1899 / 90 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 17 Apr 1899 18:00:01 GMT) scan diff

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liches Benutzungsrecht. Es ist unrichtig, wenn ausgeführt wird, daß derjenige, der später den Weg benutzen will, nachdem die Linien bereits bestehen, auch die Kosten für den wirksamen Schutz der Tele- graphenlinien tragen soll. Eine solche Befugniß hat der Verwaltung bisher nicht zugestanden, im Telegraphengesetz von 1892 ist sogar aus- drũcklich ausgesprochen, daß durch dieses Gesetz die Verwaltung kein weiteres Recht an öffentlichen Straßen und Plätzen erlangt, als sie bisher besessen hat. Das soll jetzt anders werden, wenigstens in allen den Fällen, wo die Kommunen irgend einen, wenn auch noch so ge— ringen Nutzen von der Benutzung der Straßen haben. Jedenfalls müßten dann, wenn die in Aussicht genommenen Starkstromleitungen noch nicht bestehen, die durch die Sicherung der Telegraphenanlagen entstehenden Kosten von der Telegraphenverwaltung getragen werden. Direktor im Reichs ⸗Postamt Sydow: Meine Herren! Ohne dem Herrn Vorredner in alle Einzelheiten folgen zu wollen, möchte ich hier nur einen Hauptpunkt, auf den sich seine Auführungen er streckt haben, klar stellen. Der Herr Vorredner bat der Ansicht Ausdruck gegeben, daß der § 12 des Telegraphengesetzes von 1892, welcher der Vorgänger der Fs§ 5 und 6 des vorliegenden Entwurfes ist, eine Anwendung auf Straßen in den Städten nicht zu finden habe, und zwar um deswillen, weil 5 14 des Telegraphengesetzes ausdrücklich bestimme, daß dem Reiche durch das Gesetz Rechte zur Benutzung der Straßen nicht eingeräumt werden, durch andere Bestimmungen wieder aber der Reichs. Telegraphenverwaltung Rechte nur zur Benutzung der Straßen außerhalb der Städte gewährt worden seien. Das ist doch ein nicht ganz richtiger Schluß. Wenn wir ja auch durch den mehr⸗ fech erwähnten Bundesrathsbeschluß Rechte nur an Straßen außerhalb der Städte erlangt haben, so sind doch thatsächlich in allen größeren Städten im Wege der Genebmigung der städtischen Behörden oder im Wege besonderer Verträge der Telegraphenverwaltung Rechte zur Benutzung der Straßen eingerãumt, und überall, wo das zutrifft, findet auch der 5 12 des Telegrapben- gesetzes Anwendung. Der F 12 des Telegraphengesetzes wird täglich pon ung in unseren Beziehungen zu städtischen Verwaltungen an— gewendet. Es ist weder im Wortlaut des Telegraphengesetzes ausge⸗ sprechen, noch in der Entstehungsgeschichte zum Ausdruck gekommen, daß der 8 17 innerbalb der Städte keine Geltung haben sollte. Ich kann konstatleren, daß sich die Telegraphenverwaltung, sein das Telegraphengesetz erlassen ist, in keinem einzigen Falle, auch nicht innerhalb der Städte, von den Bestimmungen des § 12 hat abdrängen iassen. Lieber verzichten wir auf die Ausführungen einer Linie um des Prinzips willen, als daß wir die Genehmigung zur Be⸗ nutzung einer Straße seitens einer Stadt nur unter der Bedingung angenommen hätten, auß dem 12 keine Rechte herzuleiten. Thatsächlich hat, und das ist ja wohl von keiner Seite bestritten, der Entwurf die Tendenz, die Rechte, die sich aus 5 12 für die Telegraphenverwaltung ergeben, zu mildern und einzuschränken. Ob in der Beziehung noch weiter zu gehen ist, als der Entwurf vorgeschlagen hat, das lasse ich dabin⸗ gestellt; aber dem Irrthum wollte ich vorbeugen, als seien die Be⸗ stimmungen der S8 5 und 6 in Bezug auf die Straßenanlagen in den Städten etwas Neues,

Äbg. Dr. Hasse (nl): Meine politischen Freunde sind der Meinung, daß es nicht notbwendig ist, jetzt auf alle Einzelheiten des Gesetzes bier einzugehen. Dasselbe wird ja doch einer Kommission überwiesen werden, und dort wird sich eine bessere Gelegenheit zur Besprechung der Einzelheiten finden. Auch wir sind der Ansicht, daß eine einheitliche gesetzliche Regelung auf diesem Gebiete nothwendig ist, wir wüänschen jedoch, daß die Frage der Entschädigung in höherem Maße in der Vorlage berücksichtigt wird. Redner beantragt schließlich, die Vorlage an eine besondere Kommission von 21 Mitgliedern zu

überweisen.

Abg. Schrader (fr. Vgg): Das Gesetz ist kein Ent—⸗ eignungsgesetzz sondern statuiert Beschränkung des Eigenthums, ohne generell die Enischädigungspflicht des Staateg auszu— sprechen. In Preußen ist verfassungs gemäß gewährleistet, daß kein Tigentdkum obne Entschädigung beschränkt werden kann. Die Be⸗ rufung auf andere Staaten ist ohne Bedeutung. Die Nothwendigkeit der Vorlage ist überhaupt nicht nachgewiesen; sie ist ein reines Konfiskations- gesetz. Das Exproprigtionsrecht steht ja unbestritten der Verwaltung zu. Die Rechle der Privaten scheint der Reichstag ja auch nicht ge⸗ willt einfach zu negieren, und die anderweite Regelung der Ent- schaͤdigungepflicht dürfte damit gesichert sein. Praktisch wird es nicht zu umgehen sein, die Vorlage ebenfalls an die Vostkommission zu überweisen.

