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hohen Hauses erhoben werden, und daß eg dann erst ihre Sache ift, die se Cinwen dungen zu widerlegen. Eine Verpflichtung hat kein Mitglied der Regierung, gegen Angriffe zu kämpfen, die außerhalb dieses Hauses gemacht sind. Es kann ihr das unter Umständen taktisch zuträglicher erscheinen; wo sie aber ven anderen taktischen Gesichtsvunkten — aus wichtigen Gründen, meine Herren! — ausgeht, muß es der Herr Vorredner auch dem Vertreter der ver⸗ bündeten Regierungen bezüglich des Herrn Reichlanzlers überlassen, zu welchem Zeitpunkt sie es für geeignet halten, das Wort zu er⸗ greifen.
Es sind gegen die Vorlage haupt sächlich zwei Angriffe gerichtet worden: erstens, daß man die Hausschlachtungen in das Gesetz hineingezogen bat, und ferner, daß man scheinbar die Kontrole, die man auf das inländische Fleisch anzuwenden gedenkt, auf das Aus⸗ land nicht anwenden will.
Gegenüber diesen Einwendungen möchte ich zunächst zwei Leitsätze für die ganze Behandlung der Frage feststellen.
Erstens: dieses Gesetz ist ein hygienisches Gesetz im Intere sse des Schutzes der Gesundhelt deutscher Staatsbürger (sebr richtig); es ist weiter ein veterinärpolizeiliches Gesetz, um die Weiter; verbreitung von Viehseuchen zu verhindern.
Dann, meine Herren, der jweite Leitsatz: wir sind unzweifelhaft berechtigt, alle die Kontrolen, die wir auf das inländische Fleisch an⸗ wenden, auch auf das auswärtige Fleisch anzuwenden. Welche Be⸗ stimmungen wir in dieser Beziehung in ein Gesetz aufnehmen und welche Ausführung bestimmungen wir dazu erlassen, das ist Gegen⸗ stand un serer Erwägung, weil wir auf dem Gebiete der inneren Verwaltung Herren in unserem Hause sind.
Gegenüber dieser ziemlich klaren Gefechtslage will ich ausführen, aus welchen Gründen wir dazu gekommen sind, Ihnen das Gesetz in dieser Form vorzulegen, wie es geschehen ist.
Zunächst bin ich einigermaßen überrascht gewesen, daß man jetzt don agrarischer Seite Angriffe dagegen gerichtet hat, daß auch die Hausschlachtungen der obligatorischen Fleischbeschau unter- liegen sollen. Es liegt uns hier ein Antrag vor, der am 29. April 1898 im preußischen Abgeordnetenhause gestellt ist; — der Herr Prãͤsi⸗ dent geftattet, daß ich diesen Antrag verlese. — Da heißt es:
Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen, die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, sofort noch in dieser Tagung des Ab⸗ geordneten bauses einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch welchen die obligatorische Fleischbeschau generell nach Maßgabe der Ver⸗ ordnung für die Provin; Hessen⸗Nassau vom 1. Juli 18892 in Preußen eingeführt und auf alle ausländischen Einfuhren von Fleisch und Fleischwaaren ausgedehnt wird.
Zurufe rechts.) In dieser Verordnung aber für Hessen ⸗ Nasfau ift eine Befreiung der Hausschlachtungen vom Beschau⸗Zwange nicht vorgeseben.
Wenn also das preußische Abgeordnetenhaus einen solchen Be⸗ schluß gefaßt hat und sich ausdrücklich auf die Verordnung für Hessen⸗ Naffau vom 1. Juli 1892 beziebt, in der die Hausschlachtungen nicht ausgenommen sind, so mußten wir selbstverstãndlich annehmen, daß man auch im preußischen Abgeordnetenhause, wo zuerst die An⸗ regung für die Einführung der allgemeinen obligatorischen Fleisch⸗ beschau gegeben ist, die Hausschlachtungen mit einbezieben wollte.
Ferner, meine Herren, — auch hier muß ich auf die Verhand⸗ lungen des preußischen Abgeordnetenbauses zurückkommen — hat der Abg. von Mendel ⸗Steinfels, dem man doch gewiß gerne zugestehen wird, daß er mit warmem Herzen landwirthschaftliche Interessen, namentlich auch die Interessen des Bauernstandes vertritt, in der Sitzung vom 27. April 1887 erklärt:
Ich möchte das hohe Haus bitten, heute noch einen Schritt weiter zu gehen und sich unseren Ansichten anzuschließen, dafür ein jutreten, daß nicht nur das jum offentlichen Verkauf gelangende Fleisch der Fleischbeschau unterliegt, Lo ndern daß die obligatorische Fleischbeschau ausgedebnt wird auch auf das platte Land. Ich weiß wobl, daß dem platten Lande dadurch manche Be⸗ schwerniß auferlegt wird. Ich weiß sehr wohl, daß es draußen im Lande manchen Landwirth giebt, der vielleicht mit dem Kopfe schütteln wird; aber es ift unbedingt nothwendig, daß wir hier vor dem Lande bezeugen: wir wollen keine Sonderbestimmung, teine Sondermaßregel in un serem Inte resse, sondern wir wollen weiter nichts als in dem Verkehr mit Fleisch im Inlande gleiches Recht für Alle baben.
