1899 / 27 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 31 Jan 1899 18:00:01 GMT) scan diff

des Deutschen Reichg sein, während sie doch behaupten, daß ein Sozialdemokrat kein Vaterland haben könne. Der rothe Kalender . 1899 hat allerdings einige Dutzend Mordthaten weggelassen; es lieb aber noch eine ganze Reihe derselben stehen. Kein einziger nationaler Gedenktag bat Aufnahme gefunden. Die Anfübrung der Mordthaten bat nur den . dem Proletarlat neue Hoffnung zu geben. Alle Auslafsungen lbrer hervorragendsten Vertreter beweisen, daß die Sozialdemokraten vor keiner Gewaltthat zurückschrecken; daß eine grundsäßliche n n, ijwischen Sozialdemokratie und Anarchlsmaus bestebt. ist ebenfalls Heuchelei.

Abg. Molkenbubr (Soz) geht auf die Lage der Arbeiter auf den Werften ein und sucht an der Hand der in der dorigen Reichstags⸗ session vorgelegten Uebersicht nachjuweisen, daß die auf den Werften gezahlten Lohne nicht aus kömmlich seien. Die Werftverwaltungen bätten Sritzel jur Verfügung, die freilich oft genug nur ihre perssnlichen Feinde denunzierten, während diejenigen, die ihnen Freibier gewährten, verschont blieben. Die Werftverwaltung werde dann oft ein Werk⸗ zeug der Spitzel. Der entlassene Arbeiter erfahre nicht, weswegen er entlassen werde; man srreche von dem Mangel an Arbeit und ver⸗ schweige namentlich die politischen Gründe.

Direktor im Reichs Marineamt, Kontre-⸗Admiral Bächsel: Meine Herren! Der Herr Vorredner hat die im vorigen Jahre herausgegebene Lehnstatistik einer Kritik unterzogen. Die Marine⸗ verwaltung ist sich am ersten darüber klar, daß die im vorigen Jahre begonnene Arbeit, deren erstes Resultat Herrn Roesicke übergehen worden ist, noch keine vollkommene Leistung war; es war eben das Erste, was in dieser Beziebung geschaffen ist, es existierte bisher keinerlei Lohnstatiflik. Wir haben damit im vorigen Jahre angefangen, sind aber nicht fertig geworden. Es waren zunächst Durchschnittssätze ermittelt, und diese haben wir weitergegeben. Heute sind wir in der Lage, nachzuweisen, wie vi⸗l eine jede einzelne Arbeiterkategorie verdient, und brauchen nicht mehr auf jene Durchschnittssätze zurückzugeben. Es war moniert, daß wir das erste Halbjahr als Durchschnitts verdienst angenommen haben. Das ist fein Fehler, denn der Durchschnitt?⸗ verdienst ftellt sich im ersten Halbjahr nicht anders als im zweiten. Ferner hat der Herr Vorredner des Arbeiters Lorenzen gedacht und erwähnt, daß er aus dem Arbeiterverbande entlassen ist. Das trifft zu, hat aber mit seiner politischen Stellung nichts zu thun (Z3urufe bei den Sozialdemokraten), sondern ist eine Visziplinarmaßregel, weil er sich gegen einen Vorgesetzten vergangen hat und deshalb der Arbeits ordnung entsprechend entlassen werden mußte. Dann hat Herr Abg. Molkenbuhr über das Spitzelwesen auf der Werft gesprochen. Ich babe vergeblich auf Beweise dafür gewartet, daß solch System vor⸗ handen ist. Er hat nut auf die Behauptung hin, daß es vorhanden wäre, einen Vortrag über das Gute uns Schlechte des Spitzelwesens ge⸗ halten. Der Mangel an Arbeit wurde fernerbin vorgefübrt und be⸗ merkt, daß sehr häufig Leute wegen Mangels an Arbeit entlassen würden. Nach der Statistik über die Bewegung des Arbeiterpersonals bei den Marinebebörden sind im letztvergangenen Jahre bei einem Gesammtbestande von 13 682 Köpfen 51 wegen Arbeits- mangels entlassen worden. Ich glaube, meine Herren, diese Zahlen find ein Beweis dafür, daß Arbeitsmangel nicht benutzt wird, um Arbeiter loszuwerden. , . hat der Abg. Mollenbuhr ausgesprochen, daß es wünschenswerth wäre, etwas“ für die Besserstellung der Arbeiter zu thun. Wer die Arbeit der Marineverwaltung in den letzten Jahren verfolgt hat und vorurtheilefrei urtheilt, wird der Ueberzeugung sein müssen, daß sie ernftlich bestrebt ist, das Loos der Arbeiter so gut zu gestalten wie möglich, wie es in den Verhältnissen liegt; gestützt auf den Kaiserlichen Erlaß vom Jahre 1890, der uns die Pflicht und das Recht dazu giebt, auf nichts Anderes! Und ich kann nur ebenfalls den Wunsch aussprechen, daß es uns gelingt, unser Ziel zu erreichen, soweit es eben möglich ist. Das wird uns um so mehr gelingen, je weniger von anderer Stelle aus versucht wird, das Gute, was wir den Arbeitern bringen, schlecht zu machen.

Abg. Werner (Reformp. j Der Tagesbefehl des Herrn von Wietersheim ist nicht ein Rath, sondern einfach ein Gebot. Das all⸗ gemeine direkte Wahlrecht muß voll und ganz garantiert werden. Wozu die staatliche Unterstützung, wenn Herr Rickert allein nf de.

nserer

Konservativen und Sozialdemokraten fertig werden kann? Flotte fällt eine hobe Aufgabe zu. Den Amerikanern ist seit der Be⸗ siegung der Spanier der Kamm sehr geschwollen; das zeigen die Aus⸗ lassungen im Senate zu Washingten. Vielleicht wird man ihnen ein-

mal etwas ernstlicher die Meinung sagen müssen. Wir boffen, daß die deutsche Flagge überall Achtung finden wird.

Abe. Bassermann (ul): Rein menschlich kann ich es versteben, daß der Ober ⸗Werftdirektor Sympathie batte für den staatserhaltenden Kandidaten. Aber die Einmischung ist unzulässig, und ich freue mich, daß der Staats sekretãär dagegen Stellung genommen bat. Wir können uns troz der Bemängelung des Freiherrn von Stumm damit voll⸗ ständig einverftanden erklären. Die Wahlvrüfangekommission bat mit ibren Anschauungen in dieser Beziebung nicht gewechselt.

Abg. Sröber (Zentr) widerspricht den Ausfübrungen des Frei⸗ berrn von Stumm. Ein solcher Tagesbefehl des Oder ⸗Werftdireltors sei nicht bloß ein guter Rath. Die Anschauungen über das, was staatserbaltend ist, kätten oft gewechselt. Daz Zentrum habe das am eigenen Leibe erfahren. In Württemberg hätten evangelische Pastoren gegen das Zentrum den Sozialdemokraten gewäblt. Das ganze Ver⸗ halten des Ober. Werftdirektors könne höchstens die Folge haben, daß Herr Rickert sich nochmals einer Wahl unterziehen müsse, und dann als glänzender Sieger wieder in das Haus ziebe.

