1899 / 42 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 17 Feb 1899 18:00:01 GMT) scan diff

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schließlich doch nur im Fall der Noth verwendet. Bei der Be rathung der Vorlage wollen wir hauptsächlich im Auge balten, da der . möglichst geschont wird; denn dieser trägt die La am schwersten. n

ge Bräsicke (fr. Volksp.): Die Ausdehnung des Geletzes auf die Wittwen und Waisen wäre viel wichtiger als die Herabsetzung der Grenze für die Altersrente. Denn die Leute, die Altersrente er⸗ halten, sind noch in gewissem Sinne erwerbefähig; für sie ist die Altersrente eine Zugabe zu ihrem Verdienst, und diese Zugabe könnte wegfallen oder geringer bemessen werden, wenn dafür die Wittwen˖ und Waisenversorgung durchjuführen wäre. Den alten Leuten sollte man die Erlangung der Altersrente nicht erschweren; es wird ihnen schwer, die Arbeits bescheinigungen zu erlangen. meiner Heimath Ostpreußen bat das Geseß sich nicht nur keine Sympathie erworben, sondern zu großen Zwistigkeiten Anlaß gegeben. Ich stebe auf dem Boden der Vorlage. Bevor nicht ein anderer besserer Vorschlag gemacht ist, bin ich dafur, daß ein größerer Garantieverband für die 2 der gemeinsamen Lasten . wird. Die Lasten des Gesetzes sind bei uns im Osten ganz auf die Schultern des Arbeitgebers gefallen. So schwerfällig unsere Arbeiter sind, so schwerfällig sind sie nicht, daß sie nicht den Vor⸗ theil, der ihnen aus dem Mangel an Arbeitskräften erwächst, zu benutzen wüßten. Es ist selbstverständlich, daß die Arbeit geber sagen: ir müssen die Last des Gesetzes allein tragen; wozu nun noch die Unbequemlichkeit des Klebens? Von einer Unregelmäßigkeit in der Versicherungsanstalt Ostpreußen scheint man noch keine Kenntniß zu baben: für die weiblichen Arbeiter ist über⸗ haupt nicht geklebt worden. Ohne die Arbeiterfrauen können wir überhaupt nicht wirthschaften. Die alten Hofgänger sind verschwunden, theils sind sie ausgewandert, theils sind die dazu sich anbietenden Kräfte so minderwerthig, daß die Frauen selbst den Dienst thun. Für viele Tausende von Frauen sind Hunderttausende von Wochen Marken nicht geklebt worden. Endlich wurde in einem Memorandum von 1897 an die landwirthschaftlichen Vereine kund—⸗ gegeben, daß für die Frauen geklebt werden soll. Der Grund, weshalb das bisher nicht geschehen sei, warde darin gesucht, daß sonst das Gesetz noch unbeliebter geworden wäre. Das ist aber durchaus nicht der Fall; im Gegentheil, die Frauen beschweren sich jetzt darüber, daß für sie nicht geklebt worden ist; aber ich kann Ihnen sagen, es wird auch jetzt noch nicht geklebt, weil man sagt, die Frauen arbeiten ja schließlich bloß zwei oder drei Tage die Woche. Ich hoffe, daß das Gesetz so ausgestaltet wird, daß derartige Dinge in Zukanft ver—⸗ mieden werden.

Abg. Stötzel (Zentr) geht ebenfalls auf das Verhältniß der Knappschaftskassen zu der Vorlage ein. Die Bergleute Rheinlands und Westfalens würden sehr ungehalten darüber sein, wenn man in die Vermögen der Knarpschaftskassen eingreifen wollte zur Unter⸗ stützung Ostpreußens. Wenn es in Ostpreußen so zugegangen sei, wie der Vorredner mittheilte, dann brauche man sich überhaupt über nichts mehr zu wundern! Wenn bei den Rentenstellen aller Bureaukratismus fernbleiben würde, so könnten sie sehr segensreich wirken. Hoffentlich komme das Gesetz in einer Form aus der Kommission heraus, daß es für das praktische Leben brauchbar werde.

Abg. Lanzinger (b. k. F.) führt aus, daß das Gesetz in Süddeutschland desbalb sehr unbeliebt sei, weil die Arbeiter eine Zeit lang zablen müßten und nachber, weil sie selbständig würden, keine Rente bekämen. Redner empfiehlt auch für die Unfall versicherung eine baldige Verbesserung.

