1899 / 72 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 24 Mar 1899 18:00:01 GMT) scan diff

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Noch: Hafer. 13,00 13,50 13,60 . 15, 00 1600 17,40 106 14,40 14.80 1520 ; 46 15,01 15,01 15.50 16, 00 16,50 16,50 16 14, 40 15,20 . 13, 00 13 00 36 13.20 13 20 5 12, 30 1260 12,80 ; . 12,50 12,50 13,00 ; 65

13,00 20 15,50 15,50 16,50 .

1673 1678 14655 16.3. hot 1445 1555 16.3.

264 1650 1650 16 3.

462 13 00 1275 22.3. 13, 260 15 76 31. .

813 1250 1290 21. z. 276 15 55 15 56 23. 3.

Bemerkungen, Die verkaufte Menge wird auf volle Doppelzentner und der Verkaufswerth auf volle Mark abgerundet mitgetheilt. Der Durchschnittspreis wird aus den unabgerundeten Zahlen berechnet. Ein liegender Strich (— in den Spalten für Preise hat die Bedeutung, daß der betreffende Preis nicht vorgekommen ist, ein Punkt (.) in den letzten sechs Spalten, daß entsprechender Bericht fehlt.

Preuszischer Landtag. Herrenhaus.

7. Sitzung vom 23. März 1899.

Ueber den Beginn der Sitzung ist schon berichtet worden. Auf der Tagesordnung steht die Berathung des Staats⸗ haushalts⸗Etats für 1899. . Generalberichterstatter ist Graf von Königsmarck. Die Kommission beantragt folgende Resolution:

Indem das Herrenhaus die im Etat enthaltenen Gehalts. erhöhungen billigt, erklärt es zugleich, daß es in denselben den Ab⸗ schluß dieser Bewegung sieht und die Königliche Staatsregierung erfucht, weitergehenden agitatorischen Bestrebungen entgegenzutreten.

Graf von Mirbach: Ich habe mehrfach mit dem Fürsten Bismarck nach seiner Entlassung darüber gesprochen, weszhalb er das Reichttagswahlrecht geschaffen und sich nicht dem Antrage widersetzt hat, daß das Reichstagswahlrecht gebeim sein solle. Seine Ant. wort habe ich in der Presse veröffentlicht. Der Reichttag hat

die fehr maßvolle Ebrung, welche dem Färsten Bismarck zugedacht

war, verweigert. Unter diesem Eindruck war meine Aeußerung über den Reichstag vielleicht etwas zu scharf. Aber ich freue mich, daß die Frage zur Erörterung gebracht wurde. Ich bin dann im Reichstage selbst aufgetreten und babe mich gegen Pie geheime Wahl erklärt. Ich bin heftigen Angriffen begegnet. Es ist mir aber eine Genugthunng, daß ein angesehenes Mitglied im Reichs⸗ tage sich nach mir fast in demselben Sinne ausgesprochen hat. Ich habe mit dem Fürsten Bismarck das geheime Wahlrecht nicht erörtert, weil ich ihn nicht verletzen wollte Lurch meine Ansichten. Aber einige Worte in den „Gedanken uad Erinnerungen“ des Fürsten Bismarck uber das allgemeine Wahlrecht beweisen, daß derselbe diesez Wahlrecht nur als Kampfmittel benutzt hat. (Redner verliest die betreffenden Aeußerungen des Fürsten Das gebeime Wahlrecht ist der Nährboden der

Sozlaldemokrate. Darin liegt die Macht der Sozialdemokratie; das gelt

aus den Verhandlungen des Parteitages und allen sonstigen Aeußerungen hervor. Sie denken garnicht daran, sich an offenen Wahlen des Ab geordnetenhauses zu beteiligen. Man hat mir gesagt, duich die Be⸗ feitigung des geheimen Wahlrechts werde man die Organisation der Sozialdemokratie nicht beseitigen. Man kann die Organisation großer Maffen nur zusammenhalten durch die Vorhaltung eines erreichbaren Ziels, wie es die Wahlerfolge sind. Wenn die Wahlerfolge aufhören, dann fällt die Organisation zusammen; denn dann können keine Ver— sprechungen mehr gemacht werden. Die geheime Wahl ist für die 3. entscheidend. Eine politische Partet ist nicht im stande, eine f nitiative zu unternehmen; diese Initiative muß bei der Regierung iegen.

Graf von Klinckowstroem: Wenn jemand unbefangen die Verhandlungen des Reichstages über den Antrag wegen Schutzes des Wahlverfahrens verfolgte, so maßte er annehmen, daß das Wabl⸗ gebeimniß beseitigt werden müsse. Die Verbandlungen leigten, wie eine Partei der anderen Verletzung des Wablrechtz vorwarf. Man konnte aus diesen Verbandlungen in kurzer Zeit lernen, wie man das Wahlrecht mißvrauchen kann. Es ist Sache der verbündeten

Diese Frage wird rasch ihrer Reife entgegengeben, und die Ent— scheidung wird dann wohl bald kommen. Es ist bekannt, daß die

Sozialdemokratie der Ansicht war, daß sie in den großen Städten

ibren Kulminationspunkt erreicht habe, daher ihr Bestreben, auf dem

platten Lande Fuß zu fassen, namentlich in Ostelbien, weil sie weiß, daß ein könig treuer Badgernstand das befte Bollwerk gegen die Verschätfung derselben notbwendig sei. Sie erinnern sich, meine G rre 8425 ine solck? Verschärfung RBeseße 6 4 * na wobl die Freisinnigen an Stimmen bei den letzten Wablen in Ost⸗ Herren, daß eine solche Verschärfung der Gesetze vor nicht lanzen preußen sehr viel mebr verloren haben als die Koanservativen, ist doch jeder Gewinn der Sonaldemokraten an Stimmen

