Rauen seiteng der Staatgregierung dle letztere erst in die Möglichkeit versetzt, ihrerseits das Privatunternehmen, welches ich eben erwähnt habe, zu fördern. So lange das nicht der Fall war, konnte der Staat nur mit sehr schwerem Herjen und nur unter verhältnißmäßig sehr einschränkenden Bedingungen einem Privatunternehmen die Konzession zu einer Linie ertheilen, die für den Staat von der allergrößten Bedeutung sowohl in betriebs. und verkehrs⸗ technischer, wie strategischer Hinsicht ist. Ein Blick auf die Karte muß jeden hiervon überzeugen. Es wurde dem Privat- unternehmer deshalb die Bedingung auferlegt, erstens sich bereit zu erklären, nach Ablauf von fünf Jahren die Bahn an den Staat zu verkaufen, und zweitens wurde dem Privatunternehmer von vorn herein kein Zweifel darüber gelassen, daß dieses Unternehmen an dem Durchgangs verkehr nicht betheiligt werden könnte. Das ist in dem ersten Schreiben, welches meinerseits an das Comits gerichtet worden ist, bereits ganz klar zum Ausdruck gekommen. Von einer direkten Betheiligung des Staats an dem Unternehmen ist seiner Zeit überhaupt nicht die Rede gewesen. Erst dadurch, daß nun eine selbständige Staatslinie von Treuenbrietzen nach Nauen zu stande kommt, ist, wie gesagt, der Staatsregierung die Möglichkeit gegeben, von diesen Beschränkungen Abstand zu nehmen. Ich habe daher sowohl in der Budgetkommission des anderen Hauses, wie im Plenum die Erklärung abgegeben, die Herr Hammer hier erwähnt hat. Der dritte Theil der Erklärung, die meinerseits abgegeben war, lautet folgendermaßen: Die Staatsregierung ist bereit, sich unter gleichen Bedingungen wie die Kreise und Provinzen an der Aufbringung des Aktienkapitals in angemessener Höhe zu betheiligen.
In ähnlicher Weise hat der Staat sich bereits auch an anderen Privatunternehmen betheiligt, an deren Zustandekommen er aus allge⸗ meinen Landesinteressen wesentlich interessiert war. Daß ein solches Interesse hier vorliegt, ist unzweifelhaft, ist jederzeit von der Staats— regierung anerkannt worden. Ziffernmäßig nun jetzt schon dieses Interesse klar auszudrücken, auch nur — ich will mal sagen — in einem Prozentsatz, hat indessen seine großen Schwierigkeiten. Ich bin wenigstens meinerseits nicht in der Lage, namens der Staats regierung eine derartig ziffernmäßige Erklärung heute hier abzugeben. Die Sache liegt so, daß das Privatunternehmen jedenfalls nunmehr nochmal in Bezug auf das Projekt und den Kostenanschlag einer genauen Revision unterzogen werden muß. Ich bin überzeugt, daß es möglich sein wird, unter den heutigen Verhältnissen die Bahn billiger zu bauen, als sie ursprünglich veranschlagt ist. Außerdem schweben, soviel mir bekannt, innerhalb der Kreise des Privatunternehmens auch noch Erwägungen, ob nicht statt Treuenbrietzen ein anderer Anschluß—⸗ punkt gewählt werden soll. Geschieht das, so wird das jedenfalls von sehr erheblichem Einfluß auf die Kosten sein.
Dann wissen wir in der Staatsregierung heute noch nicht, was die Provinz bejw. die Kreise ihrerseits zu leisten willens sind. Auch das müßte erst genauer übersehen werden. Aber ich darf hier wohl ausprechen, daß die Staatsregierung durchaus geneigt ist, das Zu— standekommen dieses Unternehmens zu fördern, und zwar unter an—Q— gemessener Betheiligung. Die Angemessenbeit würde die Staats- regierung allerdings in der Hauptsache nach der Betheiligung be⸗ urtheilen, die seitens der Provinz und der Kreise eintreten wird.
Herr von Roch ow dankt dem Minister für seine wohlwollende Erklärung; das Comité verhandle noch darüber, ob nicht der Schluß⸗ punkt dieses Projekts nach Wittenberg statt nach Treuenbrietzen zu verlegen sei. Die Anwohner der Linie Treuenbrietzen — Belitz wänschten auf dieser Strecke noch einen Haltepuntt.
Freiherr von Manteuffel legt dem Minister ans Herz, bezüglich
des Antheils der vom Staate zu Übernehmenden Aktien doch noch etwas mit sich handeln zu lassen und es nicht bei einem Drittel bewenden zu lassen, damit nicht etwa die Provinz noch nachträglich tärker herangezogen werde. . .
n Landgraf Alexis von Hessen, Philippsthal ⸗Barchfeld spricht für die Einstellung der Linie Eschwege (Schwebda) — Treffurt dem Minister seinen besonderen Dank aus.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Meine Herren! Ich wollte mir erlauben, Seiner Hoheit dem Herrn Landgrafen meinen verbindlichsten Dank auszusprechen, besonderg auch dafür, daß Seine Hoheit auch für die projektierte Linie sich erklärt haben. Seine Hoheit haben richtig hervorgehoben, daß diese Linie durch die Interessen der einzelnen an derselben gelegenen Städte befürwortet wird, während die andere Linie allerdings kürzer ist, aber so schwerwiegende Interessen nicht auffuweisen hat. Es ist zu hoffen, daß sich Gelegenheit bietet, mit einer Kleinbahn eine Verbindung der Werrabahn mit dem Norden herzustellen.
