gering
mittel Verkaufte
Menge
niedrigster
Gezahlter Preis für 1 Doppelzentner
höchster
niedrigster höchster niedrigster höchster . 4. . . .
Doppelzentner
Durchschnitts⸗ Außerdem wurden am Markttage
is Verkaufs ⸗ . (Spalte h
für . wer nach überschlägli h 1 Doppel⸗ — Schätzung 3. zentner Doppeljentner (Prels unbelanng
Neuruppin. Frankfurt a. O.. Stettin.. . Greifenhagen Pyrit... Stargard Schivelbein.
dd Rummelsburg i. P. . k Lauenburg i. P.
Frankenstein i. Schl. Schönau a. K. ; Halberstadt. Eilenburg Marne Goglas-- Duderstadt Lüneburg , . ⸗ imburg a. S8.
Ra,, Dinkelsbühl Schweinfurt Giengen Bieberach . Ueberlingen.. Rostock⸗⸗ Waren Braunschweig . Altenburg Breslau.
15 0 11.535
Die verkaufte 5. wird auf volle Doppelzentner und der Verkaufswerth auf volle Mark abgerundet mitgetheilt.
Ein liegender Stri
Noch: Hafer. 13,40 14,00 13,50 12, 00 12,50 12,60 12,40 12, 40
12,80 12,00 13,20 12,20 12,20 12,70
11,80 15. 16 16,00 15.36 158, 16 15,35 14,66 14, 00 15, 45 12,40 141,26
13, 20 1446 15,56 15 66 13,56 456
15,40 14400 1400 12.30 12,50 12.380 12ỹ40 12.40
13,00 12,00 13, 40 12,30 12,40 12,70 12,00 15,40 15,09 13,80 16,00 13,57 16,00 14,40 13,80 13,40 14,40
1440 14.55 15.65 15.065 12550 1496 15 66 13376
13550 13. 16
1550 3 35
1300 15,20
1710 1796
11,80 1256 11.56 13.50 1216 1220 1754160 17396 11,50 15. 16 1406 13. 56 16,066 15.35 1466
1310 12,00
1100 1766 113836 12.30 1186 13566 1745 15 06 1150 14.36 1466 13. 56 14.565 13.06 15.56
1150 13 66
12, 60 11.360 12, 60 11,80 12, 00 12, 00 11,60 11,40 14,80 13,50 13,40 14,50 13,00 13,50 13,80
14,00 13,25
1420 14,58
13 o 13 36
13 50 1268
1350
1750 15 16 13576
14,50 14,10 165,00 12,30 12,50 Bemertungen.
14,50 14,10 12, 00
1380 1330
— 2
s z Der D —) in den Spalten fuͤr Preise hat die Bedeutung, daß der betreffende Preis nicht vorgekommen ff, . . ⸗ in den letzten sechs
preis wird aus den unabgerundeten . berechnet. palten, daß entsprechender Bericht fehlt.
Deutscher Reichstag. 5. Sitzung vom 14. Dezember 1898, 1 Uhr.
Tagesordnung: Fortsetzung der ersten Berathung des Reichshaushalks⸗Etats und des Etats der Schutz—⸗ gebiete für 1899, sowie des Anleihe⸗- und des Schulden— tilgungsgesetzes.
Abg. von Karderff (Rry.): Die gestrige Rede des Abg. von Vollmar bewegte sich im Großen und Ganzen in demselben Gleife, wie wir es von der sozialdemokratischen Partei gewohnt sind, wenn sie es für an der Zeit erachtet, verbältnißmäßig milde Saiten auf— zuziehen. Was er über den Militär⸗Etat, den zunehmenden Mili— taritßzmus, über die Finanzen des Reichs, die Anleihen ze. vorgebracht hat, war ganz dasselbe, was wir sonst von anderen Rednern seiner Partei, namentlich von dem Abg. Bebel, gehört haben. Wenn er meinte, daß das Reich mit Schulden überlastet werde, so möchte ich doch darauf aufmerksam machen, daß Deutschland ungefähr nur den vierten bis fünften Theil derjenigen Schulden besitzt, welche Frank— reich hat. Die Schulden des Reichs und der Bundesstaaten zu⸗ sammengerechnet betragen 6 bis 69. Milliarden, die Frankreichs 30 Milliarden. Der deutsche Export ist dem französischen bedeutend überlegen, unsere Kauffahrteiflotte ist sehr viel stärker, und unter solchen Umständen braucht man nicht sehr besorgt zu sein, wenn wir jetzt wirklich ein paar Millionen Schulden machen sollten, und die Gefahr, daß dadurch etwa neue Steuern nothwendig werden sollten, cheint, mir nach den Ausführungen des Reichs⸗Schatz sekretärs ür die nächsten Jahre in der That ausgeschlossen. Ueberrascht aben mich von Vollmar's Aeußerungen über die Kolonien; er theilt darin vollständig den Standpunkt des Abg. Richter, welcher meinte, es wäre am besten, wenn unsere Kolonien verkauft würden. Auf demselben Standpunkt stand man einmal bezüglich der deutschen Flotte, und wir haben ein gewisses Gefühl der Scham, wenn wir an diese Zeit zurückdenken. Es wird eine Zeit kommen, wo man sich wundern wird, wie ein so hervorragender Politiker wie der Abg Richter, so von unseren Kolonien sprechen konnte. Die Fork— schrittspartei ist darin außerordentlich konserbativ, sie bleibt immer bei ihrem alten Steckenpferd. Es ist das ein Parteigeschrei, das vielleicht eine Zeit lang gezogen hat, heute aber nicht mehr zieht. Die Herren dort (linke) gehören zu denen, die nichts gelernt und nichts vergessen haben. Wenn der Abg. von Vollmar gemeint hat, die ganze zivilisierte Menschheit sei berufen, gegen das aus— beutende Kapital zu kämpfen, so war das eine Redewendung, die wir von den Herren von der Sozialdemokratie schon ost ehört haben. Wie weit die Sozialdemokratie berechtigt ist, diesen
riegsruf gegen das internationale Kapital zu erheben und von einer