Abg. Freiherr von Stumm (Reichsp.): Ich stimme darin mit einigen Vorrednern überein, daß die Vorlage mit großem Fleiß ausgearbeitet ist und mehrere Verbesserungen enthält. Aber die Vorlage hat nur deshalb Arbeit gemacht, weil sie den Ausgleich auf künstlichem Wege sucht. Der ganze Ausgleich, den ich für nothwendig halte, kann nur dadurch ersielt werden, daß man frei und offen zur Reichsanstalt oder mindestens zur Landesanstalt übergeht. Daß man scheidet jwischen Sonderlasten und Gemeinlasten, das ist nur Palliativmittel. Die Versicherungdanstalten haben gar kein Interesse mehr, billig zu wirth⸗ schaften, wenn das Meiste auf die Gemeinlast angewiesen wird. Dazu kommt, daß Organe die Rentenfeststellung übernehmen sollen, die in keiner Beziehung zu den Versicherungsanstalten stehen. Ob die Aus⸗ scheidung eines Gemeinvermögens ein sozialdemokratisches Prinzip ist, will ich dahingestellt sein lasson. Selbst die Versicherungsanstalten stehen nicht auf diesem Standpunlt, auch nicht diejenige von Berlin, die doch das meiste Kapital angesammelt hat. Die Frage wird ver einfacht, wenn man das Gemeinvermögen ausscheidet zu Gunsten einer Reichzanstalt oder einer Landesanstalt. Wer die großen Schwierig⸗ keiten erkennen will, welche die Trennung von Gemein und Sonder⸗ vermögen mit sich bringt, den verweise ich nur auf das Gutachten der Landesversicherungsanstalten, deren Vertreter in Eisenach ver⸗ sammelt waren. Wenn die Industriearbeiter in Königsberg zu dem Ausgleich beitragen, weshalb soll der rheinische Industriearkeiter sich sträuben? Da heißt es doch: „Gleiche Brüder, gleiche Kappen“. Oder man muß besondere Anstalten einrichten für die einzelnen Industrien und für die Landwirthschaft, ja für die einzelnen Gegenden. Gefabrenklassen sind undurchführbar für die Invaliden⸗ versicherung. Man sagt, die Reichsanstalt würde zu kostspielig sein. Wenn die Reagtenstellen die Renten unabhängig fest⸗ stellen, dann wird die Sache noch viel kostspieliger werden. Haß eine Anstalt für Preußen zu umfangreich wäre, kann ich nicht anerkennen, die preußische Eisenbahnverwalfung hat doch auch einen sehr großen Umfang. Hert Roesicke hat sich auf die Kaiserliche Botschaft bejogen. Das halte ich nicht für zweckmäßig. Man sollte sich bei der Diskussion auf die inneren Gründe beschränken. In der Botschaft von 1851 ist von korporativen Genossenschaften die Rede. Ist Herr , der Ansicht, daß ein Probinzialverband eine korporatipe Genossenschaft ist? Damals verstand man darunter Berufsgenossenschaften, aber nicht die korporativen Verbände. Wenn die Reichsregierung und der Reichstag sich zu meinem Bedauern von dieser Grundlage der Be— rufsgenossenschaften entfernt haben, so mag Herr Roesicke daraus erfehen, daß man dabei prakltischen Gründen gefolgt ist. Warum ver⸗ langt denn Herr Roesicke nicht eine andere Forderung der Botschait durchgeführt? Das Tabackmonopol! Der nothwendige Ausgleich ist nur zu erzielen darch einen Uebergang zur Staats⸗ oder Reichsanstalt. Wenn der vorgeschlagene Autgleich scheitern sollte, ist die Regieräng ver pflichtet, in Preußen die Zusammenlegung der verschiedenen prodinziellen Anstalten herbeizuführen. Ich höre, daß im Landtage ein derartiger Antrag vorbereitet wird. Wenn die Wittwen. und Waisenver⸗ sorgung wichtiger ist, als manche anderen Formen der Versicherung, dann muß man unter allen Umständen damit vorgehen. Selbst wenn die doppelten Kosten erferderlich wären, so würde mich daz nicht schrecken; es wird aber auch voch Mittel geben, die Verdoppelung der Kosten zu vermeiden. Lieber könnte die Alters versorgung auf— gegeben werden, um einen Theil der Mehrkosten zu decken. Herr Gamp hat arch antrkannt, daß die Landwirthschait, wenn sie eiwas besser steht, die Ausgaben für die Wittwen⸗ und Waisenversorgung gern tragen werde. Wenn die Belastung durch die Altersversorgung aufhört, wird sich die Sache also leicht machen lassen. Ich wollte ja ursprünglich nur die Industriearbeiter in die Veisicherung bringen; nachdem man die Versicherung gegen meinen Wunsch auf alle Lohnarbeiter ausgedehnt hat, kann man daran nichts mehr ändern. Für mich sind alle Einzelheiten unbedeutend neben dem Ausgleich und der Relikten versorgung. Ich habe nicht die Hoffaung, daß ich mit meinen Ansichten durchdringen werde. Ich habe bisher allen Kommissionsverhandlungen beigewohnt; ich will der Regierung aber keine Schwierigkeiten machen und des balb den Kommissiongverbandlungen fernbleiben. Ich hoffe, daß die Kommission zu einer Verständigung kommt in Bezug auf die beiden von mir angeführten Hauptpunkte. Ich möchte die Kommi sion warnen vor der Zusammenlegung der Kranken- und Invaliden versicherung. Die letztere geht auf große breite Schultern, die erstere kann, ohne der Simulation Vorschub zu leisten, nicht in weiteren Kreisen erledigt werden. Ferner möchte ich warnen vor einem Noth⸗ gesetz bezüglich des finanziellen Ausgleichs. Für die Versicherung interessieren mich die niedrig gelohnten Arbeiter mehr als die höher gelohnten, die eber Ersparnisse machen und sich selbst versichern können. Redner wendet sich gegen die Ausführungen des Abg. Sachse bezüglich

der Knappschaftskassen und fährt dann fort: Daß alles aus Furcht vor der Sozialdemokratie geschaffen ist, ist unrichtig. Ich habe 1869 die ng beantragt, als die damals aufgetretenen Sozial- ach ausgelacht wurden. Ich habe die Anträge damals nicht aus Furcht vor der Sozialdemokratie eingebracht. Als ich 1873 meinen Antrag wiederholte, ging ich allerdings davon aus, daß man den Arbeltern, denen man anscheinend durch ein Sozialistengesetz einen Nachtheil zugefügt hatte, auch zeigen müßte, daß 2 etwas für fie thun wolle. Wenn ein Hausbesitzer sich vor den Einbrechern fürchtet, so wird er Sicherheitsmaßregeln treffen. Aber haben die Einbrecher dadurch das Verdienst, daß Schlosser und Schreiner ꝛe. bei der Befestigung der Thüren und Schlösser Arbeit gefunden haben? Die Sozialdemokratie sucht aus allem, was wir für die Arbeiter thun, nur das Gift herauszusaugen. Wir thun aber nur, was wir für unsere Pflicht halten. Aber es muß endlich der Hetzarbeit von jener Seite ein Ziel gesetzt werden zum Schutze des Wohlbefindens und der Freiheit der Arbeiter und der Gcundlagen des Staats.

Abg. Lucke Patershausen (b. k. F): Die Gesetzgebung hat auf diesem Gebiete einen volkswirthschaftlichen Febler gemacht, weil es für die Versicherung, die ein Wohlfahrtszweck ist, nur die Arbeit, die n belastete, aber nicht die Allgemeinheit, das mobile Geoßkapital. Es müßte die Last durch eine Einkommensteuer auf⸗ gebracht werden; alle diejenigen, welche gearbeitet haben, müßten unter möglichster Erleichterung des Nachweises die Rente k ö Gedanken sollte die Kommission bei ihrer Beratbung im Auge

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2 Graf von Bernstorff⸗UNeljen (b. k. F): Wir haben die christliche Grundlage unseres Volkelebens, den patriarchalischen Aufbau unseres Staatslebens verloren. Es muß also alles geschehen, um den Staat aufrecht zu erbalten und die Armenrflege in neuer Form wiederherzuftellen, damit nicht diejenigen, welche erwerbsunfähig geworden sind, der Allgemeinheit zur Last fallen. Wir fteben schon fief in der sozialen Gesetzgebung, das ist weiter kein Vorwurf.

Abg. Liebermann von Sonnenberg (Reformp.) spricht den Wunsch aus, daß man sich einmal mit den Militärinvaliden so eingehend beschäftige wie mit den Invaliden der Arbeit, und wendet

ch dann gegen eine Aeußerung des „Vorwärts“ über seine persön⸗ liche Bemerkung aus der gestrigen Sitzung.

Abg. Singer (Soz.) erwidert auf die Ausführungen der Abgg. Freiherr von Stumm und Dr. Dertel˖ Sachsen und verbreitet sich insbesondere über den Begriff von Robheitsvergehen“. Als roh“ bejeichne er jeden Aagriff auf das Koalitionsrecht der Arbeiter. Zum Schluß kommt Redner auf die Bestrafungen infolge der be⸗ kannten Löbtauer Vorgänge zu sprechen und sucht aus anderen Ver urtheilungen zu beweisen, daß dieselben zu bart ausgefallen seien.

