Rechnungsmandver, namentlich auch deswegen nicht irre machen, weil
es sich hier handelt um einen Kanal, der den einen inneren Tbeil des Landes mit dem anderen verbindet, unsere Ausfallsthore zur See aber unberührt läßt. Meine Herren, wir sind mal so gelegen, daß wir von der Weichsel bis zur Ems überall schiffbare Flüsse haben, die direkt in die See laufen, und daß, obwohl für die Landwirthe haupt⸗ sächlich die Frage wegen der Konkurrenz der ausländischen Schiffahrt in Betracht kommt, an dieser Thatsache nichts geändert werden kann. Wir können die Weichsel, die Oder, die Elbe, den Rhein nicht be—⸗ seitigen und nicht verhindern, daß diese Flüsse schiffbar sind bis in die See hinein. Die Ausfallsthore, von welchen man so viel spricht, sind vorhanden und sind von unserem Willen unabhängig. Verbinden wir nun diese Ausfallsthore mit einander, so kann das nur den Erfolg haben, den Güteraustausch im Lande zu be- leben lsehr richtig! links) und umgekehrt die absolute Abhängigkeit vom Auslande zu vermindern. (Sehr richtig! links.)
Ich will mal eine ganz krasse Voraussetzung machen — die jwar auch unter andern Bedingungen zutreffen wird —, daß unsere Häfen blockiert würden. Unmöglich ist das ja doch nicht. Dann würde es sehr werthvoll sein, Fabrikate vom Westen nach dem Osten und um⸗ gekehrt Brotfrüchte und andere Nahrungsmittel billig von Osten nach dem Westen zu bringen, ohne die See zu benutzen. (Bewegung.) Trifft das in diesem Falle zu, so wird naturgemäß es auch im Frieen zutreffen, wenn zugleich der erforderliche Schutz für die Landwirth— schaft durch eine höhere Feststellung der landwirtbschaftlichen Zölle gegeben wird.
Der Herr Graf Kanitz hat gesagt, der Osten hat keinen Vortheil
von dem Kanal; er hat aber auch nicht behauptet, und das habe ich von ihm auch nicht erwartet, daß der ganze Osten nach der land— wirthschaftlichen Seite Schaden von diesem neuen Kanal haben könnte. Kann man denn glauben, wenn die Zufuhr ausländischer Produkte der Landwirthschaft auf dem Wasser von Hamburg nach Magdeburg, von dort nach Berlin, von Berlin bis Bromberg statt⸗ finden kann, daß es dann möglich wäre, einer solchen guten, billigen Wasserstraße Konkurrenz von der Weser oder vom Rhein aus durch diesen langen Kanal zu machen? Getreide, das in den Osten vom Auslande kommt, geht entweder über Danzig die Weichsel hinauf oder über Stettin die Oder hinauf oder über Hamburg die Elbe hinauf, kann aber nie vom Rhein in den Osten auf dem Wege des Kanals kommen. Wo ist also ein Nachtheil? Das hat der Herr Graf auch, wie gesagt, garnicht behauptet; er hat etwaige Nachtheile für die Landwirthschaft aus dem Spiel gelassen, und es ist mir daher nicht recht verständlich, warum die östliche Landwirthschaft sich so sehr vor diesem Kanal fürchtet. Das ist mir unverständlich; denn, meine Herren, diesen meines Erachtens nicht vorhandenen Nach theilen stehen doch auch erhebliche Vortheile für die öst— liche Monarchle gegenüber. Wenn es wirklich wahr ist, was die Schlesier behaupten, daß hier in Berlin, in der Mark, in Sachsen, wie es die Braunkohlenbesitzer behaupten, die Steinkohle billiger würde — hat die Landwirthschaft darüber zu klagen? Dem Kohlenverbraucher kann die größere Billigkeit der Kohle doch nur an— genehm sein. (Zuruf rechts: Aber wenn die Industrie darüber zu Grunde geht! — Wenn! Die Gefahr für die Landwirthe würde sich ausgleichen durch die dann eintretende Stärkung der Industrie in anderen Landestheilen. (Widerspruch und Zuruf rechts) — Herr Graf, diese Frage ist doch nicht die Frage, die ich hier behandle; ich werde gelegentlich auch auf diese Frage kommen. Aber soviel ist gewiß, daß die Verbilligung ibrer Konsumartikel der Landwirthschaft nur nützt, und daß eine Ver— billigung von Kohle eintreten kann, kann man ja nicht ohne weiteres bestreiten. Der Konsument fteht sich immer besser, wenn unter den Produzenten Konkurrenz ist. Nun beziebt sich das aber nicht nur auf Kohle, sondern z. B. auch auf Kali. Wenn der Kanal durch die Provinz Sachsen geht und die Kalifrachten für den gesammten Osten der Monarchie erbeblich billiger würden, so würde die Landwirthschaft darüber sich ebensowenig beklagen. Thomasschlacke, künstliche Düngemittel aller Art werden möglicherweise durch den Kanal verbilligt werden, alles zum Vortheil der Landwirtbschaft.
Meine Herren, ich gebe nicht zu, daß die Landwirthschaft des Ostens, wie Herr Graf Kanitz behauptet, außer stande wäre, vom Osten nach dem Westen von ihren Produkten überhaupt irgend etwas über den Kanal zu bringen. Wenn wir beispielsweise dahin gelangen — und ich kin überzeugt, daß das geschehen wird nach den Er— fahrur gen, die wir mit den Handelsverttägen und ibren Wirkungen gemacht haben — nech der allgemeinen und immer mehr durchdringenden Ueber⸗ zeugung von der Nothwendigkeit, der Landwirthschaft, namentlich gegen⸗ Über den kolossal gesunkenen Seefrachten einen besseren Schutz zu geben, dann wird es auch viel leickter sein, selbst für Ostpreußen, mit Ge— treide im Westen zu konkurrieren mit dem Auslande, mit Hol; aber erst recht. Wie die Redner sich untereinander überhaupt vielfach widersprechen, entsprechend dem verschiedenen Standpunkte, den sie einnehmen, hat ja seeben Herr Herold, ein Freund des Kanals, wie ich wenigstens glaube (große Heiterkeit) aus seinen versckiedenen Wendungen entnebmen zu können, — Herr Herold, ein sehr erfahrener und kundiger Landwirth des Westens, uns ausgeführt, daß die Landwirthschaft im Westen von der Her⸗ stellung des Kanals Schaden baben würde, weil sie viel mehr der Konkurrenz der ästlichen Landwirthschaft unterliegen würde, und wir haben dasselbe ja gesebhen — und damals war das Verständniß im Osten viel stärker als heute —, mit welchem Eifer die östliche Landwirthschaft den Staffeltarif vertreten hat, und wie sehr damals der Staffeltarif vom Westen bekämpft worden ist. Hier ist aber ein noch viel besserer Staffeltarif in Wasser als der damalige auf Schienen und Eisen. (Zuruf rechts.)
