Landegausschuh. Ntedner fordert eine Deyentralisation, eine Verlegung
der Zentralstelle von Berlin nach Straßburg; wäre diese schon
ehaltserhöhung für die eführt. Auch die Dienft⸗ ausen der
früher erfolgt, dann hätte man die Beamten wahrscheinlich schon längst dur zeit wäre wohl schon längfst besser geregelt. Denn die Dienstzeit wären keine eigentliche Ruhezeit. Sr Verkürzung der Arbeitszeit würde es dienen, wenn die Zahl der Sonntags vvwergnügungs⸗ züge beschränkt und die überflüssigen Theaterzüge, die doch nicht einmal die Koften der Beleuchtung einbrächten, abgeschafft würden. Redner wendet sich schließlich gegen die Bahnsteigsperre und bemängelt die Beleuchtung der Wagen auf den Nebenlinien.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Meine Herren! Der Herr Vorredner hat eine Reihe von Wünschen vorgebracht, die unmittelbar in das Ressort der General- Direktion zu Straßburg fallen, und ich glaube doch in seinem Sinne sowohl, wie auch im Sinne des Herrn Abg. Riff zu handeln, wenn ich diese Selbständigkeit meinerseits möglichst wenig beschränke. Die General ⸗ Direktion zu Straßburg ist in der Lage, den nach der Ansicht des Herrn Abg. Delsor, er mag darin vielleicht Recht haben, überflüssigen Abendzug nach Mutzig einzustellen; sie ist ferner in der Lage, Material in die Züge hinein zubringen, die Beleuchtung zu verbessern, die Anschlüsse günstiger zu ge⸗
stalten, alles Dinge, für die sie im Etat Geld hat, und die sie, ohne
den Chef der Reichs ⸗Eisenbahnverwaltung zu fragen, auch ausführen kann. Es bleiben dann nur zwei Punkte übrig, bei denen allerdings der Chef der Reichs Eisenbahnverwaltung ein Wort mitzusprechen hat, und nicht bloß er, sondern auch das Reichs- Schatzamt. Der erste Punkt ist die Erhöhung der Beamtengehälter, die ja auch nach der Auf⸗ faffung des Herrn Vorredner die Beamten der Reichs ˖ Gisenbahnverwaltung sehr viel günftiger gestellt hat, als dai in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. Er hat nur darauf aufmerksam gemacht, daß nach seiner Auffassung ein Abschluß noch nicht erreicht sei, sondern wahrschein⸗ lich in den nächsten Jahren noch etwas geschehen müsse. Betreffs dieser Auffassung will ich mich weder bejahend noch verneinend aussprechen. Ich möchte nur eine Erfahrung hier mittheilen, die mir im vorigen Herbste, bei meiner Reise in Elsaß ⸗Lothringen, ich möchte fast sagen, auf Schritt und Tritt entgegengebracht worden ist, die Erfahrung nämlich, daß eine Erhöhung der Beamtengehälter der Reichsver⸗ waltungen, also der Reichs · Eisenbahnen, der Reichspost, der Militãr⸗ verwaltung, die Verwaltungen in Elsaß⸗Lothringen, und zwar sowohl die Landesverwaltung, wie noch vielmehr die Kommunalverwaltungen in große Verlegenheit bringt (sehr richtig! rechts), weil die Ver— waltungen der Ansicht sind, daß sie die höheren Gehaltssätze des Reichs kaum bezahlen können, ohne wesentlich in ihren Finanzen beeinträchtigt zu werden. Das ist mir — wie gesagt — auf Schritt und Tritt entgegengehalten worden: die außerordentliche Verbesserung, die den Beamten der Reichs verwaltungen zu theil geworden ist, bringt uns in die Zwangslage, das nachmachen zu müssen, und wir wissen nicht, wo wir das Geld herbekommen sollen.
Der zweite Punkt betrifft die Bahnsteigsperre. Ich bin fest davon überzeugt gewesen, daß die Einführung der Babnsteigsperre in Elsaß Lothringen sehr viel Widerstand und sehr viel Abneigung begegnen werde, das ist genau so in Preußen und auch in Bayern gewesen, wo man dieselbe Einrichtung der Bahnfteigsperre jetzt ge ⸗ troffen hat. Aber ich bin andererseits doch überzeugt, daß man in Elsaß ⸗ Lothringen die Bahnfteigsperre nach 3 oder 4 Jabren als eine durchaus berechtigte und auch im Interesse des Publikums liegende Einrichtung anerkennen wird.
Meine Herren, eine Finanzmaßregel ist die Bahnsteigsperre nicht. Den Einnahmen, die durch den Sperrgroschen der Verwaltung er wachsen, stehen so viele Ausgaben gegenüber, daß man von einer fiskalischen Maßregel in dieser Beziehung durchaus nicht sprechen kann. Ich habe schon in der Budget ⸗Kommission des Reichetages als den Hauptgrund hingestellt die Fürsorge für unser Fahrpersonal. (Sehr richtig! rechts) Ich darf in dieser Hinsicht nur jwel Zahlen anführen, und ich bin überzeugt, niemand spricht mehr gegen die Bahnfteigsperre. Wir haben auf den Reichs bahnen im Jahre 1897 8 Schaffner und 1898 7 Schaffner bei der Fahrkartenkontrole an den Zügen verloren. Selt der Zeit, daß die Bahnsteig⸗ sperre in Preußen eingetreten ist, ist im ganzen groben Bereiche der preußischen Staattzeisenbahnverwaltung mit seinen 30 000 Km nicht ein einziger Schaffner mehr bei der Fahrkarten⸗ prüfung verunglückt. (Hört, hört! rechts.) Ist das nicht allein hin reichend, um die Bahnfteigsperre zu rechtfertigen? Und mit den Zahlen, die über die Verunglückung des Fahrpersonals hier angegeben wurden, jst die Sache durchaus noch nicht abgethan! Durch die Revision der Fabrkarten auf den Trittbrettern zu jeder Jahreszeit, im Scmmer und im Winter, bei Regen, Schnee und Eis werden die Fahrbeamten in einer Weise in ihrer Gesundheit geschädigt (sehr richtig! rechté), daß eine Abhilfe dringend erforderlich wird. Das ist der Hauptgrund für die Ginführung der Bahnsteigsperre, und ich meine, daß, wenn dieser Grund zum Bewußtsein des Volkes kommt, es unmöglich ist, dagegen die Unbequemlichkeiten in die Wagschale werfen zu wollen, die ja immerhin — daz gebe ich vollständig ju — mit der Sperre verbunden sind. Das Schlimmste bei der Sache ist, daß man mit einer alten Gewohnheit brechen muß. Das kommt Jedem sauer an, aber überwindet sich in verhältnißmäßig kurzer Zeit, und so hoffe ich, daß auch in Elsaß ⸗Lothringen die Bahnsteigsperre sich einleben wird.
