Vie. Prãsident Schmidt · Elberfeld: Ich bitte, meine Worte nicht zu kritisieren.
Staatesekretär des Reichs⸗Postamts von Podbiels ki:
Auf die Schlußapostrophe des Herrn Abg. Singer einzugeben, ist mir leider unmöglich; ich bin nicht berechtigt noch berufen, eine Kritik an diese Worte zu legen. Ich kann sie nur zurückweisen; eine Kritik daran zu legen ist unmöglich.
Um nun zunächst auf die beiden geringfügigen Sachen einzugehen — sie kamen ja auch jum Schluß —, jo muß ich sagen: es war der Herr Abg. Singer, glaube ich, kein günstiger Anwalt für die Ver tretung der Sache. (Cebhafte Zustimmung.)
Wie die Verhältnisse liegen, darf ich kurz anführen. Der be⸗ treffende Beamte batte sich meines Erachtens eines Vergehens schuldig gemacht, wodurch er die Achtung, die seine Stellung als Beamter erfordert, erschüttert hat. (Sehr richtig! rechts.) Nachdem batte ich die Verpflichtung, den betreffenden Beamten, da er unkändbar angestellt war, vor die Dis ziplinarkammer zu stellen. Das ist geschehen. Die Disziplinarkammer hat gesprochen, gegen das Urtbeil ist appelliert worden, und so werden wir im Laufe dieser Session wohl noch hören, wie der Disziplinarhof in der Sache ent- schieden hat. Aber darüber dürfen die Herren Sozialdemokraten nicht im Zweifel sein: Disziplinarhof und Dis ziplinarkammer baben durchweg in der einen Richtung erkannt: ein Beamter darf keine sozialdemokratischen Gesinnungen dokumentieren! (Lebhaftes Bravo! rechts — Heiterkeit und Zurufe bei den Sozialdemokraten.) — Gewiß, Herr Liebknecht, lesen Sie die Gesetze und Entscheidungen, da werden Sie finden, wie die Sachen stehen!
Der zweite Fall, Ruppin — da sprach der Herr Abgeordnete von „Hochmuth der Verwaltung“. Meine Herren, die Verwaltung, wenn sie ein Lokal für die Unterbringung des Postamts miethet, stellt gewisse Bedingungen, und zwar im Interesse der Verwaltung und des Verkehrs. Dazu gehõtt auch eine gewisse Sicherheit für die gesammten Werthe, welche in einem solchen Amt wäbrend der Nacht niedergelegt sind. Es ist ganz zweifellos und hat mit Hochmuth nichts zu thun, daß man es nicht als wünschenswerth bezeichnen kann, daß an einem Orte, wo staatliche Gelder liegen, unkontroliert Persönlichkeiten Unterschlupf finden. (Sehr richtig! rechts) Der betreffende Beamte bat sich nicht um äberflüfsige Sachen bekümmert: es war seine Pflicht, nachzuseben, ob im Hause noch andere Persönlichkeiten untergebracht waren. Es ist eigenthümlich, das in der sozialdemokratischen Presse als ein Vorgehen gegen arme Arbeiterfamilien hinzustellen. In Wirklichkeit war das eine völlig barmlose Sache. Vier Wochen vorher war es in Köln passiert, daß sich in einem Postamt eine öffentliche Dirne ein⸗ genistet hatte. Wir müssen in solchen Fällen gegen die Hausbesitzer vorgehen; denn Sie würden mich anklagen, wenn ich derartiges zu⸗ ließe! (Sehr richtig!)
Hier ist nicht von Hochmuth die Rede, sondern einfach von Wahrung der dienstlichen Ordnung im Gebäude. Also es lag wirklich kein Grund vor, die Sache aufjubauschen und hier von Hochmuth u reden; es ist lediglich nach den Vorschriften gehandelt
worden, und ich kann nicht zugeben, daß man auch nur den geringsten Vorwurf gegen die Ober ⸗Postdirektion in Potsdam aus diesem Anlaß richtet. (Gravo! rechts.)
Nun möchte ich noch eine Sache erledigen, ehe ich auf den großen Angriff des Herrn Abg. Singer eingebe: das betrifft seine erften Ausführungen über das Urtheil des Reichsgerichts wegen der Entschädigungen an die Militäranwärter der Reichs Postverwaltung. Meine Herren, es wird bei der Sache immer vergessen und ist neu⸗ lich schon von mir in der Budgetkommission hervorgehoben worden: wir hätten garnicht so viele Militäranwärter annehmen dürfen, wenn die Bestimmung, um die es sich bier handelt, schon damals die jetzige Auslegung gefunden hätte; danach durfte die Verwaltung nur so viele Anwärter annehmen, als tbatsächlich Stellen frei waren. Man hat aber geglaubt, den Militäranwärtern durch frühzeitigere Annahme belfen zu sollen, und jetzt ist die Sache durch das Erkenntniß des Reichsgerichts gegen die Verwaltung ausgeschlagen. Der Herr Abg. Singer verwechselt hier etwas den Instanzenzug. Ich babe neulich in der Budgetkommission nur gesagt: Ich bin nicht berechtigt, ohne anderweite Anweisungen über Mittel des Staats einseitig zu verfügen. (Hört, hört! rechts.) Wenn ich das thäte, so würde mir der Rechnungshof auf die Finger klopfen. Und so liegt die Sache auch heute noch. Sie selbst würden mich verklagen, wenn ich eine Zahlung machen wollte, obne dazu legitimiert zu sein. Um diese Legitimierung handelt es sich. Ich habe erklärt, es liegt bier eine Ungleichmäßigkeit für die Betreffenden vor, weil in einzelnen Landestheilen Deutschlands das Ver⸗ jährungsrecht gilt, in anderen nicht. Der Staat muß aber in gewisser Beziebung doch mit dem Verjãhrungs recht rechnen, denn, denken Sie sich einmal, es würde eine solche Ent—⸗ scheidung, wie die hier vorliegende, auf ein größeres Gebiet ausgespielt. Schon diese Verurtheilung der Reichs. Postverwaltung wegen unrechter Annahme von Militäranwärtern kostet dem Deutschen Reich 1800 000 νο Das sind doch Summen, die das Budget unter Um⸗ ständen erschüttern könnten, und da kann ich nicht einsehen, wie man der Reichs · Postverwaltung aus ihrem Verhalten, wenn ich so sagen soll, einen Strick konstruieren will; wir haben lediglich auf Grund der bestebenden Gesetze gebandelt. Wie gesagt, wir koͤnnen zunächst, da das Verjährungsrecht gilt, nichts weiter an⸗ erkennen. Wir erkennen die Billigkeit an und haben die Sache ein- geleitet; aber nicht den Reichs ⸗Rechnungs hof habe ich zu fragen, ob ich zablen soll, sondern die Ermächtigung zur Zahlung zu geben liegt bei der Reicht · Finan werwaltung, beim Reichs ⸗Schatzamt. Der Reichs Rechnunge hof würde vielleicht eine solche Anfrage meirerseits eigen tbümlich finden.