Direkter im Reichs Postamt Syp dow: Meine Herren! Der Herr Vorredner bat das Gesetz als ein Konfiskationsgesetz bezeichnet. Ich halte das nicht nur für eine Uebertreibung, sondern für eine prinzipiell abfolut unrichtige Auffassung. Die Meinungsverschiedenbeit beruht in der Auffaffung des Gigenthumes an den öffentlichen Wegen, auf die schon wiederbolt bier rekurriert ist Wie ich nur nochmals bier betonen kann, sind die öffentlichen Wege in erster Linie bestimmt, gewissen Zwecken des öffentlichen Nutzens zu dienen. An ihnen besteht ein derartiges Privateigenthum wie an einem i. grundstück nicht, in welches kein weiterer Eingriff dur die Gefetzgebung gemacht werden könnte, es sei denn gegen Entschädigung. Der Standpunkt des Herrn Vorredners entspricht der heutigen Auffassung des Rechts an den öffentlichen Wegen nicht. Die öffen lichen Wege dienen gewissen Bestimmungen des öffentlichen Rutzeng. Diefe Bestimmungen werden hier in einer Beziehung aus- gedehnt, aber der Enngriff bleibt innerhalb der Sphäre, innerhalb welcher der Wegeeigentbümer üherbanpt keinerlei Garantie für den unbehinderten Gebrauch des Weges zu seinen Privatzwecken besitzt. Run bat der geehrte Herr Vorredner auf das Ausland exemplifiziert. Gewiß ist es schwierlg, aus Auszügen der Gesetze durchaus sichere Schlüsse zu ziehen. Die geg sind aber zu ausgedehnt, als daß sie im vollen Wortlaut bier im ÄAnbang der Motive hätten abgedruckt werden können. Ich will aber doch ein paar Paragraphen hier zur Wider⸗ legung der heute vorgebrachten Meinungen bezüglich der auslãndischen Gefetzgebung mittheilen, vor allen Dingen aus der Schweij. Da heißt es in S 1: „Der Bund ist berechtigt, öffentliche Plätze, Straßen, Fahr und Fußwege, sowie auch öffentliche Kanäle, Flüsse, Seen und deren Ufer, soweit diese dem öffentlichen Gebrauch dienen, für die Er stellung von oberirdischen und unterirdischen Telegrarhen. und Telex hon linien gegen Erfaß des bei dem Bau und Unterhalt allfällig entstebenden Schadens in Anspruch zu nehmen.“ Genau diese Entschädigung wird auch durch den vorliegenden Gesetz⸗ entwurf konzediert. Eine weitere Entschädigung wird auch in der Schweiz nicht verlangt. In Ungarn gebt man noch weiter. Da siberläßt man es infolge des Gesetzes dem Minister der öffentlichen Arbeiten, von Fall zu Fall zu bestimmen die Modalitäten, unter welchen öffentliche Wege für die Zwecke der Telegrapbenverwaltung in Anspruch genommen werden können. In Frankreich sagt 5 4 des abgedruckten Gesetzes, nachdem in den vorhergẽ henden Bestimmungen dem Staat Rechte nicht bloß an offentlichen Straßen, sondern sogar an Häusern zur Aufstellung von Trägern eingerdumt sind: „In allen erwähnten Fällen zi⸗bt die An— r fung, der Leitungen und Stützpunkte keinerlei Enteignung nach sich. Daß, was der verehrte Herr Vorredner vorgeschlagen hat, eine Bestimmung, daß überall nur im Wege der Exprepriation gegen Entschädigung Rechte in Anspruch genommen werden können, ist, wenn ich es recht übersehe, im wesentlichen das, was in England gilt, aber meines Wissens sonst nirgends. Die Kenseguenz ist natürlich eine

ganz erhebliche Belastung des Staats mit Ausaahen, die dann auch zu solchen Telephontaren, wie sie in London sind, führen muß. Was Ten 512 des Telegraphengesetzes betrifft, so bin ich gar nicht in der Lage gewesen, wie der geehrte Herr Vorredner, seiner Zeit in der Kommission fär das Telegraphengesetz mitzuwirken; ich habe aber doch auch recht aufmerksam alles das damals verfolgt, was über die Parlamentzarbeiten gedruckt ist, und da glaube ich keinem Wider⸗ spruch zu begegnen, wenn ich sage: die Vorausseßtzung des Herrn Vor⸗ rednerg, die Verwaltung werde in den Städten behufs en des Rechts zur Benutzung der Straßen auf 3 12 Verzicht leisten, ist von

soweit mir bekannt, überhaupt nicht zum Ausdruck , und das weiß ich ganz bestimmt, daß der damalige Reffort. Chef vom ersten Tage an sich auf den Standpunkt gestellt hat: wenn wir das Prinzip des F IZ in einem Falle verlassen, dann können wir es in anderen Fällen auch nicht aufrecht erhalten, und es wäre eine Unbilligkeit, in der Beziehung den großen Städten Kenzessionen zu machen, die wir den Fhauffeen in den Propinzen nicht zu machen in der Lage sind. Und noch Eins zum Schluß! Der Herr Vorredner hat mit Recht auf die Bedeutung, die die Starkstromkeitungen seit dem Erlaß des Tele⸗ ee, g. gewonnen haben, hingewiesen. Das erkennt auch der niwurf an. Darum hat er in den 5 und 6 den Grund—⸗ satz des 12 des schon mit vielen Ausnahmen durchbrochen, darum soll auch der Uebergang zum Doppelleitungssystem erfolgen. Auf der anderen Selte, meine Herren, ist auch das Interesse in Bezug auf das Fernsprechwesen seit s5s92 in viel weitere Kreise hineingedrungen. Das öffentliche Inter⸗ esse an der allgemeinen Benutzung des Fernsprechwesens besteht in viel höherem 3 als damals, und neben dem Interesse der Stark⸗ stromanlazen haben die Interessen der Fernsprechtheilnehmer das gleiche Recht auf Berücksichtigung. Licht und Schatten zwischen beiden gerecht zu vertheilen, wird Aufgabe der Kommission sein, aber nicht einseitig den Einen oder Anderen zu bevorzugen. Mehr will der Ent wurf nicht. Ueber die Wege der Ausführung wird man sich, wie ge— sagt, in der Kommission zu verständigen haben. Nach einer kurzen Erwiderung des Abg. Schrader, der seine Behauptung. daß das Gesetz ein Konfiskationsgesetz sei, aufrecht erhält, bemerkt Abg. Dr. Siem ens (fr. Vgg.), daß die Starkstromindustrie der Vorlage keineswegs mit Begeisterung, sondern nur mit sehr gemischten Gefühlen gegenüberstehe. Richtig sei, daß der gegenwärtige Zustand

Telegraphengesetzes

der Entwigelung ein besonderes Elektrizitätsgesetz noch nicht zur un bedingten Nothwendigkeit mache. Zunächst müsse das Doppelleitungs⸗ system durchgeführt werden; die Telegraphenleitungen gehörten zu den schwächeren, zu den unvollkommenen Leitungen und sollten erst einmal ausgebaut werden.