Abg. Rickert: Ich babe nicht jede Aeußerung don Beamten bei den Wablen als unjulässig bezeichnet; ganz aus der Luft gegriffenen Behauptungen kann ein Beamter sehr wohl entgegentreten. Bezüglich dieser Wablbeeinflussungen bat die Wahlvrũfungè kommission ibre An⸗ schauurgen nicht gewechselt. Manche Klagen sind allerding? seitenz der Arbeiter vorgebracht, aber von jablreichen Entlassungen habe ich nichts gehört, ebensowenig von einer Spitzelwirtbschaft, wenigftens in Danzig ist davon nichts bekannt.

Abg. Graf von Klinckowstroem (d. kons. . Auf die Zweck mäßigkeit des Tagesbefehls des Herrn von Wietersheim möchte ich nicht eingeben. Ich maß aber doch der Behörde das Recht zuge⸗ stehen, gegen die umstürzenden Agitationen der Sojialdemokratie or- zugehen. Auch das Recht wird nicht bestritten werden können, daß Arbeiter, die sich zur Sozialdemekratie bekennen, entlassen werden. Es werden manche Arbeiter für einen Sozialdemokraten stimmen, aber Geacssen werden sie dadurch noch lange nicht, und wenn sie den Ernft der Behörde seben, werden manche Arbeiter um⸗ kehren. Die Sozialdemokratie antwortet anf die Frage nicht, ob sie antimonarchisch ist. Für uns ist das Deuische Reich und die Monarchie umertrennlich. Die sezialdemokratischen Redner erklären, daß sie nicht für jede Dummbeit die Verantwortung über⸗ nehmen können. Ich weiß nicht, was sie alles als Dummbeit an⸗ seben. Sie baben eine sehr geschulte Litetatur, die besonders den Staatsanwalt zu vermeiden bersteht. Sie wollen alles auf geittzlichem Wege erreichen. Aber freiwillig werden die berrschenden Klassen nicht abdanken; Sie müfsen daher erft über unsere Leiber binweg. Sie sind antimonarchisch und revolutionär, und damit machen Sie auf dem Lande kein Geschäft. Mein sonaldemokratischer Gegenkandidat Braun hat erklärt, daß er ebenso königstreu sei wie ich.

Abg. Freiherr von Stumm: Herr Molkenbuhr meinte, wenn die Agitatoren entlassen würden, dann würde kein Schiff mebr fertig gebaut werden können. Ez ist aber eine Thatsache, daß notorische So jialdemokraten in dem Staats. und Reichabetriebe nicht geduldet werden. Das bat auch das Ober Verwaltungsgericht entschie den. Ich bleibe dabei, daß die Stellung der Wahlprũfungskommisston sich mehr fach geändert hat. Wenn gar leine Wablbeen fluffung stattfinden sell, dann ist schließlich jede Agitation erboten. Haben nicht die Geift⸗ lichen sehr oft das Gewissen der Wähler zu schärfen versucht, und zwar in sehr nachdrücklicher Weise?

Abg. Singer (Soj ) spricht sein Bedauern darüber aus, daß Freiherr von Stumm es veistanden habe, durch eine versteckte Denun. siation (Vize · Prãsident Dr. von F rege: das Wort. Denunziation sei in diesem Sinne doch wobl nicht parlamentarisch) es verftanden habe, an eine böbere Stelle zu appellieren über den Kopf des Staatssekretärt

eg, um eine andere Stellungnahme k 66. t ju erreichen. Daß die Industrie auf die Sozlal= emokraten angewiesen sei, könne doch nicht geleugnet werden. Daß notorische Son saldemokraten aus dem er, . entlassen werden i sei eine antediluvianische Auth eien nicht Feinde des Deutschen Reichs, sie seie Gegensatz zu manchen anderen Parteien des Hauseg. Daß sie Mon⸗ archisten seien, hätten sie niemals behauptet; sie hätten sich immer als Republikaner bezeichnet. Ez sei bemerkengwerth, daß die Herren von der Rechten jede Gelegenheit zu einer Sozialistendebatte benutzten. Abg. Freiherr von Stumm: Nicht wir haben die Sozialisten⸗ debatte angefangen; Herr Singer hat uns dazu gezwungen, indem er die Unwissenheit des Herrn von Wietersheimn in sozialdemokratischen Fragen betonte. Wenn die Sozialdemokratie auf dem Lande Erfelge erzielt hat, so beweist das nur, daß sie um so gefäbrlicer geworden ift. Herr Singer nennt es Denun ation, wenn wir einmal mit der Regierung nicht einverstanden sind. Hat Herr Singer denn die Oppositien in Erbpacht genommen? Danach könnte man die Sozial⸗ demokraten als Oppositionsxartei auch die Denunziantenpartei nennen.

Abg. Sraf von Klinckowstroem: Gegen die fortwährenden An⸗ riffe der Sozialdemokraten müssen wir uns doch endlich wehren. ie Sozialdemokraten haben nur Klassenhaß erregt auf dem Lande,

aber lein einzigs Wort von ihrem Programm gesagt.

Damit schließt die Debatte.

Berichterstatter Abg. Dr. Lieber erklärt, daß die Betriebe der Marineverwaltung sich am meisten bestrebten, das Kaiserliche Wort, daß die Staats- und Reichsbetriebe Masteranstalten sein sollen, in Erfüllung zu bringen. Dle anderen Betriebe sollten sich die Marine zum Vorbild nehmen. ;

Das Gehalt des Staatssekretärs wird bewilligt.

Bei dem Kapitel „Betrieb der Flotte“, und zwar bei den Ausgaben für die Schiffsverpflegung, weist

Abg. Dr. Dertel (d. kons.) darauf hin, daß das Gerücht im Umlauf gewesen sei, daß die Flotte Nahrungsmittel aus dem Aus lande bezogen habe; wenn die Marine ihre Bedürfnisse im Inlande befriedigt, warde die Bereitwilligkeit, ihr Mittel zu bewilligen, noch größer sein.

Staats sekretãär des Reichs⸗Marineamts, Staats⸗Minister, Kontre⸗Admiral Tirpitz:

Meine Herren! Die Marineverwaltung hat das dringende Interesse, sich nach allen Richtungen hin in Bezug auf ihre Bedürf⸗ nisse unabhängig vom Auslande zu stellen und sich nach Möglichkeit nur auf das Inland zu stätzen. Auch in der vorliegenden Angelegen⸗ heit sind wir nicht ohne Erfolg thätig gewesen. Ich möchte dies mit ein paar Zahlen beweisen.

