1899 / 54 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 03 Mar 1899 18:00:01 GMT) scan diff

ist 4 während der französischen Herischaft auch nicht ewesen. z Abg. Prinz zu Schönaich ⸗Carolath: Der Unter ⸗Staatssekretär von Schraut hat mich namens des Comités gebeten, der Dolmetscher der Wünsche desselben zu sein. Ich hätte das früher erwähnen können. Die Gründe, die die Stadt Straßburg hindern, ibrerseits einzutreten, hat Herr Riff in der Kommission ausführlich dargelegt.

Abg. Fritz en ⸗Düsseldorf weist darauf hin, daß in 66 urg eine der schönsten Straßen von Goethe ihren Namen erhalten habe.

Die Abstimmung bleibt zweifelhaft. Es stimmen für den Antrag der Kommission die Sozialdemokraten, die Deutsche und die Freisinnige Volkspartei, die Freisinnige Vereinigung, die Nationalliberalen, mit Ausnahme des Abg. Schulze⸗Steinen, die Mehrheit der Reichspartei und der Reformpartei und vom Zentrum der Abg. Dr. Freiherr von Hertling. Dagegen stimmen die Deutschkonservativen, die Minderheit der Reichspartei und der Reformpartei, das Zentrum und die ö Es stimmen mit „ja“ 91, mit „nein“ 84 Mitglieder. Bei Anwesenheit von 175 Mitgliedern ist der Reichstag nicht beschlußfähig, da hierzu 199 Mitglieder erforderlich sind.

Präsident Graf von Ballestrem setzt daher die nächste

Sitzung auf 31 Uhr an.

Schluß 3 Uhr.

47. Sitzung vom 2. März 1899. 31½ Uhr.

Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der zweiten Berathung des Reichshaushalts⸗Etats für 1899, und . des Etats für die Verwaltung des Reichsheeres

ei dem Titel, Gehalt des Kriegs-⸗Ministers“. Bericht⸗

erstatter ist der Abg. Graf von R oon (d. kons.), der über die Verhandlungen der Kommission berichtet und einige allgemeine Mittheilungen über den Inhalt des Etats macht.

Abg. Schmidt ˖ Elberfeld (fr. Volksp.) führt Beschwerde über die Scharfschießübungen und die dadurch nothwendig gewordene Terrainabsperrung im Großherzogthum Hessen, und zwar in der Gegend von Mainz. Die Absperrung sei ohne irgend welche vorherige Ver⸗ einbarung mit den Verwaltungsbehörden erfolgt, und man sei über das Maß des Nothwendigen hinausgegangen, indem sich nachher eine geringere Zeit als ausreichend erwiesen habe. Die Landwirthe seien dadurch in der Einbringung ihrer Ernte gehindert worden.

Kriegs⸗Minister, Generalleutnant von Goßler:

Die Truppen in Mainz sind in einer sehr schwierigen Lage: die ganze Umgebung ist hoch kultiviert, die Schießübungen müssen ab⸗ gehalten werden, und natürlich kollidieren da oft die Interessen der Truppen und die der Bevölkerung. Die Klagen aus der Umgegend von Mainz sind dem Kriegs⸗Ministerium nicht unbekannt; wir haben die Sache eingehend geprüft und sind mit dem hessischen Ministerium in Verhandlung eingetreten, um Abhilfe zu schaffen.

Wenn der Herr Vorredner sagt, es habe keine Vereinbarung stattgefunden, so wundert mich das insofern, als bestimmungsgemäß eine bezügliche Mittheilung vor Benutzung kultivierter Grundstücke zu Truppenübungen erfolgen muß. Wenn dies hier nicht geschehen sein sollte, so hat das General Kommando sicher bereits Remedur eintreten lassen.

Die Uebelstände beruhen wesentlich darauf, daß das XI. Armee-⸗ Korpz keinen Schießplatz hat, denn der Griesheimer Uebungsplatz bei Darmstadt darf nach den mit der Gemeinde Griesheim getroffenen Abmachungen zu Schießübungen der Infanterie nicht benutzt werden. Wir sind jetzt bestrebt, durch Vermittelung der hessischen Regierung diese Abmachungen zu ändern, sodaß zu erhoffen ist, daß künftig auf viesem Platz auch Infanterie schießen darf. Es wird dann ein Theil der in dieser Beziehung in der Nähe von Mainz hervorgetretenen Uebelstände verschwinden und darf ich versichern, daß, so weit möglich, alles geschehen soll, um den Wünschen der Bevölkerung in der Um⸗ gegend von Mainz gerecht zu werden.

Abg. Dr. Lingens (Zentr.) bringt ähnliche Klagen über das scharfe Schießen aus seinem Wahlkreise vor und fährt dann fort: Als der Hochselige Kaiser Wilhelm J. im Jahre 1878 auf seinem Schmerzenslager lag, da sprach er das Wort: Dem Volke muß die Religion erhalten werden. Hat das Ministerium diese Mahnung befolgt? Die Uebersicht über die Bestrafungen der Militärpflichtigen erregt doch große Bedenken, denn die Zahl derselben wächst von Jahr zu Jahr. Man hat in der Heeresverwaltung und auch in der Marine auf die Seelsorge viel zu wenig Gewicht gelegt, wenn auch manches in letzter Zeit besser geworden ist. Redner beschwert sich schießlich darüber, daß die Soldaten anstößige Lieder sängen.

