1898 / 297 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 16 Dec 1898 18:00:01 GMT) scan diff

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Großhandels Durchschnittspreise von Getreide für den Monat November 1898 nebst eutsprechenden Angaben für den Vormonat. 1000 kg in Maxk. (pPreise für prompte lLoko⸗] Waare, sowelt nicht etwas Anderes bemerkt.) //

Monat Da

gegen im

* . Königsberg. monat Roggen, guter, gesunder, A4 8 Per! .... 144,58 142, 98 zen, guter, hunter, 770 bis 775 g per! . 1658,78 161,15 fer, guter, gesunder, 447 g perl! . 126, 44 126,45 ste, Brenn⸗, 647 bis 662 g per 1 124,08 126, 15 Breslau. . Roggen, Mittelqualitãät 139,00 137,30 Welzen, J . 164,50 157, 10 afer, ö 124,00 128,55 erste, . 137,50 134,70

Mannheim.

Roggen, pfälzer, rusfischer, bulgarischer, mittel. 16449 159, 80

Weizen, pfälzer, rufsischer, amerik., rumän., mittel 18520 190,50

2 baͤdischer, württembergischer, mittel... 1163,80 149,80

e, badische, pfälzer, mittel 176, 20 174,90 Münche

n. Roggen, bayerischer, gut mittel 171,00 168,00 Welzen, ö . 189,50 189,00

. , ,

186 66

Gerste ĩ 153 00 186 50 Wi

Roggen, Pefter Boden 149,52 143,52 Welzen, Theiß⸗ 190,19 184,57 Hafer, ungarischer, prima 110,98 107,21 Gerste, slovakische ö. ö 150,79 150, 30

I Roggen, Mittelqualitõt 139,70 132, 49 Weizen, ö . . 176,38 166,08 8; . kJ 100,05 100, 17 erste, Malz⸗ . 132,16 128,B76

Roggen . 114,44 107,59

Weljen, Saxonka 147,57 146,30 Haf 116,71 106,19

Roggen, 71 bis 72 kg per hl... 99,67 95,84 Welzen, Ulka, 765 bis . Eg per hl. 121,88 120,40

ig a. Roggen, 71 bis 72 kg per hl ö 110,06 107,31 Weizen, 75 bis 76 kg per h... . 136,60 135,93

Paris. 117,81 117,39 Weizen lieferbare Waare des laufenden mon 176, 23 176,04 afer 137,25 134,49 erste (Halle au bloò) 142,98 140, 95 Antwerpen. Donau, mittel 135,66 142, 78 Weijen Azima 74 bis 76 kg per hl 134,37 136, 34

Roggen

Californier 142.58 144,16 La Plata, mittel 141,53 142, 94

Am sterdam. Asow⸗ 122,68 121,73 St. Petersburger ö 123,17 118.11 Odessa⸗ 179, 9 132.26 amerikanischer Winter⸗ 137,88 140,61 London. a. Produktenbörse.

engl. weiß 139,19 136,82 . Qark Lane) ͤ 35 33 155, 35

Californier an der Küste (Baltic .. 147,58 145,18 b. Gazette averages.

Weizen

Weizen englisches Getreide, ; . 1636

. Mittelpre s cus Iz Itcrttorten !.: d He

Liverpool.

141,56

Oregon 150,53

Californier 155,64 150,53

Western, Winter 148,95 142, 04

Ghicago Spring 137,80 136,20

Northern Duluth 141,71 141,74

,,, ö 66 .

engl. weißer 20, 4

dafer 6 112535 josh) Canadische 104,05

Gerste Schwarze Meer⸗ 102,657 98,29

Chicago. Welen, Lieferungs Waare per Dezember 102, 42 100,76

New Jork. Weijen, Lieferung Waare per Dezember 114.27 111,65

Weizen

Bemerkungen.

1 Tschetwert Weljen ist 163,39, Roggen —= 141,42, Hafer gs 28 kg angenommen; 1 Imperial Quarter ist für die Weizennotij an der Londoner Produktenbörse 504 Pfd. engl. gerechnet; für die Gazette averages, d. h. die aus den Umsätzen an 196 Marktorten des Königreichs ermittelten Durchschnittspreise für einheimisches Ge— treide, ist 1 Imperial Quarter Weizen 480, Hafer 312, Gerste 4600 Pfd. engl. angefetzt. 1 Bushel Weizen 60 Pfd. engl. 1 Pfd. engl. = 453,5 g; 1 Last Roggen 2109 Weizen 2400 kg.

Bei der Umrechnung der Preise in Reichswährung sind die aus den einzelnen Tagez⸗Notlerungen im Deutschen Reicht und Staatt⸗ Anzelger“ ermittelten monatlichen Durchschnitts. Wechselkurse an der Berliner Börse zu Grunde gelegt, und zwar für Wien und Budapest die Kurfe auf Wien, für London und Liverpool die Kurse auf London, für Chicago und New Jork die Kurse auf New Jork, für St.

etergburg, Odessa und Riga die Kurse auf St. Petersburg, für Paris, ntwerpen und Amsterdam die Kurse auf diese Plätze.

Deutscher Reichstag.

6. Sitzung vom 15. Dezember 1898, 1 Uhr.

Ueber den Anfang der Sitzung wurde in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet.

Tagegordnung: Fortsetzung der ersten Berathung des Reichshaushalks⸗Etats für 1899, des Stats der Schutz⸗ gebiete und des Anleihe- und Schuldentilgungs— gesetzes.

Abg. Bebel 3 erklärt, auf den Etat, soweit er mit der neuen Milifärvorlage zufammenhänge, nicht eingehen zu wollen, weil er bei der ersten , der Militärvorlage nameng seiner Fraktion dazu Stellung nehmen werde. Was die auswärtige Politik anbetreffe, so glaube er, daß die Großmächte in der Kretafrage hätten dafür sorgen sollen, daß die Türkei die Bestrebungen und For. derungen der kretischen Bevölkerung anerkenne, sie hätten aber nichts erreicht. Befriedigt habe ihn die n des Staatssekretars des Auswärtigen Amts äber die Besserung des Verhältnisses Deutschlands zu England. Seine Partei hätte won jeher den Stanz⸗ punkt vertreten, daß es gar keinen größeren Fehler für die deutsche Politik geben lönne als jenen, Englands ef zu schüren, wie es in der Presse fast aller größeren Parteien geschehen sei. Was den Etat selbst betreffe, so habe der Schatzsekretär mit Genugthuung hervorgehoben,