Nun komme ich auf den Gesammtangriff des Herrn Abg. Singer zurück. Es werden sich ja Alle daran erinnern, daß ich, als Seine Majestät mich auf diese Stelle berufen hatte, in kurzer und bündiger Form mein Amt übernommen habe, ohne Zusätze. Warum? Weil ich eben der Ueberzeugung war, man soll erst ruhig beobachten und seben, daun klar und deutlich seine Stellung nehmen. Dann wissen alle Untergebenen und Betheiligten, was der Mann will. Ich babe im Leben immer gesehen, daß nur der Mann etwas vor sich bringen kann, von dem man weiß, was er will (Bravo h, und daß andere Leute nur aus Sorge zurũckschrecken vor diesem oder jenem, und da möchte ich dem Herrn Abg. Singer sagen — ich glaube, er gebrauchte ein solches Wort von blöder Furcht! — meine Derren, davon seien Sie überzeugt, ich werde nicht eine Stunde oder eine Minute etwa zurückschrecken, eine Maßregel, die
ich für richtig erachte, durchzufübren, ob der hohe Reichstag hier versammelt ist oder nicht. Blöde Furcht, die etwa meine Ent⸗ schließungen leiten oder beeinflussen sollte, ist tbatsachlich nicht vor⸗ handen (Bravo), und ich muß da dem Herrn Abg. Singer dankend
anerkennen, daß er wenigstens gesagt hat, ich habe klar und deutlich und
offen vor aller Welt gesagt, was ich denke (sehr gut! rechts), und da kann ich absolut von meinen damaligen Erklärungen nicht zurück, daß ein Mann von sozialdemokratischen Gesinnungen Kaiserlich deutscher Reichsbeamter und insonderbeit Kaiserlich deutscher Reichs · Poftbeamter sein kann. (Lebhaftes Bravo) Sieht ein Beamter, der den Bestrebungen der Sozialdemokratie huldigt, nicht selbst, daß er sich in Wider spruch setzt mit dem von ihm geleisteten Diensteid, so er⸗ achte ich es als meine vornehmste und erste Pflicht, einen solchen Beamten unbedingt aus den Reihen der Reichz⸗Postbeamten zu entfernen. (Bravo Welchen Weg ich dabei gehe, richtet sich nach dem Gesetz. Sind es dauernd angestellte Beamte, so sind sie dem Dis iplinargericht zu überweisen; sind es andere Beamte, denen zu kündigen ist, so habe ich darüher zu befinden: und das möchte ich Ihnen immer wieder sagen, glauben Sie doch wahrlich nicht, daß es so leicht ist, und daß der Entschluß eine Bagatelle ist, wie wenn man eine Zigarre in die Höhe wirft, einen Beamten, namentlich wenn er längere Zeit im Dienfte gewesen ist, aus seiner Stellung zu entfernen, sofern er noch brauchbar ist. Ich glaube, jeder, der noch ein bischen menschliches Gefühl hat (Zu⸗ ruf linke), muß doch sehr eingehend prüfen, ob die Sache es erheischt so tief einzugreifen in ein Leben, oder nicht (lebhaftes Bravo), und wahrlich, die Verantwortlichkeit ist keine leichte, im Gegentheil eine schwere. Aber das eine habe ich, vielleicht zum Unterschiede gegen frühere Zeiten, immer getban, daß das, was geschieht, ich lieber mit meiner Person decke, als daß ich es den unteren Behörden überlasse, die auch berechtigt sind, einen Briefträger zu entlassen oder einen Assistenten, dem noch gekündigt werden kann durch die Ober⸗Post direktion. Lieber greife ich mit meiner Person ein und trage die volle Verantwortlich⸗ keit selber. (Bravo! rechts) Nur aus dieser Erwägung heraus kann meines Ercchtens auch in der Beamtenschaft das Gefübl sich entwickeln, daß sie sich sagt: der Mann trägt die Verantwortung, er ist aber, wenn er auch vielleicht einmal streng ist, auch bemüht gerecht zu sein in jeder Richtung (Lebbaftes Brapo! rechts), und aus diesem Gefübl heraus muß ich und kann ich nur eine so große Beamten⸗ körperschaft leiten und dirigieren. ECebhaftes Bravo! rechts.) Ez handelt sich hier nicht, wie Sie selbst wissen, um Tausend und Zehntausend, sondern um bald 200 000 Beamte einschließlich der Hilfsboten und was alles dazu gehört. Ein so großer Beamtenkörper muß mit großer Vorsicht, aber auch mit un— bedingt fester Hand behandelt werden, und gerade Sie bei den Sozialdemokraten werden ja auch dasselbe empfinden: je größer die Massen werden, die Ihren Lockungen folgen, um so fester müssen Sie die Organisationen schaffen, sonst fallen sie Ihnen aus einander. (Sebr wahr! rechts und Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) — Ja, meine Herren, so liegt es im Leben. — Sie würden mich alle unendlich bewerfen und bekritteln, wenn ich etwa hier vor Ihnen erscheine und sagen müßte: der Postbetrieb ist auf einige Tage ein · gestellt. Meine Herren, daß ich nicht alle die Briefe aus— tragen kann, das ist wohl klar. (Große Heiterkeit) Ich muß doch unbedingt dafür sorgen, daß jeder Beamte an der Stelle, wo er steht, seinen Dienst thut, und diesen thut er nicht etwa mir zu Gefallen, sondern er ist Beamter der Reichs. Postverwaltung, die der Allgemeinheit dient. Also er thut ihn ebenso gut für Herrn Singer wie für irgend einen Anderen hier im Hause.