Kriegs⸗Minister, Generalleutnant von Goßler:

Ich kann das Bestreben des Herrn Vorredners, auf kirchlichem Gebiete Besserung zu schaffen, von meinem Standpunkt aus nur an⸗ erkennen. In dieser Beziehung hat wiederholt ein Meinungsaustausch zwischen uns stattgefunden, und ich erkenne gern den reinen redlichen Sinn an, der den Herrn Vorredner bestimmt, auch bei der Besserung der religiösen Verhältnisse in der Armee mitzuwirken. Aus seinen heutigen Darlegungen habe ich aber den Eindruck gewonnen, daß er in mancher Hinsicht zu schwarz sieht; denn die Behauptung, daß nicht gleiches Recht für Alle besteht, kann ich nicht unterschreiben. Es besteht that⸗ sächlich in der Armee für Jeden gleiches Recht, und beschämende oder oder niederdrückende Bestimmungen, auf die der Herr Abgeordnete hingewiesen hat, sind mir nicht bekannt. Ich bin bestrebt, auch auf diesem Gebiete mit den Organen zu arbeiten, die mir dienstlich hierfür zugewiesen sind. In erster Linie sind das die Feldpröpste der Armee, und es gereicht mir zur besonderen Befriedigung, es hier aus—⸗ sprechen zu können, daß zwischen mir und diesen hohen kirchlichen Stellen volle Uebereinstimmung besteht. Daß im übrigen die katholischen Angehörigen der Armee nicht benachtheiligt sind, ergiebt sich aus einem Vergleich der Kosten, welche für die kirchliche Ver⸗ sorgung der evangelischen und katholischen Mannschaften im Etat vorgesehen sind. Die Aufwendungen für die katholischen Mannschaften überschreiten die für die evangelischen ganz wesentlich. (Hört, hört! rechts und bei den Nationalliberalen Aus diesen Verhaͤltnissen dürfte sich das volle Verständniß für die Bedürfnisse der katholischen Mannschaften ergeben. Wir sind aber auch bestrebt, außerhalb der Kirche den Einfluß der Geistlichen möglichst zu fördern. Hierzu dienen Kasernenandachten und Kasernenabendstunden, in denen den Militärgeistlichen Gelegenheit gegeben wird, auf die Mannschaften in jweckentsprechender Weise einzuwirken. Auch ist bekannt, daß jedem Soldaten, welcher Konfession er auch angehöre, der freiwillige Kirchenbesuch an Sonn⸗ und Feiertagen freisteht und daß ihm dienstlich in Erfüllung dieses Wunsches nichts in den Weg gelegt werden darf. Nun sind aber von katholischen Geistlichen Klagen darüber laut geworden, daß diese Mannschaften vielfach durch Storungen u. s. w. nicht gerade zur Erbauung der

sonstigen Gemeinde beigetragen haben (Heiterkeit), und so ist denn der Wansch ausgesprochen worden, auch diese freiwilligen Kirchgänger ge⸗

schlossen zur Kirche führen zu lassen. Die dieserhalb angestellten Erhebungen sind noch nicht zum Abschluß gekommen, doch ist soweit Aeußerungen bereits vorliegen von verschiedenen Seiten davor gewarnt worden, den freiwilligen Kirchenbesuch obligatorisch zu machen. .

Wenn mich der Herr Vorredner, sei es in der Kommission, sei es im Plenum, über Einzelfälle orientiert hat, in denen er glaubte Klage führen zu sollen, so bin ich stets bereit gewesen, denselben näher zu treten. Ich glaube, er wird mir selbst bezeugen, daß ich stets bestrebt war, in dieser Hinsicht seinen berechtigten Wünschen zu entsprechen. :

Ich würde es deshalb auch bezüglich seiner Klagen über das Singen unpassender Lieder seitens einzelner Truppentheile lieber ge⸗ sehen haben, wenn er mir anstatt der allgemeinen Angaben die einzelnen Vorgänge selbft näher mitgetheilt hätte. Wir haben in der Armee ein dienstlich eingeführtes Liederbuch, waz eine sorgfältig ausgesuchte Sammlung geeigneter Lieder für die Truppen enthält und was gerade deshalb eingeführt worden ist, um nicht geeignete Lieder, die hier und da früher zuweilen gesungen wurden, auszuscheiden. Ich kann mir deshalb kaum denken, daß von geschlossenen Truppentheilen noch derartige Lieder gesungen werden, und bin überzeugt, daß die Kommandobehörden, wenn ihnen dieses bekannt wäre, ohne weiteres hiergegen einschreiten würden. Auf all⸗ gemeine Angaben kann ich jedoch nicht eingehen.

Wenn der Herr Vorredner hervorhebt, daß die Soldaten nicht so gut aus dem militärischen Dienste wieder nach Hause zurückkehren, wie sie von da weggegangen seien, so bitte ich, doch zu bedenken, was er selbst im Eingange seiner Rede ausführte, nämlich, daß die Zahl der Vorbestrafungen in so erschreckendem Maße zugenommen hat. Ich kann daher nicht zugeben, daß unsere Leute wie die unschuldigen Lämmer in den Dienst eintreten. Im Gegentheil, es ergiebt sich aus den vorgeführten Zahlen der Vorbestrafungen ohne weiteres die Schwierigkeit der militärischen Erziehung.

Auch dieser Frage ist sehr eingehend näher getreten worden, und es hat sich gezeigt, daß trotz der wachsenden Zunahme der Vor⸗ bestrafungen die gerichtlichen Bestrafungen in der Armee im allge⸗ meinen abnehmen, und daß wir, namentlich was die schweren Strafen anbelangt, eine dauernde Besserung zu verzeichnen haben. Es dürfte sich hieraus ergeben, welche gute Schule die Disziplin in der Armee auch für einen minderwerthigen Ersatz ist, und daß man auf die Art der Handhabung der Disziplin in der Armee und auf unser Straf⸗ system stolz sein kann. (Bravo! rechts.)

Ich hoffe somit, daß der Herr Vorredner auch in dieser Hinsicht beruhigt sein wird.

Wenn er dann noch die Frage der Militär Kirchenordnung ge⸗ streift hat, so ist auch hierüber in der Kommission wiederholt ge⸗ sprochen worden. Es ist richtig, die Militär Kirchenordnung ist zum theil veraltet und entspricht der heutigen Zeit nicht mehr. Aber für die katholische Kirche ist dies insofern irrelevant, als die Einrichtungen der katholischen Militärkirche auf päpstlichen Breves und auf Verein⸗ barungen mit der Kurie beruhen. Die Militär⸗Kirchenordnung ist also in dieser Beziehung nicht maßgebend und könnte auch nicht um⸗ gearbeitet werden ohne neue Vereinbarung mit der Kurie.