Bei der Forderung von 8 Millionen Mark zur Förderung des Baues von Kleinbahnen beanstandet
Graf von der. Schulenburg-Beetzendorf die zu rasche Ausdehnung des Kleinbahnwesens. Es sei manche Ausartung auf diesem Gebiete zu verzeichnen.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Herr Graf von der Schulenburg hat mir ganz aus dem Herzen gesprochen, auch ich habe langst die Ueberzeugung gewonnen, daß das Kleinbahnwesen jum theil und in einzelnen Landestheilen schon Dimensionen angenommen hat, die uns wirklich mit einiger Sorge vor einer Ueberproduktion erfüllen können, und ich habe daher auch schon die Zügel möglichst da anzuziehen gesucht, wo eine solche Ueber⸗ produktion im Verhältniß zum Verkehrsbedürfniß vorzuliegen schien; aber, meine Herren, das Kleinbahngesetz bietet hierzu nur ganz ver= einzelte Handhaben. Es bietet wohl die Möglichkeit für die genehmigenden Behörden, genau nachzusehen, ob dag Projekts sich innerhalb des vom Gesetz vorgezeichneten Rahmens be— wegt; es bietet auch die Möglichkeit, zu erwägen, ob die finanziellen Unterlagen für das ganze Unternehmen in genügend sicherer Weise vorhanden sind. Es bietet ferner die Möglichkeit, das Projekt auch in technischer Beziehung sorgfältig zu prüfen, und ein letztes, allerdings etwas drastisches Mittel, um ein durch Verkehrsbedürfnisse nicht motiviertes Unternehmen zu hindern — würde darin bestehen, daß der Minister der öffentlichen Arbeiten erklärt, die Ertheilung des Gxpropriationgrechts für dieses Unternehmen nicht befürworten zu können. Aber, meine Herren, es sind das ja zweischneidige Maßregeln, und eg ist sehr schwierig für den Minister, mit vollständiger Sicherheit erkennen zu können, ob eine solche Bahn gesunde wirth— schaftliche Grundlagen hat, oder allerhand Nebentendenzen sie erst auf die Beine gebracht haben, wie Herr Graf von der Schulenburg bereits angeführt hat.
Also ich bin sehr gern bereit, in dem Sinne, wie Herr Graf won der Schulenburg vorgeschlagen hat, eine sorgfältige Prüfung der Projekte eintreten zu lassen.
Die Vorlage wird darauf auch im Ganzen unverändert
ange gn ngen tschrift über die auf Grund der Gesetze vom;
3. Juni 1896 und vom 8. Juni 1897 zur Errichtung land⸗
wirthschaftlicher Getreidelagerhäuser bewilligten Beiträge wird auf U, . Eisenbahnkommission nach dem Referat des Berichterstatters Herrn von Graß durch Kenntnißnahme für erledigt erklärt.
chluß 3169 Uhr. gesetz für Westfalen.)
Nächste Sitzung 31/ Uhr. (Anerben⸗
18. (Schluß⸗) Sitzung vom 17. Mai 1898, 31 Uhr.
Auf der Tagesordnung steht der mündliche Bericht der IX. Kommission über den vom Abgeordnetenhause in ver⸗ änderter Fassung zurückgelangten Gesetzentwurf, betreffend das Anerbenrecht bei Landgütern in der Provinz Westfalen und den angrenzenden Kreisen der Rheinprovinz.
Referent Freiherr von Wen dt-Papenhausen empfiehlt die Annahme der Beschlüsse des anderen Hauses, nicht eiwa, um die Sache jetzt auf jeden Fall noch abzuthun, sondern weil die Grundlinien des Entwurfs auch in der veränderten Fassung unberührt geblieben seien und die Abänderungen auch bei der Königlichen Staatsregierung keine erheblichen Beyzenken erweckten. ; .
In der Generaldiskussion bemängelt
Freiherr von Manteuffel, daß man das Haus dieser Vorlage gegenüber in eine geradezu unerhörte Zwangglage gebracht habe; erst in der letzten Stunde der Tagung gelange die Vorlage an das Haus. Aenderungen vorzunehmen, verbiete sich danach von selbst. Es sei für das Haus beschämend, abermals in eine solche Lage bersetzt worden zu sein; nur bei der äußersten Resignation des Hauses sei es möglich, die Vorlage überhaupt noch zu verabschleden. Wie die Dinge lägen, sei es das Beste, die Vorlage en bloc anzunehmen. .
Ober⸗Bürgermeister Wester burg ⸗Cassel schließt sich diesen Ausführungen an. Es sei nachgerade unerträglich, daß das Haus dergestalt gezwungen werde, so kurz vor Thoresschluß über die allerwichtigsten Gesetze zu entscheiden; von ernsthafter Berathung könne dann gar keine Rede mehr sein. Die Regierung müsse auf das dringendste ersucht werden, darauf hinzuwirken, daß Der—⸗ artiges nicht wieder vorkomme. Als prinzipielle Gegner des Gesetzes würde er, wenn er bösartig wäre, noch in diesem Augen⸗ blicke die Verabschiedung der Vorlage durch Berufung auf- die Geschäftsordnung verhindern können. (Präsident Fürst zu Wied macht den Redner darauf aufmerksam, daß das Hau gegen die Be⸗ rathung des Gegenstandes in dieser besonderen Sitzung keinen Wider · spruch erhoben hat.) Wolle man den Gegenstand nicht zur gründ- lichen Durchberathung auf spätere Zeit zurückstellen, fo sei es aller. dings das Richtige, die Sache en bloc zu erledigen. ö ö
Herr von Levetzow bemerkt, daß man das Risiko der An—⸗ nahme dieses Ges'tzes wohl auf sich nehmen könne, ohne sich dem Verdacht auszusetzen, daß die Sache übers Knie gebrochen worden sei. Das Haus habe ja die Vorlage schon früher außerordentlich gründlich geprüst, und die Grundlagen derselben seien nicht geändert worden.
Auch Ober⸗Bürgermeister Schmiedin g- Dortmund spricht sich für die Annahme der Beschlüsse des anderen Hausesg aus, nachdem im F 12 die Möglichkeit des Ausschlusses wenigstens im einzelnen Erbfall gegeben sei. .