Abg. Eßlinger (b. k. F) führt aus, daß für Niederbayern die Invalidenversicherung nur Lasten gebracht habe, aber keine Vor⸗ theile; denn dis kleinen Arbeitgeber hätten die Lasten zu tragen für ihre Arbeiter, während sie selbst sebr schlecht lebten.

Mit einer Reihe von persönlichen Bemerkungen der Abgg. Freiherr von Stumm, Dr. Oertel⸗Sachsen, Roesicke⸗ Dessau (b. F. F), Langer (Zente) und Singer schließt die erste Lesung. Die Vorlage wird einer Kommission von 28 Mitgliedern überwiesen.

Es folgt die Verlesung der folgenden Interpellation der Abgg Johannsen (b. k. F. und Gen.:

Erachtet der Herr Reichskanzler die außerordentlichen Maß⸗ regeln und die damit in Verbmdung stebenden Ausweisungen

dänischer Unterthanen, welche von der preußischen Staatsregierung

in den nordschleswigschen Kreisen ergriffen worden sind, für gerecht fertigt und den Interessen des Reichs entsprechend?“

Präsident Graf von Ballestrem: Ich richte an den Herrn Reichskanzler die Frage, ob er bereit ist, die Interpellation sofort zu beantworten.

Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe-Schillingsfürst:

Auf die Anfrage des Herrn Präsidenten gestatte ich mir, das Folgende zu erwidern:

Das Recht der Ausweisung von Ausländern ist der Ausfluß eines Landeshobeitsrechtes der einzelnen Bundesstaaten, dessen Ausübung weder nach der Reichsverfassung noch nach den Reichsgesetzen der Be—⸗ aufsichtigung seitens des Reiches unterliegt. Die Bestimmung des Art. 4 Nr. 1 der Reichs verfassung, wonach die Fremdenpolizei der Be⸗ aufsichtigung seitens des Reiches und dessen Gesetzgebung untersteht, kann auf die Ausweisung von Ausländern nicht bezogen werden. Diese Be— stimmung ist im Jahre 1867 auf Antrag des Abg. Michaelis in die Verfassung des Norddeutschen Bundes aufgenommen worden. Die Ab⸗ sicht des Antrages ging lediglich dabin, die Möglichkeit auszuschließen, daß etwa auf dem Wege der einzelstaatlichen Fremdenpolizei reichs⸗ gesetzliche Bestimmungen über Indigenat und Freizügigkeit illusorisch gemacht werden könnten. Dagegen ist eine Einschränkung des Rechts der Einzelstaaten zut Ausweisung von Ausländern aus dieser Be⸗ stimmung nicht abzuleiten. Der Geschäftskreis des Reichskanzlers wird mithin durch die von der Königlich preußischen Regierung ver⸗ fügten Maßregeln, welche den Gegenstand der Interpellation bilden, nicht berührt. Aus diesem Gcunde muß ich es ablehnen, die Fater⸗ pellation zu beantworten und auf dieselbe sachlich einzugeben. Sollte eine Besprechung derselben stittfinden, so würden sich die Vertreter der verbündeten Regierungen daran nicht betheiligen können.

Abg. Singer beantragt die Besprechung der Inter⸗ pellation.

Präsident Graf von Ballestrem: Die Besprechung einer Interpellation, deren Beantwortung die verbündeten Regierungen ab⸗ gelehnt haben, ist zuläsig. Sie kann aber nur erfelgen, wenn der Antrag auf Besprechung von mindestens 50 Mitgliedern unterftützt wird. Ich frage also, wer den Antrag unterstützt.

Der Antrag wird unterstützt von den Sozialdemokraten, den beiden freisinnigen Gruppen und der deutschen Volkspartei, vom Zentrum, den Polen und den Welfen.

Präsident Graf von Ballestrem: Die Unterstützung reicht aus. Die Besprechung findet also statt.

Nach diesen Worten verlassen der Reichskanzler Fürst zu Hohenlohe, der Staatssekretär Graf von Posadowsky und die anderen Regierungsvertreter den Saal.

ur Begründung der Interpellation erhält nunmehr das Wort der

Abg. Johannsen. Redner bespricht den Hergang der Aus⸗ weisungen, die nach seiner Behauptung nicht erfolgt seien, weil die betreffenden Personen sich selber lästig gemacht hätten, sondern um andere Personen dadurch zu benachtheiligen. In früheren Jahren seien die Dänen in großen Scharen ausgewandert, die kleine Einwanderung, die in den letzten Jahren stattgefunden habe, sei dafür nur ein schwacher Ersatz gewesen; es sei geradezu eine Leutenoth entftanden. Redner beruft sich auf die Bestimmungen des Wiener Friedens von 1864 bezüglich des Rechts zur Option. Wenn die prerßische Regierung behauxte, daß 20 0090 Dänen in Nordschleswig wohnen, so verstehe Jeder darunter, es handle sich dabei um in Dänemark geborene Dänen, während es sich um geborene Nordschleswiger handele, die ein vertrags⸗ mäßiges Recht bätten, dort zu wohnen, die auch das deutsche Indigenat besäßen. Die Ausgewiesenen, fährt Redner fort, standen meistens in dienstlichen Verbältnissen; es sind Knechte, Mägde, Handlunasgehilfen, Tagelõhner ꝛc, jedenfalls friedliche, ruhige Unter⸗ thanen eines befreundeten Staates; sie werden ausgewiesen, nicht ihrer selbst wegen, sondern derentwegen, in deren Dienften sie stehen. Dadurch wird nicht bloß Unzufriedenheit, sondern auch Leutenoth geschaffen. Halten wir einfach Versammlungen mit

über unsere raclamentarische qe, n en ., di ne alle enigen, e

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werden als dänische

lichen Vereine, envereine, Drganisationen bezeichnet, obgleich man ihnen nichts nachweisen kann. Die preußische Regierung benutzt die Gelegenheit, um über die Sache hinwegzugehen und Personlichkeiten anzugreifen. Es wurde die Per⸗ sönlichkeit des Abg. rung als verdächtig hingestellt.

Präsident Graf von Ballestrem: Vorhin hat der Herr Ab= geordnete Diejenigen, welche Beschuldigungen gegen die Abgeordneten aus Nordschleswig aussprechen, mit großer Emphase als Lügner be⸗ zeichnet. Nunmehr trägt er vor, daß , der Königlich vrenßi⸗ schen Regierung dieser Vorwurf erhoben sein soll. Das ist nicht zulässig; er darf nicht Mitglieder einer Bundesregierung Lügner nennen. Ich rufe daher den Abg. Johannsen zur Ordnung!