Wag schließlich die von dem Herrn Abg. Delsor angeregten neuen Linien anbetrifft, so möchte ich mir versagen, jetzt schon darauf zu antworten, weil ich voraussetze, daß wahrscheinlich noch von anderer Seite aus dem Hause heraus eine Reihe weiterer Neubaulinien wird in Vorschlag gebracht werden. Dann können diese Linien gleich zu⸗ sammen erledigt werden.
Aba. Wetterl s (b. k. F.) beschwert sich darüber, daß das Land so viel Zuschüsfse zu den Gisenbahnbauten habe gewähren müssen, ob- leich seine Wunsche nicht berücksichtigt würden. Dagegen würden die Wr iche einzelner Großindustrieller erfüllt, ohne daß sie ihrerseits Belträge leisteten. Redner empfiehlt besonders die Nummer 3 des FKommissiont antrages zur Annahme.
Geheimer Ober ⸗Regierungs⸗ Rath Wackerzapp: Meine Herren! Aus dem ersten Theile der Ausführungen des Herrn Vorredner klang der Vorwurf heraus, daß die Reichs. Eisenbahnverwaltung bei ihren Gntschließungen zu sehr den Interessen der elsaß ˖ lothringischen Notabeln und Großindustriellen Rechnung trage und darüber die Be⸗ dürfniffe der übrigen Bevölterung vernachlässige. Ich weiß nicht, ob der Herr Vorredner sich die Schwere dieses Vorwurfg genügend klar
emeccht hat. Meines Erachtens wäre es eine Pflichtverletzung schwerer Art, wenn eine öffentliche Behörde in der vom Herrn Vorredner an— gegebenen. Weise die öffentlichen Interessen binter die Interessen ein⸗ zelner Privaten zurückstellen wollte, und ich meine, wenn der Herr
Vorredner diesen Vorwurf erheben wollte, so hätte er die Verpflich. fung gehabt, dafür ausreichendes und vollbeweiekrästiges Material
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vorzubringen. Das ist aber in keiner Weise elch Es scheint beinahe, alz ob der Herr Vorredner schon darin eine Ungerechtigkeit findet, daß von einer Bahnanlage der eine Interessent mehr, der andere weniger Vortheil hat, und daß davon die Großindustriellen und Groß⸗ händler, überhaupt die großen Betriebe den größten Vortheil haben. Nun ist es aber iiber ff bl und natürlich, daß aus einem Eisen⸗ bahnunternehmen im allgemeinen derjenige den größten Nutzen zieht, der die meisten Transporte bezieht bezw. aufgiebt. Aber in dieser Beziehung besteht ein vollständiges Reziprozifätsverhältniß: in dem Maße, in welchem die Großbetriebe auf den Cisenbabnen Transporte befördern, in demselben Maße liefern sie der Gisenbahnverwaltung Einnahmen, und jwar durch Bejahlung der tarifmäßigen . Diese find bekanntlich in der Weise berechnet, daß sie nicht bloß die Selbstkosten der Cisenbahnen decken, sondern auch noch einen Ueber schuß bringen. Darüber hinaus von den Großbetrieben noch weitere 31 üsse zu verlangen, scheint mir namentlich dann, wenn durch die eigenen Transporte der Großbetriebe die Bahn alimentiert wird und eine reichliche Rente abwirft, nicht gerechtfertigt werden zu können. Wir haben in Elsaß ⸗ Lothringen ,, Bahnen, die zweifelsohne den Großbetrieben ganz bedeutende Vortheile bringen; ich verweise in diefer Beziehung auf die Bahnen Hagendingen — Groß⸗ Mopheuvre und Oettingen -Rümelingen. Aber aus ihnen beziehen andererfeits die Reichs Eisenbahnen derart bedeutende Einnahmen, daß die eine beispielsweise in 1897 mit 35 oo, die andere mit 15,66 Oso rentiert. Wie sollen wir nun bei diesen Bahnen von den betheiligten Großindustriellen noch Zuschüsse verlangen können? Der Herr Vor- redner hat ferner außer Acht gelassen, daß in Elsaß ⸗Lothringen, bier mehr als andertzwo, gerade die Großbetriebe den Eisenbabnen die bei weitem meisten Transportmengen und Einnahmen des Güterverkehrs bringen. Ich will Ihnen in dieser Beziehung nur ganz wenige Zahken anführen. Rach dem Verwaltungeherichte der Reichs ifenbahnen von 1897 stellten die hauptsächlich von Großbetrieben bejogenen Guter der Spezialtarife nebst Erzen und Roheisen, Kohlen und Kokes von den insgesammt beförderten Gütertransporten nach der Gewichtsmenge einen Prozentsatz dar von 89, &ᷣ oo und nach dem Geldertrage von 74 11 do. Ich meine, daß in einem Falle, in dem gerade die Großbetriebe zu den Betriebsüberschüssen einer Bahn an sic schon das meiste beisteuern, ein Grund zu der von dem Herrn Vorredner allgemein erhobenen Klage wegen Bevorzugung dieser Großbetriebe nicht vorliegt. Aber auch die weiter noch von ihm an⸗ fi rten Einzelfälle können diesen Vorwurf nicht rechtfertigen. r führte aug, daß, während die Bewohner des Gebweiler Thals von der Reichs. Eisenbahnverwaltung vergeblich um die Anhängung eines Personenwagens an einen Morgens in der Frühe von Gehweiler nach Bollweiler fahrenden n vorstellig geworden seien, für die Grohßindustriellen des Gebweiler Thals ohne Anstand ein besonderer Abendzug eingerichtet worden sei, um denselben den Besuch des Mülhauser Theaters und der dortigen Vergnügungen zu gestatten. Was zunächst den ersteren Fall betrifft, so kann ich ein Bedürfniß, diesen Wunsch zu erfüllen, zunächst nicht anerkennen. Es gehen von Gebweiler Morgens ganz früh zwei Personenzüge ab, von denen der eine in Bollweiker um 6 Uhr 15 und der andere um 6 Uhr 49 an⸗ kommt. Jedenfalls aber möchte ich rathen, die Ablehnung des ge⸗ stellten Antrages nicht ohne weiteres als Mangel an Entgegenkommen anzusehen. In Gebweiler ist der Personenbahnhof vom Güterbahn⸗ hof etwa 805 m entfernt. Sollen daher dort Personen mit Güter⸗ zügen befördert werden, so müßte entweder der Güterzug besonders an den Personenbahnhof gebracht werden und von dort abfahren, oder die Passagiere müßten nach