Was also die Landwirthschaft betrifft, so verftebe ich, offen gesagt, nicht die Befürchtungen, wenn sie sich nicht im allgemeinen beztehen auf die Staatsfinanjen, spezifisch für die landwirthschaftlichen ¶ Interefsen verstebe ich sie nicht. Nach meiner festen Ueberzeugung kann die öͤstliche Landwirthschaft nur Vortheil davon haben. Sie glauben, daß es nicht möglich sei, daß aus Ostpreußen mit Hilfe dieses berjustellenden Binnenkanals Bergwerksböljer nach dem Rhein gehen. Aber, meine Herren, heute schon gehen aus der Mark z. B. erhebliche Bergwerkshölzer nach dem Rhein, und das wird weiter herauf jenseits Berlin auch der Fall sein. Wir können nicht allein mit Ostpreußen deduzieren, wir haben auch noch andere Probinzen, für welche die Frage, ob Schaden oder Nutzen zu be⸗
— daß das den Absatz dieser Hölzer und vielleicht die Preise derselben beleben wird, das kann wohl nicht bestritten werden. 61 Ich führe das alles nur beispielsweise an; denn im Großen und Ganzen bin ich der Meinung, man braucht die Einzelheiten der Verkehrs . änderungen und Erleichterungen und ihre Folgen nicht zu beweisen; man kann das auch im einzelnen nicht, namentlich wenn es sich um zehn Jahre in der Zukunft handelt. Alle Voraussetzungen sind vielleicht nach zehn Jahren hinfällig, die Berhältnisse können sich so geändert haben, daß man selbst nicht begrelft, wie man sich vor zehn Jahren solcher Ansicht hat hingeben können. Meine Herren, ich komme nun zu der Frage, die mich natürlich am meisten interessiert, zu der Frage der Rückwirkung dieses Kanal baues auf die allgemeinen Staatefinanzen. Man könnte hier ja im Anfang allerdings Bedenken haben für die Staatsfinanzen in Betreff der aufzuwendenden Herstellungskosten und namentlich bezüglich der Rückwirkung auf die Eisenbahneinnahmen, und es hat eine sehr sorg fältige und gewissenhafte, ja ängstliche Prüfung (Heiterkeit) in dieser Beziehung in der Staatefinanzverwaltung stattgefunden. Aber die Bedenken, die man im Anfang erheben kennte — wie ja natürlich der Finanz ⸗Minister jeder großen neuen Ausgabe anfänglich skeptisch und nicht sehr günstig gegen⸗ übersteht —, sind doch durch den weiteren Gang der Vorbereitungs verhandlungen ganz außerordentlich vermindert bezw. beseitigt worden. Man hat zwar versucht, die Garantien, welche die nächstbetheiligten Provinzen übernommen haben, etwas zu verkleinern, — ob aber die⸗ jenigen, die diese Garantien verkleinern, geneigt sein würden, im ge⸗ gebenen Falle selbst zu leisten, das ist mir vorläufig noch sehr zweifel haft. Die Frage wird ja auch eventuell später einmal für Schlesien aufgeworfen werden müssen. Nun haben einige Redner gesagt: der Kanal kann Überhaupt nicht aufkommen gegen die Eisenbahn; er wird nichts bringen, kaum die Betriebskosten, ja vielleicht diese auch nicht; die Verwaltungs⸗ und Unterhaltungskosten sind außerdem viel böher, als angenommen ist. Meine Herren, darauf erwidere ich vom Standpunkt des Staats — denn von ihm sprechen wir ja vorläufig —: das würde den Staat sehr wenig bekämmern; denn die Provinzen sind für diese Ver waltungs⸗ und Unterhaltungskosten allein Garanten, sie müssen leisten, einerlei, ob der Kanal rentiert, und sie können nicht dreinreden in die Kanalrente, sofern sie abhängt von dem Tarif, denn den Tarif macht der Staat und bestimmt ihn ganz allein. In so fern irrt sich Herr Graf Kanitz, wenn er glaubt, die Provinzen könnten ibre Leistungen gewissermaßen verweigern oder sich sträuben, wenn ihrerseits etwa die Behauptung aufgestellt werden könnte, der Staat habe die mangelnde Rente durch zu niedrige oder zu bohe Tarife verschuldet. In dieser Beziehung steht der Staat völlig frei, denn die Leiftungen, zu welchen sich die Provinzen verpflichtet haben, hängen von dem Vorgehen des Staats in dieser Beziehung überhaupt nicht ab. Das ist schon für diejenigen Herren die an die Rentabilität des Kanals gar nicht glauben, in ihrer Eigen schaft als Vertreter des Gesammtstaats doch ein großer Trost. Meine Herren, die Provinzen haben dies übernommen, sie wollen es leisten, sie sind dazu verpflichtet, den Staat berübrt es nicht. Darum brauchen Sie, wenn Sie überzeugt sind, der Staat werde die Betriebskosten und Unterhaltungskosten nicht berausbringen, sich keiner Sorge hinzugeben. Was die Provinzen betrifft, so sind die Provinzial räthe doch Manns genug, sich ein eigenes Urtheil zu bilden, und wir brauchen sie in dieser Beziehung nicht unter Vormundschaft zu nehmen. (Sehr richtig! links) Das würde mit dem Begriff von Selbst— verwaltung einer ganzen Provinz doch auch in einem sonderbaren Widerspruch stehen. Meine Herren, die Provinzen leisten aber noch mehr. Sie haben auch ein Drittel der gesammten Bauausgaben, einerlei wie groß sie sind, zu versinsen zu 30/9. Allerdings ist momentan der Zinsfuß wieder etwas höher, aber in 10 Jahren kann er wieder auf 3 0 o stehen, sehr viel höher als jetzt wird er dauernd wohl nicht kommen. Hiernach leisten die Provinzen, wenn ich die Garantien als zum Vollbetrage eintretend betrachte, fast so viel wie der ganze Staat, und eine solche Mitwirkung der Nächstbetheiligten, die übrigens an sich durchaus berechtigt ist, ist bieher im preußischen Staat noch nie vorgekommen. Dadurch ist an dem Bau und der Unterhaltung der Staat im schlimmsten Fall mit jäbrlich 5 900 C00 „ betheiligt. Nun, meine Herren, in drei, vier Jahren bauen wir seit dem Jahre 1880 Eisen bahnen für gleiche Kaxitalien, ohne daß wir wissen, ob diese Kapitalien rentieren (Zuruf