Staatssekretär des Reichs-Postamts von Podbielski:

Meine Herren! Ich glaube, der Herr Vorredner wird mir darin zustimmen, daß ich nicht ein mal, sondern wiederbolentlich ausgefübrt habe, daß da, wo es nothwendig ist, und soweit der Reichstag die Mittel zur Verfügung stellt, im weitesten Umfange damit vorgegangen wird, das Doppelleitungssystem einzuführen. Er hat aber dann weiter gesagt, die Reichs ⸗‚Telegraphen und Fernsprech⸗ anlagen wären unvollkommene Anlagen gegenüber den Stark⸗ stromanlagen; und es sollten doch die unvollkommenen Anlagen besser ausgebaut werden, dann würden ja Störungen nicht eintreten. Ja, verehrter Herr Abgeordneter, dann möchte ich speziell den Appell einmal an die elektrischen Bahnen richten: wie sieht es da mit den Rück leitungen aus? Gerade bei den elektrischen Bahnen mit ihren starken Strömen liegen ja die Schwierigkeiten, die in Zukunft den großen Städten erwachsen werden und schon erwachsen durch diese Ströme, die die Wasser-⸗ und Gasleitungen u. s. w. angreifen. Gerade die elektrischen Bahnen benutzen ja die Schienen und damit die Erde als Rückleitung. Der Herr Abgeordnete macht der Reichs. Telegraphen⸗ verwaltung den Vorwurf unvollkommener Anlagen. Ich sage, bei den Straßenbahnen sind die unvollkommenen Anlagen zu finden. Ich gebe ju, die Reichs-Telegraphenverwaltung ist, weil sie bei ihren schwächeren Strömen schwächere Drähte und leichtere Kabel gebrauchen kann, auch in der Lage, die Rückleitungen leichter ausführen zu können. Das war auch der Gesichtspunkt, den, glaube ich, gestern der Herr Abg. Lenzmann ausführte, der den Wunsch hatte, die Telegraphenverwaltung sollte den Schutz selber übernehmen. Ich gebe also im Großen und Ganzen zu, daß bei uns die Schutzmaß⸗ regeln billiger durchzuführen sind als bei den Starkstromanlagen, aber der Schwerpunkt liegt in den Straßen bahnen. Die sollen nur ge⸗ fälligst bessere Rückleitungen schaffen, sonst, glaube ich, werden sich die Kommunen sehr bald melden und werden die elektrischen Bahnen zur Herstellung besserer Rückleitung anhalten, denn mit den vorhandenen durch die Schienen und das Erdreich geht es thatsächlich bald nicht mehr. Es sind darüber auch schon Erörterungen im elektrotechnischen Verein gepflogen worden. Weiter möchte ich immer wieder darauf hinweisen: Ich gebrauche dieses Gesetz nicht für alle Kommunen von 20 000 Einwohnern aufwärts. Ich habe schon gestern ausgeführt, daß ich da so viele Unterstützung fiade bei der Ein⸗ wohnerschaft, daß ich allein durchkomme und wir uns immer einigen werden. Die Schwierigkeit liegt draußen bei den kleinen Kommunen. Solche große internationale Verbindungen wie mit Wien, Paris ꝛe., überhaupt größere Verbindungen sind ohne das Gesetz nicht mehr auszuführen; sie scheitern an dem Widerstand kleiner Dorfmonarchen. Ich glaube, ein Enteignungsgesetz würde zu keinen Resultaten führen; das würde viel zu lange dauern; es muß eben ein kürzeres Verfahren eingerichtet werden, wodurch dem praktischen Bedürfniß genügt wird. Die Vorlage wird der Postkommission überwiesen. Als nächster Gegenstand steht die erste Lesung des Fleischbeschaugesetzes auf der Tagesordnung. Es wird sedoch vor Eintritt in dieselbe ein von allen Parteien unter⸗ stützter Vertagungsantrag angenommen. Schluß 34 Uhr. Nächste Sitzung Montag 1 Uhr,. Rechnungen, Fleischbeschaugesetz, Novelle zur Gewerbeordnung.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 56. Sitzung vom 15. April 1899.

Das Haus setzt die erste Berathung des Gesetz⸗ entwurfs, betreffend den Bau eines Schiffahrtsweges vom Rhein bis zur Elbe, fort.

Ueber den Beginn der Debatte ist schon berichtet worden. Minister für Landwirthschaft 2c. Freiherr von Hammer⸗ st ein:

Meine Herrea! Ich gestatte mir, anknüpfend an einige Aeußerungen, die im Gingange ibrer Vorträge der Herr Vije⸗Präsident des Staats Minifteriums und der Herr Arbeits- Minister gemacht haben, welche ven dem Beginn dieser Vorlage seit dem Jahre 1856 ausqingen und an welche die Herren einige rechtliche Darlegungen anknüpften, meiner ˖ seits an die Geschichte der Kanalvorlage seit Mitte des 18. Jahr⸗ hunderts anzuknüpfen, und damit einige politische und wirthschaftliche Betrachtungen zu verbinden.

