1899 / 89 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 15 Apr 1899 18:00:01 GMT) scan diff

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Anspruch genommen werden mußten. Die große Zahl der Drähte machte vielfach Ausästungen der vorhandenen Baumpflanzen noth⸗ wendig, die den letzteren von Nachtheil waren und doch nicht ent—⸗

schaͤdigt zu werden brauchten. In den Städten mußten die Straßen

und die Häuser kreuß und quer von den Fernsprech⸗ leitungen überschritten werden, und außerdem mußten noch die unterirdischen Anlagen erheblich vermehrt werden. Das letztere brachte die Telegraphenanlagen mit Gas⸗, Wasser⸗, Kanalisations⸗ arbeiten in Berührung. Noch schwieriger haben sich die Ver hältnisse gestaltet, seit die Starkstromtechnik auf dem Gebiete der Lokalbahnen, der Beleuchtung, der Kraftübertragung einen so mächtigen Aufschwung genommen hat. Die Starkstrom⸗ anlagen sind, wie bekannt, den Telegraphen.· und Fernsprech⸗ linien in doppelter Hinsicht gefährlich: einmal, indem sie bei Draht⸗ und Stangenbrüchen mittels. Berührung ihren hochgespannten Strom in die Schwachstromleitungen entsenden und hierdurch Brandschäden verursachen, auch das Leben der Beamten, die in den Fernsprech⸗ ämtern thätig sind, und der Fernsprechtheilnehmer gefährden, sodann, indem sie durch abirrende Ströme oder durch Induktion die telephonische Verständigung erschweren, oft auch unmöglich machen. Alles das hat naturgemäß sehr auf das ganze Fernsprechwesen ein—⸗ gewirkt, weil das Bestreben der Städte, aus den Starkstromanlagen Nutzen zu ziehen, ihnen vielfach Veranlassung gab, diese zum Nach theil der Telephonanlagen zu begünstigen. So sah sich die Telegraphenverwaltung Schwierigkeiten aller Art ausgesetzt, und bei den Meinungsverschiedenheiten mit den Wegeberechtigten fehlte es an einer die Entscheidung aussprechenden oberen Instanz.

Meine Herren, es sind nun neuerdings zwei wichtige oberstgericht⸗ liche Entscheidungen gekommen, welche beide zu Ungunsten der Reichs Telegraphenverwaltung ausgefallen sind. In dem bekannten, von der Stadt Breslau angestrengten Prozeß hat das Reichsgericht festge⸗ stellt, daß das Reich nicht befugt sei, ohne Genehmigung der Stadt den Luftraum über den Straßen mit seinen Telegraphendrähten zu überschreiten. Sodann bat das preußische Ober⸗Verwaltungsgericht abweichend von der seitens der Reichs Telegraphen verwaltung in Uebereinstimmung mit der preußischen Staatsregierung festgehaltenen Ansicht in einem Falle entschieden, daß bei der im Jabre 1876 erfolgten Uebertragung der preußischen Staatechausseen auf die Provinzial verbände mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung die durch den Bundesrathsbeschluß von 1869 begründeten Verpflich⸗ tungen gegenüber der Telegraphenverwaltung nicht unbedingt, sondern nur soweit auf die Provinzen übergegangen seien, als sie schon vor der Uebertragung thatsächlich ausgeübt wurden. Also Sie sehen, daß auch bei den Kunststraßen heute durch diese Entscheidung des Ober⸗Verwaltungsgerichts erhebliche Schwierigkeiten entstehen müssen, weil nach dieser Entscheidung bereits vorher Telegraphenanlagen an den Straßen gewesen sein müssen. Das ist ungefähr ein Bild von der gegenwärtigen Rechtslage. Man kann sagen: wo sich die Telegraphenderwaltung nicht durch Abkommen das ist meift in den größeren Städten der Fall, betreffs Berlins ist ein klares Abkommen vor Jahren getroffen, welches die ganzen Verbältnisse regelt ich sage also, wo sich die Telegraphenverwaltung nicht gesichert hat oder wo ihr nicht die Landesgesetzgebung beigesprungen ist, wie in einzelnen Staaten, so steht ihr ein Recht zur Benutzung der öffentlichen Wege somit überhaupt nicht zu.

Welchen Aufgaben steht die Telegraphenverwaltung anderer- seits gegenüber? Ich nenne nur die Ausdehnung der Fernsprechanlagen auf kleinere Octe und das flache Land, sowie den Uebergang zum Doppelleitungssystem, welcher umfassende unterirdische Anlagen nöthig macht. Wie ist dies alles möglich ohne die Benuzung der öffentlichen Wege, ohne einen gesicherten Bestand einmal bergestellter Anlagen? Soll die Telegrapbenverwaltung sich des Kampfmittels bedienen, daß sie die Herstellung neuer Anlagen ver⸗ sagt, wenn ihr nicht die nöthigen Rechte von der Kommune ein— geräumt werden? Meines Erachtens, meine Herren, kann dies Mittel nur eine ultima ratio sein und nur vereinzelt in Frage kommen, und auch da versagt es, wenn derjenige, der die Benutzung des Weges ver⸗ bietet, kein Interesse am Zustandekommen der Anlage hat.

Ich möchte hier auf einen Fall hinweisen, der z. B. bei der An— lage des Telephons zwischen Berlin und Frankfurt a. M. sich gezeigt hat. Da ist die Anlage um dreiviertel Jahre verzögert worden, weil ein Wegeberechtigter in Hessen⸗Nassau die Benutzung der Straße wegen eines am Wege stehenden Apfelbaumes nicht erlauben wollte. Ja, meine Herren, ich erkenne vollständig an, daß es sich bei den Schwlerigkeiten, die der Telegraphenverwaltung bereitet werden, keineswegs bloß um Apfel, und Birnbäume handelt. Aber es handelt sich auch oft um Ur Wahrnehmung noch anderer, weit wichtigerer Interessen. Der Förderung des Telegraphen . und Telepbonverkehrs stehen auf der andern Seite die Benutzung der Straßen für Personen— und Güterbewegung, für elektrische Anlagen aller Art, ferner für Einbettung der Gas. Wasser⸗ und Kanalisationsanlagen entgegen, und endlich unterschätze ich gewiß nicht die Bedeutung der Erhaltung und Ausdehnung der Obstbaumanlagen an öffentlichen Straßen und Wegen.