dem Güterbahnhof gehen und dort ein⸗ steigen. Das ist die eine Schwierigkeit. In Bollweiler ist ferner die Stiuation so, daß der Güterbahnhof auf der dem Personenbahnhof abgekehrten Bahnseite liegt. Infolge dessen fahren die Güterzüge gar nicht an den Personenbahnhof, sondern überkreuzen die Glelse der Straßburger Bahnlinie und fahren direkt an den Güterbahnhof. Würden daher Personen mitbefördert, so müßte entweder der Güter zug an den Personenbabnhof fahren, dort die Reisenden absetzen und dann nach dem Güterbahnhof zurückfahren, oder die Reisenden müßten am Güterbahnhof aussteigen und über die Gleise des Bahn⸗ hofes hinübergehen. Das sind Mißstände und Schwierigkeiten, denen sich die Verwaltnng namentlich bei der stark belasteten Straßburger Linie nicht ohne die zwingendsten Gründe aussetzen kann. Was sodann die Abendzũge angeht, die speziell für die Großindustriellen des Gebweiler Thals eingerichtet sein sollen, so sind das Züge, die den Anschluß an die von Basel über Straßburg nach Köln bezw. nach Brüssel und Ostende mit Anschluß nach London gehenden Züge vermitteln. Wollten wir dem Gebweiler Thale diese Anschlüsfse wegnehmen, so würde zweifellos eine große Unzufrieden beit bei der dortigen Bevölke— rung entstehen, und wenn das Verdienst, diese Verschlechterung der Anschlußverbindungen herbeigeführt zu haben, dem Herrn Vorredner zugeschrieben werden müßte, . fürchte ich, daß er 6h den Dank seines engeren Vaterlandes damit nicht erwerben würde. Vollständig verfehlt aber muß ich es nennen, wenn der Herr Vorredner der Eisenbahnver⸗ waltung vorgeworfen hat, daß sie beim Bau der Linie Gebweiler — Bübl — Lautenbach die dort ansässigen Großindustriellen dadurch be⸗ günstigt babe, daß sie in deren Privatinteresse Eisenbahnanlagen zur Ausführung gebracht habe, ohne von denselben angemessene Bauzuschüsse zu erheben. Die Reichs ⸗Eisenbahnverwaltung hat diese Bahn Überhaupt nicht gebaut. Der Bau ist vielmehr vom Lande Elsaß Lothringen bewirkt. Nach Fertigstellung der Bahn hat das Reich den Betrieb übernommen. Die Verhandlungen, die beim Bau der Bahn mit den Interessenten gepflogen worden sind, sind uns daher nicht bekannt. Wohl aber bin ich in der Lage, aus den Be rathungen, die seiner Zeit über den Bau der Linie im elsaß⸗ lothringischen Landesausschuß stattgefunden haben, Ihnen über die Stellung der elsaß ⸗lothringischen Landesregierung nähere Mittheilung zu machen. Daraus ergiebt sich, daß jedenfalls die Landesregierung von Elsaß Lothringen die Bedeutung der Bahn wesentlich anders be⸗ urtheilt hat als der Herr Vorredner. Zunächst was die Bahn Geb⸗ weiler ·Bübl angeht, so spricht sich der damglige Unter ⸗ Staatz sekretär Ledderhose in der Sitzung des i, ,, vom 20. Februar 1883 wie folgt aus: Die Bahn von Gebweiler — Bühl war schon vor 1870 beabsichtigt. Die Industriellen der dortigen Gegend hatten im Anfang der siebziger Jahre die erbebliche Subvention von 120 909 Fr. zu dem Bahnbau bewilligt. Die Verhandlungen über diese Bahn zogen sich hin bis 1881ñ82, in welchem Jahre, wie den Herren bekannt ist, durch den Landeshaushalts-Etat die Mittel zu dem Bau dieser Bahn Gebweiler Bühl bereit gestellt wurden. Ueber die ö der Bahn nach Lautenbach heißt es dann weiter: ‚Diese ist unzweifelhaft für die Gemeinden im oberen Thal von bohem Werth. Es sind dies die Gemeinden Lautenbach, Lautenbach ⸗Zell und Linthal. Wenn es sich nur um das Interesse der Fabriken im oberen Gebweiler Thale handelte, würde die Reglerung sich nicht haben bestimmen lassen, sich für diese Bahn zu interessieren; denn sie würde hierin nicht die Merk⸗ male eines Unternehmens von öffentlichem Nutzen finden. Ich be⸗ tone aber hier ausdrücklich, daß die Fortführung dieser Linie wesent . lich im Interefse der Land! und Forstwirthschaft liegt. Sie wird dem Handel mit Rohprodukten, mit Holz und mit dem im oberen Thale reichlich vorhandenen Steinmaterial zu gute kommen. Die Forstverwaltung berechnet eine jährliche Holzabfuhr ver Bahn von Io 000 Festmetern aus den Staats. und Gemeindewaldungen ) findet, daß sich dabei eine höhere Verwerthung des Holz von 10 000 S durchschnittlich per Jahr ergeben würde.“ Meine Herren, aus dieser Aeußerung der elsaß-lothringischen Landes
regierung ergiebt sich, daß einmal der von den Industriellen des Geb⸗
weiler Thales geleistete Bauzuschuß erheblich höher war, als vom
rn Vorredner angegeben wurde, sodann, daß seitens der elsaß ⸗ othringischen Regierung der Bau der Linie Gebweiler — Bühl — Lauten⸗ bach, als im öffentlichen Interesse liegend, anerkannt worden ist. Ich wende mich nunmehr zu der Besprechung des Prozesses, den die Reichs⸗ Eisenbahnverwaltung mit der Stadtgemeinde Colmar wegen der Unterdrückung zweier Bahnhofsüberwege geführt hat. Ich beabsichtige dabei nicht, auf die Einzelheiten des Prozesses einzugehen; ich be⸗ schränke mich vielmehr auf den Nachweis, daß in dieser Angelegenheit, entgegen den Ausführungen des Herrn Vorredners, das materielle Recht durchaus auf seiten der Eisenbahnverwaltung liegt, und daß