Sozialdemokratie ist. Dieser Versuch ist vollständig erfolglos gebl eben. Sie Sosialdemokräaten haben keinen einzigen Bauern gewonnen. Ob-

immer bedauerlich. Es handelt sich Tabei nickt um den Gewinn wirklicher Genossen; denn die Sozialdemokraten haben

sich gebäütet, auf dem Lande ihr Programm zu er trollen. Sie

haben nur mehr Lohn und weniger Arbeit gefordert. Sowobl die Be—

hörden als auch die Bevölkerung baben ver den Wablen nicht die nöthigen

Mütel ergriffen, um zu zeigen, worum es sich bei diesen Äg'tationen eigentlich handelt. Die Arbeiter Ostpreußens sind mit ganzen Wagen, ladungen von Flugblättern überscküttet worden. (Rerner derliest Stellen aus mebreren dieser Flugblätter und aus dem „Land boten‘, einem weiwerbreiteten sezialdemckratischen Kalender) Gab es wäbrend der Wabljeit keine Polizei und keine Staatsanwälte? Diese Dinge wurden unter den Augen der Behörden verbreitet Erst noch kürzlich ist die Verfolgung eines sozialdemokratischen Blattes, welches die gröbsten Belcidigungen gegen das Abgeordreten⸗ haus ꝛe. ausgesprochen batte, von der Steatsanwaltschaft abgelebnt worden. Die Staate anwälte leiden darunter, daß die Ablehnung ibrer Anklagen durch das Gericht eine Blamage für sie ist. Der Staazs⸗ anwalt muß die Klage einleiten, gleich ältig, was daraus wird. Sie haben dann wenigstens ihre Rflicht eiban und können den Gerichten die Verantwortung Üüberlassen. Es handelt sich

dabei, nicht bloß um Preßoer geben, sondern um eine nichts.! würdige Aufhetzung der Bevölkerung, um ein staatsgefäbrliches

Beginnen der Sey ialdemokratie. Hier wäre eine generelle In⸗ struktion an die Richter nothwendig, daß diese Dinge nicht bloß als Preßvergehen zu betrachten sind. Die Sache bat sich etwas gebessert,

namentlich bei den Verwaltungsbehörden. Früher waren Solial⸗

demokraten Amtsvorsteber, Schiedsmänner 2. Erst in letzter Zeit ist man! dazu übergegangen, Sozialdemokraten diszipliarisch zu ent- laffen. Vas genügt aber nicht. Es müßte eine Jastruktion an die Städte und Kreise erlassen werden, daß die Sozialdemokraten aus den Ebrenämtern in Kreis und Start entlassen werden, damit diesen Leuten das Kainszeichen auf die Stirn gedrückt wird. Ebenso müßte es mit den Staatsbetrieben gebalten werden. Der Staat hat das Recht, Leute aus der Arbeit in seinen Be— trieben zu entfernen, welche den Staat umstürzen wollen. Die Strenge fehlt; wenn diese da ist, kommt der Gehorsam nach, Ein großer Theil der Geistlichen ist der Ansicht, daß die Hauptthätigkeit erfuüllt ift, wenn die Predigt beendet ist. Die Hauptarbeit liegt in der Seelferge. Die Geistlichen wollen sich um die Politit nicht kũümmern. Das sst eine Folge des oberkirchenrätblichen Erlasses aus Anlaß der Naumann 'schen Agitation. Aber es handelt sich bei der

Bekämpfung der Sozialdemokratie nicht um Politik, sondern um Ver⸗ theidigung gegen die Sozialdemokratie. Auch die Schule muß aufklärend wirken. Bie jungen Leute müssen, ehe sie die Schule verlassen, über die Gefahr der Soꝛaltzemokratie aufgeklärt werden. Die staats erhaltenden Parteien sind mit schuld an dem gegenwärtigen Zustande, Wir müssen uber diese Dinge sprechen. Wir müssen die Arbeiter nicht bloß als Inventar betrachten, sondern sie als Menschen behandeln, wir müssen ihre materielle Lage zu heben suchen. Den Arbeitern muß auch eine gesunde Lektüre verschafft werden statt der schlechten sozial demokratiichen Schriften. Der Gefahr kann nur entgegengewirtt werden durch ein zielbewußtes Handinhandgehen aller bürger⸗ lichen Partelen mit der Regierung. Es muß nicht bloß kurz vor den Wablen nach dieser Richtung hin etwaß ge— schehen, sondern ständig zur Erziebung des Volks. Ich bin der Ansicht, daß auch die Gesetzgebung wird eingreifen müssen, daß ein ganz scharfes Sozialistengesetz nothwendig ist. Wir werden von der Regierung in diesem Kampfe allein gelassen; auf eine solche Gesetz gebung ist nicht zu rechnen, so lange nicht die bürgerlichen Parteien sich entschließen, ihren Fraktionszwist wenigstens in dieser Hinsicht bei⸗ seite zu lassen. Wenn es einmal mit dem Reichstage zu einem Konflikte kommen sollte, und ich balte das für mebr als wabrscheinlich, dann giebt es nur eine Wahlparole, die begeistert aufgenommen werden wird: der Kampf gegen den Umsturz!

Justiz-⸗Minister Schönstedt:

Meine Herren! Die Anregungen des Herrn Abg. Grafen von Klinckowstroem haben ja ohne Zweifel in sehr vielen Beziehungen Anspruch auf volle Anerkennung, und ich zweifle nicht daran, daß sie zu erheblichem Theile des Beifalls nicht nur in diesem hohen Hause, sondern auch in weiteren Kreisen sicher sind. Niemand würde es mit größerer Freude begrüßen als die Königliche Staatsregierung, wenn der Appell, den der Herr Abg. Graf von Klinckowstroem (Rufe: nicht Abgeordneter) am Schlusse seiner Rede an die bürgerlichen Parteien gerichtet hat, sich im Kampfe gegen die Umsturzparteien zusammen⸗ zuschließen, wenn dieser Arpell, der auch vom Regierungstische häufig genug ausgesprochen worden ist, endlich Erfolg haben möchte. In⸗ wieweit dazu Aussicht vorhanden ist, entzieht sich meiner Beurtheilung.