Der Ausgleich zwischen so wichtigen Interessen ist eine Aufgabe der Gesetzgebung. Die verbündeten Regierungen haben sich deshalb entschlofsen, meine Herren, Ihnen diesen Gesetzentwurf vorzulegen. Der Entwurf bat sich die billige Vermittelung zwischen den ver⸗ schiedenen in Betracht kommenden Interessen zur Aufgabe gemacht; er giebt Normen über die Benutzung der öffentlichen Wege für die Zwecke der Telegraphenverwaltung, setzt in erster Linie die gütliche Einigung der Betheiligten als Regel voraus und legt für den, wie ich hoffe, immerhin recht seltenen Fall von Meinungsverschiedenbeiten die Entscheidung in die Hand einer böheren Landesbehörde. EGin— schränkungen des Privateigenthums enthält er in äußerst bescheidenem Maße, und auch da nur insoweit, als die Benutzung des Pꝛivateigen thums darunter nicht leidet.

Sie gestatten mit wobl noch, meine Herren, auf die einzelnen Punkte kurz einzugeben. Die Telegraphenverwaltung soll das Recht zur Benutzung der öffentlichen Wege und dessen, was dazu gebört, haben, aber nur, insoweit und solange nicht dadurch deren Ge⸗ meingebrauch beeinträchtigt ist, denn der Gebrauch zum Gehen, Reiten, Fabren für jedermann ist die bistorische Zweckbestimmung der öffentlichen Wege und geht allem Anderen vor. Diese Zwedbestimmung der öffentlichen Wege wird aber insofern durch das Gesetz erweitert, als sie daneben nur in zweiter Linie auch die Telegrapbenlinien aufnehmen sollen. Das ist zwar formell das gebe ich zu etwas Neues, es knüpft aber insofern an etwas

Herkömmliches an, als die öffentlichen Wege von jeher zur Nachrichtenübertraqung aller Art benutzt worden sind. Soweit eine solche Telegraphen⸗ Anlage dem Gemeingebrauch eines Weges hinderlich wird, ist sie zu beseitigen, ebenso, wenn der Weg verändert oder verlegt wird, und iwar stets auf Kosten der Telegraphenverwaltung. Dies ist meines Grachtens eine wichtige Abweichung von den Bestimmungen des Bundesraths. beschlusses von 1869 über die Benutzung der Kunststraßen.

Eine besondere Rücksicht läßt der Entwurf den Baumpflanzungen an den öffentlichen Wegen angedeihen. Die Bäume sind ja an sich die Feinde telegraphischer und telephonischer Verständigung. Ihre Aeste berühren die Dräbte und lenken den elektrischen Strom von dem richtigen Wege ab. Die Ausästungen der Bäume lassen sich daher nicht immer vermeiden, aber dadurch, daß die Entschädigungs⸗« pflicht der Verwaltung festgelegt wird, wird unbedingt den Klagen entgegengetreten, die heute, namentlich aus Keeisen der ländlichen Be⸗ wohner, der Telegraphenverwaltung entgegengebracht werden, daß die Bäume oft über Gebühr ausgeästet werden. Von dem Moment an, wo die Entschädigungsverpflichtung der Telegraphenverwaltung vorliegt, wird schon von selbst gewissermaßen der Regulator geschaffen werden, daß nicht unnütze Ausästungen vorgenommen werden.

Eine recht schwierige Frage, meine Herten, ist die Regelung des Verhältnisses der Telegraphenanlagen in und auf den Straßen zu den sonstigen auf den Straßen befindlichen besonderen Anlagen, „Gas-, Wasser⸗, Kanalisationsanlagen, elektrischen Bahnen '. Die Benutzung für ihre Zwecke liegt nicht in der Weise innerhalb der ursprünglichen Zweckbestimmung der Straßen wie deren Benutzung zum Personen⸗ und Güterverkehr; sie stehen also den Telegraphenanlagen auch nicht vorberechtigt gegenüber. Ein Vorgang für die Re⸗ gelung bot sich in dem durch 5 12 des Telegraphengesetzes aufgestellten Grundsatz, wonach bei Kollision von jüngeren elektrischen Anlagen mit älteren, die jüngere Anlage die Kosten des Schutzes zu zahlen hat, die nöthig sind, um den ungestörten Betrieb der älteren zu sichern. Es ist hier nun von mir nicht an Sonder— vorschriften gedacht, sondern es ist lediglich mein Bemühen gewesen, eine ehrliche Auseinandersetzung berbeizuführen, und ich kann mich hierbei auch darauf beziehen, daß selbst in der Presse, selbst in den Eingaben der letzten Tage beute sind uns erst wieder aus zwölf größeren Städten von den Bürgermeistern solche zugegangen anerkannt worden ist, die Telegraphenverwaltung ist bestrebt gewesen, eine ehr⸗ liche und billige Auseinandersetzung zwischen den widerstreitenden Gle—⸗ menten herbeizuführen.

Für die Starkstromanlagen ist überdies die Situation noch besonders günstig geworden durch den in der Vorbereitung befindlichen Uebergang zum Doppelleitungssystem; wo dies durchgeführt ist, hat der viel umstrittene S 12 des Telegraphengesetzes wohl seine Schrecken verloren. Beim jetzigen Einleiterspstem der Telephonanlagen muß die spätere Starkstrom⸗ anlage vor allem die sebr ins Gewicht fallenden Kosten metallischer Räckleitungen tragen, da diese meist das einzig wirkende Schutzmittel bilden. Diese Ausgaben werden nach Duichfährung des Fernsprech⸗ Doppelleitungssystems erspart; dann kann es sich nur noch um die verhältnißmäßig billigen Schutzmaßregeln gegen Berührungen bandeln.