Ausbeutung der produzierenden Klassen durch das internationale Kapital zu sprechen, das zu erörtern, behalte ich mir vor, wenn wir über die Verlängerung des Reichsbankprivilegs sprechen werden. Der Abg. von Vollmar sagte, die Junker in Ostelbien drängten ihre deutschen Arbeiter heraus in die Industriebezirke, um sich mit billigeren slawischen Arbeitskräften zu versehen. Glaubt der Abg. von Vollmar das wirklich selbst? Wenn er es glaubt, so verräth er damit nur eine groteske Unwissenheit über die Verhältnisse in den östlichen Provinzen. Die Landwirthschaft leidet darunter, daß der Arbeiter durch die viel höheren Löhne in die Industriebezirke gelockt wird und wir Land— wirthe gezwungen sind, statt unserer ländlichen deutschen Arbeiter slawische anzunehmen. Auf die ostelbischen Junker kommt es dabei am allerwenigsten an; sie können sich mit den slawischen Arbestern behelfen. Die hohen Löhne der Industrie kann die Landwirthschaft nicht bejahlen. Die Herren fordern immer billige Lebensmittel, die Landwirthschaft soll alles so billig wie möglich hergeben, aber ultra posse nemo obligatur. Man kann doch nicht billiger ver— kaufen, als man produzieren kann. Die Produktion und Absatzverhältnisse sind so, daß bei der hohen Steigerung der Löhne auch in der Landwirthschaft — die Industrie reißt ja die Landwirthschaft immer mit fort — nun eine Grenze eingetreten ist, wo wir nicht mehr! mitgehen können. Auf die ostelbischen Groß— an g e, kommt es dabei nicht an, der leidende Theil ist die
auernschaft die mit Gesiade arbeiten muß. Der Großgrundbesitzer kann slawische Arbeiter vertragen, da ist immer ein Vorarbeslter auf dem Hofe oder ein Beamter vom Wirthschaftspersonal, der sich mit diesen Arbeitern verständigen kann, aber der deutsche Bauer kann sich mit dem polnischen Knecht nicht verständigen, dieser versteht einfach nicht, was der deutsche Bauer von ihm will. Der Bauernstand
leidet also darunter, aber die Sozialdemokratie, besonders der Abg.
Schippel, hat es ö; oft ausgesprochen, daß der Untergang unseres Bauernstandes ihr Zweck und Ziel ist. Wenn also Herr von Vollmar
agt, die ostelbischen Junker drängten shre deutschen Leute in die ketuf ba tft um billige polnische Arbeiter zu haben,
verräth des Ostens.
so kann er das selbst nicht glauben, oder er eine große Unwissenheit in den Verhältnissen Auch gegen seine fernere Behauptung muß ich Verwahrung einlegen, daß nur die Ausstände zur Aufbesserung der Löhne in der Industrie beigetragen hätten. Von der Richtigkeit diefes Satzes kaun Herr von Vollmar selbst nicht überzeugt sein. Angebot und Nachfrage sind doch das Erste, was die Löhne reguliert. Wenn die Produktion steigt, so steigen auch die Löhne, weil jeder Arbeit⸗ geber eine möglichst große Anzahl von Arbeitern heranzuziehen fucht. Das ist der Zustand, den wir gegenwärtig erleben. Ich erinnere z. B. daran, daß bei meinem verehrten Freunde, dem Freiherrn von Stumm niemals ein Ausstand gewesen ist, aber die Löhne in diesem Revier und namentlich bei meinem Freunde genau ebenso ge— stiegen sind und vielleicht noch mehr wie in anderen Revieren. Wenn Herr von Vollmar glaubt, die Industriellen thäten absolut nichts von selbst für die Arbeiterklasse, so kann er auch das nicht wirklich für richtig halten gegenüber dem, was geschieht. Erst neuerdings hat ein Großindustrieller in Oberschlesien eine Stiftung von einer Million
Mark zu Gunsten der Arbeiter seiner Werke gemacht, eine Million
auf einmal! Da kann man nicht sagen, daß erst durch Ausstände die Lage der Arbeiter verbessert werde. Wir werden ein Gesetz erhalten, das die arbeitswilligen Arbeiter vor dem Terrorismus der Ausständigen schützt. Ich hoffe, daß dieses absolut nothwendige Gesetz im Reichstage nicht
allzusehr abgeschwächt wird und überhaupt zur Annahme gelangt. Aber
es wäre ein großer Irrthum, zu glauben, daß damit allein das An— wachsen der Sozialdemokratie eine Aenderung erlitte. Dazu gehören
immer noch solche Bestimmungen, wie sie das zu meinem großen Be—
dauern aufgehobene Sozialistengesetz gehabt hat, Bestimmungen gegen die Vergiftung der Nation durch die sozialdemokratische Presse. Herr von Vollmar wies den gräßlichen Mord an der Kaiserin von Oester⸗ reich durch einen Anarchisten weit von sich, er verabscheute die Gewalt⸗ thaten, aber es ist doch wunderbar, daß alle diese gewaltthätigen Morde an einzelnen Personen, wie zum Beispiel der an dem Kaiser von Rußland, der die Leibeigenschaft aufgehoben hat, in einem sozial— demokratischen Kalender, wie er in Mecklenburg verbreitet ist, als besondere Ruhmes⸗ und Ehrendaten verzeichnet stehen. Daß die Sozialdemokratie troßz des Sozialistengesetzes gewachsen ist, ist ja richtig, aber es verlohnt sich doch, die Ziffern dieses Anwachsens sich zu vergegenwärtigen, um den Einfluß des Gesetzes zu erkennen. In der Legislaturperiode bis 1874 waren 124 005 sozialdemokratische Stimmen abgegeben, 1874 1877 352 000, 1877— 1878 493 600 Stimmen; dann kam das Sozialistengesetz; 1878— 1881 waren es 473 C00, 1881 - 1834 312 09090, 1884 - 1887 ailerdings wieder 550 000 Stimmen. Dieses Anwachsen war die nothwendige Folge der Aus—