Nun, meine Herren, muß ich daran sestbalten, daß unbedingte Klarheit darüber bestebt, wer der Herr im Hause ist. (Sehr richtig! rechts und Zurufe bei den Sozialdemokraten.) — Gewiß, meine Herren, da kommen wir auf diesem Punlt zusammen. Sie haben gesagt, und das gebe ich vollständig zu, daß zur Zeit in der Reichs⸗Post · verwaltung von soʒialdemoktanischen Velleitãten keine Rede ist. (Zurufe.) — Dies war auch vorher nicht! — Daz ist aber nicht blöde Furcht, sondern, meine Herren, ich boffe, die ehrliche Ueber zeugung einfacher, ruhiger Beamten. (Bravo! rechts)
Nun ist es eben das Moment, welches ich immer wieder vor⸗ führen muß: ich babe mit den Sozialdemokraten thatsächlich wenig zu thun. Sie würden mir ja, wenn Sie es könnten, mehr Fälle vor führen, wenngleich Sie gesagt haben, Sie hätten ein größeres Register vorräthig. Soweit mir nämlich bekannt, ist noch ein Fall der Entlassung wegen sozialdenokratischer Gesinnung außer Hamburg vorgekommen. Damit habe ich also nichts zu thun, sondern nur mit den Früchten, die Sie leider hervorbringen. Meine Herren, ich will, weil ich keine politische Verwaltung führe nicht auf andere Gebiete greifen; aber das ist zweifellos, daß die Untergrabung der Autorität stattfindet, nicht des blöden Köhler ⸗ glaubens, daß man ein besonderer Heiliger ist, aber der Einordnung in ein so großes Getriebe, wo jeder ein Rädchen ist, das sich mit drehen muß, wenn sich die anderen drehen sollen. Meine Herren, ich bin nicht in der Lage, einen Beamten dulden zu können, wie es vielleicht in einem Geschãft ge⸗ schehen kann, der bei sich denkt, ich kann 10 Minuten nach 8 Uhr auch noch kommen. Da würden die Betreffenden alle beim Postamt erscheinen und sich beschweren, wenn sie ihre Briefe K Stunde zu spãt bekommen. Und, meine Herren, in Ibrem Zukunftestaat möchte ich einmal sehen, wie das wird, wo vielleicht die Betheiligung noch zweifelhafter ist (Sehr wahr! rechts.) Also ich muß darauf halten, daß der Beamte thatsächlich auf die Minute seinen Dienst thut.
Nun, meine Herren, ein eigentbümliches Bild: im vorigen Jahre griffen Sie mich sehr an rep. meinen Vorgãnger, der das Briefgeheimniß bätte verletzen lassen. Ich habe mit allen Mitteln versucht zu bewelsen, daß das eine thatsächliche Unmöglichkeit wäre. Aber, um Sie darüber zu vergewissern, habe ich auch dafür meine Person eingesetzt; ich setze sie immer wieder ein, ich hafte dafür. Ja Sie könaen auftreten und mit Fingern auf mich zeigen, wenn ich einer solchen Haftung nicht in vollem Maße gececht werde. Aber da zeigt sich gleich das eigenthümliche Bild: man sieht es — und ich bekomme öfters solche Sachen — schon als etwas ganz besonderes an, wenn vielleicht von einem Briefkuvert oben ein Stückchen abgerissen ist; dann sind schon Gemüther da, die glauben, die Post hat darin herumgerochen. (Heiterkeit) Gewiß, glauben Sie mir das, ich kann Ihnen Dutzende von Briefen zeigen, die das beweisen. Also, das wesentliche ist, die Postverwaltung braucht in ihrem Betrieb Vertrauen. Wenn nun aber Beamte da sind, die sich vertrauensunwürdig zeigen, d. h. die sich
beeinflufen lafsen von Dritten, von Agitatoren, so handelt es sich lediglich um die Frage, wo fübrt das hin, wenn dritte Personen, in den Betrieb der Postverwaltung eingreifen? Das muß ich doch unbedingt zurückweisen, daß irgend ein Dritter sich in die Verwaltung einmischt. (Sehr richtig! rechts und in der Mitte) Das ist eben der Punkt 3. B. in dem einfachen Fall in Saalfeld. Um was handelt es sichẽ? Nicht um eine geheimnißvolle Sache, sondern einfach um den Dienststundenplan. Der hängt allgemein aus, und ich habe garnichts dagegen, daß jemand denselben veröffentlicht. Ich habe nichts Geheimes. Der Unterschied liegt nur darin, hier war von anderer Seite gebeten, verschafft mir einmal die Sache. Entgegen meiner Absicht, entgegen den Bestimmungen der Ober Postdirektion hatte das Postamt in Saalfeld den Dienststundenplan geändert, und die Beamten waren, wie zu meiner Kenntniß gekommen ist, zweifellos überlaftet. Die Leute konnten sich wahrlich beschweren; es ift noch nie vorgekommen, daß ich auf eine Beschwerde nicht geantwortet hätte, im Gegentheil, ich hätte sofort dahinter gegriffen. Da kam ein anderer Direktor, der wollte die Sache leiten, und da babe ich einfach die Antwort gegeben; wenn andere Leute die Herren in Saalfeld sein wollen, so stelle ich ihnen die beiüglichen Kräfte zur Verfügung.