rechts), sogar obwohl wir wissen, daß ein großer Theil dieser Kapitalien sich nicht rentiert. (Sehr richtig! links.) Wir haben eine große Menze von Sekundärbahnen gebaut lediglich als Meliorationsbahnen. (Zuruf rechts) — Gewiß, das war die Aufgabe des Staats, aber wir haben uns auch nicht gescheut, solche Ausgaben zu machen. Ich bin gan der Ansicht des Herrn Grafen Kanitz, daß es die eigentliche Aufgabe des Staats ist, die zurückgebliebenen, minder begünstigten Theile des Staats mit allgemeinen Opfern zu unterstützen, und ich glaube, wir haben das auch in reichlichem Maße gethan, Die Frage der Verwendung von Staatsmitteln kann aber doch nicht ganz einseitig nur für die letzteren Provinzen beantwortet werden. Wenn man die mir gänzlich fernliezende Vergleichung, die der Herr Abg. Schmieding gemacht hat, und die ich bedaure und auch an sich für unrichtig halte, machen wollte lediglich nach dem Auf- bringen in die Staatskasse und nach den Verwendungen aus der Staatekasse, dann kann man allerdings herausrechnen, daß der Osten, wenigstens in den letzten jehn Jahren in keiner Weise ungänstig behandelt worden ist. Der größte Theil der Zuwendungen für Sekundätbahnen und für Tertiärbahnen ist dem Osten zugefallen und mit vollem Recht. (Sehr richtig! rechts.) Aber die Thatsache kann man nicht wegleugnen. Was übrigens das Aufrechnen der Provinzen gegen einander betrifft, wenn die Herren vom Rheine sagen, wir bringen so viel Steuern und der Osten nur so viel auf, so kann der Osten erwidern: wir zahlen für den Gesammtstaat nicht allein in Geld, sondern liefern auch in Menschen. (Sehr richtig! rechts) Wenn man den Abzug der Menschen, der im wesentlichen durch die große industrielle Entwickelung im Westen bedingt ist, welche eben diese größere Leistungesfähigkeit herbeigeführt hat, in Geld an⸗ schlagen will, so kommen auch ganz gewaltige Summen herauz. Und was den Westen betrifft, der aus der Kohle und der Fabrikation ja hauptsächlich seine Intraden bezieht, so muß der Westen doch auch nicht vergessen, daß, wenn er der Eisenbabnverwaltung ein Viertel
handeln ist. Wenn diese Höljer zu Wasser nach dem Rhein kommen können
völkerung im Westen auch fast alles Material fabriziert, das dazu gehört, um die Eisenbahnen so auszurüsten. Wer macht denn die Schienen, wer macht die Lokomotiven und die Wagen? Sie werden wesentlich im Westen hergestellt. Ich sage das alles nur, um zu zeigen, daß eine solche Aufrechnung der einen Provinz und des einen Theils der Monarchie gegen den anderen absolut unmöglich ist (fehr richtig! links) und schließlich, konsequent durchgeführt, zur Auflösung des Staates führen müßte. (Sehr richtig!)
Nunmehr komme ich zu der Frage des Verlustes der Eisen. bahnen. Dieser Verlust ist rechnungsmäßig auf 53 Millienen fest⸗ gestellt. Nun haben zwar einige Redner gesagt: das ift falsch ge⸗ rechnet, er wird 100 Millionen betragen. Woher die Redner diese Ueberzeugung haben, und wie sie sie begründen wollen, das weiß ich nicht. Jedenfalls sind die Zahlen, die der Herr Minister der öffent⸗ lichen Arbeiten geliefert bat, auf das allersorgfältigste und von den größten Sachkennern auch im Eisenbahnwesen festgestellt, und ich meine daher, wir können vorläufig diese 53 Millionen als die Grund⸗ lage der Rechnung annehmen. Nun hat aber der Herr Minister der öffentlichen Arbeiten schon darauf hingewiesen, daß dieser Verlust von 53 Millionen in 10 Jahren längst überholt sein wird (sebr richtig!), und
Eisenbahnen so weiter wächst, dann überschreite sie die Grenje der Leistungsfäbigkeit der Esenbahnen. Meine Herren, ich bin kein Tech niker, ich muß mich in dieser Beziehung auf die allerbestimmtesten Erklärungen des Herrn Ministers für öffentliche Arbeiten bezw. seiner Eisenbahnsachverständigen bei meinen ganzen Ausführungen basieren. Aber selbst wenn ich das nicht thun könnte und müßte, so kommt nun ein anderer Gesichtspunkt, den ich den Herren etwas näher ans Herz legen möchte, in Betracht. Die Verstaat lichung der Eisenbahnen hat den preußischen Staat mit einer ganz gewaltigen Verantwortlichkeit belastet. (Sehr richtig! links.) Wir sind verantwortlich nicht bloß für den guten Gang der Staats. finanzen, wir sind auch verantwortlich für den ganzen großen Verkehr, der sich im Inlande abspielt. Jeder Fehler, der in dieser Beziehung beobachtet wird, jeder verspätet oder nicht gestellte Kohlenwagen wird dem Staat bezw. den Ministern zur Last gelegt. Wir sind verant⸗ wortlich für ein — ich möchte sagen, täglich — stelgendes Beamten. heer, wo ich die Bedenken gegenüber den wachsenden Wünschen und Anforderungen, die die Aufrechterhaltung der Disziplin er- schweren, nicht weiter zu entwickeln brauche. Aber noch mehr: Die Eisenbabn ist ein Unternehmen, welches weniger die steigenden Ausgaben für die Beschaffung der Leistungen, welche von ihr gefordert werden, decken kann als ein Privatunternehmer, der die gestiegenen Produktionskosten auf die Waare schlägt. Wenn heute ein Kohlenzechenbesitzer 9 Æ einem Arbeiter durchschnittlich an Lohn zahlt, so ist er, wenn andere Zeiten kommen, viel leichter als der Staat in der Lage, diese hohe Löhnung mit den veränderten wirth⸗ schaftlichen Verhältnissen in Einklang zu bringen. Der Staat, der immer mehr gedrängt wird, alle diese Mitarbeiter als etatsmäßige Beamte anzustellen — wir haben in den letzten zwei Jahren über 35 000 neue etatsmäßige Beamte angestellt —, kann eine solche Reduktion nicht vornehmen, er kann es kaum bei seinen meist ständigen Arbeitern.