Die Vorlage wird darauf en bloc mit großer Mehrheit angenommen. ö
Damit ist die Tagesordnung erledigt.
Präsident Fürst zu Wied giebt die übliche Geschäftsübersicht.
Herzog von Ratibor spricht dem Präsidenten für die sachgemäße und unparteiische Leitung der Geschäfte den Dank des Haufes aus und ersucht die Mitglieder, sich von den Sitzen zu erheben.
Präsident Fürst zu Wied dankt für die ihm ausgesprochene Anerkennung und sagt seinerseits den beiden Vize Präsidenten und den übrigen Mitgliedern des Gesammtvorstandes seinen Dank für ihre Unterstützung in der Geschäftsführung. In längerer Ansprache ge⸗ denkt dann der Präsident des Umstandes, daß das Herrenhaus mit dem heutigen Tage seine alten Räume verlasse, giebt dem Wunsche Ausdruck, daß der alte Geist, der in diesem Hause gewaltet, auch in dem neuen der waltende sein möge, und bringt zum Schluß auf Seine Majestät den Kaiser und König ein dreimaliges Hoch aus, in welches die Mitglieder begeistert einstimmen.
Schluß 4M Uhr.
Haus der Abgeordneten. 83. Sitzung vom 17. Mai 1898.
Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden. ;
Nach der Annahme des Anerbengesetzes für Westfalen folgt die Interpellation der Abgg. von Mendel-Stein⸗ fels (kons.) nnd Genossen: .
Was gedenkt die Regierung zu thun, um die noch immer be— stehende Verunreinigung der Luppe und Elster durch die Schmutz wässer der Stadt Leipzig zu beseitigen?
Auf die Frage des Präsidenten von Kröcher erklärt der s Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer— tein:
Meine Herren! Ich habe Folgendes zu erklären: .
Die Klagen wegen Verunreinigung der Luppe und Elster durch die Schmutzwässer der Stadt Leipzig haben die Königliche Staats⸗ regierung schon seit geraumer Zeit beschäftigt. Um ihnen auf den Grund zu gehen und sie endgültig zu beseitigen, wurde im vorigen Jahre mit der Königlich sächsischen Regierung eine örtliche Prüfung durch beiderseitige Kommissarien vereinbart und dazu von preußischer Seite Kommissarien der Ministerien für Landwirthschaft, Domänen und Forsten, des Innern, der geistlichen, Unterrichts, und Medizinal⸗ Angelegenheiten und für Handel und Gewerbe nach Leipzig entsandt. An dem Termin, der am 9. und 10. Juli v. J. stattfand, nahmen außerdem Vertreter des Regierungs ⸗Präsidenten zu Merseburg, des Landeshauptmanns der Provinz Sachsen, der preußischen Inter⸗ essenten sowie der Landrath des Kreises Merseburg theil, ferner als Vertreter der Königlich faͤchsischen Behörden zwei Mitglieder der Kreishauptmannschaft zu Leipzig.
Das Ergebniß des Termins war Folgendes:
Der örtliche Befund hat ergeben, daß die Elster oberhalb der Stadt Leipzig durchaus rein und einwandfrei aussieht, daß die Ver— unreinigung der Flußläufe unterhalb lediglich auf die Schmutz wasser der Stadt Leipzig zurückzuführen ist, und daß die städtische Kläranlage zur Zeit der Besichtigung nur ungenügend funktionierte, indem sie nur einen Theil der Abwässer, soweit sie in die Elster gelangen, klärte. Der Zustand der Elster unterhalb der Kläranlage war damals, wenn auch nicht absolut rein, so doch im allgemeinen befriedigend. Dagegen spottete der Zustand der Luppe, die auch weit unterhalb der Stadt noch den Eindruck eines übelriechenden Schlamm beckens machte, jeder Beschreibung, und die zahlreichen Beschwerden der Anlieger waren als vollbegründet und schleuniger Abhilfe bedürfend anzuerkennen. Die Vertreter der Stadt Leipzig gaben dies
Provisorium darstelle, und daß der Rath der Stadt unauggesetzt bemüht sei, eine bessere und vollständigere Klärmethode auch der bisher noch ungeklärt bleibenden Schmutzwassermenge zu finden. Infolge dessen haben die betheiligten vier Herren Minister unter dem 10. August v. J. den Herrn Minister der auswärtigen Angelegenheiten ersucht, bei der Königlich sächsischen Regierung dahin vorstellig zu werden, daß sie die Stadt Leipzig nunmehr mit allem Nachdruck anhalte, die von ihr selbst anerkannten Mißstände, namentlich in der Luppe, mit Energie und Beschleunigung abzustellen, und daß sie thunlichst sofortige Anordnung regelmäßig chemischer und bakteriologischer Untersuchung der abfließen den Klärwässer, eine einwandfreie Kontrole über die Leistungen der Kläranlage und einen ordnungsmäßigen Betrieb der Anlage schafft. Dabei ist Festlegung und Forderung eines erreichbaren mindesten Rein⸗ heitsgrades der geklärten Abwässer empfohlen worden.
Zugleich ist aber auch, um einen möglichst raschen und sicheren Erfolg zu erzielen, die schon in der Schlußverhandlung vom 10. Juli in Anregung gebrachte und von allen Seiten gebilligte Bildung einer gemischten Kommission aus Vertretern beider Regierungen vorgeschlagen und um Zustimmung der sächsischen Regierung sowie um Benennung der sächsischen Mitglieder gebeten worden.
