1899 / 10 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 12 Jan 1899 18:00:01 GMT) scan diff

. cer, *

ere

Nehmen wir nun an, daß das Lebendgewicht in der Zeit von 1892

erreicht. Die Regierung hat den Freisinnigen und den Sozialdemo⸗ kraten früher viel zu viel nachgegeben. Aber auf diese Weise kann man die Sozialdemokraten und die Freisinnigen doch nicht zufrieden⸗ stellen. Der Bauernftand ist immer königstreu und die festeste Stütze des Thrones gewesen und wird es bleiben. Das wird die Re—

erung auch wohl einsehen. Ein Staat, der seine Landwirthschaft chützt, ist unbesiegbar.

Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner:

Meine Herren! Ich halte mich für verpflichtet, eine Anzahl Irrthümer, die dem Herrn Redner von der sozialdemokratischen Partei untergelaufen sind, sofort hier in diesem hohen Hause und damit auch vor der Oeffentlichkeit richtig zu stellen.

Der Herr Abg. Stolle hat zunächst von dem Rückgang der Vieh⸗ einfuhr gesprochen, um daraus nachzuweisen, daß in Deutschland eine Fleischnoth infolge dieser Mindereinfuhr vorhanden sein müsse. Ich gestatte mir, auf Grund des amtlichen Materials auszuführen, daß an Fleischeinfuhr, wenn man das Schlachtvieh auf Fleischgewicht umrechnet und Fleisch, frisch und einfach zu—⸗ bereitet, hinzurechnet, im Jahre 1891 auf den Kopf der Be⸗ völkerung 2.6 kg, 1392 3,0 kg, 1893 2, kg, 1894 3,1 kg, 1895 2,1 Kg, 1896 1,4 kg, 1897 1,B7 kg und im letzten Jahre 2,1 kg entfiel. Wenn also an Fleischnahrung auf den Kopf der Bevölkerung im Jahre 1398 2,1 Eg entfiel und im Jahre 1896 auf den Kopf der Bevölkerung nur 1,4 kg und 1897 1,7 kg an Fleischeinfuhr entfielen, so fragt man sich mit Recht: warum ist denn die Fleischnoth nicht schon 1896 und 1897 hervorgetreten, warum ist sie denn erst jetzt plötzlich so akut geworden? ((Sehr richtig! rechts) Das sind hier offtzielle Zahlen, die nicht angreifbar sind.

Ferner, meine Herren, treten doch zur Volksernährung Schmalz und Schmalsfette, Talg u. s. w. in erheblichem Maße hinzu, und auch da sind die Zahlen nicht fallend auf den Kopf der Bevölkerung, sondern steigend. Wir haben im Jahre 1391 auf den Kopf der Be⸗ völkerung an Schmalz u. s. w. 2 Eg, 1892 2,2 kg, 1893 1B7 kg, 1894 1,9 kg, 1895 1,8 kg, 1896 2,1 kg, 1597 2,5 kg und im letzten Jahre 2,9 kg eingeführt. (Hört, hört! rechts) Also pro Kopf der Be⸗ völkerung ist sowohl die Fleischnahrung wie die Fettnahrung im Jahre 1898 wesentlich höher als im Jahre 1895, 96 und 97 gewesen. Meine Herren, diesen Zahlen gegenüber kann die Behauptung, daß eine Fleischnoth befteht, kaum erboben werden.

Es kommt allerdings auch bei der Frage: besteht eine Fleisch⸗ noth? das Gewicht des Schlachtviehs sehr in Betracht. Das

werden die Herren Sachverständigen in diesem hohen Hause mir ohne weiteres zugestehen, daß das Gewicht unseres Viehes durch zielbewußte Züchtung, rationellere Fütterung und bessere Haltung ganz enorm gewachsen ist, nicht nur in den großen rationellen Wirthschaften, sondern auch in den bäuerlichen Wirthschaften. Jenes kleine, elende, struppige Vieh, was man früher bei den kleinen Bauern sah, verschwindet immer mehr. (Sehr richtig! rechts.)

bis 1897 in demselben prozentualen Verhältniß gewachsen wäre, wie das Lebendgewicht von 1883 bis 1892 gewachsen ist, so hat die Ge⸗ wichtszunahme von 1892 bis 1897 rund 70e betragen, während unsere Bolksvermehrung in derselben Zeit nur 66 0 betrug.

Der Herr Abg. Stolle ist dann auf sächsische Verhältnisse über⸗ gegangen. Wer an die Statistik nicht glaubt, wird vielleicht leichter überzeugt werden, wenn man den Einzelbeweis versucht. Ich babe nun hier das Vieh⸗Konto einer sehr renommierten Wirthschaft im Königreich Sachsen, was bis zum Jahre 1881 zurückgeht, und wo die Viehvreise genau notiert sind, die in den einzelnen Jahren gelöst sind. Da ist es sehr interessant, zu finden, daß beispielsweise für Ochsen im Jahre 1891 gelöst sind pro Zentner 33— 36 4, 1892 33—36 S, 1893 33—14 S6, 1894 36 S6, 1895 33—65 4, 1396 33— 4 1M, 1897 30— 3 6, 1898 34 —35 M Also während dieselbe Wirthschaft im Jahre 18833 33 bis 44 gelöst hat, konnte sie im Jahre 1898 nur 34 bis 35 4 bekommen. Aehnlich liegt der Fall bei Kühen: in derselben Wirthschaft sind im Jahre 1891 für den Zentner z0 bis 35 M, im Jahre 1894 chensoviel gelöst und im Jahre 1898 nur 28 bis 33 S Für Schweine sind in derselben Wirthschaft ge— löst worden im Jahre 1889 50 bis 54 MS, 1890 57 bis 63 M, 1891 48 bis 57 A, 1892 56 bis 60 Æ und im Jahre 1898 nur 44 bis 48 Æ Ich glaube: das sind doch schlagende Beweise sowohl auf Grund der allgemeinen statistischen Grundlagen wie auch auf Grund der Resultate einer einzelnen Wirthschaft. Ich gestatte mir ferner noch zu bemerken, daß in diesem Jahre 1898 nur für Kälber auf dem Berliner Schlachtriebmarkt die höchsten Preise gezablt sind, dagegen nicht die höchsten Preise für Rinder, Schweine, Hammel; denn es wurden im Jahre 1891 für den Doppelzentner Rind⸗ Schlachtgewicht Mittelpreis 1203 4 gezahlt, im Jahre 1898 im Durchschnitt nur 113, 4 Ferner sind ebenda für Schweine gejahlt 1890 115,7 M für den Doppelzentner, dagegen im Jahre 1898 nur 111, M Für Hammel sind im Jahre 1883 für den Doppel⸗ zentner 116,5, 1898 nur 108,4 M gejahlt worden. Die böchsten Preise wurden im Jahre 1898 allerdings für Kälber gezablt, und zwar 119,? 4. während der höchste Preis, im Jabre 1882, nur 117,3 M war.