diese ihrerseite bemüht gewesen ist, die Streitsache gütlich beinu daß aber diese Bemühung an dem Widerstreben der Stadt en, 1 ist. Es bandelt sich in dem vorliegenden Falle um 1'wej lturwege, die im Jahre 1841 beim Bau der Linie Colmar — Mi. hausen au niveau über den Bahnhof Colmar hinweggeführt wurden. Allein schon der Umstand, daß diese Ueberwege über die Babnhofsgleise geführt werden konnten., beweift, wie überaus geringfügig damalz ihre Benutzung gewesen sein muß. Dafür spricht auch ihre geringe Breite von 3—= 55 m, sowie der Umstand, daß sie die Verbindung darstellten ju einem Gelände, das damals nur als Ackerland benutzt wurde und mit Gebäuden noch nicht bestanden war. Als nun im Jahre 1872 die Bahn von Breisach nach Colmar in den Bahnhof Colmar eingeführt und bei dieser Gelegenheit der Bahnhof selbft er⸗ weitert werden sollte, schien mit Rück 9 auf den inzwischen gestiege— genen Verkehr sowohl auf dem Bahnhofe wie namentlich auf den Ueberwegen die fernere Belassung der letzteren nicht mehr zulässig. Infolge dessen wurde eisenbahnseitig von vornherein in den Er— weiterungsplänen die n,, der Wege und ihr Ersatz durch , vorgesehen. Die Eisenbahnverwaltung hat ferner ihre Absicht, die Wege zu unterdrücken, in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise sämmtlichen Interessenten zur Kenntniß gebracht. Daz geschah durch zwei Gnqusteverhandlungen, die ein? über daz enerelle, die andere über das später ausgearbeitete spezielle Preejekt. n beiden Enqusteverhandlungen nun ist von keiner Seite, insbeson ere auch nicht von der Stadtgemeinde Colmar, gegen die Verlegung der Wege irgend ein Einspruch gemacht worden. Im Gegentheil heißt eg in der Enqusteverhandlung vom 16. Juli 1873: „Seitens des Be⸗ zirks Präsidenten · — das war der Vorsitzende der Kommission — „wurden die vorgelegten Pläne für die Ausführung acceptiert mit folgenden Erläuterungen: 1) bei Erweiterung des Bahnhofs Colmar kann der. Niveauübergang des Weges über den Bahnhof nach Kürschnersrain unterdrückt werden; 2) der bei Kilometer 170 . lie gende , (Schũtzenhausweg) wird ebenfalls unterdrückt.. 3) hiefür wird auf der westlichen Seite des zu erweiternden Bahnhoft Colmar ein 3,5 m breiter Parallelweg angelegt. Auch in der zweiten Enqustekommission wurde von allen Betheil igten damit gerechnet, daß die beiden Ueberwege unterdrückt werden sollten. Und das ist um so wichtiger, als in ihr die Stadt Colmar vertreten war durch ihren Adjunkten und den städtischen Baumeister. Während hierbei die Stadt keinerlei Cinwendungen zu erheben hatte weder gegen die Unterdrückung der Wege noch gegen die in Aussicht gestellten Ersatzwege, bemängelte allerdings die Handelskammer die ungenügende Breiie des Ersatzparallelweges. Sie schrieb unter dem 18. Oktober 1875: „Da die Nipeauübergänge beim Kürschnersrain und beim südlich ., Feldweg wegfallen, ist der Parallelweg von einer gewissen edeutung Vier Meter Breite scheinen daher ..... eine etwas knappe Bemessung und wäre es wünschenswerth, wenn diese Breite auf wenigstens 6 m könnte gebracht werden“ Im übrigen erkannte die Handelskammer ausdrücklich an — ich iitien wörtlich, daß die prolektterten Parallelwege eine genügende Ver⸗ ütung (für die unterdrückten Bahnhofsstberwege) darbieten. anach scheint mir festzustehen, daß im Jahre 1875 zwischen allen Betheiligten: Stadt, Handelskammer, Bezirks. Präsident und Gisen— babnverwaltung, Einverständniß darüber bestand, einmal daß die Bahnhofsüberwege unterdrückt werden sollten, sodann daß der dafür angebotene Ersatz als ausreichend anzusehen sei, namentlich wenn er nach dem Wunsche der Handelskammer auf 6 m verbreitert werden würde — waz geschehen ist. Leider hat man damals nicht darauf geachtet, die Stellungnahme der Stadt Colmar ö einen förm⸗ lichen Vertrag festzulegen. Man hat das vielleicht übersehen; vielleicht aber hat man es auch nicht für nöthig gehalten, bei einem so großen Gemeinwesen, wie Colmar, in einem absolut unbestrittenen Falle peinlich auf die Beobachtung von Förmlichkeiten Bedacht zu nehmen. Grund der Enqusöteverhandlungen wurden demnächst die Spezialpläne ausgearbeitet und diese vom Reichskanger genehmigt. Nachdem sodann die Erweiterungsarbeiten fertig gestellt waren, wurde dem Bürger⸗ meister von Colmar die Schließung der Wege von den bauleitenden Beamten notifiziert. Auch damals erhob der Bürgermeister gegen Re Schließung an sich keinen Protest; er bemängelte nur die Formloßig keit der angeordneten S he unß und daß der Stadt fur die Ab. tretung der in den Bahnhof einbezogenen Wegeflächen eine Gat— schädigung nicht gewährt sei. Er gab aber diesem Einspruch keine weitere Folge, beruhigte sich vielmehr bel der ablehnenden Antwort des Bauleiterß. Damit waren die Wegübergänge geschlossen, und dieser Zustand dauerte unangefochten bis zum 6 1891. Als in diesem Jahre, also 15, 16 Jahre spaͤter, eine abermalige Erweiterung des Bahn⸗ bofes Colmar nothwendig und dazu wiederum ein Theil eines städtischen Weges begnsprucht wurde, trat plötzlich die Stadt mit der Be— hauptung hervor, im Jahre 1876 seien die beiden Wegübergänge ohne Beobachtung der gesetzlich vorgeschriebenen Förmlichleiten unterdrückt worden; die Eisenbahnverwaltung wäre deshalb veipflichtet, entweder jene Sperrung wieder aufzuheben, oder durch Anlage einer Ueber ⸗ oder Unterführung auf ihre Kosten Ersatz zu schaffen. Die Eisenbahn⸗ verwaltung lehnte diesen Anspruch ab; es kam zum Prozeß, und in diesem erftritt die Stadt ein Urtheil des Inhalts, sie sei als Gigen⸗ thämerin der beiden unterdrückten Wegtheile anzusehen und die Cisenbahnverwaltung ihr gegenüber schadenersatzpflichtig,. Wa / dagegen die Schließung der beiden Wege anging, so beftimmtt ein reichsgerichtliches Urtheil, daß, wenn der Reichskanzler die Schließung der Wege seinerzeit angeordnet habe, ein Verwaltungẽ⸗ akt vorliege, dessen Rechtmäßigkeit der Richter nicht zu