1899 / 61 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 11 Mar 1899 18:00:01 GMT) scan diff

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Abg. von Kardor ff: Nicht die Ostafrikanische Gesell at die Eisenbahnen gebaut, sondern eine besondere Ge ie iel hit ein Darlehen gegeben hat; die Ausgaben für die Kolonien sind werbendes Kapital und müssen auf die Anleihen angewiesen werden. Abg. Richter: Die Ostafrikanische Gesellschaft bat ein Dar⸗ lehen gegeben und ist außerdem zu J an dem Aktienkapital betheiligt.

Staatssekretãr des Reichs⸗Schatzamts Dr. Freiherr von Thielmann:

Es ist mir unbegreiflich, weßhalb die Worte, die Herr von Kardorff soeben gesprochen hat, gerade gegen mich gerichtet werden. Ich glaube, es ist Pflicht eines guten Schatzsekretärs, in der Haus⸗ halts übersicht dem Bundesrath und Reichstage klar zu machen, was jeder einzelne Posten der Verwaltung kostet. Ein Schatzsektetär, der darin einige Millionen würde zu unterdrücken versuchen, würde zunächst mit dem Rechnungsbofe, dann aber mit der öffentlichen Meinung und dem Reichstage sehr in Konflikt kommen. (Sehr richtig! links.)

Abg. von Kardorff: Eisenbahnbaulosten als werbendes Kapit müssen aus Anleihen bestritten werden. . 6.

Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts Dr. Freiherr von Thielmann:

Ich muß um die Nachweisung bitten, wann ich in dieser Sache das Wort ergriffen habe. Mir ist davon nichts erinnerlich.

Abg. Richter: In Preußen werden die Eisenbabnen auf Grund

besonderer Kreditgesetze gebaut. Das ist eine sehr schlechte Praxis, die das Reich von Anfang an vermieden hat. kehr lle he Dran n

. Gegen die Stimmen der Sozialdemokraten, der freisinnigen Gruppen und eines Theils des Zentrums wird die Regierungs⸗ forderung angenommen.

Es folgen die Ausgaben für Kamerun.

Der Berichterstatter Prinz von Arenberg theilt mit, daß die Kommission eine Resolution abgelehnt ö welcher ländische Unternehmungen von den deutschen Schutz gebieten ferngehalten oder erst nach Genehmigung seitens des Kolonialraths zugelassen , gr (ul) spricht fh

g. Dr. Lehr (nl) spri für seine Person im Sinne dieser abgelehnten Resolution aus; die Gründe, weshalb man den nn, rath nicht jedesmal hören wolle, seien durchaus nicht ausschlaggebend. Die Deutsche Kolonialgesellschaft, deren Verbältnisse in der Kommission erörtert seien, babe ihren Sitz in Brüssel, und ihre Genußscheine würden nicht einmal an einer deutschen Börse gehandelt. Man be⸗ dürfe der Kolonien im nationalen Interesse; da müsse man auch der Niederlafsung von Deutschen in den Kolonien Vorschub leisten und 266 3 , ö die ʒ

g. Möller (n Lert die Form der ausländischen Gesell. schaften welche in den deutschen Kolonien vertreten 5 ö erfreulich, daß es den Deutschen gelungen sei, sich mit den Belgiern und Franzesen, die einmal in Kamerun eingenistet seien, zu ver—⸗

einbaren.

Direktor der Kolonial Abtheilung im Auswärtigen Amt Dr. von Buchka: Meine Herren! Die Ausführungen des Herrn Dr. Lehr, auf die ich mit einigen Worten zurückkommen muß, waren mir nicht neu; ich habe sie gestern oder ebegestern schon in der Deutschen Zeitung“ gelesen. Ich bedauere außerordentlich, daß der Standpunkt, den ich in der Kemmission eingenommen babe, nicht die Billigun des Herrn Dr. Lehr und seiner Kolonialfreunde gefunden hat. J muß mich damit trösten, daß die überwiegende Mehrjabl der Mitglieder des Reichstages auf. meiner Seite steht, und daß ich auch vielfach in koloniglen Kreisen außerhalb dieses Hauses auf Zu stimmung getroffen bin. Meine Herren, ich weiß eigentlich nicht recht, was die Herren wollen. Ich babe erklärt, ich habe nichts dagegen, den Kolonialrath zu fragen, wenn es sich um Konzessionierung von neuen Gesellschaften handelt, nicht bloß von fremden Gesellschaften und solchen, die mit fremdem Kapital arbeiten. Wenn es meine Ge⸗ schäftelage und die Geschäftslage des Kolonialraths erlaubt, so will ich ihn gern fragen, aber ich habe mir in der Kommission aus⸗ zuführen erlaubt und wiederbole es: eg ist thatsächlich unmöglich, den Kolonialrath in allen Fällen zu Retde zu ziehen. Es ist be— mängelt worden, daß ich angeführt habe, der Kolonialrath trete nur einmal im Jahre zusammen. Es ist ganz richtig: der Herr Reichstanzler hat die Befugniß, den Kolonialrath so oft zusammen⸗ zuberufen, wie er will; aber der Zusammentritt einer derartigen KRörperschaft kostet doch auch Geld, und man wird auch die e, n Lage der Herren, die dem Kelonialrath angeböten, berücksichtigen müssen und wird si nicht beliebig oft im Jabre zu⸗ sammenberufen können. Es sind also thatsächliche Unmöglichkeiten, die dem entgegensteben, den Kolonialrath allemal zu fragen, wenn es sich um die Koajessionierung neuer Gesellschaften bandelt. Also, in prinzipiellem Gegensatz stebe ich zu der in der Kommission eingebrachten Resolution des Herrn Grafen Arnim, der sich ja Herr Dr. Lehr beute wieder angenommen bat, absolut nicht. Nun hat Herr Dr. Lebr gemeint, man sollte kein fremdes Kapital in die Kolonien lieben; es sollten die deutschen Gesellschaiten vor Fremden bevorzugt werden; und er ist mit der Konzession an die Gesellschaft Süd · Kamerun sebr unzufrieden gewesen. Ich mächte zunächt einen Irrthum berichtigen. Der Sitz der Gesellschaft ist nicht in Brüssel, er kann dies gesetzlich garnicht sein, sondern in Hamburg. Mitglieder der Direktion sind allerdings zwei Brüsseler Herren; der bekannte Oberftleutnant Theiß und Herr Del⸗ commune. Die beiden Herren wohnen in Brüssel, haben sich aber verpflichtet, zur Theilnahme an den Geschäften der Direktion, so oft es erforderlich ist, nach Hamburg herüber zureisen. Also der Sitz der Gesellschaft ist auch tbatsächlich nicht in Brüssel, sendern in Hamburg. Nun hat es das Mißf allen des Herrn Dr. Lehr erregt, daß die Gesellschaft sich mit den belgischen Firmen geeinigt hat, welche in der Südostecke von Kamerun bereits seit längerer Zeit saßen. Ich kann hinzufügen, daß eine fernere Ginigung mit einer dort bestebenden hollãndischen Firma in naher Zukunft bevorstebt. Meine Herren, wenn wir das nicht gethan hätten, also eine rein deutsche Gesellschaft nur mit deutschem Kapital gegründet und jene fremden bolländischen und belgischen Firmen nicht berücksichtigt hätten, waz; wäre dann das Resultat gewesen? Wir wären zunächst unjweifelhaft von der Kongoregierung, auf die wir doch angewiesen sind für den Export der Gesellschafts— erzengnisse, mit scheelen Augen angeseben worden aus dem ganz natürlichen Grunde, weil wir dann eben Konkurrenten der belgischen Firmen in der Sanga⸗Ngoko. Ce geworden wären, und wenn auch internationale Verträge besteben, auf Grund deren uns die freie Schiffahrt auf dem Kongo justeht, so hatte es dech die , in der Hand, wenn sie uns mit unfreundlichen Augen ansah, ung thatsächliche Schwierigkeiten nach allen Richtungen bin zu machen. Ferner wären wir nicht in der Lage gewesen, in welcher wir jetzt sind, die von den belgischen Gesellschaften gemachten Grfabrungen für uns zu verwerthen, und wir hätten drittens eine scharfe Konkurrenz mit diesen belgischen Gesellschaften zu bestehen gehabt. Also, meine rren, alle Momente wiesen darauf hin, uns mit den bereits in der ädostecke von Kamerun bestebhenden fremden Gesellschaften zu einigen, und ich meine daher, daraus kann man uns aug nationalen Grunden keinen Vorwurf machen. Ich wiederhole ferner, was ich bereits in der Kommission gesagt habe, ich konzessioniere in den deutschen Schutzgebieten nur deutsche Gesellschaften. Wenn die Verhaäͤltnisse aber so liegen, daß sich mir fremdes Kapital anbietet, wenn ich fremdes Kapital bekommen kann, deutsches Kapital aber nicht in derselben Wäse und zu denselben Bedingungen, so sehe ich nicht ein, warum ich 41 auch fremdes Kapital bereinnebmen soll, zumal die Aktien unserer Kolonialgesellschaften auf den Inbaber gestelli werden müssen, und infolge dessen jeder Fremde in der Lage ist, sich so viel Aktien zu kaufen, als er will; alfe selbst veutsche Gesellschaften, die mit deutschem Kapital gegründet sind, können in dieser Weise im Umnsthen zu fremden Gesellschaften im Sinne des Herrn Dr. Lekr und seiner Freunde weiden.