daß die wirthschaftlichen Einnahmen für 1899 sich auf 564 Milllonen belaufen. Dem ständen aber 907 illionen Auggaben gegenüber, die ausschließlich für Militär und Marine verwendet werden . Ueber die Zukunft der deutschen wirthschaftlichen Verhältnisse lasse sich nichts Bestimmtes voraus sehen, aber schon der Abg. Hammacher habe im vorigen Jahre darauf hingewiesen, daß Deutschland in den übernächsten Jahren einen Einnahmeagusfall infolge wirthschaftlicher. Depression erleben könnte. Infolge der neuen Kill mn en habe man in diesem Etat 53 Millionen Mehrausgaben. Die Gesammtauggaben beliefen sich auf 277 Millionen, dazu kämen die regelmäßigen Ausgaben der Flottendorlage, die Ausgaben für die Pensionen, die außerordentliche Steigerung des Kolonial-Etats und die Ausgaben für Kiautschou, die viel höher sein würden, als man sie geschätzt habe. Dem⸗ gegenüber werde es sich in den nächsten Jahren fragen, ob man ohne neue Steuern werde auskommen können. Nun träten aber bereits wieder neue erhebliche Ausgaben am Horizont auf. Die „Kreuszeitung“ eröffne in diesem Betracht eine sehr interessante Per⸗ spektive, indem sie nicht nur das Bedürfniß eigner . betone, fondern auch einen stärkeren Ausbau der Marine fordere. Darüber, meine sie, komme man nicht hinweg, wenn es Deutschland nicht so gehen solle, wie es den Franzosen in Faschoda ergangen sei. Es werde damit alfo die Aufstellung eines neuen Flottenplanes verlangt. Man habe davon gehört, daß eine sehr einflußreiche Stelle im Reich bereits eine Andeutung habe fallen laffen, schon jetzt mit einem derartigen neuen Plan an den Reichstag heranzutreten; die verantwortliche Stelle solle sich aber geweigert haben, einen solchen Plan vorzulegen, nachdem der Reichstag im vorigen Jahre so große Ausgaben für die Flotte bewilligt habe. Auch die „‚Kölnische Zeitung“ habe, auf die Noth⸗ wendigteit hingewiesen, daß Deutschland eine größere Zahl von Kohlenstationen in der Welt haben mässe. Man müsse sich also darauf gefaßt machen, daß ein neuer Flottenplan vorgelegt werde, ehe der alte ausgeführt sei. Die miͤlttärische Entwicklung habe eine folche Ausdehnung gewonnen, daß in den letzten 10 Jahren eine Mehrausgabe von 1760 Millionen Mark entstanden sei, also in jedem Jahre durchschnittlich 170 Millionen Mark mehr. Allerdings habe Frankreich mehr Schulden als Deutschland, aber Deutschland habe noch 2300 Millionen Mark Schul den außer den 5. Milliarden Kriege⸗ kostenentschädigung verbraucht. Wie könne es der Reichstag ver— antworten, daß Immer steigende Sammen auf die Kolonien ver- wendet würden, die in abfehbarer Zeit nichts einbringen könnten? Was bedeute der Verkehr in der angeblich hoff nungsvollsten Kolonie Südwest⸗-Afrika?d Und trotzdem baue man dort eine theure Eisenbahn. Nach den Kolonien würden für 15 Millionen Mark Waaren ausgeführt. während die Ausfuhr nach Dänemark 100 Missionen betrage. Diese werthvolle Ausfahr gefährde man durch die Ausweifsungen. Die im Auslande wohnenden Deutschen würden dadurch schwer geschädigt. Ebenso würden Holländer ausgewiesen, ob⸗ gleich die Ausfuhr Deutschlands nach Holland über 209) Millionen betrage. Arbeiter seien wegen kleiner Bestrafungen aus Preußen aus gewiefen worden. Bei der Palästinareise sei ein Aktenstuck feierlich verlesen worden, worin es heiße, daß man sich in christlicher Duldung und Bethätigung selbstloser Nächstenliebe allen Menschen gegenüber üben müsse. Dag seien Phrasen.

Präsident Graf von Balle strem: Der Herr Redner handelt gegen die Ordnung des Hausetz, wenn er ein feierliches Akltenstück, das bon Seiner Majestät dem Kaiser verlesen worden ist, hier als Phrase bezeichaget. Ich rufe ihn deshalb zur Ordnung. ö