Der Herr Abgeordnete hat ferner behauptet, die Viehseuche⸗ Absperrungsmaßregeln wären für die kleinen Bauern ohne jedes Interesse. Ich behaupte im Gegentheil, gerade für den kleinen Land—⸗ wirth ist es wichtig, daß sein Hof von Viehseuchen reingehalten wird, denn eine Viehseuche ist für den kleinen Landwirth noch viel verhängnißvoller als für den Großgrundbesitzer. rechts.). Dieser kann später die Desinfektion seiner Stallungen, die meist massiv sind, viel leichter durchführen als der Bauer, der nur

Ställe aus Lehm mit weichem Boden hat, die eine gründliche Des; geben, da werden ihn die Leute belebten, daß die Wirkung genau die⸗

infektion nach einer Seuche fast unmöglich machen; er muß, wenn er sich vor einer neuen Seuche schützen will, eigentlich den Stall herunter⸗ reißen. Wenn also in einem kleinen Stall eine Viehseuche auftritt, so ist der Schaden prozentual viel größer als beim Großgrundbesitzer.

Der Herr Abgeordnete hat ferner gemeint, die Viehhaltung wäre bei dem kleinen Mann ?nicht vorwärts, sondern zurückgegangen, namentlich sei aber die Schweinezucht bei dem kleineren Besitzer zurückgegangen. Auch diese Behauptung ist auf Grund der amtlichen Statistik eine unrichtige, denn wenn man die Wirihschaften in Rechnung zieht unter zwei Hektar, so sind auf 100 ba land- wirthschaftlich benutzter Fläche im Jahre 1882 114,12 Schweine, im Jahre 1895 dagegen 191,66 gehalten. (Hört! Hört!

(Sehr richtig!

rechts.)

Wenn man die Wirthschaften von 2 bis 5 ha nimmt,!

so sind im Jahre 1882 auf 1060 ha 46,64 Schweine ge⸗ kommen, und im Jahre 1895 71.17 Schweine. (Hört! hört! rechts) Und wenn man endlich die Wirthschafien von 5 bis 20 ha nimmt, so sind auf 100 ha im Jahre 1882 28930 und im Jahre 1895 43,31 Schweine gekommen. (Hört, hört! rechts) Also durch die Statistik ist klar nachgewiesen, daß auch die Schweinezucht bei den kleinen und kleinsten Grundbesitzern erhebliche Fortschritte gemacht hat. (Sehr richtig! rechts.)

Meine Herren, auch folgende Zahlen sind interessant. Wenn man den gesammten Viehbestand reduziert nach den bekannten Grundsätzen auf Großvieh, so kamen im Jahre 1883 in Deutschland auf 100 Einwohner 43, Stück Großvieh, 1892 444 und im Jahre 1897 443 Stück

Und was die Einfuhr von Vieh nach Stückzahl betrifft, so bat, wenn ich recht gehört habe, der Herr Abg. Stolle behauptet, es wären im Jahre 1898 nur noch ca. 80 000 Stück eingeführt. Auch das ist unrichtig. Es sind im Jahre 18998 rund 188 000 Stück Ochsen und 75 660 Stück Borstenvieh eingeführt worden. Der Herr Abgeordnete hat auch behauptet, in Holland wäre gar keine Viehseuche mehr und deshalb kein Anlaß zu Absperrungs⸗ maßregeln. Wir glauben auch den Angaben hierüber; aber selbst⸗ verständlich sind wir verpflichtet, nicht den Mittheilungen eines Abgeordneten auf diesem Gebiete Glauben zu schenken, sondern wir müssen uns auf die amtliche Statistik des fremden Staats verlassen. Und da ergiebt sich denn, daß in Holland im Jahre 1898 im Ganzen 5770 Fälle von Maul⸗ und Klauenseuche und 786 Fälle von Schweineseuche vorgekommen sind. (Hört, hört! rechts.) Man kann also unter diesen Verhältnissen unmöglich behaupten, daß unsere Absperrungsmaßregeln gegen Holland überflüssig gewesen, weil dort keine Seuchen vorgekommen seien. (Sehr richtig! rechts.)

Endlich hat der Herr Abgeordnete auf das Interesse der Konsu—⸗ menten hingewiesen. Meine Herren, der Herr Reichskanzler und die verbündeten Regierungen sind durchaus geneigt, auf das Interesse der Konsumenten ernste Rücksicht zu nehmen. Ich glaube aber, das Recht des Einen kann nicht dadurch gewahrt werden, daß man das Recht des Anderen kränkt. (Sehr richtig! Es handelt sich einfach darum: soll die städtische Bevölkerung, die jetzt die ländliche überwiegt, etwas billigeres Fleisch haben, oder soll die ländliche Minderheit durch Oeff⸗ nung der Grenze einen unermeßlichen, dauernden Schaden erleiden? (Sehr richtig! rechts) So lange uns da nicht wicklich der ganz schlüssige Nachweis geführt wird, daß unsere Volksernährung durch diese Viehseuchenmaßregel ernstlich gefährdet ist, müsfsen wir zu Gunften der landwirthschaftlichen Minderheit eintreten. (Lebhaftes Bravo rechts.)