Das Verfahren, welches der Entwurf der Benutzung öffent- licher Wege zum Zweck der Telegraphenanlagen voraufgehen läßt, ist mit seiner klaren Auslegung und Feststellung darauf berechnet, thun⸗ lichst allen Betheiligten vorher Kenntniß und Gelegenheit zu Ein wendungen zu geben. Es ist vielleicht etwas zu vorsorglich; denn ich bin mir darüber nicht im Unklaren, daß die schriftlichen Arbeiten der Verwaltung sehr erheblich werden gesteigert werden, wenn bei jeder einzelnen Anlage mit den Hundkrten und Tausenden von Interessenten eine Auseinandersetzung berbeigeführt werden muß.

Endlich enthält der Gesetzentwurf noch einige wenige Be— schränkungen des Privateigenthums; aber diese besteben in der Hauptsache in dem Rechte der Telegraphenverwaltung, durch den Luftraum über den Häusern und Grundftücken ibre Drähte zu führen, so weit und so lange dadurch der Besitzer in der Benutzung seines Eigenthums nicht beeinträchtigt wird. Es ist dies weiter nichts als eine entsprechende Erweiterung des schon vom Bürgerlichen Gesetzbuch anerkannten Geundsatzes, daß das Recht des Eigenthümers nicht dazu dienen darf, Handlungen zu untersagen, an deren Verbot er kein Interesse hat.

Vergleichen Sie nun, meine Herren, die Bestimmungen des Entwurfs mit den im Anbang zu den Motiven Kbgedruckten ausländischen Gesetzen, und ich glaube, Sie werden mir zugeben müssen, wie außerordentlich bescheiden hier meine Vor— schläge im Vergleich zu dem sind, was andere Telegrapher⸗ verwaltungen sich baben bewilligen lassen resp. für erforderlich er⸗ achtet baben zum Schutze ihrer Anlagen.

Indem ich Ihnen das Gesetz also, meine Herren, zur Annabme empfehle, will ich nicht verhehlen, daß seine möglichst baldige Ner⸗ abschiedung im dringenden Bedürfniß der Telegrapben verwaltung liegt. Denn die mit der Herabsetzung der Telephongebühren für kleinere Orte, mit der Ausdehnung des Fernsprechwesens auf das flache Land und dem Nebergang zu doppelten Leitungen beabsichtigten Verbesserungen würden garnicht durchführbar sein, wenn nicht der Telegraphenverwaltung ein gewisses Maß von Rechten zur Benutzung von öffentlichen Wegen eingeräumt würde. Ich bitte mich darin aber nicht mißjuverstehen Ich las neulich in einer Zeitung, man möge, wenn ich nicht auf die Erhöhung der Fernsprechgebühren für die ganz großen Städte verzichte, mich damit strafen, daß man das Wegegesetz nicht annehme. Nein, meine Herren, damit würden Sie nicht mich strafen, glaube ich, und auch nicht allein die Telegraphenverwaltung schädigen, sondern ebenso sehr die Kreise, die Sie vertreten, die Allgemeinheit. Denn dieses Gesetz ist vor allem dazu bestimmt, das Zustandekommen wichtiger, im Nutzen der Gesammtheit liegender Anlagen zu fördern und den rechtlichen Bestand dieser Anlagen zu gewährleisten.

Also im Interesse Aller, meine Herren, bitte ich Sie, diesen Gesetzentwurf möglichst noch in dieser Session zur Berabschiedung zu bringen.

Abg. Lenzmann (fr. Volksp.): Ich muß zunächst anerkennen, daß die Verwaltung ibunlichste Erleichterung auf diesem Gebiet beanspruchen kann. Die Vorlage verschafft ibt diese aber auf einem Wege, der durch scharse Eingriffe in die Rechte Dritter und in das Giger tbumsrecht gekennzeichat ist. Die Entschädigungepflicht des Staats für diefe Eingriffe wird nur hböchst unvollkommen statuiert. Die Verwaltung jucht möglichst viel Rechte zu erlangen und mög⸗

lichst an Eatschadigungen zu sparen. Wege und Straßen sind von den Gemeinden mit großen Kosten angelegt worden, die Telegraphen⸗

Berwaltung hat nichts dazu gegeben; sie kann also die Rechte an diesen Straßen und Wegen nur unter vollständiger Entschädigung der Eigenthümer und Berechtigten verkürzen. Durch alle diese Post= und Telegraphengesetze ziebt sich der rothe fislalische Faden bin durch. Bei der Anlage der Telegtaphen⸗ and Telephonleitung muß natürlich

eine Ausästung der entgegenstehenden Bäume stattfinden. Die Aus-

ästung soll der Eigentbümer auch felbft vornebmen können, dann aber soll er keine Entschädigung bekommen. Wie will man solche ungerechten Bestimmungen motivieren? Noch schlimmer ist der Eingriff, der im 5 6 erfolgt; dort wird statuiert, daß, wenn einmal die Telegraphen⸗Verwaltung eine Straße einer Stadt für ihre Zwecke in Anspruch genommen kat, die Stadt diese Straße oder diesen Weg nicht mehr für ihre Zwecke benutzen kann, es sei denn, daß sie sich dadurch leskauft. daß sie die aus der Verlegung oder Veränderung der Telegrapbenlinien entstehenden Koften trägi. Damit stellt man den Grundgedanken des Expropriationsgesetzes ein= fach auf den Kopf. Schon verlangt die Telegraphen⸗ Verwaltung die verschiedensten Schutzvorrichtungen für ibre Leitung von den großen Straßenbahnen in den ö 2 Großstädten und spannt dabei ihre Ansprüche gam über⸗ mäßig hoch. Ein einheitliches System herrscht darin nicht; im Gegentheil werden binnen wenigen Wochen von derselben Straßenbahn gan andere Schutzmaßregeln verlangt unter dem Aufgeben der Be⸗ feitigung der bisherigen. Nach der Vorlage sollen also diese Schutz. maßregeln von dem Unternehmer der späteren Anlage getroffen werden, ohne daß die Verwaltung auch nur ihre eigenen Gestänge und Ein richtungen dazu bergeben soll, damit diese mit solchen Einrichtungen versehen werden? 56 muß in der Kommission von Grund aus reformiert werden. ;