Die Zustimmung der sächsischen Regierung ist im Oktober vorigen Jahres eingegangen. Wegen Zusammensetzung der Kommission, Ausgestaltung ihrer Befugnisse und Benennung der preußischen Kom-= missarien haben die vier Ressort⸗Minister unter einander votiert, mit dem Regierungs⸗Präsidenten zu Merseburg verhandelt und endlich unter dem 2. März d. J. ein neues Schreiben an den Herrn Minister der auswärtigen Angelegenhelten gerichtet. Eine Antwort ist hierauf hinsichtlich der Stellungnahme der Königlich sächsischen Regierung noch nicht eingegangen.
Dagegen hat der Herr Minister der auswärtigen Angelegenheiten unter dem 25. April d. J. einen Druckbericht der Beschwerde⸗ und Petitions Deputation der Zweiten sächsischen Kammer Über eine den- selben Gegenstand betreffende Petition des Gemeinderaths zu Böhlitz⸗ Ehrenberg übersandt.
Nach dem ganzen Hergang der Angelegenheit kann ich die Ver— muthung allerdings nicht unterdrücken, daß die Stadt Leipzig formell zwar gewillt ist, die Sache zum Abschluß zu bringen, daß aber aus den bisherigen Verhandlungen der ernstliche Wille der Stadt Leipzig, diesem schreienden Uebelstande Abhilfe zu verschaffen, nach meiner Auffassung bisher noch nicht erwiesen ist. Die Königliche Staatz⸗ regierung wird indessen mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln wie bisher so auch ferner bemüht sein, diesem sowohl in sanitärer wie in allen übrigen Beziehungen unerträglichen Zustande möglichst bald abzuhelfen.
Abg. von Mendel-Steinfels schildert die lokalen Verhãält⸗ nisse und die Schädigung der Landwirthe und der Fischerei⸗Interessenten durch die Abwässer der Stadt Leipzig. Die an der Luppe gelegenen Häuser müßten im Sommer ständig die Fenster hermetisch geschlossen balten, weil es sonst wegen des Geruchs nicht auszuhalten sei. Die reichen Leute könnten im Sommer verreisen, aber die armen Leute würden durch die Schädigung der Gesundheit ihres Viehes benach⸗ theiligt und müßten auch ihre eigene Gesundbeit der Gefahr aussetzen. Beim Ausbruch einer Seuche würde, von der Luppe ausgehend, die Elbe zur Seuchenträgerin durch ganz Deutschland werden. Die Re— gierung müsse endlich die Stadt Leipzig energisch zur Abhilfe ver⸗ anlassen.
Auf Antrag des Abg. von Ploetz (kons) findet die Be— sprechung der Interpellation statt.
Die Abgg. Freiherr von Eynatten und Pleß (Zentr.) sprechen sich ebenfalls im Sinne des Abg. von Mendel Steinfels aus, machen darauf aufmerksam, daß unters ÜUmständen auch die Stadt Berlin ge⸗ fährdet werden könne, und verlangen die Einbringung eines Wasser⸗ gesetzes oder wenigstens eines Gesetzes über das Verbot der Ver— unreinigung der Privatflüsse.
Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer— stein:
Ich habe dem geehrten Herrn Vorredner zu erwidern, daß die Frage, wann ein Wassergesetz vorgelegt werden soll, bei der General— diskussion des landwirthschaftlichen Etats Gegenstand eingehender Be— sprechung gewesen ist. Ich habe damals darauf hingewiesen, daß es Absicht der Königlichen Staatsregierung sei, die Verunreinigung der Flüsse nicht im Gesetz für ein allgemeines Wasserrecht zu regeln, daß viel⸗ mehr beabsichtigt werde, diese Frage durch und in Provinzialgesetzen geson⸗ dert zu regeln, und daß augenblicklich derartige Entwürfe bearbeitet würden. Die Verhältnisse liegen doch in den einzelnen Landestheilen so ver— schiedenartig, daß sich die provinzielle Regelung empfiehlt. Wo eine ausgedehnte Industrie besteht und die Landwirthschaft weniger be—⸗ theiligt ist, ist die Verunreinigung der Flüsse mit möglichster Schonung der Interessen der Industrie zu regeln; umgekehrt liegt es da, wo die landwirthschaftlichen Interessen prävalieren, (hört, hört! dort müssen die Interessen der Landwirthschaft in den Vordergrund gestellt werden. Ich gebe mich auch gegenwärtig noch der Hoffnung hin, daß es ge⸗ lingen wird, dem nächsten Landtage entsprechende Entwürfe und auch einen allgemeinen Wasserrechtsentwurf vorzulegen.
Im übrigen, meine Herren, behandelt diese Frage ein anderes Gebiet als dasjenige, auf welchem sich die Interpellation bewegt. Die Interpellation behandelt Verunreinigung von Flüssen durch auswärtige Staaten bezw. deren Angehörigen, deshalb handelt dabei es sich um internationales Wasserrecht, um ein sehr bestrittenes Recht, weil ein solches unbestritten feststehendes internationales Wasserrecht nicht besteht. Durch Verhandlungen mit den betheiligten Nachbar staaten wird daher ein zweckmäßiger modus vivendi herbeizuführen versucht werden müssen, und ich gebe mich der Hoffnung hin, daß das mit Sachsen gelingen wird. Im übrigen schweben ähnliche Ver—⸗ handlungen auch mit einer Reihe anderer Staaten, beispielsweise mit Mecklenburg. Darin werden die Herren mit mir einverstanden sein, daß wegen solcher Frage kein Krieg mit einem benachbarten Bundesstaat, um mich etwas drastisch auszudrücken, denkbar ist. Ich habe die feste Ueberzeugung, daß, wenn mit dem nöthigen Nach— druck der Königlich sächsischen Regierung diese Mißstände, wie es im letzten Jahre geschehen ist, klar gemacht werden, die Königlich saͤchsische Regierung ihre Zusicherung, Abhilfe zu schaffen, auch loyal ein— lösen wird.