So liegt es auch mit dem bekannten Briefttäger Schmidt. Ich glaube, Herr Singer hat ihn garnicht einmal erwähnt. Es ist ganz amüsant, wie weit wir schon heutzutage sind, wie weit sich Neben verwaltungen organisieren und ich glaube, daß, wenn ich das vorlese, ich sogar noch vom Abg. Singer ein Lob bekomme. Da schreibt der Verbandsvorsitzende des Verbandes der Unterbeamten an die Ober Postdirektion in Braunschweig; es heißt hier:
Ich würde also die Vereine ruhig gewähren lassen, so lange sie den Dienstbetrieb nicht stören.
Wenn nun in der Postverwaltung die so nöthige Disziplin auch in den höheren Stellen herrschte, wie in den untersten, dann würde der Verband mit seinen Wohlfahrtsbestrebungen unbehindert seine gesetzlich vorgeschriebene Bahn wandeln können, wie in Berlin und noch 22 Ober. Postdirertionsbezirken im Reiche, nur 5 Bezirke einschließlich Braunschweig, haben sich bisher widerrechtlich in die Organisation des Verbandes eingemischt. 13 Bezirke sind noch nicht angeschlossen.
In der Vernehmungssache des Postschaff ners Schmidt beim Telegraphenamt in Braunschweig erklärt der Herr Pofkkassierer Herding jedem Postunterbeamten, der es hören will: daß freilich das Reichs⸗Postamt dem Verbande die Genehmigung erthellt habe, jedoch nur, um keine Scherereien im Reichstage zu haben, den Post⸗ ämtern sei aber vom Reichs-Postamt eine Anweisung zugegangen, Vereinigungen und den Verband nach Möglichkeit zu verhindern.
So liegt der Fall. Ich stelle die Akten jederzeit jur Verfügung. Es haben jedenfalls sehr viel Leute aufgepaßt, ob so ein Ting herausgekommen ist, es liegt auch nichts bei mir im Schrank. Nun weiter:
Der Kaiserlichen Ober ⸗Posidirektion bestreite ich ganz ent⸗ schieden, daß ibre Organe richtig instruiert sind, auch das Recht, die Unterbeamten an den Eintritt zum Verbande zu hindern, hier- durch setzt hochdieselbe für diesen Theil der Staatebürger das be⸗ regte Vereinsgesetz außer Kraft und verfolgt hiermit sozialdemo-⸗ kratische Bestrebungen, denn die vaterlandslosen Menschen wollen auch nichts weiter, als die bestehenden Gesetze außer Kraft setzen.
Nun gehts weiter: Obgleich der Fall des Postschaff ners Schmidt durchaus nicht Ver bandssache ist, sondern erst durch die Erklärung des Herrn Post ⸗ kassierers mit dem Verbande verquickt worden ist, werde ich
— also der Verbandẽvorsitzende, ein außer Dienst befindlicher Poft⸗
beamter — an der Höhe der Bestrafung des re. Schmidt ermessen, welchen Rechtsweg ich beschreiten muß, um die bestehenden Gesetze auch für die Postunterbeamten in Kraft zu erhalten.
Ich habe sofort, wie ich den Brief bekam, telegraphiert: Ich stelle den Postschaff ner Schmidt dem Postpackmeister a. D. Allert zur Verfügung; der Mann (Allert) bat den Einfluß. Also das ist die einfache legale Antwort auf alle diese Sachen. Die Herren. haben sich nicht in das Getriebe der Post, die garnichts mit der Politik zu thun bat, hineinsumischen. Wir wollen unseren Dienst tbun, wollen aber nicht, daß durch irgend welche Vexationen und Eingriffe schließlich und letztlich unser ganze Dienstbetrieb in Frage gestellt wird.
Ich will nunmehr auf den „Postboten“ eingehen. Ich glaube, dem Herrn Abg. Singer ist in erster Linie ein kleines Unglück passiert. Er hat gesagt, der ‚Postbote! wäte das Organ der Postunter⸗ beamten. Ich lese ihm den Bericht über den am 4. und 5. Juni 1898 stattgefundenen ersten Verbandstag vor:
Der Antrag des Bejirkspereins Berlin: ‚den Deutschen Post⸗· boten als Verbandsorgan anzuerkennen“, wurde den Anregungen Allert's gemãßz abgelehnt.
Ich konstatiere also ausdrücklich, daß es sib nicht um ein Ver⸗ bandsorgan handelt. Ich stelle dem Herrn Abg. Singer alles zur Verfügung, und er wird vielleicht morgen Gelegenheit haben zu erklären, daß thatsächlich diese Zeitung niemals Verbandsorgan gewesen ist, daß im Gegentheil die Unterbeamten sie stets als Ver- bandsorgan abgelehnt haben.