Das Personal wächst auch in der Eisenbahnverwaltung im Ver—⸗ hältniß ju den Leistungen stärker als in anderen industriellen Unter nehmungen, weil der Ersatz der personellen Leistung durch Maschinen in der Eisenbahnverwaltung viel schwerer ist als in der Landwirth⸗ schaft und in der Industrie; folglich kann nicht behauptet werden, daß die Steigerung des Verkehrs immer eine entsprechende Steigerung des Nettoertrags bedeutet. Der Herr Minister der öffentlichen Arbeiten hat schon darauf hingewiesen, in welchem außerordentlichen Maße die Ausgaben der Staatseisenbahnverwaltung gerade durch die in den letzten Jahren stattgefundene gewaltige Steigerung der Einnahmen kompensiert ist. Wir haben in den letzten Jahren der Staats, Eisenbahnverwaltung ein Extraordinarium zur Disposition gestellt, wie es noch nie bestanden hat, von 90 — wir fingen vor zehn Jahren mit 29, an —; wir haben ihr die Ver wendung aller Ueberträge zur Disposition gestellt, und zwar etwa 45 Millionen; wir haben ihr in dem laufenden und in dem Vorjahre 50 Millionen aus allgemeinen Staatsmitteln zugeschossen; wir haben daneben im Jahre 1898/ñ99 eine Ueberschreitung der Ausgaben von 53 Millionen.
Hieraus köngen Sie sich schon ein Bild davon machen, daß, wenn wir genöthigt sind, obne die Mitwirkung der Wasserstraßen den steigenden Verkehr in den nächsten Jahrzehnten allein durch die Eisenbahnen zu bewältigen, wir darüber ganz unsicher sind, ob das Netto der Eisen⸗ bahnverwaltung steigt oder gar heruntergeht. Wenn wir in diesem Jahre 1898/99 ein Verhältniß der Bruttoeinnahme zu den Ausgaben von 83,0 haben, während der Durchschnitt in dieser Beziehung in den 50er Prozenten liegen sollte, so führt das zu derselben Be— trachtung.
Aus diesem Grunde muß es dem Staate erwünscht sein, diese ausschließliche Verantwortlichkeit für den gesammten Verkehr, der immer schwieriger wird, je mehr der Verkehr steigt, einigermaßen auf ein Unternehmen abzuwälzen, welches er selbst nicht betreibt, für welches er keine Betriebsbeamten anstellen muß, welches dem Privat- unternehmungsgeist zu benutzen überlassen ist. Das ist ein sehr wichtiger Gesichtspunkt, meine Herren; wenn wir unsere großen Flüsse nicht hätten, wo wollten dann wohl die Eisenbahnen gelieben sein? Wenn die Eisenbahnen das, was der Rhein, die märkischen Wasser straßen, die Oder und der Finowkanal leisten, auch leisten sollten, so weiß ich nicht, ob man nicht auch schon hier auf unserm märkischen Boden außer stande wäre, diese Aufgaben allein mit den Eisenbahnen zu erfüllen. Meine was denn der
Herren, nun hat man sich viel darüber gestritten,
Kanal, ein veraltetes Unternehmen gegen— über dem Sieger im modernen Wettbewerb, den Eisen— bahnen, leisten würde. Man hat gesagt: Im vorigen Jahr⸗ hundert war es wohl rationell, das Wasser zu benutzen, aber heute, wo wir die Eisenbahnen haben, ist es eine antediluvianische Idee, noch Kanäle daneben zu bauen. Es ist schon darauf hin· gewiesen: die Schiffahtt auf dem Rhein steigt von Jahr ju, Jahr; jwei Gisenbahnen laufen daneben, die auch im höchsten Grade florieren. Vom Main kann ich aus eigener Erfahrung dasselbe sagen: eine kolofsale Erhöhung des Wasser⸗˖ verkehr von, wenn ich nicht irre, dem 14fachen in einem Jahr entftand, sowie der Main kanalisiert war und den nöthigen Tiefgang
oder sogar ein Drittel ihrer Frachten für Preußen zuführt, die Be
hatte. Die Eisenbahn ist aber auch in ihren Einnahmen vorwärts
er hat ferner hervorgehoben: wenn die Steigerung des Veckehrs der
gegangen; das kznnen Sie nicht von diesen beiden genannten Flüßsen allein sagen; das können Sie fast von allen unseren preußischen Flũssen sagen. Neberall konkurrieren die Oder und die Elbe mit der Eisen· bahn, und doch vermehrt sich der Wasserbetrieb fortwährend; er ist nicht vor dem gewaltigen modernen Sieger, der Eisenbahn, untergegangen oder zurũckgeblieben. Gewiß, die alten Kanäle des vorigen Jahrhunderts, zu denen auch meistens die französischen und belgischen Kanäle gehören das bitte ich bei dem Studium der Denkschrift des Herrn Eger zu berücksichtigen — die gam kleine Abmessungen hatten, die nur Schiffe mit höchstens 300 t führen konnten, die unsicher waren in Bejug auf das genügende Wasserquantum da ganze Jahr bindurch, die keinen Dampfschiffahrtsbetrieb duldeten — haben nicht gegen die Gisenbahn konkurrieren können. Aber heute liegt das Ding ganz anders. Wir sehen das an unseren Flüssen.