Ich habe im übrigen keinen Anlaß, auf die allgemeinen Aus— führungen des Hern Grafen von Klinckowstroem einzugehen. Dagegen ist an mich eine unmittelbare Aufforderung gerichtet, auf die zu ant⸗ worten ich für meine Pflicht halte. Herr Graf von Klinckowstroem hat die Behauptung aufgestellt, daß sowobl die Behörden der Staate⸗ anwaltschaft wie die Gerichte nicht im vollen Maße ihre Schuldigkeit thäten in dem Kampfe gegen die Sozialdemokratie. Meine Herren, es ist füt mich außerordentlich schwierig, einem solchen schwerwiegenden Vorwurfe entgegenzutreten, wenn er nicht duich Anfübrung von ein—

zelnen Fällen substantiiert und näher begründet wird. Ich babe aber

doch aus den Ausfübrungen des Herrn Grafen den Eindruck gewonnen,

Regierungen, mit einer Aenderung des Wablrechts berpormptreten. daß er bei der Aufstellung seiner Vorwürfe nicht überall ven zu.

treffenden Voraussetzungen ausgegangen ist, und daß er die Möglich keit eines Einschreitens der Justizbehörden in Fällen voraussetzte, die an sich eine solche Möglis keit nicht zulassen.

Herr Graf von Klinckowstroem hat am Schlusse seiner Rede selbst bemerkt, daß die Gesetze nicht überall ausreichten, und daß eine

Jahren wiederholt versucht worden ist, daß aber diese Versuche bei

dem Reichstage, welcher allein dafür zuständig ist, gescheitert sind. Die Behörden, welche die Gesetze anzuwenden baben, können aber

blättern Mitteilungen gemacht, welche ganz zweifellos im hoben Maße geeignet waren, zur Unzufriedenheit zu reizen, und verschiedene Klassen der Bevölkerung gegen einander aufzjubetzes. Aber ob diese Wabl⸗ flugblätter auch eine Handhabe dahin gegeben haben, den Thatbestand

des 5 130 Str⸗G. B. zu erfüllen, der solche Aufbetzung und Auf⸗

reizung nur dann mit Strafe bedroht, wenn sie zu Gewaltthätigkeiten anreizen soll, das babe ich aus dem Vortrage des Herrn Vorredneis nicht entnehmen können. Dagegen ist mir sehr wobl bekannt. daß gerade die Flugblätter der Sozialdemokraten mit ganz außerordent- lichem Geschick redigiert werden, die Herten lassen sich die Mübe nicht verdrießen, unsere Strafgesetze genau zu studieren und wissen mit großer Voisicht es zu vermeiden, sich in ihren Wablflugblãttern mit den Strafgesetzen in direkten Widerspruch zu setzen. Wenn daher gegen solche Flugblätter in Ostpreußen nicht eingeschritten worden ist, so glaube ich annehmen zu dürfen, daß jenes Requisit nicht fest⸗ justellen war.

Im übrigen kann ich den Beamten der Staatsanwaltschaft, an welche wobl besonders gedacht ist, nämlich denen in Königsberg, nur das Zengniß ausstellen, daß sie mit großer Schärfe gegen die sozial⸗ demoktratischen Pre ßerzeugnisse vorgehen. Herr Graf von Klinckow⸗ stroem hat die Volkatribäne erwähnt, bei der, wie ich glaube, auch diese Wahlflugbläner gedruckt sind. Mir ist bekannt, daß gegen dieses Blatt in den letzten Monaten vier bis fünf recht scharfe Ver⸗ urtheilungen ergangen sind, deren letzte ver wenigen Wochen, wenn ich mich nicht itte, auf 9 Monate Gefängniß lautete. Von den Einzelheiten des Vorgehens der Staarsanwaltschaft gegen solche periodischen Zeltschriften erfahre ich ja nur gelegentlich, namentlich dann, wenn es sich um Einholung von Strafanttãgen der Zentral- behörden handelt. Diese Einbolung ist übrigens eine nothwendige Voraustsetzung zur Strafverfolgung, soweit Beleidigungen in Frage

kommen, und wenn Herr Graf von Klinckowstroem einen Artikel er— wähnt hat, der die schwersten Beleidigungen des Abgeordnetenhauses und einzelner Mitglieder desselben enthalte, und nicht begreifen konnte, weshalb in diesem Falle die Staatsanwaltschaft nicht ein— geschritten ist, so wird die Erklärung hierfür wohl darin zu suchen sein, daß ein Strafantrag seitens des Abgeordnetenhauses nicht ge— stellt worden ist zumal das Abgeordnetenhaus es, soviel ich weiß, es immer unter seiner Würde erachtet hat, Strafanträge zu stellen und weil auch seitens der einzelnen Abgeordneten kein Antrag vorlag. Es wird sich also ein Vorwurf gegen die Staatsanæwaltschaft aus dem Vorgebrachten wohl nicht herleiten lassen.