Staatssekretär des Reichs⸗-Postamts von Podbiels ki:

Der Herr Vorredner schloß mit den Worten: volle und ganze Entschädigung nach jeder Richtung bin, dann werden Sie ein Sesetz erhalten, was den Bedürfnissen des Verkehrs entspricht. Aus Ihrer Fraktion heraus ist mir beim varigen Gesetz entgegengehalten: Billige Gebähren!! Wer soll die Entschädigungen denn aber bezahlen? Wir sind doch darüber klar, daß der Fernsrrecher Sondervortheile dem bringt, der ihn benutzt, also muß auch dieser die Entschädigungen bezablen. Wollen Sie das, dann bin ich gern bereit, Ihnen zu folgen. Kostet es aber 100 S vro Leitung mehr, dann muß dieses Mehr eben der bezahlen, der den Fernsprecher benutzt. Sie reden hier immer leicht: das muß bezahlt werden. Ja, wer bezahlt's denn? Setzen Sie also in das Gesetz nur hinein die volle Entschädigung muß der Angeschlossene bezahlen“. Das ist die natürliche Konsequenz. So gehen aber immer die Meinungen aus⸗ einander: der eine sagt, es muß billiger werden, der andere sagt, ihr müßt entschädigen. Wie soll man beides vereinigen? Auch die ganze weitere Deduktion zeigt einen solchen Unterschied in der Auffassung. Ich stehe auf dem Standpunkte, die öffentlichen Wege dienen in erster Linie öffentlichen Zwecken, und erst in zweiter Linie den Eigent hümern. Daz wird so oft vergessen. Ich habe vorhin von dem Apfelbaum gesprochen; ich will mich aber bei dem nicht weiter aufhalten, sondern zu den großen Kommunen übergeben. Seien Sie überzeugt, mit denen komme ich immer in Ordnung. Ich will bier keine Namen von Städten anführen, aber wenn eine Stadt gewisse und berechtigte Forderungen der Verwaltung wicht erfüllt, und ich dann sage, ich kann unter diesen Verhältnissen nicht weiter bauen, so zwingt die Bewohnerschaft den Magistrat und die Stadtverord—⸗ neten dazu, nachzugeben. Ich habe vom Rhein den deutlichsten Beweis, wie das Bedürfniß die großen Kommunen unbedingt zwingt, mir entgegenzukommen, weil andernfalls die einzelnen Interessenten zu schwer getroffen würden. Aber, meine Herren, ganz anders und schwieriger liegen die Verbältnisse auf dem Lande. Denken Sie sich eine Menge kleinerer Ortschaften, Dörfer, die die Wege her⸗ geben müssen, der Drabt geht bei ihnen wohl durch, aber sie selbst haben keinen Natzen von der Telegravhen⸗ oder Telephonanlage. Wollen Sie die auf ihre Forderungen hin alle entschädigen, welche Summen würden dabei berauskommen? Ich habe sie Ihnen angeführt, rechnen Sie sie sich einmal, bitte, geneigtest nach! Wenn ich einen Draht etwa von hier nach Frankfurt am Main oder nach Köln ziehen und alle Betheiligten entschädigen will, so würde das ja jährlich Millionen kosten. (Zuruf) Ja, gewiß, meine Herren, wie wollen Sie denn das anfangen? Ich bin bereit, diese Berechnung Ihnen jederzeit klar zu legen. Wir müßten die Gesprãchsgebühten um das Vierfache erhöhen und würden doch nicht durchkommen. Also, wie gesagt, ich stehe auf dem Standpunkte, daß die öffentlichen Wege in erster Linie den öffent⸗· lichen Zwecken dienen müssen, also der Allgemeinheit, und daß nicht besondere Eigenthumsrechte daraus konstruiert werden dürfen.

Was nun die Frage der Ausastangen anlangt, so liegt das auf demselben Gebiet. Ich kann nur versichern, die Sache ift nicht am grünen Tisch erfunden, sondern sie ist mit den Interessenten durch⸗ gesprochen worden; diese sind sehr dafür, daß die Autästungen von ibn en und zu den ihnen am besten passenden Zeiten vorgenommen werden. Würde hier eine andere Berechnüng der Kosten vorgenommen, so würde das zu einer Vertheuerung und Erschwerung des ganzen Betriebs führen.

Was nun den angegriffenen 5 6 anlangt, so möchte ich nur hin⸗ weisen auf den 5 12 des Telegraphengesetzes, den wir wesentlich ab⸗ gemildert haben. Wir haben großes Entgegenkommen den Kommunen gegenüber bewiesen, indem wir sagten: wir sind bereit zu weichen. Ich glaube, gerade das Wesentlichste dieses Ge⸗ setzes liegt in Folgendem: bis jetzt war die Verwaltung immer nur auf die wenigen großen Kunststraßen angewiesen, auf denen auch der Hauptverkehr sich abspielt. Infolgedessen kommen wir hier auch viel leichter zu Störungen als künftig, wo die Tele graphenverwaltung alle öffentlichen Wege benutzen kann. Wir sind dann eben in der günstigen Lage, leichter autweichen zu können, uns nicht an die wenigen Tracen zu balten, welche der Hauptverkehr benußt— Der Schwerpunkt der ganzen Sache liegt darin, daß alle die Störungen, die hervorgerufen werden, und die namentlich die Stark⸗ stromanlagen verursachen, beseitigt werden. Das deppelte Leitungè⸗ system bietet hierfür zweifellos das beste Mittel; die Induktiont⸗ störungen werden verschwinden. In der Kommission wird nun Gelegenheit sein, auch diese Frage eingehend iu erörtern.

(Schluß in der Zweltea Beilage.]