Nun wendet man ein: ja, wenn der Rhein Abgaben bezablen sollte, dann würde die Schiffahrt dort auch bald aufhören. Nun, meine Herren, ich mache mich anheischig, auf dem Rhein und auf der Elbe angemessene Abgaben zu erheben. ¶ Stürmische Heiterkeit) Beschwerden würde es genug geben, aber aufbören würde die Schiff⸗ fahrt, die solche Vorsprünge vor der Eisenbahn hat, ganz gewiß nicht.
Meine Herren, die Frage, ob der Kanal gegen die Eisenbahn konkurrieren und rentieren kann, ist meines Etachtens garnicht generell zu beantworten; selbst der gründliche Arbeiter in diesen Fragen, der Herr Graf Kanitz, kann das auch nicht. (Heiterkeit, Wenn wir nicht immer nach außen sehen, sondern unsere eigenen Erfahrungen zu Rathe ziehen, so haben wir hier den Finowkanal; derselbe rentiert beute ein Kapital von 10 Millionen, und ich bin äberzeugt, er hat keine zwei Millionen gekostet. (Zuruf.) Er ist gebaut zu Zeiten, wo das Bauen allerdings sehr billig war (Heiterkeit rechts), aber ich bin doch überzeugt, daß wir, wenn wir heute den Finowkanal in der jetzigen Größe bauten, längst nicht ein Kapital von zehn Millionen zu perwenden brauchten. Auch die märkischen Wasserstraßen fangen schon an, eine Rente abzuwerfen. Wir haben wenig Erfahrung auf diesem Gebiet, weil vor 30 Jahren in der Staatsregierung die Meinung vorherrschte, alle Wasserstraßen müßten vollftändig frei sein, und es dürfte auf denselben — einerlei, ob Kanäle oder freier Fluß — keine Abgaben erhoben werden; deshalb ist das Abgabenwesen für Flüßse und Kanäle bis in die neueste Zeit hinein allmählich in Verfall gerathen. Das wird in zehn Jahren wahrscheinlich schon anders aussehen. ( Heiterkeit.) .
Ein Haupthinderniß, daß wir auf diesem Gebiet nicht zu einer systematischen Behandlung der Frage kommen können, liegt in der von uns nicht zu beseitigenden Freiheit der Schiffahrt auf dem Rhein und auf der Elbe auf Grund internationaler Verträge. So lange die Schiffahrt ohne jede Rücksicht auf die bedeutenden Regulierungs⸗ kosten, die wir auf die se Flüsse in den letzten Jahren verwendet haben, vollkommen frei ist, können wir auch die anderen Flüsse, für welche solche internationalen Hindernisse nicht bestehen, mit Abgaben nicht belegen. Das thun wir auch nur da, wo gewissermaßen der Fluß durch seine Behandlung in einen Kanal verwandelt wird. (Zuruf: Der Rhein Die Freiheit des Rheins beruht auf inter nationalen Verträgen, welche die andern Staaten, die vielleicht davon den Hauptvortheil ziehen, schwerlich aufzugeben geneigt sein werden. (Zuruf) — gewiß, meine Herren, wenn man damals die Anschauung pon beute gehabt hätte, dann hätte man sich wahrscheinlich nicht international gebunden — einerlei, wie man prinzipiell über die Sache dachte — aber das ist ein Vorgang, auf den man nicht mehr zurückkommen kann.
Meine Herren, ich bin also der Meinung: wir müssen diese Frage individuell betrachten; mit allgemeinen Theorien über die Konkurrenzfähigkeit von Wasser und Eisenbahnen kommen wir keinen Schritt weiter. Nun ist aber doch sicher, daß wir hier einen sehr großen Verkehr an sich erwarten können. Selbst, wenn ich Berlin nur als Grenze annehme, so ist doch klar, daß gerade aus diesem reichen, gewaltigen Industrie⸗ und Kohlengebiet schüssige Kohle gewaltsam herausdrängt und Verbilligung den großen Vortheil eines stärkeren sicherten Absatzes haben wird. es sei nicht anzunehmen, daß eine Dezentralisation der Industrie durch die Kanäle eintrete, so verstehe ich das nicht. Denn daß daß erste Bedürfniß für das Aufkommen und die Konkurrenzfähigkeit der In dustrie billige Kohlen sind, kann doch niemand bezweifeln. Je billiger also auf der ganzen Kanalstrecke die Kohlen durch die billigeren Frachten werden, desto eher ist die Konkurrenzfähigkeit eines Werkes gegeben, welches nicht im Kohlengebiet selbst liegt, gegen ein solches, das direkt die Kohlen aus dem Schachte bekommt.
Aber weiter — und das möchte ich namentlich für die Herren von der Landwirthschaft sagen —, wird dann nicht auch viel mobil und werthvoll durch den Kanal, was jetzt todt und unbenutzt daliegt?
die über⸗ durch ihre und ge⸗
Ein Grundstück, aus dem Mergel gegraben werden kann, hat das
einen andern Werth, wenn es am Kanal liegt oder nicht? Ein Steinbruch, der jetzt nicht betrieben werden kann, der in Zukunft den Kanal benutzt, wird er nicht werthvoller?
Meine Herren, es werden gerade für die Grundbesitzer viele neue
Werthe entstehen durch die Herstellung einer solchen billigen Wasser⸗
straße, gerade für die schweren Massengüter, die für den Grundbesitz
ĩ e kommen; z. B. Thon für Herstellung von Ziegelsteinen muß ; ꝛ 1 , In schließlichen Verantwortlichkeit des Staats für Dinge, die er schließ—⸗
häufig sehr entsernt beschafft werden per Wagen oder per Bahn.
Zukunft wird da vielfach die billigere Kanalfracht benutzt werden können. Das sind gerade besondere Vortheile für die Landwirthschaft.
