güte und Aufmerksamkeit meinen Ausführungen gefolgt sind, so

werden Sie zugeben müssen, wenn ich einen eingehenden, und wie es

die Wichtigkeit der Sache verlangt, tiefgründigen Bescheid dem

Magistrat hätte geben oder durch die Regierung geben lassen wollen, so hätte ich eigentlich ein Buch schreiben lassen müssen. (Sehr richtigh

Ich mußte dabei auf die pädagogischen, die technischen Fragen, ich

mußte auf die ganze Frage der Konsequenzen in Bezug auf die Frauen⸗

bewegung eingehen, auf das Reformgymnastum, auf die Mädchen⸗

erziehung, wie wir sie zur Zeit haben. Das hätte eine Ausführlichkeit bedingt, die in der That nicht unbedenklich war.

Ich habe auch, obwohl auch ich, als mir der kurze Bescheid vor⸗

gelegt ward, auf den Gedanken kam: müßte man der Regierung, die

sich auch mit der Sache eingehend beschäftigt hat, nicht die Gründe

darlegen? gesagt: jetzt muß vor allen Dingen der Bescheid ergehen,

für die Ausarbeitung der Gründe ist keine genügende Zeit. Ich habe

mir gesagt, die Gründe darzulegen, dazu wird sich für die Unterrichts⸗

verwaltung sicherlich noch Gelegenheit finden. Was den Magistrat zu Breslau betrifft, so hatte ich, dabei daran gedacht, daß

der Herr Ober ⸗Bürgermeister von Breslau hier regelmäßlg

zum Herrenhause kommt, und daß er sehr häufig in Schulfragen mit mir oder den Räthen und Direktoren meines Ministeriums konferiert. Nun, meine Herren, lag ja doch nichts näher, als daß er zu uns gekommen wäre bei einer dieser Gelegenheiten und uns gesagt hätte: wollt ihr uns nicht die Gründe nennen, weshalb ihr Bedenken tragt, den von uns gestellten Antrag zu genehmigen? Mit Freuden würden wir ihm darüber die eingehendste Auskunst ertheilt haben. Ich habe aber mit keinem Gedanken daran gedacht, daß das Unterlassen eines ausdrücklichen Hinweises darauf, daß wir bereit seien, dem Herrn Ober⸗Bürgermeister gelegentlich mündlich die Gründe auseinanderzusetzen, als eine Unhöflichkeit gedeutet werden könnte. Ueblich ist das ja doch nicht. Wenn also die Form des Be⸗ scheids,s in dieser Beziehung zu einer mißverständlichen Auffassung ge⸗ führt haben sollte, so bedauere ich das aufrichtig, und bedauere das um so mehr, als ich allen Anlaß habe, das, was die Stadt Breslau für ihre Schulen thut, was sie bereitwillig und mit großem Interesse für ihre Schulen aufwendet, in vollem Maße anzuerkennen; das bin ich der Stadt Breslau schuldig, ihr aus rücklich auszusprechen. Jedenfalls aber, meine Herren, habe ich für meine Person und haben meine Räthe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt, und ich glaube nach den Verhandlungen über die Frauenfrage, die noch im vorigen Jahre hier in diesem hohen Hause stattgefunden haben, daß auch die große Mehrheit des hohen Hauses im Ganzen und Großen mit den Auffassungen, von denen

wir dabei ausgegangen sind, sich wird einverstanden erklären können. (Lebhafter Beifall rechts und im Zentrum.)

Auf Antrag des Abg. Rickert (fr. Vgg.) tritt das Haus in die Besprechung der Interpellation ein.