Es ist Ihnen bekannt, meine Herren, daß die gegenwärtige Vor⸗ lage viele Schwierigkeiten hinter sich hat. Der erste Plan zum Bau eines Kanals, der den Rhein mit der Elbe, ja weiter mit der Ostsee verbinden sollte, ist Mitte des 18. Jahrhunderts entstanden, ausgegangen von dem damaligen absoluten Regenten des Königreichs Preußen. Er ist fortgetragen bis in die neueste Zeit, nicht allein von der Staatsregierung,

dem damaligen Vertreter des Post⸗ und elegraphenressorts in keiner Weise ccceptiert worden. In den gedruckten Verhandlungen ist sie,

verschiedensten politischen Verhältnissen ist der Plan der Herstellung einer solchen Wasserverbindung stets von neuem aufgetaucht. Ich erinnere z. B. daran, daß der Usurpator, der Kaiser Napoleon L., ebenso wie die preußischen Könige, daran dachte, den Rhein und das rückliegende westliche Gebiet mit der Elbe und der Ostsee zu verbinden, und daß derzeit drei große Pläne ausgearbeitet wurden einer dieser Pläne war im wesentlichen der gegenwärtig in Frage stehende Mittelland ⸗Kanal. Da liegt es nahe, meine Herren, sich die Frage vorzulegen: welches waren die Gründe, aus denen schon vor 150 Jahren dieser große Gedanke entstand, und dann während 150 Jahren fortwährend von neuem auftauchte und jetzt erst abgeschlossener in Gestaltung Ihnen zur Entscheidung vor⸗ gelegt wird?

Meine Herren, der Plan verfolgte ursprünglich vielleicht auch strategische, jedenfalls aber vorwiegend politische und wirthschaftliche Ziele, und zwar die Herstellung einer engeren politischen Verbindung des Ostens mit dem Westen, die Verbindung des östlichen Wasserstraßennetzes mit dem westlichen, die Herstellung einer nationalen, nicht internationalen Verkehrsstraße für den Massengüterverkehr. Stets ist aus den Kreisen der Betheiligten, von Kommunalverbänden und von der Staatsregierung von neuem die Frage erwogen, ob endlich der Moment gekommen sei, um diesen großen Ausführung ju bringen. Viele Betheiligte haben große Opfer gebracht, um das Zustandekommen der Angelegenheit zu fördern. Ich erinnere zum Beispiel daran, daß der Kanalausschuß, der in der Provinz Hannover seinen Sitz hatte, welcher zusammengesetzt war aus Vertretern der Stadt Berlin und des ganzen Westens, nicht allein aus Vertretern der Industrie und des Handels, sondern auch aus Vertretern der Landwirthschaft, zunächst die Kosten für die Vor⸗ arbeiten aufbrachte, sowie für die gesammte Agitation, und daß er auch heutzutage noch fortwährend bedeutende Opfer dafür bringt. Also in diesem Ausschuß das betone ich nochmals ausdrücklich waren nicht allein Industrie und Handel vertreten, nicht sie allein trugen die erwähnten Kosten, auch die Landwirthschaft hat sich erheblich dabei betheiligt.

Meine Herren, ich möchte schon jetzt darauf hinweisen, daß bei diesen Verhandlungen, welche der Kanalausschuß geführt hat, aber auch bei dem erstmaligen Wiederauftauchen der Kanalfrage in dem Jahre 1864 die Vertreter der Provinz Sachsen eine durchaus andere Stellung eingenommen haben als neuerdings der Provinzialverband. Als 1864, die Verhandlungen wegen des Ausbaues des Mittelland—⸗ Kanals ins Stocken kamen, traten Vertreter aus allen eben erwähnten Landestheilen, aber vorwiegend aus der Provinz Sachsen zusammen, um nochmals die Frage zu prüfen, ob es sowohl im allgemeinen wie auch im landwirthschaftlichen Interesse liege, dem Ausbau dieses Kanals näber zu treten. Der Anlaß dazu, daß gerade in der Provinz Sachsen diese Frage ernstlich erwogen wurde, war der, daß in Aussicht ge— nommen war, eine Kanalverbindung nur zwischen der Weser und dem Rhein herzustellen, also etwa bis Minden zu gehen und die weitere Verbin⸗ dung über Hannover bis zur Elbe vollständig bei Seite zu lassen. Von dem damals gebildeten Comits wurde auf Antrag von land⸗ wirthschaftlichen Vertretern der Provinz Sachsen einstimmig be— schlossen, daß ein Kanal zwischen Rhein und Weser für sich allein nicht im stande sei, dem nationalen Wohlstande denjenigen Zuwachs zu geben, dessen eine große Wasserstraße fähig sei, daß vielmehr der⸗ selbe nur in unmittelbarem Anschluß an einen Kanal zwischen Weser und Elbe als ein volkswirthschaftlich lohnendes Unternehmen anzusehen sei. Das war der Beschluß, der im Jahre 1864 von Vertretern aller produktiven Stände, auch der Landwirthschaft, gefaßt wurde.

Meine Herren, nun liegt wohl die Frage nahe: wenn schon 150 Jahre lang ein solches Unternebmen geplant und unentwegt verfolgt ist, weshalb das Ziel bis jetzt unerreicht geblieben ist. Als Deutsch⸗ land vor 150 Jahren noch in so viele größere, mittlere und kleinere Staaten zerfiel, war es ein großartig gewagtes Unternehmen, wenn ein preußischer König damals glaubte, die partikularen Interessen dieser einzelnen Staaten überwinden und ein solches Unternehmen zu stande bringen jzu können. Es ist leicht erklärlich, wenn daran vorerst das Zustandekommen des Unternehmens scheiterte. Wenn Sie sich vergegenwärtigen, wie demnächst Deutsch⸗ land im Innern zerklüftet und in Kriege gegen das Ausland zu Anfang dieses und zu Ende des vorigen Jahrhunderts verwickelt war, welche schwerwiegenden wirthschaftlichen Folgen diese ewigen Kriege hatten, so liegt es nahe, daß in solcher Zeit so große Aufgaben an die Einzelstaaten, auch an Preußen, herantraten, daß Unternehmungen, wie das in Frage stehende, in den Hintergrund treten mußten.

Meine Herren, und dann trat ein anderer Grund in den Vorder grund, der auch hier bei den gegenwärtigen Verhandlungen vertreten wird. Man will behaupten, die Zeit der Wasserstraßen sei überall vorüber, nachdem man in die Aera der Eisenbahnen eingetreten sei. Sie werden sich erinnern, daß von den verschiedensten Rednern die Behauptung aufgestellt ist: die Zeit der Wasserstraßen sei überlebt, wir leben in der Zeit der Eisenbahn, es sei nicht mehr rationell, noch Wasserstraßen zu bauen. Meine Herren, ersetzen denn die Eisenbahnen die Wasserstraßen? Bei der bisherigen Debatte über diese Frage haben die verschiedenen Redner die Erfahrungen, welche das Ausland mit seinen Wasserstraßen gemacht habe, gegen den Bau von Wasserstraßen vorgeführt, auf Amerika, Frankreich und England verwiesen.