Abg. Bebel (fortfahrend): Nach der Wahl sei in Erfurt ein Krawall ausgebrochen, der den Sozialisten in die Schuhe geschoben worden sei. Es sei dabei auf eine Rede von ihm (Bebel) hingewiesen worden, die aber der anwesende Polizeibeamte wohl verhindert hätte, wenn sie gefährlich gewesen wäre. Es sei auch nicht der Schein eines Beweises dafür er⸗ bracht, daß Sozialdemokraten an den Unruhen betheiligt gewesen seien. Der Minister des Innern habe einen Erlaß ergeben lassen über den Ge⸗ brauch von Schußwaffen, welcher die Schreckschüsse für die Zukunft unter⸗ sage. Diese bisher übliche menschliche Maßregel werde untersagt; es solle gleich scharf geschoßfen werden, wobei gewöhnlich die Unschuldigen getroffen würden. Ein anderer Erlaß sei von den Militärbehörden ausgegangen. Dieser Erlaß sei in der „Frankfurter Zeitung“ ver⸗ öffentlicht. Danach sollten Gesuche wegen Unterdrückung von Un⸗ ruhen nicht an die Garnison Kommandos gerichtet und Truppen— abtheilungen unter Kompagniestärke nicht abgegeben werden. Dem Kriegs⸗Minister werde wohl dieser Erlaß bekannt sein. Es wäre ihm (Redner) interessant, die Gründe für diesen Erlaß zu erfahren. Vor zwei Jahren sei auch ein geheimer Erlaß des Kriegs⸗NMinisters Bronsart von Schellendorff ergangen, worin die Truppenbefehlz haber beauftragt würden, bei Unruhen sofort die Sozialistenführer festzunehmen. Der Erlaß sei von dem Chef des Militärkabinets, General von Hahnke mitunterzeichnet. In offiziellen Kandgebungen in den letzten zehn Jahren fei weit mehr vom inneren als pom äußeren Feinde die Rede gewesen. Die Sozialdemokraten würden sich aber durch Gewaltmaßregeln und durch solche Erlasse nicht aufreizen lassen. Die bürgerliche Gesellschaft in ihrer kapitalistischen Entwickelung werde die Sozialdemokratle größer und größer machen, bis sie die stegende Macht sein werde. Er (Redner) behaupte, daß in Bezug auf die primitiosten Rechte des Volkes, die erst ein politisches Leben möglich machten, überall ein größeres Maß von Freiheit herrsche als in Deutschland. Vergeblich kãmpfe der Deutsche Reichstag seit Jahren um eine Verbesserung des Bereinégesetzeß. Bie Unternehmer hätten das wpollste Verbindungsrecht, während die Arbeitervereine stets mit den strengsten Strafen verfolgt würden. Die Herkunft des Anarchls⸗ mus? habe Graf Limburg -Stirum falsch abgeleitet. Väter des Anarchigmus feien Männer wie Max Stirner, Bakunin und Proudhon, aber keine Sozialisten. Die deutschen Anarchisten seien sehr harmlose Leute; man thue ihnen Unrecht, wenn man ihnen Gewalt⸗ thätigkeiten zutraue. Man behandele sie in durchaus ungesetzlicher Weise. Sie hätten in ihren Versammlungen keinen Vorsitz, sie faßten keine Beschlüsse. Sie gründeten sogar Gewerk⸗ und Konsumvereine. Bei einer geheimen Anarchistenkonferenz in Zürich, welche die Grmor, dung des russischen Kaisers beschlossen habe, selen unter 15 Personen fünf Pollzisten betheiligt gewesen. Wer habe die Herrscher ermordet, wer habe Gustav III., wer Paul J. ermordet, wer habe Kotzebue er- mordet? Das seien alles keine Sozialisten, sondern Grafen und Männer bürgerlichen Ursprungs gewesen. Wer sei Blind gewesen, der ven Fuürsten Bismarck tödten wollte? Kein Sozialist, sondern ein Liberaler. Der Abg Bassermann habe gemeint, die Sozialdemokraten hätten shre wirthschaftliche Stellung verändert, weil der Abg. Schixpel auf dem Parteitage in Stuttgart eine schutzzollfreundliche Stellung eingenommen hätte. Schon beim ersten Zolltarifgesetz von 1858 hätten Fritzsche und Kayser eine solche Stellung ein- genommen. Sie selen aber vereinzelt geblieben, und der Parteitag in Stuttgart habe die Schutzzollpolitik für unvereinbar mit den Inter— essen des Proletariats, der Konsumenten und der ökonomischen Ent⸗ wickelung erklärt. Seine (Redners) Partei sei keine dogmatische Partei, sondern eine kritisterende Partei, die die Handlungen ihrer Gegner und ihre eigene Grundlage kritisiere und keinen Anstand nehme, dieser besseren Ertenntniß in ihren Grundsäͤtzen Ausdruck zu geben. Der Abg. Bassermann habe sich bezüglich der Sozialpolitik fur eine gemeinsame Scganisation der Arbeiter und Arbeitgeber ausgesprochen. Wenn er . darin ein Mittel gegen die Sozialdemokratie zu besitzen, P efinde er sich im Jerthum. Etwas Aehnliches hätten die Sozial

emokraten bereits i. J 1877 , damals hätten die National⸗ liberalen es abgelehnt. Der Abg. assermann wolle die Gelder der Invalidenversicherung für die Lösung der Wohnungsfrage ver= wenden. Die Sozstaldemokraten seien damit einverstanden, soweit die Gelder an Genossenschaften und Gemeinden gegeben würden; aber dagegen protestierten sie, daß sie an Unternehmer gegeben wurden; denn? dadurch würden die Arbeiter noch abhängiger ge⸗ macht werden. Die Sozialpolitik solle nicht stocken. Man habe die Unfallversicherungs vorlage im vorigen Jahre berathen; die Novelle sei nicht wieder vorgelegt worden, weil einige große ünternehmer gegen die angeblich sozialdemokratisch ausgestaltete Vor⸗ lage Protest eingelegt hätten. Bei der Revision der Invalidenversicherung

komme für die Arbeiter nichts heraus. Die Sonntaggru

fortwährend eingeschränkt, Die Bäckereiverordnung i led glich ö. dem Papier. Die organisierten Arbeiter würden aus den Reichs- und Staatswerkstätten ausgeschlossen. Es beständen mehr als 200 Unter- nehmerverbände, die gegen die Arbeiter gerichtet seien. Redner führt zum Schluß eine Reihe von Bestrafungen von Arbeitern an, wesche beweisen sollen, daß die Richter sich als Klassenrichter fühlten, und erklärt, seine Partei könne unter solchen Umständen nicht für den Etat stimmen.

Kriegs⸗Minister, General⸗Lieutenant von Goßler:

Wenn sich die Angriffe des Herrn Vorredners in erster Linie auch gegen einen Erlaß des preußischen Herrn Ministers des Innern richten, so hat derselbe bei dieser Gelegenheit doch auch erwähnt, es

sei eine alte Sitte, die ersten Schüsse über die Köpfe der Empörer

hinweg abzugeben. Ferner knüpfte er hieran die Betrachtung, ein Lieutenant, der im Offizierkasino sehr schneidig wäre, würde doch nicht den Muth haben, im Straßenkampfe von der Schußwaffe Gebrauch zu machen. Ich kann versichern, daß mir die Sltte, über die Köpfe der Empörer hinweg zu schießen, vollständig unbekannt ist, daß in der Armee ein derartiger Gebrauch nicht existiert und auch nie existiert hat. (Sehr richtig! rechts.) Es wird in dieser Hinsicht lediglich streng nach dem Gesetz über den Waffengebrauch des Militärs und über die Mitwirkung desselben zur Unterdrückung innerer Unruhen verfahren. In demselben sind be— stimmte Formen, die berücksichtigt werden müssen, vorgeschrieben, und ist genau bezeichnet, in welcher Weise, in welcher Art und zu welcher Zeit wir mit den Waffen einzuschreiten verpflichtet sind. Es ist dann Sache des Militärbefehlshabers, nach den Verhältnissen und nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu entscheiden, ob von der blanken Waffe oder von der Schußwaffe Gebrauch gemacht werden soll. Wenn sich der Truppenbefehlshaber aber auf Grund der Gesetze und auf Grund seiner Verantwortung entschlossen hat, von der Schußwaffe Gebrauch zu machen und dann mit Vorbedacht über die Köpfe der Empörer hinwegschießen läßt, dann gehört er vor ein Kriegsgericht. (Sehr richtig! rechts.)