Company meine Herren,

um die Gründung der South-⸗West⸗Afriea Company verdient gemacht batte, keinen Vorwurf machen. Also, meine Herren, ich bedaure, daß ich die Zufriedenheit des Herrn Dr. Lehr und seiner Freunde nicht habe erringen können. Ich muß es darauf ankommen lassen, daß die Resultate, welche die bisher von mir eingeschlagene Politik zeitigen i hoffentlich dazu beitragen werden, die Herren eines Besseren zu elehren.

Abg. Graf von Arnim (Ry.) verwahrt sich dagegen, daß er von dem Boben der in der Kommissien von ihm gestellten Resolution zurũcktrete. Wenn Konzessionen ertheilt würden über Länderstrecken so groß wie Wärttemberg und Bevern. dann müßte man doch wenigstens den Kolonialrath hören. Ein Mißtrauensvotum gegen die Koloniglverwaltung sollte darin nicht liegen. Die für Sũdwest · Afrika ab⸗· geschlossenen Verträge wären in der jetzt vorbandenen Form nicht ab= geschlossen worden, wenn der Kolonialrath seine Meinung bätte aus. brechen können. Es sei zu befürchten, daß die abgeschlossenen Vertrãge das Muster sein würden für später ab uschließende Verträge von größerer Bedeutung, z. B. mit der englischen Nigerkompagnie. Die Aus⸗ gestaltung der Deutschen Kolonialgesellschaft liege in der Hand des Kolonial Direktors und des Bundesraths. Die beiden Direktoren dieser Gesellschaft wohnten in Brüssel, obwohl der Sitz it Hamburg sei. Die Genußscheine der Gesellschaft würden nur in Brüssel, ge= bandelt. Der Kolonialratb sei früher mehrfach jweimal oder dreimal im Jahre zusammengetreten; er könne also sebr wobl auch die Kon⸗ zessionen ertheilen. So eilig würden dieselben wohl nicht sein, daß sie nicht ein paar Monate warten könnten.