eisungen der verschiedenen Sozialistenführer aus den großen Industrie⸗ jentren in die kleinen Städte. Ueberall dort haben sich sozalistische Verde gebildet. Das war eine der unglücklichsten Bestimmungen des Sozialistengesetzez, und auf deren Konto setze ich das Anwachsen der Stimmen von 312 000 auf 50 009. In der Periode 1887/96 waren es 736 000 Stimmen. Ja, da wußte man schon, daß das Sozialisten⸗ gesetz aufgehoben werden würde. Das Anwachsen der Sozial— demokratie um 200 009 Stimmen ist ja schließlich nicht schlimm; aber 1890963 waren es 1427 900 Stimmen, 1893/95 waren es 1736900 Stimmen und jetzt sind es über 2 Millionen. Wenn man sich überlegt, daß diese Partei, welche über so viele Stimmen verfügt, eine Zwangsbesteuerung ihrer Mitglieder eingeführt hat, wie wir sie so hoch im Staate nicht haben, so muß diese Partei für ihre Agitation Summen zur Verfügung haben wie keine andere Partei auch nur annähernd. Wenn solchen Zuständen gegenüber die Regierung hofft. mit dem Gesetz zum Schutz der Arbeitswilligen dem Anwachsen der Sosjialdemokratie Ginhalt zu gebieten, so ist das ein großer Irrthum. Ich wende mich nun zur auswärtigen Politik mit dersenigen Vorsicht, welche der Graf Limburg gestern empfohlen hat. ö. zunächst die Ausweisungen aus Norbschleswig betrifft, so verkennen die Herren, was es heißt, wenn in einem Landestheile, der zu Deutschland gehöit, sich ein Agitation fühlbar macht, welche darauf abzielt, diesen Landes⸗ theil wieder von Deutschland loszureißen und wieder zu Dänemark zu bringen. Daß bei solchen Ausweisungen unter Umständen Härten vor— kommen, wer wollte das leugnen? Ich habe mich aber gewundert, daß die Regierung von der Ausweisungsbefugniß doch einen sehr spar samen Gebrauch gemacht hat. So konnte 3. B. in einem sozialistischen Blatt ein Ausländer, der seine Artikel mit ‚Barvus* unterzeichnet, gegen Staat und stagtliche Ordnung unbehindert Artikel veröffentlichen, ohne daß er ausgewiesen wurde, während der Korrespondent eines konservativen Blattes in Paris kurser Hand aus Frankreich außtz— gewiesen wurde, weil er Artikel verfaßte, die nicht ganz die Meinung der französischen Machthaber vertraten. Die Franzosen find eben darin kurz angebunden. Was Oesterreich betrifft, so haben wir aus den Ausführungen des Staatssekretärs des Aeußern vernommen, daß zur Begleichung der Differenzen freundliche Verhandlungen schweben.
Ich habe mich auch gefreut über die verhältnißmäßig harmlose Auf⸗ fassung, die er von den Vorgängen im österreichischen Parlament — ich verstehe darunter namentlich diẽ Aeußerungen des Grafen Thun — hat. Wenn man diese Auffassung nicht theilen wollte, dann müßte man allerdings zu dem merkwürdigen Schluß kommen, daß Oester⸗; reich eine Frontschwenkung gemacht hat und den Versuch macht, die berüchtigte Schwarzenberg'sche Politik der Undankbarkeit zu treiben. Hie erinnern sich, daß wir den Handelsvertrag mit Oesterreich haupt⸗ ichlich bewilligten aus dem politischen Grunde, den Prelbund zu stärken. Traͤfe jene Auffassung nicht zu, so gäbe es kein beredteres Plaidoyer für die Militärvorlage, als die Rede des österreichtschen Minister⸗Präsidenten im dortigen Parlament. Abg. Richter hat seine Freude darüber ausgesprochen, daß wir mit England in freundschaft· lichen Beziehungen stehen, und er hat ausdrücklich dabei auf die Aeußerungen Chamberlain's hingewiesen. Ich wünschte, wir hätten viele Staatsmänner von der Art Fhamberlain', weil er den gesunden englischen Nationalegoismus besitzt, der unt Deutschen leider oft fehlt. Chamberlain hat vor sutjem gemeint, die englische Politik brauche von der kontinentalen nichts zu lernen, er glaube, England verfolge idealere Ziele als diese; ja, die idealeren englischen Ziele scheinen mir bestanden zu haben in einer sehr gesch ckten Ausnutzung aller fremden Nationen. Aber so viel ist gewiß, daß wir Interessen haben, wo wir mit den Engländern sehr gut jusammengehen können. Was Amerika anbetrifft, so sagte Abg. Fritzen, beim spanisch⸗amerikanischen Kriege seien die Sympathien des deuntschen Volks auf seiten der Spanier gewesen. Bis zu einem gewissen Grade hat er Recht. Es liegt in der Eigenthümlichkeit unseres Nationalcharakters, für den Schwächeren Partei zu nehmen, wenn er von einem sehr Starken angegriffen wird. Ich war selbst auch nicht frei von dieser Auf⸗ sassung, aber eine solche sentimentale Auffassung ist in der Politik nicht verwerthbar. Die Ameritaner sind eine große ansstrebende Nation, in der sich viel bessere Zustände herausgebildet haben als in Spanien. Es mag ja im eisten Augenblick auffallen, daß Amerika anfängt, eine Expansionspolitik zu treiben, gegen die sich früher die amerikanischen Staatsmänner verwahrt haben. Aber Deutschland hat eigentlich ein Interesse daran, daß