Deutscher Reichstag. 10. Sitzung vom 13. Januar 1899, 12 Uhr.
Tagesordnung: Fortsetzung der ersten Berathung der Gesetzentwürfe, betreffens die Friedenspräsenz⸗ stärke des deutschen . und betreffend Lenderungen des Reichs⸗Militärgesetzes.
Abg. Bebel (Soz.): Die beiden Redner der konservativen Gruppen seien in ihren Ausführungen sehr von einander ab⸗ gewichen. Freiherr von Stumm wolle die Vorlage unbesehen be⸗ willigen, Herr von Levetzow wolle erst das Hern ng prüfen. Dieser Widerspruch erkläre sich daraus, daß Freiherr von Stumm Vertreter der Großindustrie fei, welche alle Zeit über genügende Arbeits- kräfte verfüge, während der Landwirthschaft die Arbeitskräfte mangelten; deshalb habe Herr von Levetzow Bedenken wegen der Landwirthschaft trotz aller Vortheile, welche der Militarismus ihr bringe. Durch die Erfüllung der Militärpflicht verlören die vom Lande stammenden Soldaten den Geschmack am ländlichen Leben und daraus entftehe die Landflucht der Arbeiter. Der Kriegs⸗Minister habe freilich gemeint, daß Deutschland durch die Kundgebung des russischen Kaisers gegen einen Krieg von dieser Seite gesichert sei, während Freiherr von Stumm habe glauben machen wollen, daß jetzt mehr denn jemals die Gefahr eines Krieges mit zwei Fronten vorhanden sei. Gr (Redner) stimme dem Kriege⸗Minister bei, daß es selbst dem mächtigsten Monarchen nicht gelingen werde, die Interessen und Exiftenzgrundlagen eines Volkes zu ändern. Aber alle zivilisierten Mächte besäßen den lebhaften Wunsch, jetzt nicht in einen Krieg ver= wickelt zu werden. Die großen Opfer, welche gegenwärtig ein Krieg erfordern würde, zwinge alle diejenigen, welche in der Regierung ständen, alles zu thun, um einen Krieg zu verhindern. Wenn der Kaiser von Rußland Reformen einführen wolle, so könne er im eigenen Lande genug thun, indem er die politischen und religiösen Verfolgungen unterdrücke ꝛc. Die Grundsätze, welche der russische Kaiser ausgesprochen habe, seien in den europäischen Par⸗ lamenten seit Jahrzehnten ausgesprochen worden. Es erscheine als eine Verhöhnung, wenn die Regierung diesen Grundsätzen des russi⸗ schen Kaisers jzustimme und in demselben Augenblick eine solche Militärvorlage mache, welche die Uebelstände vermehre und verschärfe, gegen welche der Kaiser einschreiten wolle. (Präsident Graf von Ballestrem Das Wort Ver höhnung!“ in dem Zusammenhang ist nicht parlamentarisch), das möge nicht parlamentarisch sein, aber es sei wahr! (Präsident Graf von Ballestrem: Jetzt rufe ich den Redner zur Ordnung, weil er sich meinen Anordnungen widersetzt hat) Die Sozialdemekraten hätten es immer vorausgesagt, daß die fortwährenden Rüstungen sowohl in finanzieller wie in wirthschafrlicher Beziehung schließlich zur Anarchie führen müßten, wie man es jetzt auch an anderer Stelle erkenne. In den letzten zwei Jahren habe sich eine voll⸗ ständige Verschiebung der volttischen Zustände gezeigt; in einem Kriege Rußlands und Frankreichs gegen Deutschland würde England jetzt eine große Rolle spielen, aus eigenstem Interesse. Die Verhältuisse zwängen Rußland dazu, jeden Krieg zu vermeiden. Die russische Landwirtbschaft babe mehrere schwere Notkjahre hinter sich; der russischen Wirthschaft feble es an Kapital, die Finanzlage sei eine sehr bedenkliche; deshalb könne Rußland an einen Krieg im großen Stil nicht denken. Auch die orientalische Frage liege beute so günstig, daß auf Jahre hinaus keine ernsthaften Verwickelungen daraus enistehen würden. Frankreich fühle sich auch wohl nicht in der Lage, allein einen Krieg gegen Deutschland zu be⸗ ginnen. Deutschland befinde sich vor Frankreich in einem Vorsprunge dadurch, daß durch die Freiwllligen die Aushebungsziffer erheblich vergrößert werde. Frankreich müsse. ferner aus seiner Armee die Truppen für die Kolonien stellen. Seit 1889 seien im Vergleich zu dem Jahrzehnt vorher für das Heer 1688 und für die Marine 361 Millionen mehr verausgabt worden. Die Kulturaufgaben litten darunter. Für die Verhütung der Ueberschwemmungen, welche Tausende von Familien jährlich in ihrem Nahrungestande gefährdeten, babe aber der Staat die erforder- lichen wenigen Millionen nicht übrig. Die Deutschen seien nicht das reiche Volk, als welches die Militärschwärmer sie darstellten. Die Kundgebung des russischen Kaiseis babe in England Anklang ge— funden, aber in Deutschland nicht überall, namentlich nicht in solchen Kreisen, von denen man es am ersten erwarten sollte. Redner er= innert an die Aeußerungen des Professors Kahl und des Generals von Boguslawski. Durch die wirthschaftlichen Verhältnisse seien Härte von Arbeitern brotlos gemacht worden. Deshalb ätten die Proletarier durchaus keine Neigung, ihr Blut auf den Schlachtfeldern zu opfern. Die Opferfreudigkeit anderer Personen, z. B. des Wiener Arztes, der an der Pest gesterben sei, stehe weit böher als alle Opferfreudigkeit auf den Schlachtfeldern. Daß auf der , , , ne prozentuale Abrüstung beschlossen werden sollte, glaube er nicht. Es gebe aber auch andere Wege der Abhilfe, die gangbar seien, namentlich wenn eine wie Deutschland dafür eintrete. Man könnte 20 Jahre die Aufrechterhaltung des status quo festlegen. Gewisse Bevälkerungsklassen bätten allerdings ein JInteresse an der Beibehaltung der Armee. Aber der immer dringender werdende Kampf um das Dasein zwinge alle Bevölterungsklassen, darauf Werth zu legen, daß die intelligenten Kräfte nicht zu lange durch den Mili⸗ tarismus in Anspruch genommen würden. Die Sozialdemokratie sei stets bereit gewesen, für Bildungs zwecke Opfer zu bringen. Trotzdem habe der Kultus. Minister Dr. Bosse einen Sozialdemokraten als stagts⸗ gefährlich von der Theilnahme an einer Schuldeputation ausgeschlossen. Die Sozialdemokraten wollten die Kinder von Jugend auf militärisch erjogen wissen, damit die eigentliche Dienstzeit verkärzt werden könne. Für diese Ideen sei früher auch das Bürgerthum eingetreten, z. B. der deutsche Nationalverein unter Vorsitz des Herrn von Bennigsen noch im Jahre 1865. Referent sei damals Herr Blum . Heidelberg gewesen. Redner behauptet ferner, daß auch aktive Militärs für ein Volksheer einträten, so der Oberst von Bernhardi, der im ebruar v. J. in einem Vortrage neben der eigentlichen
ktiongarmee die allgemeine Volksbewaffnung verlangt habe. Als Vorbereitung dafür schlage er (Redner) die allgemeine militärische Jugenderziehung vor. Wie vortrefflich die Miliz sich bewähre, das sebe man in der Schweiz. Die Leistungsfähigkeit der dortigen Miliz finde selbst bei deutschen Offizieren Anerkennung. Was das kleine amerikanische stehende Heer und die sich daran anschließende Milij im Kriege gegen Spanien geleistet hätten, sei noch in Aller Gedächtniß. 3 erklärt sich zum Schluß namens seiner Partei gegen die
orlage.