Abg. Bassermann (al.): Mit den Vorbestrafungen der Mann⸗ schaften ist es doch eine zweifelhafte Sache, die eine besondere Er⸗ örterung verdient. In den Kreisen des Handwerks besteht ein großes Interesse für die Ausdehnung der Berechtigung zum einjährig“ frei= willigen Dienst. Die wissenschaftliche Vorbildung kann ersetzt werden durch den Nachweis einer großen Kunstfertigkeit; aber davon wird wenig Gebrauch gemacht. Das Handwerk wird dadurch geschädigt, daß die eher der Handwerker sich wegen Erlangung des Einjährigen zeugnisses den höheren Schulen zuwenden und nicht wieder in das

, . zurückkehren. Man sollte den Fachschulen eine gewisse Berechtigung geben.

Kriegs⸗Minister, Generalleuönant von Goßler:

Ich bin selbstverständlich gar nicht in der Lage, zu diesem An trage Stellung zu nehmen; das ist Sache des Reichs und nicht eines Bundesstaates; in Bezug hierauf sind zuständig die Reichs⸗Schul⸗

kommission und in letzter Instanz der Herr Reichskanzlet. Die Frage der Berechtigung zum einjährigen Dienst ist aber auch an und für sich nicht so einfach zu lösen; denn nach dem Reiche⸗Militärgesetz welches wörtlich festsetzt:

„Ein Gesetz wird die Vorbedingungen regeln, welche zum Ein—

jährig⸗Freiwilligen⸗Dienst berechtigen“,

soll sie gesetzlich geregelt werden. Dieses Gesetz ist bisher noch nicht erlassen und konnte auch nicht erlassen werden, weil die Unterrichts verhältnisse in ibren Grundzügen im Deutschen Reiche so verschieden sind, daß zunächst garnicht daran gedacht werden konnte, eine allgemeine Grundlage für das gesammte Reich zu schaffen. Erst wenn diese Verhältnisse sich im Reiche gleichmäßiger gestaltet haben werden, wird der Augenblick gekommen sein, das vorgesehene Gesetz zu erlassen. Jetzt schon vorzeitig einzelne Fächer herauszugreifen und zu begünstigen, halte ich für bedenklich, um so mehr, als es geboten erscheint, auch zunächst abzuwarten, wie sich bei der verkürzten Dienstzeit das Ver⸗ hältniß des Einjährig⸗ Freiwilligen und des zweijährig dienenden Mannes allmählich gestaltet. Ich glaube daher nicht, daß der Zeit⸗ punkt jetzt schon gekommen ist, um eine prinzipielle Entscheidung zu treffen. Daß die Angelegenheit aber dauernd im Auge behalten werden wird, das wird durch die im Militärgesetz ausdrücklich vor⸗ behaltene gesetzliche Regelung dieser Frage garantiert. Mit dem Herrn Vorredner stimme ich aber darin durchaus überein, daß die Ausbildung an Fachschulen viel mehr werth sein kann, als die auf einer Presse.

Abg. Bebel (Soz.) stellt den einjährigen Dienst als ein Privi= legium der besitzenden . hin, das die Sozialdemokraten als solches auf das entschiedenste bekämpfen würden. Die Militärver⸗ waltung stelle einerseits den Landwirthen Mannschaften zur Erntezeit zur Verfügung, andererseits hindere sie aber die Landwirthe an der Ernte durch die Scharfschießübungen. Obwohl man über die ungenügende Zeit zur Ausbildung der Soldaten klage und die dreijährige Dienstzeit verlange, habe man die Soldaten vielfach anderweitig beschäftigt, theilweise zum Schaden der brotlosen Arbeiter. Mit der Religion habe es nichts zu thun, wenn so viele Rekruten vorbestraft seien, sondern vielmehr damit, daß viele junge Leute beider Geschlechter über haupt keine Familienbeziehungen mehr hätten, weil sie von jungen Jahren an in die Fabrik gingen und weil die verheiratheten Frauen auch in der Fabrik thätig sein müßten. Das mangelhafte Schulwesen auf dem Lande trage auch das Seinige dazu bei. Ber Abg. Lingens habe den Sozial demokraten gesagt, daß sie das nicht glaubten, was sie den Leuten predigten. Er (Redner) müsse eine solche Verdächtigung zurückweisen. (Vize⸗Präsident Dr. von gig ruft den Redner wegen dieses Aus⸗ drucks, den er gegen einen Abgeordneten gebraucht habe, zur Ordnung.) Ein solcher Vorwurf, daß die Sozialdemokraten das selbst nicht

ere bg, g schwerste, der einer Partel gemacht

werden könne. Die freie Religionsübung wollten sie auch, aber man

sollte niemand zum Kirchgang gegen seinen Willen jwingen. Die Armeeverwaltung sollte mit diesem Zwange nicht über⸗ greifen auf Personen, die nicht zur Armee gehören. Eg solle z. B. angefragt sein, ob sich in Spandau an der Bewegung, die den Auz⸗ tritt aus der Landeskirche anregte, auch Arbeiter der en n, betheiligt bätten. Von der Armee sei in einem Vortrage in den Sittlichkeitsvereinen gesagt worden, sie sei die Hochschule der Unzucht. Redner kommt sodann auf die Spielerprozesse der letzten Zeit zu sprechen, bei denen Gardeoffizitere und Beamte betheiligt gewesen selen. Zum Schluß verlangt derselbe über eine Reihe von Vorgängen in der Armee, welche zumeist Bestrafungen wegen Mißhandlungen betreffen und die er namentlich anführt, Auskunft.

Präsident Graf von Ballestrem: Aus der Mitte des Hauses ist mir mitgetheilt worden, daß sich die exangelischen Mitglieder des Hauses durch einen Passus der Rede des Abg. Dr LÄUngens graviert fühlen. Wegen des schwachen Organs des Abg. Dr. Lingens ist diese Aeußerung von meinem Vertreter hier auf dieser Stelle nicht vernommen worden. Nach dem stenographischen Bericht lautet die Stelle; Unsere Gyangelischen in Deutsch⸗ land können nicht tolerant sein. Ich muß zu meinem Bedauern dem Herrn Redner bemerken, daß diese Aeußerung allerdings in dieser Allgemeinheit geeignet war, die evangelischen Mitglieder des Haufes zu verletzen, und deshalb gegen die Ordnung verstoßen hat.