Abg. Rickert: Der Minister wird uns dankbar sein, daß wir ihm Gelegenheit gegeben haben, die Stellung der Regierun hier klar zu legen. Ich hätte gewünscht, daß der Minister dur einen Kommissar dem Ober⸗Bürgermeister gesagt hätte, daß er ihm die Gründe mittheilen wolle. Das Material des Ministers verdient eine sehr eingehende und aufmerksame Prüfung. Zur Zeit vermag ich es noch nicht ju übersehen, und es wäre mir lieb gewesen, wenn wir mehr technische und pädagogische Aufschlüsse erhalten hätten. Hierauf hätte sich der Minister beschränken und darauf verzichten sollen, einen weiteren Erfolg zu erzielen mit Hinweisen auf Amazonen ⸗Korps und dergleichen. Wenn der Minister von einem Vorstoß des Magistrats zu Gunsten der Frauenbewegung sprach, so schoß er weit über das Ziel hinaus. Ich möchte überhaupt hier jedes politische Moment ablehnen. Auch Anhaͤnger anderer Parteien stehen auf unserer Seite. Die ‚Kreuzzeitung“ sagt aller⸗ dings, daß es sich hier um die Gewährung der politischen Wahl⸗ rechte u. s. w handle. So kämpfen jene Männer; sie machen das Volk graulich vor Dingen, die wir alle nicht erleben werden. Denkt überhaupt die Majorität der Frauen an solche Dinge? Wäre die Sache gut, so bräche sie sich trotzdem Bahn. Das „Feuer ist nicht zusammengesunken, wie der Minister meint, sondern es wird jetzt erst recht aufflackern. Die Erklärung des Grafen Posadowsky hat einen wesentlich besseren Eindruck gemacht als die Rede des Kultus ⸗Ministers; er forderte die Frauen auf, noch Geduld zu haben. Der Kultus- Minister hat in seiner eigenen Familie die Bestrebungen der Frauen kennen gelernt; er hat das Verdienst, ihnen die Bahn geöffnet zu haben, darum nehme ich seine heutige Erklärung nicht so tragisch. In Baden haben wir schon ein Mädchengymnastum mit Genehmigung der dortigen Regierung. Woher weiß der Minister, daß die Vertreter der Mädchengymnasien Anhänger der Real⸗ gymnasien sind? Das ist durchaus übertrieben. Ich kann aber nicht leugnen, daß der Magistrat doch hätte etwas vorsichtiger vorgehen können. Der Minister hat ja die Verantwortung für die technische Unter⸗ richts durchführung des Planes. Der vorgelegte Plan erscheint au mir beim ersten Lesen, ich will nicht sagen, unreif, aber doch n nicht erprobt. Verletzen konnte nur die Ablehnung ohne jeden Grund. Der Minister muß das ganze Material öffentlich prüfen lassen. Hat er Recht, so muß sich auch die öffentliche Meinung gegen nicht ge—⸗ prüfte Experimente erklären. Daß das Bedürfniß für ein solches Eymnasium minimal ist, kann ich nicht zugeben. Ich verweise auf die ärztliche Praxis, namentlich auf die Lebens versscherungs. Gesell⸗ schaften, die sich darüber beschweren, daß sie zurückgehen, weil die Damen sich von männlichen Aerzten nicht untersuchen lassen wollen. Mit kleinen Maßregeln werden Sie das berechtigte Drängen der . nicht eindämmen. Man sollte die berechtigten Wünsche der

rauen erfüllen.

Abg. Graf zu Limburg Stirum Conf.): Meine politischen Freunde stehen in dieser Frage ganz auf dem Standyunkte des Ministerg, und wir sprechen über seine Erklärung unsere Befriedigung aus Er brauchte sich aber hier nicht so eingehend zu entschuldigen, daß er dem Magistrat von Breslau keine Antwort gegeben hat. Der Magistrat und die Schulmänner dort mußten sich von Hause aus fagen, daß ein so weitgehender Antrag in ein paar Monaten . eingehend beantwortet werden könne, und er konnte zufrieden sein, daß er in so kurzer Zeit überhaupt eine Antwort bekam. Die Frage braucht eine eigentlich politische nicht zu sein, und es ist möglich, daß im Lande auch Konservative auf dem Standpunkte der Interpellation stehen. Die Konservativen hier in diesem Hause stehen nicht auf diesem Standpunkt. Man kann diese Frage nicht behandeln ohne allgemeine Gesichtwpunkte, ohne darguf hin zuwelsen, daß Knaben und Mädchen durchaus verschieden sind nach ihren Anlagen, ihrer körperlichen Entwicklung ꝛc. Die Herren sind nicht ganz aufrichtig, wenn sie den Gesichtspunkt nicht her—

vorkehren, die Frauen in die Staatskarriöre zu bringen. Gsne