1 Johann sen; Ich muß darauf erwidern, daß ich nicht ge⸗ sagt babe, daß die preußische Regierung die Abgeordneten des Landet⸗ verraths bezichtigt hat.

Präsident Graf von Ballestrem: Das ganze Haus wird den Eindruck haben, daß der Abgeordnete in geschickter Were der preußi⸗ schen Regierung diesen Vorwurf zu unkterstellen versucht hat. Der Herr Abgeordnete wird in seinem Innern selbst davon überzeugt sein.

Abg. Johannsen: Im Abgeordnetenhause hat man mit Kalendern und allen möglichen w das Gruseln zu erregen gesucht. Solche Stegreifdichtungen sollen die Unterlage jür die barten Maßregeln bilden. Sogar die Minifter begnüagten sich mit diesen Unterlagen. Wenn auf die Vereine hingewiesen wurde, so stehen sie doch unter dem Bereinsgesetz und werden zur Genüge bewacht. Wenn das genügt, um harte Polizeimaßregeln einzuführen, da möchte ich ausrufen; O tempora, o mores! Den Ge— brauch der dänischen Muttersprache konnte man nicht unter= drücken, aber man unterdrückte nach Möglichkeit den Gebrauch der dänischen Syrache in der Schule. Die Dänen baben sich selbst gebolfen durch Gründung ven Sprachvereinen, von Bibliotbeken ꝛc. Das soll auch agitatorisch sein. Weil in unseren dänischen Privat⸗ schulen ja der dänische Privatunterricht verboten war, sandien die Dänen ihre Kinder auf die dänischen Schulen. Das wird jetzt als etwas Strafbares hingestellt. Zwei Amtsrichter entzieben jeßt den⸗ jenigen Eltern, die so etwas thun, ihr Ernziebungsrecht. Solche Rechtswidrigkeit schafft natürlich Beunubigung in Nordschleswig. Die Sprache, mit der ein Volt entsteht und lebt und aufhört ju sein, will das Volk in Nordschleswig bewahren. Und das wird als landesfeind⸗ liches Treiben dargestellt. In diesem ungleichen nationalen Kampfe lassen wir den Muth nicht sinken. Der Glaube, der politische wie der religiöse, wächst durch Verfolgungen und dadurch, daß man für seinen Glauben leidet. Der Glaube ist eine gewisse Zuversicht dessen, was man hofft. Herr von Köller hat gemeint, ich sei meines bösen Gewissens wegen nicht zu ihm gekommen; nicht mein böses Gewissen hat mich verhindert, sondern mein kranker Fuß. Andere haben ihm die Verhältnisse nicht richtig dargestellt, z. B. der Deutsche Verein in Nordschleswig, und die sind an den strengen Maßregeln schuld. Nicht die dänische Agitation hat die dänischen Dienstboten nach Nerdschleswig gelockt, sondern der hohe Lohn. Die Amtevorsteber haben selber zablreiche däͤnische Dienst⸗ boten, die natürlich nicht ausgewiesen werden. Der neue Ober—⸗ Präsident von Köller will Rube baben; er schafft aber die Unruhen. Sind solche Verhältnisse des deutschen Voltes würdig? Die Be⸗ antwortung dieser Frage überlasse ich Ihnen, den Vertretern des deutschen Volkes. ; ;

Darauf wird um 6 Uhr die weitere Besprechung bis

Freitag 1 Uhr vertagt. (Außerdem Anträge aus dem Hause.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

21. Sitzung vom 16. Februar 1899.

Auf der Tagesordnung steht die erste Berathung des Entwurfs eines Ausführungsgesetzes zum Bürger⸗ lichen Gesetzbuch und des Entwurfs eines preußischen Gesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit.

Ueber den Beginn der Debatte ist schon berichtet worden.

Abg. Dr. Weihe (kons.) vertritt folgenden Antrag seiner Partei: die Königliche Staatsregierung aufzufordern, ihren Emfluß bei den gesetzgebenden Faktoren der Reichsregierung dabin geltend zu machen, daß mit Rücksicht auf die unzulänglich kurze Zeit, die der Bexölke⸗ rung und den Behörden zur Aufnahme und Verarbeitung des zum tbeil noch garnicht abgeschlossenen, in dem Bürgerlichen Gesetzbuch und seinen Nebengesetzen enthaltenen umfangreichen gesetz geberischen Materials bleibt, die Einführung dieses Gesetzes biz zum J. Januar 1901 binausgeschoben wird. Mit den Gesetzen ist Redner im all⸗ gemeinen einverstanden.

Abg. Dr. Porsch (Sent): Meine politischen Freunde bätten gewünscht, daß in dem Aueführungsgesetz noch inanche anderen gesetzaeberischen Materien geregelt worden wären; da wir einen Torso des allgemeinen preußischen Landrechts zuückbebaiten, so wäre es uns lieb, wenn dieser Torso etwas klarer bervorgehoben würde. Auch die Erziehung der Kinder aus gemischten Eben hätte klarer geregelt werden müssen. Ueber den Begriff der Sonntagsrube berrscht eben falls noch große Unklarheit Dem Antrag auf Kommissionsberathung schließen wir uns an. Wir wünschen, daß etwaige Anträge und sonstige Wünsche schon in der Kommission erledigt werden, damit wir uns hier in der jweiten und dritten Lesung nur über die Hauptstreitrunkte zu unterhalten brauchen. u dem Anttage Busch haben wir noch nicht Stellung genommen. Ich erkenne an, daß wir eine gewisse Ehren pflicht haben, das Bürgerliche Gesetzbuch bis zum Jahre 1900 einzu⸗ fübren. Aber vom nationalen Gesichtspunkt allein darf man die Sache nicht anseben, es kommt darauf an, ob man wirklich bis zum 1. Januar 1900 fertig werden kann, und dag können wic noch nicht übersehen. Eine Enischeidung hierüber muß allerdings sobald wie möglich fallen. ; . .