Meine Herren, persönlich halte ich es für unrichtig, wenn ich über politische oder wirthschaftliche Fragen klar zu werden ver suche, die Verhältnisse des Auslandes heranzuziehen, wenn die Er⸗ fahrungen im eigenen Baterland genügenden Anhalt für Prüfung und

Entscheidung der Frage bieten. Weshalb schweift man in dle Ferne,

bezieht sich auf, den Eriekanal, auf französische Kanäle, während wir in Deutschland mit unseren eigenen Wasserstraßen, künstlichen und

natürlichen, ausreichende Erfahrungen besitzen, um die Frage zu ent= scheiden, ob denn wirklich die Zeit der Wasserstraßen vorüber ist? Meine Herren, der Gesammtverkehr im preußischen Wirthschafts

gebiet hat kolossal zugenommen, sowohl auf den Eisenbahnen,

wie auf den Wasserstraßen, auf den Wasseistraßen ohnerachtet

vielfach eine Verbindung unter einander fehlt, ohnerachtet

ein. Verbindung des östlichen mit dem westlichen Wasser⸗

straßennetz gänzlich feblt. Meine Herren, ich habe geprüft,

wo liegt denn die stärkste Steigerung des Verkehrtz: bei den

Gisenbahnen oder bei unserem unvollkommenen Wasserstraßennetz *

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

sondern auch von den betheiligten kommunalen Verbänden. Unter den

Plan zur

zum Deutschen Reichs⸗

M 9G.

Zweite Beilage

Berlin, Montag, den N. April

Anzeiger und Königlich Preußis chen Staats⸗Anzeiger.

1899.

2 —— 2 2

(Schluß aus der Ersten Beilage.) Meine Herren, die Statistik beweist, daß, obgleich

das ganze wirthschaftliche Gebiet umfaßt, daß, obgleich zwischen den Wasserstraßen eine vollstãndig ausreichende Verbindung, die jetzt erst durch den Mittellandkanal hergestellt werden soll, fehlt, trotzdem der Verkehr auf den Wasserstraßen prozentual sich stärker gehoben bat, als der⸗ Meine Herren, ich weise beispielsweise

jenige auf den Eisenbahnen.

auf die Stadt Berlin hin. Nach mir vorliegenden

ich nenne nur generelle Zahlen wird der gesammte Bedarf der Stadt Berlin an industriellen, montanen und landwirthschaftlichen Erzeugnissen

zu 800 0 durch die Wasserstraßen gedeckt und nur Eisenbahnen. (Hört! hört) Meine Herren,

Aussicht genommenen Sie nicht bestreiten wollen, babnnetz für würde dieses

daß ein noch

Eisenbahnnetz,

Jeder und vielleicht nehmen Herren aus mal Gelegenheit, die Verhältnisse kennen zu lern

sieht, land8s zu Wasser befördert werden, jeder, der

im Often und Westen der Residenz betrachtet, wird finden, daß dies fast ausschließlich Erzeugnisse des Grund und Bodens oder aus dem Dazu rechne ich auch die Montanprodukte, Kohlen u. s. w. und Erzeugnisse induftrieller Art, wie Ziegelsteine, Erden u. s. w. Man findet auf den Abladestellen sehr viel Brenn⸗ holz, anderes Holz und landwirthschaftliche Erzeugnisse aller Art, namentlich Massenerzeugnisse, Getreide, Obst, Kartoffeln u. s. w. das Ziel der Wirthschaftspolitik, auch der Ent—⸗ welche Verkehrsmittel man zu wäblen ein nationales sein. Frage soll man nicht nach den Gesichtspunkten suchen, die trennen, sondern die vereinen, nicht parti⸗

Grund und Boden sind.

Meine Herren, scheidung über die Fraze, hat, soll und muß stets scheidung der hier vorliegenden

kuläre Interessen, sondern nur das Interesse der

entscheidend sein, sonst trennt man statt zu vereinigen. (Bravo) Ich wende mich nochmals zu der viel erwähnten ausländischen

Konkurrenz. Es wird stets darauf hingewiesen eine zu große Zahl von wärtige Produktion vorhanden sei, wärtige Vorlage diese Einbruchsstellen, indirekt vermehren werde, stellen unter einander verbinde; der Mittelland dieselben Folgen wie direkte Einbruchsstellen Geschichte, man lernen. Wenn man nach halb die ausländische Konkurrenz für duktion so außerordentlich gefährlich ist, so

und daß wenn

ländischen Produktionskosten geringer sind.

Ich habe schon häufig Gelegenheit genommen

hier im Hause und im Reichstage auszusprechen, daß, um der Landwirthschaft zu helfen, man die Produktionskosten mindern und die Unter den Produktionskosten spielt aber die Frage der Bewegung der Güter eine hervorragende Rolle, und daß z. B. Amerika Deutschland gegenüber konkurrenzfähiger ist bei der

Produktion steigern müsse.

Einfuhr nach bier, liegt wesentlich in den niedrig

Vergrößerung der Schiffsgefäße, der Herstellung von Wasserstraßen im Auslande, der Herstellung von zahllosen Eisenbahnen, die es ermöglichen, daß auch vom fernen Westen Amerikas bis nach unsern Haupt

konsumgebieten, nach Berlin, nach dem Ruhrkoh

der Güterbewegung niedriger sind als von dem Osten nach dem Westen Deutschlands. Ich habe keinen Redner im Hause gehört, der diese An⸗

sicht bestritten hat; aber leider hat keiner daraus

zogen, die daraus zu ziehen sind. Will man diese Gefahr bekãmpfen,

dann muß man versuchen, datselbe zu thun, was hat; auch wir müssen unsere Güterbewegung sodaß sie mit den geringeren Transportkosten karrieren kann. Das ist ein praktisches Ziel,

unmöglich daran denken kann, die Einbruchtzstellen zu schließen oder gar zu sagen, wie ich vor wenigen Tagen in einer Zeitung gelesen

habe: die ganze landwirthschaftliche Kalamitãt ist

Bau der Eisenbahnen (Heiterkeit), dadurch, daß der Verkehr in ungesunder Diese Anschauung ist natürlich, wie ich hoffe, vielmehr möchte ich daran erinnern, daß an

Weise gesteigert ist. nicht alljuweit verbreitet;

die landwirthschaftliche Verwaltung kaum ei

Förderung der Landwirthschaft gerichtet wird, in der es nicht heißt: wir bedürfen besserer Verkehrswege, seien es Kunststraßen, Tertiär⸗

bahnen oder Sekundärbahnen; oder es heißt: Tarife schädigen uns auf das entschiedenste,

Frachttarife haben.