Nan, meine Herren, möchte ich ein kurzes Streislicht einmal auf die Presse werfen und Ihnen einmal vorfübren, wie es so einem Staats sekretãt im Dienste gebt (Lachen links) und wie es mit der berũhmten Presse beschaffen ist. Meines Erachtens müßte doch der Preßfreiheit gegen ber die Preß wahrheit und Preßehrlich keit stehen. (Sehr gut! recht.) Ich gebe ia zu, man kann eine Thatsache verschie den beurtheilen, und ich werde jederzeit dem Herrn Abg. Singer gewiß das Recht zugestehen, eine Handlung von mir anders aufzufafsen wie ich, und sie ju fritisieren. Aber die Thatsachen fälschen — ich darf den Ausdruck dafür ja nicht gebrauchen, aber ich glaube doch, das ist ein eigen ˖ tbümlich Ding. Ich will hier einen Fall anführen, um ganz genau zu zeigen, daß ich versönlich all-in die Verantwortlichkeit trage. Ich befand mich auf einer Dienstreise nach München, als mich ein Brief erreichte, in dem mir mitgetheilt wurde, was in Hameln vorgegangen war.
(Schluß in der Zweiten Beilage.
zweite Beilage
zun Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
M 31.
Berlin, Sonnabend, den 4. Februar
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
In diesem Brief stand nicht das Geringste von Entlassung oder Kündigung; im Gegentheil: die Ober⸗Postdirektion Hannover hat von Anfang an einen viel milderen Standpunkt eingenommen als ich. Ich habe nach reiflicher Prüfung noch während der Reise telegraphiert, ich habe nicht erst meine Herren im Reichs ⸗Postamt äber die Sache befragen können, sondern ich bielt es für absolut nothwendig, bei diesem Vorkommniß gleich mit frischer und fester Hand einzugreifen; ich habe die Sache telegrapbisch gemacht und habe die volle Verantwortlichkeit (Bravo! rechts, Lachen links), das war nicht die Ober · Poldirektion, das war ich. (Lachen links) Wie sah es nun wenige Tage darauf im „Vorwärts“ aus? Da stand darin:
Es wird uns mitgetheilt, daß auf Veranlassung des Herrn von Podbieleki neuerdings auch in Hildesheim und in Hannover einer großen Zahl von Unterbeamten gekündigt worden ist. Es handelt sich in allen Fällen um Beamte, die noch nicht fest ange⸗ stellt waren und die der Theilnahme am Verbande der Post ⸗Uater⸗ beamten verdächtig sind. In dem einen Falle soll es sich um etwa ein Dutzend, im anderen um circa 50 Beamte bandeln.
Meine Herren, es ist sehr amüsant., wenn man es verfolgt. (Große Heiterkeit linkẽ.]) Der „Vorwärts“ ist ja vielleicht auch getäuscht worden. Das war am 26. November. Aus den Tagen des 26., 27. 28. November empfehle ich Ihnen die Lektüre einer gewissen Berliner Presse, die einen eigenthümlichen · Beigeschmack hat, über diesen Artikel im Vorwärts‘, wo die Betreffenden sich nicht entblödeten, den Artikel ein bischen umzudrehen und als eigenes Fabrikat in die Welt binauszusetzen. Ich nehme es dem Vorwãrtg⸗ nicht übel. Man kann jn in solch einer Zuschrift getäuscht werden. Ich wartete daber vierzehn Tage, ob eine Berichtigung käme, und dachte: die Herren werden sich darauf besinnen. Es war mir und dem Reichs⸗Postamt nicht eine einzige Kündigung in Hannover und Hildesbeim bekannt. Ich nahm an, die Herren würden wohl so anständig sein und aus eigener Entschießung eine Berichtigung eintreten lassen. Das ist nicht erfolgt, und ich muß sagen: es bat mich eigentlich gewundert, daß die Herren bei dem „Vorwärts“, die immer so mit dem Brustton der Sittlichkeit in das Horn stoßen und die da sagen, es solle kein Unrecht geschehen, das nicht gethan baben. Sie hätten in erster Linie — sie haben ja eine ganz gute Organisation — die Verpflichtung gebabt, die Aus⸗ kunft zu schaffen: jene Nachricht bestätigt sich nicht! — denn es wußte kein Mensch von der Sache. Ich bin sonst kein Freund von Berichtigungen, aber ich babe schließlich die Ober⸗Poftdirektion anweisen müssen: bitte, zu berichtigen; uns ist nichts bekannt. (Zuruf links.) Ich muß die Herren um Verzeibung bitten, wenn ich manchmal vielleicht nicht ganz logisch) bin. Das mag dem Herrn Abg. Kopsch eigenthümlich er⸗ scheinen, und er mag ja als Dozent die Sache sehr gut machen. Aber in einer größeren Daistellung ist es sehr wohl möglich, daß man das eine und andere, was man hat sagen wollen, zunächst außer Acht läßt (sehr richtig! rechts) und dann eventuell auf einige Punkte zurück tommen muß.
Der Herr Abg. Singer hat wegen Hameln gesagt, es müßten Spitzel dagewesen sein, die mich von der Sache in Kenntniß gesetzt haben. Meine Herren, die Sache ist auf ganz trockenem Wege passiert, und sie braucht auch sonst nicht das Licht des Tages ju scheuen. Die Sache kam zufällig heraus. Es ist ein Packet mit 30 Exemplaren des Deutschen Postboten“ nach Hameln gekommen, und nicht ein höherer Beamter, sondern ein Unterbeamter war es, der das Packet vom Tisch fallen ließ, sodaß es ausplatzte. So ist der einfache Hergang der Sache, und ich stelle Ihnen sogar die Vernehmung über diese Sache zur Verfügung, weil ich es unbedingt ablehnen muß, etwas mit Spitzeln zu thun haben zu sollen. Wenn ich etwas wissen will, gehe ich geradeaus auf den Mann zu und sage ihm meine Meinung; ich habe mit Spitzeln nichts zu thun. So liegt die Sache zunächst in der Presse wegen der vielen Entlassungen, die thatsãchlich nicht gewesen sind. Ein weiterer Beleg — ich habe nicht nur die „Frankfurter Zeitung vor mir, sondern noch eine Menge anderer, Berliner Zeitungen! Diese Zeitung batte am 24. November folgendes schöne Entrefilet:
Der Herr Staatssekretär hat vor einiger Zeit den Postbeamten das Lesen des Deutschen Postboten“, des unabhängigen Organs des Verbandes der Unterbeamten, verboten.