Herr Graf von Klirckowstroem hat ferner einen Volkt kalender er⸗ wähnt, der um die Weihnachtszeit erschienen ist, und aus diesem einzelne Stellen vorgetragen, welche mit Recht den Unwillen der Zu— hörenden erregt haben. Aber dieser Kalender ist durch Beschluß des Amtsgerichts zu Insterburg vom 2. Dezember v. J. mit Beschlag belegt worden. Das bezügliche Verfahren wird wahrscheinlich noch schweben, über den weiteten Verlauf kann ich nichts angeben. Die Staatzanwaltschaft scheint aber auch in dem letzten Falle den Vor— wurf der Unthätigkeit nicht zu verdienen. Herr Graf Klinckowstroem bat freilich gemeint, die Staatsanwälte ließen sich vielfach von der Erhebung von Anklagen abhalten durch die Besorgniß, daß sie bei den Gerichten keinen Erfolg haben würden, und daß dann ihr persönliches Ansehen durch einen Mißerfolg werde geschädigt werden. Meine Herren, ob dieser Beweggrund die Staatzanwälte zu einer gewissen Vorsicht bei der Erhebung von Anklagen bestimmt, darüber will ich mich nicht äußern; es sind mir Anhaltspunkte fär (ine solche An⸗ nahme bisher nicht gegeben worden. Auf der anderen Seite balte ich es dagegen nicht für ungerechtfertigt, wenn die Staateanwälte sich vor der Erhebung der Anklage die Frage vorlegen, ob mit einiger Sicher. heit auf die Verurtbeilung durch die Gerickte gerechnet werden könne; denn eine Freisprechung auf erbobene Anklage schädigt viel weniger das persönliche Ansehen des Staatzanwalts, als die Autorität des Staates im allgemeinen, und gerade solche Freisprechungen sind in sehr vielen Fällen am meisten geeignet und die praktische Er⸗ fahrung bat das bewiesen —, die Parteien, gegen welche eingeschritten war, zu einem weiteren, noch schärferen Vorgehen auf der betreffenden Bahn zu bestimmen, weil sie nun glauben, sich auf das gerichtliche Urtheil stützen zu können, und deshalb der Gefahr einer Verurtheilung nicht ausgefetzt zu sein glauben. Aus diesem Gesichtspunkte balte ich es doch für bedenklich, wenn Graf Klinckowstroem an mich die Zu⸗ muthung stellt, ich solle die Staatzanwälte durch eine allgemeine Instruktion anweisen, auch in zweifelhaften Fällen Anklage zu erheben, auch da, wo auf eine Verurtheilung kaum zu rechnen sel. Noch bestimmter aber muß ich es ablebnen, der weiteren Aufforderung des Grafen Klinckow⸗ stroem Folge zu leisten, ich möge an die Gerichte eine allgemeine In⸗ struktion dahin erlassen, wie sie die Sesetze aus zulegen hãtten. Daz war so ungefäbt der Sinn der Aufforderung. Meine Herren, damit muthet Herr Graf Klinckowstroem dem Justiz⸗Minister etwas zu, wozu er absolut nicht befugt ist. Es würde das ein Eingriff sein in die ver fassungsmäßige Unabbängigkeit der rechtsprechenden Thätigkeit der Gerichte, die, glaube ich, auch in diesem Hause von keiner Seite ge—

wünscht wird. Ich wärde es ablehnen müssen auch da, wo ich anderer = . 9 a s . Ansicht wäre wie die Gerichte und ich leugne nicht, daß ich keines⸗ nur mit den bestehenden Gesetzen rechnen und sind durch diese ge⸗ x bunden. Der Herr Graf von Klinckowstroem hat nun von Wabhlflug⸗

wegs alle Erkenntnisse billige, die zu meiner Kenntniß kommen, daỹ ich vielmebr auch wohl in der Lage gewesen bin, zu sagen, dies oder jenes Eikenntniß erregt meine Verwunderung, ich wũrde anders erkannt haben ich sage, trotz alledem würde ich es ablehnen wüssen, unt Sie werden es auch von einem vreußischen Justiz⸗Minister nicht ver langen, daß ich im Widerspruch mit der bestehenden Gesetzgebanz Anweisungen an die Gerichte ertheile, zu deren Beachtung sie nicht verpflichtet sind.

Also, meine Herren, ich wiederhole, daß ich im allgemeinen auf dem Standpunkt des Herrn Grefen Klinckowstroem stebe, daß wir alle zusammenwirken müssen in dem Kampfe gegen die Umsturn= elemente. Herr Graf Klinckowstroem hat ja den Vorwürfen, die er der Staatsregierung gemacht hat, einen Theil ihrer Schärfe dadur h genommen, daß er am Schluß zu einer Selbstkritik seiner eigeren Partei gelangt ist. Zu einer solchen Selbftkritik baben wir gewiß alle den gleichen Anlaß, und wenn in der That Vertreter der staatlichen Bebörden nicht Überall in vollem Umfang ihre Schuldigkeit getba⸗ baben möchten, so mögen die heute gegebenen Anregungen die Wirkuns haben, daß auch sie eine Selbstprüfung vornehmen und sich dĩe Frage vorlegen, inwieweit eine Veranlaffung für sie gegeben sei, in 3Zakunst anders vorzugehen als bishec. Darauf, glaube ich, meine Herren, müssen wir uns an dieser Stelle beschtänken. (Bravo!)

Hierauf nimmt der Minister des Innern Freiherr von der Recke das Wort, dessen Rede morgen nachgetragen werden wird.

Graf von Klinckow str oem: Der Justi.Minister at, über. seben, daß ich gesagt babe, es sei in den meisten Fällen besser ge. worden, wenn ich auch noch nicht vollauf befriedigt sei. Die Richter sind an Tie Gefetzs gebunden, aber die Gesetze sind doch unter anderen Verhältnissen eniftanden. Es wäre doch von den vorgesegzten Bebõrden zu prüfen, ob nicht manche Dinge anders zu behandeln sind.

Dber. Bärgermeister Dr. Sie se Allora: Die Anregung des Vorrconers, daß alle Parteien jufammen wirken sollen gegen die

Sonialdemokratie, wird überall Anklang wwe; ger blese ö e laßt innerhalb der Generaldiekussion, e, bei der gegenwärtigen

Hier, des Hauses, kaum erledigen.

Damit schließt die Generaldiskussion.

Bei der Spezialberathung des Etats des Finanz⸗ Ministe riums bringt

Graf von Mirbach die Einkommensteuerveranlagung, zur Sprache; in einigen Fällen würden die Zinsen der Amortisationen als Ginkommen versteuert. Aus der Steuerreform habe der Staat einen Vortheil in Höhe von mebr als 55 Millienen Mark infolge der Steigerung der Einkommensteuer. Der Minifter könnte daher etzt auf die Ergänzungesteuer heizichten und würde immer noch einen

eberschuß von mehr als 25 Millionen haben.

Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Finanz ⸗Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Was den ersten Punkt anbetrifft, den Herr Graf von Mirbach bier berührt hat, so kann ich wirklich nicht mehr thun, als ich gethan habe. Ich babe mündlich in beiden Häusern mehr als einmal erklärt: wenn eine Steuerbehörde nech glaubt, daß ein Maxi⸗ mum für Abschreibungen vorgeschrieben sei, so ist daz falsch; ich bin aber noch weiter gegangen, ich habe zu zwei verschiedenen Malen Zirkularverfügungen in diesem Sinne an die Behörden ergehen lassen. Mehr kann nicht geschehen.

Kommen nun derartige Beschwerden, so babe ich sie aber nicht zu entscheiden, sondern sie gehen an das Ober Ver waltun 5gericht. Glücklicherweise denn ich wärde mich vor Klagen und Beschwerden gar nicht retten können. (Zuruf: Sehr bequem!) Sie sagen: „Sehr bequem!“ Wer bat uns nun aber zu unserem Besten dazu gebracht? Die beiden Häuser des Landtags. (Heiterkeit) Sie haben dos Ober ⸗Verwaltungszericht bineingebracht. Es ist leicht, seine eigenen Sünden auf einen anderen abzuschieben, aber immer kommt man damit nicht durch. (Heiterkeit Meine Herren, was nun die zweite Sache betrifft, daß die Zinsen der⸗ jenigen Amortisationsbeträge, die bei den Landschaften liegen, als Ver⸗ mögensvermehrung erachtet werden, so ist, logisch genommen, das voll⸗ ständig berechtigt. Denn wenn die Kapitalien sich durch Zinsen ver mebren, so wird durch diese Zinsen das Vermögen verbessert. Aber auch hier ist meine persönliche Meinung volltommen irrelevant. Denn das Ober⸗Verwaltungsgericht hat ohne mein Zuthun (kört! hört) diesen Satz entschieden. Ich kann darauf gar nicht einwirken, ebenso wenig wie der Justiz⸗Minister seinen Richtern befehlen kann, wie sie entscheiden sollen. Um die Sache einigermaßen zu erleichtern, habe ich, wozu ich m ich kompetent hielt, angeordnet, daß diese Berechnung der Zinsen, die ja häufig sehr kleinlich exscheinen kann, nur in Perioden von drei Jahr en erfolgen soll. (Zuruf: Das ist etwas) Weiteres kann ich in der Frage nicht thun.

Wenn nun heute Herr Graf Mirbach mir rätb, auf 35 Millionen Einnahme zu verzichten (Graf von Mirbach: Ich habe nur gehofft, während doch beide Häuser davon absehen, fortwährend größere Aus⸗ gaben auf allen Gebieten vom Staate zu verlangen, so glaube ich tiefer auf diese Frage nicht eingeben zu sollen. Ich möchte nur ich habe das in der Generaldiskufsion vermieden in dieser Be⸗ ziehung für die Nothwendigkeit der Festhallung der Einnahme des Staates auf die Erfahrungen hinweisen, die die Herten in einigen Jahrer, wie ich fürchte, machen werden. Sie sollten nur einmal gründlich studieren die wahrscheinliche Entwicklung der Reinerträge unserer Eisenbabnen und wie sie schon in den nächsten Jahren sich gestalten werden; dann würden Sie nicht auf den Gedanken kommen, in dem preußischen Staat die verhältnißwäßig geringen Steuern, die niedriger sind wie in allen anderen Staaten, noch vermindern zu wollen. Meine Herren, wir zablen in Preußen rund 5 M pro Kopf Staatssteuern. Ich kenne keinen Staat, der weniger Staats⸗ steuer fordert. Die schwankenden Einnahmen der Betriebs verwaltungen werden nur zu einem geringen Theile äquivaliert durch die feste, sichere Einnahme des Staates an Steuern, und es kann daher unter keinen Umständen daran gedacht werden in der gegenwärtigen Lage, die Ein⸗ nahme des Staates aus Steuern zu verringern. Wie gerecht aber diese Steuer gewirkt hat und wie entlastend gerade für die Land⸗ bevölkerung, kann ich dem Herrn Grafen Mirbach daraus beweisen, daß der Gesammtsteuerbetrag, den wir z. B. aus dem Bezitk Königsberg (Graf von Mirbach: Diese Erwähnung ist mir lieb) von der länd— lichen Bevölkerung bekommen, wenn ich nicht irre, O, 89 pro Kopf be⸗ trägt. Wie man über eine solche Belastung seitens des Staates ich rede nicht von Kreis,, Kommunalsteuern noch besonders klagen kann, ist mir unverständlich. Von diesem Durchschnitt des Staates von 5 S pro Kepf zahlen die östlichen Provinzen wie ich aus— drücklich betone vollständig entsprechend ibrer Leistungsfähigkeit 216 46, nicht mebr und nicht weniger. Ja, meine Herren, wie war es denn früber, als die Grund und Gebäudesteuer auf den Leistungs— fähigen und den Leistungsunfähigen gleichmäßig lastete, als nirgends die Schulden abgezogen werden konnten, als der Mann, der sein Gut mit 80 o verschuldet hatte und diese Schulden verzinsen mußte, genau dieselbe Grundsteuer bezahlen mußte als die Unverschuldeten, wo überall ein Bruttosteuerspystem bestand, welches den Aermsten bedrückte und die Reichsten entlastete? Heute ist es umgekehrt, und ich kann wohl sagen, daß alle Kulturstaaten in Europa sich fortwährend bemühen, allmäblich ihr Steuersystem in den Richtungen, die in Preußen Gesetz geworden sind, umzu⸗ gestalten. Aber auch ganz abzesehen von der Finanzfrage, möchte ich erwähnen, daß es die allergrößte Ungerechtigkeit sein würde, ein⸗ seitig die Ergänzungesteuer aufzugeben. Denn was ist die Ergänzungs⸗ steuer? Sie ist die gerechte Vorbelastung des Einkommens aus festem und vererblichem Besitz gegenüber dem mit der Person desjenigen, der das Einkommen trägt, zu Grunde gehenden Einkommen aus persönlichen Dienstleistungen. Meine Herren, es ist ungerechtfertigt, einen Arzt, einen Advokaten, einen Kaufmann, der Einkommen hat, nur so lange er lebt, gleich zu besteuern mit demjenigen, der einen festen und vererblichen Besitz hat, der bleibt und auf seine Nachkommen ohne irgend welche Arbeit der Betheiligten übergeht. Das ist die Bedeutung der Ergänzungssteuer. Wir würden also einseitig die Er⸗ gänzungssteuer nicht allein nicht aufheben, sondern nicht einmal ver⸗ mindern dürfen, wenn wir nicht in die ungerechte Besteuerung wieder verfallen wollen, welche wir mit Hilfe dieser Ergänzungssteuer unter Mithilfe dieses und des anderen Hauses zu beseitigen unt bemüht haben.