Herr Bebel hat dann von neuen Bestimmungen, die in Betreff der Unterdrückung innerer Unruhen getroffen sein sollten, gesprochen und weiter Bezug genommen auf einen Erlaß, der aus Breslau zu seiner Kenntniß gekommen ist. Die thatsächlichen Vorgänge sind wesentlich andere. Es hatte nämlich der Landrath in Grünken in Schlesien am 17. Juni 1898 infolge einer Rahestörung ent Eskadron direkt vom Ulanen⸗ Regiment Nr. 10 requiriert, und in Aut—⸗ sicht genommen, dieses Verfahren vorkommendenfalls zu wiederholen. Dieser Vorgang hatte das General ⸗Kommando des V. Armee Korps zu⸗ nächst zu dem Ersuchen bestimmt, sich mit derartigen Requisitionen zukünftig an das Generalkommando zu wenden, nach einem weiteren Meinungtaustausch sich aber demnächst in Anbetracht einer bezüg⸗ lichen Allerhöchsten Ordre vom Jahre 1822 damit einverstanden erklärt, daß in Fällen unmittelbarer Gefahr die Requisition direkt an die nächste Militärbehörde gerichtet werden konne. Das ist der Zusammenhang dieser Angelegenheit.

Der Herr Abg. Bebel hat sich ferner eingehend über einen Erlaß verbreitet, der vor zwei Jahren ergangen und von meinem Herrn Amtsvorgänger, dem General der Infanterie Bronsart von Schellen⸗ dorff in Gemeinschaft mit dem Chef des Militärkabinets, dem Herrn General der Infanterie von Hahnke, unterzeichnet sein soll. Da schon heute Morgen aus einer Notiz im „Vorwärts“ zu entnehmen war, daß die Angelegenheit heute hier zur Sprache kommen werde, habe ich mich über dieselbe des näheren orientiert, nur bin ich außer stande gewesen, einen derartigen Erlaß aufzufinden. (Heiter keit rechts) Das wundert mich auch garnicht; denn es ist für Jeden, der sich mit derartigen Sachen beschäftigt, von vornherein klar, daß ein solcher Erlaß nicht wohl vom Kriegs Minister und vom Chef des Militärkabinets gemeinschaftlich gezeichnet werden kann. Das wãre eine Verwirrung der Ressorts, die man melnem hochverehrten Herrn Amtsvorgänger und dem vortrefflichen Chef des Militärkabinets nicht zumuthen kann. In welcher Weise Herr Bebel getäuscht worden ist, weiß ich nicht. Jedenfalls sind die Ausführungen, die er dieserhalb gemacht hat, vollständig hinfällig.

Herr Bebel hat dann noch die Versicherung abgegeben, die sozial⸗

demokratische Partei dachte garnicht daran, gewaltsam dorzugehen und eine Revolution vorzubereiten. Da muß ich ihm doch ratben, die Protokolle des Parteitages zu Stuttgart noch einmal durchzusehen, Vielleicht findet er dann ich habe mir selbst einen Auszug aus den Verhandlungen gemacht —, daß eine größere Zahl seiner Genossen und Genossinnen sich ganz entgegengesetzt und dahin ausgesprochen haben, daß die Wege der Sozialdemokratie unbedingt revolutionäre bleiben müßten. (Heiterkeit) Herr Schoenlank z. B. sagte wortlich: Dit alte proletarische revolutionäre Taktik ist die einzig mögliche sir le Sozialdemokratie! (sehr richtig! bei den Soꝛialdemokraten), und das Gesammtergebniß des Parteitages hat Herr Liebknecht ju sammengefaßt, indem er unter ftürmischem Beifall und Hãͤn deklatschen äußerte: das Endziel ist die Unterwerfung der kapita⸗ listischen Gesellschaft. (Heiterkeit) Ich will, da diese Sach heute nicht direkt zur Diskussion steht, nur noch auf einen Aus— spruch Bezug nehmen, dem ich mich aber ausnahmsweise vollständig anschließen kann. Nach zweitägiger Diskussion über die Taktik und die Endziele der Sozialdemokratie sagt nämlich ein Dr, Quarg: et giebt Genossen, welche nach jwei Tagen die ganze Nacht auch im Traume schwer mit dem Endziel gerungen haben und heute früh mit einem kolossalen Katzenjammer aufgewacht sind.! (Heiterkeit)

Staatssekretär des In nern, Staats-Minister Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner:

Der Herr Abg. Bebel hat den Herrn Regierungs⸗Präsidenten in Breslau deswegen sehr hart angegriffen, weil er die Auswelsun eines Reichzinländers verfügt hat. Dieser Fall zeigt, wie be⸗ denklich es ist, hier im Reichstage Angelegenheiten ju erörtern, die reine Landesangelegenheiten sind, denn Sie werden mir juge⸗ stehen, daß weder der Herr Reichskanzler noch sein Stellvertreter in der Lage sein kann und berechtigt ist, von jeder gesetzlichen Ginzel⸗ handlung der Verwaltungsbeamten eines Einzelstaats Kenntniß in nehmen und Rechenschaft zu fordern. Das müßten wir thun, wenn wir bier auf solche Deiailangriffe antworten wollten. Ich mochte deshalb anheimstellen, diese Angelegenheit da zur Sprache zu bringen, wo sie hingehört: im preußischen Abgeordnetenhause. Goischn rechts) Vie Herren brauchen sich nicht zu beunruhigen: Herr . wird Freunde finden, die die Sache dort vorbringen. (Heitere rechts Im übrigen aber, glaube ich, ist der Angriff, den der Hen Abg. Bebel gegen den Herrn Regierungs⸗Präsidenten ju Breslau ge⸗

richtet hat, unbegrũndet, denn das Freijügigkeitsgesetz vom 1. No⸗

vember 1867 kennt allerdings einen Fall, wo Reichtzangehörige aus einem Bundesstaat in einen anderen ausgewiesen werden und um einen solchen handelt es sich wahrscheinlich. (Widerspruch bei den Sozialdemokraten Jenes Gesetz sagt in 3: Insowelt bestrafte Personen nach den Landesgesetzen Aufent⸗ haltgbeschränkungen durch die Polizeibehörde unterworfen werden können, behält es dabei sein Bewenden.

In Absatz 2 heißt es dann, daß solche Personen aus einem Bundeßstaat nach einem andern ausgewiesen werden können.