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

M S9.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Ich glaube, es liegt in dem gegenseitigen Entgegenkommen ein wirksames Mittel, eine Verständigung ju erzielen, besonders möchte ich doch dem Herrn Abg Lenzmann bemerken, daß es nicht speziell konser⸗ vative Zeitungen sind, die mir mit Zustimmungs⸗Erklärungen vorgelegt sind, nein, die gan ze Presse bat im allgemeinen sich dahin geäußert, daß durch diese Gesetzvorlage eine wesentliche Verbesserung des jetzigen Zustandes herbeigeführt wird. Ich erachte auch gerade dieses Gesetz von wesentlichem Vortheil für die Städte, weil nämlich ihren Be—⸗ dürfnissen in der möglich werdenden Durchführung der Fernsprechlinien durch das platte Land besser Rechnung getragen wird. Und hier gerade boten sich bisher, wie ich gezeigt habe, die größten Schwierigkeiten. Einzelne rechtliche Ausführungen wird Ihnen nech der Herr Ministerial- Direktor Sydow geben. Die anscheinend so überjeugenden rechtlichen Ausführungen des Herrn Vorredners decken sich nicht mit unseren Auffassungen. Ich erachte den Begriff des öffentlichen Weges für einen ganz anderen, als daß lediglich nur das Eigentbum der betreffenden Kommune sich darin verkörpere. Der öffentliche Weg dient vor allen Dingen öffentlichen, oder anders ausgedrückt, allgemeinen Zwecken, nicht bloß den Sonderjwecken derjenigen, der sich Sesitzer nennt.

Direktor im Reichs⸗Postamt Syẽdow: Meine Herren! Durch die Anklageakte dez Herrn Abg. Lenimann gegen den Entwurf ziebt sich wie ein rother Faden der Begriff des Eigenthums. Vom Stand⸗ punkt des Privateigenthums im engsten Sinne aus hat der geehrte Herr die ganzen Bestimmungen dieses Entwurfs durchgenommen. Ich glaube und kann in dieser Beziehung nur wiederholen, was der Herr Staats sekretär schoT gesagt hat: es geht wirklich nach unserem mozernen Rechts- bewußtsein nicht an, das Recht der öffentlichen Wege in erster Linie vom Standpunkt des Privateigenthums aus zu beurtheilen. Ich weiß sehr wohl, daß auch Privateigenthum an öffentlichen Wegen bestebht, und daß es auch einen großen wichtigen, bedeutungsvollen Inhalt hat, aber in erster Linie sind und bleiben die öffentlichen Wege zu öffent⸗ lichen Zwecken und speziell zu Verkehrszwecken bestimmt. Was andert nun der Entwurf in seinem ersten Paragraph in der Beiiehung? Er erweitert die Zweckbestimmung des öffentlichen Weges zu öffentlichen Zwecken. Es ist schon vorhin angedeutet worden, daß in gewisser Be⸗ ziehung der öffentliche Weg auch früher zur Nachrichtenübermittelung 5 hat, solange diefelbe durch Fußboten, durch reitende und ahrende Boten geschah. Es ist inhaltlich in mancher Beziehung etwas Anderes, aber dem Grundgedanken nach ist es Doch das selbe, wenn auch hier die öffentlichen Wege für die moderne Art des Verkehrs in Anspruch genommen werden. Sie werden aber nur beansprucht soweit, wie die historische Bestim mung des Wegs zu anderen Zwecken es erlaubt. Der Exvropriationestandpunkt kann in diesem Falle meines Erachtens nicht Platz greifen; denn der Einschränkung zu öffent⸗ lichen Zwecken ist das Eigenihum an einem öffentlichen Wege an sich unterworfen. Nur soweit neben dem öffentlichen Zweck noch Raum für die Privatbenutzung blieb, reicht dag Privateigenthum daran. Des halb erkenne ich für diese Bestimmung im § J den Grundsatz der Exproprigtion nicht als berechtigt an. Ich will garnicht auf die Kosten Rücksicht nehmen; thatsäͤchlich aber würde jener Grundsatz dahin führen, daß die Telegraphenanlagen, die im öffentlichen Interesse gemacht werden, in eine Linie, gestellt werden mit allen Ein⸗ richtungen, die lediglich privaten Interessen dienen ohne jeden öffentlichen Nutzen. Das geht meines Erachtens zu weit. Was den § 4 mit den Kosten der Ausästungen betrifft, so scheint in der Beziehung ein Mißverständniß obzuwalten. Im Gesetze beißt es, daß die Ausästungen vom Besitzer der Baumpflan⸗ zungen zu bewirken sind. Diese Beslimmung entspricht einem speziellen Wunsche der Straßenbauverwaltungen. Der Telegraphenverwaltung wäre es am allerquemsten, wenn sie die Augästungen selbst durch ihre Leute auf ihre Kosten vornebmen könte, aber die Träger der Straßenunterhaltungspflicht haben den Wunsch gehabt, daß es durch ihre Leute geschieht, weil sie meinen, daß es unter Umständen pfleglicher geschähe, daß ihre Leute dafür besser instruiert seien. Was die Kosten betrifft, so ist im Gesetz durchaus nicht gesagt, daß die Straßenbauverwaltung die Kosten zu tragen habe, wenn sie die Aus—= ästungen vornebmen läßt, es steht hier nur immer, daß, wenn die Telegraphenverwaltung die Ausästungen bewirkt, diese die Kosten ju tragen hat. Im übrigen ist es im Absatz 1 des 18 dem Bunderath vorbehalten, wegen der Kosten der durch die Straßenbauverwaltung bewirkten Ausästungen Bestimmung zu treffen; dabei hat man an die jetzige Bestimmung gedacht, die dahin geht, daß, wenn die Straßenbauverwaltungen die Ausästung im Zusammenhang mit ihren eigenen Ausästungen vornehmen läßt, dann die Kosten dieser Ausästungen, die für Zwecke der Telegraphen—⸗ leitung etwa mehr entstehen, nicht besonders liquidiert werden, da sie von jenen kaum zu trennen sind, daß dagegen, wenn die Vor— nahme besonderer Auzästungen seitens der Telegraphenverwaltung verlangt wird, diese und nicht der Straßenbauverwaltung die Kosten zu tragen hat. Soll dies im Gesetz festgelegt werden, so wird dagegen kaum ein erhebliches Bedenken bestehen. Nun komme ich ju den 55 5 und 6. Der Abg. Lenzmann will, daß wir uns auf den Standpunkt des Rechts stellen. Das wollen wir auch, und zwar haben wir gerade als rechtliche Grundlage den § 12 des elegraphen⸗ gesetzes Für den wichtigsten Fall der Konkurrenz bestimmt eben dieser Paragraph, daß die neuere elektrische Anlage diejenigen Kesten zu tragen hat, welche erforderlich werden, damit die ältere elektrische Anlage gegen die neuere geschützt werde. Dag ist hier verallgemeinert, ausgedehnt auf Gas, Wasser« und Kanalisations. und andere be⸗ sondere Anlagen und ist auf der andern Seite durch die auch von Derrn Lenzmann zugegebenen Ausnahmen gemildert worden, Ausnahmen, die sewobl hinsichtlich der in Vorberathung befindlichen Anlagen als hinsichtlich gewisser Anlagen zum öffentlichen Nutzen bestehen. Nun hat und das möchte ich nicht unwiderlegt lassen der geehrte Derr Abgeordnete die Behauptungen der Schrift des Verbandes der Kleinbahnunternehmungen man kann sie, ohne einen Vorwurf machen zu wollen, doch immer als Parteischrift beieichnen bier vorgetragen. Diese Schrift ist dem Reichs⸗Postamt wohl bekannt. Alle sachlichen Vorschläge sind erwogen und