Kriegs⸗Minister, Generalleutnant von Goßler:
Der Herr Präsident hat bereits die Güte gehabt, den Ausdruck zurückjuweisen, den der Abg. Bebel in Betreff der Militärvorlage im Zusammenhang mit dem Manifest Seiner Majestät des Kaisers von Rußland gebraucht hat. Wenn der Herr Abg. Bebel die Militär- vorlage objektiv prüfen wollte, dann würde er darin den Unterschied nden, den ich am gestrigen Tage bereits auseinanderzusetzen versucht habe. Wir haben die Begründung in vollkommen obiektiver Form gebalten und auf eine von außen drohende Gefahr in keiner Weise bingewiesen. Wir erstreben eben nur eine Vervollkommnung der Armee, und zwar in mäßigen Grenzen, und auch eine vom Abg. Bebel selbst nach seinen Prinzipien ins Leben gerufene Organisasion würde ihn im Laufe der Zeit zu weiterer Vervollkommnung derselben drängen.
Die Auffassung über das erwähnte Manifest ist eine verschiedene. Die Regierung geht davon aus, daß dasselbe die Grundlage für eine friedliche Weiterentwickelung sei und daß dementsprechend das Maß der Rüstungen eingeschtänkt werden kann. Eine wesentlich andere Auffassung scheint in der sozialdemokratischen Partei nach den mir vorllegenden Aeußerungen derselben über das Manifest zu herrschen.
So wird z. B. in einem Artikel des Vorwärts“, der alsbald nach dem Mantfest des Kaisers von Rußland erschien, gesagt: „daß dieses Manifest, ein Trick der russischen Diplomatie, nur geeignet wäre, die öffentliche Meinung zu verwirren, und daß die Friedenskonferenz den Anbruch einer Periode fürchterlichen Blut vergießens und nicht den Beginn einer Aera ewigen Friedens in Scene zu setzen bestimmt sei.“
Auch der Abg. Bebel selbst hat sich auf dem sozialdemokratischen Parteitag in Stuttgart in dieser Hinsicht dahin geäußert: „Daß die Frage, welche die russische Regierung gestellt habe, durch die euroväischen Regierungen gelöst werde, daran glaube er nicht“. — und der Abg. Liebknecht hat hinzugefügt, wenn ich das wörtlich vorlefen darf:
Die bürgerliche Gesellschaft ist am Ende ihres Latein! Ueberall Verwirrung und Kopflosigkeit. Da kommt z. B. der russische Kaiser, er, dessen Regierung wesentlich schuld daran ist, daß Europa von Waffen starrt, und macht den Vorschlag der allgemeinen Abrüstung. Das war eine Farce; ob ein kluger Streich, das weiß ich nicht, aber ich glaube kaum. Welcher Thor sollte sich dadurch haben täuschen lassen?“
Wenn das die Anschauungen der sozialdemokratischen Partei sind, so begreife ich nicht, wie der Abg. Bebel es uns zum Vorwurf machen kann, daß wir überhaupt jemals noch einen Krieg in Aussicht nehmen könnten; dann, meine ich im Gegentheil, müßte diese Vor- lage nach der Anschauung der Herren Sosialdemokraten viel zu gering sein.
Der Herr Vorredner hat dann den Nachweis versucht, daß die Wahrscheinlichkeit eines Kriegs im höchsten Maße gering sei, und hierfür Beispiele aus Ost und West vorgebracht: da muß ich mich doch fragen, wie er dazu kommt, in seinen eigenen Broschüren eine Armeestärke zu fordern, die die unsrige doch weit übersteigt. Ich habe bereits im vorigen Jahre die Zahlen genannt: der Verfasser der betreffenden Broschüre, ‚August Bebel“, fordert in derselben für die deutsche Armee eine Stärke von 8 669 000 Mann. (Hört! hört! rechts. Zuruf bei den Sozialdemokraten.) — Es steht bier wörtlich:
Die schweizerischen Wehrverhältnisse auf deutsche Verhältnisse übertragen, würde an Zahl der Mannschaft das 1735fache heraus⸗ kommen, also für den Auszug 2537 000 Mann, die Landwehr 1453 000, den bewaffneten Landsturm 952,000, den unbewaffneten Landsturm 3 727 000 Mann.“
Das einfach zusammengerechnet, ergiebt 8 669 000 Mann, eine
Zahl, die unzweifelhaft richtig ist. Ich gebe allerdings gern zu, daß die Organisation dadurch eine eigenthümliche geworden ist, daß von diesen 87 Millionen Mann 3727 000 Mann unbewaffnet sein sollen. (Heiterkeit) Denn das wäre doch meines Erachtens die größte Tragik der Weltgeschichte, wenn man rund 4 Millionen unbewaff nete Deutsche gegen einen Feind führen wollte, der mit Schnellfeuergeschützen und schnellfeuernden Gewehren ausgerüstet ist. (Sehr gut! rechts) Zu dieser Ziffer sind übrigens noch, 5 b50 000 Knaben hinzuzurechnen, wie ich das schon im vorigen Jahre erwähnte, sodaß die bewaffnete Macht mit diesen Knaben zusammengerechnet eine Summe von 14219 000 männlichen Wesen ergiebt. (Heiterkeit Aber auch damit ist das Aufgebot noch nicht erschöpft; denn aus einer anderen Broschäre des Herrn Bebel ist zu ersehen, daß auch die Mädchen in Exerzitien und Ringkämpfen ausgebildet werden sollen. (Heiterkeit Ich nehme daher an, daß sich die Gesammtzabl noch durch einige Millionen weiblicher Wesen vermehren läßt. (Heiterkeit.) Wenn Herr Bebel derartige Summen für den nächsten Krieg in Aussicht nimmt und für nothwendig hält, dann sind doch unsere An forderungen hiergegen sehr bescheiden. Die von ihm zur Vergleichung der Bevölkerung und der Ausgaben der einzelnen Staaten angeführten Zahlen lassen sich hier auf ihre Richtigkeit nicht prüfen, das wird für die Kommissionssitzungen vorbehalten bleiben müssen. Wenn aber finanzielle Rücksichten gegen unsere Organisation und die jetzige Vorlage ins Feld geführt werden, so, glaube ich, wird die Prüfung ergeben, daß wir denselben in jeder Weise Rechnung ge— tragen haben.