Jedenfalls wiederhole ich: die Zustände sind haarsträubend; Herr von Mendel hat sie durchaus zutreffend geschildert, seitens der preußischen Regierung wird alles geschehen, um sobald wie möglich die Mißstände zu beseitigen. (Bravo)
(Schluß in der Zweiten Beilage.)
auch zu, bemerkten aber zugleich, daß das jetzige Klärverfahren nur ein
. Infolge
zum Deutschen Reichs⸗A
M* 1417.
Zweite Beilage
Berlin, Mittwoch, den 18. Mai
nzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
E89.
—
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Abg. von Hagen (Zentr.) beschwert sich über die Versalzung der Flüsse durch die Grubenabwäsfer der Kalibergwerke, besonders der Haase durch die Abwässer vom Piesberge
Abg. Dr. Hahn (b. k. P.) schließt sich diesen Ausführungen an.
Minister für Landwirthschaft ꝛc. Freiherr von Ham mer⸗ stein:
Meine Herren! Ich kann zunächst mittheilen, daß der Umfang der Grubenwässer des Piesbergs auf etwa die Hälfte des früheren Umfangs zurückgegangen ist, weil in einzelnen Theilen des Bergwerks ein so gewaltiger Wasserdurchbruch eintrat, daß man sich genöthigt gesehen hat, einige Stollen bollständig zu vermauern. Also der Um- fang der Grubenwässer, allerdings daneben auch die Produktion des Bergwerks ist nunmehr auf etwa die Hälfte des bisherigen Umfangs zurückgeführt. Seit Monaten und länger wird nun darüber ver— handelt, in welcher Weise es möglich ist, das Grundwasser aus dem Piesberge nach der Ems thunlichst ohne landwirthschaftliche Schädi⸗ gung abzuführen, oder doch solche Schädigung möglichst einzuschränken. Diese Verhandlungen sind noch nicht zum Abschluß gelangt. Ich bin nicht in der Lage, über deren augenblickliche Lage dem hohen Hause Mittheilung zu machen.
Es folgt die Interpellation des Abg. Brandenburg Gentr.), betreffend Arbeiten an Sonn⸗*und Festta gen auf dem Steinkohlenbergwerk am Piesberge, welche auf den Bescheid des Ober⸗Bergamts in Dortmund vom Lv. M. an den Zentralvorstand des Gewerkvereins christlicher Arbeiter Bezug nimmt, worin gesagt ist, daß die Befugniß des Königlichen Revierbeamten zu Sgnabrück zur Genehmigung bon Arbeiten an Festtagen nicht in Zweifel gezogen wer⸗ den könne, da die zu Grunde liegende Polizeiperordnung durch die Gewerbeordnung nicht aufgehoben fei, und daß eine Noth⸗ lage des Bergwerksbesitzers, welche die Arbeiten an den be— treffenden Festtagen sachlich rechtfertigte, unbedenklich anzu⸗ nehmen sei. Die Interpellation fragt, ob in diesem Bescheid die Rechtsanschauung der Regierung zum Ausdruck gebracht 1h und welche Stellung diefelbe zu der beregten Sache ein⸗ nehme.
Auf die Frage des Präsidenten von Kröcher erklärt Geheimer Ober Bergrath Br. Fürst, daß der Minister für Handel und Ge— werbe bereit sei, die Interpellation zu beantworten, aber erst in einigen Minuten im Hause erscheinen könne.
Infolgedessen wird eine kurze Pause bis zum Erscheinen des Ministers gemacht. Nach der Wiederaufnahme der Sitzung begründet
Abg. Brandenburg die Interpellation unter Hinweis auf die belannten Vorgänge. Es handelt sich, führt er aus, um die Arbeit an sieben katholischen Festtagen, von denen jedoch zwei, Heilige drei Könige am 6. tagen der lutherischen Kirche zusammen fallen, sodaß auch die lutheri⸗ schn Arbeiter und nicht nur die katholischen hierbei interessiert sind. von Einstürzen und nothwendigen Vermauerungen hat dag Stein kohlen bergwerk Piesberge im letzten Jahre mit einer Unterbilanz gearbeitet, aber trotzdem 8 5 Dividende vertheilt. Am 1. Januar hat die Verwaltung nun die bisher gewährten sieben katho— lischen Feiertage aufgehoben, um größere Gewinne zu erzielen. Die Bergverwaltung wollte zwar eine Messe vor der Arbeit an diesen Tagen veranstalten lassen und die Kosten dafür tragen, aber die Messe ist nicht zu stande gekommen, weil sie vor 4 Uhr Morgens hätte statt⸗ sinden müssen. Am 6. Januar hat die Verwaltung zwar von einer Aufforderung an die Arbeiter, zu arbeiten, abgesehen, am 2. Februar aber eine solche Aufforderung erlassen; als die Arbeiter nicht er— schienen, hat sie die Sache nicht weiter verfolgt. Am dritten Festtage, Mariã ö . am 25. März, erließ die Verwaltnng zwar eine lufforderung zur Arbeit im Kohlenbergwerk, aber nicht mehr im Stein⸗ bruch. Den nicht erschienenen Aibeitern wurde darauf gelündigt, und nfolgedessen legten alle Arbeiter die Arbeit nieder, sind aber bereit, sie wieder aufzunehmen, wenn ihnen die sieben Feiertage wieder
ettben werden. Es handelt sich jetzt um die Frage, ob diese
esttage zu denen gehören, an welchen die Gewerbeordnung die Arbeit beibietet. Die hannoversche Sabbathordnung stellt sich durchaus auf kirchlichen Boden, giebt auch den einseitigen Festtagen einer Konfesston die staatliche Sanktion und verbietet die Arbeit an den genannten sieben Festtagen. Nur bei einer Nothlage des Betriebs, nickt aber einer finanziellen Nothlage des Arbeitgebers soll die Arbeit glstattet sein; fonst müßte auch allen Arbeitern die Festtagsarbeit ktattet sein, wenn sie in einer finanziellen Nothlageé sind. Die ir hat die Vornahme von Arbesten an Sonn— und Festtagen in jedem Fall zu genehmigen; dies ist hier auch geschehen, ind der Mlnister scheint diese Genehmigung leider approbiert zu haben. So lange die Festtage bestehen, muß die Industrie ihre ent⸗ gegenstehenden Interessen zurücktreten lassen und darf die Ärbeiter nicht zur Arbeit an diefen Tagen zwingen, denn dadurch wird deren teligiöses Gefühl verletzt und der sosiale Frieden gestört. Wir Rüssen in dieser materiellen Zeit das idealistische Moment schützen. Die Frankfurter Zeitung“ sagte, der Betrieb habe das Opfer der Fonfession verlangen 3 um nicht mit Schaden zu arbeiten. Das it kein christlicher Standpunkt. Die Deutsche Tageszeitung! nahm eine andere Stellung ein. Ehe wir unsere Interpellation einbrachten, baten wir die Vermittelung des Ministers, er hat aber leider seine Vermittelung durch Entsendung eineg Kommifsartz dorthin prinzipiell gelehnt. Nur die e ceptionelle Lage des Falles hat ung zu dieser nterpellation veranlaßt.