untersuchen habe. Es handelt sich deshalb im weiteren Verlauf des Proze sses nun um die Frage, ob der Reichskanzler eine solche Anordnung getroffen habe oder nicht. Das Ober ⸗Landesgericht Colmar hat diese die verneint; es hat ausgesprochen, daß bei der Wichtigkeit, die diese Frage für die Stadt Colmar habe, eine derartige Anordnung exprestzis verbis hätte getroffen werden müssen; das sei nicht geschehen, infolgedessen eine rechtsverbindliche Verwaltungbanordnung nicht als vorliegend anzusehen. Durch dieses Urtheil war die Eisenbahnverwaltung in eine mißliche Lage ge—⸗ kommen. Auf der einen Seite hatte die Stadtverwaltung von Colmar ein rechtskräftiges Urtheil in der Hand, y welches sie die Eisen ⸗˖ bahnverwaltung zwingen konnte, die beiden Bahnhofsüberwege wieder zu öffnen; auf der anderen Seite muß es für Jeden, der die Bahn⸗ hofsverhältnisse in Colmar kennt, als ausgeschlossen gelten, daß eine solche Freigabe der Wege mö lich sein könnte. Um nun einen Kon— flikt zwischen dem gerichtlichen Urtheil und den Anordnungen der Gisenbahn verwaltung zu vermeiden, hat nachträglich der Reichskanzler die Sperrung der Wege noch förmlich verfügt. Er hat sich aber da⸗ mit keineswegs über das richterliche Urtheil er ,. ist vielmehr von diesem ausgegangen und hat darauf seine Anordnung gegründet. Es heißt ausdrücklich in dem bezüzlichen Erlasse: Nachdem gerichtlich festgestellt sei, daß es seiner Zeit verabsäumt worden, die Unterdrückung der beiden Ueberwege auszusprechen, werde dies jetzt nachgeholt. Hier. nach ist die Rechtslage jetzt die, daß an n. eine unbestreitbare rechtsgültige Verwaltungsanordnung über die Schließung der W vorliegt, und daß der Anspruch der Stadt Colmar sich auflöst in einen Schadenersatzanspruch. Wir sehen der Geltendmachung dieset Anspruchs entgegen. Wenn die Stadt in der Lage ist, nachzuweisen, daß ihr durch die Sperrung der Wege seither ein Schaden erwachsen ist, so sind wir bereit, ihr solchen zu ersetzen, ebenso wie wir bereit gewesen nd, ihr auch für die unterdrückten Wegetheile Entschädigung zu leisten. m Verlaufe des Prozesses haben wir ung wiederholt bu t mit der Stadt zu einer gutlichen Einigung zu gelangen. Wir boten ihr an, ihr für die unterdrückten . 66 ju leisten nach dem status zur Zeit, wo die Unterdrückung stattgefunden hatte. Wir verlangten aber, daß die Mehrkosten aus allen denjenigen Einrichtungen und Anord ⸗ nungen, die durch die jetzigen, wen r veränderten Verkehrgverhält⸗ nisse der Stadt nothwendig würden, von der Stadt getragen würden. Die
Stadt hat dieses Angebot abgelehnt. Trotzdem wären wir beinahe zu einer
, . gekommen nach einem von der Stadt selbst gemachten Vorschlage, an Stelle der unterdrückten Wege Fußwegüberführungen herzustellen und einen an anderer Stelle gelegenen Niveauübergang zu verbreitern.
(Schluß in der Zweiten Beilage.)
M 50.
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Die Stadt kam aber bald zu der Meinung, daß damit nur eine un. volllommene Lösung der bestehenden Schwierigkeiten erreicht sei; sie zog ihren Vergleichsvorschlag zurück und verlangte nun, daß wir den Kürschnersrainweg als städtifche Straße über den Bahnhof hinüber⸗ führen follten. Dos bedingt einen Kostenaufwand von etwa einer halben Million. Da die Stadt dazu nur einen Betrag von 700900 4A anbot, wurde ihr Anerbieten von der Eisenbahnverwaltung abgelehnt. Auch fehr noch sind wir bereit, der Stadt Colmar bei der Verbesserung ihrer Wegeverhältnisse am Bahnhof entgegen⸗
zukommen, und wir hoffen, daß sich eine Gelegenheit zur Bethätigung dieses Entgegenkommens finden wird, sobald die zur Zelt schwebende i. wegen ,, Erweiterung des Bahnhofs Colmar ent
chieden sein wird. Aber das möchte ich schon jetzt hervorheben, daß wir nach wie vor die Schaffung von Ersatzanlagen auf. Kosten der Gisenbahn verwaltung nur insoweit zugestehen können, als dies aus den Verhältnissen, die wir geändert haben, hergeleitet werden kann. Will die Stadt mehr baben, so muß sie die Mehrkosten
die durch ihre weitergehenden Ansprüche entstehen, zu ihren Lasten
übernehmen. Mit diesem Vorbehalt eiklären wir uns aber ausdrücklich berest, allen von der Stadt zu äußernden Wünschen wegen der dem⸗ nächstigen Gestaltung der Wegeanlagen beim Bahnhof Colmar ent. gegenzukommen. Zum Schluß möchte ich noch der Annahme des Herrn Vorredners entgegentreten, daß in dem von ihm verlesenen, an die Stadt Colmar gerichteten Schreiben der General ⸗Direktion zu Straßburg eine Drohung zu finden sei. Ich halte diese Auslegung für mißverständlich; meines Erachtens enthält das Schreiben nur einen Hinweis darauf, daß die Anstrengung eines neuen Ptozesses einer raschen Erledigung der Streitangelegenheit nachtheilig sein würde, und darin wird man, glaube ich, der Straßburger General ⸗Direktion nur Recht geben können.
Abg. Gamp (Rp) spricht den Wunsch aus, daß der Grundsatz, daß diejenigen, die der Eisenbahn Transporte liefern, nicht zu be⸗ sonderen Beiträgen herangezogen werden sollten, auch in Preußen gelten möge; dort werde aber bei jedem Anschluß einer Ziegelei, einer Zucker- fabrik ꝛc. möglichst viel herauszupressen versucht. Beiträge zu den Eisenbahnbauten müsse man in Preußen viel mehr bezahlen als die Herre im Elsaß. Nur einiger Schaffner wegen die Sonntagszüge zum Schaden der Arbeiter einzuschränken, wäre doch wohl nicht das Richtige. Durch Aufhebung der Personalunion der preußischen und ö. ,, würden die letzteren einen erheblichen Schaden er⸗ eiden.