eyrüft worden. Die darin der Lelegraphenberwaltung gemachten

orwärfe sind im allgemeinen nicht zutreffend. Der Hauptvorwurf, daß bei verschiedenen Bahnen verschiedene Schutzmaßregeln verlangt werden, findet seine einfache Erklärung darin, daß die verschiedenen Lokalbahnen sehr verschiedene Konstruktionen und Verhältnisse baben. Die Bahnen jelber wünschen sogar oft ver- schiedene Schutzmaßregeln. Eine Bahn mit Bügelspstem . B. wie die Siemens und Haleke'sche, wünscht andere Schußmaßregeln als eine Bahn mit dem Trolleyspstem. Von einer mangelnden inheitlich keit in der Behandlung der Sache kann nicht die Rede sein, da alle diese Fälle bei der Zentralverwaltung zur Verhandlung kommen. Daß sich im Laufe der zehn bis zwölf Jahre, in denen sich die tarkstromtechnik zu ihrer jetzigen Bedeutung entwickelt bat, auch die Technik, der Schutzmaßregeln sich in Einiel⸗ beiten geändert hat, ist selbstverftändlich. Wenn die Herren die Schmeljsicherungen als alleiniges Palladium ansehen, so können

Berlin, Sonnabend, den 15. April

wir dem nicht beitreten. Allerdings bat die Reich Postserwaltung in diesem Jahre angeordnet, überall, wo Starkstromar lagen konkurrieren, die Schwachstromanlagen durch Schmelsicherungen, und zwar erst durch Grobsicherungen und dann durch Feinsicherungen zu schüßen. Das hilft aber nur denjenigen, die am Apparate sind, sei es den Theilnehmeru an den Häusern oder den Beamten in den Vermittelunggämtern; für die Berührungen unterwegs bietet das keinen Schuß. Nun bitte ich zu bedenken, daß durch herabfallende Drähte Arbeiter auf den Dächern, Angestellte der Vewaltun, auch Private, die an den Leitungen vorbeigehen, getroffen werden können, lange ehe ein solcher Starkstrom die Schmelisicherung erreicht hat. Also im Interesse des Schutzes des Publikums und des Schutzes unserer Beamten müssen wir neben den Schmelzsicherungen noch Maßregeln verlangen, welche die Berührung, also die Ursache des Schadens, thunlichst verhüten. Jedenfalls kann ich die Herren persichern, daß von Bureaukratismus und Fiskalität dabei nicht die Rede ist. Es haben sich im Ganzen gerade in den letzten Jabren die Verhältnisse zwischen der Telegraphenverwmaltung und den Starkstram unternehmungen immer besser und freundlicher gestaltet, und es sind wenige Fälle nur, in denen nicht gütliche Uebereinkommen auch über die Schutzmaßregeln erzielt worden wären. Insbesondere sind die Rechte der Telegraphenverwaltung auf Grund des § 12 des Tele— graphengesetzes nur auf die allerdiskreteste Weise von der Zentral⸗ behörde angewendet worden. Im übrigen ist auch für eine Willkür der Telegraphen verwaltung gar kein Raum, da schon nach dem jetzigen Zustand nicht sie in letzter Linie entscheidet, sondern die Landesbebörde, die durchaus nicht lediglich auf seiten der Telegraphenverwaltung stebt. Wenn nun noch mit wenigen orten auf den § 12. die Beschränkung des Privateigen⸗ thümers durch die Verpflichtung Leitungen durch den Luftraum über den Häusern ju dulden, komme, so geschieht das auch nur, um einem Miß verständniß vorzubeugen. Der geehrte Herr Abgeordnete hat gesagt, was in § 12 stebe, ergebe sich schon aus § 963 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Das trifft doch nicht vollkommen zu; es ist wenigstens vom Reichsgericht angenommen worden, daß ein Interesse des Prirat- eigenthümers, die Führung von Drähten über sein Haus zu ver— bieten, schon darin bestehen könne, daß er eine künftige Beeintrãchti⸗ gung seines Privateigenthums befürchte. Darin unterscheidet sich der 5 12; er fagt: so lange keine gegenwärtige Beeinträchtigung statt⸗ findet, soll das Ueberschreiten gestattet sein, sowie aber eine Be⸗ einträchtigung eintritt, hat die Telegraphenverwaltung zu weichen. Ich glaube, das entspricht allen Anforderungen der Billigkeit und enthält nur eine Fortbildung des Primips des Bürgerlichen Gesetzbuchs, die aber doch besonders ausgesprochen werden muß. Die von dem Herrn Vorredner vermißte Bestimmung, daß bei vorübergehenden Störungen Schadenersatz zu leisten sei, stebt im Absatz 2 des § 12. Nan will ich noch zum Schluß auf eins hinweisen. Gerade die hauptsächlich von diesem Gesetz berührte Starkstromtechnik hat sich, soweit meine Informationen reichen, dieser Vorlage ziemlich freundlich gegenübergestellt. Ez wird ja wahrscheinlich noch eine Eingabe von dem Verbande der Elektro—⸗ techniker kommen; ich glaube aber, daß nur sehr wenige Differenz- punkte dabei noch übrig sind. Die Starkstromtechnik hat meines Erachtens mit das größte Interesse am Zustandekommen dieses Ge⸗ setzes; denn die Durchführung des Doppelleitungsbetriebes ist ohne ein solches Wegegesetz praktisch unmöglich. Sobald aber das Doppelleitungs⸗ system durchgeführt ist, baben die Hauptausgaben, die der Starkstrom⸗ technik aus 5 12 des Teltgraphengesetzes erwachsen. ihren Boden verloren, dann können die Kosten für gemeinschaftliche Rückleitungen nicht mehr entstehen, und die Telegraphenverwaltung ist ja auch bereit und gewillt, durch Herstellung der Doppelleitungen diese Kosten in Zukunft auf ihre eigene Rechnung zu übernehmen. Aber natürlich muß sie zu dem Behufe in der Lage sein, diese zum theil unterirdischen und höcst kostspieligen Anlagen in einer recht gesicherten Weise anzubringen. Die Eingabe von den Ober ⸗Bürgermeistern ist mir heute früh erst zu Gesicht gekommen, soweit ich sie aber durchgelesen habe, stehen die berufenen Vertreter der großen Kommunen wesentlich freundlicher dem Gesetz gegenüber als der Abg. Lenzmann. Ich fürchte, daß wir bei Durchführung des reinen Entschädigungprinzips, wie es der Abg. Lenzmann weiter über das in der Eingabe der Ober- Buͤrgermeister geforderte Maß hinaus gegenüber dem 5 1 aufgestellt hat, schwerlich zu einer Einigung kommen. Ueber die Wuͤnsche, die mir bie jetzt aus den Petitionen der Ober⸗Bürgermeister und aus den wohl noch im Werden befindlichen Petitionen des Ver— bandes der Elektrotechniker bekannt geworden sind, halte ich eine Ver. ständigung für wohl möglich.