Meine Herren, nun komme ich auf die Kompensationen. (Aha! rechts) Und ste sind nun von allen Seiten schon angemeldet, hoffentlich (Anhaltende Heiterkeit Die Altonaer fangen an zu fordern; sie müßten dann auch einen Kanal haben, der diesen Kanal dort unten mit der Elbe ver⸗ bindet. Die Ostfriesen fangen an bedenklich zu werden, daß der Hauptverkehr abgelenkt würde in den Mittellandkanal und die Ems wieder wie heute ziemlich entblößt von Schiffen sein werde. Die Schlester glauben vor dem Abgrund ju stehen, und wenn man die muß man ja natürlich an⸗ starke (Heiterkeit. ) Meine Herren, derartige Dinge haben wir alle schon erlebt, ich möchte sagen, von Jugend auf; jede neue Eisenbahn gab Klagen über Klagen! Pferde wird es nicht mehr geben! sagte man ursprünglich. Jede Chaussee selbst begünstigt oft den einen Theil des Kreises gegen den anderen. Bei jedem Beschluß über eine Sekundärbahn oder eine Tertiär ⸗ bahn benachtheiligen wir das kleine Städtchen, das links oder rechts liegt,
mit der Wirkung, daß sie sich selbst kompensieren.
verschiedenen Eingaben liest, so nehmen, daß diese gewaltigen Befürchtungen Zorn aus voller Ueberzeugung entspringen.
und der
Wenn Herr Graf Kanitz meint:
und bevorzugen dasjenige, das direkt an der Bahn liegt. Wir haben
aber noch nie geglaubt, daß der Vortheil des Einen immer einen
Schaden hervorrust, den der Staat gewissermahen verpflichtet sei, zu
beseitigen, namentlich nicht, wenn es sich um ein Werk handelt,
welches, wie ich glaube gezeigt iu haben, nicht im einseitigen Interesse
eines kleinen Landestheils liegt, sondern viel größere allgemeine Be⸗
deutung hat.
Meine Herren, nun glaube ich aber, alle Erfahrung auf diesem
Gebiete hat doch erwiesen, daß der Nachtheil von einem Verkehrg⸗
unternehmen sür diejenigen, die keinen direkten Vortheil davon haben,
fast immer überschätzt wird, und daß die Befürchtungen im Anfang
dieses Unternehmens oft viel größer sind, als sie sich später verwirk⸗
lichen, wenn das Unternehmen in Betrieb kommt. (Sehr richtig h
An und für sich hat Oberschlesien kein Recht, billigere und bessere
Verkehrsmittel nach Berlin zu haben als die Ruhr; sie sind beide
gleich weit entfernt. Heute hat aber Oberschlesien noch einen kleinen
Vorsprung, wenn ich nicht irre von 1 , und darüber hat sich die
Ruhr nicht beschwert. Wir haben auch neuerdings gerade für
Schlesien aus Staatsmitteln schon viel gethan, nicht bloß die 1886
beschlossene Verbesserung der Verbältnisse in Oberschlesien, nament⸗
lich der Verkehrsverhältnifse kommt in Betracht, noch neuer⸗
dings ist der Staat doch nicht karg gewesen, 30 Millionen
allein hinzugeben für die Herstellung größerer Sicherungen gegen die Hochfluthen. Den Nothstand haben wir zum größten Theil auch ge— deckt. Die 30 Millionen haben wir hingegeben, während alle diese Einrichtungen im Westen dem Staat noch keinen Pfennig gekostet haben. Daß also Schlesien zu der Ansicht kommen könnte, der Staat hätte kein besonderes Interesse für die Provinz, es wäre ihm gleichgültig, ob Schlesien und seine Industrie gefördert oder geschädigt würde — das ist mir vollkommen unverständlich. Aber Kompensationen jetzt gesetzlich festzulegen, von denen man gar nicht weiß, ob es nach zehn Jahren uns damit nicht gerade so gehen würde wie jetzt mit der Nogatkupierung, die wir in das Gesetz auf⸗ genommen haben, obwohl heute die Dinge so liegen, daß man gar nicht weiß, ob man überhaupt noch in der Lage ist, diese Kupierung vorzunehmen — das kann nicht rationell sein. Derartige Kompensationsforderungen, daß der eine überall den Vor theil baben will und gerade zu gleicher Zeit, welchen der andere be⸗ kommt, würden jeden Fortschritt hemmen (sehr richtig); wir würden keinen Schritt weiter kommen mit der Entwickelung unseres Landes. Da soll man erst abwarten, ob nach 10 Jahren wirklich diese Schäden thatsächlich so bedeutend sind, und dann wird und muß der Staat einschreiten, das liegt in seiner Aufgabe. Ich habe noch nicht erlebt, daß in solchen Fällen der Landes⸗ meliorationen, wenn sie auch nut einem einzelnen Landestheil zu gute kommen, das Abgeordnetenbaus in seiner Gesammtheit versagt hätte. Das Bewußtsein vom Gesammtstaat und den Gesammtinteressen ist noch immer stark genug gewesen, zur rechten Zeit hier das Rechte zu thun.
Ich glaube daher, die Schlesier können sich wirklich in dieser Beziehung beruhigen. Sie würden aber die Kompensationen, d. h. die Verbesserungen und Erleichterungen in ihren Verkehrsmitteln, vielleicht schwerer bekommen, wenn sie jetzt diesen Kanal ablehnen, als wenn sie ihn annehmen. (Große Heiterkeit) — Glauben Sie nicht, daß das richtig ist? Sie sichern sich dadurch mehr oder weniger einen moralischen Anspruch darauf, daß, wenn sie wirklich infolge des Kanals leiden sollten, Sie auf der anderen Seite nun auch bedacht werden (Heiterkeit, — wenn Sie aber durch die Ableh— nung dieses Kanals einen großen Theil des Westens verstimmen, so kann das doch anders liegen (oh! oh! rechts. Heiterkeit). — Das Lachen beweist nichtz. Das bringt mich auch nicht aus dem Text. Ich wiederhole: Wenn die Schlesier sagten: wir wollen diesen Kanal zu Gunsten eines großen Theiles der westlichen Bevölkerung nicht bewilligen — kann doch auch leicht der Spieß umgedreht werden; denn die Verbesserungen, welche Schlesten verlangt, muß es ja ver⸗ nünftigerweise wollen, ob dieser Kanal gebaut wird oder nicht, und hat es auch schon gethan und namentlich mein verehrter Herr Nachbar.