zu den Groß— mächten, die auf der Welt konkurrieren, die eine kampsbereite Flotte haben, auch Amerika. hinzutritt. Wir haben keine Veran— lassung, das irgendwie zu bedauern. Außerdem haben wir es bei Amerika mit einem anglosächsischen Staate zu thun, Und es kann uns als Germanen nur angenehm sein, daß ein zum großen Theil germanischer Staat in so kräftiger Weise aufgetreten ist, wie wir es im letzten amerikanisch. spanischen Kriege gesehen haben. Ich hoffe aber, daß man Amerika gegenüber den alten Bismarck'schen Grundsatz, daß man handelspolitische Fragen nicht mit anderen politi⸗ schen Fragen verquicken dürfe, wieder zur Geltung bringt. Wir hatten diesen Grundsatz bei den Handelsverträgen etwas vergessen. Die ganze Natur der Amerikaner ist so geartet, daß sie für ein schwächliches Zurückweichen unsererseits in handelspolitischen Fragen gar kein Verständ⸗ niß haben, wenn es ihnen allerdings auch ganz angenehm sein würde. Wag unsere Sozlalpolitik betrifft, so stehen wir auf dem Stand⸗ punkt, den wir schon früher vertheidigt haben. Ich halte es nicht für angebracht, bei der gegenwärtigen Lage der Binge, dem Wachsen der Sozialdemokratie durch Anträge zu Hilfe ju kommen. könnte uns damit gehen wie den Kindern, die mit Streichhöljern in der Nähe einer Scheune spielen. Von der internationalen Konferenz gegen den Anarchismus verspreche ich mir auch nicht viel. J fürchte sogar, daß die Regierungen glauben könnten, mit dieser Konferenz das Wesentliche gethan zu haben, und daß der Kampf gegen die Sozialdemokratie nicht in derselben Weise fortgesetzt wird wie bisher. Ich habe kein Verständniß dafür, wie die verbündeten Regierungen die Verantwortung vor Seiner Majestät dem Kaiser und dem Lande tragen können, daß Millionen von Arbeitern willenlos in die Sklaverei der Herren Bebel und Singer gerathen. In Bezug auf die Militärvorlage hat der Abg. Richter wieder das vorgebracht, was wir von dem Fortschritt schon einigermaßen kennen. Es mag sehr paradox klingen, wa ich jetzt sagen will; aber der Abg. Richtet selbst ist der Vater des gesteigerten Militarismus in Deutschland.
werde es Ihnen beweisen. Das Wachsen des Militacismus besteht nicht darin, daß so und so viel Hunderttausende jährlich durch die Armee gehen, die nachher zu ihrem bürgerlichen Beruf zurtckkehren, sondern vielmehr in der Vermebrung der Zahl der Berufssoldaten. Als der frühere Kriegs ⸗Minister von Verdy einen längeren Vor— 6 über die künftige Entwicklung der deutschen Armee hielt, plasdierte Abg. Richter für die zweijährige Vienftzeit. Ich habe ihn damalJ gefragt, ob er die finanzielle und sonstige Tragweite der zweijährigen Dienstzeit einmal vergegenwärtigt hätte Er antwortete nicht weiter darauf. Vie finanzielle Tragweite ist seinerseits sehr unterschätzt worden. Dle jweljäbrige Dienstzeit setzte doch voraus, daß auch das Instruktionspersonal, die Offiziere ind
. . Belt ist der Abg. Richter. Wenn damals der Ge⸗
nke laut wurde, die jweijährige Dienstzeit sei die ideale Ver⸗ ,, der allgemeinen Wehrpflicht, so folgt doch daraus, daß, wenn wir diesen Idealen nachstreben, wir dann allerdings eine Schraube ohre Ende haben, so lange bis das deutsche Volk zu berjenigen Stagnation gelangt, in welcher die französische Be— pölkerung sich befindet. Vorläufig sind wir, Gott sei Dank, in einem gefunden Wachtthum. Nun muß ich offen gesteben, daß ich die stille Hoffnung gehabt habe, daß das, was jetzt in den Forderungen für as Landheer an uns herantritt, sich in sehr viel engeren Grenzen be— wegen würde, als wir es heute vor uns haben. Diese Hoffnung hatte ich namentlich mit Rücksicht auf die deutsche Flotte. Ich glaube nicht, daß wir mit der jetzigen Flotte auskommen werden und können; anderer- selts muß ich zugeben, daß ein Theil, und zwar Fer wichtigste, das un⸗ wöitt⸗lbare Ergebniß derjenigen Bewilligungen ist, die wir im letzten Reichstag gemacht haben. Auch die Vermehrung der Artillerie hatte sch mir nicht so groß gedacht, aber auch sie war einigermaßen vorbereitet. Da aber der haupisächlichste Theil, der Militärlast wieder auf die sändlichen Bezirke fällt, so möchte ich die verbündeten Regierungen biiten, uns einmal eine genaue statistische Uebersicht zu geben, wie viele von den augenblicklich im Heere besindlichen Mannschaften vom platten Lande herstammen und wie viele aus den Städten. Professor Brentano hat darüber ganz falsche Behauptungen aufgestellt. Ich habe als Landrath einmal eine solche Statistik aufzustellen versucht und habe gefunden, daß die ländlichen Bezirke unglaublich stärker herangezogen wurden als die städtischen. Graf Mirbach hat im vergangenen Jahre eine Berechnung aufgestellt, wonach in der landwirthschaftichen Pro—⸗ pinz Ostpreußen jährlich 13 0900 Rekruten ausgehoben werden, in der Provini Brandenburg mit Berlin nur 18000, während nach der Bevölkerungsziffer