Abg. Baron de Schm id (b. k. F. spricht darüber sein Bedauern aus, daß gewisse Eisenbahnlinien noch nicht im Bau begonnen seien, und beschwert sich über die Gewährung von Ausnahmetarifen für westsälische Kohlen.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Meine Herren! Die Ausführungen des Herrn Baron de Schmid veranlassen mich zu einer kurzen Erwiderung. Zunächst möchte ich bezüglich der von ihm angeregten neuen Linien mich auf das beziehen, waz ich vorhin sagte, daß ich mir vorbehalte, demnächst auf die sämmtlichen schon erwähnten und noch zu erwähnenden Neubauprojekte in ihrer Gesammtheit näher einzugehen. Dagegen kann ich ihm wegen der beklagten Verzögerung der Inangriffnahme der Linie Metz Chäteau⸗ Salins die beruhigende Mittheilung machen, daß die Vorarbeiten für diese Linie zur Zeit soweit gefördert sind, daß demnächst mit den Bauarbeiten wird begonnen werden können. Die eingetretene Ver—⸗ zögerung hing mit Schwierigkeiten zusammen, welchen die Linienführung in der Nähe der Festung begegnete; diese Schwierigkeiten sind nunmehr behoben. z
Was der Herr Vorredner bezüglich der Kohlentarife gesagt hat, beruht insofern auf einem thatsächlichen Grunde, als allerdings Ermäßigungen der Kohlentarife von den elsässischen Häfen Straßburg und Lauterburg hauptsächlich nach der Schweiz zur Einführung gelangt sind. Diese Tarifmaßregel ist aber keine freiwillige gewesen, sondern sie ist durch das Vorgehen der badischen Verwaltung erjwungen. Wenn wir die für das genannte Absatzgebiet bestimmten, von der Ruhr herrührenden Traneporte nicht vollständig verlieren, und wenn wir namentlich verhindern wollten, daß durch diesen Verlust zugleich die Häfen Straßburg und Lauterburg außerordentlich geschädigt würden, so mußten wir uns entschließen, dem Vorgehen der badischen Bahnen zu folgen und den elsässischen Hafenplätzen thunlichst die gleichen Tarifermäßigungen zu gewähren, wie sie Mannheim bereits hatte. Ich glaube nicht, daß wir in der Lage sind, derartige Konkurrenz⸗ maßregeln iu unterlassen, allerdings weniger unsertwegen, als in Rück⸗ sicht auf die Interessen der Häfen Straßburg und Lauterburg. Mit Rücksicht hierauf und da die Tarifermäßigungen für Straßburg und Lauterburg insofern für die Wettbewerbsverhältnisse anderer Bezirke ohne Einfluß sind, als auch ohne sie die Ruhr die gleiche Transport⸗ menge, und zwar über Mannheim zum Versand bringen würde, kann sich die Reichs ⸗Eisenbahnverwaltung nicht entschließen, nunmehr die gleichen Tarifermäßigungen auch für die Saar und die lothringischen Gruben zur Einführung zu bringen.
Ich möchte dabei noch bemerken, daß die Saar sowohl, als die lothringischen Häfen die Ermäßigung der Kohlentarife, wie sie in Preußen eingeführt worden ist, und zwar dadurch, daß die Kohlen in den Rohstofftarif hineingezogen worden sind, ebenfalls mit erhalten haben, daß also schon ziemlich erhebliche Tarifermäßtigungen erfolgt sind. Wir sind der Entwickelung der Dinge sehr genau gefolgt, gerade auch im Interesse der lothringischen Gruben und der fiskalischen Saargruben. Bisher ist die Sache aber so gewesen, daß die Lothringer wie die Saar erheblich viel mehr hätten absetzen können, als sie produziert haben. Also in die Sache jetzt einzugreifen, dazu liegt auch nicht der geringste Grund vor. Die betreffende Kohlenindustrie ist in einer so überaus glänzenden Lage, daß sie diese kleinen Differenzen zu⸗ nächst einmal ruhig mitansehen kann. Es kommt noch eines hinzu. Während es sich bei den Tarifermäßigungen für Straßburg und Lauterburg um einen Frachtausfall von im Ganzen 130 000 4 handelt, würde die beanspruchte Ermäßigung der Kohlentarife von Lothringen bejw. von den Saargruben mehr als eine Million betragen. Einen so bedeutenden Ausfall zu übernehmen, liegt wirklich bei der gegenwärtigen Lage der Kohlenindustrie keine Veranlassung vor. Andererseits aber den Häfen Straßburg und Lauterburg die gewährten Ermäßigungen wieder zu entziehen, würde, glaube ich, im ganzen Lande Elsaß zu einer ganz gewaltigen Erregung führen. Straßburg ist mit großen Kosten, namentlich seitens der Stadt
zweite Beilage
ö ; zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.
Berlin, Montag, den . Februar
Straßburg, allmählich zu einem bedeutenden Hafenplatz geschaffen, und für diesen Hafenplatz sind die Kohlen nahezu die Hauptsache. Der Bürgermeister von Straßburg hat mit großem Geschick und großer Energie gerade Straßburg als Kohlenumschlagsplatz gefördert. Es sind Briquetfabriken dorthin gezogen worden, es ist alles geschehen, um Leben in den Straßburger Hafen hinein zu bringen. Wenn wir die Gleichstellung der elsässischen mit den badischen Tarifsätzen aufgeben, so hört das morgen auf, und dazu, wie gesagt, können wir uns, zur Zeit wenigstens, nicht entschließen.