Kriegs⸗Minister, Generalleutnant von Goßler:

Der Herr Vorredner ist zunächst auf Reden anderer Mitglieder des Hauses eingegangen. Ich sehe mich daher veranlaßt, dazu die Zu⸗ sätze zu machen, welche ich für nothwendig halte, um diese Angelegen⸗ heiten zu klären. Herr Bebel bedauert, daß wir genöthigt sind, Schieß- übungen im Terrain abzuhalten, und macht uns gewissermaßen daraus einen Vorwurf. Ich kann ihn infolge dessen nur dringend darum bitten, mit seiner ganzen Autorität dafür einzutreten, daß bald aus⸗ reichende Uebungsplätze für jedes Korps einer errichtet werden, damit die Schießübungen im Terrain möglichst aufhören. Das würde auch dem Interesse der Armee entsprechen.

Neuere Befehle, betreffend Ernteurlaub der Mannschaften, sind mir nicht bekannt. Richtig ist, daß eine alte Ordre, welche diese Verhält⸗ nisse regelt, besteht. Ich weiß somit nicht, worauf sich die Angabe, daß für das Garde⸗Korps ein neuer Befehl ergangen sei, stützt.

Ueber die Einrichtung eines Lawn⸗Tennis ⸗Platzes in Wesel kann ich keine Auskunft geben. Ich habe hierüber nichts gelesen und nehme an, daß hier ein Irrthum vorliegt.

Die Betheiligung von Mannschaften als Treiber bei Jagden ist, wenn es überhaupt geschieht, eine freiwillige Dienstleistung, für die sie bezahlt werden und aus der bei Verletzungen ein Anspruch auf Invalidenbenefizien nicht hergeleitet werden kann. Mir ist übrigens auch nur ein Fall bekannt, bei welchem eine leichte Verletzung eines Treibers durch ein Schrotkorn vorgekommen ist, die aber keine weiteren Folgen hatte. Derartige in der Presse besprochene Fälle sind sämmt⸗ lich übertrieben wiedergegeben.

Die Angabe, das 1. Pionier⸗Bataillon sei zur Vernichtung der Ronnenraupe nach Rominten ausgerückt, ist unzutreffend. Es hat sich vielmehr um größere Waldarbeiten, die in den dortigen Forsten vor⸗ zunehmen waren, gehandelt, die dem Bataillon die seltene, höchst er⸗ wünschte Gelegeaheit boten, sich in diesem für Pioniere besonders wich⸗ tigen Dienstzweige auszubilden, eine Gelegenheit, wie sie sich besser kaum wieder finden dürfte. Das Bataillon hat daher im Vorjahre bezüglich seiner Ausbildung einen besonders guten Eindruck gemacht.

Auch die Angabe des Herrn Bebel, in Halberstadt hätten Soldaten Erdarbeiten zu privaten Zwecken ausgeführt und dadurch freie Arbeiter geschädigt, ist unrichtig. Es ist kein Soldat dort als Arbeiter verwandt (hört! hört! rechts), im Gegentheil, die Genehmigung hierzu vom General Kommando versagt worden. (Zwischenrufe bei den Sozial- demokraten.)

Dann hat Herr Bebel Massenaustritte aus der Landeskirche in Spandau berührt. Es soll sich bierbei um die Erhebung einer Kirchensteuer handeln. Ich kann nur versichern, daß die Militär⸗ verwaltung mit dieser Sache absolut nichts zu thun hat und daß in dieser Beziehung kein Erlaß ergangen ist, der die Arbeiter der dortigen militärischen Anstalten in irgend einer Weise in Bezug auf diese Angelegenheit beschweren könnte.

Ich komme nun zu den einzelnen Punkten, welche Herr Bebel nicht in Verbindung mit den Ausführungen seines Herrn Vorredners erwähnt hat. Zunächst das Hazardspiel in Berlin, worüber er nähere Angaben verlangt. Ich bedauere, diesem Wunsche nicht entsprechen zu können, doch das kann ich sagen, daß die Untersuchung im Gange ist und daß seitens der Militärkommandos alles geschieht, um sie zu erleichtern. Es wird sich ja zeigen, was dabei herauskommt; soweit unsere Kenntniß reicht, sind aktive Offiziere hierbei überhaupt nicht betheiligt. Es ist aber der bestimmte Wille Seiner Majestät des Kaisers und Königs, volle Klarheit in der Sache zu schaffen, und man kann Seiner Majestät nur dankbar sein, daß mit aller Energie durchgegriffen werden wird. Ich habe in der Kommission bereits ausgeführt, daß die Versuchung, die an die Offiziere sich heran⸗ drängt, so unerhörter Natur ist, daß dagegen eingeschritten werden muß. Die Unerfahrenheit der jungen Offiziere wird zuweilen in der schamlosesten Weise ausgenutzt. (Sehr richtig! rechts.) Ich kann aber auch bestätigen, daß das Spiel in der Armee sehr abgenommen hat; in den Offizierkasinos wird fast garnicht mebr gespielt. Fälle, von denen hier die Rede ist, stellen aber Versuchungen dar, denen schwache Naturen leider unterliegen.