Der Herr Abg. Bebel hat auch heute wieder behauptet, die sozial⸗ politische Gesetzgebung wäre nicht nur in Stillstand gekommen, sondern man hätte sie zurückgeschraubt. Ich muß auch heute, so sehr ich es bedaure, immer dasselbe wiederholen: diese Behauptung ist absolut unrichtig. Dag Invaliditätsgesetz, das Ihnen vorgelegt werden wird, dürfte Ihnen den Beweis bringen, daß wir den Interessen der Arbeiter in diesem Gesetz sehr weit entgegenkommen, und auch alle die Anordnungen, die sich auf den Schutz von Leben, Ge— sundheit und Sittlichkeit der Arbeiter beziehen, haben nicht geruht, sondern weitere Fortschritte gemacht. Wir haben Verordnungen zum Schutze der Arbeiter in Chromfabriken, Buchdruckereien, Aecumula— torenfabriken erlassen; wir haben an die verbündeten Regierungen das Ersuchen gerichtet, einer Anzahl Forderungen der Bauhandwerker in Bejug auf Schutz von Sittlichkeit und Gesundheit, Forderungen, die ich meinerseits für durchaus gerechtfertigt gehalten habe, soweit als möglich durch Landes oder lokale Polizeiverordnungen Rechnung ju tragen. Wir konnten in dieser Materie keine allgemeine Bundes⸗ rathsverordnung erlassen, weil die Verhältnisse bel Bauten in den verschledenen Landestheilen, in Stadt und Land so verschieden sind, daß es unmöglich erscheint, solche Anordnungen zu generalisieren. Es sind serner in Vorbereitung Verordnungen zum Schutze der Arbeiter in Thomasschlackenfabriken, in Roßhaarspinnereien, Pinsel⸗ und Bürstenfabriken, in Zinkhütten; der Bericht über die Beschästigung pon Gehilfen im Müllereigewerbe ist leider noch nicht fertiggestellt, er wird in diesen Tagen gedruckt werden, und es wird alsdann sofort eine entsprechende Verordnung vom Bundesrath ergehen.

Aber, meine Herren, was Sie uns hier auf einmal als For— derungen bringen, können wir nicht auf einmal erfüllen, und es ist auch in keinem Staate bisher erfüllt. Ich bin von der Presse wiederholt darauf hingewiesen worden: ich sollte, um mich zu über— zeugen, wie die Verhältnisse in anderen Ländern seien, doch einmal das bersihmte Buch des Ehepaars Webb lesen. Ich bin für gute Rathschläge sehr empfänglich und habe mich infolge dessen mit diesem Buch beschäftigt und habe darin allerdings Stellen gefunden, auf die mich Herr Bebel wohl nicht hat hinweisen wollen. Es ist nämlich in dem Buch bemerkt, die Soỹialisten kandidierten jetzt in England mit den übrigen Parteien, und dann heißt es weiter:

Die sozialistischen Kandidaten versprechen den Gewerkvereinen bereitwillig eine systematische und vollständige Regelung aller Arbeitsverhältnisse, ohne jedoch irgend welche Kenntniß von den thatsächlichen Bedingungen zu besitzen.“

Ganz dasselbe trifft meines Erachtens auf die Ausführungen des Herrn Abg. Bebel zu.

Meine Herren, Sie haben auf dem Stuttgarter Parteitage das Endziel hinter dem Vorhange verschwinden lassen. Ich bin überzeugt: Sie alle tragen das Endziel nach wie vor im Herzen, aber Sie schlagen jetzt eine andere politische Taktik ein weiter nichts. Wenn Sie den Vorhang nicht lüften wollen, so sind hierfür nur zwei Gründe möglich, warum Sie das nicht thun: entweder, weil Sie glauben, daß Ihre Genossen selbst vor diesem Medusenhaupt des Zukunftsstaats erschrecken würden, wenn sie hinter den Vorhang sehen, oder, meine Herren, ein anderer Grund: weil überhaupt nichts dahinter ist! (Sehr richtig! rechts. Heiterkeit. Zurufe links.)

Der Herr Abg. Bebel hat demnächst meine Rede kritisiert, in der ich gesagt habe, daß wir in Deutschland befriedigende freiheitliche Zustände und ausreichende Rechtsgarantien besäßen. Ich muß in dieser Beziehung zunächst einmal darauf eingehen, wie sich die Herren von der Sozialdemokratie, die sich über die Ausweisungen geäußert haben, ihrerseits denken vorzugehen, wenn sie einmal die Macht in Händen baben sollten. (Sehr richtig! rechts. Heiterkeit.) Ich habe hier einen Artikel des Vorwärts“, der außerordentlich inter⸗ essante Ausblicke eröffnet; es wird da gesprochen von der Organisation der Arbeit im Zukunftsstaat. (Zurufe von den Sozialdemokraten.) Meine Herren, daz ist doch Ihr offizielles Blatt! Es heißt da wörtlich:

„„Da diese Organisation sehr schwierig ist und die ungestörte Thätigkeit aller gesunden und ehrenhaften Theile des Volles erheischt⸗ so ist es nothwendig, für einige Zeit alle anarchistischen Elemente,

das sind Sie auf der rechten Seite, meine Herren, und die übrigen bürgerlichen Parteien (Heiterkeit), die sich als Ruhestörer erweisen und den Gesetzen des Landes den Gehorsam verweigern, an jeder ruhestörerischen Thätigkeit zu hindern.“

Meine Herren, unter solche anarchistischen“ Elemente werden außer den gesammten Unternehmern auch gerechnet:

„Sogenannte Staatsmänner, Diplomaten u. s. w. (Heiter keit), die sich selber für den Ausbund aller Weisheit, das Volk aber für blöde, unreif und unmündig halten, kurz alle diejenigen Gesell⸗ schaftstheile, welche den Anarchismus der kapitalistischen Gesellschaft vertreten und züchten.“

Dann wird ausgeführt, wie man diese Leute bestrafen wird:

„Sie sollen in einem abgelegenen Land, wo sie nicht schaden konnen, ihren Wohnsitz u nehmen haben (Heiterkeit), sich unter dem Schutz humaner Gesetze den in ihrem Interesse getraffenen An⸗ ordnungen behuft ibrer geistigen Bildung und moralischen Besserung fügen. Jeder, der durch gutes Verhalten, durch Fleiß in den Unterrichts kursen u. s. w, die zum Wiedereintritt in den Staatsverband befähigende Prüfung bestehen kann““,

bitte, merken Sie sich das, meine Herren (Heiterkeit), „und sonstige Garantien dauernder Besserung bietet, sodaß kein Rückfall zu befürchten ist,“ der soll auch belohnt werden „er soll mit vollen Rechten in den allgemeinen Staats⸗ und Ge—⸗ sellschaftsverband zurücktreten und von allen Brüdern und Schwestern mit Jubel empfangen werden.“ (Große Heiterkeit) Also, meine Herren, Sie kritisieren bier die Autzweisungen, Sle kritisteren, daß wir fremde Staatsangehörige, die uns politisch, soßtal oder wirthschaftlich lästig sind, ausweisen in

Ihrem Zukunftsstaat aber wollen Sie demnächst deutsche Staats⸗ angehörige nach entfernten Ländern bringen, Unternehmer, Diplomaten, Staatsmänner u. s. w., bloß weil sie anderer politischer Gesinnung sind ich befürchte, Sie haben dabei sogar etwas Kolonial⸗ politik getrieben. (Große Heiterkeit.)