Meine Herren, ich resümiere diese Darlegungen, die, wie ich

glaube, unwiderleglich sind, dahin: Man muß,

Ausdruck zu gebrauchen, den Teufel durch Beeljebub augtreiben. Aus

dem, was uns geschadet hat, müssen wir lernen.

welches unsere Konkurrenzfähigkeit gefährdet, müssen wir zur Sanierung anwenden. Freilich, allein mit der Trantzportfrage ist das nicht zu machen; auch andere Maßnahmen müssen mitwirken.

Nun, meine Herren, komme ich auf einen anderen Gesichtẽ punkt. Ich stelle die Frage: was im Falle der Ablehnung der Vorlage ein neten wird; wird dann der Kau dec Kanals unterbleiben? Nein, Ich kann Ihnen bestimmt

meine Herren, das wird nicht geschehen. sagen, und das ist die übereinstimmende Ansicht dann wird das Privatkapital den Kanal bauen.

wenn Sie sich das

Eisenbabnnetz der Stadt Berlin mit der Ringbahn, mit der jetzt in Umführungsbahn u. s. w. anseben, werden

die Stadt Berlin kaum möglich ist; wenn die gesammte des Berliner Bedarfs jetzt mit einem Male lediglich auf die Eisen⸗ bahnen angewiesen würde, zweifellos sofort versagen. Aehnlich liegen die Verhältnisse auch in anderen großen Verkehrszentren.

welche Erzeugnisse hauptsächlich nach der Metropole Deutsch⸗

Einbruchsstellen für die aus— weil sie die vorhandenen Einbruchs

namentlich aus der wirihschaftlichen Geschichte, muß den Ursachen forscht, unsere ist der Grund un

bestreitbar darin zu finden, daß die ausländischen gegenüber den in Unter den Produktions⸗

kosten sind es namentlich auch die Trantportkosten, welche gegenwärtig das Ausland unserm Inland gegenüber begünstigen.