Daß der Name Brüsewitz heute wieder vorkommen würde, war an sich nicht überraschend. Man hat sich ja in den sozialdemokratischen Blättern mit diesem Namen immer sehr eingehend beschäftigt. Die Schlußfolgerungen aber, die der Abgeordnete Bebel daran geknüpft hat, sind unzutreffend. Er ist zunächst von der Voraussetzung aus—« gegangen, Leutnant a. D. von Brüsewitz sei zu 4 Jahren Gefängniß verurtheilt worden. Es waren jedoch nur 3 Jahre, und damit fällt auch die Annahme, v. Brüsewitz habe nicht einmal die Hälfte der Strafe im Gefängniß zugebracht; der Genannte hat beinahe 2 Jahre seiner Strafe, und zwar im Landesgefängniß zu Freiburg in Baden, verbüũßt. ö

Was den Fall selbst anlangt, so ist in militärischen Kreisen da⸗ rüber sehr hart geurtheilt worden, während andere Kreise, die den Leutnant a. D. von Brüsewitz näher kannten, zu einer wesentlich milderen Auffassung gekommen sind. Aus diesen Kreisen sind mehr⸗ fach Gnadengesuche eingereicht worden. Die Gründe, welche in dieser Hinsicht in hohem Maße für eine Milderung sprechen, sind folgende: Herr von Brüsewitz hat sich in der Gefangenenanstalt nicht nur in jeder Beziehung musterhaft geführt und alle ihm übertragenen Arbeiten zu vollster Zufriedenheit ausgeführt, sondern auch die Angehörigen des

von ihm getödteten Siepmann durch Zahlung einer namhaften Summe zu entschädigen versucht. Zudem hatte seine Gesundheit so gelitten und war er so ernst erkrankt, daß seine Entlafsung aus dem Gefängniß nur noch eine Frage kurzer Zeit war. Jedenfalls hatte aber dieses Leiden mit dazu beigetragen, die bisher verbüßte Strafzeit zu einer besonders qualvollen für den Verurtheilten zu gestalten. Ich meine, das sind abgesehen von der Strafverschärfung, welche darin liegt, daß nach vierzehnjähriger vorwurfsfreier Dienstzeit zugleich auf Dienstentlassung erkannt worden war doch Gründe, die die Beurtheilung dieses Mannes, welche ihm wieder zu theil gworden ist, in keiner Weise rechtfertigen, wenn Seine Majestät von seinem Begnadigungsrechte Gebrauch machte. Ich kann nur hinzufügen denn durch meine Hand gehen ja diese Begnadigungsordres —, daß mir kein Herrscher bekannt ist, der von diesem Rechte in dieser gütigen Weise einen so umfassenden Gebrauch machte.

Der Herr Abgeordnete Bebel hat dann noch einige Fälle erörtert, die er mir heute Morgen durch einen Brief genannt hatte. Ich erkenne das zwar dankbar an, wenn ich aber erst um 10 Uhr Vor⸗ mittags derartige Mittheilungen erhalte, so ist mir die Zeit sehr kurz, das Material rechtzeitig zu beschaffen und dasselbe dann noch durch⸗ zusehen. Ich bin aber bereit, über die Fälle Auskunft zu geben, so⸗ weit ich das Material zur Stelle habe.

Zunächst ist der Fall des Rittmeisters Grafen zu Stolberg Wernigerode, betreffend die Tödtung des Sergeanten Scheinhardt, zur Die kussion gestellt worden. Die Charakteristik, die der Abgeordnete Bebel dem Rittmeister Grafen zu Stolberg hat zu theil werden lassen, widerspricht durchaus den Thatsachen. So ist zunächst über die Qualifikation des Grafen zu Stolberg, die in den Akten enthalten ist, Folgendes mitzutheilen:

„Graf Stolberg, überaus lebhaften Temperaments, ist ein sehr tüchtiger, gewissenhafter, pflichttreuer Eskadronchef, der, streng gegen sich und seine Untergebenen, stets unermüdlich und mit seltener Energie für deren Wohl besorgt ist.

„Im Offizierskorps ist er wegen seiner vornehmen Gesinnung, seiner vortrefflichen Formen und guten Kameradschaft sehr beliebt.“

Auch die Angabe, des Herrn Bebel, Graf zu Stolberg hätte früher seinen Burschen erstochen, ist unrichtig. Daß diese Legende fortdauernd weiter verbreitet wird, ist ganz eigenartig. (Sehr richtig! rechts). Es ist gar keine Rede davon, daß dem Grafen zu Stolberg ein der⸗ artiges Vergehen jemals zur Last gelegt worden sei. Die einzige Vorstrafe, welche der Genannte erlitten hat, beruht auf einem Vor- gang aus seiner früheren Eskadronchefzeit bei einem Husaren-Re⸗ giment. Zu seiner damaligen Schwadron war nämlich ein früherer Regiments. Schuhmachermeister infolge Eingehens dieser Stelle ver⸗ setzt worden, der bis zu seiner Entlassung bei der Schwadron Dienst thun sollte. Dieser Mann weigerte sich beharrlich, zum Dienst zu kommen, zog sich nicht an, widersetzte sich thätlich dem Wachtmeister und als er endlich unter Anwendung von Gewalt zum Dienst ge⸗ bracht wurde, benahm er sich so herausfordernd, daß der Rittmeister Graf zu Stolberg, einem thätlichen Angriff zuvorkommend, ihn zurückstieß. Aus formellen Gründen wurde Graf Stolberg mit 3 Tagen Arrest bestraft, also eine Strafe, die hier überhaupt gar nicht in Frage kommen kann.