Abg. Dr. Crüger (fr. Velkep ): Wir sind für ein möglicht einheitliches deutsches Recht, darum hätten wir es gern geseben, wenn auch die Gesindeordnung und die Wildschadenregulierung, ebenso die Haftung des Staats für Versehen der Beamten, deren Nothwendigkeit die Verhandlungen über den Waffenerlaß gezeigt baben, darunter gefallen wären. Zu den wichtigften Abschnitten dieses Gesetzes gehört die Regelung des ehelichen Güterrechts. Das ist eine überaus schwierige Materie. Die Stellung der Frau ist billigen Anforderungen entsprechend geordnet. Ihre Rechte gegenüber den Kindern sind erweitert worden. Daß die Regierung bei der Anlegung der Mündelgelder hat Vorsicht walten lassen, ist nur zu billigen, doch glaube auch ich, daß man die Hypotheken . Pfand. briefe als mündelfähig hätte zulassen sollen. Mit Ruͤcksicht auf das Einführungsgesetz wird eine Reihe anderer Justügesetze einer redak⸗ tionellen Revision unterworfen werden müssen. In dem Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit ist man dem Interesse des Publikums dadurch sehr weit entgegen gekommen, daß man die Befugnisse der Notare erweitert hat. Die Entscheidung über den Einführungstermin muß auch nach unserer Meinung möglichst bald erfolgen. In der Praxis werden sich alle Schwierigkeiten leichter überwinden lassen, als man es jetzt glaukt.

Abg. Krause⸗Waldenburg (fr. kons.): Ich möchte unsere An⸗ erkennung aussprechen für das Zustandekommen dieses großen nationalen Werkes, insbefondere den Männern, die sich in jahrzehntelanger Arbeit darum verdient gemacht haben. Cin Vorwurf für die späte Vor- lezung dieses Gesetzes trifft die Zastizꝰerwaltung nicht. Soviel an ung liegt, werden wir keine Mühe und Aibeit scheuen, um das Werk bis zum 1. Januar 1900 fertig zu stellen. Wir bezweifeln aber, ob die Behörden bis dahin die Arbeit bewältigen werden. Daß die Re⸗

ssen auf Grund einer protokollarischen Erklã ˖

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sten jusammengesetzt werde, sondern Fftischen Lebens aus allen Landestheilen

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JustizMinister Schönstedt:

Meine Herren! Es liegt in der Natur der Sache, daß die erste Lesung von Gesetzen, wie die Ihnen beute vorliegenden, nicht in den eigentlichen Inbalt der Gesetze eingehea, sondern sich nur mit ihrer geschaftlichen Behandlung befassen kann. Ich habe es mir des halb auch versagt, meinerseits die Entwürfe, die nun seit 14 Tagen sich in Ihren Händen befinden, selt zwei Tagen sogar vermöge der Munifizem des Herrn Prasidenten in wei Exemplaren, noch mit weiteren einleitenden Bemerkungen hierzu zu begleiten. Ich kann nur meinen Dank aus, sprechen, daß die Vertreter aller Parteien, die bis jetzt hier zum Worte gekommen sind, sich den Vorlagen so wohlwollend und freund lich gegenübergestellt baben, und glaabe daraus schließen zu dürfen, daß die Gesetze auch in der Kemmission, an die sie verwiesen werden müssen, eine freundliche Bebandlung fiaden werden.

Meine Herren, ich schließe mich dem Wunsche des letzten Herrn Vor. redners an, daß diese Kommission nicht lediglich aus Juristen zusammen—⸗ gesetzt sein möge; denn seviel Technisch⸗Juriftisches in den Gesetzent⸗ wüärfen drinsteckt, so vieles enthalten sie doch auch, waz unmittelbar in das praktische, wirthschaftliche Leben eingreift. Ich halte es des⸗ halb für im böchsten Grade wünschenswerth, daß auch solche Herren, die im vraktischen Leben bewährt sind und reiche Erfahrungen baben, ihre Mitwirkung der Kommissionsberathung dieser Gesetze nicht ent⸗ ziehen werden.

Ich darf hierbei darauf aufmerksam machen, daß diesen beiden ersten Gesetzen noch eine größere Anzahl von Gesetzentwürfen folgen wird, die wegen ikres engen Zusammenbangs mit den beiden vor— liegenden voraussichtlich derselben Kommission werden ũberwiesen werden müssen. Es werden Ihnen noch iugehen Ausfüh⸗ rungsgesetz? jur Zivilprozeßordnung, zur Grundbuchordnung, zum Zwangs versteigerungsgesetz und zum Handelsgesetzbuch, und es wird auch der von dem Herrn Vorredner vermißte Entwurf einer Gebührenordnung füt die Rechtsanwalte und Notare bezüglich derjenigen Geschäfte, die nicht unter die Reichsgesetze fallen, nicht ausbleiben. Alle diese Gesetze nahen sich ihrer Vollendung; tbeilweise sind sie vollständig fertig gestellt, und Sie haben sie in allernãchster Zeit zu erwarten.

Niemand mehr wie ich kann die große Schwierigkeit der Aufgaben ermessen, die dem bohen Hause, insonderheit seiner Kommission, in der Berathung dieser Gesetze geftellt sein werden; diese Schwierig⸗ keiten haben ja schon vielfach auch die öffentliche Meinung beschäftigt, und es ist nicht lange her, daß in den Zeitungen die Befürchtung ausgefprochen wurde: es werde nothwendig sein, zur Verabschiedung dieser Sesetze eine Notbsession, eine Herbftiession stattfinden zu lassen. Gine solche Befürchtung ist seitens der Königlichen Staateregierung nicht getheilt worden. Die Gesetze haben ja allerdings einen außerordentlich reichen Inhalt, und sie beschäftigen sich mit überaus schwierigen Materien, sie sind außerdem in ihrer Begründung sehr umfangreich; aber gerade aus dem letzteren Umstand ergiebt sich, wie ich glaube, doch eine wesentliche Erleichterung für die Behandlung der Entwürfe in diesem bohen Hause.

Ich glaube, ohne Ueberhebuag sagen zu dürfen, daß selten Gesetze eingebracht worden sind, die mit einer so eingehenden, nach allen Richtungen hin aufklärenden und orientierenden Begründung verseben sind wie die vorliegenden. (Sehr richtig) Und wenn das geschehen ist, so ist dafür gerade maßgebend gewesen der Wunsch der Königlichen Staatsregierung: der Kommission die Nachprüfung zu erleichtern, und der weitere Wunsch, bei der Anwendung dieser Gesetze ia der Praxis den Richtern, Aawalten und Notaren und auch der Bevölkerung selbst eine Handhabe zu geben, die es ihnen ermöglichen soll, mit den selben ohne zu große Schwierigkeiten fertig zu werden.

Dieser Auffassung gegenüber hat mich der Antrag einigermaßen überrascht, der heute ganz unvorbereitet hier in das Haus von der kon seroativen Fraktion hereingebracht ist: es möge die preußische Staats⸗ regierung ihren Einfluß bei den Bundesregierungen und dem Reiche⸗ tage dahin aufwenden, daß das Jakrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs bis zum 1. Januar 1901 hinausgeschoben werde.