Minister für Handel und Gewerbe Brefeld:
Meine Herren! Zur Beantwortung der vorliegenden Inter⸗ pellation darf ich mir wohl gestatten, die Darstellung der Sachlage sitens des Herrn Vorrednerg nech durch einige Angaben zu ergänzen. gmãchst durch solche Angaben, die geeignet sind, über die wirth—= schaftliche Lage des in Rede stehenden Betriebsunternehmens der
eorgs. Marienhütte und das damit verbundene Bergwerk am Pies berge ene richtige Auffassung zu gewinnen.
Der Piesberg war, wie vom Herrn Vorredner richtig hervor⸗ beboben. früher im Besitz der Stadt Osnabrück, ist von dleser für einen Betrag von 2 bis 3 Millionen Mark der Georgs⸗Marienhütte berkauft worden. Die Kohle, die dort gewonnen wird, ist eine werthvolle, henzkrãftige Kohle, deren Gewinnung aber mit großen Kosten verbunden ist, und zwar mit steigenden Kosten deswegen, weil, je tiefer die Förderung und der Abbau der Kohlen geht, desto mehr der Wasserandrang in die Grube zunimmt. Der Wasserandrang in die Grube hat in solchem
aße zugenommen, daß er in der jüngsten Zeit sich von 15 ebm per lnute gesteigert hat auf 45 ebm per Minute, und nur dadurch begenwartig auf 35 ebm per Minute wieder reduniert ist, daß man
Januar und Mariä Lichtmeß am 2. Februar, mit Fest⸗
einen Theil der Wassereinbrüche abgedämmt hat. Die Förderung des Kohlenbergwerks ist infolge des zunehmenden Wasserandranges von 700 t täglich zurückgegangen auf 450 t. Um die hieraus er⸗ wachsende unzünstige Lage des Bergwerks wieder zu heben und wieder zu der früheren Förderung zu gelangen, waren außerordentliche An— strengungen nöthig. Es mußten große Wasserhaltungsmaschinen angeschafft werden, die erst im Laufe diesez und 3. Th. des nächsten Jahres zur Ablieferung kommen, und durch welche man die Wasser zu bewältigen hofft. Es müßte ferner das Personal, waß mit der Wasserhaltung und den damit verbundenen Reparaturen beschaftigt ist, vermehrt werden. Durch alles dies, in Verbindung mit dem Rückgange der Förderung der Kohlen, ist die Rentabilität des Bergwerks tief gesunken.
Dazu kommt aber ein anderer Umstand: Die Grubenwasser, welche in das Bergwerk eindringen, gehen durch eine Salzlage und sind infolge dessen salihaltig; der Salzgehalt der Grubenwasser ist aber ebenfalls in der Zunahme begriffen. Man hat nun die Grubenwasser bisher in die Haase geleitet. Die Wiesenbesitzer und Adjazenten der Haase haben dagegen protestiert und haben Prozesse geführt, worin sie Entschädigungen forderten für die Schädigung ihrer Wiesen. Das hat das Bergwerk in die Nothwendigteit versetzt, nunmehr die Wasser nicht mehr in die Haase, sondern in die Ems zu leiten, und zwar durch Herstellung eines Kanals von 48 km Länge, in welchem die Grubenwasser unterhalb der Haasemündung der Ems zugeführt werden sollen. Aber auch die Wiesenbesitzer an der Ems haben gegen die Zuführung des Grubenwassers protestiert, indem sie behaupten, daß ihre Wiesen dadurch verschlechtert und die Fischerei geschädigt würde. Sie verlangen, daß wenigstens zur Zeit des niedrigen Wassers Vorkehrungen getroffen würden, das Grubenwasser in Sammelbassins zurückzuhalten oder aber durch einen Kanal noch weiter dem Unterlauf der Ems zuzuführen. Die Kosten, die jetzt schon durch den Bau eines solchen Kanals bedingt werden, belaufen sich auf nahezu eine Million; sie würden sich noch höher steigern, wenn die Anlage eines solchen Sammelbassi ns oder die Weiterführung des Kanals erforderlich werden sollte.
Sie sehen daraus, meine Herren, daß die finanzielle Lage des Grubenbetriebes thatsächlich eine höchst ungünstige ist, daß die Rentabilität des Grubenbetriebes dadurch vollständig in Frage gestellt ist; das Bergwerk steht in der That vor der Entschließung, den Grubenbetrieb zu sistieren.