Wir haben im Ganzen für die Schiffsverpflegung eine Summe von ca. 44 Millionen Mark ju verausgaben. Die Summe aber, die für ausländische Konserven hiervon verausgabt wird, beträgt nur 142 000 (Hört, hört!) Diese Zahl beträgt im Ganzen nur 409 des Gesammtbedarfs an Berpflegungsartikeln, wenn man den Proviant der Schiffe allein betrachtet. Wird der Bedarf der Schiffs⸗ und der Landtruppen zusammen genommen, so sind es sogar nur 30/0 Wir sind andauernd bemüht, noch weiter in dieser Richtung thätig zu sein. (Bravo! rechtẽ.)

Bei den Ausgaben für die Instandhaltung der Flotte und der Werftanlagen tritt

AEg. Dr. Hänel (fr. Vgg.) fuͤr die Konstruktionszeichner bezw. Konstruktions. Sekretäre ein; seine Ausführungen bleiben aber auf der Tribüne unverftändlich, da er derselben den Rücken zuwendet.

Direktor im Reichs⸗Marineamt, Kontre⸗Admiral Büchsel: Die erste Frage lautet, wenn ich den Herrn Abg. Hänel richtig verftanden habe, dahin, ob nicht die Aufrückungsfrist der Kon struktions⸗Sekretäre in ibren Gehältern verringert werden könnte. Diese Frage ist bei den Berathungen erwogen worden; es ist aber die jetzt vorbandene Regelung, daß diese Beamten in sechs Stufen von 3000 bis 48500 6 auflurücken haben, beibebalten worden, weil sie sich aus den technischen Sekretären ergänzen, die schon bis iu 4200 M in ibrer böchsten Stufe aufgerũckt sein können, sodaß sie in diesem Falle nur nech jwei Stufen zu er⸗ ledigen haben bis zum Höchstgehalt der Konstruktion?e⸗Sekretãre. Ferner bat der Herr Abg. Hänel gefragt, ob die 18 Konftruktionszeichner, die von der alten Organisation übrig bleiben, bestimmt sind, in die Stellung der Konstruktions Sekretäre aufjurücken, oder ob sie dauernd in der Konsttuktionsjeichnerstellung verbleiben sollen. Darauf babe ich zu antworten, daß, wenn diese 18 Konstruktions zeichner sich für das Sekretariat eignen und den Bedingungen entsprechen, die dafür auf⸗ gestellt sind, und wenn Stellen frei sind, nichis dagegen einzuwenden sein wird, daß sie ebenfalls in die Sekretariatskarrière bineinkommen. Soweit ich disher aber die Verhältnisse zu übersehen vermag, werden die meisten der 18 Konstruktionezeichner, die wir noch beibehalten, nicht dazu kommen, weil sie die Bedingungen nicht erfüllen. Weiter bat der Heir Abg. Hänel gefragt, ob die Zeichner der alten Kategorie, die in der Zeichnerstellung verbleiben, auch noch bestimmt sind, in das Sekretariat binüberzugehen. Darauf babe ich zu erwidern, daß das nicht der Fall ift. Diese Zeichner sind eben die übriggebliebenen, welche nicht für fäbig 6. werden, um in das Konstruktions. Sekcetariat hinüberjukommen, und diesen Zichnern ist ein Uebertritt in die neue Karriere nicht mög⸗ lich. Endlich fragt der Herr Abg. Hänel, ob eg den

Ufszeichnern nicht möanlich gemacht werden kann, überiutreten in die neue Karrisre. Hierüber befindet sit in den Bestimmungen, welche dem Etat des vorletzten Jahres beigefügt sind und welche den Modus bebandeln, in dem dieses neue Zeichnerversonal sich ergänzen soll, am Schluß ein Paragraph, welcher das Uebertreten der Hilfe zeichner in die neue Karrière behandelt, und dort ift von vornberein vorgesehen, daß Hilfszeichner, die vorzüglich befähigt sind, der neuen Karrisre einverleibt werden können, sobald sie die nöthigen Examina bestehen. Die Hilfs zeichner können aber, wenn für die neue Karrièrte 26 geeignet und wenn Zeichnerstellen frei sind, in diese Stellen ein⸗ rũcken.

Abg. Rickert emrsieblt die Petitionen der Schiffsführer und Maschinisten, deren Gehaltssätze sich in den letzten Jahren nicht nur nicht verbessert, sondern verschlechtert hätten.

Berichterstatter Abg. Dr. Lieber weist darauf hin, daß der Widerftand gegen die Erböbungen der Gehälter dieser Beamten mebr bei der preußischen Verwaltung liege, deren Beamte gleicher Klasse niedriger besoldet seien.

Die Ausgaben für die bezeichneten Beamten werden be⸗

* . ezüglich der Werftschreiber bedauert

Abg. Rickert, daß die ibnen gemachten fiene, nicht er⸗ füllt seien. Er spricht den Wunsch aus, daß sie in die Klasse der Werftbuch ührer eingereiht werden möchten.

Direktor im Reichs Marineamt, Kontte Admiral Büchsel: Die Werftschreiberkarriôre ist nicht kongruent mit der Werftbuch⸗ führerkarrisre, möchte ich bemerken. Es ist also nicht nothwendig, daß die sämmtlichen Werftschreiber direkt zu den Werstbuchfübrern abergefübtt werden, auch wenn der Etat die Berechtigung dazu giebt; denn da wir von den Buchführern mehr verlangen als von den Werftschreibern, so ist das Examen eingeschaltet, das von Herrn Ridert eben besprochen wurde. Die Leute müssen eben mehr leisten als bisher, da sie in eine höhere Kategorie übergetreten sind. Ich habe aber die Ueberzeugung, daß ein großer Theil der Werftschreiber ich boffe, alle das Examen besteben werden, damit sie Werfthuchtührer werden und den Namen, den sie so lange mit Unluft getragen haben, verlieren. Ich für meine Person habe keinen Zweifel, daß die . Subalternbeamten sein werden, sodaß allo auch dieser Wunsch in Erfüllung gehen wird.