Was nun den Thatbestand der Tödtung des Sergeanten Schein⸗ hart anbelangt, so kann ich den Rittmeister Grafen zu Stolberg⸗ Wernigerode zwar nicht entschuldigen, das kann nicht meine Aufgabe sein, aber ich kann wohl die That erklären. Das Ulanen⸗Regiment Nr. 15 hatte eine schwere Typhusepidemie durchzumachen, die einzige Schwadron, welche hiervon verschont blieb, war die des Rittmeisters Grafen zu Stolberg Wernigerode, deren vorzügliche innere Ordnung allgemein bekannt war. Sie rückte deshalb auch als die einzige des Regiments zum Manöver aus, und wurde es dem Rittmeister zur dringenden Pflicht gemacht, für die Gesundheit der Mann schaften und namentlich für eine regelmäßige und gute Ver- pflegung derselben besonders zu sorgen. Er schaffte daher einen Kochapparat an, der an den Bagagewagen angehängt, oder auch auf demselben mitgenommen wurde. Er wollte es so er— möglichen, daß die Schwadron im Bivouac sofort warmes, gutes Essen vorfand, um auf diese Weise Störungen der Gesundheit zu vermeiden. Sergeant Scheinhart war mit der Führung des Wagens und der Aufsicht über den Kochapparat beauftragt. Als nun die Schwadron am 14. September vorigen Jahres Nachmittags ins Bivouae einrückte und Sergeant Scheinhart mit dem Wagen ein⸗ getroffen war, schickte Graf Stolberg den Genannten mit dem in— zwischen entladenen Wagen nach einem 400 Meter entfernten Dorfe, um dort Wasser zu holen und, wenn möglich, auf seine Kosten für die Schwadron 100 Liter Bier zu kaufen. Nach der Abfahrt des Sergeant Scheinhart wurde wahrgenommen, daß das in der Nacht unter seiner Aufsicht zubereitete Essen, welches nunmehr an die Leute zur Verautsgabung gelangen sollte, infolge sehr schlechter und vernach⸗ lässigter Handhabung des Kochapparats verdorben war, sodaß der Rittmeister vor der Frage stand, was nun aus der hungrigen Schwadron werden solle? Graf zu Stolberg gerieth hierüber natürlich in große Erregung und sandte sofort den Wachtmeister nach demselben Dorfe, um für die Schwadron auf seine Kosten Lebensmittel zu kaufen. Dieser kehrte nach einer halben Stunde mit dem Gewünschten zurück, während Sergeant Scheinhart mit dem Wasser immer noch nicht da war. Die Erregung des Grafen zu Stolberg steigerte sich beim Warten auf ihn begreiflicherweise in dem Maße, wie durch das Ausbleiben des Wassers die Möglichkeit schwand, das verdorbene Essen zu ersetzen, was auch dadurch zum Ausdruck kam, daß, als ein Offizier der Schwadron, ein Reserve⸗Offizier, ihn aufforderte, etwas zu essen, Graf zu Stolberg in heftigem Tone antwortete: „Wie können Sie von mir verlangen, daß ich einen Bissen esse, ehe meine Schwadron nicht satt ist!“ Sergeant Scheinhart ließ etwa 2 Stunden auf sich warten, und es ist nachgewiesen, daß er in verschiedenen Wirthschaften des Dorfes, die er besucht hat, Bier getrunken hat und daß er, wenn auch nicht betrunken, vom Biergenuß doch sehr erregt war. Als er endlich mit dem Wagen ohne Bier und nur mit einem Faß Wasser zur Schwadron zurückkam, stellte ihn Graf zu Stolberg in erregter Weise zur Rede. Hierbei hat der Rittmeister den Sergeanten Scheinhart allerdings in der hestigsten Weise angefahren und den Genannten, der, statt seine Schuld ein zugestehen, sich trotzig vor ihn hinstellte und bei jedem Satze, den sein Rittmeister zu ihm sprach, mit ironischem Gesichtsausdruck sagte: „Zu Befehl, Herr Graf!“, nun völlig in Wuih gerathend, mit Schimpf worten überhäuft und dann schließlich arretieren lassen. Das Unglück

hat es dann gewollt, daß die Beiden noch einmal im Bivouac nach kurser Zeit zusammenfrafen und daß Graf zu Stolberg Wern ger ode, als der Sergeant sein unbotmäßiges, herausforderndes Betragen fortsetzte, nun seinen Säbel zog und ihm einen leichten Hieb auf die linke Seite des Kopfes versetzte. Der Säbel war stumpf, der Hieb wurde ohne besondere Kraftanstrengung und jedenfalls nicht in der Absicht, den Scheinhart zu tödten, geführt. Nach dem ärztlichen Befunde hat der Hieb nur eine unbedeutende Wunde verurfacht. Sie war zum theil eine reine Quetschwunde, der Tod List infolge Ychirnerschürferung eingetreten. Es laßt sich nicht lengaen, der Tod ist durch diesen Säbelhieb herbeigeführt worden; aber nach aͤrztlichem Urtheil liegt unzweifelhaft ein seltener Fall vor, nnd einer der begutachtenden Aerzte nimmt an, daß die hochgradige Erregung des Verstorbenen bei dem Vorfall einen wesentlichen Einfluß auf den tödtlichen Verlauf gehabt hat. Das Kriegsgericht hat sich natürlich nicht davon entbinden können, den Grafen zu Stolberg zu verurtheilen. Das Erkenntniß lautete auf ‚Dienstentlassung und 3 Jahre 4 Monate Festungshaft wegen Beleidigung und vorschriftswidriger Behandlung eines Untergebenen, sowie Mißhandlung eines solchen mit tödtlichem Ausgang verübt mittels rechtswidrigen Waffengebrauchs.. Ich brauche die Gründe, die dem Urtheil zu Grunde gelegen haben, nicht weiter anzuführen; denn aus meiner Darstellung ergeben sich die Milderungsgründe ganz von selbst. Es ist meiner Ansicht nach ganz den Gesetzen entsprechend erkannt, und ich glaube, die That läßt sich

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Ginzelheiten sind mir nicht bekannt, cbenso weng die Ichweren Strafen, die in Darmstadt verhängt sein sollen. Und da mir der Herr Abgeordnete die Vorbringung dieses nicht mitgetheilt hat, bin ich auch nicht im stande hierüber Auskunft gehen zu können. Gr hat dann noch anen Vorfall ais Wands ber be Hamburg, in welchem sich ein Sergeant gegen ein Mädchen vergangen hatte, gestreift und ausgesprochen, daß derselbe sehr gering bestraft worden wäre. Ich will auf die Details nicht näher eingehen, die an sich nicht so gefährlicher Natur gewesen sind, wie man annehmen sollte. Der Mann ist mit 2 Jahren Gefängniß und Degradation bestraft worden. Ich halte das für eine recht erhebliche Strafe.

Was den Hauptmann Licht anbelangt, der auch in den Kreis der Betrachtungen gezogen worden ist, so ist allerdings in verschiedenen Zeitungen, in schlesischen und auch in pommerschen, ein Artikel er— schienen, welcher ausführte, daß Hauptmann Licht die Landwehrleute beschimpft. überhaupt sie nicht vorschriftsmäßig behandelt habe. Der Abgeordnete Bebel fragt mich, was seitens der Kommandobehörden

eschehen sei. Ich darf ibm darauf erwidern: es ist sofort ö. ir eel htl d, lee n. eingeleitet und der Genannte

wegen Beleidigung Untergebener und wegen dorschriflãm sdriger Be handlung mit mehreren Monaten Festungshaft bestraft worden. (Hört! Hört! rechts).