Die von Herrn Bebel über die einzelnen Ausgaben und die Staatsschulden aufgeführten Zahlen sind an sich ja ganz interessant,
ich möchte ihn aber bitten, mit denselben einmal zu vergleichen, was
seine Organisation kosten würde. Ist es auch sehr schwer, der. sozial⸗ demokratischen Heeresordnung zu folgen, weil man sich sehr hütet, im Detail die Ausgaben zu berechnen, so bin ich nach meiner Tenntniß der Verhältnisse doch fest überzeugt, daß diese Organisation wesentlich theurer sein und zu erheblich höheren Schulden geführt haben würde.
Der Gedanke, alle Differenzen zwischen großen Nationen durch Schiedsgerichte zu erledigen, ist nicht neu, haben wir doch oft genug in der großen Politik Schiedsgerichte zu verzeichnen gehabt. Unmög—⸗ lich ist aber die Anwendung solcher Schiedsgerichte, wenn Lebens interessen eines großen Volkes in Frage stehen; dann wird die Gxistenz eines Volkes einfach majorisiert, mit anderen Worten: „Die Existenz der Nation hört auf, wenn durch das Schiedsgericht eine Majorisierung stattfindet.“
Der Gedanke, die Armee sei eine Versorgungsanstalt für höhere Stände, ist wohl kaum ernst zu nehmen. Denn wenn diese Stände unt ihre Söhne nicht in die Armee gäben, dann würden die Leistungen, die vom Offisierkorps im Kriege verlangt werden, unmöglich sein. Daß wir den Kreis des Ersatzes des Offizierkorxs außerordentlich aus⸗ gedehnt haben, ist ja allgemein bekannt. Wir würden auch den Ersatz für die große Armee garnicht allein aus adligen Kreisen decken können, und so überwiegt denn das bürgerliche Element in der Armee bei weitem, und auch in den höheren Stellen ist die Zahl der bürgerlichen Offiziere und Generale im dauernden Steigen begriffen.
Die Annahme, daß die Rekruten aus ländlichen Bezirken für die Armee weniger geeignet wären als Arbeiter, ist nach unseren Er⸗ fahrungen nicht begründet. Wenn ich die Wahl zwischen einem intelligenten Arbeiter und einem intelligenten Mann vom Lande habe, so nehme ich sie beide gleich gern. Prinzipiell aber ju sagen: der Arbeiter ist intelligenter als der Rekrut vom Lande, das ist unrichtig (sehr wahr! rechts, und ich kann noch hinzufügen, daß nach den von uns in eingehendster Weise angestellten Er⸗ mittelungen die landwirthschaftlichen Bezirke durch die Aushebung
zweifellos mehr belastet werden als die Städte. Der vom Lande
gestellte Ersatz ist in jeder Hinsicht ein guter. Es ist übrigens sehr schwierig, ju richtigen Vergleichszahlen zu kommen, da ein großer Theil der auf dem Lande aufgewachsenen jungen Leute später in die Fabriken geht. In den Fabriken sind das die kräftigsten Elemente und die besten Arbeiter, die ihre Jugend auf dem Lande verlebt haben.
(Sehr richtig! rechts.)
Was die militärische Erniehung der Jugend anlangt, so ist unsererseits gegen ein eifriges Turnen nicht das Geringste einzuwenden. Im Gegentheil, wir würden sehr dankbar sein, wenn die Entwickelung der körperlichen Kräfte der Jugend in noch höherem Maße statt-⸗ finden könnte. Aber der Gedanke, die Jugend militärisch auszubilden, würde zur Spielerei führen; denn nimmt man die militärische Aus-
bildung ernst, so geht der jugendliche Körper ju Grunde, und macht
man eine Spielerei daraus, so schädigt man die Erziehung der
Jugend. (Sehr richtig! rechts.) Und, meine Herren, daß wir an sich
auch eine verständige militärische Erziehung in der Jugend in gewissen Grenzen in der Armee haben, ergiebt sich äus dem Etat. Ich meine die Kadettenanstalten, und darf ich unter diesen Umständen wohl an⸗ nehmen, daß die sozialdemokratische Partei zukünftig diese Anstalten in jeder Weise fördern wird. (Heiterkeit)
Der Abg. Bebel hat sich schließlich zum Beleg seiner An⸗
schauungen noch auf eine Broschüre des Obersten von Bernhardi be⸗ zogen. Auch mir ist diese Broschüre wohl bekannt. Der Herr Ab⸗ geordnete hat allerdings den Satz vorausgeschickt: wenn ich diese Broschüre richtig verstanden habe, — nun, ich kann wohl sagen, er hat sie nicht richtig verstanden; denn der Oberst von Bern⸗ hardi legt vor allem den größten Werth auf die richtige Stärke des stehenden Herres. Er spricht aus, wie wichtig eine längere Dienstzeit wäre, welche ungeheneren Vortheile daraus erwachsen und wie, wenn an einer kürzeren Dienftzeit festgebalten würde, es nothwendig sei, die Cadres, namentlich an Offizieren, Unteroffizieren und Kapitulanten, zu verstärken. Er weist auf die Ausführungen des Ministers Grafen von Roon hin. Ich glaube, wenn Herr Abg. Bebel diese Broschüre noch einmal auf- merksam durchliest, so wird er sich überzeugen, daß dieselbe ganz im Sinne der Militärvorlage geschrieben ist. Richtig ist, daß der kriegerische Sinn eines Volkes für große Operationen entscheidend ist, und wenn Oberst von Bernhardi darauf hinweist, daß man in den Grenzdistrikten die Landes vertheidigung organisieren muß, so bat er vollständig Recht, und das thun wir auch. Um aber bei der Masse, dem Landsturm, den kriegerischen Sinn zu erhalten, muß man eine Organisation haben, die auch thatsächlich in den älteren Elementen diesen kriegerischen Geist voll zur Verwerthung bringt. t
In Betreff der Besprechung des Milizheeres der Schweiz muß ich mir gewisse Schranken auferlegen. Es ist ein befreundeter Staat, und ich habe in keiner Weise die Berechtigung, eine Kritik zu üben. Daß die Schweizer Bevölkerung an sich eine wehrfähige und wehrtüchtige ist, darüber besteht auch nicht der geringste Zweifel. Aber die Stimmen aus der Schweiz selbst, die Militärliteratur dieses Landes, die Broschüren des Obersten Wille, eines Generalstabg⸗ Offiziers Sonderegger und anderer mehr, deuten doch darauf hin, daß Mängel im Heere der Schweiz vorhanden sind, die dort empfunden werden und dringender Abhilfe bedürfen.
Wenn nun vom Herrn Abg. Bebel, obgleich ich gern das Maß seiner Ausführungen anerkenne, immer wieder von neuem der Wunsch, unser Heerwesen durch kürzere Dienstzeit und andere von ihm em pfoblene Einrichtungen umzugestalten, zum Ausdruck gebracht wird, dann werde ich doch statzig durch das, was seine Partei auf dem Kongreß in Stuttgart verhandelt hat. Dort wurde ganz offen aus—⸗ gesprochen, daß es in erster Linie darauf ankomme, die Armee zu demokratisieren, und daß man das am besten durch Verkürzung der Dienstzeit, die man zunächst auf ein Jahr beschränken möge, erreichen könne, obwohl die Forderung der einjährigen Dienstzeit viel schwerer als die Forderung des Milizsystems nachzuweisen sei. Der Gedanke, die Armee zu demokratisieren, stimmt allerdings mit den militärischen Anschauungen nicht überein; was unsererseits geschehen kann, um diesen Gedanken zu vereiteln, das wird geschehen. (Bravo! rechts.)