ung. Die Sozialdemokraten Unitarier im

Beamten Gen 21 he

an K en verwaltung thatsã 4 15 wird anerkennen, daß ein so nicht vorliegt, wenn ich Fragen, die er ju stellen die Güte batte, hier beantworte. Die Be— triebs Sekretäre gehen bervor aus den Assistenten, die vorher in der Regel Werftschreiber gewesen sind und Militar. anwärter sind. In den früheren Jahren war ihnen der Zugang zur Werftverwaltungs-⸗Karriòre zwar durch die Bestimmungen geftattet, aber durch die Verhältnisse tbatsächlich verschlofsen, weil 1. eben zu alt wurden. Es waren die Anforderungen, die an sie geste wurden, jzu hoch, sie wurden zur Prüfung als Verwaltungs. Sekret re nicht früher zuzelassen, als bis sie fünf Jabre in Betriebe, Sekretärstellungen sich befunden hatten. Die Marinever⸗ waltung hat anerkannt, daß diese Bestimmung etwas ju bart ist, und sie hat davon abgeseben, daß sie eine Reihe von Jahren Betrieb g⸗Sekretäre sein müssen, ebe sie sich zum Verwaltungs Sekretariats Examen melden konnten. Sie sind jetzt be⸗ rechtigt, sich sofort zu dem Examen zu melden, wenn fie Beiriebg⸗ Sekretäre geworden sind. Also der Eintritt in das Verwaltungt. Sekeetariat ist ihnen offen. Wenn die Leute also der Meinvng sind, daß ihnen das Verwaltungs, Sekretariat vor⸗ enthalten ist, so ist das ein Irrthum. Diese Karriste ift allerdings den Militäranwärtern nicht allein vorbehalten. Ich glaube, daß aus dem Gesagten zu ersehen ist, daß wir alles gethan haben, den alten Militäranwärtern, an deren Fortkommen uns selbst sehr liegt, so viel als möglich zu helfen, damit sie die höher dotierten Stellen der Werft · Verwaltungs · Sekretãre erreichen. Der Neuorzanisation, die wir in diesem Jabre gemacht haben, liegt gerade der Eedanke zu Grunde, die Militäranwärter vorwärts kommen zu lassen. Wenn die Militäranwärter früher aus den Hilfsschreibern Werft⸗ schreiber geworden waren, von den Werftschreibern Assiften ten, aus den Assistenten Betriebg⸗Sekretäre und dann erst nach fünfjähriger Dienft. zeit als Betriebs ⸗Sektetäre zu dem Verwaltungg. Seltetan iat. Examen zugelassen werden konnten, dann wird das Berbältniß künfiig so steben, daß aus den Hilfsschreikern Buchführer werden. denen bereits sechs Monate, nachdem sie das Tuchführer Examen gemacht haben, freige stellt wird, sich zum Verwaltungs Sekretariats. Examen zu melden. Die Neu⸗ organisation ist entstanden aus dem Bestreben, den Militãranwärtern vorwärts zu helfen und ich muß sagen, ich bin sehr erstaunt darüber, daß diese Herren die Sache so verkebrt aufgefaßt haben. Nun hat der Herr Abg. Dr. Hänel moniert, daß man in diesem Jahre nicht die Zusage gehalten kat, die Assistentenftellen mit den Sekretariatsftellen zu vereinigen, wie es im vorigen Jahre versprochen worden sei. Es ist uns noch nicht gelungen dies zu erreichen, die Verhandlungen sind noch im Gange. Wir hätten ja ohne weiteres beide Kategorien ver—⸗ einigen können, aber es hätten die betreffenden dann einen nicht geringen vekuniären Schaden erlitten, weil sie jetzt eine actjehnjährige Aufrückungszeit haben, während sie später nach den bereits vorhandenen Kategorien eine einundzwanzigsäbrige hätten erbalten müssen. Sofern also die Gehaltsstufen nicht geändert werden und die Aufrückungszeit nicht verkürt wird, was bis j tzt nicht zu erreichen war, wäre den Betriebs, Assistenten durch Gewährung ibres Wunsches ein pekuniärer Schaden jugefügt worden. Infolge dessen haben wir vorläufig davon Abstand genommen. Schließlich sagt der Herr Abg. Hänel, daß die Gehaltagerböhung zu gering ist. Wir baben das erreicht, was die Herren bis vor kurzem selbft nur angestrebt hatten: die Gleichstellung mit den Posta sistenten, und ich gebe die Ver sicherung, daß wir froh gewesen sind, daß wir das erreicht haben; ob es möglich sein wird, später noch mehr zu erreichen, darüber, meine Herren, möchte ich hier ein Urtheil nicht abgeben.

Die Ausgaben werden bewilligt, ebenso ohne Debatte der Rest des Ordinariums.

Auf eine Anfrage des Abg. Dr. Paasche (nl) erklärt der

Staatssekretär des Reichs ⸗Marineamts, Staats-Minister, Kontre⸗Admiral Tirpitz:

Es ist der Marineverwaltung nicht gelungen, die Wohnungen auf der Prieser Höhe wefentlich billiger berzustellen, als im Voranschlag des vorigen Jahres angegeben worden ist. Der damalige Voranschlag bezifferte die voraussichtlichen Kosten pro Wohnung auf 5200 6 Da waren die Straßenregulierungen und Wasserversorgungen mit einge⸗ schlossen. Die Wohnungen haben thatsächlich 5009 M gekostet, sodaß nur 200 M pro Wohnung haben gespart werden können. Eg ist richtig, daß diese Wohnungen nicht unerbeblich tbeurer werden als andert wo, beispielsweise sind die Wohnungen, die der Baurerein in Kiel auf der Gaardener Seite anfertigt, etwa um 20 ½υ billiger. Die Gründe aber für diesen Preisunter⸗ schied liegen darin, daß Prieser Höhe nördlich von Friedrichsort sehr abgelegen ist, daß an sich die Arbeitslöhne böher sind, daß wir auch besser bauen müssen wegen der scharfen Winde, die dort direkt von der Sce aus auf die Wohnungen treffen, daß die Bauvorschriften demzufel ge baben schärfer angezogen werden müssen, um autreichende Wohnungen für diese Lage in der Nähe der See ju schaffen, und schließlich, daß die Baubeaufsichtigung bei uns in Yrieser Höhe theurer wurde als bei dem Bauverein auf der Gaardener Seite. Es liegt durchaus in der Absicht der Marineverwaltung, den Wohnunge⸗ bedürfnissen in Friedrichsort weiter gerecht zu werden. Eg finden augenblicklich noch Erwäzungen statt, in welcher Weise und bis zu welchem Grade das gescheben kann, und es wird ja im nächsten Jahre Gelegenheit sein, auf diesen Punkt zurück ukommen.

Schließlich werden nach kurzen Bemerkungen des Bericht⸗ erstatters Abg. Dr. Lieber das Extraordinarium sowie die Einnahmen des Etats ohne Debatte angenommen. Damit ist der Marine⸗Etat erledigt.

Nach 6 Uhr wird die weitere Berathung des Etats bis

Dienstag 1 Uhr vertagt. (Vorher Antrag Bachem wegen Aenderung des Zolltarifs.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

8. Sitzung vom 30. Januar 1893.

In der Fortsetzung der zweiten Berathung des Staatshaushalts⸗Etats für 1899 kommt der Spezial⸗Etat der Domänen verwaltung zur Verhandlung.

Bei den Einnahmen aus den Do mänenvorwerken erklärt auf eine Anfrage des Abg. Hoyermann (nl.) der

Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten Freiherr von Hammerstein:

Meine Herren! Ich kann auf die Anfrage des geehrten Herrn Vorredners Folgendes erwidern.