Meine Herren, der Antrag hat mich im ersten Augenblick er⸗ schreckt. Wie sich die Könizliche Staatsregierung in ihrer Gesammt⸗ heit dazu stellen wird, kann ich selbstverständlich auch nicht andeuten, da die Staatsregierung von dem Anttage bisher noch keine Kenntniß bat. Was meine persönliche Stellung zu dem Antrag angeht, so möchte ich es für im hohen Maße unerwänscht halten, daß der Staatsregierung eine solche Anforderung gestellt wird. (Hört, hört! links) Ich glaube, daß, wenn die verbündeten Regierungen in Uebereinstimmung mit dem Reichstage ihrer Zeit nach eingehender forgfältiger Prüfung es für angemessen und mögzlich gehalten haben, daß die neue einheitliche Gesetzgebung mit dem 1. Januar 1900 ins Leben treten möge und werde, dann müssen sehr jwingende Gründe vorliegen, die zu einem Abgehen von dieser einmal beschlossenen Zeitbestimmung führen könnten. Solche zwingende Gründe die Begründung des Antrags selbst fehlt uns za, und insoweit weiß ich nicht, wohin ich etwa meine Gegenbemerkungen zu richten habe scheinen mir nicht vorzuliegen. Die Schwierig⸗ keiten, die zunächst den mit der Anwendung der Gesetze zu betrauenden Behörden und Beamten erwachsen werden, wenn die Gesetze am 1. Januar des nächsten Jahres in Kraft treten, sind gewiß nicht zu unterschätzen. Aber ich glaube kaum, daß sie sich vermindern werden, wenn noch eine weitere Frist von einem Jahre gegeben wird. (Sehr richtig! Ich habe sogar die dringende Befürchtung, daß das Zustandekommen, die Verabschiedung dieser Gesetze selbst wesentlich werde erschwert werden, wenn mit dem Hinausschieben ihres Inkrafttretens ge⸗ rechnet wird.

Meine Herren, die Königliche Staatsregierung bat sich bei der Augarbeitung dieser Gesetze große Beschränkungen auferlegt, und sie ist davon aufgegangen, daß die Häuser des Landtages sich von dem gleichen Gesichtspunkt leiten lassen würden. Die Voraut⸗ setzung einer raschen Verabschiedung der Gesetze ist naturgemäß die, daß Sie sich im wesentlichen nur mit dem beschäftigen, was in

den Gesetzen drinsteht, und nicht mit dem, was nicht darinsteht. Es steht in der That sehr vieles nicht darin. Wenn wir die Paragraphen des Ausführungsgesetzes jum Bürgerlichen Gesetzbuch durchgehen und die großen Gebiete überschauen, die darnach der Landes gesetzgebung vorbehalten geblieben sind, so könnte ja viel⸗ leicht die Versuchung nahe liegen, zu sagen: ja. warum ist denn nun nicht auf allen diesen Gebieten im Wege der Landesgesetzgebung auch für eine einheitliche Regelung gesorgt werden? Der eine von Ihnen wird das ist heute schon angedeutet werden vielleicht die Regelung der Gesindeordnung für die gane Monarchie vermissen, ein anderer möchte wünschen die Regelung des Lehns⸗ und Fideikommißwesens, der Dritte die Regelung des Berg- rechts oder des Wasserrechts; Andeutungen sind heute gefallen, daß auch eine Revision der Bestimmungen des Land⸗ rechts in Bezug auf Kirchen., und Schulwesen und be— züglich des Feiertagswesens erwünscht gewesen sei; ferner die Regelung der Haftung des Staats für Versehen seiner Beamten. Ja, meine Herren, wenn alle diese Fragen dem vorliegenden Gesetz ein⸗ verleibt werden sollten, dann ist es ganz sicher, daß wir nicht fertig werden; dann werden wir auch bis 1901 nicht fertig. Und solche Fragen, solche schwierigen zweifelhaften, umstrittenen Fragen, wie die eben von mir angedeuteten in ein Gesetz hineinzu⸗ bringen, für dessen Verabschiedung eine gewisse Zwangslage gegeben ist, das zu einem gewissen, nicht jzu weit hinaus— zuschiebenden Zeitpunkt fertig sein muß, das würden Sie, glaube ich, auch vom politischen Standyunkt aus in Ihrer großen Mehrheit nicht für angezeigt und erwünscht halten.

Deshalb glaube ich, vorläufig die Meinung jedenfalls der Justiz verwaltung dahin aussprechen zu müssen, daß es erwünscht wäre, wenn die konservative Fraktion, die den unter dem Namen des Herrn Abg. Busch gestellten Antrag heute eingebracht hat, noch einmal erwägen möchte, ob sie in der That an diesem Antrag festhalten und darüber zxunächst jedenfalls eine größere parlamentarische Diskussion noch herbeifübren will, die auch wieder etwas von Ihrer kostbaren Arbeitszeit verloren gehen läßt. Ich kann nur der Hoffnung Ausdruck geben, daß, wenn Sie in solche Erwägung eintreten, diese zu dem Etgebniß führen möge, daß Sie von einer weiteren Verfolgung ihres Antrages absehen. Im übrigen kann ich nur elnen Wunsch und die Bitte aussprechen, daß Sie bei der Berathung der vorliegenden Gesetzentwürfe sich auch leiten lassen von dem Grundsatze: In der Beschränkung zeigt sich der Meister. (Lebhafter Beifall.)

Abg. Schettler (kons. : Es ist zu begrüßen, daß die Zu⸗ ständigkeit der Notare einheitlich geregelt worden ist. ,. ist zu bedauern, daß man nicht mit den alten, den jetzigen wirt schaftlichen Berhältnissen nicht mehr entsprechenden Taxvorschristen aufgeräumt bat. In der Kommission werden wir noch weitere Wünsche äußern bezw. Nntrãge ftellen. Die Schwierigkeiten der Pensionierung der ãlteren Richter, welche an der Ausfübrung dieser Gesetze nicht mitar eiten können oder wollen, liegen nicht nur, wie der Abg. Krause meinte, auf finanziellem Gebiet, sondermn auch auf dem Gebiet der Verfassung. Die Meinung ist bei den Richtern weit verbreitet, daß die Regierung eine Vorlage bringen will, nach der die Richter nicht gezwungen werden, ibren Abschied zu nehmen, sondern auf längere Zeit zur Dis- position gestellt werden.

Justiz⸗Minister Schönstedt:

Meine Herten! Zu der soeben von dem Herrn Abg. Schettler eingehender angeregten, von einigen anderen Herren bereits gestreiften Frage, ob älteren Richtern aus Anlaß des Inslebentretens der großen neuen Gesetzgebung der Uebertritt in den Ruhestand erleichtert werden könnte, habe ich mich deshalb nicht geäußert, weil zu dieser Frage die Königliche Staatsregierung überhaupt bisher noch keine Stellung ge— nommen hat.