Abg. Dr. Paasche (nl.): Es ist nicht angenehm, über ein so gründlich erörtertes Thema, über welches nichts Neues zu sagen ist, zu sprechen. Meine Freunde haben die Interpellation mit unter. schrieben, weil es sich hierbei um eine nationale Frage handelt: um die Frage des Schutzes der Landwirthschaft, insbesondere der Vieh⸗ zucht. Es ist davon gesprochen worden, daß die Interpellation in abgeschwächter Form an das Haus gekommen ist. Wir sind für die Einbringung der Interpellation an sich nicht verantwortlich. Aber was ist denn bis jetzt hier im Hause vorgebracht worden gegen die Interpellation? Vor Monaten hat man sich so gestellt, als ob die Industriearbeiter demnächst verhungern würden, und gestern hat. Herr Fischbeck nur davon gesprochen, die veterinär polizeilichen Maßregeln für einzelne Bezirke zu mildern. Wenn man weiter nichts wollte, das hätte man doch gleich sagen können. Dagegen wird schließlich niemand etwas einzuwenden haben. Wenn die Zabl der in die Schlachthäuser zugelassenen Schweine nicht ausreichend ist, kann man die Zahl vermehren. Das ist die lächer⸗ liche Maus, die aus der ganzen Agitation herausgekommen ist. Es wird allerdings behauptet, daß das Pfund Schweinefleisch in Oberschlesien früber 25 3 kostete, jetzt aber das Kilogramm 150 M Es handelt sich dabei um eine Verwechselung von Kilogramm und Pfund. Weniger als eine Mark bat das Kilo Schweinefl isch nach der Statistik in Oberschlesien niemals ge— kostet. Selbst die Eingabe der Haupt. und Residenzstadt Berlin entbält viele unrichtige Angaben. Es wird 3. B. darin ausgeführt, daß die ausländischen Viehzüchter, weil sie ihr Vieh nicht nach Deutschland bringen können, ihre Viehbestände vermindert hätten, und daß dadurch die Preise jegseits der Grenzen gestiegen seien. Man solle die Grenzsperre aufheben, damit das ausländische Vieh wieder ein⸗ geführt werden könne. Das ist die Politik der Freisinnigen. Die aus ländische Viebzucht will man schützen, ob dabei die inländische zu Grunde gebt, ist gleichgültig. Eine solche Politit richtet sich gegen die deutsche Landwirthschaft und erklärt sich fär die ausländische Landwirtbschaft. Die deutsche Landwirthschaft muß schwere Opfer für die Seuchenpolitik bringen. Wir tragen diesen Druck und müssen ihn tragen, aber nicht, um den ausländischen Landwirthen zu Hilfe zu kommen. Wir können nicht jedesmal, wenn die Behauptung auftaucht, daß das Aus— land seuchenfrei sei, unsere Grenjen öffnen. Die Viehzucht soll bauptsächlich in den Händen der größeren Grundbesitzer legen. Wenn die Zahl der Schweine bei den kleinen Besitzern unter 10 ha im Königreich Sachsen um 13 000 Stück zurückgegangen ist, was bedeutet das? Die Statistik ergiebt, daß in den 2 der Großgrund⸗ besitzer nur etwa 44 v. O. der Schweinebestände sind, die großen Grundbesitzer haben zu wenig Personal für die Viehzucht; deshalb ist es hauptsächlich Aufgabe der mittleren oder kleineren Besitzer, sich der Viehzucht zu widmen. Ich bin der festen Ueberzeugung, wenn die Grenzen gegen die Seuchengefahr gesperrt bleiben, dann wird sich diese Entwickelung noch mehr zeigen; denn viele kleine

Leute haben die Schweinezucht aufgegeben, weil sie den Ver⸗ lust durch Seuchen nicht ertragen konnten. Und gerade die russischen Schweine bändler hatten den Ansteckungsstoff eingeschleppt. Gegen die Handelsverträge verstoßen wir nicht. Es wird uns niemand jumuthen, daß wir der Verträge wegen jeden veterinär- voltzeilichen Schutz unterlassen. Daß die Steigerung der Fleischvreise vielfach den Händlervraktiken zuzuschreiben ist, ist nachgewiesen. Die Grenzsperre soll nicht die Preise treiben, sondern nur unsere Vieh⸗ kestände vor Seuchengefahr schützen. Wenn die Zabl der zugelassenen Schweine in Oberschlesten fest bemessen ist, so ist das sebr zweckmäßig. Denn es soll dem Markte nicht mehr aufgedrängt werden, als er notbwendig braucht. Aber die volle Kontingenteziffer ist nicht einmal immer verbraucht worden. Abg. Dr. Roesicke (b. k. J.): Wenn der Abg. Stolle behauptet, die Grenzsperre schade den Bauern, so mag er in meinen Wahlkreis

selbe ist, ob es größere oder kleine Besitzer sind. Er wünscht ferner, daß Magervieh eingeführt werde, aber das Magervieh ist doch ebenso der Seuchengefahr unterworfen, und es bedarf auch zur Mästung theurer Futtermittl. Die ganze Frage ist aufgebauscht worden, und die Aufbauschung trat in dem Moment ein, als die Landtagswahlen in Preußen bevorstanden. Da war das ein gefundenes Fressen für die. Freisinnigen. Wir wissen ja aus der Zeit der Reichstagswahlen, daß diese Herren sebr geneigt sind, eine Sache stark aufjubauschen. Herr Fischbeck meinte, wir wollten dem Reichskanzler verbieten, eine Enquste an- zustellen. Das wollten wir ihm nicht verbieten, aber wir wußten ja aus der Statistik, daß eine Fleischnoth nicht vorhanden ist, und freuen uns, daß die Enquste der Regierung zu demselben Resultat geführt hat. Für die Grenzsperre muß der Grundsatz heirschen, daß sie nur

veterinär polizeilichen Vorschriften und die Statistik eine absolute Gewähr für eine dauernde Seuchenfreiheit des Auslandes gegeben ist. Ja, dafür kaben wir ja die Beweise gehabt. Die baverische und die preußische Regierung haben 3. B. 1896 gegen die Bukowina die Grenze gesperrt. Heute ist die Sperre aufgeboben und die Bukowina selbst ist allerdings seuchenfret, aber die sämmtlichen Länder um die Bukowina herum, bis Galizien und Rußland hinein, sind doch verseucht. 2 Verhãͤltnisse bestehen in Steinbruch. Dort hatte die Seuche schon lange bestanden,