Das Bedürfniß der Staatsregierung, darch sachverstãndige Leute bin und wieder die Domänenvorwerle ju inspizieren und zu kon⸗ trolieren, erkennt die Staatgregierung in vollstem Umfange an, und in der obersten Instanz ist diesem Bedũrfniß dadurch Rechnung getragen, daß bei der landwirthschaftlichen Ver⸗ waltung seit einiger Zeit ein Beamter angestellt ift, der ausschließlich

Abg. Dr. Hänel tritt ebenfallz für die Werftschreiber und die

praktischer Landwirth ist, der selber schon eine ganz grohe Verwaltung

kontrolieren,

längere a, r n. un erer röhren Majoratgbesitzer gefuhrt bat,

der also mit anderen Worten vom Leder ist. Den benutze ich gegen⸗ wartig schon, wenn Verhältnlsse eintreten, wie sie Herr Hoyermann eben ausgeführt bat, um auch, wenn nöthig, zu kontrolieren, ob auf einer Domäne alles in Ordnung ift.

Ih möchte aber bei der Gelegenheit doch darauf hinweisen, wenn der Abg. Richter bei der Generaldiskussion des Gtats hervorgehoben hat, daß im großen Ganjen die Domäne avorwerke schon aus dem Grunde verkauft werden müßten, weil die Domãnen⸗Rãthe absolut ungeeignete Leute seien, die Landwirthschaft · zu das Nöthige anzuregen u. s. w., so muß ich dem entschieden widersprechen. Wir haben unter den Be⸗ amten bel den Regierungen eine große Zabl durchaus sachderstãndiger Leute, die seit Jahren sich mit diesen Fragen beschäftigt haben, und, wenn sie auch nicht von der Pike an gedient haben, sich doch so ein gearbeitet baben in diese Sachen, daß sie als sachverstãndige Berather und Kontroleure der Domänen anzusehen sind.

Ich möchte bei der Gelegenbeit auch darauf hinweisen, daß vor ein paar Jahren die Frage von mir schon angeregt worden ist, ob es fich nicht empfehle, eine größere Zahl jüngerer Verwaltungsbeamter, nachdem sie das zweite Examen gemacht haben, im praktischen deben und dessen Aufgaben auszubilden, und so kann ich den Herren mit⸗ tbeilen, daß infolge dieser Anregung und in voller Uebereinstimmung und unter Mitwirkung des Herrn Ministers des Innern schon eine größere Zahl jüngerer Beamter, nachdem ste das jweite Examen abgeschloñsen batten, sich auch auf Domãnenvorwerken mit der praktischen dandwirthschaft beschäftigt, und mit gutem Erfolg beschãftigt baben. (Sehr richtig rechts) Aus diesem Kontingent von Herren werden nach meiner Auffassung später im wesentlichen diejenigen Beamten zu wählen sein, denen man die Domänenverwaltung bei den Regierungen anvertraut. .

Im übrigen möchte ich doch darauf hinweisen, ein so tiefes Ein⸗ greifen in die Verwaltung von Domänen, wie der geehrte Derr Vorredner es in Aussicht nimmt, wird kaum ausfũhr⸗ bar sein. Der Domänenpächter ist in gewisser Beziehung absolut selbständiger Wirthschafter auf seinem Domã nendorwerk. Die Staatsberwaltung kann schon nach den Verträgen ibm nicht im einzelnen vorschreiben, wie er wirthschaften soll, das ist seine Sache. Wenn er sich nur innerbalb der Grenzen der Verträge hält, ist es seine Sache, wie er seine Wirthschaft zu führen in der Lage ist. Daß da Fehlgriffe vorkommen, ist zweifellos und auch ganz natürlich; denn wenn die landwirthschaftlichen Koniunkturen sich so wesentlich, von Tag zu Tag möchte ich beinahe sagen, umgestalten, wie das gegenwãrtig der Fall ist, so ist es natũrlich, daß mal jemand, der vielleicht zu intensid wirtbschaftet, nicht rechtzeitig erkennt, daß die intensive Wirthschaft für seinen Bezirk, für seine Verwaltung nicht zweckmãßig ift. daß er sich gründlich festlegt und dabei zu Grunde geht. Das ist ein ganz natürlicher Vorgang, der in allen Betrieben, in industriellen und sonstigen vorkommt, und dafür der Staatsregierung ein gewisses Vor mundschaftsrecht, eine Vormundschaftarflicht aufzuerlegen, daß sie in der Beziehung die Leute schützt und rechtzeitig warnt, das ist eine Aufgabe, die Sie weder den Regierungen und den betreffenden Dexartemente⸗Rämhen, noch bier der Staatsregierung ansinnen können. Das ist eine unausführbare Sache.

Bei den Einnahmen aus den Mineralbrunnen ꝛc. be—

wert . ö ; sch w ens Iy (Zentt.) darüber, daß seine in früheren Jahren bezüglich der Mineralbrünnen in Niederselters und Fachingen und der Berkcksichtigung der Krugbäcker 2c. geäußerten Wünsche noch nicht

ällt seien. 31 ö? w . Kom missar stellt die Erfüllung der Wünsche

in Aussicht ö i Einnahmen und die fortlaufenden Ausgaben werden

bewilligt.

Unter den einmaligen Ausgaben befindet sich ein Posten von 500 000 M zur Vermehrung und Verbesserung der Arbeiterwohnungen nebst Zubehör an Stallgebäuden, Brunnen u. s. w. auf den Domänen. . ö

Abg. Dr. Hir sch (ir. Volkep.) spricht seine Befriedigung über diese Forderung aus; die Wobnungen, namentlich auf den staatlichen Domänen, seien sehr mangelbaft. Es wäre zu wünschen, daß über die Bedürfnisse auf diesem Gebiet und über die Arbeiterperbältnisse auf dem Lande überhaupt dem Hause eine Denkschrift vorgelegt würde. Ueber Arbeitszeit, Arbeitslöhne und über die Nahrungsverhältnisse werde vielfach lebbaft Klage geführt. Es müsse auch für die geistige Rahrung der Arbeiter Färsorge getroffen werden. (Präsident von KRröcher: Das letztere gehört nicht zu diesem Titel)

Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer⸗ st e in: .

Meine Herren! Ich darf eine Aeußerung des geehrten Herrn Vorredners berichtigen. Er meinte, daß jede Arbeiterwohnung auf den Domänen etwa 3000 M koste. Das ist nicht ganz zutreffend. Wir bauen unter Umstãnden die Arbeiterwohnung für 2500 4, anderseits allerdings auch theurer. Denn nach Lage der Verhältnisse sind die Lohnpreise, die Materialpreise u. s. w. so verschieden, daß an einzelnen Stellen vielleicht theurer, an anderen unter Umständen etwas billiger gebaut werden kann.