Direkter der Kolonial⸗Abtheilung im Auswärtigen Amt Dr. von Buch ka: Die Ausführungen des Herrn Geafen Arnim veranlassen mich, ihm auf einige Punkte zu antworten. Er bat uns sür den Fall, daß die von mir eingeschlagene Kolonialrolitik weiter verfolgt werde, ziemlich düstere Zukunftsbilder vorgemalt. So schlimm wird es aber am Ende doch noch nicht werden; bange machen gilt nicht. Ich gebe ibm zu, daß das Schema, welches die Kolonial- Abtheilung für die Gesellschaft Süd- Kamerun“ ausgearbeitet bat, nicht den An= spruch macht, für alle Verbältnisse als unfeblbar zu gelten. Ich bin durchaus belehrbar; wenn sich Mißstände berausstellen, will ich ibnen gern abhelfen und das Schema verbessern. Ebenso gebe ich bereitwilligst zu, daß das Fol onial gesellschafts recht des Ausbaues fähig ist. Die Kolonial- gesellschaften stehen ja nicht unter dem Handelsgesetzbuch; gesetzliche Bestimmungen, welche die Grundlage für das Rechts leben unsener Kolonialgesellschaften bilden, giebt es nur wenige, und diese müssen selbstverständlich im weiteren Laufe der Entwickelung der Dinge mebr und mehr ausgebaut werden. Aber in dem geaenständlich nicht be⸗ schränkten Aussichtsrecht des Herrn Reichskanzlers liegt doch eine außerordentlich große Garantie dafür, daß die Gesellschasten nicht Bahnen wandeln, welche mit der deutschen Kolonialpolitik nicht ver⸗ einbar sind. So lange nur eine starke Regierung da ist, welche dieses Aufsichtsrecht des Reichskanzlers in der geeigneten Weise bandbabt, wird auch diese Befürchtung tbatsächlich nicht vorhanden sein. Dann nahm Herr Graf Arnim Bezug auf die Genußscheine. Ich gebe zu: die Genußscheine sind Werthpapiere, die in der deutschen Gesetzgebung bisher unbekannt waren. Aber andererseits enthalten sie nichte, was mit den deutschen Gesetzen unvereinbar wäte Wenn wir die Kolo— nien in die Höbe bringen wollen, so müssen wir das Großkapital in die Kolonien ziehen sonst erreichen wir nichts. Wollen wir aber das Großkapital zur Betheiligung an den kolonialen Bestrebungen ver⸗ anlassen, dann müssen wir ibm die Wege nachgeben, auf denen es vorangegangen ist. Die Genußscheine sind nun gerade eine Art der Kapitalanlage, welche im Auslande entstanden ist und von dem Kapital bevorzugt wird. Deghalb bin ich dem Kapital auf diesem Wege ge⸗ folgt. Die Konftruktion der Genußscheine ist auch eine derartige, daß wenn ich mich so ausdrücken darf sie die anständigfste Art des Gründergewinnes bilden:; sie kommen erst zu allerletzt zur Hebung. Nach den Statuten der Gesellschaft Süd Kamerun“ ist von dem vorbandenen Reingewinn zunächst ein Reservefonds zu speisen, dann bekommt das Aktienkapital 5 o/o, dann die Regierung 1000, und erst der Rest wird zu glei den Theilen unter die Aktien und unter die Genuß icheine vertbeilt. Allo ich meine, eine Bevorzugung dieser Ge⸗ nußscheine liegt doch nicht vor, sondern im Gegentheil eine Benachtheiligung derselben gegenüber dem Aktienkapital, und deshalb. glaube ich, es ist richtig, wenn man sagt, es ist die anstqndigste Form des Gründergewinnes, Genußscheine zu geben. Nun hat der Herr Graf Arnim der Befürchtung Ausdruck gegeben, die Zwecke der Ge⸗ sellschaft wären sehr weit ausgedebnte und infolgedessen läge die Ge fahr nahe, daß Untergründungen gemacht würden, durch welche all⸗ wäblich die Gesellschaft veranglisiert werden würde. Auf der einen Seite, meine Herren, wird von mir verlangt, ich soll die Schutzgebiete aufschließen und weiter entwickeln, und wenn ich Besellschaften mit einem großen Umfang von Aufgaben konzessioniere, dann wird mir wieder der Vorwurf gemacht, diese Konzessignen gingen zu weit; es bestünde die Gefahr, daß die Ausländer ins Land kämen und uns um die Früchte unserer Arbeit brächten. Ist diese Gefahr nun wirklich vorhanden? Ich gebe zu, daß kleine Staaten, wenn sie von großen und starken Staaten wirthschaftlich in Anspruch genommen werden, der Gefahr ausgesetzt sind, unterzugeben, von den großen aufgesogen zu werden. Aber ein Ver leich zwischen dem mächtigen Deutschen Reich und zum Beispiel Portugal oder Trans vaal ist doch rach meiner Auffafsung nicht angebracht. Wir brauchen uns davor nicht zu fürchten, daß, wenn wir englisches Geld arbeiten lassen in den deutschen Schutzgebieten, uns die Engländer über den Kopf wachsen. Ich meine, so lange eine starke Regierung das Heft in starler Hand kält, ist sie in der Lage, allen derartigen Befürchtungen von vocnberein die Spitze abzubrechen. Schlicßlich möchte ich noch sagen, es ist von dem Stück Fleisch in der Suppe die Rede gewesen, welches man den Leuten, die dieses Stückchen Fleisch bekemmen haben, gönnen möge; auf der anderen Seine aber mag sich auch keiner gerne in die Suppe spucken lassen.

Abg. Dr. Ha sse: Wenn man in der kizherigen Weise an die Gesellschaften Landkonzessionen ertheilt, so wird bald von dem ver fügbaren Lande nicht mehr viel übrig bleiben. Besonderz bedenklich ist es, daß die Missionen ihren Bedarf an Land von den Grwerbsgesell schaften kaufen mũssen.

Direktor der Kolonial. Abtheilung im Auswärtigen Amt PDr. von Buchka: Ein paar Worte will ich nur nech auf die Ausführungen des rn Abg. Dr. Hasse erwidern. Ich meine, der Herr Abg. Dr. Hasse sollte sich mit mir freuen, daß die Nachfrage nach Plan tagenland in Kamerun eine so rege ist. Diese Nachfrage müssen wir aber doch auch befriedigen, und wie anders sollen wir sie befrierigen, als indem wir das Land auftbeilen, und wenn wir das Land auf- theilen, wird schließlich der Moment kommen, daß nichts mehr da ist, das ist eben die natürliche Eniwickelung der Dinge. Der Herr Abg. Dr. Hasse hat von Monopolrechten gesprochen. Ich möchte darauf binweisen, daß, wenn den Gesell⸗ schaften die Befugniß eingeräumt ist, herrenloses Kronland in Befsitz

Nutzungsansprüche auf Grund und Boden

zu nehmen, es eine n des Reichslanzlers vom 17. Oktober 1896 giebt, durch welche für die Schaffung von Kronland ganz be. stimmte Normen feftgesetzt sind. und unter diesen Normen befindet sich unter anderen auch die Bestimmung, daß die Eigenthums-⸗ oder ; seitens Einjelner auf Grund vrivater Rechtstitel besonders zu prülen und zu behandeln sind und daß solche Ansprüche namentlich dann anzuerkennen sind, wenn entweder Urkunden vorgelegt werden, welche nach den zur Zeit iher Abfaffung geltenden Rechtsnormen und Rechtsanfchauungen verbindlich waren, oder wenn das Grundftück bebaut, bepflanzt oder eingefriedigt ist und der Besitzer sich seit wenigstens jwei Jahren bor Ein des Er⸗ mittelungsverfahrens in ungestörtem Besitz desselben befunden hat.