Um 5 Uhr wird die Fortsetzung der Berathung auf Sonnabend 1 Uhr vertagt. (Außerdem erste Lesung des Schlachtvieh⸗ und Fleischbeschaugesetzes und der Novelle zur

Gewerbeordnung.)

Preuszischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 55. Sitzung vom 14. April 1899.

Das Haus setzt die erste Berathung des 6. entwurfs, betreffend den Bau eines Schiffahrtskanals vom Rhein bis zur Elbe, fort.

Ueber den ersten Theil der Debatte ist schon berichtet worden.

Vize⸗Präsident des Staats⸗-Ministeriums, Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Ich möchte zupörderst noch mal erinnern, wie das schon der Herr Minister der öffentlichen Arbeiten gethan hat, an die Geschichte dieser Vorlage und des ganzen Unternehmens, wie es jetzt geplant wird.

Im Jahre 1886 beschränkte sich die Staatsregierung auf die Feststellung eines Kanals von Dortmund nach Emden. Es war da— mals ein sehr wichtiger, entscheidender Gesichtspunkt maßgebend, der sowohl bei der Staatsregierung, als bei dem Landtage vorherischte, die Unabhängigmachung, in größerem Maße wenigstens, Deutschlands von den holländischen Häfen. Man wollte in Emden einen neuen deutschen Erporthafen durch die Verbindung mit den großen Industriebezirken an der Ruhr herstellen. Meine Herren, es kam zwar die Vorlage da⸗ mals zu stande, aber nur unter der ausdrücklichen, vom Landtage gestellten Bedingung, daß dieser Kanal nicht für sich bleibe, nicht ein Ganzes bilde, sondern nur als Theil des jetzt vorgeschlagenen Mittel landkanals angenommen werden dürfte. Und das Gesetz, welches so aus der Initiative des Landtages hervorging, gab der Staattzregie⸗ rung die Direktive, nicht auf den Bau des ersten Stückes von Dort- mund nach Emden sich zu beschränken, sondern den ganzen Mittel- landkanal auszubauen. Die Initiative ist somit vom Landtage aug⸗ gegangen, und die Staatsregierung hat sich dieser Beschlußfassng des Landtages gefügt.

1899.

Meine Herren, die Regierung bat dann im Jahre 1894 ein weiteres Stück immer in dem Gedanken der ganzen Durchführung des Mittellandkanals vom Rbein bis zur Elbe vorgeschlagen, von Dortmund bis zum Rhein. Gerade auch, weil hier nur wieder ein

Stück vorgeschlagen wurde, ein Theil des ganzen Unternehmens, wurde die Vorlage heftig angegriffen, und aus diesen und

aus anderen Gründen fiel die Vorlage (Zuruf) und auch aus anderen Gründen, wie ich sagte. (Erneuter Zuruf) Das ist schwer zu entscheiden in diesem Augenblick. Meine Herren, soviel steht fest, daß die Staatsregierung, nachdem dies Gesetz von 1886 in der Gesetz˖ Sammlung erschienen und stehen geblieben ist, an und für sich berufen war, wenn keine vollständig ver— änderten Verhältnisse die Ausführung dieser gesetzlich'n Di⸗ rektiven ausgeschlossen, den im Gesetz vorgeschriebenen Plan weiter ju verfolgen und jur Ausführung zu bringen, nachdem das erste Stück, Dortmund Emden, fertiggestellt war. Die erste Frage ist so doch die: Sind entscheidende Gründe vorhanden, welche dem jetzigen Landtag den Zwang auferlegen, von seiner eigenen gesetzlichen Initiative seinerseits zurückzutreten und der Staatzregierung zu sagen: wir legen auf die Ausführung dieses Gesetzes überhaupt kein Gewicht mehr, weil die veränderten Verhältnisse zu einer anderen Schlußfolgerung zwingen?