Abg. Graf von Kanitz (d. kons.): Das Tarifchaos zeigt sich be= sonders bei diefen Ausnahmetarifen für westfälische Kohlen durch ganz Elsaß⸗Lothringen hindurch, wodurch die Saarkohle und die lothrin⸗ gische Kohle benachtheiligt wird. Es ist überhaupt nicht nothwendig, daß die westfälische Kohle so billig nach Italien und Frankreich gefahren wird. Daß die kostspieligen Rheinhäfen mit Kohlen ver⸗ sorgt werden müssen, hätte man sich vorher überlegen sollen, Daz ist dasselbe wie mit den Kanälen, die man erst mit großen Kosten baut, und für die man nachher, damit sie üher⸗ haupt nur befahren werden, recht niedrige Gebühren erhebt. Man sollte endlich mit den Ausnahmetarifen aufräumen und zu einem neuen Tarifschema kommen. ö
Abg. Bueb (Soz.) erklärt, er schließe sich den Ausführungen seiner elsässer Landsleute an, und geht dann besonders auf die Mülhausener Bahnhofsverhältnisse ein.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Meine Herren! Den von dem Herrn Abg. Bueb geäußerten Wunsch, daß es gelingen möge, im gegenseitigen Entgegen⸗ kommen mit der Stadt Mülhausen zu einem vernünftigen und die beiderseitigen Interessen befriedigenden Abkommen zu gelangen, theile ich vollständig, und was ich meinerseits dazu thun kann, um dieses Ziel zu erreichen, wird sehr gerne geschehen. Die Lage, in der sich die Sache befindet, hat ja der Herr Abg. Bueb schon sküjziert. Es ist unsererselts ein Projekt gemacht und der Stadt vor — gelegt worden; die Stadt hat ihrerseits Bedenken gegen die Aus— führung dieses Projekts geäußert und sich erboten, durch Sachver— ständige, die sie herbeigezogen hat, ein neues Projekt aufstellen zu lassen. In diesem Stadium befindet sich zur Zeit diese Sache, indessen kann ich dem Herrn Abg. Bueb auch das bestätigen, daß ich bei meiner An⸗ wesenheit in Mülhausen allerdings die Ueberzeugung erlangt habe, daß das Bahnhofsgebäude Mülhausen dem Verkehr, den es bewältigen soll, durchaus nicht mehr entspricht, weder entspricht in seiner räumlichen Ausdehnung, weniger noch entspricht in seiner Ausstattung. Ich muß sagen, ich habe einen Schreck bekommen über manche Dinge, die ich dort gesehen habe (hört! hört! bei den Sozialdemokraten), und deren Bestehen bis auf den heutigen Tag auch nur die einzige, allerdings begründete Entschuldigung hat, daß man eben mit Neubau—⸗ projekten seit geraumer Zeit beschäftigt ist, und infolgessen das Alte nicht hat umändern wollen und können. Es ist übrigens doch schon in der Zeit der Verwaltung der Reichsbahnen für den Personenbahn⸗ hof Mülhausen eine Summe von ungefähr 600 000 M zu Ver- besserungen verwendet worden. Es ist auch sür Mülhausen weiter sehr Erhebliches seitens der Reichs Eisenbahnverwaltung geschehen. Es ist bekanntlich der Güterbahnhof Nord mit seinen Nebenlinien eingerichtet worden, welcher einen Kostenaufwand von 5. Millionen verursacht hat. Der Bahnhof ist eröffnet, und es ist mir bei meiner Anwesenheit in Mülhausen ganz übereinstimmend gesagt worden, daß diese Anlage für die Verkehrsverhältnisse von Mülhausen von größter Bedeutung sei.
Der Herr Abg. Bueb hat im mer von der Hochbahn gesprochen; ich verstehe ihn so, daß das Verhältniß, wie es jetzt besteht, nach seiner Meinung in das Gegentheil umgekehrt werden sollte. Jetzt liegen das Stationsgebäude und die Gleise aus der alten fran zösischen Zeit her im Niveau unter der Straße, Niveaukreuzungen der Eisenbahn mit der Straße existieren also auch heute nicht. Die Straßen sind übergeführt nur in den Außendistrikten der Stadt, namentlich nach Süden und Westen zu, wo die ehemaligen Feldwege jetzt sehr frequent zu werden beginnen, sind seinerzeit die Straßen im Niveau über die Schienen geführt. Es wird ein Theil der Er⸗ wägungen sein, wie dieser Uebelstand in Zukunft zu beseitigen ist. Der Herr Abg. Bueb hat uns auch noch mitgetheilt, daß ich bereits bei meiner Anwesenheit in Mülhausen zugelassen habe, daß eine von den Kleinbahnen im Niveau an die Hauptlinie herangebracht werden und diese kreuzen darf. Bezüglich der anderen Kleinbahnen, die die Hauptlinie bei Dornach kreuzen sollen, wurden dagegen so erhebliche Bedenken mit Bezug auf die Sicherheit der Hauptbahn wie der Kleinbahnen in Mülhausen erhoben, daß wir von einer solchen Kreuzung Abstand nehmen mußten. Es wird zu erwägen sein, ob bei dem ganzen Umbau hier eine Aenderung eintreten kann. Ich bin gern bereit, schon vorher zu prüfen, ob der fernere Wunsch, daß die Linie nach Hüningen gekreuzt werden soll, in Erfüllung gehen kann.
Was die übrigen von Herrn Abg. Bueb vorgetragenen Wünsche betrifft, so ist mir der von ihm erwähnte Fall, daß 200 Arbeiter durch den Konkurs eines Unternehmers um ihren Lohn von ins— gesammt S000 S gekürzt worden sein sollen, vollfständig un— bekannt; ich werde mich aber nach den Verhältnissen umsehen. Im allgemeinen liegt eine Sicherung der Aibeiter für ihre Lohn forderungen in der Kaution, die der Verwaltung von den Unter—⸗ nehmern gestellt wird und die auch zur Deckung derartigen Ansprüche bestimmt ist.
Der Herr Abg. Bueb hat nun zuletzt den Wunsch geäußert, es möchte doch bei der Fortsetzung der Bahn von Maßmünster nach Sewen nicht die Straße benutzt werden. Das wird auch von uns nicht beabsichtigt. Ich halte mit dem Herrn Abg. Bueb für eine normal vollspurige Bahn die Wahl einer Straße als Unterlage ihrer Trace nicht für zweckmäßig; es könnte das nur unter ganz besonderen Umständen gerechtfertigt werden. Es gab einmal eine Zeit, wo man glaubte, durch die Wahl der Straße als Grundlage für die Eisenbahn eine sehr erhebliche Verringerung der Kosten herbeiführen zu können, und daz ist ja auch in gewissem Sinne richtig. Man hat sich aber damit in Bezug auf den Betrieb
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1899.
eine Ruthe gebunden für alle Zukunft, die ichẽ in der Verwaltung manchmal sehr bitter empfunden habe, und ich werde sicher dafür sorgen, daß, wenn nicht ganz besondere Umstände vorliegen, die normalspurigen Bahnen auch einen eigenen Bahnkörper erhalten. Ich mache nur darauf aufmerksam, daß die Bahn, die wir jetzt fortsetzen wollen, ursprünglich auf Kosten des Landes gebaut worden ist und nicht des Reiches; aber das war in einer Zeit, wo es überhaupt Mode war, mit solchen Bahnen auf die Straße zu gehen.
Dann bleibt mir nur noch übrig, mich über die heute hier an⸗ geregten Neubaulinien zu äußern. Auf die einzelnen Linien einzugehen, bin ich zu meinem Bedauern ebensowohl bezüglich der von Herrn Bueb, wie von den Herren Vorrednern angeregten Linien außer stande, da mir jedes Material dazu fehlt. Ich kann auch nur annehmen, daß die Anregung dazu dienen soll, die Reichs⸗Eisenbahn⸗ verwaltung zu veranlassen, sich dieserhalb mit der Landes- verwaltung in Verbindung zu setzen. Hier von der Zentral verwaltung aus kann auf derartige Wünsche nicht eingegangen werden, ehe nicht vollständig geprüft worden ist, ob auch nach der Auffassung der Landesberwaltung die Bahnen zweck⸗ mäßig sind beziehungsweise einem dringenden Bedürfniß entsprechen, und ehe nicht technisch, finanziell und wirthschaftlich der Werth dleser Bahnen festgestellt ist. Ich würde daher unmaßgeblich glauben, daß die Herren vielleicht ihren Zweck rascher erreichen würden, wenn sie direkt bei der Landesverwaltung oder dem Landesausschuß ihre Wünsche
vorbringen möchten.