eigentlich 30 0909 ausgehoben werden müßten. Das platte Land ist durch die Ausgaben für Krankenpflege, Verkehrswege, Schullasten ꝛc. viel stärker belastet als die Städte mit ihrer dicht zusammenwohnenden Bevölkerung. Ich greife wohl nicht zu hoch, wenn ich die kommunale Belastung der ländlichen Distrikte ziemlich doppelt so hoch taxiere wie die der großen Städte. Die Provinz Ostpreußen ist. wie ich höre, auch durch die gegenwärtige Regelung der Alters- und Invalidenversorgung überlastet zu Gunsten der großen Städte. Die Erhöhung des Bankdiskonts kann die brosperlerende Industrie mit Leichtigkeit tragen, nicht so der belastete Landwirth. Für diese Belastung hat der Land—⸗ mann keine Entschädigung, wie der Industrielle in den hohen Preisen und dem glänzenden Geschäftsverkehr. Und dazu kommt die Ueberlastung durch die Aushebungen! Gegenüber dieser Belastung ist es keine Unbilligkeit, wenn die Landwirthschaft denselben Schutz beansprucht wie die Industrie. Sie kann verlangen, daß, solange die Handelsverträge gelten, die verbündeten Regierungen der Landwirthschaft auf andere Weise helfen. Der Staatssekretär des Innern meinte, daß es der Landwirthschaft etwas hesser gehe. Wenn er die Ergebnisse der Domänenverpachtung ansehen würde, würde er das nicht behaupten, denn die Domänenpachspreise sind zurückgegangen. Ein Theil der Presse hat daraus, daß die Thron rede die Landwirthschaft nicht erwähnt, gefolgert, daß die Regierung davon Abstand nehmen wolle, die Landwirthschaft zu unter stützen. Ich ziehe diesen Schluß nicht. Es ist besser, wenn in der Thronrede keine falschen Hoffnungen erweckt wurden, wenn die Hoff⸗— nungen sich auch so erfüllen. In der Thronrede ist auch manches Andere nicht erwähnt. Der Dreibund ist auch nicht erwähnt worden, und man braucht doch wohl deshalb keine Schlüsse auf das Bestehen des Dreibundes zu ziehen, ebensowenig wie daraus, daß das Ableben des großen Kanzlers, des Fürsten Bismarck nicht erwähnt ist. In elnem auswärtigen Blatte habe ich einmal gelesen: in Deutschland wachse die Sozialdemokratie so rapid, daß mit mathematischer Genauigkeit auszurechnen wäre, daß in fünfzig Jahren von deutschen Fürsten überhaupt keine Rede mehr sein könnte. Ich denke, der alte Gott lebt noch, er wird es nicht zulassen, daß die Sozialdemokratie die Oberhand gewinnt. Der vorige Reichstag begann eigentlich nicht unter sebr günstigen Auspizien; Sie erinnern sich der scharfen Parteigegensätze bei der Ehrung des Fürsten Bismarck. Gleichwohl hat der vorige Reichstag große nationale Werke zu Wege gebracht, das Bürgerliche Gesetzbuch, die Militär-⸗Strafprozeßordnung, und vor Allem hat er den Grund für die deutsche Flotte gelegt. Der gegenwärtige Reichstag ist unter günstigeren Auspizien eröffnet worden; ich hoffe, daß er nach Ablauf seiner Thätigkeit ebenso mit gutem Gewissen darauf wird zurückblicken können wie der vorige Reichstag auf die seinige.
Abg. Rickert (fr. Vzg.): Der Vorredner hat wieder die alte Forderang nach einem Sozialistengesetz ausgesprochen. Wollen Sie denn durchaus die Macht der sozialdemokratischen Partei stärken, daß Sie ein solches Gesetz fordern in einem Augenblick, wo selbst der Staatssekretär des Innern sich dagegen ausgesprochen hat? Ich kann mit der Statistik des Anwachsens der sozialdemokratischen Stimmen das Gezentheil von dem beweisen, was Herr von Kardorff beweisen wollte. Die sozialdemokratische Partei hat sich in der Intensität ihrer Be⸗ strebungen mehr und mehr den anderen Parteien in ihrer Methode genähert. An Vorlagen haben wir reichlich genug, wir brauchen nicht noch neue Arbeit. Ich will die Mittheilung des Grafen Posadowskh, daß lediglich der Stand der gesetzgeberischen Vorarbeiten die Ein berufung des Reichstages verzögert habe, nicht anzweifeln. Wenn die Arbeitskräfte nicht ausreichen, dann könnte man die Frage aufwerfen, ob nicht die Gesetzgebungsmaschine übermäßig in Anspruch genommen wird. War es unöthig, daß alle uns angekündigten Vorlagen in dieser Session eingebracht werden? Ein großer Theil der Gesetz⸗ gebungsarbeit kann nicht fertiggestellt werden, auch wenn der Reichs. tag bis in den Sommer hinein tagt. Ist es da nicht zweckmäßig, daß die verbündeten Regierungen sich in ihren Vorlagen beschränken? Denn nichts ermüdet und entmuthigt mehr, als fortgesetzte Arbeit ohne Erfolg. Es ist mehr Fühlung mit dem Volke und dem Parlament nothwendig. Wenn es sich um Forderungen des Reichstages handelt, wo bleiben da die verbündeten Regierungen? Wie steht es mit dem kleinen Nothgesetz, betreffend das Verbindungsberbot der Vereine? Im Jahre ish? ist der Gesetzentwurf wegen Beseitigung des Ver— bots mit großer Mehrheit angenommen worden. In der offizissen