Die Affäre Rupp hat sich in Mülhausen i. E. zugetragen. Ein Musketier Rupp, ein Rekrut, hat dort einen Musketier mit einem Schuhmachermesser getödtet. Der Thatbestand ist im allgemeinen richtig wiedergegeben. Nach dem Bericht des General⸗Kommandos ist Rupp von älteren Leuten mehrfach geschlagen und zu Dienst⸗ leistungen, wie Heruntertragen des Eimers, Stiefelputzen u. s. w., verwandt worden, Dienstleistungen, zu denen er nicht verpflichtet war, sodaß er erklärte, er würde sich, wenn man ihn wieder schlagen sollte, mit dem Messer wehren. In dem Bericht heißt es wörtlich:

Am 13. November vorigen Jahres, 9 Uhr 30 Minuten Abends, begab sich der Unteroffizier vorn Dienst der Kompagnie auf mehr⸗ malige Hilferufe nach der Stube 11, von der aus Lärm hörbar war. In der Stube sah der Unteroffizier den Musketier Rupp angezogen, mit einem großen Messer in der Hand, am Spinde stehen, umgeben von mehreren Mannschaften. Zu dem Unteroffizier äußerte ꝛc. Rupp sofort: „Ich habe mich nur gewehrt!“ Musketier Vollstädt lag in der Nähe des Ofens auf dem Boden in einer Blutlache, unter ihm eine Klopfpeitsche. Bald darauf wurde dessen Tod und zwar infolge mehrerer beigebrachter Messerstiche festgestellt. Nach den vom Regiment gepflogenen Ermittelungen ist Rupp von Seiten des älteren Jahrgangs schlecht behandelt, zu Dienstleistungen, wie Eimertragen, Stiefelwichsen, gemißbraucht und auch geschlagen worden.

Das General ⸗Kommando berichtet weiter, daß sofort die kriegsgericht⸗ liche Untersuchung eingeleitet worden sei, um festzustellen, inwieweit eine systematische Mißhandlung der Rekruten durch Mannschaften des älteren Jahrgangs stattgefunden habe und in wie weit die unge— nügende Beaufsichtigung der Mannschaften daran schuld sei, daß der⸗ artige Zustände in der Stube berrschten, auch wären Anordnungen getroffen, durch welche der Wiederholung derartiger Behandlungen in Zukunft vorgebeugt werde.

Die kriegsgerichtlichen Akten sind nicht hier; sie befinden sich beim General Kommando. Ich habe nur aus einem Gnadengesuch ent⸗ nommen, daß Rupp wegen Körperverletzung mit nachfolgendem Tode bestraft worden ist. Dieses Gnadengesuch wird zur Entscheidung Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzog von Baden unterbreitet werden, da es sich um ein Ver—⸗ brechen handelt, das nicht militärischer Natur ist. Ich kann bei der Kürze der Zeit nicht näher auf den Fall eingehen; ich glaube aber, die Herren werden hieraus entnehmen, daß in der Sache sehr energisch eingeschritten worden ist und daß derartige Rohheiten unter keinen Umständen gebilligt und geduldet werden. Ich habe bereits bei der ersten Lesung des Etats davon gesprochen, daß diese Er⸗ scheinung sehr auffallend ist, und daß sich früher als milderndes Element die Autorität des dritten Jahrgangs in besserer Weise fühlbar machte. Die beiden Jahrgänge stehen sich jetzt gegenüber: ein älterer Jahrzang, der den jüngeren in gewissem Grade mißbraucht. Daß dagegen eingeschritten wird, ist selbstverständlich, und daß man dieser Erscheinung eine ernste Aufmerksamkeit widmen muß, liegt auf der Hand.

Der Herr Abg. Bebel hat hierbei auch Veranlassung genommen, zu fragen, wie groß die Zahl der Selbstmorde infolge Miß— handlung, und wie groß dieselbe im allgemeinen sei. Das vorige Jahr hat die niedrigste Zahl von Selbstmorden seit dem Jahre 1887 zu verzeichnen; es sind 37 Selbstmorde weniger als im Jahre 1897 vorgekommen. Ich glaube, daraus ergiebt sich, daß die Behandlung in der Armee eine richtige und sachgemaͤße ist.

Schließlich ist auch noch der Fall des Sozialdemokraten Kriese zur Sprache gebracht worden. Der Reservist Kriese ist in Uniform als Zeuge von dem Landgericht in Marienburg vernommen

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worden. Die Angelegenheit wäre der Militärbehörde überhaupt nicht bekannt geworden, wir spionieren garnicht, wenn nicht die sozialdemokratische Presse, und zwar die „Volkstribüne“ in Königs⸗ berg in Nr. 110, den Mann in besonderer Weise hervorgehoben und damit dargethan hätte, daß dieser Vorfall ausgenutzt werden sollte, wenn ich das Wort gebrauchen darf, zu einer gewissen Reklame. Es steht in diesem Artikel wörtlich:

Begerkenswerth aus der Verhandlung war noch folgender Zwischenfall. Einer der als Zeugen geladenen Genossen ist gegen⸗ wärtig als Unteroffizier zu einer Uebung eingezogen und war, zum Termin beurlaubt, in Uniform erschienen. Der Vorsitzende fragte ihn, bevor er ihn vernahm, ob er Sozialdemokrat sei, worauf er die prompte Antwort erhielt: sin Zivil ja“. Das soll ihn, wie uns berichtet wird, zu der sonderbaren Bemerkung „machen Sie sich doch nicht zum Narren“ veranlaßt haben.