Die Schwierigkeiten, die in dieser Frage liegen, bat der Herr Abg. Schettler schon angedeutet. Es handelt sich in der That ja nicht um eine neue Organisation, es handelt sich nicht wie im Jahre 187759 um die Aufhebung einer großen Zahl von bestehenden Be— hörden und um ihre Umgestaltung in andere Behörden, und deswegen können diejenigen Verfassungsbestimmungen, die für den Fall einer Organisation die Versetzung von Richtern, unter Umständen ihre Ver⸗ setzung in den Ruhestand ermöglichten, auf den vorliegenden Fall überhaupt keine Anwendung finden. Das einzige, was möglicherweise geschehen könnte, wäre nur, daß denjenigen alten Richtern, die in sich nicht mehr die Kraft fühlen, den großen, bedeutenden Aufgaben zu genügen, die nunmehr an sie gestellt werden, während sie vielleicht rebus sic stantibus noch eine Reihe von Jahren hätten mitgehen können, vorübergehend noch ihr volles Gebalt belassen werden könnte auf einige Jahre, um ihnen so die Entschließung, zurückzutreten, die ihnen mit Rücksicht auf ihre Familie vielfach recht schwer werden mag, ju erleichtern. Auch diese Frage ist eine solche, daß ich heute nicht in der Lage bin, dazu Stellung zu nehmen.

Ich gebe Ihnen noch weiter zu, daß dabei nicht nur die Interessen der älteren Richter in Frage kommen, sondern auch die Interessen der Recht suchenden Bevölkerung, welcher der Staat doch solche Richter zur Verfügung stellen muß, die in der Lage sind, die neuen Gesetze richtig zu verstehen und anzuwenden. Wo das nicht der Fall ist, können ganz erhebliche Schädigungen der Bevölkerung entstehen.

Diese Gesichtspunkte werden, wie ich glaube, auch wohl der Königlichen Staatsregierung noch Anlaß geben, in eine Erwägung der Frage einzutreten, die dann aber im wesentlichen eine Etatsfrage sein und deshalb vielleicht am besten bei der Berathung des Etats ihre eingebende Erörterung finden würde. In unmittelbarem Zusammen⸗ hang mit den vorliegenden Gesetzen steht sie nicht. Auf diese Be— merkungen glaube ich mich beschränken zu dürfen. (Bravo)

Abg. Schmitz (3entr): Daß die Vorlage sich auf das Wesentliche beschränft hat, ist selbstverständlich. Nachdem auch die vermögensrechtliche Haflbarkeit der Vormundschaftsrichter durch daz Bürgerliche Gesetzbuch geregelt worden ist, muß es überraschen, daß die vermögensrechtliche Hafibarkeit der übrigen Beamten hier nicht zur Regelung borgeschlagen wird. Ich hoffe, daß die Regierung uns schon in der nächsten Session einen Gesetzentwurf wegen Aenderung der Gebühren und Gerichtskosten bringen wird. Für die einzelnen Landes,

thelle sollen verschiedene Sonderrechte bestehen bleiben. Warum legt man denn aber an die rheinische Nötarlatsordnung nicht die Axt? Abg. Bröse (kons ); Wir alle begrüßen mit Freude, daß die Rechtseinheit in Beutschland und in Preußen endlich zur Wahrheit werden soll. Die Regelung der Kostenfrage ist wünschenswerth, namentlich die Erhöhung der di , die dazu beitragen wird, daß sich die pꝛeußischen Staatsbürger vor Gericht mehr als bisher der deutschen Sprache bedienen. Watz in en noch geltendes Recht ist, ist schwer zu sagen. Die Richter sind dazu

berufen, dem Volk darüber Klarheit zu verschaffen. Meine politischen

reunde richten deshalb an die Staatzregierung die Bitte, die chter, die mit dieser Sache zu thun haben, möglichst zu entlaften. Damit schließt die Diskussion. Beide Gesetzentwürfe werden einer Kommission von 28 Mitgliedern überwiesen. Schluß 31 Uhr. Nächste Sitzung: Freitag 11 Uhr. n des Ministeriums des Innern und der Jentral⸗Genossen⸗ chaftskasse.)

Nr. 7 der Veröffentlichungen des Kaiserlichen Ge⸗ sundheitsamtz e vom 15. Februar hat folgenden Inhalt: Gesund⸗ heitsftand und Gang der Volkskrankheiten. Zeitweilige 2 egen Pest. Bevölkerungs bewegung und mediznische Statistik Gerne 1896. Gesetzagebung u. s. w. (Deutsches Reich) Geflügel beförderung auf Eisenbahnen. Oberflächenwasser c. (Ungarn) Chemische und mikroskopische Laboratorien. (Schweiz.) Zünd⸗ bölichen. (Kanton Bern.) Epidemische Krankheiten. (Ceylon. ) Deägl. Gang der Thierseuchen in Schweden. 4. Vierteljabr. Desgl. in Norwegen. Zeitweilige Maßregeln gegen Thierseuchen. (Dänemark) Verhandlungen von gesetzgebenden Körperschaften. (Preußen.) Aerztliche Ehrengerichte ꝛc. = (Italien. Gesundheitspolizei der austhiere. (Norwegen.) Staatshaushalts. Entwurf, 1899, 1900. ermischteg. (Bayern.) Tuberkulinimpfungen, 1897. (Rußland, Anzob) Pest, 1898. (Kapland) Geburten und Todesfälle, 1897. Geschenkliste. Wechentabelle über die Sterbefälle in deutschen Orten mit 40 000 und mehr Einwohnern. Desgl. in größeren Städten des Auslandes. Erkrankungen in Krankenbaäͤusern deutscher Großstãdte. Desgl. in deutschen Stadt⸗ und Landbezirken. Witterung. Grundwasserstand und Bodenwärme in Berlin und München, Januar. Beilage: Gerichtliche Entscheidungen auf dem Gebiete der öffentlichen Gesundheitspflege (Zahnärzte, Thierärzte, Apotheker, Hebammen).

Literatur.