Abg. Dr. Freiherr von Hertling (Zentr.): Ich habe in einer Zeitung heute Morgen gelesen, daß noch niemals eine Militärvorlage so ruhig erörtert worden sei, wie die jetzige gestern. Meine politischen Freunde befinden sich in einer sehr glücklichen Situation. Wenn wir heute zur Annahme der wesentlichsten Theile der Vorlage kommen würden, so brauchten auch diejenigen, welche sich 1893 der damaligen Vorlage widersetzten, sich davor nicht zu scheuen. Denn es ist etwas wesentlich Anderes, sich dem Anfang einer Gesetzgebung zu wider setzen, als nachber die Konsequenzen des einmal Beschlossenen zu ziehen. Denn um eine Konsequenz der damaligen Gesetzgebung handelt es sich. Herr Bebel hat es diesmal vergessen, eine Apostrophe an das Zentrum zu richten, welche vor den bedenklichen Folgen der Annahme der Vorlage warnt. Wenn wir aber die Vorlage in ihren wesentlichen Theilen ablehnen sollten, so würde auch das nichts schaden. Es würde nicht gelingen, einen Sturm nationaler Entrüstung gegenüber dem Zentrum zu entfachen, angesichts feiner Haltung zur Verstärkung der Marine. Wir werden die Vorlage sachlich prüfen und nicht nach parteitaktischen Gesichtpunkten. Wenn wir aber auch die Interessen der nationalen Vertheidigung über die Parteiforderungen stellen, so muß ich doch sagen, daß die Einbringung der Vorlage uns überrascht hat. Wir waren der Meinung, daß, nachdem die Seemacht eine so außerordentliche Steigerung erfahren hat, man nicht mit solchen erheblichen Forderungen für die Londmacht kommen würde. Zwischen dem Wortlaut der damaligen Erklärung des Kriegs ⸗ Ministers und dem Inhalt der Vorlage liegt kein Widerspruch vor; aber der Eindruck der Erklärung des Kriegs⸗Ministers war ein der artiger, daß von starken Mehrforderungen zunächst abgesehen werden würde. Und warum kommt man im gegenwärtigen Augenblick mit einer solchen Mehrforderung? Unsere eigene Politit ist eine durchaus friedliche, unsere Verhältnisse zu den Nachbarstaaten geben keinen Anlaß zu Befürchtungen. Freiherr von Stumm hat auf den Dreibund hin gewlesen. Was Oesterreich betrifft, so kann man dem befreundeten Staat nur die lebhaftesten Sympathien aussprechen in der Hoffnung, daß es dem Kaiser gelingen möge, die inneren Wirren zu überwinden. Die finanziellen Schwierigkeiten Italiens sind nur die Felgen der dort be⸗ stebenden politischen und sozialen Schwierigkeiten sowie der ungünstigen wirthschaftlichen Verhältnisse. Das offizielle Italien müßte sich voll- ständig von den revolutionären Elementen trennen, die dort eine große Rolle gespielt haben. Die konservativen Elemente müßten heran-
ejogen werden, und namentlich müßte in irgend einer Weise eine 6. der römischen Frage gefunden werden. So gern ich das jugendliche Gefühl, welches in der Kundgebung des russischen Kgisers liegt, mit Freuden begrüße, der mit dem Palmenzweig an des Jahr⸗ hunderts Neige steht, so ist das Bild doch zu schön, als daß man an feine Ueberführung in die Wirklichkeit glauben könnte. Die russische Diplomatie ist nicht so ideal gesinnt. sondern sehr materiell, so daß man nicht hoffen kann, daß sie die Gedanken des Kaisers erfüllen wird. Wenn überhaupt ein Programm für die Abrüstungskonferenz zu stande kommt, wenn ein Schiedsgericht eingesetzt werden sollte, so würde an die Spitze desselben nur eine Macht ireten, welche außerhalb der materiellen Interessen steht. Das zur Erhaltung der Sic erheit, der Macht und Größe des Vaterlandes Nothwendige müssen wir bewilligen, aber es ist für die Mitglieder des Reichstages außerordentlich schwierig, sich zu überzeugen, daß gerade diese oder jen- Maßregel unbedingt nothwendig fei. Herr von Stumm will alles unbesehen annehmen. Aber das ist nicht gut möglich, weil es sich nicht um ein einheitliches zusammen⸗ hängendes Ganze handelt, sondern um ein Bündel sehr verschiedenartig motivierter Forderungen, deren Begründung nicht frei von Wider
zelt. dieser Beziehung stehe ich ni
sprschen ift. Die Kritik des Herrn von Levetzow war wohl haupt ⸗ j
ichlich motiviert durch eine Abneigung tmn, die zweijährige Dienst⸗
. ö 6 t . . Wir w es begrüßen, wenn es mög wäre, die zweijährige Hienstzeit festzulegen. Wenn während elnes weiteren Quinquennats die zweisährige Dienstzeit bestanden haben wird, wenn die ganze Orga⸗ nisation darauf eingerichtet in wird, dann wird man von der zwei⸗ ahrigen Dienfstzeit nicht mehr zurücktreten können. Den verschiedenen orderungen stehen wir mit einem verschiedenartig abgestuften Wohl. wollen gegenüber. Die meiste Sympathie haben wir für die Forderungen für die Artillerie, deren Wirkungen möglichst ausgebeutet werden müssen. Die Schaffung kleinerer Verbände halten wir für , n aber zunächst nicht eine Vermehrung der Artillerie. Auch bezüglich der Vermehrung der oberen Kommandobebörden werden wir uns unsere Sutscheidung vorbehalten. Diese Aenderung mag zweckmäßig sein, aber ihre Nothwendigkelt ist noch nicht bewiesen, jumal man nicht zjberseben kann, ob es mit diesen neuen Forderungen nun zu Ende sst. Selbst Herr von Levetzow befürchtet allerlei weitergehende ZJukunfspläne. Denn mit der finanziellen Leistangsfähigkeit geht es ju Ende. Sehr geringe Sympathien sind bei meinen Freunden porhanden für die neuen Kavallerieformationen, namentlich be⸗ züglich der zu Regimentern zusammengelegten Jäger zu Pferde. Banz bedenklich, weil nur eine Erhöhung des Etats darin liegt, ist die Verftärkung der Bataillone gegenüber der schon durch das Flottengesetz herbeigeführten Verstärkung der Aushebung. Kann die Verstärkung der Etats nicht durch Ermäßigung der besonders starken Etats herbeigeführt werden? Redner empfiehlt die Ueber⸗ weisuag der Vorlage an die Budgetkommission. Bezüglich der Ver⸗ mehrung der Vorstrafen könne die Heeresverwaltung mit ihren Mitteln keine Besserung schaffen. Dazu gehörten andere Kräfte, namentlich siejenigen der Kirche und der Religion. Die zunehmende Kriminalität in den unteren Volkeschichten sei eine Folge der in den höheren Ständen sich breit machenden Genußsucht und des zunehmenden Skep⸗ tiztsmus. Man müsse alles dazu beitragen, daß die moralischen Kräfte des Bolkslebens gestärkt werden Abg. Dr. Sattler (ul): In. den Kreisen, deren Jugend sich möglichst frühzeitig selbständig ernäbren muß, fehlt häufig der Zu—⸗ sammenbang der Familie. Der Erziehung