Meine Herren, daß allerdingsZs noch immer Klagen vorkommen Über einzelne Fehlgriffe und Verkehrthelten einzelner Beamten meiftens beziehen sich aber die Klagen auf die Kommunalbeamten und nicht auf die Staatsbeamten das zu leugnen ist mir nie eingefallen. Aber ich habe nicht geglaubt, daß etz möglich wäre, ein so schwierigesz

.

Steuersystem denn ein jedes Steuersystem, welches den Reinertrag besteuert und sich nicht an äußere, sichtbare, erkennbare Merkmale halt, ist ja sehr schwierig durchzuführen, dazu gehört eine längere Gr fahrung nicht bloß der Beamtenschaft und der Kommunalvorsteher, sondern auch der ganzen Bevölkerung, der Zensiten selbst, was sie nur durch Erfahrung lernen lönnen ein so schwieriges Steuersystem so glatt durchzuführen, ich bin erstaunt und ich glaube, mit mir wohl alle Sachkenner dieser Verhältnifse wie schnell und gut sich dieses radikal abgeänderte neue Steuersystem durchgeführt hat. Sowohl die Berufungen wie die Beschwerden sind in der stärksten Abnahme und vermindern sich jedes Jahr (Graf von Mirbach: Weil man kein Recht bekommt h, obwohl wir uns doch bemühen, alle Schwierig⸗ keiten in der Durchführung für die Zensiten möglichst zu ver— mindern. Neulich ist noch von mir eine allgemeine Ver fügung erlassen, welche den Beamten sagt, mit den Beanstandungen möglichst vorsichtig vorzugehen, und vor den Beanstandungen mög⸗ lichst immer eine mündliche Rücksprache mit dem Betheiligten ein treten zu lassen. Aber trotzdem bleibe ich bei dem Satze stehen, daß, sobald wir in der genauen Prüfung der Deklarationen lässig würden und wir unseren Beamten das anriethen, wir wieder zu den aller größten Ungerechtigkeiten in der Steuerveranlagung kommen würden, schlimmer vielleicht, wie wir sie vorher hatten, wo eingeschätzt wurde obne Deklaration. Wir können unter keinen Umständen darauf ein gehen; lieber würde ich die ganze Einkommensteuer aufgeben und eine andere Besteuerung suchen. Denn nichts ist nachtheiliger und gefähr⸗ licher, als eine gänzlich ungleiche Behandlung der Staatsbürger. Wir haben 6 Millionen Steuern mehr durch die Beanstandung und Nachprüfung der Deklarationen im vorigen Jahre eingezogen. Wenn wir das hästen laufen lassen, wenn wir nicht beanstandet hätten, dann würden 6 Millionen Steuern rechtswidrigerweise zum Nachtheil der ehrlichen Deklaranten und der kundigen Deklaranten denn keines- wegs beruben die unrichtigen Deklarationen, in der Regel wenigstens, auf Absicht durchgeschlüpft sein infolge Nichterfüllung der staats⸗ bürgerlichen Pflicht der Deklaranten, und darauf wird, wie ich hoffe, weder die Regierung, noch eine Volksvertretung jemals hindringen. SFürst von Lichnowsky macht darauf aufmerksam, daß nach dem Gesetze die Patronatslasten nicht abzugsfäbig sind, und fragt, wofür ein Majoratsbesitzer ohne Allod überhaupt Ergänzungssteuer zahlen müsse.

Vize⸗Präsident des Staats⸗-Ministeriums, Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Wegen des Abzugs der Patronatslasten liegt eine Entscheidung des Ober ⸗Verwaltungsgerichts vor. Das Ober⸗Verwal⸗ tungsgericht hat erklärt, die Patronatslasten seien öffentlich rechtlicher Natur, in dieser Beziehung den Kommunallasten gleich zu achten, und könnten daher vom Einkommen nicht abgezogen werden. Ich will mich nicht darüber äußern, ob ich diese Entscheidung in allen Fällen für richtig halte. Aber nach solchen konstanten Entscheidungen des Ober⸗ Verwaltungsgerichts muß sich natürlich die Steuerverwaltung richten. E folgt daraus vielleicht, was auch die Erfahrung in andern Punkten bereits ergiebt, daß das Einkommensteuergesetz hierüber replsions⸗ bedürftig ist. Es ist jedoch nicht gerathen, allzu früh in einzelnen Punkten das Gesetz zu revidieren, weil man das nur auf Grund einer ganz gesicherten Eifahrung thun kann.

Was die Frage der Zurechnung der Majorate zur Ergänzungs— steuer betrifft, so ist die Frage bier bei Berathung des Gesetzes ganz ausführlich diskutiert. Schließlich hat man bestimmt, das Fideikommiß, das Mojorat wird im freien Eigenthum desjenigen, der es nutzt, ebenso wie der Nießbrauch überhaupt zugerechnet. Diese gesetzliche Bestimmung besteht nun einmal, und ich kann sie jedenfalls nicht ändern. Es können ja diejenigen, die sich dafür interessieren und diese Bestimmung für unrecht halten, mal Gelegenheit nehmen, bei einer Revision diese Punkte zur Sprache zu bringen. Ich glaube aber nicht, daß es gelingen wird, in dieser Beziehung diejenigen, welche solche Majorate zu besitzen nicht in der Lage sind, von der Unrichtigkeit der jetzigen gesetzlichen Bestimmungen zu überzeugen.