Bei dieser Sachlage kann man, glaube ich, nicht von Ertheilung

von Monopolen? sprechen. Was sodann die Missionen anbetrifft, so bin ich vollständig mit dem Herrn Vorredner darin einverstanden, daß für die Missionen in ausgiebigster Weise gesorgt werden muß. Wenn in der Konzession für Süd⸗Kamerun die Missionen nicht ausdrücklich erwähnt sind. so hebe ich hervor, daß in einer besonderen Abmachung die Gesellschaft Südkamerun sich bereit erklärt hat, das für die Missionen erforderliche Land unentgeltlich abzutreten. Ferner gebe ich zu, daß die Interessen der Missionen in früheren Jabren in Kamerun nicht in genügender Weise berücksichtigt worden sind.

bin infolge dessen mit den Plantagen. Gesellschaften in Verbindung getreten und hahe angeregt. ob nicht noch nachträglich jetzt, den Be. därfnissen der Mission entsprecheud, von den Gesellschaften Land ab⸗ getreten werden könnte. Von der großen Mehrjabl der Plantagen⸗ Gesellschaften ist mir in der entgegenkommendsten Weise geantwortet worden, sodaß die Interessen der Missionen in dem Kamerungebiet vollstãndig gewahrt worden sind.

Abg. Dr. Müller Sagan fr. Vollsp) führt aus, daß die Hoff nung, die man auf einen neuen Kautschukbaum (Kick in Africana) gesetzt habe, sich nicht erfüllen werde, da das von diesem Baum ge⸗ wonnene Material sich nach verschiedenen Bersuchen nicht bewährt babe. Die in den Kolonien angelegten Gelder würden jedenfalls nicht wieder in die Taschen zurückfließen, aus denen sie zuerst hergekommen seies. Das ausländische Kapital könnte man von den Kolanien nicht ausschließen; das Kapital sei international, Den Kolonialratb, in welchem doch viele Interessenten an Kolonialunternehmungen säßen, könne man bei solchen Dingen nicht erst fragen.

Direktor der Kolonial⸗Abtheilung im Auswärtigen Amt Dr. von Buchka: Ich möchte dem Herrn Vorredner nur ein Wort über die Kickxia Afrieang erwidern Ich habe eigentlich nicht Botanik studiert, bin aber doch in der Lage, den Herrn Vorredner über diesen Punkt aufzuklären. Es giebt namlich verschiedene Arten von Kickxia, und es bat unter den Gelehrten eine Kontroverse bestanden, welches die richtige Kickria ist, die den besten Gummi bringt. Nun hat sich Dr. Preuß schon seit Jahren bemüht, die wahre Kickxia, die in Lagos ganz außer⸗ ordentlich zur Hebung der Gummiausfuhr beigetragen bat, in Kamerun aufꝛutreiben. Die Kickxia, die Dr. Sadebeck im Auge bat, ist aber nicht die richtige Kickria. Die richtige Kickxia hat erst, nachdem die Schrift von Dr. Sadebeck erschienen ist, Dr. Preuß aufgefunden, und diese Entdeckung ist in Viktoria von den Interessenten mit großer Freude begrüßt worden.

Damit schließt die Debatte. Persönlich bemerkt der

Abg. Dr Lehr. daß ähnliche Ausführungen, wie die seinigen, auch in der Deutschen Zeitung“ gestanden haben mögen; aber er habe auch nichts Neues sagen wollen.

Die ordentlichen Ausgaben werden bewilligt. Bei den einmaligen Ausgaben wünscht

Abg. Hr. Stockmann (Rp.) den für öffentliche Bauten be⸗ stimmten Titel von 140 090 4 in Zukunft in zwei Theile zerlegt, von denen der eine für Wegebauten, der andere für andere Bauten be⸗ stimmt sein solle.

Direktor der Kolonial⸗Abtbeilung im Auswärtigen Amt Dr. von Buchta: Ich antworte dem Herrn Vorredner, daß ich gern bereit bin, feine Wünsche für den nächsten Etat zu erfüllen.

Der Rest des Etats für Kamerun wird angenommen.

Nach 6 Uhr wird die weitere Berathung bis Sonn⸗

abend 1 Uhr vertagt.

Preufzischer Landtag.

Haus der Abgeordneren. 40. Sitzung vom 10. März 1899. Eingegangen ist der Gesetzentwurf, betreffend die Er⸗ weiterung der Stadtgemeinde und des Stadtkreises Cassel. Das Haus setzt die zweite Berathung des Staats⸗ haushalts-Etats für 1899 bei den dauernden Ausgaben des Etats des Ministeriums der geistlichen, Unter⸗ richts⸗ und Medizinal-Angelegenheiten, und zwar bei dem Titel „Gehalt des Ministers fort. Ueber den Beginn der Debatte ist schen berichtet worden. Abg. Hackenberg (al): Wenn die Anträge des Zentrums nicht gegen das Staatswobl verstießen, würden wir sie gern annehmen, denn wir sind durchaus nicht gegen alles, was katbolisch ist. Auf dem Boden der Kirche ist der Begriff der Parität erwachsen, das beweist der Spllabus und das kanonische Recht. Wo die Katholiken in der Minderheit sind, beißt es in einer französischen Zeitung, „verlangen wir die Parität, welche die katbolische Mehrheit ander⸗ wärts genießt; wo wir die Majorität haben, gewähren wir sie auf Grund der Lehren der alleinseligmachenden Kirche. Die Parität ist juerst im Staate des Großen. Furfürsten geübt worden und wird es bis auf diesen Tag, und es soll ert nachgewiesen werden, wo die Paritãt nicht geübt wird. Viel mehr als die kathalische bat die evangelische Kirche Ursache, sich über Mangel an Parität zu beklagen. Dies gilt namentlich von dem strafrechtlichen utze der einzelnen Konfessionen. Was Herr Porsch von der Parität des Staates verlangt, wäre religiöser Indifferentismus. Bei gerechter Paritätꝛ muß der Staat die einzelne Kirche ansehen auf fore Verfassung und auf die Stellung, die sie dem Staate gegenüber einnimmt. Ueber den großen Unterschied der kat ho⸗ lichen und der evangelischen Kirche wollen, wir nicht eist streiten. Der evangelischen Kirche gegenüber schlägt die Paritat des Staats in Imparitãt um. Denken Sie doch an die Staats. zuwendung an die evangelische Kirche im Verbältniß zur Koptjahl. Fürst Bismarck sagte vor Jahren, das liege daran, daß die Evan elijchen nicht genug schrieen. Der Staat bat schon während des Kulturtampfes vergessen, daß beide Kirchen verschiedene Wesen Kind. Er hat die tatholische Kirche nach dem Kulturkampf be⸗ handelt wie einen ungeratbenen, zu ihm zurückgekehrten Sohn; der andere, woblgeratbene Sohn ging dabei leer cus. Den Firchen gegenüber sollte nicht der Grunzsetz gelten: idem cuique, sondern der alte preußische Grundsaß: suum cuiquse. Wenn das Zentrum eine freie Kirche im freien Staate wünscht, so wird die evangelische Kiiche mit dem Staate immer nur in Gemeinschaft sein. Die katholiiche Abtheilung gehört der Geschichte an, und ein Geschichte schreiber bat ges cht die Bischöfe haben diese Abtbeilung für ibre Zvecke benutzt. elbst der Kultus ⸗Minifter von Mübler bat sie aufgegeben, und 1836 bat der damalige Kultus- Minister gesagt: Heute noch fehlen zablreiche Atterftüdhde im Kultus- Minifterium. Sowobl Färst Bismarck wie der Abg. Windt⸗ korft bat die Gesetzze der 1380er Jahre als Frieder sschluß bejeichnet. Die katholischen Orden und die Niederlassungen beruhen auf ganz verschiedenen Verfassungen, sie müssen deshalb auch anders behandelt werden. Daß die Aussicht des Staates als Damotlesschwert empfunden wird, liegt an den Dedentzniederlassungen selbst. Herr Dauzenberg verlangte ein Volksschulgesetz auf Cristlicher Grundlage. Darin liegt der furchtbare Vorwurf, daß wir keine christliche Schule bämnen. Man hält alles für unchristlich, was nicht unter dem Gir fluß tegend einer Hierarchie stebt.