Meine Herren, nun liegt die Sache aber genau umgekehrt. Seit dem Jahre 1885 ist der Verkehr auf den Eisenbahnen derartig ge— wachsen, daß man mit viel mehr Recht heute die Nothwendigkeit einer Ergänzung des Eisenbahnverkehrs durch den Wasserverkehr behaupten kann als im Jahre 1886. Es sind nicht allein keine neuen Gründe eingetreten, welche einen anderen Weg vorschreiben würden, sondern umgekehrt: die Gründe, welche berte für das ganze Unter- nehmen vorliegen, sind viel stärker als im Jahre 1886; darüber kann gar kein Zweifel sein, und ich glaube nicht, daß Sie mir das widerlegen können. Es sind auch sehr viele Mitglieder noch heute im Landtage, die für den Kanal Dortmund Emden nur gestimmt haben, weil sie voraussetzten auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen, daß sie damit nicht bloß für diesen einen Kanal, der sie nicht berührte, sondern für die Ausführung des Ganzen die nothwendige Sicherheit erlangten. (Sehr richtig) Die Staatsregierung mußte sich ver⸗— pflichtet halten, so lange es möglich ist, in Uebereinstimmung mit der gegenwärtigen Landesvertretung zu kommen, das zu thun, wozu das Gesetz sie geradezu anhielt.

Meine Herren, nun muß ich in vollem Maße anerkennen, daß bisher die Debatte durchaus sachlich, objektiv und gründlich gewesen, und ich kann dem Worte des Herrn Abg. Stengel, der in dieser Be⸗ ziehung jedenfalls obenan steht, was Sachlichkeit und Gründlichkeit der Behandlung betrifft, nur beistimmen: mehr als je bedürfe eine Vorlage wie die gegenwärtige einer gründlichen und ganz objektiven Prüfung, die allerdings hier im Plenum nicht mehr vorgenommen werden könne, zu der eine eingehende kommissarische Berathung erforderlich sei.

Die Staatsregierung wünscht ihrerseits auch nichts mebr, und ich glaube, jeder, auch der entschiedenste Gegner dieses Gesetzes muß an— erkennen, daß noch niemals eine Vorlage der Staatgregierung mit einem ausführlicheren und gründlicheren Material versehen gewesen ist wie die vorliegende. Wir haben uns auch keineswegs gescheut, die⸗ jenigen Mittheilungen zu machen, welche etwa gegen das Unternehmen verwerthet werden könnten. Sie brauchen nur die Denkschrift anzu⸗ sehen, die der Herr Abg. Stengel gegen die Regierungt vorlage an⸗ geführt hat, über das Verhältniß von Eisenbahnen zu Kanälen in andern Ländern; Sie brauchen sich nur die ganz objektiv aufgestellte Verlustliste über die Einbußen der Eisenbahnen durch die Konkurrenz zu betrachten, so werden Sie sich überzeugen: die Staatsregierung ist von dem entschiedenen Willen, alle Mittheilungen mit der größten Offenheit, mit der größten Objektivität dem Landtage zur genauen Prüfung vorzulegen.

Ich möchte nun meinen weiteren Ausführungen eine allgemeine Betrachtung voranschicken.

Wenn man sich Preußen ansteht, so wird man nicht zweifeln können, daß die Aufgabe, die Staatsgebiete im Osten und Westen in eine möglichst innige Verbindung zu bringen, gegenwärtig noch nicht als voll gelöst ist. Daß aber diese Aufgabe eine staatliche und wirth⸗ schaftliche Aufgabe ersten Ranges ist, wird niemand bestreiten können, wenn er daneben etwägt, daß wir im Osten Produktionsgebiete haben, welche Ueberschuß an Getreide, an Fleisch, überhaupt an landwirth—

schaftlichen Probukten haben, daß wir umgekehrt Bedarf an diesen

Produkten im Westen haben, daß der Osten dagegen angewiesen ist, Industriefabrikate aller Art wesentlich vom Westen zu beziehen, und daß es daher von vornherein geboten ist, hier einen Ausgleich durch ein möglichst billiges und sicheres Verkebrsmittel her— zuftellen. Gerade in Preußen ist das mehr der Fall als in irgend einem anderen Staat, den ich kenne.

So, meine Herren, muß man bei einer solchen allgemeinen Be— legenheit geographischer, wirthschaftlicher und sozialer Verhältnisse von vornherein glauben, daß, je leichter und billiger die Verkehrs—⸗ verbindungen zwischen diesen beiden, in vielen Beziehungen so sehr verschiedenen Landestheilen sind, desto mebr daraus prima facie Vortheil für beide Landestheile folgt, sowohl für den Osten wie für den Westen. Ich lasse mich in dieser allgemeinen Betrachtung in keiner Weise irre machen durch kleine Berechnungen, ob man eine Mark billiger oder theurer fäbrt u. s. w., durch in sich vielfach wider⸗ sprechende Motive, die ich hier die Redner habe deduzieren hören, die⸗ selben Redner, aus der Voraussetzung, daß die Kanäle nie aufkommen können gegenüber der Eisenbabn, und aus der anderen Behauptung, daß die Gisenbahnen zu Grunde gerichtet, der Staat durch die Konkurrenz der Kanäle bankerutt werden würde. (Sehr richtig! links.) Derartige sich widersprechende Behauptungen haben selbst die sachkundigsten Redner aufgestellt; man wird das sehen können aus dem stenographischen Bericht ihrer Reden. (Heiterkeit.)

Meine Herren, ich lasse mich dadurch in dieser allgemeinen Be—⸗ trachtung, die nach meiner Meinung überzeugender ist als diese kleinen

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