der erwachsenen Jugend muß daher auch eine gewisse Aufmerksamkeit zugewendet werden. Ich hoffe, daß der Abg. Bebel Recht behalten möge, daß die Vorlage von dem gesammten Hause mit Ausnahme der Sozialdemokraten an⸗ genommen werde. So ruhig ist noch keine Militärvorlage vom Volk angenommen worden wie die gegenwärtige, Selbst Herrn Richter fehlte bei seinem Widerspruch die sonst bei ihm vorhandene Verve. Herr Bebel hat über die ganze Vorlage eigentlich kein Wort gesagt, sondern nur allgemeine Theorien entwickelt. Anseinandersetzungen über die Einzelheiten gehören nicht in das Plenum; man wird daraus selten klüger. Der Vorredner sprach von der Notbwendigkeit der Lösung der römischen Frage. Darauf will ich mich nicht einlassen. Die Politik unserer Nachbarn im Osten und Westen war nicht so schlecht, wie Herr Bebel meinte, der Frankreich und namentlich Rußland als in einer sehr schlimmen Lage be— sindlich schilderte. Wer für die Verkürzung der Tienstzeit eintritt, der hätte den Feldzug gegen Frankreich mitmachen sollen, da hätte er seben können, wie nervös die französischen Truppen davonliefen, wenn sie das Hurrah der Deutschen hörten. Herr von Levetzow sitzt traͤuernd auf den Trümmern der dreijährigen Dienstzeit und weint über ihr Verschwinden, wenn auch nur mit einem Auge. Diejenigen Herren, die für die dreijährige Dienstzeit jetzt eintreten, gefährden das Zustandekommen der Vorlage,. Man wird von der zweijährigen Dienstzeit nicht mehr zurückkommen können, deshalb stellen wir die gesetzliche Festlegung derselben nicht als Bedingung. Es würde die Stellungnahme zu der Vorlage auch erleichtern, wenn die Regierung in Bezug auf die Besserstellung der Militärinvaliden dem Wunsch des Reichstages mehr entgegenkommen wollte. In der Schaffung jweler neuer Armee-Korps durch Theilung zu großer, unter gleichzeitiger Verstärkung anderer Armee⸗Korpg, liegt ein Widerspruch und ein bedenklicher Ausblick für die Zukunft. Eben solche Widersprüche liegen bei anderen Punkten der Vorlage vor. Wir stimmen aber der Vermeh⸗ rung und anderweitigen Organisation der Artillerie zu sowie der Vermehrung der Kavallerie, entsprechend dem Vorgehen der Nachbarstaaten. Auf die Verstärkung der Infanterie⸗Bataillone muß die Militärverwaltung das größte Gewicht legen. 132 Millionen einmaliger und 27 Millionen dauernder Ausgaben sind nicht leicht zu nehmen, aber die Regierung könnte sich kaum einen gunstigeren Augenblick wünschen, als den gegenwärtigen, in welchem unsere Finanzen so gut sind wie lange nicht. Die Entwickelung der Finanzen ist abhängig von der wirth⸗ schaftlichen Lage. Aber ich sehe hoffnungsreicher in die Zukunft als früher, weil der wirtbschaftliche Aufschwung hauptsächlich durch die Verbesserung des inneren Marktes herbeigeführt worden ist. Bei den früheren Militärvorlagen spielten immer neue Stenerprojekte eine große Rolle; diesmal werden die vorhandenen Einnahmen die Belastung ertragen lafsen. Daß keine erheb⸗ liche Oppositien gegen die Vorlage im Volke gemacht wird, liegt daran, daß die Arsichten über die Machtfragen in Volke andere ge⸗ worden sind als sräher. Das Ansehen der Hansa ging zu Grunde, weil das zersplitterte Deutsche Reich nicht die Macht hatte, das An⸗ sehen zu schützen. Der swanisch⸗amerikanische Krieg hat uns die Wichtigkeit einer guten Rüstung im Frieden gezeigt. Die deutsche Politik und das deutsche Volk selbst, sowie auch seine Nachbarn sind von der Ueberzergung erfüllt, daß jetzt die Macht des Deutschen Reiches hinter seiner Politik steht. Es wird nicht die Absicht der Abrüstungskonferenz sein, eine prozentuale Herabsetzung der Rüstungen berbeizuführen. Der russische Kaiser hat kurz vor seiner Kundgebung S0 Millionen Rubel für die Flotte aufgewendet. Ich bin der Meinung, daß die Kundgebung der Ausfluß eines ideal gesinnten mächtigen i fh, ist, der dazu beitragen will, die Lasten für unproduktibe Dinge zu vermindern. Die deutsche Regierung hat daher auch bereitwillig ihre a dazu geboten. Aber das deutsche Volk wird sich auf diese Ver⸗ andlungen nicht allzuviel verlassen. Wir hoffen, daß möglichst viel dabei herauskommt, aber wir wollen dabei in der Lage bleiben, uns mit eigener Faust möglichst selbst zu bertheidigen. Die vorgeschlagene Verstärkung der deutschen Rüstungen soll nur für den Frieden sorgen. Wir sind bereit, das Element der Kraft, welches in unserer Be— völkerungszunahme liegt, auszunutzen, ohne daß wir auf den Verdy⸗ schen Plan eingehen. Wir wollen deshalb die Hauptbestandtheile der Vorlage annehmen. Abg. Liebermann von Sonnenberg (Reformp.): Ich habe im Namen meiner Partei folgende Erklärung abzugeben: Wir sind unter der Voraussetzung, daß es gelingen wird, eine Form zu finden, die Kostenfrage so zu regeln, daß die mittleren und ärmeren Schichten des Bolts nicht ungebührlich belastet werden, bereit, der Heeretsz— verstärkung zuzustimmen. Wir gehen dabei von der Erwägung aus, daß Deutschland bald Gelegenheit haben wird, zu erkennen, daß es recht gehabt hat, während des Friedens sein Schwert zu schärfen. In der Kundgebung des russischen Kaisers liegt ein großer Humorz die Kundgebung kam, als Rußland fieberhaft rüsteke. Die russische Diplomatie nahm wohl an, aß auf Grund diefer Kundgebung im Reichstage der deutschen Regierung Schwierigkeiten gemacht werden würden. Das ist richtig eingetroffen. Mehr hätte es mir imponiert, wenn Rußland mit der Abrüstung an— efar gen hätte. Herr Bebel machte den Eindruck, als ob er ein vaar eiten aus dem Roman der Bertha von Suttner „Die Waffen nieder“ vorgelesen hatte. Das war der alte Bebel nicht mehr! Ich gratuliere ihm und seinen Freunden zu dieser Mäßigung. Wenn die Konser⸗ vativen wegen der Offinerftellen, die Induftriellen wegen der Lieferung für die Armee für die Verstärkung deg Heeres sind, so sind Bebel und seine Freunde dagegen, weil sie wissen, daß, so lauge die Armee besteht, ib Weizen nicht blühen wird. Wenn man auf dem Boden der allgemeinen Wehipflicht steht, dann muß die Vorlage angenommen werden; die Kommißssion ist der Platz, um über die Einzelheiten von der Regierung Auskünfte zu verlangen und Aenderungen vorzuschlagen. Ich bin ein entschiedener Gegner der iweijdhrigen Dienstjeit gewesen. Die Entwickelung der Dinge bat gezeigt, daß meine Befürchtungen nicht ohne Grund gewesen sind.