Graf von Mirbach: Ich habe nur von einem Verzicht auf 35 Millonen gesprochen. Als die Staffeltarife aufgegeben wurden, verzichtete die Gisenbahnperwaltung auf 49 Millionen Mark Ein⸗ nahme. Die Ergänzungesteuer soll das fundierte Einkommen treffen; daz wird aber schon durch die höheren Stufen der Einkommensteuer getroffen. Das Arbenstinkommen wird wohl dem Steuersatze von ü0 nicht unterliegen. Die Ergänzungssteuer belastet die Steue czahler ohne Rücksicht auf den Grtrag. Das kann, bedenklich werden. Namentlich wird schwerlich jemand gegen die Ergänzungssteuer tellamieren, um feinen geschäftlichen Ruf nicht zu schädigen. Wenn er Ssten durch die Steuerreform entlastet ist, so ist diese Entlastung längst ausgeglichen durch die Kemmunalbesteuerung und durch die Zasten der Arbeiterversicherung. Der Osten hat durch die Abwanderung viel verloren. Die Branntweinsteuer wird vornehmlich vom Osten aufgebracht, die Zuckersteuer trägt auch die Landwirthschaft. Warum wird nicht einmal auf Eisen und Kohle eine Konsumsteuer gelegt?

Vize⸗Präsident des Staats-Ministeriums, Finanz⸗-Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Ich muß wiederum einlge Zahlen vorlesen. Es ist von Herrn Grafen von Mirbach gesagt worden, der Finanz ⸗Minister habe mit seiner Steuerreform ein Plus von 66 Millionen bereits er⸗ reicht. Ich würde darüber sehr erfreut sein, wenn die Zahl richtig wäre. Sie ist es aber nicht; mir wenigstens ist davon nichts bekannt. Aber wenn sie richtig wäre, so ist sie gerade erreicht durch den Fort⸗ schritt in dem Wohlstande, namentlich in den Kreisen der Industrie und des Handels, weil die Steuersätze dieselben geblieben sind, aber die Unterlage breiter und reichlicher geworden ist.

Dann hat Herr Graf von Mirbach gesagt, die Aufgabe des Systems der Staffeltarife habe dem Staate Verluste von 45 Millionen gebracht. Woher diese Zahl stammt, ist mir unbekannt. Als die Staffeltarife über Berlin hinausgehend für die drei Gegenstände Getreide, Vieh und Holz aufgegeben wurden zwei davon sind schon wieder eingeführt rechnete das Ministerium für öffentliche Arbeiten einen Verlust von 5. Millionen heraus und nicht von 45 Millionen.

Dann hat Hert Graf von Mirbach ausgeführt, daß die Steuerreform namentlich dem Osten Schaden zugefügt habe. Ich will da mit einer bestimmten Zahl antworten, obwohl ich zugebe, daß ich es bei der unzweifelhaften Mißdeutung, die daraus für den Gegenstand hergeleitet werden könnte, nur ungern thue und bedauere, daß man mich dazu provoziert. Meine Herren, in den Bezirken Ostpreußen, Westpreußen, Pommern und Posen betrug vor der Steuerreform die Staatssteuer 19 688 000 , die ausschließlich der Staatskasse zuflossen. 1897/98 aber nur 11 144 000 46 Wie da ein Vertreter dieser Bezirke sich über die Steuerreform beklagen kann, das verstehe ich nicht recht. (Sehr richtig) Da könnten sich eher andere Bezirke allerdings nach meiner

Meinung auch mit Unrecht beklagen, weil sie jetzt auch nur leisten, was ihrer Leistungsfähigkeit entspricht. (Sehr richtig h

Meine Herren, von den anderen Dingen, die der Herr Graf bier vorgetragen bat in Betreff der Höhe der Kommunalsteuern u. 1 habe ich nicht gesprochen, vielmehr ausdrücklich anerkannt, daß die Kommunalsteuern auch auf dem Lande vielfach sehr hoch und drückend sind. Zum theil aber kommt das auch von der vielfach übermäßig raschen Steigerung der Aufgaben der Kommunalverbände lsehr richtig!), sowohl in Stadt wie in Land. Wenn man sich alles erlaubt, wie viele Kommunalverbände, und die Ausgaben mit einer Rapidität steigert, die dem Wachsen der Einkommen gar nicht entspricht, so treten solche Folgen leicht hervor. Aber was Ostpreußen betrifft wenn man dort sich noch besonders beklagt, so hat man dazu wohl keine Ursache. Wenn ich das, was der Staat extraordinär für Ost⸗ preußen in den letzten 10 Jahren gethan hat, hier aufführen wollte doch ich will das lieber unterlassen, denn es könnte den Neid der anderen Provinzen erregen. (Sehr richtig! Heiterkeit.) Meine Herren, die ärmsten Bezirke und die ärmsten einzelnen Zensiten haben und sollten haben von dieser Reform den meisten Vortheil, und ab⸗ gesehen von Einzelheiten, die in hier und dort vorgebrachten Be⸗ schwerden zum Ausdruck kommen, ist dieser Erfolg auch vollständig eingetreten. Das erkennt jeder ftemde Staatsmann oder Steuer⸗ techniker, der von Oesterreich, Frankreich oder Italien herkommt, an. Wenn man 5 M pro Kopf Steuern bezahlt, dies dann vergleicht mit den direkten Steuern in allen anderen Kulturstaaten, selbst England nicht ausgenommen, und sich dann noch beklagt, so bin ich demgegen⸗ über überzeugt, alle anderen Nationen werden uns um diesen Zustand beneiden und werden sagen: Wie habt Ihr Grund zu klagen, da der größte Theil der Staatsausgaben nicht aus Eurer Tasche fließt, sondern aus dem angesammelten Vermögen des preußischen Staats? Wir mögen unseren Vorfahren dankbar sein, daß sie in Bezug auf die Steigerung der Ausgaben viel vorsichtiger gewesen sind, wie wir heute. Ob wir einmal dasselbe gute Gewissen gegen unsere Nach⸗ kommen haben werden, wie unsere Vorfahren es uns gegenüber haben, das wird die Zukunft lehren. Nun, was würde Herr Graf Mirbach sagen, wenn ich zur Aufbesserung der gewiß sehr schwierigen Ver⸗ hältnisse in seiner Heimathprovinz ihm vorschlüge, das alte Steuer⸗ system wieder herzustellen (Graf von Mirbach: Les Huene!) die lex Huene rechne ich mit ein; die Ueberweisung der Grundsteuer be⸗ trägt doppelt so viel wie der ganze Durchschnittsbetrag der les Huene wenn ich ihm vorschlüge, statt' der 11 Millionen in Zukunft mit Rücksicht auf die Vorliebe für das alte Steuersystem wiederum 19 Millionen zu zahlen? Ich glaube, ich würde dabei doch noch populärer sein, wie Herr Graf von Mirbach es heute in Ostpreußen ist. (Große Heiterkeit. Graf Mirbach: Nein)