Dafür, daß wir wirklich in einem freiheitlichen Staat leben, bieten Sie doch den besten Beweis! (Sehr wahr) Ich babe hier einen Zeitungsausschnitt, wonach ein Angehöriger Ihrer Partei, ein Reichstagskandidat, gesagt hat:

„Die Sozialdemokraten seien Vertreter der besitzlosen Pro⸗ letarier, sie seien gegen jeden, auch den kleinsten Besitz; erst dann werde es besser werden, wenn die jetzige Gesellschafts— ordnung von oben bis unten umgestürzt sei. Daher sei der Umsturz von oben bis unten zu erstreben.“

Das hat der Herr in einer öffentlichen Versammlung erklärt. (Zuruf bei den Sozialdemokraten.) Ich zitiere nach einem Zeitungsausschnitt; es war der Reichstagskandidat Goerke (Charlottenburg); Sie finden das Referat im ‚Reichsboten“ vom 1. Mal 1898, 1. Beilage.

Solche Dinge können in Deutschland fortgesetzt öffentlich gesagt werden; die Herren bekennen sich selbst offen als Republikaner, sagen: sobald wir die Macht haben, werden wir die bestehende Staatsform umstoßen. Ihr Evangelist Marx hat erklärt und nach dieser Theorie verfahren Sie jetzt in Ihrer Politik —:

„Man soll nicht den gewaltsamen Umsturz planen, man soll den Umsturz der Gesellschaft dadurch herbeizuführen suchen, daß man langsam die Gesellschaft untergräbt, eine neue Gesellschaft in dem Kern der alten Gesellschaft heraufzieht; eines schönen Tages, wenn man sich stark und mächtig genug fühlt, muß dann die neue Gesell⸗ schaft die Schale der alten Gesellschaft sprengen und die neue Ge— sellschaft kann sofort in ihre Funktionen treten.“

Das ist Ihre Theorie; und, wenn Sie jetzt scheinbar eiwas vor ** 23 [) ; , ; a . ö reichen. sei ĩ sichtiger sind, so ist das nicht eine innerliche Umkehr, sondern nur ein fichrng . Wenn, daß nicht ders Fall Kin gokte, sat Ras noch ein

taktisches Mittel. (Lebhafte Zustimmung rechts)

Ich schließe damit: wenn in einem Staat eine Partei hestehen kann wie die Sozialdemokratie, mit solchen Zielen, wenn diese Partei ihr Programm, welches offen auf den Umsturz der bestehenden Staats und Gesellschaftgordnung gerichtet ist, bei jeder Gelegenheit auch offen proklamiert, dann müssen Sie zugestehen, in einem Staat zu leben, wo freiheitliche Institutionen bestehen, und Jeder das Recht hat, seine Meinung zu äußern. (Lebhaftes Bravo.)

Abg. Dr. Lieber (Zentr.); Der Abg. Behel hat die Zustände im Deutschen Reich in einem solchen Lichte gemalt, daß man beinahe die Ausgewiesenen darum beneiden möchte, daß sie nicht in einem solchen Staat zu leben brauchen. Aber so schlimm sind die Zustände wirklich nicht;

der beste Beweis ist das Vorhandensein der Sozialdemokcatie selbst, die aber auch nicht in den Himmel wachsen wird, Den angeblich von dem früheren Kriegs⸗Minister ausgegangenen Erlaß hat 95 jetzige

Hoffentlich wird die Behauptung des Abg. Bebel, daß schon ein neuer Flotten. die meisten Rekruten stellt und namentlich die drei Jahre

Kriegs. Minister schon als nicht vorhanden bezeichnet.

plan vorltege, sich ebenso als unwahr erweisen; ein weiterer Plan würde allen feierlichen Erklärungen und der Thatsache wider⸗

sprechen, daß der neue Flottenplan der organische Abschluß einer Reihe von Versuchen sei. Daß die sozialdemokratischen Versammlungen so finden, nicht im Bündnisse mit Anderen. Zur Deckung der Kosten

sehr ordentlich ablaufen, wird bei uns nur einem mitleidigen Lächeln begegnen. Wir haben das wohl alle selber am eigenen Leibe erfahren. Redner erzäblt einzelne Vorkommnisse bei den letzten Wahlen. In Oberschlesien habe beispielsweise ein Agitator einen Rosenkranz dorgezeigt als denjenigen des Abg. Bebel, den dieser täglich

bete wegen der Besserung der Verhältnisse des oberschlesischen Volkes. Der Abg. Graf Limburg Stirum habe gegen die erhoben, weil sie von hat man förmliche Rezepte, um aus krepierten Schweinen ein gutes,

Schuldentilgungt vorlage Widerspruch der Regierung vorgelegt sei, während er früher dagegen keinen Protest erhoben habe, als sie vom Reichstage beschlossen worden sei. Was die Schuldentilgung betrifft, fährt Redner fort, so können wir nur

wünschen, daß sie nicht illusorisch dadurch wird, daß die Schulden⸗

permehrung noch schneller fortschreitet. Herr von Kardorff hat die Förderer der Sozialpolitik mit den Kindern verglichen, welche in der Nähe einer Scheune mit Streichhölzern spielen und dieselbe dadurch in Brand stecken. Wir sind der festen Ueberzeugung,

daß man unberechtigte Bestrebungen der Sozialdemokratie und

der hinter ihr stehenden deutschen Arbeiter nicht damit wirk—

sam bekämpfen kann, daß man die berechtigten Forderungen der Arbeiterschast verweigert, daß man den Arbeitern die Berufsvereine versagt, welche die Unternehmer schon lange haben. Man wird die