Was die Art der Einrichtung der Wohnungen betrifft, so bin ich bereit, jedem, der sich für die Sache interessiert, die gegenwärtig in Kraft stehenden Pläne für den Bau von Arbeiterwohnungen vorzu⸗ legen. Im übrigen verweise ich darauf, daß die deutsche Landwirth⸗ schaftsgesellschaft, mit der auch die Domänenverwaltung wegen des Baues von solchen Häusern in Verbindung steht, ein besonderes Bureau errichtet hat, welches Pläne für landwirthschafiliche Bauten aufstellt. Daß diese vollstãndig konform in allen Landestheilen sein konnen, das ist natur⸗ gemäß nicht der Fall; denn im Osten erfordern die klimatischen Ver⸗ hältnisse schon andere bauliche Einrichtungen wie im Westen. Die Art der Arbeiter zu leben, wie sie Vieh balten, ob sie Deputatisten sind, ob sie selbst eine kleine Landwirthschaft betreiben, wie das vielfach noch im Westen der Fall ist, bedingt natürlich ver⸗ schiedene Einrichtungen für die Arbeiterwohnungen.

Meine Herren, obgleich der Herr Präsident eigentlich verboten bat, auf die angeregte Frage wegen der Enquste einzugehen, darf ich vielleicht doch kurz darauf erwidern. Es kann unmöglich Aufgabe der Staatsregierung sein es ist auch unausführbar —, eine solche Enquete für saämmtliche Arbeiter auf den verschiedenartigsten Domänen vorwerken anzustellen. (Sebr richtig! rechts.) Im übrigen findet der geehrte Herr bejügliches Material tbeils in den Schriften des Vereint für Sozialpolitik, tbeils in den statistischen Erhebungen, die alle Jahre statifinden.

Abg. Frei von Erffa (kons): Die Arbeiterfrage kann bei die sem . aufgerollt . Was die Unzulänglichkeit der Arbeiterwohnungen auf dem Lande betrifft, so können die staͤdtischen

Arbeiter bufrieden sein, rrenn fie immer noch solche Wohnungen haben,

wie die Arbeiter auf dem Lande. ; . Abg. Gamp fr. kons.): Es ist ja erfreulich, wenn Herr Hirsch 1j über die Arbeiterverhältnifse auf dem Lande inform; eren will; er alte woll bisher keine genügende Kenntniß davon. Die Arbeiter- wohnungen auf dem Lande sind sehr viel besser als die in der Stadt, das bedarf keiner Untersuchung. Die ganze Frage kann besser bei der Interpellation Sjmula erledigt werden. Für die geistige Unter. Faltung der Arbeiter wird auf dem Lande gesorgt, freilich nicht durch das Halten sogaldemokratiicher oder gewerkschaftlicher Blätter. Im Winker giebt es für die ländlichen Arbeiter Erbolungsftunden genug. Wollte Herr Hirsch Erbolungsstunden wäbrend der Ernte einfũhren, so würde er wohl damit selbst bei den Arbeitern kein Glück haben. Abg. Dr. Hir sch; Es handelt sich bei dieser Frage nicht um eine verfönliche oder um eine Parteiangelegenbeit. Ich würde mich freuen, wenn eine Enquste ergäbe, daß die Verhãltnisse wirklich so vorzüglich sind. In der vorjährigen Sitzung der n ,, erkläre ein Regierungskommissar, daß die Wohnungen im Osten sehr schlecht seien; die Schaffung menschenwärdiger Wohnungen würde den Zug nach dem Westen vermindern. Was sagt . Gamp dazu? Auch Abg. von Arnim gab damals zu, daß die Wohnungen im OAsten außerordentlich schlecht seien. Der Ministerial Direktor Dr, Thiel erklärt? damals in der Budgetkommission, daß ein Haus 3000 4 kosten würde. . Abg. Freiherr von Erffa: Ich habe mich lediglich gegen die Generallsierung gewendet, daß auf dem Lande allgemein schlechte Wohnunzen vorbanden seien. Eine Menge von Arbeitern, die den Zug nach dem Westen mitmachen, wäre froh, wenn sie in den Städten die Wohnungen kätten, die sie auf dem Lande verlassen haben. Mit der schlechten Behandlung der Arbeiter und den schlechten Wohnungen ist es ebenfo, wie mit dem Paradeyferd der Fleischnotb.

Abg. Gamp: Hätte Herr Hirsch gesagt, daß auf dem Lande auch vereinzelt schlechte Wohnungen vorhanden sind, so hätte er keinen Wider spruch gefunden. Wenn man eine Enquste über die Wohnungen veranftalten 6 dann sollte man auch die Verhältnisse in den Städten unter suchen. . Abg. Szmula (Zentr.) stellt fest, daß sowobl auf den Domänen, wie auf den Rittergütern in Schleien gute Wohnungen vorhanden sind, wenn sie auch nicht gerade elegant sind.

Abg. Hir sch bestreitet, daß er generalisiert habe; er habe nur von den Demänen gesprochen. Wenn man sich dabei lo ereifere wie Herr Gamp, dann müsse man wohl Unrecht haben. Auf den Ver⸗ gleich der stãdtischen und ländlichen Wohnungen wolle er nicht eingeben. Gegen eine i auch bezüglich der städtischen Wohnungen habe er durchaus nichts einzuwenden. ö .

3 Seer (n.) beftreitet als ehemaliger Domänenpächter, daß die Wohnungen auf den Domänen vernachlässigt seien.

Der Titel wird bewilligt, ebenso der Rest des Etats.

Es folgt der Etat der landwirthschaftlichen Ver—

waltung. . .

Beim Titel „Gehalt des Ministers“ bespricht

Abg. Dr. Crüger (fr. Voltep.) das landwirthschaftliche Se⸗ nossenschaftzwesen. Von den Kornhausgenossenschasten ver spreche er sich keinen Vortheil für die Landwirthe, im Gegentheil, es sei zu befürchten, daß die kleinen Landwirthe dadurch zu Srekulationen veranlaßt werden. Namentlich seien Beschwerden über das Korn⸗ haus in Halle bekannt geworden. Der Minister babe nicht einschreiten wollen. Wenn die Kornhäuser staatlich subventioniert würden, dann müßten sie auch der staatlichen Kontrole unterliegen, Führe das Kornhaus Mais oder Düngemittel, so verstoße es gegen das Gesetz über die Errichtung von Kornhäusern. Der Minister folle seinen Einfluß dahin aufwenden, daß die Kornhäuser die staat⸗ lichen Subventionen dem Gesetze entsprechend verwenden. Auch die Rönigsberger Betriebsgenossenschaft habe zu Beschwerden Anlaß ge⸗ geben. Bie landwirthschaftlichen Genossenschaften beschtãnkten sich nicht nur auf den Aksatz landwirthschaftlicher Produkte, sondern trieben auch daz Müller- und Bäckergewerbe. Ebenso falsch sei es, wenn die Land wirthschaftskammern nicht nur die ideale Vertretung der Landwirthschaft darftellten, sondern selbst wirthschaftliche Betriebe einrichteten. Redner will auch auf das Waaren haus gesetz eingehen, wird aber vom Präsidenten von Kröcher daran verhindert Der Großbetrieb der Landwirthschaftẽ kammern werde die kleinen Betriebe schwer schädigen. Unter solchen Umständen werde das landwirthschaft. liche Genossenschaftzwesen keinen Segen bringen; es müsse mit weit größerer Vorsicht auf diesem Gebiete vorgegangen werden.