(Schluß in der Zweiten Beilage.

M GI.

(Schluß aus der Etsten Beilage.)

Wo die katbolische Kirche die Herrschaft auf dem Gebiete der Schule 86 hat, J. B. in Frankreich und Belgien, ift die Zabl der Analpha=

eten gestiegen. Am schlimmsten war es im Königreich beider Sinilien

und im Kirchenstaate. Noch kurz vor der Annexion war unter hundert nur einer, der lesen konnte. Diese ganze Verhandlung wurde mit einer Klage über die stagtliche Fessel begonnen, unter der Die fatbolische Kirche seusie. Sie sium Zentrum) ihäten gut. wenn Sie dafür forgten, daß die katholische Kirche nicht unter anderen geistigen Fesseln seufjte. Ich verweise auf die Ausfübrungen des Professors Rnöpfler in der letzten Nummer der Literaturzeitung'. Er fübrt darin aus, daß manches vom Zentrum geschehe, was den wahren Interessen der Kirche nicht entspreche. Nur wenn der germanische Katholizismus gegenüber dem Katholizismuß der romanischen Länder die Qber- band gewinnt, können wir zum konfessionellen Frieden kommen. Dann fönnen beide Konfessionen nebeneinander wirken in wechselseitigem Aus. tausch der verschiedenen Gedankenkräfte zum Wohle des Vaterlandes und zur religiös ⸗stttlichen Erziehung des Volkes.

Abg. Dr. C otz (. E. Fr.) geht unter großer Unruhe des Hauses, bei der feine Ausführungen fast unverständlich bleiben, auf einzelne Theile der Schulverwallung ein und wünscht eine bessere Vorbildung der Studierenden im Verwaltungsrecht.

Minister der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗ Angelegenheiten D. Dr. Bosse:

Die Anregung des Herrn Abg. Dr. Lotz ist gewiß sehr dankens⸗ werth. Wenn unsere Beamten richtig im Lande wirken sollen, so müssen sie zweifellos auch richtig vorgebildet werden. Ich bin wohl einer der Ersten gewesen, der in Preußen längst, ehe ich daran denken konnte, Kultus. Minister zu werden diese Frage öffentlich in Fluß gebracht hat. Nach dem Satz: „On revient toujours à ses

premiers amours“ lann ich nur sagen: wenn diese Frage mir jetzt in meinem Amte begegnet, so erregt sie mein volles Interesse. Ich werde im Staats. Ministerium mich mit allem Eifer an der Berathung des Regulativs betheiligen.

Was die Universitätsvorbildung auf dem Gebiet des Verwaltungs rechts anlangt, so möchte ich glauben, daß der Herr Abg. Dr. Lõtz unsere verwaltungsrechtlichen Vorlesungen einigermaßen unterschätzt. Ich kann ihn nur bitten, bier eines der Kollegien über Verwaltungs⸗ recht zu besuchen, und er wird sich überzeugen, daß da doch den jungen Leuten viel mehr gegeben wird als eine bloße Aufjäblung des Be— hördenorganismus.

In einem Punkt muß ich seine stätigen. Es ist auch mir aufgefallen,

Beobachtungen be⸗ daß eine früher

auf den Universitäten außerordentlich beliebte Vorlesung, die Vor

lesung über Politik, im Besuch merlwürdigerweise abgenommen bat. Woran das liegt, will ich dahingestellt sein lassen. Ich habe nicht nur nichts dagegen, daß über Politik gelesen wird, sondern glaube, daß ein solches Kolleg, wenn es nur mit einigem Geschick und einiger Weisheit gelesen wird, einem jungen Studenten sehr reiche und ftucht⸗ bare Anregungen, wenn auch nicht mehr, geben kann.

Im übrigen kann ich dem Herrn Abgeordneten erklären, daß wir nicht erft von heute ab darauf bedacht sind, daß den verwaltungs⸗ rechtlichen Fächern, und überhaupt den Fächern des öffentlichen Rechts, an unseren Universitäten die volle Vertretung gewährt wird, die ibnen gebübrt; denn sie sind für unser staatliches Leben und unsere Administration unentbebrlich, und je bessere Verwaltunge⸗ beamten wir ausbilden, desto besser wird es mit unserer Administra⸗ tion und mit der Wirkung unserer Behörden stehen. In dieser Beurtheilung bin ich mit Herrn Dr. Lötz durchaus einverstanden. (Bravo? rechts.)

Abg. Dr. Hirsch (fr. Volkep.) betont, daß die Zabl der jũdischen Lehrkräfte in Berlin im Verhältniß zur Kopfiabl eine geringere sei als die der chriftlichen. Die Berliner Schulverwaltung sei über den Rahmen des früheren Ministerialerlasses nicht hinausgegangen. Ginige christliche Eltern hätten war in ihren Beschwerden die südischen Lehrkräfte angefeindet, aber sämmtliche Schulinspektoren und die Schuldevutation hätten zugeben müssen, daß die jüdischen Tebrer und Lehrerinnen ihre Pflicht treu erfüllt hätten. Das jetzige ambulante Ordinariat, wie es der Minister angeordnet babe, sei ein ganz ungangbarer Weg. Er spreche immer von juüdischem Geist. Die deutschen Juden seien aber aus deutschen Schulen hervorgegangen und hätten einen deutschen, nicht einen jüdischen Geist, trotz ihrer Abstammung.