ebe man davon Kenntniß erhielt und die Grenzsperre eintrat. Die

Unrichtigkeiten in den uns zugegangenen Petitionen der gegnerischen Seite sind vom Staatssekretär widerlegt worden. Die neuerdings wiederherseuchten Niederlande sind ein starkes Beispiel von der Be—⸗ drohlichkelt der Seuche; das beweist, daß man nur bei dauernder Seuchen freiheit im Auslande die Sperre aufheben kann. Früher wurde die Zufubr frischen Schweinefleisches aus den Niederlanden gestattet, weil es seuchenfrei sei, jetzt aber bat Graf Posadoweky nachgewiesen, daß im September über 3000 Seuchenfälle vorgekommen sind. Die Niederlande selbst haben ein absolutes Einfuhrverbot gegen deutsches Vieh und Fleisch erlassen, ebenso nimmt Dänemark nicht einmal das Vieh zurück, das . Quarantäneanstalten gewesen, dort durch die Impfung als unverbächtig befunden ist und ohne Vermischung mit anderem Vieh wieder zurückgehen soll. Der Abg. Fischbeck erdebt den Vorwurf, daß Deutschland die Sperre gegen Rußland aufrecht erhalte, obwohl Rußland keine Seuche habe. Die Statistik stellt aber feit, a Rußland in ganz hervorragendem Maße verseucht ist, namentlich dur Maul und Klauenseuche und Milzbrand. Herr Fischbeck behauptet, Rußland sei selbst darauf bedacht, sein Vieh vor der Verseuchung zu schüßen. Das ist nicht der Fall. Es ist eine vom Kaiserlichen Gesund⸗ heitsamt sestgestelte Thatsache, daß durch die Einfübrung russischer mit Maul⸗ und Klanenseuche behafteter Schweine in Oberschlesien die Seuche wieder zum Ausbruch gekommen ist. Und dadurch ist auch der Rindviehstand verseucht worden. Die Quarantäne in Rußland reicht nicht aus. Von Sachkennern ist nachgewiesen worden, mit welcher Leichtfertigkeit seitens der russischen Bekörden gegen die Seuchengefahr verfahren wird. In Rußland herrscht sogar die Rinderpest, die aus Ching nach Kaukasien trotz des weiten Weges verschleppt worden ist. Die Petition des Berliner Mazistcats ersucht die Regierung, das Kontingent für die Zulafsung von Schweinen nach den Schlacht häusern zu erhöhen. Es ist aber festgestellt, daß in Oberschlesien sich Händler⸗ ringe gebildet haben, die das Vieb zu hohen Preisen an den Markt bringen. Ohne diese Ringe würden die Fleischpreise schon billiger sein. Man sagt, das Kontingent der zugelassenen Schweine bringe die Senchengefabr auch mit. Allerdings. Aber ein bestimmtes Kon. tingent ist immer noch besser als die völlige Oeffnung der Grenze. Und wenn feststeht, daß das Kontingent nicht immer voll ausgenutzt wird, kann doch die Fleischnoth nicht sehr groß sein. Man behauptet, wir wollten das Kontingent nicht erhöhen. weil wir es den Arbeitern nicht gönnen. Man sollte nur dem ländlichen Arbeiter sein Ein⸗ kommen gönnen; er kann aber einen auskömmlichen Arbeitslohn nicht erbalten, wenn die landwirthschaftlichen Betriebe nicht rentieren. Der Landwirthschafts. Minifter Freiherr von Hammerftein hat angeführt, daß es ver mehreren Jahren vergeblich versucht worden ist, Schweinetransporte nach Oberschlesten zu veranlassen; die Händler haben eben keinen Absatz gefunden. Der Abg. Fischbeck hat behauptet, daß in Dresden und Breslau im Jahre 1896 weniger Fleisch konsumiert sei als im Jahre 1895, er hat dabei vergessen, daß 1896 die Gewerbe ⸗Ausstellung in Berlin war und daß ein gewaltiger Zuzug nach Berlin stattfand. Vergleicht man die Jahre 1895 und 1887, dann ergiebt sich eine Vermehrung des 4 in jenen Städten. Wenn man bedenkt, daß eine Ver⸗ euchung nicht nur im Grenzverkehr, sondern auch im Zentrum Deutschlands stattfindet, so darf man nicht zulassen, daß die Grenzen immer wieder von neuem geöffnet werden. Man verlangt im In lande eine fortgesetzte Verstärkung der Veterinärmaßregeln, und wir sind ja auch bereit dasu, dann muß man uns aber auch gegen das Ausland schützen, sonst muthet man der Landwirthschaft eine ungerechte Belastung dem Auslande gegenüber zu. Wenn wirklich ein Preisdruck beim Fleisch stattgefunden hat, so haben die Landwirthe ihn nicht verschuldet. Die Preise auf den Höfen sind sortgesetzt gefallen, von der Preiserböhung haben nicht die Landwirthe, sondern die Händler einen Vortheil gehabt, und wenn jetzt die Land⸗ wirthe an den höheren Preisen partizipieren wollen, so kann man ihnen das nicht verdenken. Uebrigens sind auch die Preise anderer Lebens—⸗ mittel, namentlich in den großen Industriezentren, gestiegen, und zwar im Verhältniß zum Steigen der Arbeite löhne. Man hat auf die Vertheuerung der Vieh und Fleischpreise durch die Viebzölle binge—⸗ wiesen. Diese ist aber viel geringer als die Vertheuerung durch die städtischen Schlachthaus und sonstigen Gebühren. Der Magistrat von Breslau hat einen Antrag auf Abschaffung der Fleischbesteuerung abge⸗ lehnt, weil die Kommunallasten sonst bon 119 auf 160 , erhöht werden müßten. Es ist unrichtig, daß die Einfuhr sich vermindert hat.

einer Denkschrist des Hamburger Senats wird ausgeführt, daß die Schwein ezufuhr aus dem Inlande zwar abgenommen habe, aber durch die Einfuhr dänischer Rinder ausgeglichen würde. Die ausländische Konkurrenz drängt den inländischen Markt zurück. Es ist ein sunda—⸗ mentaler Irrthum sondergleichen, wenn man annimmt, daß die Einfuhr ein thatsächlicher Beweis des Bedarfs ist. Wenn die Preise sinken, können Sie es den Produzenten nicht verdenken., daß sie in der Maäͤstung von Vieh nachlafsen. Die Preise sinken aber jetzt auch noch. Diese ganze Bewegung ist eine Folge der Agltation der Vieb⸗ händler. Die Vernuünftigen haben sich allerdings zurückgehalten, und der Verband der schlesischen Viehhändler betont ausdrücklich, daß die Vothwendigkeit der Aufhebung der Grenzsperre einem überwundenen Zeitalter angehöre. Die deutsche Landwirthschaft sei sehr wobl im Stande, den Bedarf zu decken. Die Viehproduktion ist in den letzten Jabren thatsächlich immer intensiver geworden, auch in solchen Gegenden, wo sie bisher schon intensiy war. Es liegt im Interesse des Deutschen Reichs, diese Produktion zu schützen. Gs gab eine Jeit, wo man wohl daran zweifeln durfte, ob dieses wirthschaftliche Interesse dem Auslande gegenüber ge⸗ nügend geschützt würde. Nach den Erklärungen der Regierung darf man hoffen, daß dies in Zukunft der Fall sein wird. Wir freuen uns auch, daß hier nationale Töne angeschlagen worden sind: die landwirthschaftliche Frage ist eine wesentlich nationale Urage. Im Gegenfatz zu den Ausführungen des Berliner Magistrats müßte ich es als eine Nothwendigkeit bezeichnen, daß wir Deutschland vom Auslande unabhängig machen, damit wir absolut sicher sind, daß uns das Ausland nicht mit feinen Produkten überschwemmt. Die Land⸗ wirthe hoffen, daß die e,, . noch mehr als bisher bestrebt sein wird, die deutsche Landwirthschast zu schützen zum Segen des Reichs.