Es hat sich neuerdings die Auffassung verbreitet, daß überhaupt, je tiefer der Bergbau des Piesberges geht, er desto mehr ins Wasser hineinkommt, daß also die Zuführung der Wasser eine steigende sein wird, und daß es nicht möglich sein würde, dauernd die Rentabilität des Grubenbetriebes zu erhalten; dann müßte natürlich — man würde das der Gesellschaft nicht verwehren können — der Betrieb sistiert werden, die Grube ersaufen. Das, meine Herren, wäre ein großer Schaden für die Aktionäre, aber es wäre ein noch viel größerer Schaden für die Arbeiter, wenn die tausend Grubenarbeiter, die in dem Piesbergwerk beschäftigt sind, mit ihren Familien ihr Brot ver— lieren, bedroht werden in ihrer wirthschaftlichen Existenz. Deshalb hat die Verwaltung der Georgs. Marienhütte nicht bloß in ihrem Interesse, sondern auch im eigensten Interesse der Arbeiter selbst alle Maßregeln ergriffen, die sie für geeignet hielt, um die Rentabilität des Bergwerks zu halten.
Hierbei möchte ich zunächst bemerken, daß die Lage der Georgt⸗ Marienhütte nicht eine so günstige ist, wie sie der Herr Vorredner aus dem Umstande glaubte herleiten zu dürfen, daß die Hütte im letzten Jahre eine Dividende von 800 gezahlt habe. (Sehr richtig) Die durchschnittliche Dividende der letzten 20 Fahre bewegt sich nur zwischen 3 und 40,909, und das ist eine keineswegs übermäßig günstige Lage. Mag aber auch die Lage günstig oder ungünstig sein, so kann man dem Besitzer unter keinen Umständen es verwehren, daß er den Betrieb sistiert, wenn er nicht mehr rentabel ist.
Nun war eins der Mittel, die man ergriff, um die Rentabilität des Bergwerks zu heben, auch dies, daß an den neun katholischen Feiertagen gearbeitet wird. (Zuruf aus dem Zentrum: Sieben katholische Feiertage) — Es sind neun, nicht sieben; ich werde noch darauf zurückkom men, warum nachher nur sieben in Frage standen. An diesen Feiertagen konnte nur von vornherein werksseitig die Arbeit insoweit verlangt werden, als es sich um Nothfälle im Sinne der Gewerbe—⸗ ordnung handelt, insoweit nämlich, als es sich um die Wasserhaltung und die damit verbundenen Arbeiten handelt, weil, wenn die Wasser⸗ haltung nicht stattfände, einfach durch den Zufluß des Grubenwassers das Bergwerk ersaufen müßte. Fraglich war also nur, inwieweit an diesen Tagen auch die Förderung der Kohlen in den Bergwerken statt⸗ finden sollte.
Es hat die Grubenverwaltung zu diesem Zweck einerselts die polizei liche Erlaubniß nachgesucht, die nach den Vorschriften der hannoverschen Sabbathordnung nothwendig war, andererseits aber auch die kirchliche Genehmigung nachgesucht, die gesetz lich nicht nothwendig war, die sie aber deshalb für erforderlich hielt, weil sie Werth darauf legte, daß auch die Arbeiter bereitwillig die Arbeit an diesen Tagen vornehmen können, und weil sie Werth darauf legte, den Gewissensdruck, den sonst die Anordnung der Arbeit hervorgerufen hätte, zu vermeiden. Die volizeiliche Erlaubniß ist ertheilt worden, die bischöfliche Erlaubniß ist ebenfalls ertheilt, aber in der Folge zurückgezogen worden. Sie wurde zunächst unter der Vorautzsetzung der Einrichtung eines Früh⸗ gottes dienstes ertheilt. Dieser Gottesdienst ist, obgleich das Bergwerk sich bereit erklärte, den entsprechenden Theil der Kosten zu übernehmen, nicht eingerichtet worden. Weewegen dies nicht geschehen ist, ist aus den Berichten mit Bestimmtheit nicht zu ersehen. (Hört, hört! rechts.)
Nun hat die Bergwerke verwaltung, nachdem sie eingesehen hat, daß die Einrichtung des Gottesdienstes nicht zu erreichen sei, die Forderung der Aibeit dahin beschränkt, daß mit der Arbeit erst um 9 Uhr begonnen werden sollte, sodaß den Arbeitern die Möglichkeit gegeben war, den Gottesdienst an diesen Tagen noch vorber zu be—⸗ suchen. Gleichwohl haben die Arbeiter auf ihrer Weigerung, zu arbeiten, bestanden. Die Folge dieser Weigerung ist von dem Herrn Vorredner
in ganz richtiger Weise aueinandergesetzt. Es sind am ersten Feiertag 500 Arbeiter nicht zur Arbeit angetreten; denen ist noch nicht ge= kündigt worden. An dem nächftfolgenden zweiten Feiertag ist wiederum eine Zahl von Arbeitern nicht zur Arbeit an⸗ getreten; diesen ist nunmehr gekündigt worden. Dann haben so und so viel andere Arbeiter gekündigt. Demnächst hat sich der sogenannte Gewerkverein christlicher Bergarbeiter ins Mittel gelegt. Es ist der Bergmann Brust in Osnabrück erschienen, hat Versamm⸗ lungen abgehalten, und die Bergleute sind in großer Zahl dem Verein beigetreten. Dann hat er sich an mich gewandt und mich gebeten, die polizeiliche Erlaubniß zur Gestattung der Arbeit an den Feiertagen zurückzunehmen. Ich habe dieses Gesuch an das Ober ⸗ Bergamt als die zuständige Stelle abgegeben. Es traf sich aber, daß der Ober⸗ Berghauptmann um jene Zeit in Berlin anwesend war zum Zweck einer Konferenz über die Reformen in der Bergaussicht; gleichzeitig war auch der Regierungs ⸗Präsident von Osnabrück hier aawesend. Beide Herren trugen mir den Sachverhalt vor und baten mich, ich möchte nicht bloß durch das Ober · Bergamt die Entscheidung treffen lassen, sondern zugleich persönlich in der Sache Stellung nehmen auf Grund des Vortrags, den sie mir gehalten hätten, weil man glaubte, es sei besonders Werth darauf zu legen, daß möglichst bald die Stellung der Zentralbehörde in der Frage klargelegt werde, um da—⸗ durch die Arbeiter zu bewegen, die Arbeit wieder aufzunehmen. So erklärt es sich, daß in dem Erlaß, der in der Interpellation abgedruckt ist, das Ober ⸗Bergamt den Entscheid als in meinem Namen erfolgt, bezeichnet.