Abg. Goerdeler (fr. kon): Ich achte den Lehrerstand wie jeden anderen Stand. Die freisinnige Presse hat es aber von Anfang an verstanden, einen Gegensatz zwischen dem Landwirthschafts,.Minister und dem Kultus. Minifter zu konftruieren und den Kampf zwischen Lehrern und Verwaltung zu schüren. Bei der Verhandlung über die Arbesternoth handelte es fich um eine ernste und wichtige Frage, für rie die Frelsinnigen kein Verständniß haben. Dabei wurde auch die Schule besprochen und gesagt, daß sie auf dem Lande zum theil nicht das ibue, was sie zu thun verx flichiet sei.

Abg. Dr. Dittrich (Zentr): Wir wollen nichts, was dem Staatgwohl zuwider ist, sondern nur Gerechtigkeit. Unter dem Großen Turfürsten hatten die Katholiken allerdings an , ,, In der Praxig aber hat bis ins 18. Jahrhundert niemals ein Fathol In böhereg Staatsamt bekleidet. Der Theorie nach sind alle Kon. sessionen intoserant, in der Praxis hat die katholische Kirche immer Toleran; geübt. Auch die evangelische Kirche hat sich für die allein: seligmachende erklärt. (Zuruf links: Niemals!) Ein Theologe hat 1633 gefagt, er bekenne sich zu der alleinseligmiachenden reformierten Kirche. Kir verlangen nicht für alle das Gleiche, sondern für jeden das Seine. Auf die Entwendung von Attenstäcken aus dem Kuĩtus· Minssterium brauche ich nicht weiter einjugeben. Wie aber die Srden den kon fesflonelen Frieden stören sollen, verstebe ich nicht. Kommen wirklich Störungen vor, wozu haben wir denn die Aufsicht des über den Konfessionen stebenden paritãtischen Staateß Er bat doch darüber zu wachen, daß solche Stö⸗= rr nicht vorkommen. Wir kämpfen nicht um die Herr⸗ schast über die Schule, sondern nur um den Religionsunterricht. Man fäuscht sich überhaupt über die Macht der Kirche. Zwischen Kasserthum und Papfttbum muß Harmonie herrschen; es be= stebt nicht die Gefahr, daß die eine Sonne die andere aus.

6 und das ih auch von der Schule. Der Unterschied zwischen Hiistlich und lirchlich hat keinen Sinn, fo lange das Cbristenihum in Belenninsffen vereinigt ist. Gin freier Geist ist auch in der katbolischen

rche möglich. Die Kirche darf sich aber das Recht nicht nehmen lassen, an das Refultat der wissenschaftlichen Forschungen der Theologie den Maßftab deg Dogmas ju legen. Danach bat der betr. Forscher seine ten zu revidieren. Redner geht dann zur Besprechung der Schul-

über, meint, daß die geistlichen Schulinspertoren beider

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Prenßischen Staats⸗Anzeiger.

Berlin, Sonnabend, den 11. März

Konfessionen nur die Schulen ibrer Konfessionen beaufsichtigen dürften, und fragt. ob es eine 6 des Amtsgeheimnisses sei wenn ein Lehrer einem fatholischen Priester die Zahl der Schüler jeder Konfession mittheile.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Die letzte Frage des Herrn Abg. Dr. Dittrich muß ich natũrlich beantworten. Die Frage lautet, ob es als eine Verletzung des Amts. geheimnisses von mir betrachtet würde, wenn ein katholischer Geist⸗ licher, ein Erzpriester, dem Leitung des Religionsunterrichts zusteht, sich danach erkundigt, wieviel Kinder in der Schule sind und wieviel der katholischen und wieviel der evangelischen Konfession angehören. Darauf erwidere ich: Wenn ein Lehrer dem Geistlichen über diese Fragen, die seinen amtlichen Funktionen sehr nahe stehen, Auskunft ertheilt, so begebt er keine Verletzung des Amtsgeheimnisses. Das ist gar kein Amtsgebeimniß, wieviel Kinder in der Schule sind. (Sehr richtig h

Nun kann ich aber über den konkreten Fall nicht urtheilen. Da muß ich doch alle Nebenumstände, die die Regierung bestimmt haben und von denen die bier getroffene Entscheidung abhängig ist, prüfen, um mich mit wirklicher Verantwortung äußern zu können; dazu bin ich in diesem Moment außer stande.

Nur auf eine Ausführung des Herrn Abg. Dittrich möchte ich noch eingehen.

Herr Dr. Dittrich hat gesagt: an dem Falk 'schen Erlaß vom 18. Februar 1876 hätte ich wabhrscheinlich auch keine sehr große Freude. Wenn man die Frage so formuliert, so kann ich sie bejahen. Ich habe an diesem Erlaß keine Freude gebabt, sondern Verdruß in Hälle und Fülle. Ich habe mich auch hier wiederholt darüber ausgesprochen, daß mir die Form des Erlasses nicht sebr bebagt. Die Form des Erlasses trägt den Stempel des Kampfes, und das ist unerwünscht. Wenn man die Sache objektiv, ruhig, gerecht und in Frieden regeln will, kann man mit derartigen Formen nur schwer operieren, und das wirkt nach bis in die beutige Zeit hinein. Also nach dieser Seite hin gefällt mir der Erlaß nicht. Aber auf der anderen Seite muß ich sagen: seinen materiellen Inbalt anders zu for⸗ mulieren ist eine überaus schwierige Sache; ich weiß bis jetzt keinen wesentlich anderen Weg. Man kann hier und da etwas mildern; aber einen wesentlich anderen Inhalt dafür zu finden, ist mir bis jetzt nicht gelungen.