wir müssen billigere

das Eisenbahnnetz

statistischen Zahlen

zu 2000 durch die

dichteres Eisen⸗ dennoch Befriedigung

dem hohen Hause en —, der sich an⸗

die Abladestellen

Bei der Ent⸗

Gesammtheit darf

daß schon jetzt

auch die gegen⸗ nicht direkt, doch

kanal würde daher haben. Aus der

wes⸗

inländische Pro⸗

bei Agrardebatten

en Frachten, in der

lengebiet, die Kosten die Folgerungen ge⸗ das Ausland gethan verbilligen suchen,

des Auslands kon⸗ während man doch

entstanden durch den

ne Eingabe wegen

die gegenwärtigen

um einen trivialen

Dasselbe Mittel,

der Staatsregierung,

Zustimmung und Zurufe rechts: Das wollen wir ja, das mögen Sie doch gleich thun!) Ich weise darauf hin, daß Herr Schmieding bei seinem Vortrage schon hervorgehoben hat, daß, wenn man Bremen gestattet, die Weser auf seine Kosten zu kanalisieren und bei den Tarifen für die Benutzung der kanalisierten Weser maßgebend mitzuwirken, doch schwerlich die Staatsregierung in der Lage sein werde, einer leistungs fähigen Kapitalgesellschaft die Ausführung des in. Weser⸗Elbe Kanals zu versagen. Eine solche Lösung der Kanalfkage würde ich, meine Herren, und zwar auch besonders vom landwirtbschaftlichen Standpunkte in hohem Grade bedenklich erachten, denn ich glaube, daß, wenn eine so große, wichtige nationale Verkehrsader wie der Mittelland Kanal in die Hände des aus industriellen Kreisen beschafften Privatkapitals gelegt würde, nicht derartige Vortheile für die Landwirthschaft, wie bei staatlicher Aus— führung zu erwarten sein werden. Ich bin auch der Ansicht, daß, nachdem wir unsere Bahnen verstaatlicht haben, wir auch genöthigt sind, dafür zu sorgen, daß eine in Konkurrenz mit der Eisenbahn⸗ verwaltung stehende so bedeutsame Wasserverbindung wie der Mittel land⸗Kanal nicht in die Hend des Privatkapltals gelegt werden darf, ohne die größten Kollisionen und wirthschaftlichen Bedenken herbeizu⸗ führen. (Sehr richtigh Meine Herren, ich hege aber noch eine andere Befürchtung: ich glaube nicht, daß der ganze Kanal vom Rhein bis zur Elbe durch das Privatkapital gebaut werden wird. Es ist vielmehr wahrscheinlich, daß das Privatlapital nur soweit das Unternehmen ausführen wird, als dasselbe eine volle Garantie der Verzinsung der verwandten Mittel bietet. Daz ist zweifellos bei der Verbindung von Dortmund nach dem Rhein der Fall. Sie ist, kapitalistisch betrachtet, ein finanziell außer⸗ ordentlich günstiges Unternehmen. Wir wollen mal annehmen, allein dieses Stück würde auf Grund einer Konzession der Staatsregierung gebaut. Was haben wir dann? Dann führt von den holländischen Häfen her der abgabenfteie Rhein die auswärtigen Produkte bis Ruhrort, der Kanal von Ruhr— ort oder von Wesel ab die auswärtigen Güter bis in das Industrie· gebiet, in eins unserer Hauptabsatz gebiete. Also die Einfuhr ausländischer Produkte zum westlichen Absatzmarkt wird erheblich erleichtert. In Konkurrenz damit müßten treten alle die Gebiete, die östlich von diesem Gebiete liegen, wie die Provinzen Hannover, Hessen⸗Nassau, Sachsen, sowie Braunschweig und Anhalt. Sie haben bisher ihren Ueberschuß in dem Industriege biete abgesetzt. Allein auf die Eisen· bahn angewiesen, wären sie gegenüber ider neuen Wasserstraße nicht mehr konkurrenzfähig und in ihrem bisherigen Absatze auf das empfindlichste geschädigt. Andererseits ist aber die Verbindung von den Emshäsen bis in das westfälische Absatzgebiet bereits vorhanden. Also die Schleife wäre vollständig fertig, wenn nur das Stück von Dortmund zum Rhein gebaut wird. Daz wären zwei Einbruchsstellen von der See her bis in das Herz unseres wichtigsten Absatzgebiets. Meine Herren, ich will aber auch annehmen, das Privatunter· nehmen würde den Kanal auch von Bevergern nach dem Osten fort⸗ setzen, so geschieht das, wie ich glaube, nur bis Hannover, darüber hinaus schwerlich, weil die Strecke von Hannover bis zur Elbe am wenigsten rentabel erscheint. Was wäre dann die Folge? Dann hätte der westliche Theil der Provinz Hannover mit Zweigkanälen nach Osnabrück, dildes heim, Bückeburg u. s. w. eine außerordentlich günstige Verbindung für alle seine industriellen, montanen und landwirthschaftlichen Erzeugnisse: einmal durch die Bahn, anderntheils durch den Kanal bis in das west⸗ liche Konsumtionsgebiet Das Gebiet, welches ostlich von Hannover bis zur Elbe liegt, würde der Kanalverbindung entbehren. Dies Gebiet würde daher seine Konkurren fähigkeit für das westfälische Gebiet wesentlich geschmälert finden. Dle Folge davon würde sein, daß es den östlichen Markt aufsuchen müßte. Sie wissen alle, wenn ein Markt überfüllt wird, dann sinken die Preise. Für den Osten kann es nur im höchsten Grade erwäünscht sein, daß der Berliner Markt thunlichst erleichtert wird. Wenn aber der angenommene Fall eintritt, so würden große Gebiete die jetzt nach dem westlichen Industriegebiet absetzen, den Serliner Markt auf⸗ suchen, überfüllen und dadurch die bisher auf. Berlin angewiesenen zstlichen Produktionsgebiete wesentlich beeinträchtigen. Dieselbe Er⸗ scheinung auf dem Berliner Markte würde sich von da weiter nach Osten fortpflanzen. . ö. 3. ü. Beispiel anführen. Wenn die Letzlinger Haide, bekannt · lich eine sebr große staatliche Forst, die Wasserverbindung bekommt, wird sie nach Tausenden von Mark höhere Einnahmen dadurch erzielen, daß sie das minderwerthige Hol; nicht das Bauholz; zu wesentlich billigeren Frachtkosten in noch größerem Umfange nach dem Westen bringen kann, als das jetzt der Fall ist. Meine Herren, alles wat wesentlich von Berlin nach dem Westen hin abgeführt wird, erleichtert den Berliner Markt, vermehrt die Zufuhr der Produlte des Ostens nach Berlin. Auch werden in Berlin bessere Preise erzielt werden, die dem Osten zu gute kommen. ij Meine Herren, ich wende mich ietzt zu einer anderen Frage. Sind denn, wie das hier bei den Verhandlungen wiederholt bestritten worden ist, alle Betheiligten des Westens für oder gegen den Kanal? Meine Herren, von der einen Seite wird behauptet, sie seien dagegen, von anderer Seite wird das Gegentheil behauptet. Selbst Herr Herold hat darauf hingewiesen, daß viele dandwirthe aus dem Westen gegen den Kanal sein fönnten oder sein müßten. Ich will zunächst bei dieser Darlegung des Herrn Herold stehen bleiben. Meine Herren, ich persön⸗ lich habe einen ziemlich ausgedehnten Grundbesitz, der durch Eisenbahnen mit dem Ruhrkoblengebiet verbunden ist. In 2 Stundea werden alle meine landwirthschaftlichen Produkte, Holz, überhaupt alles, was ich abgeben kann, zu perhältnißmäßig hohen Preisen nach dem west lichen Industriegebiet abgesetzt. Es ist zweifellos, daß, wenn der Kanal (ebaut und dutch ihn mehr wie bisher auf den westlichen Markt gebracht wird, wie auch Herr Herold ausfübrte, eine größere Ausgleichung in den Preisen stattfinden wird. Ich bin darüber durchaus nicht im Zweifel, daß ich die meistens recht hohen Holzpreise, welche ich jetzt für Schnitthöljer, Zechen! und

Ich will als drastisch mittheilen, daß mir von meinen Beamten wiederholt der Vorwurf gemacht wird: mein Gott, wie können Sie sich für den Kanal interessieren, wo Sie direkt wesentliche Nachtheile von dem Kanal haben werden! (Lebhaftes Bravo.) Meine Herren, was habe ich den Beamten darauf erwidert? Ich möchte daran auch eine kurze Betrachtung für die Stellung der Herren hier im Abgeordnetenhause knüpfen. In solchen Fragen, habe ich ge⸗ sagt, entscheidet nicht der persönliche Erwerb, der eigene Verlust oder Verdienst, sondern bei so hochwichtigen wirthschaftlichen und politischen Fragen muß man nicht seine persönlichen direkten Interessen in den Vordergrund stellen, auch nicht die Interessen ein- zelner Kreise, auch vielleicht nicht einmal die Interessen ganzer Provinzen, sondern man hat die Pflicht, die Gesammtinteressen des Staats ins Auge zu fassen. Und diese Pflicht hat, wenigstens nach meiner Auffassung, auch jeder Abgeordnete in diesem Hause. (Lebhafter Beifall. Widerspruch rechts) Jawohl, meine Herren, das ist meine persönliche Ueberzeugung, (Zurufe rechts) und sie hat auch ihre Begründung in der Verfassung. (Bravo