cesse hat man es so dargestellt, als wenn der Reichskanzler jetzt eines Versprechens ledig wäre. Ich bestreite das. Das Ver⸗ sprechen besteht heute noch in vollem Umfange. Der Gesetzentwurf zum Schutze der Arbeitswilligen wird im Reichstage garnicht ver—⸗ langt. Meine Freunde Pachnicke und Rösicke haben etwas Anderes verlangt, nämlich eine Erweiterung des Koalitionsrechteßs. Die Vor⸗ lage ist noch nicht eingegangen, deshalb kann ich noch nicht darüber urtheilen; aber ich glaube, daß wir schwerlich der Vorlage zustimmen werden. Auch die Nationalliberalen wollen das Koalitionsrecht unangetastet aufrecht erhalten. Man hat im preußischen Ab⸗ geordnetenhause versucht, das Freizügigkeitsgesetz zu beseitigen, indem man vorgah, nur die Auswüchse beseitigen zu wollen. Wir können uns aber keine Vorstellung davon machen, wie das möglich sein soll. Herr von Kaphengst hat es allerdings als eine kleine Gefälligkeit bezeichnet, die ihm die Arbeiter erweisen müßten, daß sie für einen von ihm bezeichneten Kandidaten stimmen. . verwerflichen Anschauungen dürfen aller⸗ dings bei uns keinen . gewinnen. Der Staatssekretär Graf
osadowsky hat die alleinige Verantwortlichkeit des Reichskanzlers etont. Ich nehme an, daß der Reichskanzler nur für die Regierungs⸗ akte die volle Verantwortlichkeit übernimmt; nur von Regierungs. akten sprechen wir hier. Die Frage, der Auswessungen ist eine Frage der inneren Politik, soweit nicht internationale Verträje dem Auslande ein Recht zur , geben. Ein Kulturstaat, wie es Preußen und das Reich kin will, muß aber prüfen, ob nicht durch die Ausweisungen 4 der Humanität verletzt werden. Diese Prüfung muß um so mehr geschehen, als dem Auslande nicht das Recht zusteht, Einspruch zu erheben. Im hreußischen Abgeordnetenhause wird die Sache auch
ündlich zur Sprache gebracht werden. Ich muß mein lebhaftes
edauern darüber ausprechen, daß in Deutschland solche Dinge wie
würden. Das ist der aesteigerte Militarlßmus, Di
Dienstbol verletzt hätten, da ihre fanatischen Arbeitgeber bestraft werden sollten. Presse wird immer so gethan, als wenn man durch zeichnung dieser Frage als einer nationalen die Opposition mundtodt machen könne. Wir lassen uns das nicht gefallen. Ein solches Ver⸗ fahren sollte man endlich einmal aufgeben. Graf Limburg ⸗Stirum hat die Sozialdemokraten zu Vätern des Anarchismus gestempelt, weil sie fortwährend gegen das Bestehende hehe und dadurch die gewalt⸗ thätigen Naturen aufreizen. Vielleicht besucht Herr Graf Limburg einmal die Versammlung der Agrarier in Hinterpommern. Der Rufer im Streit, der Gründer des Bundes der Landwirthe, fordert die Bauern auf, unter die Sozialdemokraten zu gehen. Bei dieser Neigung zur Sozialdemokratie sind also auch die Agrarier die Väter des Anarchismus. Der Bund der Landwirthe steht ja auf den Schultern der Konservativen, der Nationalliberalen und des Zentrum. In dem konservativen Ostpreußen hat die Sozialdemokratie erhebliche Fortschritte gemacht. Sollte daran nicht die agrarische Agitation schuld sein? Rufen Sie nur nach Ausnahme⸗ gesetzen, nach Lebensmittelvertheuerung, und die Sozlaldemokraten werden sich noch zahlreicher hier einfinden. In Oberschlesien haben die Sozialdemokraten gerade durch die Fleischtheuerung erheblich gewonnen. Ich theile die Auffassung der Regierung von der wirth⸗ schaftlichen Lage; vor einigen Jahren war die Regierung nicht dieser Meinung, sie hatte neue Steuern verlangt. Daß wir jetzt schon beim Beginn des Niederganges seien, wie Herr von Vollmar meint, glaube ich nicht. Daß der Schatzsekretär die Schuldentilgungsvorlage gebracht hat, statt sie erst wieder vom Reichstage beschließen zu lassen, darüber freue ich mich im Gegensatz zu dem Grafen Limburg; er möge auf diesem Wege fortfahren, Eine Scheldung jwischen den einzelstaat⸗ lichen und den Reichs Finanzen wünsche ich auch, aber nicht so, wie sie der Minister von Miquel will. Die Matrikularbeiträge stellen das Einnahmebewilligungs recht dar, ohne welches die Volksvertretung keine eigentliche Volksvertretung wäre. Die Matrikularbeiträge dürfen nur durch eine konstitutionell gleichwerthige Steuer beseitigt werden. Das Defizit von g0 Millionen ist allerdings vorhanden aber es ist nicht so bedenklich, weil es kein ungünstiges Verhältniß ist, wenn zu den einmaligen Ausgaben des Reichs aus den laufenden Einnahmen noch 162 Millionen verwendet werden. Graf Limburg und Herr Fritzen haben auch Anstoß genommen daran, daß der Reichs⸗-Etat für Kunst und Wissenschaft etwas enthält. Gönnen Sie ung doch diesen Lichtblick! Soll der Etat nur aus Militär, und Marineausgaben bestehen? Was soll bezüglich der Zuckersteuer geschehen? Wohin soll der Ueberschuß unserer Zucker produktion gehen? Bis vor wenigen Jahren war der Zucker verbrauch 135 kg pro Kopf. Es giebt nur einen guten Weg zur Hebung der Zuckerindustrie, welche durch die Beseitigung der cubanischen Wirren ihren Export nach Amerika verlieren wird: die Steigerung des Verbrauchs im