Nachdem sie aber einmal eingeführt ist, können wir ohne weiteres nicht mehr davon zurück. muß dafür gesorgt werden, daß die Mängel der zweijährigen Dienstzeit , . ausgeglichen werden. Die einjährige Dienstzeit ist durchaus keine Praͤmle für die Bildung, welche die betreffenden langen Leute besitzen. Die Carrigre jedes einzelnen läßt sich auch auf eine zweijãhrige Dienstzeit einrichten. Jetzt bringt die Bressur für den einjährlgen Dienst nur eine zunehmende Halb. bildung zu stande. Die Last der stärkeren Aushebung wird nur die Landwirthschaft und der Mittelftand zu tragen haben, wie bisher. Dem gegenüber sollte der Kriegs⸗Minister unkersuchen, ob nicht der Offizierverein ein beinahe unüberwindlicher Konkurrent des Mittel- standes ist. Rohrstühle und Schlafröcke, Kognak und Champagner sollte man nicht beim Offizieiverein zu kaufen bekommen, sondern diesen Handel denjenigen Leuten üͤberlassen, die dafür Steuern zahlen. Die kleinen Garnisonen sollte man im Interesse des Mittelstandes aufrecht erhalten.
erner sollte die Reichsregierung die Ungerechtigkeit aus der Welt chaffen, daß die Militärinvaliden ihre Pension erhalten, gleichgültig, ob ste in den Reichs und Staatsdienst oder in den w n eintreten. Für seine Invaliden zu sorgen ist die Aufgabe des Staats. Nichts könnte der Militärvorlage im Volke mehr Vorschub leisten, als die Erfüllung dieser Wünsche. Die Militärverwaltung sollte sich auch bei der Ernährung des Heeres unabhängig machen vom Auslande. Es ist in Hamburg amerikanisches Fleisch zur Ernährung der Soldaten verwendet worden. Wir bitten die starken Parteien des af eine esetzliche Bestimmung einzufügen, wonach es ausgeschlossen sein soll, die
rittel zur Deckung der Kosten der Vorlage durch Steuern aufzu⸗ bringen, welche die breiten Massen der Bevölkerung belastet. Wenn das gefchieht, dann sind wir aus nationalen Gründen bereit, der Vorlage zuzustimmen. Wenn im Reichstage sich immer Parteien finden, die alles bewilligen, was zur Machtstellung des Reichs noth⸗ wendig ist, dann sellte die Machtstellung auch dem Auslande gegen⸗ über betont werden, ohne Brüskierung des Auslandes. Ich bin böllig der Meinung des Kriegs. Ministers, daß unsere Heeresorganisation einen solchen Umfang erreicht hat, daß wir völlig in der Lage sind, alle Nervositãt abzustreifen.
Abg. Rickert (frs. Vag): Die Verhandlangen über die Militär- vorlage haben diesmal einen wesentlich frledlicheren Charakter als früher, wo die Geister heftiger aufeinanderplatzten. Ich konstatiere, daß ab⸗ gesehen vom Abg. Bebel, der unsere ganze Heeresverfassung verwirft, der Vertreter keiner Partei die Vorlage a Üiminè zurückgewiesen hat. Ganz entschieden widersnrechen muß ich der Aeußerung des Abg. von Levetzow, daß in dieser Frage die Regierung allein die Verantwortung trägt. Es wäre bedauerlich, wenn wir diese Verantwortung abstreifen und sie ganz auf die Regierung werfen wollten. Wir sind mitver⸗ antwortlich dem Volke, der Zukunst und der Geschichte unseres Vaterlandes auf diesem Gebiete. Ein Volksvertreter, der dieses Bewußtsein der vollen Verantwortung nicht hat, wird sehr leicht in die Lage kommen, schwere Fehler zu begeben. Die Anschauungen innerbalb der Militärperwaltung haben auch gewechselt. Die Ent⸗ scheidung liegt also immer bei der Volksvertretung, und die Volks vertretung hat auch schon manchen guten Gedanken in militärischen Dingen gebabt, z. B. ist die Anregung für die Umwandlung der Maximalstärke in die Duichschnittsstärke gerade von unserer Seite ausgegangen. In Bezug auf daz Milizsystem bin ich schon früher den Anschauungen der Herren Bebel und Liebknecht entgegengetreten. In einer Broschüre des schweizerischen Obersten Wille, wird darauf bingewiesen, daß im schweizerischen Offizierkorps allgemein die Ueber— zeugung herrscht, daß das Milizsystem das Land nicht so wehrfähig macht, wie es seine Unabhängigkeit verlangen würde. Im schweizeri⸗ schen Offizierkorps herrscht ein sehr starkes Mißtrauen gegen die jetzige Militärverfassung. Das Milizsystem der Schweiz, auf unsere Verhältnisse angewandt, würde auch erheblich größere Kosten ver⸗ urfachen. Die durch hohe Berge geschützte Schweiz kann sich auch ein solches Experiment viel cher leisten als ein Staat wie wir. Ich würde mit Herrn Bebel dieses Experiment nicht durchmachen wollen. Die Frage der zweijährigen Dienstzeit ist für uns ab- geschloffen. Wir halten es für absolut unmöglich, daß man von der zweijährigen Dienstjeit wieder auf die dreijährige zurückgehen kann. Der Kriegs Minister sagt ja selbst: dank der Einrichtungen, die nach Ein⸗ führung der zweijährigen Dienstzeit gemacht sind, ist die Operations- fähigkelt der Armee keinem Zweifel unterworfen. Was verlangen wir mehr? Der Kriegs. Minister sagt ja, daß wir in voller Ruhe der Zukunft entgegensehen können. Herrn von Kardorff empfehle ich die Worte des Kriegs- Ministerz zur Berücksichtigung: „Vor der Ein⸗ führung der zweijährigen Dienstzeit hatten wir zwar den dritten Jahr gang, aber einen verstümmelten, der sich aus schlecht ausgebildeten und aus Leuten von schlechter Führung zusammensetzte. Das war keine Hilfe für die Truppen, nein im Gegentheil ein Hemmniß“. Sehr bedenklich in der Rede des Kriegs. Ministers war mir die Bemerkung, daß, wenn der Versuch, Freiwillige zurückzubehalten, nicht gelänge, gefetzlich eine bestimmte Quote festgesetzt werden müsse, die noch über das zweite Jahr hinaus zu dienen hätten. Ich habe mir den 26 darüber zerbrochen, wie eine solche gesetzliche Regelung durchjuführen wäre. Wollen Sie es der Willkür der Militär⸗ verwaltung überlassen, welche Leute zurückbehalten werden sollen? Dieser Ausweg ist rein unmöglich. Bei der zweijährigen Dienst— zeit bleibt es, wir haben sie einmal und können sie noch fünf Jahre behalten und auch darüber binaus, gleichviel, ob wir sie gesetzlich seststellen oder nicht. Was die finanzielle Seite der Vorlage betrifft, so ist die Finanzlage jetzt günstig; wenn aber einmal neue Steuern erforderlich sein sollten, dürfen die schwächeren Schultern nicht mehr belastet werden. Die Kundgebung eines so mächtigen Herrschers, wie des Zaren, balte ich für aufrichtig. Der Kriegs⸗Minister hat ja erklärt, daß diese Kundgebung die militärischen und politischen Verbaältnifse so ändere, daß die Sicherbeit gewährleistet sei, daß uns in absehbarer Zeit von dieser Seite ein Angriffskrieg nicht droht. Das sind gewaltige Aufgaben, an denen die Völker Jahrzehnte, ja vielleicht noch viele Jahrzehnte werden arbeiten müssen. Aber der Anfang ist gemacht, die Parole ausgegeben. Wenn wir also trotz der Friggenspolitik des Zaren die Machtstellung, die Deutschland glücklicher Weise erworben hat, aufrecht erhalten wollen, so finde ich das absolut natürlich und geboten. Auch Herr Bebel will den Staat vor Ueberrumpelung schützen. Die von ihm dafür vorgeschlagenen Wege sind aber durch⸗ aug ungaagbar. Ich hoffe, daß die große Majorität des Reichstages
auch über diese Vorlage, wie sie sich auch gestalten möge, zu einer Ver⸗
ständigung gelangen möge.