Meine Herren, ich gehe jetzt auf die Frage ein: auf welche Erklärungen ist der Hauptwerth zu legen: auf solche, die aus einzelnen Interessenkreisen hervorgehen, oder auf diejenigen Erklärungen, welche von den dazu berufenen Organen der Provinzialverbände, der Kreise u. s. w. abgegeben sind? Meine Herren, die Entscheidung kann doch nicht zweifelhaft sein. Der Provinzial Landtag von Hannover hat beinahe einmüthig die großen Opfer übernommen, welche ihm in der Garantieverpflichtung auferlegt werden. Er setzt sich zu drei Vierteln aus Vertretern des Landes zusammen. Darunter befinden sich manche Herren, die dem Norden der Provinz Hannover angehören, welcher in Verbindung mit den Hamburgern Hamburg ist bekanntlich gegen die Mittelland ⸗Kanallinie wünscht, daß nicht die jetzt projektierte, sondern die mehr nördliche Linie gewählt würde. Trotzdem haben diese Herren bei der Frage der Garantieleistung mit der Mehrheit gestimmt, in der Ueberjzeugung, daß das Unternehmen eine große Be—⸗ deutung für den Westen und den Staat und die Prooinz Hannover im allgemeinen habe. Allerdings haben sie dabei die Erwartung ausgesprochen, daß späterhin, wenn einmal die Frage weiterer Ver⸗ bindungen, bei denen ihre Interessen mehr berücksichtigt werden, vorliege, ebenso objektiv, wie sie bei der jetzigen Garantieleistung sich verhalten haben, dann auch die übrigen Angehörigen der Provinz sich benehmen würden. Ebenso liegt es in Westfalen und im Rheinland: die berufenen Vertretungen der Provinzialverbände, die zum größten Theil aus Landwirthen zusammengesetzt sind, haben sich mit großer Majorität für den Kanal und für die Uebernahme der Garantie⸗ verpflichtung erklärt. Daraus folgere ich, daß auf diese Erklärungen, weil sie durch weitgehende Verpflichtungen getragen und gedeckt werden, mehr Werth zu legen ist, als auf die Erklärungen einzelner Interessengruppen. Im übrigen ist es aus demselben Grunde, den ich für meine persönlichen Verhältnisse anführte, erklärlich, wenn einzelne landwirthschaftliche Gruppen nicht für den Ausbau des Kanals sind und aus reiner Interessen vertretung sagen: nein, uns genügen die jetzigen Verhältnisse, wir wollen weiteres nicht haben.

Meine Herren, bei dieser Gelegenheit möchte ich auf die Frage eingehen, ob der Kanal, wie von vielen Seiten, auch in den Ver— handlungen dieser Tage behauptet ist, der Landwirthschaft schadet oder nützt, und wo der Nutzen und wo der Schaden iu suchen ist. Diese Frage ist von dem Aus—⸗ schuß, dem ich Jahre lang die Ehre hatte vorzustehen, sehr sorgfältig und eingehend geprüft. An der Spitze des Zentral⸗ auzschusses der hannoverschen Landwirthschaft standen damals zwei hervorragende Autoritäten auf landwirthschaftlichem Gebiete: der Präsident des Auctschusses Herr von Kaufmann und ein Domänen⸗ pächter Herr Westernacher, beide weit über die Provinz hinaus bekannte Autoritäten. Diese Herren wurden beauftragt, die erwähnte Frage gründlich zu prüfen. Mir haben die Gutachten beider Herren vorge⸗ legen. Ich habe sie gründlich geprüft, ich habe sogar vielfach Gelegen · beit gehabt, sie auch meinerseits nachjuprüfen, da ich ja lange Jahre Landes- Direktor gewesen bin und als solcher viel Gelegenheit gebabt abe, das betreffende Gebiet örtlich zu besichtigen. In den Gutachten sind beide Herren übereinstimmend zu der Ansicht gekommen, daß große direkte Vortheile für die Landwirthschaft in der Herstellung des Kanals zu finden seien, daß die Nachtheile untergeordneter Natur und wesentlich solcher Art seien, daß sie im Wege der Entschãdigung auf Grund unserer Gesetze vergütet werden müßten. Und iwar baben die Herren dieses Gutachten nicht nach dem Gesichtspunkte erstattet, daß jede Verkehrserleichterung jede Verkehrsverbesserung eder Ver⸗ billigung der Landwirthschaft zu gute kommt, sondern sie haben die direkten Vortheile und Nachtheile untersucht.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch Anlaß nehmen, auf Bedenken einzugehen, die in der bisherigen Diskussion hervor⸗ getreten sind.

Von verschiedenen Seiten ist darauf hingewiesen, es sei doch ein Widerspruch, wenn man, um einen Kanal zu bauen, das Wasser aus den bisherigen Flüssen berauspumpe, in einen neuen Flußlauf hinein⸗ bringe und die Interessen, die an den natürlichen Gewãssern seien, brachlege. Meine Herren, ich müßte ein nachlässiger Landwirthschaftg⸗Minister sein, wenn ich nicht nach der Richtung hin sorgfältig Anlaß genommen hätte soweit das überall zu übersehen ist die Verhältnisse zu prüfen. Ich bin auch dazu verpflichtet ge⸗ wesen, weil aus vielen Kreisen in dieser Richtung direkte Beschwerden an mich gelangten. Auf Grund technischer und sachgemäßer Prüfung bin ich zu der Ansicht gelangt, daß die Kanalspeisung ohne Benach⸗ theiligung anderer Interessen aus den in Frage kommenden Wasser⸗ laufen möglich ist. Ja, meine Herren, die Speisung hat unter Um⸗ ständen sogar direkte Vortheile zur Folge; denn etz ist geplant, die Hochwasser, welche von den aus dem Harze u. s. w. stammenden Flüssen vielfach geführt werden, in den Kanal abzuführen und damit die Schädigungen, die bisher durch die Hochwässer herbeigeführt sind, zu beseitigen.

(Bravo! lebhafte

Grubenhöljer bekomme, dann zweifellos nicht mehr bekommen werde.

Meine Herren, ich wende mich jetzt zu den übrigen Bedenken,