Damit habe ich die Sachlage klargelegt, und ich möchte mir nun gestatten, die Rechtslage darzulegen. Es kommt vor allen Dingen darauf an, Klarheit zu gewinnen, wie sich die Bestimmungen der hannoverschen Sabbathsordnung verhalten zu den Bestimmungen der Gewerbeordnung.
Die Gewerbeordnung enthalt in ihren bezüglichen Bestimmun gen Vorschriften, die die Arbeits ruhe an Sonntagen betreffen, die den Zweck haben, den Arbeiter zu schützen vor einer ũbermãäßigen Inanspruchnahme. Es ist deshalb vorgesehen, daß an Sonn⸗ und Festtagen der Arbeiter nicht verpflichtet sein soll, zu arbeiten; eine Ausnahme soll stattfinden in den Nothfällen des 5 105 . Diese Nothfälle, die also eine Einschränkung des Rechtes der Arbeiter ent⸗ halten, sind strietissime zu interpretieren; eine solche Interpretation ist deshalb auch stets seitens der Zentralstelle festgehalten worden, und in einem Erlaß meines Amtsvorgängers ist deshalb ausdrücklich be⸗ stimmt worden:
Zu den Arbeiten in Nothfaͤllen gehören solche Arbeiten, die zur Beseitigung eines Nothstandes oder zur Abwendung einer Gefahr sofort vorgenommen werden müssen.
Zu solchen Notharbeiten würden die Arbeiten in dem Plesberge nur so weit gehören, wie ich mir bereits anzudeuten gestattete, als sie die Wasserhaltung und die Reparatur betreffen, nicht aber Arbeiten zur Förderung von Kohlen.
Im übrigen sind die Arbeiter an Sonn— und Festtagen zur Arbeit nicht veipflichtet. Die Frage ist also zunächst die: sind diese kleinen katholischen Feiertage als Festtage im Sinne der Gewerbeordnung anzusehen? In dieser Beziehung enthält die hannoversche Sabbath⸗ ordnung die näheren Vorschriften. In der Gewerbeordnung heißt es nämlich:
Welche Tage als Festtage gelten, bestimmen unter Berück⸗ sichtigung der örtlichen und konfessionellen Verhältnisse die Landes. regierungen.
Diese Bestimmung ist nun in Hannover die Sabbathordnung, indem dort vorgeseben ist, daß an den Sonntagen und den allgemeinen Festtagen, den drei hoben Jahresfesten, Weih⸗ nachten, Ostern, Pfingsten, am Feste der Himmelfahrt Christi, an dem Nenjahrstage von den Glaubensgenossen aller Kon⸗ fessionen gefeiert werden solle, an anderen Fest⸗ und Bußtagen aber nur von denen, für deren Konfession solche angeordnet sind. Nun hat man in konstanter Uebung der hannover schen Behörden, Ministerien, Landdrosteien und Aemtern, als Festtage immer nur angesehen die hier aufgeführten Festtage und die Buß n und Bettage; die kleinen katho⸗ lischen Feiertage sind dagegen niemals als Fefttage angesehen worden. Meinerseits bin ich aber nicht in der dage, die hannoversche Sabbathordnung anders auszulegen, als sie seit ihrem Erlaß von allen Behörden konstant ausgelegt wurde; ich kann des halb die kleinen katholischen Festtage als Festtage im Sinne der Gewerbeordnung, die durch die Landesregierung festgesetzt werden, nicht ansehen.
Nun steht aber in 105 der Gewerbeordnung, daß die Vor⸗ schriften der Gewerbeordnung weitergehenden gesetzlichen Bestimmungen der einzelnen Landegtheile nicht entgegenstehen, und eg fragte sich, ob eine solche weitergehende gesetzliche ¶ Vorschrift nicht in der Sabbathordnung enthalten ist. Die Sabbathordnung spricht, wie ich Ihnen schon sagte, nicht nur von den allgemeinen, sondern auch von den besonderen Festtagen der einzelnen Konfesstonen und schreibt vor, es sollen an allen diesen Tagen öffentliche Arbeiten nicht stattfinden, zes sei denn in erweislichen, von der Polizei zu er⸗ mäßigenden Nothfaͤllen. Auch diese Bestimmung kann ich nur so auslegen und verstehen, wie sie in konstanter Praxis seit dem Erlaß dieser Sabbathordnung von den hannoverschen Behörden, den Ministerien, den Landdrostelen und Aemtern ausgelegt worden ist. Da hat man nun stets unter den Nothfällen etwas gan Anderes verstanden, als unter den Nothfällen der Gewerbeordnung, man hat darunter verstanden ein wirthschaftliches Bedürfniß des betreffenden Gewerbetreibenden, welches es ihm er⸗ wünscht erscheinen läßt, an diesen Feiertagen die Arbeiten seines Ge⸗ werbes fortzusetzen, um Rachtbeile und Störungen zu vermeiden. Diese Auslegung ist namentlich in einem eingehenden Bericht des Regierunge. Präsidenten zu Osnabrück ausführlich dargelegt und an einer ganzen Reihe von Einzelfällen näher begrũndet worden. Falls es für erforderlich gehalten werden sollte, würde ich
gern bereit sein, Ihnen diesen Bericht vorzulegen. Ich glaube aber.