Ich habe schon bewiesen, es war ibatsächlich kein Verbandsorgan. Weiter habe ich es nicht verboten, sondern ich habe gewarnt ( Heiterkeit links). Darüber will ich keinen Zweifel lassen: warne ich, so weiß ich zweifelles meiner Warnung auch Nachdruck zu geben. (Sehr gut! rechts) Weiter heißt es dann: und die neugegründete Neue Post“ empfohlen.
Da der Hert Abg. Singer das gestreift hat, kann ich nur erklären, ich babe niemals, weder direkt noch indirekt, diese Unterbeamten⸗ zeitung empfohlen. Ich will zugeben: zu einer früheren Zeit trat an mich die Frage heran: wündest Du ein solches Blatt eventuell empfeblen? Ich habe gesagt ich bedanke mich schön, geht Euren eigenen Weg. Ich hake mit dem genannten
Blatt thatsaͤchlich nicht im geringsten etwas zu thun. Ich habe das
Umgelehrte gethan und habe es abgelebnt, mich in solche Quer⸗ treibereien einzulassen, weil meine Position hier eine wesentlich schlechtere wäre als so, wo ich sagen kann: ich habe mit der Sache garnichts zu thun. Aber, meine Herren, so geht es auch weiter. Aus neuerer Zeit liegen mir einige Blätter vor, wo auf die Saalfelder Sache zurückgekommen wird. Ja, meine Herren, in Bezug auf den Saalfelder Fall wird in einer bedeutenden Zeitung gesagt: mit mir müßte ein ernstes Wort geredet werden; ich entließe die Beamten nach 20 jähriger Dienstzeit und beachtete — wer weiß was alles nicht. Run, meine Herren, von diesen beiden Beamten ist der eine 23, der andere 285 Jahre alt. Im allgemeinen ist das Durchschnittgalter, in dem ein Postassistent unkũndbar angestellt wird, z0 bis späteftens 32 Jahre. Hier handelt es sich um jüngere Leute, ich kann doch nicht einen unkündbaren Beamten beseitigen. )soll heißen: chronologisch.
Weiter wird mir die große Zahl von Beamten vorgeworfen, die ich beseitigte. Ich habe schon vorher gesagt: was ich gethan habe und thun werde, so lange ich an dieser Stelle bin, dafür werde ich mit meiner Person bei so wichtigen Dingen direkt eintreten; dann kann ich Ihnen auch jeder Zeit Rede und Antwort stehen, dann brauche ich mich nicht irgendwohin ju verziehen. Was ist denn nun thatsächlich gescheben? Im Ganzen sind von 17500 Beamten, die wir im Etat haben, im ganzen Jahre 18, also 1ẽ per Mille, überhaupt von mir zur Entlassung gekommen. Vielleicht werden wir noch Gelegenheit haben — es giebt ja verschiedene andere Fälle, wo solche arme Menschen leider haben entfernt werden müssen —, daß noch der eine oder andere Fall vor Ihren Augen vorgeführt wird. Ich bin gern bereit, mein Material Ihnen offen und ehrlich vorzulegen.
Was bedeutet aber die Zabl von 18 Assistenten? Herr Singer sagte schon, sechs Agitatoren hätie ich entlassen. Ist davon bei einer Beamtenschaft von 120 000 Köpfen überbaupt die Rede? Als wenn ich ein großer Wütherich wäre, der alle Leute um ihr Brot brächte! Das därfen Sie von mir nicht voraussetzen, meine Herren, sondern ich muß, wie ich schon sagte, ernst mit mir überlegen, wenn ich so rauh in das Leben eines Beamten eingreife. ö
Ich muß noch weiter ausholen auf die Presse selbst, d. b. auf die Fachpresse. Seben Sie, meine Herren, die Fachpresse liegt — meistens ist es so auch in anderen Verwaltungen — nicht etwa in Händen von Herren, die es als ihren idealen Beruf ansehen und mit Freudigkeit in die Sache hineingehen, sondern in Händen von Beamten, die entlassen sind wegen irgend welcher dienstlichen Uanzuträglichkeiten. Das sollen die Anleiter sein, die belehrend auf die Masse wirken? Es sind Menschen, meine Herren, Menschen, die natürlich ein Gift in ihre Entlassung aufgenommen haben, die nichts weiter können, als es nach irgend einer Seite spritzen. (Große Heiterkeit links.) Meine Herren, erst gestern habe ich gelesen, daß der Herr Pfarrer Naumann, der sich auch immer bemüht, sich in alle möglichen und unmöglichen Sachen hineinzumischen, mir einen schönen Rath giebt, wie ich dieses Kapitel erledigen sollte. Er stellt in der „Hilfen fest, das Blatt wäre nicht so schlimm. Ja, meine Herren, das Blatt ist jetzt auch nicht mehr ss schlimm, das fühle ich ihm nach, dem Mann geht es an die Nähte, es war ein Broterwerb für ihn, ich verdenke es ihm nicht, daß er schreit, es geht um sein Brot. Aber man soll nicht sagen, er thäte es um der lieben Unterbeamten willen. Hier liegt das Moment, wo Sie bei vorurtheilsfreier Ueberlegung sagen müßten: es ist ein großer Unterschied zwischen einer Fachpresse, die von Männern geleitet wird, die aus der Verwaltung bervor⸗ gegangen sind und in der Verwaltung stehen, und zwischen einer Fach ⸗ presse, die von weggejagten Leuten geführt wird.