Abg. Hauß (b. k. F) meint, daß die großen Ueberschüsse der Reicht⸗Eisenbahnen verwendet werden sollten zur Erleichterung des Verkehrs. Aber davon sei keine Rede; den Besuchern der Pastoren- konferenzen würden Fahrpreisermäßigungen gewährt, aber z. B. den Vertretern der RaiffeisenKassen und anderen Vereinigungen nicht. Redner wendet sich ebenfalls gegen die Bahnsteigsperre. Der Minister sei erschreckt gewesen über die Zustände des Mülhausener Bahnhofes. Darin liege ja das Schlimme: in Berlin werde über die elsaß⸗ lothringischen Eisenbahnen entschieden. Ehe dies nicht geändert würde, werde es nicht besser werden. ;
Abg. Dr. Paasche (nl) spricht seine Freude darüber aus, daß die Elsässer sich so zahlreich an den Verhandlungen betbeiligt hätten. Große Ueberschüsse liekerten die Reichsbahnen dem Reiche nicht, sie brächten gerade die Zinsen auf, die das Anlagekapital koste. In Preußen müßten die Interessenten für die Bahnlinien viel größere Opfer bringen, als die Elsässer gebracht hätten.
Darauf werden die Ausgaben der Zentralverwaltung ge⸗ nehmigt und um 6 Uhr die weitere Berathung bis Montag
1 Uhr vertagt.
Preuszischer Landtag. Haus der Abgeordneten.
29. Sitzung vom 25. Februar 1899.
Das Haus setzt die zweite Berathung des Staats⸗5 haushalts⸗-Etats für 1899 bei den einmaligen und außerordentlichen Ausgaben im Etat des Finanz⸗ Ministe riums fort. . —
Zum Neubau der Kaiser Wilhel m-Bibliothek und des Provinzial-Museums in Posen, einschließlich der inneren Einrichtungen, werden 752 400 S gefordert.
Abg. Dr. am Zehnhoff Zentr.) erklärt, das seine Partei gern bereit sei, an der kulturellen Hebung der Provinz Posen mitzuwirken, spricht aber die Erwartung aus, daß auch die anderen Provinzen nicht vergessen werden. Bildung sei das beste Mittel der Verständigung und Versöhnung zwischen den einzelnen Nationalitäten. Seine Partei werde die Forderungen für das Museum bewilligen unter der Voraus setzung, daß nur solche Kunstwerke aufgestellt werden, die das Gefühl der Bevölkerung nicht verletzen. Dagegen könne sie das Bedürfniß nach einem Neubau für die Bibliothek nicht anerkennen. Solche großen Sammlungen müßten unter Anlehnung an eine Universität angelegt werden. Eine unrichtig benutzte Bibliothek befördere nur das Vielwissen. In Posen gebe es nur eine verschwindend kleine Zahl von Leuten, die die Bibliothek mit Verständniß benutzen können. Die breite Masse des Volkes brauche eine gute Volksbibliothek, wie sie andere Länder be⸗ säßen, wo die Professoren populärer zu schreiben wüßten. Die Bibliothek in Posen werde ein einsamer Monu⸗ mentalbau bleiben. Ein organischer Zusammenhang zwischen der Bibliothek und dem Museum bestehe nicht. Wir sollen, fährt Redner fort, hier eine Wiege für ein Kind bewilligen, das wir noch nicht kennen; denn die Bibliothek soll aus verschiedenen Theilen des Landes zusammengebracht werden. Wir kennen den Inhalt der Bücher nicht, und wenn wir das Gebäude dafür bewilligen, so stellen wir Leute fin de siècle uns den alten Trojanern gleich, die das be⸗ kannte Pferd in ihre Stadt zogen, ohne eff Inhalt zu kennen. Wir beantragen die Absetzung der Forderung für die Bibliothek.
Ministerial Direktor Dr. Althoff: Es handelt sich bei dieser Forderung darum, eine alte Zurücksetzung der Provinz Posen wieder gut zu machen; denn sie steht gegen die anderen Provinzen des preußi⸗ schen Staats in dieser Beziehung zurück. In allen Provinzen haben wir Bibliotheken, Sammlungen u. s. w. Von alledem ist in Posen nichts vorhanden, und wir wollen annähernd der Provinz Posen das . wag anderen Provinzen in reichem Maße zu theil geworden st. Der Vorredner schlägt das profanum vulgus doch nicht hoch genug an. Wer die Verhältnisse im Vaterlande nur einigermaßen kennt, weiß, was die Bibliotheken auch dort, wo keine Universitäten sind, leisten. Ich erinnere nur an een n, Cassel, Wiesbaden, Köln u. s. w. In der Stadt Posen sind Männer der Wissenschaft genug, die die Volksbibliotbek benutzen. Von einem profanum vulgus kann also keine Rede sein. Und dann handelt es sich auch nicht nur um eine wissenschaftliche Bibliothek, son. dern zugleich um eine populäre wissenschaftliche Bibliothek. Es soll also die Voksbelehrung damit verbunden werden, und nach amerika⸗ nischem Muster soll die Bibliothek ihren Lesestoff über die ganze Provinz verbreiten, also ein Magazin für die Abtheilungen und Samm⸗ lungen im ganzen Lande sein. Ein fernerer Grund für die Bibliothek liegt auf der nationalen Seite. Es ist aber ein Irrthum, wenn man annimmt, daß die Bibliothek tendenziös bloß mit deutschen Werken gefüllt werden solle. Es wird auch die polnische Literatur hin- reichend berücksichtigt werden. Die Ueberlegenheit der deutschen Kultur wird sich schon von selbst zeigen; das werden wir nicht durch die Tendenz, sondern durch die Natur der Thatsachen erreichen. Die Früchte der Einrichtung werden sich wohl nicht gleich, aber nach 59 Jahren zeigen. Den Herrn Vorredner hat man im ganzen Lande thatsächlich schon desavouiert, ehe er seine Rede gehalten hat, und ich kann diese Thatsache nicht erwähnen, ohne im Namen der Regierung allen denen, die sich an diesem Werke betheiligt haben, Dank und Anerkennung auszusprechen. Die Personen, die in dieser Weise dafür eingetreten sind, wissen doch, warum sie es gerade für die