Damit schließt die Debatte. Nach einer persönlichen Be⸗ merkung des Abg. , . von Stumm wird die Vorlage gegen die Stimmen der Sozialdemokraten der Budgetkommission uͤberwiesen. .
Schluß 3i / Uhr. Nächste Sitzung Dienstag 1 Uhr (kleinere Vorlagen, zweite Berathung des Etats: Reichskanzler, Reichstag und Reichsamt des Innern).
Sandel und Gewerbe.
Tägliche Wagengestellung für Kohlen und Rt ots an der Ruhr und in Oberschlesien. An der Ruhr sind am 13. d. M. gestellt 1 838, nicht recht⸗ zeitig gestellt keine Wagen. In Oberschlesien sind am 13. 8. M. gestellt 147, nicht recht⸗ zeitig geftellt keine Wagen.
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Beim Königlichen Amtsgericht 11 Berlin standen fol gende Grundstücke zur Verstetgerung: Grundstück zu Teltow, an- geblich an der Rublsdorferstraße und vor der Stadt belegen, dem Landschaftsgärtner Hermann Groß zu Seebef, bei Teltow gebörig; Flache 25 55 a bezw. 13,40 a; Nußungewerth 362 M für das Meistgebot von 6700 4 wurde der Bäckermeister H. 5 Schmidt in Teltow, bejw. der Gastwirth F. Lorentz zu Groß . Lichterfelde, Biemarckftraße 29, mit dem Gebot von 2600 A Ersteher. — Auf-
gehoben wurde das Verfahren der Zwangebꝛrsteigerung des zu Deutsch⸗Wilmers dorf, Prinz ⸗Regentenstraße 58 und Ring bahnstraße 7, beleg nen Grundstucks, dem Maurermeister Hermann Winterfeld zu Berlin gehörig.
Berlin, 13. Januar. Marktpreise nach Ermittelungen des Kʒzalglichen Polizei Bräsidiumg. (Höchfte und nir Preise ) Per Doppel ⸗Itr. für: * Weizen 1690 A; 15,90 M — Roggen 15,0 4 14565 M — Futtergerste 14 00 C; 13,00 6 — Hafer, gute Sorte, 15,50 S6; 1560 Æ — Mittel ⸗Sorte 1490 Æ; 1440 = geringe Sorie 146 30) ; 1585 ½½ — RNichtstrob' ss 3, 16 MÆ — Heu 6,60 4A; 400 M — **Erbsen, gelbe, zum Kochen 000 A; 20, 0 α½ — ** Speisebohnen, weiße 50, 00 M; 24,00 M — Linsen 70,00 M; 3000 S — Kartoffeln 6,00 M; 400 RNindfleisch von der Keule 18 1,60 46; 1,30 . = dito Bauchfleisch 1 35 120 M; 0, 90 6 — Schweinefleisch 1 kg 1,50 Æ; 1120 A — Ralbfleisch 1 Rg 1B 70 M; 1, 00 A* — n fer 1g 1560 4; Lob , = Butler 1 Eg 250 ; Job M, = Gier. 60 Stüq 2, S0 MÆ — Karpfen 1 kg 2,20 A; 120 SM — Aale 1 kg 126 — Zanber 1 Eg 240 M; 1,55 M — Hechte 1 Kg 1,00 M — Barsche J kg 1,60 AM; O, o M, — Schleie 230 M; 120 S — Bleie 1 Kg 1,20 Æ; 0,89 AÆ — Krebse 60 Stück 12,00 A; 2,50 440
Grmittelt pro Tonne von der Zentralstelle der preußtschen Land⸗ wirthschafts kammern — Nolierungsstelle — und umgerechnet vom 2, für den Doppelzentner.
* Kleinhandelspreise.
. 1 * * 9. *
66 60 Mt
2
Berlin, 13. Januar. (Bericht über Speisefette von Gebr. Gause.) Butter; Das Geschäst verlief sehr ruhig, die Preisermäßi⸗ gung von 8st hat sich noch nicht als genügend erwiesen, um einen besseren Absatz herbeizuführen Der Platzkonsum ist schwach, und die erwartete Nachfrage für den Export blieb noch aus, sodaß auch in dieser Woche wieder der größte Theil der Einlieferungen, die noch in der Zunahme begriffen sind, zu Lager genommen werden mußte. Eine weitere Preisermäßigung war daher nicht zu vermeiden. Die heutigen Notie⸗ rungen sind: Hof⸗ und Genossenschafisbutter L2. Qualität 94 4M, dito Ia. Qualität 92 S, Landbutter 80 bis 87 S — Schmalz: Die steigende Tendenz des Artikels, welche unverkennbar vorherrscht, wirkte belebend auf die Kauflust. Die Schweinezufuhren sind wesent⸗ lich kleiner als im Dezember, und die Preise für Schweine steigen zwar langsam, aber stetig. Bei dem starken Bebarf müssen die nur schwach versorgten europaäͤischen Märkte unausgesetzt importieren, und dieser Umstand kräftigt die Haussebewegung. Die heutigen Notie⸗ rungen sind: Choice Western Steam 36 M, amerikanisches Tafel- schmalz 38 S6, Hamburger Stadtschmalz 37 6, Berliner Braten schmalz 40 biz 42 M, Fairbank⸗Kunstspeisefett 32 — Speck: still ju unveränderten Preisen.