Berufsvereine zu einer Waffe gegen die Sozialdemokratie ausgestalten müssen. Wir laden Herrn von Kardorff und feine Freunde ein, uns bel dieser Arbeit zu helfen. Der Abg. Graf Stolberg bat von der Belastung der östlichen Provinzen durch die Invalidenversicherung gesprochen. Woher komint denn der Millionenfehlbetrag in Ost⸗ preußen? Weil man dem Gesetz ein Schnippchen geschlagen und nicht überall der Klebepflicht gewissenhaft genügt hat. Nun sollen die anderen Anstalten mit ihren Ueberschüssen aushelfen. Gegen die Aufstellung einer genauen Refrutenstatistik habe ich, nichts einzuwenden, wenn sie vollständig nach allen Seiten ist. Es wird sich herausstellen, daß die Landwirthschaft ungleich weniger von der Beböllerung ernährt als die Industrie; es ist deshalb be— greiflich, daß die Industrie auf derselben Fläche mehr Rekruten stellen fann als die Landwirthschaft. Wir müssen es ablehnen, vor gründ— licher Prüfung der Militärvorlage, uns über dieselbe auszusprechen. Es wird nicht gelingen, uns herauszulocken. Von einer national⸗ liberalen Schiebung beim Zentrum kann nicht die Rede sein, ebenfowenig wie davon, daß das Zentrum nunmehr aus den Fugen gehen würde. Wir sind trotz aller Volksthümlichkeit auf die wir siolz sind, dennoch bereit, mitzuarbeiten an des Staates Wohlfahrt, des Reiches Ehre und Größe, wie unsere Bischöfe es erst kürzlich erklärt haben. Der Theil des Volkes, der hinter unz fteht, wird den sozialdemokra⸗ tischen Lockungen kein Gehör schenken. Die Erklärung meines Freundes 6 über das Protektorat im Orient hat an einigen Stellen Er⸗ taunen erweckt. Ein italienisches Blatt hat sogar gemeint, er sei für feine Aeußerung der ganzen katholischen Welt Genugthuung schuldig. Ich kann erklären, daß mein Freund Fritzen das, was er sagte, in einmüthlgem Einverständniß aller seiner politischen Freunde gesagt hat. Wir sind überzeugt, daß für das, was er sogar in unserem Äuftrage erklärt hat, niemand in der katholischen Welt eine Genug thuung fordern kann und wird. Für das, was die „Vocs della verit“, die in diefem Fall keine Stimme der Wahrheit zu sein scheint, ihn fagen läßt, brauchen wir ebenso wenig Genugthuung zu leisten, Die Hertschaften müssen sich daran gewöhnen, daß wir deutschen Katholiken ung nicht bieten lassen, was man auch einem französischen, italienischen, srischen oder amerikanischen Katholiken nicht bieten kann. Wir sind genau ebenso deutsch, wie wir katholisch sind, und darum geben wir uns der Hoffnung hin, daß man ung endlich in Deutschland auch als voll wichtige Veutsche behandeln wird, daß man uns nicht nur im Autzlande, sondern auch im Inlande schützen und unsere Rechte nicht kränken wird. Die Rückkehr des Vertrauens ist auf beiden Seiten angebahnt, und ich hoffe, daß dieses rücklehrende Vertrauen und unsere gule deutsche Gesinnung endlich dazn führen wird, uns auch im deutschen Vaterlande frei und ungehindert nach unserer religiösen Ueberzeugung leben und sterben zu lassen.

bg. Liebermann von Sonnenberg (Reformp.) ; Die Rede des Herrn von Vollmar war sehr maßooll gehalten. Mir war daz nicht überraschend, weil ich aug Könige erg . Pr. gehört hatte, daß die Sozialdemokraten die scharfe Angriffsweise Herrn Richter über⸗ lassen und sich selbst einer maßvolleien Taktik befleiß igen wollten. Herr von Vollmar hat sich zutreffend geäußert über die Abrüstunge⸗

* z vorschläge des russischen Kaiserg, der am meisten eines starken e, e. , sel. Der Geidbedarf Rußlands entspringt dem usbau der Slbirischen Eisenbahn und der Marine. Wenn der ., von Vollmar Deutschland mahnt, mit den Rüstungen stillzustehen, so würde das einen Rückgang bedeuten, und Deutschland würde sich der Gefahr der Auftheilung durch die Nach⸗ barn aussetzen. Ein Velksheer brauchen wir nicht erst zu gründen, wir haben es. Es ist nur zu hoffen, daß die Gesinnung des Herrn von Vollmar in der Sozialdemokratie Verbreitung finde. Er hat mehrfach vom Vaterlande gesprochen, während Herr Liebknecht den Begriff „Vaterland“ als einen reaktionären bezeichnet. Ueberhaupt stellt sich Herr von Vollmar in Gegensatz zu manchen Autoritäten der Partei. namentlich auch, wenn er die Gewaltthätigkeiten zurückweist. Derr Bebel war der Meinung, daß die Pariser Kommune schnöder verfahren sei, als die Sozialdemokratie vorgehen würde. Ueher das schnöde Vorgehen der Kommune haben sich unsere Truppen, die vor Paris lagen, informieren können. Daß die Truppen über die Köpfe der Aufrührer hinwegschießen, ist mir nicht. bekannt gewesen. Sie würden bei den weittragenden Gewehren ganz unschuldige Personen treffen, während die Rädelssührer doch in der ersten Reihe der Aufrührer zu stehen pflegen. Der Abg. Bebel hat mit, seinem geheimen Schriftstücke diesmal, kein Glück gehabt; es scheint ihm jetzt ein Spaßvogel diese Schriftstücke zu fabrizieren Mit Herrn von Vollmar bin ich einverstanden darin, daß das internationale Kapital, speziell dasjenige, welches sich in den Händen des Judenthums befindet, die Sozialdemokratie fördert. Durch ein Ausnahmegesetz kann man die Sozialdemokratie weniger be⸗ kämpfen als vielleicht durch andere Mittel, z. B. durch die Ein⸗ führung der Wahlpflicht. Die Wähler, die jetzt zu Hause bleiben, würden dann gegen die Sozialdemokraten stimmen. Wir freuen uns, daß die Verbesserung der Invalidenversicherung, die allgemein als lästig empfunden wird, eingebracht werden soll. Sie wird wenigstens eine

Abschlagszahlung sein. Denn unsere Wünsche gehen noch weiter. Wir freuen uns über die Ausdehnung der Schutzvorschriften auf die An.