Auslande. Man, sollte daher das Gesetz wieder aufleben lassen, welches die allmähliche Beseitigung der Prämien herbeiführen sollte. Herr von Kardorff hat gemeint, die Rede des Minister⸗Präsidenten Grafen Thun wäre die beste Begründung für die Militärvorlage. Das ist jg die reine Kriegs— erklärung. Wir sind mit Herrn von Bülow, der Meinung, daß der Dreibund noch fest besteht. Der Kriegs⸗Minister hat mir in der früheren Session eine Antwort gegeben, welche ich dahin aufgefaßt habe, daß eine solche Militärvorlage nicht kommen würde. Ueber die Frage der Miliz können wir uns bei der Militärvorlage selbst unter, halten. Ich bin ein Gegner der Miliz. Nach der Schrift des schweizerischen Obersten Wille werden die Sozialdemokraten sich nicht mehr auf die Schweiz berufen. Die Stellung Deutsch— lands in Bezug. auf, militärische Leistungen hängt allerdings von den Verhältnissen in Rußland und Frankreich ab. Die zwei jährige Dienstzeit ist nicht die Ursache der Steigerung der Zahl. Von der zweijährigen Dienstzeit kann der Kriegs⸗Minister jetzt nicht mehr zurück. Ich möchte jenen sehen, der die Verantwortung für die Wiedereinführung der dreijährigen Dienstzeit übernehmen wollte. Jedenfalls hat der Reichstag immer ein Wort mitzusprechen. Zur Kolonialpolitik habe ich mit meinen Freunden eine andere Stellung eingenommen als die uns nahestehenden Parteien, und zwar schon eit 1384 als der Reichskanzler Fürst Bismarck in der Budgetkommission sich über diese Frage aussprach. Die Kolonien sind vorhanden und wir müssen bewilligen, was nothwendig ist, um das angelegte Geld fruchtbar ju machen. Woran wir Anstoß nehmen, das ist die Ver waltung der Kolonien und die Art, wie man den Kaufmann be⸗ handelt, wie man in den Kolonien reglementiert. Herr von Kardorff und Graf Limburg waren sehr vorsichtig in Bezug auf ihre Forderungen für die Landwirthschaft. Wollen wir die guten Finanzen erhalten, dann muß die Handelsvertragspolitik fortgesetzt werden. Der Schatzsekretär wird nicht bestreiten, daß die Finanzen des Reichs durch die Erhaltung der Handelsvertragspolitik günstig beeinflußt sind, und er wird kaum die Verantwortung dafür übernehmen, die Handels- vertragspolitik aufzugeben. Das wäre ein Schlag für Deutschland. Wer will denn die überschüssige Bevölkerung Deutschlands er— nähren? Zeigt nicht die Statistik, daß eine halbe bis eine ganze Million der deutschen Bevölkerung nicht von der Landwirth-⸗ schaft ernährt werden kann? Ich kann nur meiner Freude Ausdruck geben, daß die deutsche Regierung jetzt auch mit England in ein besseres Verhältniß gekommen ist. Der Staatssekretär des Auswärtigen war sehr knapp in seinen Aeußerungen darüber, aber sie waren erfreulich. Wir können stol; darauf sein, daß der deutsche Unternehmungsgeist sich auch neben England Raum geschaffen hat. Zu einer Abrüstung ist der jetzige Augenblick allerdings nicht geeignet und auch die Friedenskonferenz wird uns vorläufig nicht viel bringen können, aber mit Freude begrüßen wir es, daß gerade der russische Zar den Anstoß dazu ge⸗ geben hat. Solche großen Dinge kann man nicht in einem Augenblick erledigen, ist aber erst einmal der Anfang gemacht, wird es auch weitergehen. Die deutsche Regierung wird dieses Steben durchaus unterstützen. So lange Frankreich allerdings die Lösung der elsaß⸗lothringischen Frage zur Vorbedingung macht, so wird eine Verständigung nicht möglich sein. Keine Partei in Deutschland wird aber an dem Frankfurter Frieden rütteln lassen. Angesichts der aktiven Betheiligung der Vereinigten Staaten von Amerika an der Weltpolitik muß man sagen, daß die deutsche Macht aufmerksam die Dinge verfolgt; Deutschland wird seinen Anspruch in dem Wettstreit der Völker nicht aufgeben. Aber ich gebe dem Staatssekretär Recht, das deutsche Schwert darf nur im Interesse des Friedens scharf ge⸗ halten werden, die Macht Deutschlands darf nur für den friedlichen Wettbewerb in Bewegung gesetzt werden. Fürst und Volk in Deutschland wollen nichts Anderes als den Frieden. Ich bin überzeugt, die Reise Seiner Majestät des Kaisers hat keinen anderen Zwecken edient, als dem deutschen Namen in friedlichem Sinne Ansehen zu ver⸗ chaffen. Aber es giebt auch eine innere Politik, welche der Machtstellung eines großen Kultutvolkes entsprechen muß. Wir haben gute Finanzen und werden sie hoffentlich behalten, wir haben eine starke Armee, aber damit erschöpft sich das Interesse eines Kulturvolkes nicht. J widerspreche dem Ausspruch des Staatssekretärs des Innern, da Deutschland eines der freiheitlichst regierten Länder sei. Im Land- tage werden wir zeigen, daß in großen Kreisen des preußischen Staats von einem freiheitlichen Regiment nicht die Rede ist. Wir verlangen neben guten Finanzen und einer starken Armee auch eine innere volks« tene Politik. Nur dann kann sich Deutschland auf der Höhe erhalten. .
Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts, Wirklicher Geheimer Rath Dr. Freiherr von Thielmann:
Meine Herren! Der Herr Vorredner hat den Zucker allerdings nur kurz gestreift, hat aber einen Punkt berührt, über den meiner Ansicht nach besser keine Unklarheit herrscht, und ich fürchte, sie würde herrschen, wenn den vom Herrn Vorredner vor⸗ gebrachten, aus Hamburger Quelle stammenden Einzelheiten betrefft des Zuckers seitens dieses hohen Hauses Glauben geschenkt würde. Der Herr Vorredner führte einen Hamburger Sachverständigen ins
ten keine esetze
in. Schlegwig vorkommen können. Ich crinnere nur daran, daß der Ober · Präsident von Köller selbst erklärt hat, daß die ,
Gefecht, der ihm erklärt hätte, Cuba unter amerikanischer
Herrschaft, oder sagen wir, unter amerike
in allerkürzester Frist das Bedürfniß der Verein naten nach Zucker allein voll befriedigen. Ich bedauere, daß dieser Ham⸗ burgische Sachverständige nicht benannt worden ist (Zuruf linke), sonst würde ich ihn morgen um seinen Besuch bitten und ihn noch
um nähere Details ersuchen. Ich muß aber seiner Behauptung
widersprechen. Ich bin weit davon entfernt, zu leugnen, daß, nachdem Cuba einmal unter den Einfluß der Vereinigten Staaten gekommen
ist, auch die cubanische Zuckerausfuhr nach den Vereinigten Staaten
nicht noch erheblich wachsen und dadurch zum theil anderer Zucker
verdrängt werden wird; aber die Ziffern sind jetzt noch nicht so ge⸗
fährlich, wie der Herr Vorredner sie darstellte. Die Vereinigten
Staaten verbrauchen jährlich rund 2 Millionen Tonnen Zucker — ich
rede hier in ganz runden Ziffern —. Zunächst lieferte Cuba vor der
jüngsten Revolution ungefähr die Hälfte: 1 Million Tonnen. Gegen⸗
wärtig ist aber durch die Ereignisse der Revolution die cubanische
Zuckererzeugung von 1 Million Tonnen auf wenig über 4 Million
Tonnen heruntergegangen. Nun bitte ich die Herren Landwirthe hier
im Hause, zu berechnen, wie viel Zeit dazu erforderlich ist, um einen
Acker, sei er mit Zuckerrohr oder womit bestellt, der devastiert ist,
sodaß er in den letzten Jahren nur 4 Million Tonnen Zucker hat er⸗
zeugen können, bis auf das Doppelte der früheren Normalproduktion,
also auf 2 Millionen Tonnen Ertrag zu steigern. Der Moment
kann ja einmal eintreten; ich bin weit davon entfernt, es zu leugnen,
aber keineswegs mit der Geschwindigkeit, die der Hamburgische Sach⸗
verständige dem Herrn Abg. Rickert geschildert hat. Also die Gefahr des Ausschlusses unseres Zuckers vom amerikanischen Markt, so ge⸗ wichtig sie auch für die spätere Zukunft ist, ist doch für die nächste Zukunft noch nicht so dringend, umsomehr, als infolge des gegen⸗ wärtig in den Vereinigten Staaten geltenden Zolltarifs, des sogenannten „Dingley tariff“, der deutsche Zucker ohnehin schon so gut wie aus⸗ geschlossen ist. Es sind nur in den letzten Monaten einige Posten hinübergegangen, nicht sehr bedeutende Mengen.
Der Herr Abg. Fritzen hatte vorgestern meiner Bemerkung gegenüber, daß das deutsche Volk gegenwärtig mehr Zucker verzehre als früher, gesagt, das sei nur scheinbar: die Mehreinnahme an Zuckersteuer komme nicht von dem höheren Zuckerverbrauch inner⸗ halb Deutschlands, sondern von der geringeren Ausfuhr her, indem geringere Ausfuhrprämien zu zahlen waren. Auch diese Behauptung ist nicht zutreffend. Ich kann Ihnen ziffermäßig nachweisen, daß einerseits die Bruttoeingänge an Steuern von Monat zu Monat, allerdings nicht genau regelmäßig, aber doch ziemlich regelmäßig, gewachsen sind, bis sie im November dieses Jahres, also im verflossenen Monate, eine Höhe von 144 Millionen erreicht haben, die noch nie da war. Gleichzeitig aber ist der Betrag der Ausfuhrzuschüsse nicht etwa heruntergegangen, sondern er hat den Voranschlag für das Rechnungsjahr 1898, soweit sich bis jetzt be—⸗ rechnen läßt, noch um eine Million überschritten. Also auf der einen Seite erhöhte Einnahmen, auf der anderen Seite nicht etwa Erspar⸗ nisse an Ausfuhrzuschüssen; das, meine Herren, läßt nur zwei Schlüsse zu: entweder speichert der Kaufmann die Zuckerhüte bei sich auf, oder der Deutsche thut mehr Zucker in seinen Kaffee; ich glaube das letztere, von dem ersteren sind mir keine Anzeichen zur Kenntniß gekommen. Sie sehen also, daß die Sache keineswegs so schlimm liegt, wie sie von manchen Seiten dargestellt wird.
Ferner möchte ich mich noch gegen einen Ausdruck verwahren, den der Herr Abg. Rickert mir vorhin in den Mund gelegt hat, ich hätte im verflossenen Jahre das Zuckersteuertzesetz von 1896 verurtheilt. (Widerspruch links.) — So hatte ich verstanden! — Ich habe damals gesagt: „es hat vielleicht nicht alles gehalten, was man von ihm er⸗ wartete; aber es ist nichtsdestoweniger doch ein Gesetz, mit dem wir im Großen und Ganzen jetzt vollkommen zufrieden sein können.“ Und dieser Ansicht bin ich noch heute.
Abg. Dr. Graf zu Stolberg⸗Wernigerode (d. kons.): =. er
ei. Das Umgekehrte ist der dieser Beziehung haben, mü
davon haben. 3 *
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