Abg. Müller. Waldeck Reformp) stekt als Vertreter eines

rein ländlichen Wahlkreises, in Uedereinstimmung mit seiner Fraktion, die landwirtbschaftlichen Interessen in dieser Frage in den Vorder⸗ grund. Namentlich müsse die Seuchengefahr von dem Viehstand der Tandwirthbschaft ferngebalten werden, und zwar schon aus nationalen Gründen, damit im Fall eines Krieges die Ernährung Deutschlands im eigenen Lande gesichert sei. Es sei erfreulich, daß der preußische Landwirtbschafts⸗Minister das Treiben der freisinnigen Presse, die nur dem Interesse des Auslandes diene, so trefflich geschildert habe. Es wen wünschenswerth, daß diese Schilderung von einiger Wiekung sein moge.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

aufgehoben werden kann, wenn durch die gesammten Verhältnisse die

M 10.

zweite Beilage zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Stagts⸗Anzeiger.

Berlin, Donnerstag, den 12. Januar

1899.

(Schluß aus der Ersten Beilage)

Abg. Dr. Stephan LSentr): Spenell als Vertreter des oberschlesi⸗˖ schen Industriebezirks muß ich den Ausführungen des Abg. Roesicke entgegentreten. Ich bin frei von Feindseligkeit gegen die Landwirth⸗ schaft, im Gegentheil stebe ich mit voller Sympathie auf deren Seite, ziebe aber nicht dieselben Konsequenzen daraus wie Herr Roesicke. Ich wünschte auch, daß unser ganzes Land, speziell der oberschlesische Induftriebezirk, lediglich von Deutschland mit Fleisch versorgt werden könnte, und daß alle sanitäts, und veterinär⸗polizei⸗ lichen Maßregeln ergriffen werden, um das Land vor der Seucheneinschleppung zu schützen; aber wir müssen doch

evwisse Rücksichten auf die Ernährung des Volkes nehmen. ch kann nicht finden, daß Herr Roesicke diese Rücksichten in irgend welcher Beziehung genommen hat. Die Ausführungen des Abg. Freiherrn bon Wangenheim stachen durch ihre. Sachlichkeit vortheilhaft von denen des Herrn Roesicke ab. Zur Zeit ist es nicht möglich, den oberschlesischen Industriebezirk vom Inlaade mit dem nöthigen Schweinefleisch zu versehen. Es sind nur 70 009 xussische Schweine für die Abschlachtung zugelassen, die aber viel stärker sind, als die deutschen, sodaß 790 000 russische Schweine nur durch 120 000 deutsche ersetzt werden können. Nun hat die Viebzäblung von 1892 im Regierungsbezirk Oppeln einen Schweinebestand von 235 000 Stäck, in ganz Oberschlesien von 6b8 000 Stück ergeben. Nach der Vieh⸗ zählung von 1897 hat der Bestand sich allerdings vermehrt. in Oppeln auf 284 850 und in ganz Oberschlesien auf 789 780 Stück. Der Bedarf an importierten Schweinen beträgt ungefähr 70 000, und ein so großer Bedarf kann doch nicht aus den geringen Beständen des Regierungs⸗ bezirks Oppeln und der Provinz Schlesien gedeckt werden. Und trotz der Tarifermäßigungen hat ein Ersatz aus anderen Provinzen auch nicht beschafft werden können. Die Bildung eines Ringes von Händlern und Fleischern begründet die hohen Schweinefleischpreise nicht, jedenfalls nicht heute, wo der Preis so sehr hoch ist. Die Au⸗ sicht, daß die Grenze erst bei dauernder Seuchenfreibeit überall im Auslande geöffnet werden dürfe, stellt sich über das Gesetz. Das Viebseuchengesetz stellt die Bedingungen sest, unter welchen allein die Grenze gesperrt werden darf; mit einer absoluten Grenzsperre würden wir also den Boden des Gesetzes verlassen. Die Erfahrungen mit den russischen Schweinen beweisen, daß ia Rußland die Ver— hältnisse jetzt besser geworden sind. Die russischen Schweine werden auch in vollständig geschlossenen Wagen direkt in die Schlachthäuser eingeführt und binnen 24, längstens 48 Stunden geschlachtet. Die Wirkamkeit dieser Maßregeln ergiebt sich daraus, daß wir in Beulben seit Mai 1857 feinen Seuchenfall gehabt haben. Man kann unter solchen Sicherbeitsmaßregeln die größeren Städte, nament⸗ lich im oberschlesischen Industriebezirk, mit russischem Schweinefleisch versorgen, ohne die Landwirthschaft zu gefährden. Diese Art der Ein- fubr hält die Seuchen mehr fern als der jetzige Grenzverkehr. Das bat das Reichs⸗Gesundheitsamt festgestellt. Deshalb muß das Kon—⸗ tingent für die Schweineeinfuhr, natürlich unter den jetzigen Kautelen, ganz beseitigt oder wenigftens erheblich erhöht werden. Aller- dings ift das Kontingent in der letzten Zeit nicht einmal ganz aus. genutzt worden, j. B. sind von dem Beuthener Kontingent von 525 Stück pro Hr. in der Weihnachtswoche nur 474 Stück eingeführt worden, das liegt aber an den besonders hohen Preisen. Mit den Preisen im übrigen Lande muß man allerdings die schlesischen Schweinefleisch⸗ preise nicht vergleichen, sondern man muß die Preise vergleichen, wie sie früher und jetzt in Schlesien gewesen sind. Die Kontingentierung bat wesentlich dazu beigetragen, die Fleischpreise zu erhöhen. Denn die Folge der Kontingentierung ist, daß auch die ausländischen Händler enau wissen, es dürfen nur so und soviel Schweine auf den Markt ge⸗ kerch werden. Die Leute stecken mit einander unter einer Decke, sie bereden sich, es kommt nur die Kontingentzahl auf den Markt, und die Preise steigen in ungemessener Weise. In der Meinung, daß man den Zwischenhandel vollständig entbehren könne, hat nun die Regierung das Kontingent für Schweine an die einzelnen Fleischer vertheilt. Diese wohlgemeinte Maßregel hat sich als unnützlich erwiesen. Früher ging eine große Anzahl preußischer Importeure tief nach Rußland hinein und kaufte größere Mengen mit viel geringeren Spesen zu günftigen Preisen. Der Fleischer, der seine sünf Schweine kaufen will, „ist dem russischen Großhändler auf Gnade und Ungnade ausgeliefert, Die Regierung in Oppeln hat dies auch zugegeben. Die ganze Maßregel hat preissteigernd gewirkt. Ich bin ganz der Ansicht des Abg., Paasche, daß man diese ganze Kontingentierung sollte fallen lassen. Deshalb halte ich den Vorschlag des Abg. Roesicke, die Grenze ganz zu sperren, für un— durchführbar. Zu einer solchen rigorosen Maßregel baben wir auch nach der Statistik keinen Anlaß. Die Seuchensälle in den Gemeinden des Regierungsbezirkes Oppeln standen im letzten Jahre ganz erheblich jͤurück hinter denen in den rheinischen Gemeinden. ger Roesicke bat auf die hohen Gebühren der Schlachthäuser bin gewiesen. Ich glaube, daß die Schlachthäuser im großen Ganzen eine sebr segensreiche Einrichtung sind; ihnen ist es wesentlich zu verdanken, wenn man mehr und mehr die Seuchen mit Erfolg be— kämpfen kann. Es ist die Möglichkeit einer strengen Kontrole gegeben und zwar in einem Umfang, wie er sonst nicht möglich ist. Ein ab soluter Schutz gegen das Ausland ist überhaupt nicht möglich; denn wir können uns gegen das Ausland nicht bermetisch verschließen. Des— balb möchte ich die Regierungen und auch den Landwirthschafts— Minister dringend bitten, im Interesse der Ernährung der Bepblke— rung den Anregungen des Abg. Roesicke jedes Gebör ju versagen. Abg Rickert (fr. Vgg.): Die Reichsregierung wird wohl nicht umbin können, dem Reichstage das vollständige Material vorzulegen und zwar vor der Berathung des in Vorbereitung befindlichen 6. schaugesetzeß. Die Viehzucht bat in Deutschland, und zwar seit der Zeit der Handelsverträge, dieser Verträge, von denen die Herren (rechts) nichts wissen wollen, erhebliche Bertschritte gemacht. Darüber freuen wir ung. Ich kann mich der Erklärung des Landwirthschafts⸗ Minifters anschließen und will auf Treu und. Glauben annehmen, daß die deutsche Regierung weder früber noch jeßt auch nur eine sanitäre Maßregel habe benutzen wollen, um die Preise zu fen Wer hat diesen Verdacht im Inlande oder Auslande r, g en? Ift das die linke Seite des Hauses? (Zuruf rechtz: Jawohl ) berufe mich auf die Autorilät des Landwirthschaste⸗-Ministers selbst. Als der Bund der Landwirtbe 1896 die völlige Sperrung der Grenze verlangte, sagte der Landwirthschafts. Minister im Ab- geordnetenhause, daß er die Verhandlungen über die Antrãge in Abgeoronetenhause bedauere, weil die Art und. Weise der Verhandlungen nicht zum Nutzen der Landwirthschaft gereicht, da darauJ viele Schwierigkelten in den Beziehungen zum Auslande entstanden seien. Jetzt enn man, daß die Freisinnigen sich auf das Ausland berufen hätten. Damit will man die Bauern fangen. Die Pertrefer des Bunde der Landwirthe haben ausdrücklich damals erklärt, ef darf die Grenjsperre eine Pretesteigerung hervorgerufen werden müsse. Auch lim Februar 1898 sprach der Meinister von Hammerstesn dabon, baß der Abg. Ming durch selne n n n gen Ten Verbacht erregt habe, eg ses eine Preissteigerung beabsicht . Herr Roessck- reheie elner dauernden Sperre der Grenze im Interesse Fober Preise vag hort. Ist dag nscht eine Politit, die den Verträg bricht? hat ber Minlster ebensu von einer internationalen Politik gesprochen, als das en rr erf g anqeregt wurde, dag auch einen Vertrags—« bruch in sich schloß ? Mintsier von Hammersleln mag la dag Be— därfniß haben, sich mit pen Agrarlern gut zu stellen, ber er soll das nicht auf Rosten ber linken Seite thun. Mich wundert, daß dle