Nun, meine Herren, will ich nur — zunächst garnicht einmal gegen mich; ich empfehle es auch gegen die Sozialdemokraten, obgleich es vollständig Wasser auf ihre Mühle ist — eine Auslassung in einem Blatt im Sommer anführen, wo den Unterbeamten vorgehalten wird, was für schrecklich belastete Menschen sie wären, sie müßten die An- sichtspostkarten austragen, während die Schreiber derselben sich amü⸗ sierten und garnicht an die Nöthe eines Landbriefträgers oder eines Briefträgers überhaupt dächten. Meine Herren, solche Behauptungen führe ich gern an, zumal sie garnicht gegen die Verwaltung sind. Ich halte es auch nicht für richtig, wenn man den Unterbeamten sagt: sieh, der Postrath sitzt in einem schön durchlüfteten Zimmer seine drei bis vier Stunden und Du armer Kerl mußt den ganzen Tag wohl 10 Stunden und mehr herumlaufen. Dadurch wird der Mann angereizt, und ich verdenke es ihm nicht, wenn er bessere Lohnverbält ⸗ nisse anstrebt. Ich kann Ihnen versichern, meine Herren, ich babe volles Verständniß für die Arbeiter; aber — und das ist der springende Punkt, um den es sich bier handelt, — so wie es gilt, eine Verwal tung zu terrorisieren, werden Sie mich, so lange ich an dieser Stelle stehe, in der Bresche finden, denn der Beamte hat seine Pflicht und Schuldigkeit zu thun und in so fern hat die Verwaltung sich um ihre Beamten zu kümmern. (Sehr richtig! rechts.)
Nun komme ich zu den beiden Verbänden. Ich babe bier selbst — das kann ich ganz offen sagen — im vorigen Jahre erklärt, ich schaffe keine Märtyrer. Der Herr Abg. Singer ist darüber hinweg gegangen, und ich glaube nicht, daß er mir den Beweis führen kann, daß ich auch nur an einer Stelle — selbst die Verbandstage babken das ausgesprochen — gegen jemand, weil er Verbandsmitglied ist, ein ·˖ geschritten bin, sondern es ist immer nur aus dienstlichen Gründen geschehen.
Meine Herren, es ist mir nicht angenehm, solche Personalien vor die Oeffentlichkeit zu ziehen, aber es giebt doch ein gewisses Etwas, weshalb ich mich verpflichtet fühle, auch' dem hohen Reichs tag Einblick in diese Verhältnisse zu gewähren. Ich habe anfangs den Assistentenverband seinen Weg geben lassen; ich kann dem Herrn Abg. Singer sogar sagen, ich habe manche Anklänge in dieser Drganisation gefunden, weil ich, wie Sie wissen, früher dem Offizierverein angehört habe und Verwaltunge⸗ mitglied gewesen bin. Also ich stehe diesen Bestrebungen gar nicht feindlich gegenüber. Nun denken Sie sich folgenden Fall: Die Ver⸗ waltung entläßt einen Beamten, der einen großen Vertrauentzbruch begangen hat; der wird Redakteur des Verbandsorgans, und als Ant⸗ wort, ehe ich noch irgend etwas gethan habe, im Mai oder Juni er⸗ halte ich eines Tages die Nachricht, daß der Verband diesen Mann zum Ehrenmitglied gewählt hat. Meine Herren, nach meinen Begriffen ist die Ehrenmitgliedschaft eine so hohe Aus zeichnung, und es muß ein so Aus ˖ gezeichneter von solchen Gesinnungen sein, daß er für den ganzen Verein porbildlich wirken kann. Hier wird ein früherer Beamter, der wegen groben Vertrauensbruchs entlassen ist, zum Ehrenmitglied gewahlt. Ich muß offen sagen, ich habe mich manchmal gefragt, wird dein Wohlwollen auch nicht jur Schlappheit.
Nun will ich Ihnen noch zeigen, was ich gethan habe. Ich habe den Herren geschrleben, ö
daß ich die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft des Verbandes an
1899.
einen wegen Vertrauengmißbrauchs entlassenen früheren Post Assistenten nicht billigen kann. Die dem Verbandsausschuß an⸗ gehörenden Beamten scheinen sich ihrer Pflicht als Staats bũrger nicht bewußt gewesen zu sein, sich auch nicht klar gemacht zu haben, wie sie selbst die Stellung und das Ansehen des Verbandes untergraben, wenn sie einem wegen eines so schweren Verstoßes gegen die Amtspflichten entlassenen Assistenten die Ehrenmitglied⸗ schaft verleihen. ; (Sehr richtig! rechts.)
Meine Herren, kann ich legaler verfahren, als wenn ich die Herren noch darauf hinweise: ihr schadet Euch selber? Nun sind ja noch andere Gründe hinzugekommen kei den Assistenten, die mich veranlaßten, gegen den Verband vorzugehen; aber ich hoffe, Sie werden mir zugeben, daß ich mit dem nöthigen Wohlwollen gegen die Herren vorgegangen bin. Das können Sie, glaube ich, mir nicht abstreiten; denn ich habe klar und ebrlich ihnen meine Meinung gesagt und ich glaube, ein jeder pon Ihnen würde, wenn ihm solche Sachen zu Hause passierten, wenn er von solcher Ehrenmitgliedschaft börte, genau so den betreffenden Beamten gegenüber handeln.