Nun habe ich den guten Willen gehabt, diese böchst verdrießliche Streitfrage, so viel an mir ist, aus der Welt zu schaffen. Ich habe deshalb jwei meiner katholischen Räthe als Kommissarien zu einem der Herren Bischöfe gesandt und gebeten, doch die Sache einmal zu prüfen und mir formulierte Vorschläge zu machen, wie man dortseits die Vorschriften über die Leitung des Religionsunterrichts sich dächte. Die Antwort darauf steht noch aus. Das liegt daran, wie der Abg. Dr. Dittrich ganz richtig gesagt bat, daß die Sache überaus schwierig ist. Wahrscheinlich stoßen die Herren Bischöfe bei dem Versuch, eine richtige Formulierung zu finden, bei der nun wieder die Rechte des Staats zu ihrer Geltung kommen, auf dieselben Schwierigkeiten, auf die ich stoße, wenn ich eine Formulierung suche, welche die Rechte des Staates aufrecht erhält, aber andererseits der Kirche giebt, was der Kirche gebührt. Darin liegt die große Schwierigkeit der Sache. Deshalb habe ich mir bis jetzt nicht anders zu helfen gewußt und das halte ich für richtig daß ich in der Anwendung des Erlasses so milde und ent⸗ gegenkommend wie möglich verfahre, unter Vermeidung der schroffen Formen, die aus dem Erlasse selbst sich ergeben.

Ich glaube, ich konnte garnicht und kann nach Lage der Sache garnicht anders bandeln, als ich gebandelt habe. Ich kann, ich will und ich darf die Rechte des Staates nicht preisgeben; aber ich will das Recht der Kirche auf die Leitung des Religionsunterrichts gern anerkennen. Dabei wird sich bei gutem Willen schließlich auch ein modus vivendi finden lassen, um die Sache in Frieden zu regeln.

Abg. von Eynern (yl.): Die Mitglieder der evangelischen Kirche machen ihre Seligkeit nicht abhängig von der Zugehörigkeit zu einer Kirche, sondersß von Gott und dem Herrn. Christus. Der allein seligmachenden Kirche steht gegenüber, daß dlejenigen, die nicht in ihr sind, verdammt werden. Die Rede des Herrn Dauzenberg war eine Kulturkampfrede von stärkstem Kaliber. Das freut mich. denn in der letzten Zeit war es dem Zentrum gelungen, einschläfernd über seine letzten Ziele zu wirken. Der Kulturkampf bestebt nicht erst seit dem Vatikanischen Konzil, sondern seitdem die Rheinlande zu Preußen gehören, namentlich seit den Kölner Wirren. Denken Sie an die Bewegung der katholischen Be⸗ völkerung für Oesterreich und gegen Preußen. Der Minister ist kein Freund des Kulturkampfes. Dieser ist aber Preußen aufgezwungen worten, trotzdem die allergünstigsten Verhältnisse für die Katholiken berrschten. Die Fraftion der beiden Reichensperger führte schon lange vor 1871 einen Kampf gegen den evangelischen Staat, wie Fürst Bismarck in seinen „Gedanken und Erinnerungen“ hervorgehoben hat. Später hat sich diese Fraltion konsolidiert. Nicht mit Liebe und Freude ist die damalige Reglerung zum Kulturkampf gekommen, sondern zu ibrem größten Schmerje. Er ist auch nicht beendigt worden durch einen Sieg des Zentrums, sondern durch Einflüsse, welche Sie in des Fürsten Bismarck Erinnerungen“ erwähnt finden. Was der Kultus⸗ Minister gesagt bat, ist nicht ganz in Einklang zu bringen mit den früberen Zielen der Regierung. Wir befürchten, daß wir nach und nach die Staatsschule der Kirche überliefern, wie es der Zedlitz 'sche Entwurf wellie. Das Zentrum ist so klug, jetzt die Wieder⸗ berftellung der katholsschen Abtheilung nicht zu verlangen. Die Kirche sucht den Streit nach allen Richtungen, denn sie stellt Forderungen, von denen sie . daß sie unerfüllbar sind. Von Toleranz kann bei der Dauzenberg'schen Rede gar nicht gesprochen werden. Goit fei Dank, entziehen sich die Katholiken von unten auf immer mehr dem Einflusse der Geistlichteit, wie die letzten Wahlen gejeigt haben. Auch wir glauben, daß die Gemeinden auf bie Schulen einen größeren Ginfluß haben müssen. Wenn aber der Minsster gefagt hat, er werde sich bemühen, die Härten der Maigesetze zu besettigen, so that er es wohl, weil das Zentrum in der Form seiner Angriffe milder geworden ist. Der Staat wird zu unliebsamen Maßregeln geradezu a, durch die Art, wie das katholische Kirchenregiment geführt wird. Die Ordens nieder⸗ laffungen sind weit über das Bedürfniß hinaus vermehrt worden. Laffen' wir Sie (das Zentrum) am Rhein schalten und walten, dann

fämen dort bald mehr als 50 katholische Geistliche auf 1000 Ein⸗

1899.

wohner. Das Zentrum will keine wirkliche Parität, sondern höchstens eine mechanische Parität zu unseren Ungunsten. Das Zentrum beruft ch auf fein gutes Verhalten im Reichstage, Hat das Zentrum etwa dag Privileg, in einem Kriege von den Franzosen ungeschoren zu bleiben? Wenn nicht, dann bat es auch dasselbe Interesse an der Vertheidigung des Deutschen Reiches wie wir. Ueber den Werth des Bürgerlichen Gesetzbuchs kann, man verschiedener Meinung fein (der Prässdent von Kröcher bittet den Redner, etwas lauter zu sprechen). Daß die Herren Daujenberg und Dasbach keine do ut des- Politik treiben, glaube ich wohl; so etwas wird von Anderen schlauer gemacht. Ich spreche darüber nicht nach dem, was ich weiß, sondern nach der im Lande allgemein verbreiteten Meinung, daß die Militär⸗ vorlage vem Zentrum bewilligt werden würde, wenn das Jesuiten⸗ geseß zum thell aufgehoben würde. Es ist von der beseligenden Kraft der katholischen Kirche gesprochen worden. Darüber mag man denken, wie man will. Jedenfalls glaubt die Kirche unbeschraͤnkte Herrscherin der Schule zu sein. Zeigen Sie uns doch einmal, in welcher Weise Sie die Verrohung der Fugend wirksam bekämpft haben! Die Leit- artikel des Herrn Dasbach, die Wahlreden des Zentrums sind geradezu geeignet, die Jugend zu verrohen. Ihre Agitation entspricht durch⸗ aut der sozialdemokratischen, das beweisen die Dasbach schen und Fuchs'schen Reden. Katholisch ist nur so lange Trumpf, so lange wir dem Zentrum einen Einfluß einräumen, der ihm nicht gebührt. Das Dentsche Reich ist entstanden gegen den Willen des Ultra⸗ montanismus, nach einem Kampfe mit Frankreich, der von den Ültramontanen angeschürt worden ist. Wir beugen uns vor dem Ultramontanismus nicht. . .