Herren Bundesrathsvertreter von Hamburg und Lübeck das so ruhig mit angehört haben. Sie fd auch international oder antinational, denn Sie haben ja eine Oeffnung der Grenzen verlangt, und zwar in derselben Schärfe wie die Sozialdemokraten. Soll man über diese Dinge nicht einmal mehr frei sprechen können, ohne sofort als inter⸗ national verschrieen zu werden? Wir haben alle ein Interesse daran, uns dagegen zu verwahren, daß in dieser Weise hier vom Regierungs⸗ tische aus von den Abgeordneten gesprochen wird.

Darauf wird gegen 5isg Uhr von den Konservativen und Nationalliberalen ein Schlußantrag eingebracht, über den Abg. Singer (Soz.) die namentliche Abstimmung beantragt, 3 er auch die genügende Unterstützung von 50 Anwesenden bei den Sozialdemokraten und Freisinnigen findet.

Der Schlußantrag wird mit 143 gegen 82 Stimmen ab— gelehnt.

Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten Freiherr von Hammerstein:

. Meine Herren! Wenn gegen die verbündeten Regierungen der Vorwurf, sei es in der Presse, sei es in der parlamentarischen Ver handlung, erhoben wird, die verbündeten Regierungen halten nicht diejenigen Verträge aufrecht, die Deutschland mit dem Ausland ab⸗ Heschlossen habe, so ist namentlich dann, wenn der Beweis für die Berechtigung dieser Behauptung nicht klar und bestimmt er— bracht wird, das mindestens ein sehr unvorsichtiges Vorgehen und ein Vorgehen, das die Stellung Deutschlands im Auslande keinesfalls erleichtert (sehr richtig! rechts), das aber wohl geeignet ist, sie erheblich zu erschweren. Sehr richtig! rechts).

Ein solcher Vorwurf ist bei der Eröffnung der Generaldebatte von dem Herrn Abg. Richter erhoben worden und er ist erneut von dem Herrn, der zuerst in der gestrigen Verhandlung von der linken Seite sprach, von Herrn Fischbeck, und ich habe mich genöthigt ge— sehen und halte diesen Ausdruck, den ich gethan, auch jetzt noch auf⸗ recht, zu erklären, daß jede derartige Aeußerung, die geeignet ist, unsere internationalen Beziehungen zu erschweren oder zu trüben, mag sie öffentlich in der Presse oder im Parlament gemacht werden, als eine Handlung nationaler Art nicht zu betrachten ist. (Sehr richtig! rechts.)

Meine Herren, wenn mir ferner zum Vorwurf gemacht ist, daß ich auf die Aeußerungen des Herrn Abg. Dr. Rösicke nicht erwidert habe, so habe ich das nicht für erforderlich gehalten, weil diese Forderung des Herrn Dr. Rösicke in der Presse des Bundts der Landwirthe seit Jahr und Tag aufgestellt, aber immer abgelehnt ist. Die Re— gierungen sind dieser Forderung immer entgegengetreten und haben dieselbe als eine sachlich nicht berechtigte und mit den Handelsverträgen nicht vereinbare Forderung bezeichnet.