Meine Herren, das ganze Unternehmen ist nach meiner Meinung von der Beschaffenheit, daß das damit verbundene Risiko ein gewissen ˖ hafter Finanz⸗Minister für den preußischen Staat auf sich nehmen kann. Es handelt sich bier, wie gesagt, um Summen, die garnicht in so gewaltiger Weise ins Gewicht fallen. (Oho! rechts) Bewilligungen der Art sind fast jedes Jahr vorhanden. (Sehr richtig! links.) Wenn hier die Provinzen ungefähr die Hälfte von dem leisten, was der Staat leistet, und das Risiko des Staats für die Baukosten, Verwaltung und Unterhaltung 5 go 000 „ betragen wird, so ist dies nicht so exorbitant, daß man die Ablehnung motivieren könnte mit einer allju großen Gefahr für die Staaftfinanzen. Diese Ablehnung könnte ja ehrr motiviert werden mit den Verlusten, welche der Staat an den Eisenbahneinnahmen er⸗ leidet (sehr richtig! rechts); aber — ich habe mich ja darüber schon geäußert — bei dem gewaltigen Steigen des Verkehrs in diesen Zweigen bin ich fest überzeugt, daß das, was wir beim Er⸗ öffnen des Kanals opfern, in späteren zehn Jahren voll⸗ ständig wieder eingeholt ist oder in noch kürzerer Zeit.
Sodann aber, meine Herren, erwägen Sie einen anderen Ge—⸗ sichtsvunkt. Ich bin doch etwas ängstlich geworden wegen der auß—
lich vielleicht allein nicht mehr beherrschen kann, und es ist mir an⸗ genehm, in Zukunst einen Theil dieser großen Verantwortlichkeit auf den durch Privatpersenen betriebenen Wasserweg verweisen zu können.
Man hat nun gesagt: der Kanal friert ja doch im Winter zu, und dann müssen die Eisenbahnen alle Ausgaben doch machen, als wenn der Kanal garnicht da wäre. Gewiß friert der Kanal acht Wochen durchschnittlich zu, aber der größte Theil der Transporte ift doch schon vor dem Winter abgefahren. (Sehr richtig! links.) Wenn aber nicht, wenn in dieser Beziehung von einer Zeche etwa leichtsinnig verfahren wird, wenn sie kelne Neigung hat, jeitig den Wasserweg zu benutzen, wo sie es könnte — nun, meine Herren, dann mag sie das selbst verantworten; ich werde mich dann nicht sehr darum betrüben, wenn einige Wagen zu wenig vorhanden sind. Ich würde da sagen können: dann hättest du, was möglich war, im Herbst abfahren müssen, dann hättest du im Winter nicht so viele Wagen nötbig.
Nun kommtaber weiter hinzu, daß die Hauptschwierigkeit, den Verkebr zu bewältigen, für die Eisenbahn gerade in den Herbstmonaten liegt, wo die Rübe mit der Kohle zusammen verfrachtet werden will, im Winter,
wesentliche Entlastung der Eisenbahnen nicht bloß im Betriebe, son⸗ dern auch in den Einrichtungen, die die Gisenbahnen für die Be⸗ wältigung des gesammten Betriebes durchs ganze Jahr sonst brauchten, eintreten wird.
Meine Herren, wir kalkulieren, supponieren, deduzieren heute je nach der Auffassung des Ginzelnen und je nach seinen ihm zunächst liegenden Interessen. Wir haben es hier mit einer rein wirthschaftlichen Frage zu thun, nicht mit einer politischen; das sieht man ja auch schon an dem Auseinanderstimmen fast in allen Fraktionen. Alle Deduktionen, die wir hier machen, alle Voraus- setzungen werden oft nicht durch ganz objektioe, absolut interesselose Studien diktiert, sondern durch den Willen, der vorher da war, einen Beweis ju fübren für das oft unbewußte vermeintliche Interesse. (Sehr richtig! links. Widerspruch rechts.) Das liegt in der menschlichen Natur, bewußt oder unbewußt. Man kann nachweisen, daß große National- zkonomen zu ihren Schlußfolgerungen und angeblichen absoluten Wahrheiten, wie . B. Ricardo, gekommen sind, weil sie einen be⸗ stimmten Satz, der ibnen politisch oder wirthschaftlich nützlich war, zu beweisen suchten (Zuruf: Marxh, aber weil das so ist, weil wir auf diesem unsicheren Boden der Zukunft stehen, so werden Sie mir zugeben, daß mit einiger Sicherheit niemand von ung sagen kann, wie die Dinge nach 10 Jahren aussehen werden (Heiterkeit! rechts) und ob nicht die Stimmen derjenigen, welche heute dagegen sind, vielleicht nach 10 Jabren entschieden dafür sein würden. (Rufe rechts: Und umgekehrt h
Meine Herren, wir haben ja den Beweis. Denn im Jahre 1886 votierte derselbe Landtag: wir wollen kein Stückwerk, wir wollen das Ganze, aber wir wol len auch das Ganze! Und heute kommt ein anderer Landtag und sagt: das Ganze wollen wir nicht, aber auch kein Stũck! (Heiterkeit) Stärker kann man sich doch kaum widersprechen. Aber ich denke mir, der erste Gedanke von 1886 war der beste; er ist ver⸗ stͤrkt nur noch durch die Erfahrungen, die wir in der Zwischenzeit gemacht haben. Bleiben Sie bei Ihrem ersten guten Gedanken und nehmen Sie die Vorlage an! (Lebhafter Beifall links.)