— Vom oberschlesischen Eisen⸗ und Zinkmarktt berichtet die „Schl. Ztg.“: Der Eingang von Spezifikationen aus dem In⸗ lande hält unverändert an, sodaß trotz angestrengtester Thätigkeit in allen Theilen des Walzwerksbetriebes und dementsprechend hoher Ver⸗ ladung doch ununterbrochen eine Arbeitsmenge zu bewältigen bleibt, welche kürzere Lieferfristen als die seit langer Zeit geforderten nicht zuläßt. Die Kundschaft hat sich an diesen Zustand nun mehr schon so gewöhnt, daß sie nichts Absonderliches mehr darin findet, wenn die Werke für die ihnen ertheilten Ordres eine Ausführungsfrist von 12 Wochen und mehr verlangen. Man kann annehmen, daß jetzt mindestens 500 /g der verschlossenen Walzeisen⸗ mengen auf den Werken in effektiven Ordres vorliegen. Daß bei diesem Ueberfluß an Arbeit den Werken an neuen Geschäften vor der Hand nicht viel gelegen sein kann, ist begreiflich; es sind auch thatsächlich in der Berichtswoche wieder nur wenig neue Abschlüsse ju Buche gebracht worden. Da jedoch der Großhandel seine früher bei Werken abgeschlossenen Walzeisenquanten bereits seit längerer Zeit vollständig vergeben hat und daher der Nachfrage gegenüber vielfach ohne Material ist, darf angenommen werden, daß der Verband nunmehr mit weiteren Verkäufen für das zweite Quartal herauskommen wird. — Das Auslandegeschäft zeizt in allen Richtungen eine erfreuliche Lebhaftigkeit. Was Rußland betrifft, so wirkt die neue Preiestellung stimulierend auf die Abnehmer der früher geschlossenen Waare. Für die Preisgestaltung in den Donauländern ist das zwischen Oberschlesien und den österreichisch ungarischen Werken bestehende Kartell maßgebend; auch aus diesen Gebieten ist die Nach= frage groß. Die von der Deutschen Levante ⸗Linie in letzter Zeit ge—⸗ troffenen Maßnahmen zur schnelleren Beförderung der Frachten haben die Benutzung des Seeweges nach den Balkan Hafenplätzen auch für Oberschlesfien wesentlich erleichtert. — Das Geschäft in Rö bren läßt sich zur Zeit recht bef iedigend an; für Gasrohre konnte eine Preiserhöhung vorgenommen werden. — Rohzink. Wie erwartet, begann sich in der verflossenen Woche die Nachfrage wieder zu regen, und es wurden nicht nur etwa aus zweiter Hand noch billig angebotene kleinere Posten schlank aufgenommen, sondern etz kamen auch mit der ersten Hand wieder Umsätze zustande, da ihre Forderungen von 49 bis 49,50 M für gute gewöhnliche Marken bewilligt wunden. Die Käufe erstreckten sich nicht nur auf nahe, sondern auch auf entfernte Liefertermine und können deshalb als Beweis angesehen werden für das Vertrauen, welches man auch in den Kreisen der Händler und Konsumenten zu dem Fortbestand der gegenwärtigen Preisbasis hegt. In England besserte sich der Preis zwar auch bis auf 24 Pfd. Sterl. 7 Sh. 6 P. bis 24 Pfd. Sterl. 10 Sh., gestattet aber noch keinen Export dahin. — Nach Zinkblechen hat sich eine für die gegenwärtige Jahreszeit recht lebhafte Nachfrage eingestellt, und zwar für den Export bei erhöhten Preisen, während fur das Inland die Preise unverändert geblieben sind.
— Der jährlich erscheinende Zeitungs⸗Katalog“ der Annoncen ⸗Gxpedition von Rudolf Mosse liegt jetzt für das Jahr 1859 in der bekannten geschmackvollen Ausstattung vor. Der Katalog enthält ein vollständiges Verzeichniß sämmtlicher Zeitungen und Fach⸗ blaͤtter Deutschlands, Desterreichs und der Schweiz, sowie aller wichtigen Blätter des übrigen Auslandes. Er unterrichtet den Inserenten über die Ver= brestung, Erscheinungsweise, politische Tendenz der einzelnen Organe, über Insertianspreis, Spaltenbreite, Spaltenzahl und über die der Anzeigen derechntng als Basis dienende Grundschrift der Blätter nach einem beigefügten Normal. Zeilenmesser. — Auch die Annoncen. Expedition von G. S. Daube u. Co. versendet einen schön ausgestatteten Zeitungskatalog, dem eine gute Eisenbahnkarte von Deutschland bei⸗ gegeben ist, während verschiedene für Geschäftsleute und. Gewerbe. frelbende nützliche gesetzliche, postalische und statistische Mittheilungen den Beschluß machen.
1 13. Januar. (W. T. B.) Spiritus loko 39,00 bez. Breslau, 13. Januar. (W. T. B.) Schluß ⸗Kurse. Schles. . 2. Pfdbr. Titt. A. 99,35, Breslauer Diskontobank 117,265, reslauer Wechelerbank 109,75, Schlesischer Bankverein 148 00, Bregzlauer Sprltfabrit 160,75, Donnertzmark 183,00, Kattowißer hö. 20, Dberschlef. Eis. 115, o, Caro Hegenscheidt Akt. 147,90, Dberschles. Koks 162 50, Oberschlef. P. J. 177.00, Opp. Zement Ny, 46, Giefel Zem. 168,00, X. Ind. Kramsta 15225, Schles. Jement 231, 00, Schles. Zinkh. A. 335, 00, Laurabütte 216 00, Bresl. Oelfabr. g1 S0, Kokg⸗Obligat. 101,0. Niederschles. elettt., und Kleinbahn ⸗ gesell schaft 127, I0, Gelsulofr Feldmühle Cesel 16550. Produktenmarkt. Spiritus pr. 100 1 100 6 50 AÆ Verbrauchtzabgaben pr. Januar 6,90 Gd., do. 70 Æ Verbraucht ˖ abgaben pr. Januar 37,40 Gd. Ma de burg 13. Januar. (W. T. B.) Zuckerber icht. Korn
ucker 53 8 o / g Rendement 10, 27 — 10,40. Nachprodukte exkl. I5 o endement 800 — 5,5. Ruhig. Brotraffinade J 2400. Brot⸗ raffinade II 23,75. Gem. Raffinade mit Fa 23,75 - 24,25. Gem. Meliß 1 mit Faß 23,09. Still. Robzucker J. Produkt Transit f. . B. Hamburg pr. Januar 9, 24 Gd., 250 Br., Pr, Februar oM, Gö., 9,525 Br.,. gr. März 8,50. Gd. 9g, 55 Br.. pr. Mal 957 Gd., 9624 Br., pr. Oktober ⸗ Deiember 5271 Gd. .