Meine Herren, dann hat der Herr Abg. Rickert auf Verhand⸗ lungen Bezug genommen, die im preußischen Abgeordnetenhause ge⸗ führt sind. Eigentlich gehören diese Verhandlungen nicht hierher. Ich nehme aber keinen Anstand, darauf einzugehen. Meine Herren, der Herr Abg. Ring hakte eine Interpellation eingebracht, worin er beantragte, die preußische Staatsregierung möge, soweit sie in der Lage wäre, beziehungsweise bei der Reichsregierung dahin wirken, daß die Seuchen und sanitäre Polizei strenger wie bisher gehandhabt würde. Der Herr Abg. Ring begründete diesen Antrag an die Staatsregierung damit, daß er sagte, die Viebpreise in Deutschland bewegen sich auf einem so niedrigen Niveau, daß bei der schwierigen Lage der Landwirthschaft es in hohem Grade erwünscht sei, nach der Richtung Abhilfe zu schaffen. Gegen diese Deduktion habe ich damals die Aeußerungen gerichtet, welche der Herr Abg. Rickert eben vorgelesen hat und die ich auch gegenwärtig noch vollständig aufrecht erhalte. Es ist dieselbe Deduktion, welche ich gestern ebenfalls aus. führte, indem ich darlegte, das Ziel der Steigerung der Produktions⸗ preise dürfe nie die Seuchenpolitik verfolgen, es sei aber wohl denkbar, daß Maßregeln auf veterinärem Gebiet diese Wirkung ungewollt herbeiführen; das Ziel der Preissteigerung sei mit den Handelsver⸗ tragsbestimmungen nicht vereinbar. Dasselbe habe ich gestern aus. geführt, dasselbe habe ich den Darlegungen des Herrn Ring gegen über bei der Begründung seiner Interpellation ebenfalls ausgefübrt. Wie man daraus einen Widerspruch in meinen gestrigen Erklärungen gegen die, die ich im Abgeordnetenbause abgegeben habe, herzuleiten vermag, ist mir, aufrichtig gesagt, unverständlich.

Meine Herren, dann ist noch Bezug genommen auf eine Aeußerung, die ich gestern gemacht habe, die ich habe das aus dem stenogra⸗ phischen Bericht bereits feststellen können zu einem Mißverständniß Anlaß gegeben hat. Im stenograpbischen Bericht war nämlich an einer entsprechenden Stelle, wo ich gesagt batte: „Die außer deutschen“, gesagt „die deutschen', das Wort außer‘ war weggelassen. Daraus konnten die Hansestädte einen Vorwurf folgern. Der Zusammenhang, in welchem das fortgebliebene Wort zu dem vorher Gesagten stebt, legt schon klar, daß die mir untergeschobene Absicht nicht vorgelegen hat, jedenfalls ist das Mißverständniß im stenographischen Bericht richtig gestellt. Der Herr Bürgermeister Versmann ist heute Morgen schon bei mir gewesen zu einer Zeit, wo ich den stenographischen Bericht noch nicht besaß. Ich habe dann aus dem stenographischen Bericht ersehen, daß, wie es ja sehr leicht passieren kann, statt deutsch“' das Wort „außer deutsch“' lauten mußte. Ich habe keinen Anstand genommen, dies Versehen zu berichtigen, um so mehr, als aus dem Zusammenhang, in dem ich gesprochen hatte, schon ganz klar hervorging, daß ich einen Vorwurf gegen die Hansestädte weder erheben konnte noch erheben wollte. Der Herr Bütgermeister Versmann hat sich damit vollständig beruhigt. Es gereicht mir zur Befriedigung, daß et mir möglich ge wesen ist, dies Mißverständniß, was auch bereits Aufnahme in die Presse gefunden hat und das heute wieder benutzt ist, um einen gewissen Widerstreit der verbündeten Regierungen gegen Hamburg, Lübeck u. s. w. herbeizuführen, hier öffentlich vor dem Hause auf zullären und zu berichtigen. (Bravo! rechts.)

Abg. Haase (Soz.) fübrt aus, es bandele sich um die Frage, ob die deuische Landwirthschaft den inländischen Bedarf an Vleb und daneben n! noch an Brotgetreide decken könne. Selbst wenn die Produktion der Futtermittel noch erheblich intenstoer gestaltet würde

und selbst die Moorländerelen zu Kulturjwecken umgewandelt wärden,

würde nach der Statistik die Landwirthschaft nicht den inländischen Bedarf an Brot und Fleisch allein decken können. Nur wenn der Getreidebau ganz bel Seite gesetzt würde, könnte die Viehzucht so weit ausgedehnt werden. Während sich aber die Bevölkerung in fünf Jahren um 60,0 vermehrt habe, sei die Produktion nur um 2,9 o gestiegen. Doch diese Frage der Gelehrten inter essiere den armen hungernden Mann nicht, er sehe die Fleischnoth in der Vertheuerung. Wie sel die Enquste veranstaltet worden? Die Landwirthschaftskammern hätten den befragten Landwirthen aus ihren Rüstkammern alles Material zur Verfügung gestellt, welches auch in der Presse vorgebracht sei. Der Abg. Iskraut, den seine Wähler ja nicht mehr in den Reichstag geschickt hätten, habe behauptet, daß die hohen Fleisch ; preise in Königsberg dem jüdischen Händlerring in die Schuhe zu schieben seien. Die Viehhaͤndler, von denen Herr Iskraut gesprochen habe, seien sämmtlich Christen. Die Sachkenner hätten dagegen festgestellt, daß es sich nicht um einen Ring von fünf Händlern handelte, die sich untereinander verständigten, sondern daß fünszig Viehhändler vorhanden wären, die sich bittere Konkurrenz machten. Die Behauptung von dem Händlerring sei auch von dem Sekretär der Landwirthschafte kammer aufgestellt worden. Wenn die Regierung aus diesen Quellen ihre Kenntunisse schöpfe, dann müsse seine Partei ihrer Enquste großes Mißtrauen entgegensetzen, zumal die Untersuchungen des Königsberger Magistrats zu ganz anderen, Ergebnissen kämen als die der Landwirthschaftskammern. Bezüglich des Einflusses der Viehmarkts⸗ und der Schlachtgebühren könne man wohl den Berechnungen der Stadtverwaltungen mehr trauen, als den Berechnungen des Herrn Roesicke. In Königsberg seien die Schlachtungen um 8 b. H., bei den Schweinen sogar um 14 v. H. zurückgegangen trotz der gestiegenen Bevpölkerungsziffer. Das Beispiel der Militärverwaltung bedeute nichts; denn sie schließe langfristige Verträge und habe mit Massen⸗ lieferungen zu thun. Die Arbeiter könnten . zum theil gar kein Fleisch mehr genießen. Ebenso gehe es in andern Städten; die staͤdtischen Behörden hätten sogar vielfach Theuerungszulagen gewährt. Der Ham⸗ burger Senat erkenne auch die Preissteigerung überall als vorhanden an. Eine Gefährdung des Viehbestandes wolle niemand herbeiführen. Gs frage sich nur, ob die Grenzsperre in der Ausdehnung, wie sie bestehe, gerechtfertigt sei. Das müsse bezüglich n , bestritten werden, das durchaus seuchenfrei sei. Die angrenzenden russischen Gouvernements seien ebenfalls seuchenfrei. Die absolute Grenzspertre würde dem Gesetze widersprechen, und schon gegenwärtig setzten sich die Behörden über die gesetzlichen Vorschriften hinweg, wenn sie überhaupt die Grenzsperre noch aufrecht erhielten, für die ein gesetzlicher Grund garnicht mehr vorliege. In Rußland erkenne man auch deutlich, daß die Seuchengefahr nur ein Vorwand sei. Bei den Wahlen, speziell im Wablkreise des Grafen Klinckowstroem, habe man ein Flugblatt verbreitet, in dem Die ländlichen Arbeiter damit angelockt worden seien, daß die Sozialdemokraten die Schweineseuchen vom Auflande einlassen wollten. Die Wirkung dieser Flugblätter sei der⸗ artig gewesen, daß 18 000 Stimmen des platten Landes auf den Sozialdemokraten entfallen seien, gerade so viel, wie die Konservativen verloren hätten. Durch die Fleischnoth würde die Unzufriedenheit gesteigert. Wenn die Sache so weiterginge, dann würden die Sozialdemokraten davon die Früchte ernten.