Graf von Mirbach: Die Einnahmen aug der lax Huene würden mehr belragen haben, als die überwiesene Grundsteuer. Die Ein⸗ kommensteuer beirägt 26 Millionen mehr, als man angenommen, und die Einnahmen aus der lex Huene sind ebenfalls gestiegen, so daß der Staat 50 Millionen Ueberschuß hat. Bei der ansteigen den wirth= schaftlichen Entwickelung Ostpreußens wird die Besteuerung sehr schwer empfunden.

Vize-Präsident des Staats⸗Ministeriums, Finanz-Minister Dr. von Miquel:

Ich habe seinerzeit im Abgeordnetenhause nachgewiesen, daß bei der ersten Einführung der Reform wir anderthalb Millionen mehr aufgegeben haben, als wir wiederbekommen, sodaß die Reform nichts weiter war, als eine bessere Umlegung der Belastung der Bevölkerung mit derselben Summe, und Herr Graf Mirbach wird in der Lage sein, meinen damaligen Nachweis zu lesen, und er wird ihn nicht widerlegen können, wie er auch von keiner Seite weder im andern, noch in diesem Hause irgendwie bemängelt wurde. Meine Herren, wenn nun aber der gegenwärtige Betrag des Aufkommens der Ein kommensteuer in Berechnung gezogen wird, so muß auch in Betracht gezogen werden, wie sich die Giträge des alten Steuersystems seiner⸗ seits in der Zwischenzeit vermehrt haben würden (sehr richtig!), und da würden wir bei der Gebäudesteuer allein 9 Millionen mehr haben. Meine Herren, das würde dem Staat zu gute gekommen sein, während die Revisionsmehrerträge jetzt den Kommunen zu gute gekommen sind, sodaß man in Rechnung stellen muß gegen das heutige Aufkommen der gegenwärtigen Steuern nicht, wie damals, 102 Millionen, sondern rund 131 Millionen. Meine Herren, nun habe ich es oft aus— gesprochen, daß das, was die alten Provinzen zahlen, genau das selbe ist, was die westlichen Provinzen zahlen, wenn man den allein richtigen Maßstab der Leistungsfähigkeit anlegt. Ich bebaupte nicht, daß die östlichen Provinzen zu wenig zahlen, dagegen möchte ich auf das ent⸗ schiedenste Verwahrung einlegen (Heiterkeit); denn was den S9 Pfennigen entspricht in den Städten oder in den Industriebezirken, entspricht vollkommen richtig vielleicht 10 bis 12 6 pro Kopf in diesen Be= zirken. Da kann keiner sich beklazen. Nun sagt Herr Graf pon Mirbach, in seiner Heimath verschlimmere sich die Lage der lãnd⸗ lichen Bevölkerung. Ich gebe das für die letzte Zeit zum tbeil zu. Was wird die Folge sein? Wie sie steigt mit den wachsenden Ein- kommen, geht diese Steuer bei der Verminderung des Einkommens herunter. War das früher der Fall? In keiner Weise. (Zuruf.)

Die Steuerreform hat aber mit der Steigerung der kommunalen Ausgaben nichts ju thun. Die Kreise haben, das gebe ich zu, bis zu einer gewissen Grenze außerordentlich große Aufwendungen füt die Verbesserung ihrer Chausseen, für Kleinbabnen u. s. w. machen müssen; ihre Ausgaben steigen stark. Das ist ja klar; das wũrde aber ohne die Steuerreform genau ebenso gewesen sein wie mit der Steuerreform. Das hat mit dieser ganzen Frage garnichts zu tdun. Auf die andere Frage, auf die Belastung der Provinzen durch Geld und durch Mannschaften im Osten wie im Westen brauche ich auch nicht einzugehen; denn das hat mit der Steuerreform auch nicht das Gecingste gemein. Ich glaube daher, daß es ein großer Irrtbum ist. wenn Herr Graf Mirbach glaubt, gerade in seiner Oeimath sei man bei der Steuerreform schlecht weggekommen. Im Gegentbeil. Weil früher das Schwergewicht auf der Bruttobesteuerung lag, war die Provinz fiüher überlastet und ist letzt entlastet worden.

Graf von Mirbach: Die Belastung der Kommunaler dände rührt daher, daß vor Frlaß des Dotatlonsgesetzes die westlichen

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6 ausgebaute Staatechausseen batten; wir im Osten mussen e erst auf eigene Kosten bauen.

Vize⸗Präsident des Staats-Ministeriums, Finanz · Minister Dr. von Miquel:

Melne Herren! Ich bestrelte dag nicht, was Derr Graf von Mirbach eben sagte. Ich din auch der Meinung, bei der Dotation der Propinzen sind die ostlichen Prodinzen in Bezug auf den Wegedau ungünstiger weggekommen, als es daäͤtte der Fall sein sollen. (Sebr