Das Streitverfabren in den Reichsversicherungs⸗ gesetzen, systemotisch dargestellt von Hans SeelIUmann. Berlin, Verlag der Arbeiter Versorgung' (A. Troschel). Preis 120 6 Piese Schrist verdankt ihre Entstehung dem Umstande, daß bei der Vielheit der Institutionen und Behörden, welche mit der Durchführung der Arbeiter ⸗Versicherungsgesetze betraut; sind, jede der drei Versicherungsarten den Arbeiter wie den Arbeit. geber zur Geltendmachung seiner Ansprüche an eine andere Stelle weist und bei der instanziellen Verfolgung eines Anspruchs sich eine noch größere Mannigfaltigkeit der zur Entscheidung berufenen Behörden und Gerichte geltend macht. Ez sind dies: ordentliche und Verwaltungs gerichte, Reichs versicherungs amt, Landesversicherungsämter, Seemanns« am ter, Schiedsgerichte, Gewerbegerichte, Gemeinde · und Polizeibehörden, Landräthe, Regierungs- Präsidenten, Ober ⸗Präst zenten, Minister, Bundestath u. 4. Der Verfasser vorgenannter Schrift giebt darin eine klare und übersichtliche systematische Darstellung des Streit, verfahrens nach den Reichsversicherungsgesetzen, welche über die bei jedem Streitgegenstand in Frage kommende Instanz zuverlässig orientiert. . ö

Elektrizitätswerke, elektrische Kraftübertragung und elektrische Beleuchtung. Gemeinverständliche Darstellung nebft einem Nachtrage: Die Neinst sche und die Auer sche Erfindung“. Ven Dr. W. Bermbach, Oberlebrer am Königlichen Symnasium in Münstereifel. Mit 64 Abbildungen. Wies baden, Verlag von Lützenkirchen und Bröckiag. Pr. 2 M Diese kleine Schrift giebt eine populãre Darstellung der Grundgesetze des elektrischen Stromes und der verschiedenen Systeme sowie eine gemeinverständliche Beschreibung der Dynamomaschinen, Accumulatoren und anderen Apparate zur Er- zeugung von elektrischer Kraft. Näher eingegangen wird dabei auf die von der Firma Siemens u. Halske ausgeführte Zentrale Münster⸗ eifel, welche als erste städtische Zentrale in Deutschland, bei der das Zweileiterfystem mit Gleichstrom von 220 Volt Betriebe spannung zur Anwendung kam, von besonderem Interesse ist. Die Schrift wird allen Laien willkommen sein, die gegebenenfalls über die Wahl eines Systems für Kraftübertragung oder Beleuchtung mit zu entscheiden haben und sich über den Werth derselben unterrichten wollen.

Rathschläge über den Blitzschutz der Gebäude, unter besonderer Berücksichtigung der landwirthschaftlichen Gebäude, von F. Finde isen, Baurath im Königlich württembergischen Ministe⸗ rium des Innern, Abtbeilung für Hochbauwesen, in Stuttgart. Mit 142 in den Tert gedruckten Abbildungen. Berlin. Verlag von Julius Springer. Pr. 2 6 509 3, nach dem 31. März d. J. 4 6 Der Verfasser giebt Anleitung, wie man in zweckmäßiger Weise verschiedene, bereits an den Gebäuden vorhandene Metall- theile, wie z. B. die Blechverwahrungen der Dachkanten, metallene Dachrinnen und Abfallrohre unmittelbar als Blitz— ableiter benutzen oder zu solchen ergänzen kann. Kleinhandwerker, Schlosser, Kleinpner, Schieferdecker 2c. werden dadurch in den Stand gesetzt, brauchbare Blitzableiter selbständig auszuführen. Auch wird gejeigt, daß manche vertheuernde Bestandtheile, die bisher viel⸗ fach als unvermeidlich gegolten haben, wie z. B. hohe Auffang—⸗ stangen mit vergoldeten Kupfer⸗, Silber- oder Platinspitzen, Kupfer⸗ leitungen und kupferne Erdplatten, ohne Beeinträchtigung der Wirk samkeit der Blitzableiter entbehrt werden können. Besonders die landwirthschaftliche Bevölkerung, die am meisten unter den zerstören⸗ den Wirkungen des Blitzes zu leiden hat, wegen der großen Kosten der üblichen Blitzableiter aber bisher häufig guf jeden Blitzschutz ver⸗ zichtete, wird aus den Rathschlägen dieser Schrift Nutzen Riehen.

Die jüngsten Ereignisse im Sudan haben die allgemeine Auf⸗ merksamkelt aufs neue auf Slatin Pascha'z Werk „Feuer und Schwert im Sudan“ (F. A. Brockhaus, Leipzig) gelenkt, das in fesselnder Weise zuverlässigen Aufschluß über die jetzt zusammen⸗ gebrochene Herrschaft des Mahdi und seiner fanatischen Scharen giebt. Das mit Illustrationen und Karten ausgestattete Werk des ehemaligen österreichischen Leutnants, welcher 17 Jahre im Sudan zugebracht, in 27 Schlachten und Gefechten gegen die Heere des Mahdi gekämpft hat und schließlich 11 Jahre lang dessen werthvollster Gefangener war, ist soeben in 9. Auflage erschlenen (Preis geb, 19 40). Wir haben schon bei seinem ersten Erscheinen über den Inhalt desselben aus⸗ führlich berichtet. 23

„Das Wetter“, meteorologische Monatsschrift für Ge— bildete aller Stände, herausgegeben von Professor Dr. R. Aßmann in Berlin. Jährlich 12 Hefte, Pr. 6 S6 Verlag von Otto Salle in Berlin W. Getreu dem Programm, mit welchem diese Zeit schrift bei ihrer Begründung im Jahre 1884 an die Oeffentlichkeit trat, hat sie seitdem unentwegt dem Zweck gedient, weitere Kreise in allgemein verständlichen Aufsätzen über die wichtigeren Vorgänge in der ung umgebenden Atmosphäre ju unter richten und Lust und Liebe zu eigenen Beobachtungen zu erwecken. Mit denselben Zielen tritt die Zeitschrift jetzt bereitsz in den 16. Jahrgang. An längere Aufsätze über wichtige Tagegfragen und sorgfältige Erläuterungen über bemerkengwerthe meteorologqische Er⸗ eignisse der jüngsten Vergangenheit reihen sich monatliche Witterungb⸗ übersichten, Notizen über interessante Vorkommnisse, Besprechungen neuer Erscheinungen in der Literatur und Instrumentenkunde u. s. w. Eine allmonatlich beigegebene kolorierte Karte reranschaulicht die Niederschlags mengen sowie die Vertheilung von Luftdruck und Temperatur. Das kürzlich erschienene erste Heft bringt einen im Hinblick auf den oi ft , milden Winter sehr zeitgemäßen und bemerkenswerthen Aitikel über den mitteleuropäischen Winter und seine Beziehungen zum Golfstrom von Dr. Meinarduß. Dann folgen Aufsätze über die Zunahme der Blitzgefahr (mit kolorierter Karten beilage) und über den Regen. 56 schließt sich die monatliche Uebersicht über die Witterung in Zentral⸗Europa im November 1898 und ein Artikel über das Polarlicht vom 9. September 1898. Die ständige Rubrik. „Meteorologische Notizen und Korrespondenzen“ bildet den Schluß des vielseitigen Inhalts. Ein Probeheft wird

seiten der Verlagshandlung auf Wunsch gratis und postfrei zugesandt.