Äbg. Motty (Pole) wendet sich gegen die Meinung, daß in Posen eine polnische Agitation bestehe. Viel eber könnte man von emer chauvinistischen deutschen Agitation sprechen. Ein Distriks- kommiffar habe einen Erlaß veröffentlicht, der sich in unzulãssiger Weise in die innersten Angelegenheiten der Lehrer eingemischt habe. In den polnischen Landestbeilen werde ein ganz neuer Kulturkampf i Scene gesetzt. Mit Genebmigung des Fürstbischofs Kopp habe der oberschlefische Klerus eine Petition um Einführung des polnischen Religlonzunterrichts an den Minister gerichtet. Es sei zu wünschen, daß dieser Eingabe Folge gegeben werde.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Ich will nur ganz kurz eine Anfrage des Herrn Abg. Motty beantworten. Er hat mich gefragt, ob ich von der Verfügung der Danziger Regierung vom 5. Oktober an die Lehrer Kenntniß erhalten hätte. Ich habe Kenntniß von dieser Verfügung erhalten.

Ich bemerke dazu: die Verfügung ist ohne dies seitige Mit⸗ wirkung erlassen, und wenn ich auch nicht in der Lage bin, jedes Wort und jeden Ausdruck dieser Verfügung zu vertreten und zu billigen, so bin ich doch allerdings der Meinung, daß die Danziger Regierung

im Recht war, wenn sie in denjenigen Landestheilen, wo das Deutsch⸗

thum durch die polnisch- nationale Agitation gefährdet ist (oh, oh! im Zentrum und bei den Polen), die Lehrer darauf aufmerksam macht, daß sie die Pflicht baben, in ihrer ganzen Haltung, in ihrem amtlichen und außeramtlichen Leben sich als Deutsche zu fühlen und als Deutsche zu denken. (Lebhaftes Bravo! rechts und bei den Nationalliberalen.)

Abg. Dr. Porsch (Zentr.): Ich bin erstaunt, wie gerade Herr von Eynern dem Abg. Dauzenberg hat vorwerfen können, daß er zum Kulturkampf aufgefordert habe. Herr von Eynern hat von katholischen Dingen keine Ahnung, er wird auch nicht zu belehren sein. Die Fölner Wirren sind nicht von katholischer Seite angezettelt worden. Bis zu dem Moment der Krönung des Königs Wilhelm J. war alles wohl geordnet. Die Bismarck'schen, Gedanken und Erinnerungen“ ent- halten viel Unrichtiges, um nicht einen schärferen Ausdruck zu ge— brauchen, über die katholischen Verhältnisse, veziell über die beiden Reichensverger. Diese haben während der Konflikts zeit dem Ministerium Bismarck gar keine Opposition gemacht in Bezug auf die Militär- organisation. Der Zusammenschluß der katholischen Fraktion war peranlaßt durch den Möoabiter Klostersturm. Redner gebt dann auf die Ordensthätigkeit näher ein und behauptet, daß die Zahl der Orden zur Linderung des Elends noch lange nicht ausreiche, z. B. nicht in Breslau fur die Krankenpflege. Die Orden sollten es sich gefallen lasfen, jeden Augenblick wieder aufgelöst zu werden; würden sich die Pandelskammern so eiwas gefallen lassen? Daß der Ultramontanismus den französischen Krieg geschürt habe, brauche er nicht erst zu wider— legen; er weise diese Behauptung einfach zurück.

Abg. Dr. Sattler (nl): Das Zentrum beklagt sich immer über Mangel an Parität. Herr Bachem bat darüber eine Schrift er⸗ scheinen lassen, die von Unrichtigkeiten strotzt, namentlich in Bezug auf die Thelnahme der Katholiken am höheren Verwaltungsdienft. Heute sind diese Beschwerden nicht wiederholt worden. Das Zentrum fieht auch ein, daß die katholische Abtheilung nur aus Männern zu⸗ sammengesetzt werden könnte, welche die Rechte des Staats vertreten müffen. Ebenso hat man die Aufhebung des Falk'schen Erlasses von 1876 erst in zweiter Linie verlangt, weil die Bischöfe sich darüber noch nicht erklärt haben. Die Katholiken haben im Grunde gar keinen Grund mehr zur Klage. Unter dem Großen Kur= fürsten ist ein Katholik Minister gewesen. Mit Herrn Dittrich ließe sich ja leben, aber seine Milde wird vor den Herren Dasbach und Porsch so wenig Gnade finden, wie die Aeußerungen des Professors Schell; seine Rede könnte auch auf den Index gesetzt werden. 1866 war am Rhein eine fiarke Sympatbie für Oesterreich vorhanden, das läßt sich nicht leugnen. Vor Einführung der Verfassung hatte der absolute Monarch esnen großen Einfluß auf die Kirchen. Die Verfassung legte die Grenzlinie zwischen Staat und Kirche fest. Jahrzehntelang war Frieden. Dann kam das Vatikanische Konzil zur Begründung der Uni⸗ versalherrschaft auf dem märkischen Sande. Zwei so große Mächte, wie das neue Beutsche Reich und die nach der Weltherrschaft strebende katholische Kirche, mußten naturgemäß bei der Grenzregulierung in Konflikt kommen. Daß in Posen keine polnische Agitation herrscht, muß ich bestreiten. Wir befinden uns in Posen im Zustande der Abwehr. Die Deutschen sind von den Polen boykottiert worden.

Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. Bosse:

Meine Herren! Ich habe noch eine kurze Bemerkung nachzuholen. Der Herr Abg. Dr. Sattler hat auf die heutigen Ausführungen des Herrn Abg. Dasbach in Bezug auf die Parität bei der Behandlung von Volksschulsachen Bezug genommen. Der Herr Abg. Dasbach hat sich zwar bemüht, so laut wie möglich zu sprechen, aber nichts destoweniger ist es uns hier nicht möglich gewesen, seinen Ausführungen zu folgen. Ich möchte mir hier nur gestatten, ausdrücklich zu betonen, daß aus meinem heutigen Schweigen nicht der Schluß gezogen werden darf, als wenn ich nun alle Ausführungen des Abg. Dasbach als richtig zugestanden hätte. Ich behalte mir vielmehr vor, im Laufe der welteren Etatgzberathung auf diese Ausführungen zurückjukommen und sie, soweit es erforderlich erscheint, richtigzustellen.

Die Diskussion wird geschlossen und das Gehalt des Ministers bewilligt.

Rach 4 Uhr schlägt der Präsident von Kröcher vor, die

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