Abg. Graf von Strachwitz (Zentr): Von allen Seiten bis zur äußersten Linken wird der Nothstand der Landwirthschaft jetzt un⸗ bedinet anerkannt; di: Behauptung von der Begehrlichkeit der Agrarier ist versfummt. Es ist anzuerkennen, daß die Regierung, namentlich der j tzige Landwirthschafts. Minister, auch den Nothstand anerkennt und zur Abhilfe Mütel ergreift, wie es 1. B. durch die Ausführung des Reichstagsbeschlufsses bezüglich des Verbots des Getreide · Termin⸗ bandels gesckeben ist Der Bund der Landwirthe hat bei den letzten Wahlen durch Aufftellung eigener Kandidaturen in Zentrums wahl⸗ Freisen einen Keil in das Zentrum treiben wollen. Dieser bedauer⸗ liche Verfuch it ohne Roth geschehen; denn das Zentrum hat stets ein warmes Her; fur die Landwirtbschaft gebabt. Zu den großen Mitteln ur Besserung der landwirthschaftlichen Lage rechnet Redner namentlich die Revisien der Handelsverträge, die Aufhebung besonderer Lasten, welche die Landwiribschaft bedrückten, und einen weitergehenden Schutz gegen die Viehseuchen. Die Hanptsache für die Landwirthschast bleibe immer der Körnerbau, der namentlich im Kriegs falle für die Ernährung des Volkes unentbehrlich sei. Für die Revision der Handelsve träge seien in den Parlamenten die Majoritäten vorhanden. Von den Nationalliberalen habe man auch gehört, daß die Industtie bereit sei., bei der Revision der Handel vertrãge auf die Qindwiribschaft Rücksicht zu nehmen. Wenn die Landwirth⸗ schaft böhere Einnahmen hätte, könnte sie auch ihren Arbeitern höhere Lößne jahlen. Unter den Lasten, welche die Landwirthschast zu stark bedrückten, befinde sich zunächst die Zuckersteuer, Es müsse ent⸗ schieden verbindert werden, daß unser Rübenbau durch die ausländische Tonkurrenz völlig nutzlos werde. Amerika sei jetzt sogar im Begriff, die Abfälle bei der Rübenzuckerfabrikation zu einer handelsfähigen Waare zu machen. Wohin solle unsere Rübenindustrie kommen, wenn sie keinen Zucker mehr exportieren könne? Im Westen Lei die land⸗ wirthschafiche Nothlage noch nicht so groß wie im Osten, wenn aber der Rükenbau zuiückgehen müsse, würden auch die Gegenden, welche setzt durch den Rübenbau noch einigen Ertrag haben, derselben Nothlage verfallen. Ferner drücke die Einkomme isteuer auf die Land- wirtbschaft, namentlich müßten Erleichterungen in Bezug auf die Ab⸗ zugssähigkeit geschaffen werden. Deg weiteren leide der Grundbesitz unter Verpflichtungen, die ihm vor anderthalb Jahrhunderten auferlegt worden Und damals auch berechtigt gewesen, es aber heute nicht mehr seten, wie z. B. unter der Botlerung der Kirchen und der Erhaltung der offen flichen Wege. Mit dem Arbeitermangel auf dem Lande könne es nicht meßr so weiter gehen wie bisher. Die Regierung müsse sich doch mit dem Gedanken vertraut machen, daß weder sür die Jaduftrie, noch fär die Landwi thschaft die genügenden Kräfte im Inlande vorhanden feien. Es seien ausländische Kräfte erforderlich. Man habe dem Zentrum einen Vorwurf aut seiner freundlichen Behandlung der Polen gemacht und gesagt, diese würden Zentrums⸗ manbate erobern. Die letzten Wahlen hätten gezeigt, . die Polen keine Zentrumssitze locker gemacht haben. . inzelheiten über⸗ gehend, bittet Redner um Auskunft über die ersuche zur Sanierung der Abwässer. Den Kreisthierärzten müsse eine diesem Amt ent. syrechende würdigete Stellung gegeben werden. Der Fonds zur

örderung der Land, und Forstwathschaft in den östlichen Provinzen n namentlich für ärmeren Boden verwendet werden. Das all gemeine Interesse sei es, das Fleisch der arbeitenden Bevolkerung so billig wie möglich juzuführen, aber nicht durch die fremde Einfuhr, fondern dadurch, daß die beimische Landwirthbschaft in den Stand glet werde, mehr Fleisch und besseres Fleisch zu produzieren.

se Zwischenfaktoren deg Handels verthtuerten das Fleisch, ohne daß 6 Landwirth einen Nutzen davon habe. 6 262

warden bauptsaächlich aus dem Ausland eingesckleyyt, nament. lich durch das geschmuggelte Vieh; aber ts * 2 zu verkennen, daß auch im Inlande Senchenherde beständen, die beseitigt werden můßten durch Tödtung des = . Viehs unter Ersatz des Ver luftes durch die Allgemeinbeit. Verhältniß zu dem großen Schaden der Viehseuchen wäre dieser Verluft kein Schaden Gegen das Ausland müsse eine viel strengere Kontrole durchgefübrt werden. Die Hauptsache jei eine Steigerung der Einnahmen dei Landwirth⸗ schaft durch flaatliche Maßnahmen, dann könne sie auch ruhigen Blutes ihre Lasten tragen.

Abg Freiherr vos Eynatten (Zentr,) spricht seine Befriedi⸗ gung über die Einstellung böherer Fonds im Extraordinarium aus, namentlich zur Förderung der Viehzucht, der Land. und Forstwirth · schaft und zur Herstellung von Musteranlagen. Auf die Handels verträge und die Fleischnoth wolle er nicht eingehen. Die Vorsichtsmaßregeln gegen die Maul und. Klauenseuche hätten sich nicht als genügend erwiesen. Die kleinen Ab⸗ sperrungegrenzen bätten sich nicht bewährt; statt dessen solle man in * größeren abgesperrten Bezirken die Seuche um so energischer bekämpfen und besonders die holländische Grenze gegen die Seucheneinschleypung sichern. Unter der Kalamität des Arbeiter mangels leide der Westen ebenfalls; es. sei Egoismus, wr bie Jndastrie Tie AÄrbeitsträste an sich siehe. Nie jungen Burschen sollten mit dem dreizehnten Jahre aug der Schule ent. lassen werden, damit sie für landwirthschaftliche Arbeiten verwendet werden könnten. Der Militärverwaltung sei zu danken, daß sie die Landwirthsckaft mit Arbeitsträften unterftützt habe. Die Kosten der Grbbescheinigungen seien zu hoch. Der Vergnügungssucht auf dem Lande müffe gesteuert werden. Durch den Ausbau des Sekundär⸗ babnnetzes tönne auch der Landwirthschaft geholfen werden; man dürfe nicht nur an Kanäle für die Induftrie denken. Redner wünscht die Vorlegung eines Wassergesetzes und namentlich eines Gesetzes über die Reinigung der Flüsse.