Lediglich durch diesen Artikel ist dem Generalkommando die Thatsache bekannt geworden und ist festgestellt worden, wie sich die Sache verhalte. Der Mann hat ohne weiteres zugegeben: ja, es hat sich so zugetragen, und ist dementsprechend mit 14 Tagen Arrest bestraft worden (hört! hört! bei den Sozialdemokraten), disziplinarisch mit 14 Tagen Arrest bestraft worden, meines Erachtens mit vollem Recht. (Widerspruch bei den Soßzial⸗ demokraten) Der Mann war sich dessen völlig bewußt, daß sich ein Soldat jeder sozialdemokratischen Bethätigung gegen Dritte zu enthalten hat. Da ihm der bezügliche Befehl bekannt war, so war er auch verpflichtet, wenn ihm eine derartige Frage vor Gericht vor seiner eigentlichen Vernehmung vorgelegt wäre, seine Aussage zu verweigern und darauf hinzuweisen, es sei ihm als Soldat verboten, darüber eine Angabe zu machen. Daß dann die Frage nicht aufrecht erhalten werden wäre, bedarf keiner weiteren Ausführung. Wäre der Mann unter dem Eide vernommen worden, so hätte selbst⸗ verständlich eine Bestrafung nicht erfolgen können. (Zurufe bei den Sozialdemokraten, Glocke des Präsidenten.)

Ich wüßte auch nicht, wie man vom militärischen Standpunkte aus anders verfahren sollte. Der Wortlaut des Befehls ist klar und vollständig bekannt. Ebensogut wie der Mann hier sagte, in Zivil ja“, konnte er auch sagen: auf Urlaub bin ich auch Sozialdemo⸗ krat, oder wenn ich Sonntags Nachmittag ausgehe, dann bin ich nicht im Dienst, dann bin ich auch Sozialdemokrat. Auf derartige Spitzfindigkeiten können wir uns nicht einlassen. (Zurufe bei den Sozialdemokraten. Der Befehl ist ganz klar gegeben, wer den aber nicht befolgt, wird eingesperrt. (Sehr gut! rechts.) Auf die letzten Ausführungen des Herrn Abgeordneten Bebel, auf seine prinzipielle Stellung zur Armee und die Stellung der Sozialdemo⸗ kraten zur Armee, versage ich mir, näher einzugehen. Denn eine Einigung zwischen uns in dieser Beziehung ist absolut ausgeschlossen. Ich kann nur wiederholen, was ich schon so oft gesagt habe, daß von meiner Stelle alles geschehen soll, um jeden Einfluß der Sozialdemo⸗ kratie auf die Armee fernzubalten. (Bravo! rechts.)

Um 6i½ Uhr wird die weitere Berathung auf Freitag 1 Uhr vertagt.

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.

33. Sitzung vom 2. März 1899.

Das Haus setzt die zweite Berathung des Stagts⸗ haushalts⸗-Etats für 1899 beim Etat der Eisen⸗ bahn verwaltung, und zwar bei den Einnahmen aus dem Personen⸗ und Gepäckverkehr, fort.

Abg. von Arnim (kons.): Die Einnahmen aus dem Personen⸗ verkebr haben sich sehr vortheilhaft entwickelt. Ich möchte meine besondere Befriedigung aussprechen darüber, daß der Eisenbahn⸗ Minister nur eine Vereinfachung, nicht eine Ermäßigung der Personen⸗ tarife einführen will. Durch die fast unnatürliche Herabsetzung der Fahrkartenpreise in den großen Städten und deren Vororten hat eine ebenso unnatürliche Verschiebung der Bevölkerung in den großen Städten stattgefunden. Die hohen Einnahmen aus den EGisenbahnen sollten in der Hauptsache nicht zur Deckung allgemeiner Staats ausgaben, sondern zu Tarifermäßigungen benutzt werden. Wir müssen deshalb dafür sorgen, daß sich die Eisenbahneinnahmen auf der jetzigen Höhe erhalten, und es ist erfreulich, daß der Eisenbahn⸗Minister der Steigerung des Güterverkehrs zu folgen sich bemüht hat. Die e, . von Wagen hat sich glatt und befriedigend vollzogen. Die Verkehrsentwickelung wird sich steigern. Darum halten wir es für nothwendig, daß von Oberschlesien nach Berlin, dem Westen und den Seestädten stärkere Schienen und Schwellen gelegt werden, auf denen schwerere Güterwagen fahren können. Es wäre uns lieb, wenn uns die Regierung mittheilen wollte, . sie die Absicht hat, nach den genannten Plätzen Schleppbahnen zu auen.

Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Ich konnte zu meinem Bedauern gestern der Verhandlung nicht beiwohnen und möchte daher auf einige Redner von gestern noch mit einigen Worten zurückkommen, nachdem mein Herr Kommissar schon die nöthigen thatsächlichen Berichtigungen in verschiedenen Punkten gegeben hat.

Meine Herren, den Inhalt der Reden der Herren Abgg. van der Borght und Macco werden die älteren Mitglieder dieses Hauses seit längeren Jahren schon gehört haben. Wenn auch in anderen Worten, sind auch dieselben Gedanken hier fast jedes Jahr ausgesprochen. (Sehr richtig) Sie beziehen sich hauptsächlich auf die Beschwerden über die Verwendung von Ueberschüssen der Eisen⸗ babnverwaltung in zu großem Maße für die allgemeinen Staats⸗ ausgaben, und jweitens beklagen die betreffenden Redner sich über eine zu starke Beengung der Eisenbahnverwaltung durch die Finanz- verwaltung. Ich werde auf beide Punkte nun noch etwas näher ein⸗ gehen, obwohl für die älteren Mitglieder dieses Hauses das nicht nöthig wäre Sie haben auch die Widerlegungen solcher Reden gehört.

Meine Herren, wir sollen zuviel Ueberschüsse für Staatszwecke verwenden! Wir haben, und zwar größtentbeils auf Verlangen und Drängen dieses Hauses, jedenfalls auf Grund vorhandener dringender Bedürfnisse, seit dem Jahre 1890 unsere Staats verwaltungsausgaben um fast 200 Millionen erhöht. Dabei ist immer behauptet worden: wir verwalten sparsam, ja zu sparsam. Die Finanzverwaltung ist an diesen Erhöhungen nicht in erster Linie schuld, sondern sie sind wenigstens in voller Uebereinstimmung mit dem hohen Hause gemacht worden. (Sehr richtig! rechts) Wenn nun diese Ueberschüsse von jetzt, will ich sagen, rechnungsmäßig ich komme darauf noch gleich

zurück von 177 Millionen nicht dagewesen wären und wir unsere