Nun, meine Herren, der Unterbeamtenverband. Ueber meine Stellung zu demselben habe ich schon gesprochen und ich komme nun zu den Aeußerungen, die der Vorsitzende dieses Verbandes direkt in einem Brief, den er im ‚Postboten“ veröffentlicht hat, gemacht hat; er sagt:
Ich will Euch helfen, aus diesem Loch empor zu kommen, daß wir wie freie denkende Männer und nicht als die Leibeigenen unserer Vorgesetzten bezw. Amtsvorsteher betrachtet werden und daß wir uns mit der Familie satt essen können. In meiner langen Dienst⸗ zeit habe ich erfahren, wie schwer es ist, wenn ein freier Mann sich in einem Rechtsstaat unter Sklavenketten beugen muß.
Ja, meine Herren, einen Mann mit diesen Anschauungen soll ich nun anerkennen als Leiter eines großen Verbandes? Ich babe nicht eingegriffen, sondern den Betreffenden ruhig seinen Weg ziehen lassen, immer in der Hoffnung, daß, wenn ich das Wort wiederholen soll, welches der Abg. Müller, glaube ich, im vorigen Jahre gesagt hat, die besseren Elemente empor kommen und die Leute sich auf sich selbft besinnen. Ich habe nichts gegen den Verband — mit dem habe ich nichts zu thun — wenn er für die wirth⸗ schaftlichen Interessen seiner Mitglieder eintritt. Aber ganz anders ist es — und da kommt, wie ich nur immer wieder erklären kann, hart auf hart —, wenn diese Verbände dazu übergehen, den Betrieb der Reichspostverwaltung in Frage zu stellen. Zur selben Stunde — löse ich nicht etwa den Verband auf, nein, verbiete ich die Mitgliedschaft; denn den Ver⸗ band kann ich nicht auflösen. Seien Sie überzeugt, meine Herren, ich weiß genau, was ich thun werde und thun will. Meine Erlasse sind hervorgegangen aus ruhiger und objektiver Beurtheilung; ich habe nicht zurückgehalten. Ich habe aber die ehr⸗ liche Hoffnung, daß, indem dieser große Beamtenkörper weiß, was sein Chef will, er schließlich auch zum Wohle des Staates mit mir in die Bahnen einlenken wied, die ich für die richtigen erachte. (Leb= hafter Beifall. Unruhe bei den Sozialdemokraten.)
Abg. Singer Gur Geschäftsordnung): Herr Präsident, ich wollte um Auskunft darüber bitten, ob es gestattet ist, daß ein Mitglied des Bundesraths einem Mitglied des Hauses den Vorwurf machen kann, daß es Thatsachen gejälscht habe.
h inen Graf von Ballestrem: Ich habe davon nichts gehört.
Staatssekretär des Reichs⸗Postamts von Podbielski:
Meine Herten! Ich kann nur sagen, selbst wenn es möglich gewesen wäre — ich glaube es nicht, ich habe lebhaft gesprochen —, die Absicht hat thatsächlich nicht vorgelegen, es so auszudrücken.
Abg. Schmidt. Marburf (gentr) tritt dafür ein, daß den Mililäranwärtern gegenüber nicht der Einwand der Verjährung bezüg⸗ lich ibrer Ansprüche gemacht werde; er habe durch seine Ausführungen die Stellung des Staatssekretärs stärken wollen gezenüber der Reichs-⸗ schatzberwaltung.
Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts, Dr. Freiherr von Thielmann:
Meine Herren! Gegenüber den Aeußerungen des Herrn Vor redners möchte ich nur kurz anführen, daß die Reichs ⸗ Finanzverwaltung von dem Wortlaut des betreffenden Erkenntnisses erst in allerletzter Zeit Kenntniß erhalten hat, und daß vor der Hand noch nicht festgestellt ist, welche von den angeblich geschädigten Beamten überhaupt seiner Zeit in etatsmäßige Stellen im Bereich des Reichs Postamts ein- berufen waren, und welche nicht. Die ganze Frage erheischt also noch eine eingehende Prüfung. Wir können mit der Liberalität nicht zu welt gehen; wir können nicht, um gewissermaßen ein Unrecht, was möglicherweise einigen geschehen ist, wieder gat zu machen, das Gold mit vollen Händen ausstreuen. Ich habe vollkommen Ver⸗ ständniß dafür, daß es dem Gefühl entspricht, diejenigen thunlichst schnell — ich will auch gern bestrebt sein meinerseits, eine Beschleuni⸗ gung der Angelegenheit zu finden — zu entschädigen, denen ein Billigkeitsanspruch nach genauer Prüfung der Sachlage zur Seite stehen wird. Das sind aber, wie ich annehme — die Ziffern liegen noch nicht vor — durchaus nicht Alle, sondern nur die, welche seiner Zeit in Etatestellen einberufen worden waren. Diese Prüfung muß vorhergehen, und Sie werden es der Reichs ⸗ Finanzverwaltung nicht zur Last schreiben wollen, wenn sie diese Prüfung ernsthaft vornimmt, und wenn deshalb die Vorbereitung dieser Sache vielleicht einige Zeit länger dauert, als es der Herr Vorredner zu wünschen schien.
Staatssekretär des Reichs⸗Postamts von Podbielski:
Ich habe noch eine kurze Richtigstellung vorzunehmen. Mir wird gesagt, ich hätte vorhin einmal das Wort „logisch‘ gebraucht; es sollte das Wort „chronologisch“ sein. — Herr Singer erinnert sich plelleicht der Sache nicht, es war bei dem Hamelner Fall.
Abg. von Kardorff (Mp: Ich habe dem Herrn Staatg= sekretär im Namen meiner Freunde unseren besten Dank zu sagen für die Art und Weise, wie er der Sonlaldemokratie 9. enüber sein Amt vertültt. Lange Zeit ist hier eine so ernste Sprache nicht geführt worden,
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