gestellten des Handels, die jetzt unter der Lehrlingszüchterei, dem Mangel

kreisen dient. werden müssea, und die Regierung sollte einmal die Frage prüfen,

an Fortbildungsanstalten und unter der weiblichen Konkurrenz leiden. Ob

Ausschreitungen gegen Arbeitswillige vorgekommen sind, wird die Regie⸗

rung nachweisen müssen. Ich weiß nicht, oh die bestehenden Gesetze aus

Ausfluß der Gesetzgebung, des freien Spiels der Kräfte. Wir bedauern, daß der Bundesraih die Regelung der Rechtsverhältnisse der Berufs⸗ vereine abgelehnt hat. Die Belästigung Arbeitswilliger geht nicht immer von den Arbeitern allein aus, sondern häufig von den Arbeit- gebern, die mit ihren schwarzen Listen Arbeiter in Verruf erklären. Beim Bankgesetz soll an den bewährten Srundlagen des Bankwesens nicht gerührt werden. Darüber bestehen aber sehr verschiedene An—= sichten. Die Bank muß so ausgestaltet werden, daß sie allen Berufs- Die Währungsfrage wird auch dabei berückichtigt

ob nicht die Silberthaler im Auslande nachgeprägt werden. Das Postcheckgesetz wird seinen Zweck nicht erreichen. Es wird hauptsäch⸗ lich den großen Verfandhäusern zu gute kommen, denen es seine An- regung verdanken soll. Die Steigerung der Reichseinnahmen ist haupt ächlich eine Folge der Einfuhr fremder Nahrungsmittel, die der deutschen Landwirkhschaft Konkurrenz machen. Erfreulich ißt die Gehaltzaufbesserung für die Unterbeamten. Damit wird die Zufriedenheit im Lande befestigt. Die Landwirthschaft trägt am meisten die Lasten, die das Militärwesen erfordert. Es ist auch statistisch nachgewiesen, daß die Landwirthichaft

dienenden Kavalleristen. Aus den Friedens Halmeien hört man schon die Kriegsdrohungen heraus, und wir müssen uns des Wortes des Grafen Moltke erinnern, daß wir die sicherste Hilfe nur bei uns

der Militärvorlage sollten aber nicht die breiten Massen heran- gezogen werden, und für die Kriegsinvaliden und die Hinterbliebenen der Soldaten sollte besser gesorgt werden. Die Bedürfnisse des Heeres sollten noch mehr als bisher von den inländischen Pro—⸗ duzenten bezogen werden. Die Vorlage über die Fleischschau wird hoffentlich bald kommen; denn ohne ein solches Gesetz kann man kaum einen Handelsvertrag mit Amerika abschließen. In Amerika

geruchloses Schmalz zu fabrizieren. Deutschland hat einen großen Ueber⸗ schuß an Geburten, der zum theil Unterkunft im Ausland suchen muß. Wir müssen von den Kolonialmächten die koloniale Arbeit lernen.

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Wenn in Kiautschou mit einer neuen Verwaltungsform der Anfang

gemacht wird, so ist das erfreulich. Es ist in unseren anderen FRolonien auch etwas besser geworden. Es wird sich immer mehr herausstellen, daß ein besonderes Kolonial⸗Ministerium eingerichtet werden muß. So rosig, wie die Staatssekretäre es dargestellt haben, sind die Verhaͤltnisse, besonders die wirihschaftlichen Verhältnisse Deutschlands, nicht. Die Steuererhöhung beweist nichts, denn es können Tausende verarmen, während Wenige sich bereichern und des⸗ halb mehr Steuern bezahlen. Es ist manche Vorlage ausgeblieben, auf die wir gehofft haben, z. B. die Aufhebung des Verbindungs- verbots für politische Vereine. Ich möchte auch eine orientalische Frage anschnelden; der Internationalismus des ausbeutenden jüdischen Geldkapitals ist fleißig an der Arbeit, namentlich auch bei den neuen Gründungen elektrischer Unternehmungen. Es wird nothwendig sein, die gesetzlichen Bestimmungen über die Waarenhäuser und den un⸗ lauteren Weltbewerb zu erweitern. Einer Ergänzung bedarf auch das Börsengesetz, welches sehr viele Läcken zeigt. Es wird festgestellt werden müffen, daß in Deutschland nicht der Satz gilt, daß Jeder mann dem Gesetz unterthan sein muß, mit Ausnahme der Börse. Die Zassände im Heiligengeist⸗ Hospital fordern dringend Abhilfe. Es können nicht gleiche Gesetze gegeben werden für die Deutschen und für die unter uns lebenden Juden. Der gewissenlosere Theil wird sonst schließlich die Oberhand gewinnen. Der Staatssekretär des Auswärtigen hat uns nichts gesagt, was uns nicht schon be— kannt gewesen ware. Bei den Beziehungen zu den aus wärtigen Staaten kommt es nur darauf an, welche Vortbeile uns 'erwachsen. Ich bin erstaunt, daß bisher kein Redner die bedenkliche Lage streifte, in der wir uns Amerika gegenüber be⸗ finden. Herr von Kardorff sagte, den Amerikanern imponiere Entgegen kommen gar nicht. Aber er bat selbst in so liebenswärdiger Form bon Amerika gesprochen, daß er sich in Gegenjatz mit seinen eigenen Worten sezte. Auch aus der Rede des Grafen Stolberg klang mir nicht die nöthige Bestimmtheit des Tones heraus, die wünschenswerth wäre, wenn wir bei den Amerikanern Vortheile in einem Handelsvertrage erreichen wollen. Mit ihrer gewohnten Bescheidenheit rühmen sich die Amerikaner, die Kornkammer Europas zu bilden; ihre Getreideausfubr wächst auch immer mehr, und unsere Landwirthschafst hat, wenn ihr nicht Hilfe wird, ihren Todesstoß von Amerika zu erwarten. Dle Tonart des Staatssekretärs des Auswärtigen war sehr verschieden von der Tonart Me Kinley's bei Eröffnung des Kongresseg. Dort außerordentliches Selbstbewußtsein, hier eine zu weitgehende Höflich. keit. Wenn Graf Thun seine Rede zur Zeit des Fürsten Bismarck gehalten bätte, so wäre ein kalter Wasserstrabl erfolgt. Der öͤster- reichische Handelsvertrag wurde uns von dem Reichskanzler Grafen Caprivi besonders durch die Mahnung schmackhasft gemacht, unsere Bundesgenossen auch wirthschaftlich zu stärten. Deshalb liegt in der Att des Grafen Thun ein hoher Grad von Un dankbarkeit und zugleich eine starfe Unklugheit; denn das Deutsche Reich ist doch wesentlich stärker und ein gesuchterer Bundesgenosse als Oesterreich im Augenblick. Fürst Bismarck sieht selbst in seinen Memoiren sein Werk des Breibundes nicht als für die Ewigkeit gefügt an. Er sah mit klarem Blicke die Schwerigleiten voraus, die sich aus dem Bündniß mit dem bunten Völkergemisch des österreichischen Staates ergeben könnten. Das muß ung eine Mahnung sein, uns auf unsere eigene Macht zu verlassen, uns selber stark zu machen. Ich will noch den Empfindungen großer Kreise unseres Volkes über den Kampf in Oesterreich um die Erhaltung der Vorberrschaft des Deutschthums Ausdruck geben. Allerdings ist die Form, in der die Deut . . Nationalen dort ihre Kämpfe führen, nicht gerade sy isch

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