Abg. von Janta-Polezynski (Pole) glaubt, daß die kleinen Landwirthe in seiner Gegend lieber auf die Getreidezölle verzichten würden als auf den Schutz des Viehstandes, der durch die Grenz⸗ sperre gegeben werde.

Abg. Schrempf (d. kons). wendet sich gegen den Abg. Haase, der auf die Landwirthschaftzkammer in Ostpreußen exemplifiziert und von diesem Standpunkt aus generalisiert habe. Die Klagen, fährt Redner fort, kommen hauptsächlich aus den Großstädten; die Debatte hat aber ergeben, daß ein ausreichender Viehstand zur Ver sorgung des Volkes vorhanden ist, daß ferner die Bauern nicht er⸗ heblich höhere Preise erhalten haben, daß ie also nicht an dem Fleischwucher schuld sind, wenn er vorhanden sein sollte. Wohin sollen wir kommen, wenn wir Aeußerungen der fremden Re⸗ glerungen den Aeußerungen unserer Regierung gegenüberstellen Das dient nicht zur Hebung des Ansehens des Dentschen Reichstages. Rußland ist nicht seuchenfrei, es sind dort 47 000 Seuchenfälle kon statlert. Die Grenzen, können also im 2sten nicht geöffnet werden. Die Agitation gegen die angeblich hohen Fleischpreise richtet sich gegen die Existenz der Landwirthschaft, und dagegen müssen wir uns ent schieden wenden. Es handelt sich nicht um eine Frage des ostpreußischen Großgrundbesitzes; so, wie mein Kollege Nißler gesprochen bat, denken g9 oso aller füddeutschen Bauern. Wir haben geseben, daß der Hieb die beste Parade ist. Die Herren von der Linken wollen auch helfen, aber schließlich kommt es darauf binaug, daß die Bauern sich selbft belfen sollen, und das können. sie nicht. Nur radikale Mittel belfen. England sperrt seine Grenze und ist frei von Maul⸗- und Klauenseuche. Die Gesundheitszeugnisse aus dem Auslande baben gar keinen Werih. Die Bauern würden mit der Miftgabel auf das Ratb. baus ziehen, wenn der Bürgermeister das Gesundbeitszeugniß für das verkaufte Vieh verweigern wollte. Die amerikanischen Zeugnisse sind auch nur eine Art amerilanisches Doktordiplom. Es bandelt sich hier nicht um eine Doktorfrage, sondern um die Existenz des bauer ; lichen Mittelstandes. Wenn die Parlamentarier nicht glauben wollen, daß es sich hier um nationale Fragen handelt, dann wird das Volk es uns beweisen. Der Bauernstand wird nicht so leicht zu Srunde gehen, aber zu Grunde gehen werden die kleinen Handwerker and Geschäftsleute, welche von dem Bauern leben. Sie mögen den Kezf schütteln und meinen: das sind Gemeinplätze. Wir wollen diele Fragen nicht als Parteifragen betrachten, sondern sie leidenschaftelos heurtheilen. Die Thatsachen haben uns recht gegeben, und dagegen sind die Herren von der Linken nicht aufgekommen.

Staatssekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. Graf von Posadowsky⸗Wehner:

Meine Herren! Ich bedaure, in dieser vorgerückten Stunde noch das Wort ergreifen zu müssen; ich tbue es nicht gern, aber die Aeußerungen des Herrn Abg. Haase kann ich bier vom Regierungs- tisch aus nicht unwidersprochen lassen. Der Herr Abg. Haase dat ausdrücklich zugestanden, daß die verbündeten Regierungen verpflichtet sind, dort Absperrungsmaßregeln anzuordnen, wo die Cinschleppang von Seuchen zu befürchten ist. Der Herr Abgeordnete bat aber ferner behauptet, daß eine solche Gefabr in verschiedenen Fällen nicht dorliege. die er näher bezeichnete. Ich kann dem Herrn Abgeordneten derstchern. und die Konstruktion unseres ganzen öffentlichen Dienstes füdrt deren; bin, daß unsere Kenntniß der Dinge in dieser Beniebung keder eng sehr viel weiter gebt als die Annahme des Oerrn Abe. Mae, nad daß wir gründlichere Kenntniß von den Dingen auch ed Nderee. haben, von welchen offijielle statistische Dater nicht derdseden-, Oc kann dem Herrn Abg. Haase erklären, daß die Aunaderen, der r dene ausgesprochen bat, nichts wie ein schöner Trasra Red rd d ede in einem engeren Gremium vielleicht elanmal Gelee dend de dea dan für diese Bebauptung, die ich derte der e Meese, garstelle. positive Beweise zu erbring Dd wöcdte ader dem Verrn

Abgeordneten empfeblen, wenn er fad n den Stirn für Geseg⸗