Minister für Landwirthschaft 2. Freiherr von Hammer⸗ stein:

Meine Herren! Ich glaube, daß ich gegenwärtig kaum Veran lassung babe, auf die breitschichtigen Ausführungen des Herren Grafen Strachwitz, der die sogenannten großen Mittel behandelt hat und darunter veisteht er die Revision der Handelsvertrãge, die Ermäßigung der Lasten, unter denen die Landwirthschaft zu leiden hat, den Schutz gegen Seuchengefahren u. a. näher einzugehen. Herr Graf Strachwitz ist in dem Rahmen seiner Dispesition eigentlich den ganzen landwirth⸗ schaftlichen Etat durchgegangen und hat daneben noch die Reichs gesetz⸗ gebung berührt. Wenn auch viel Interessantes in seinen Darlegungen war, so bieten die meisten für mich doch kaum einen Anlaß, schon jetzt darauf zu antworten bestimmte Fragen sind ja auch von ihm an mich nicht gerichtet. Dagegen hat Herr von Eynatten ersteng die Frage angeregt, wie es mit dem Erlaß eines allgemeinen Wassergesetzes steht. Meine Herren, die Frage befindet sich fort⸗ während in der Schwebe. Einmal ist es geboten, daß die Organisation des wasserwirthschaftlichen Dienstes geregelt ist, wenn man an die Gesetzgebung herantreten will. Sie wissen aus der Presse, daß die Frage im Fluß ist. Ihre Lösung wird von der einen Seite nach dieser, von der anderen nach jener Richtung gewünscht; jedenfalls ist die Lösung einstweilen noch nicht erfolgt. Andererseits ist der Ent— wurf eines Wassergesetzes seit Jahr und Tag in gründlicher Bearbeitung, und wir würden vielleicht auch schon in der Lage gewesen sein, einen pollendeten Gesetzentwurf dem gegenwärtigen Landtage vorzulegen, wenn dieser Landtag nicht schon durch eine Reihe von Justizgesetzen so sehr · in Anspruch genommen worden wäre, daß ich persönlich glaube, daß wir vor dem 1. Juli kaum auseinander werden gehen können (Be— wegung); das sind Gesetze, die noch vor dem Jahre 1900 erledigt werden müssen. Also neben diesen absolut nothwendigen Gesetzen auch noch ein so schwerwiegendes Gesetz wie das Wassergesetz in den Landtag hineinzubringen, wäre wohl nicht jweckmähig gewesen; denn man hätte die gegenwärtige Tagung überbürdet.

Dann hat Herr von Eynatten die Frage wegen der Wasser⸗ verunreinigung angeschnitten. Schon aus denjenigen Mittheilungen, die ich im vorigen Jahre über die Frage der Wassergesetzgebung ge⸗ macht habe, ging heivor, daß ich in dieser Frage einen gegen früher etwas veränderten Standpunkt einnehme. Nach reiflicher Prüfung und Erwägung der maßgebenden Verhältnisse bin ich ju der Ansicht gelangt, daß es zweckmäßig ist, diese Frage aus dem Rahmen des all⸗ gemeinen Gesetzentwurfs auszuscheiden und sie provinziell zu behandeln. Ich sehe, daß Herr von Eynatten, der mir zunickt, auch mit dieser Auffassung durchaus einverstanden ist.

Aber sachlich, glaube ich, sprechen doch auch so durchschlagende Gründe dafür, die Sache provinziell zu behandeln, daß ich kaum eine eingehende Darlegung und Begründung in dieser Beniehung für noth⸗ wendig erachte. Ich will nur darauf hinweisen, daß beispielsweise in einem Theil von Westfalen das Hauptschwergewicht auf die Industrie zu legen ist, und da wird man vielleicht etwas mehr die Interessen der Industrie wie der Landwirthschaft bei der Wasserverunreinigungsfrage berücksichtigen müssen; in anderen Gebieten, wo bei der Verunrei⸗ nigungsfrage vorwiegend die Landwirthschaft und nur nebensãchlich die Industrie betheiligt ist, wird man vielleicht die landwirthschaft · lichen Interessen mehr in den Vordergrund stellen müssen. Diese Gesichtspunkte zu beachten und zu berücksichtigen, ist natürlich nur möglich, wenn die Frage im Rahmen der provinziellen Lösung zum Abschluß gebracht wird.

Nun habe ich an die Ober. Präsidenten der vier hauptbetheiligten Provinzen in Gemeinschaft mit den übrigen Herren Ressort⸗Miniftern einen Erlaß herausgegeben, worin sie angewiesen sind, unter Be⸗ achtung der Gesichtspunkte, welche hinsichtlich dieser Fragen in dem in der Bearbeitung befindlichen Gesetzentwurf, in dessen Begründung und später bei der Kritik des Entwurfs u. s. w. hervorgetreten sind, und unter Beachtung der lokalen Verhältnisse zunächst den Ent⸗ wurf einer Pollzeiverordnung für den betreffenden Benirk auszuarbeiten, den Entwurf vorläufig mit dem Provinzialrath zu berathen und dann, nachdem dies geschehen, das aut diesen Ver handlungen hervorgegangene Material hierher zur Oberprüfung und Entschei⸗ dung vorzulegen. Die sechsmonatige Frist, welche für die Er⸗ ledigung dieses Auftrags gesetzt war, ist noch nicht abgelaufen, wird aber binnen kurzem ablaufen. Ich nehme an, daß mir dann die hauptbetheiligten Regierungen, die Ober. Präsidien einen kurzen Entwurf vorlegen werden. Ich werde mich dann bemühen, möglichst rasch die Sache zu fördern, und vielleicht auch den Entwurf einer derartigen Polizelverordnung der Oeffentlichkeit zur Prüfung unterwerfen, kurjum versuchen, auf dem Wege des Poltieiverordnungt⸗. rechtes vor dem Erlaß eines Wassergesetzes diese Frage aus der Welt zu schaffen. Gelingt das, so würde den Wünschen, die der Herr von Eynatten ausgesprochen bat, Rechnung getragen werden. Gelingt das nicht, dann werden wir die Erlediqung dieser Frage durch Provinnal⸗·

gesetze abwarten müssen. Wenn auch das mißlingt, wird es nur mög-