Abg. Gothein (fr. Vgg): Die Wasserstraßen haben allerdings manche Vorzüge gegenüber den Eisenzabnen, aber die letzteren können überall hin ausgedehnt werden, was bei den e en, nicht mög⸗ lich ist. Die Gisenbahnen können jedoch, auch wenn sie sich mit der niedrigsten Verzinsung begnügen, niemals so billig transportieren, wie die Wasserstraßen. Darin liegt eben die Gefahr des Mittelland⸗ Kanals für die anderen Landestheile. Die Entlastung der Eisen⸗ bahnen durch die Ueberleitang der Kohlentraneperte auf die Wasser⸗ straße wird nicht in dem Maße eintreten wie man erwartet, denn bie Kohlenzechen können sich auf den Wasserverkehr nicht allein ver- lassen, schon wegen der s langen Fahrzeit der Schiffe. Auch die Landesmesiorationen durch den Kanal, hätte man aus der Be⸗ gründung weglassen sollen; denn das Schiffahrtsinteresse wird beim Fanal immer in erster Linie stehen. Der Kanal wird einen, großen Vortheil darstellen für die Gegenden, die er durchzieht. Die Karte 96 fehr schön aus, aber wir haben im Osten nicht die schönen
asserstraßen, die auf der Karte verzeichnet sind. Wir haben keine 250 Schiffahrtotage auf der Oder, sondern höchstens 230 bis 249 Tage, nach Abrechnung der Sonntage sogar nur 200 Tage. Mit ganzer Ladung aber konnte nur an 42 c, gefahren werden, an je 38 Tagen nur mit bret Viertel oder halber Ladung und an 89 Tagen nur mit noch, ge= ringerer Ladung. Infolge dessen sind für die der verhältnißmäßig klekne Schiffe gebaut worden, die durchschnittlich nur 250 4 tragen können. Der Finow. Kanal trägt nur Schiffe bis 170 t, die Netze c. bis 200 t; die märkischen Wasserstraßen gestatten allenfalls Schiffe pon I00 6. Die Sachverständigen erklären aber, daß Kanäle mit Schiffen von unter 300 t mit den Eisenbahnen nicht konkurrieren fönnen. Die schlesischen Rheder haben über die Berechnung des Herrn Sympher, daß der Osten nicht geschädigt werde, ein lautes Gelächter erhoben; denn diese Berechnung ist eine Tendenz⸗ berechnung, die seit Jahren von den Interessenten an der Oder widerlegt ist. Ich bin mebrfach vor Entrüstung aufgesprungen über diefe tendenzlöse Berechnung und bedaure, daß solche Dinge ung vorgelegt worden sind. Mit dem Austausch der Produkte zwischen dem Ssten und Westen ist es nicht weit herz es tommen schließlich beim Mittelland Kanal nur Brandenburg. Posen und Schlesien in Betracht. Die dortige Landwirthschaft an sich wird nicht benachtheiligt werden, aber ein Absatz von Holz nach dem Westen wird nur in geringem Maße erfolgen; denn die drei Provinzen beziehen 00 000 biz Fcho obh't mehr, als fie ausführen. Ein Austausch der Pio= sein, wenn die schlesischen Wasserstraßen leistungssäbiger wären. Der Mittelland Kanal wird das Absatzgebiet Schlesieng einschränken, die Ärbeitsgelegenheit und den Arbeitslohn vermindern; die Arbeiter werden noch mehr nach dem Westen gehen, und der Ssten wird entvölkert. Wenn im Often mehr Sekundär⸗ bahnen gebaut sind, als im Westen, so liegt dies daran, daß der Westen statt der Sekundärbahnen Hauptbahnen zur Genüge hat. Was für die schlesischen Wasserstraßen geschehen ist, veicht lange nicht an das heran, was für den Rhein, Main, die Elbe ꝛc. geleistet ist; der Verkehr an den Oder · Umschlags⸗· hifen ist viel geringer, als der Verkehr auf, den anderen Flüssen. Bei den Gifenbahnen wird keine Tarifänderung genehmigt, die wirthschaftliche Verschiebungen mit sich bringt. Dem Kanal gegen. über soll dieser Grundsatz nicht gelten. Wo sind die Zeiten bin, wo man bavson sprach, daß die Eisenbahntarife nicht im Intereßse der Aktionäre festgestellt werden sollen! 8 beherrscht lediglich das fiskalische Jateresse die Gisenbahnen. Der Mittelland. Kanal wird ein Segen sein für das Ruhrgebiet, für Hannoper, Sachsen und Berlin. ber warum soll denn die oberschlesische Kohle nicht ebenso billig nach Berlin und Sachsen gefahren werden? Seit fünf Jahren beschãftigt man sich in Schlesien mit diesen Kompensationen; di; Regierung kümmert sich nicht darum, sie hält die Klagen für übertrieben sie bat die vorgeschlagenen Projekte nicht untersuchen lassen. Als der Zoll krieg mit Rußland kam, hat man ür Oyerschlesien keine Dilf⸗ ge ˖ bracht. Als der
dukte würde möglich
Auf Versprechungen können wir uns nicht verlassen. Als de Elbe. (Trave Kanal gebaut wurde, machte man dem zeschãdigten Stettin allerhand Versprechungen, aber das Gesetz über den Wasserweg Stettin — Berlin ist noch nicht . Man müßte einen das ganje Land umfassenden Plan anlegen. ie Hoffnungen auf das Zustande⸗ sommen der Vorlage sind gering; man sollte diejenigen zu dewiunen fuchen, die ju gewinnen sind, um das festgefabrene Schiff wieder flott zu machen.
Minister der öffentlichen Arbeiten Thielen:
Meine Herren! Dem zuletzt ausgesprochenen Satz des Herrn Abg. Gotbein kann ich mich natürlich nur aus vollem Herzen an— schließen. Im übrigen bat der Abg. Gotbein meines Erachtens den etwas jweifelbaften Vorzug, daß er aus der objektiven Bebandlung, die den vorliegenden Fragen bieber bier im boben Hause in vollem Maße zu Theil geworden ist, berausgefallen, gegen die Regierung mit maßlosen Angriffen vorgegangen ist, ja eine tendenziöse Aufftellung der Grundlagen des Gesetzentwurfs der Regierung zum Vorwurf ge ⸗ macht (Widerspruch des Abg. Graf Strachwitz) und in einer Weise das Vertrauen gegen die Staatsregierung in Frage gestellt hat, wie es wobl kaum jemals in diesem boben Hause der Fall gewesen ift. (Aba. Graf Strachwitz: Nein) Und dabei sind die Behauptungen, die Herr Abg. Gotbein aufstellt, bisber nach keiner Richtung bin erwiesen. Wir werden in der Kommission Gelegenbeit baben, auf
namentlich im Januar und Februar, pflegt in der Regel der Verkebr zurückjugehen. Also auch hier muß man doch zugeben, daß elne sebr
diesem Gebiet mit Herrn Gethein uns auseinanderzusetzen, und wir