(Hört! bört! links) Am 29. April hat er allerdings diese Erklärung
etwas modifiziert; er bat aber doch erklärt: die Frage der Kontrole des Fleisches, der Fleischbeschau, soll von uns dahin interpretiert werden, daß wir uns generell auf den Stand⸗ runkt stellen, den wir im vorigen Jahre bei meinem Antrage ein stimmig eingenommen haben, daß alles jum Verkauf gelangende Fleisch, auch das Fleisch der Thiere, welche die Landwirthe noth⸗ schlachten und verkaufen, unter allen Umständen kontroliert werden muß
Er hat sich dann in - der letzten Sitzung noch etwas weiter rektiß iert gegenüber seiner ersten Erklärung, indem er sagte:
daß ez aber der Erwägung sehr anheimzuftellen ist, und daß es auch meines Grachteng keine Bedenken bat, daß dat jenige Fleisch⸗ welches die Landwirtbe in ihrem eigenen Haushalte gebrauchen — und das sage ich besonders in Rücksicht auf die östlichen Provinzen mit ibrer dünneren Bevölkerung —, freigelassen werden k ann.
Also, meine Herren, der Abg. ven Mendel Steinfels, der vor⸗ zugsweise diese Frage im vrenßischen Abgeordnetenhause vertreten hat, stand auf dem Standpunkt: Wir wollen die obligatorische Fleischbeschan auch auf das platte Land ausdehnen, ob⸗ gleich dadurch den Landwirthen manche schweren Opfer auferlegt werden — und erst in einer Schlußbemerkung in einer weiteren Sitzung rektiftztert er sich es ist der Grwäg ung werth, ob man nickt fär die obligatorische Fleischbeschau in den Propinzen mit dännerer Bevölkerung von der Kontrole der Hausschlachtungen ab⸗ sehen kann. Also der Abg. von Mendel Steinfels war keineswegs in seinem Urtheil so entschloff a gegen die Hausschlachtungen, wie wir das beute von den beiden Herren Vorrednern des hohen Hauses gehört haben.
Aber die Sache liegt doch noch anders. Es ist mir auch bei den Berathungen im Bundesrath surpeditiert worden, ob man nicht mind estens die Hausschlachtungen von der Kontrole freilassen kõnnte, rean das Fleisch nur zum Verbrauch im eigenen Hause verwendet wird, oder wenn es nur ju gelegentlichen Geschenken für liebe Ver wandte eder ju dem üblichen Geschenk für den Herrn
Pfarrer und den Herrn Lehrer verwendet wurde. ( Heiter · keit) Ich habe mich entschieden dagegen ¶ ausgesprochen, irgend welchen Kreisen der Bevölkerung eine derartige Passioservitut aufzuerlegen, vor allen aber nicht, meine Herren, den eigenen Dienstboten! Bei der daussch lãchterei handelt es sich eben nicht nur um den nächsten Kreis der eigenen Familie; denn in unseren jetzigen landwirthschaftlichen Be⸗ trieben, wo eine so große Masse von Arbeitern in der Kartoffel⸗ ernte, in der Räbenernte zur Verwendung gelangt — es handelt sich da manchmal um Hunderte von Leuten — kann man unmöglich sagen, daß das Fleisch, welches im Hause geschlachtet wird, auch nur im engsten Kreise der Hausgenossen verwendet wird, wenn Hunderte von Arbeitern davon ernährt werden. Ich beziehe mich in dieser Beniehung auch auf die Erklärungen, die in einer Ver⸗ sammlung abgegeben worden sind, von der Sie sicher zugestehen werden, daß dort landwirthschaftliche Sachkenntniß berrscht, und daß man dort auch die Sache vom technischen Standpunkt vollkommen zu beurthellen weiß. Der Herr Korreferent im Landwirthschaftsrath, als diese Frage dort verhandelt wurde, sagte:
Sie wissen Alle, wie häufig es vorkommt — Herr von Mendel hat Ihnen das vor Augen gerückt — daß eine Kuh, viel- leicht die beste Milchkub, die, weil sie nicht wieder angenommen hatte, verkauft worden ist, beim Schlachten als tuberkulös befunden wird und bielleicht so hochgradig, daß sie vollständig verworfen werden muß. Wer etwas Derartiges erlebt bat, mag die ganze Fleischbeschau verdammen.“
Ich nehme nicht an, daß bieraus der Schluß gefolgert werden sollte, daß, so lange die Fleischbeschau nicht besteht, diese Kühe ge⸗ schlachtet und das Fleisch jum Verkauf gebracht werden würde, daß aber unter der Herrschaft der Fleischbeschau die Kub leider nicht ver⸗ kauft werden könnte. Denn schon jetzt nach dem Nahrungsmittelgesetz ifl der Verkauf von Fleisch, welches offensichtlich verdorben ist, welches von sichtbar kranken Thieren herrührt, verboten, und wenn Sie die Materialien zum Nahrungsmittelgesetz ansehen, werden Sie finden, daß der größte Theil des Fleisches, welches von kranken Thieren herrührt, auch jetzt schon vom Verkauf ausgeschlossen ist, und daß derjenige unter Strafe fällt, welcher solches krankes Fleisch wissentlich zum Verkauf bringt. Man kann also nicht sagen, daß durch die Fleischbeschau eine wesentlich neue Last den Landwirthen in dieser Beziebung auferlegt wird; die neue Last ist eigentlich nur die, daß die Untersuchung des Fleisches jetzt von Amts⸗ wegen stattfindet und dafür Kosten entstehen, und daß infolge dessen vielleicht manches Stück zurückgestoßen werden wird, was früher nicht zurückgestoßen wurde, weil die Krankheit für den Laien äußerlich nicht sichtbar war.
Der Korreferent im deutschen Landwirthschaftsrath hat ferner ausgefũhrt, welche unge heuere Gefahr verbunden wäre mit dem Genuß ununtersuchten Fleisches. Es ist festgestellt durch einen hervorragenden Augenarzt, daß früher, ehe hier in Berlin die obligatorische Fleisch⸗ beschau bestand, ein nicht unerheblicher Prozentsatz von Menschen erblindete, weil durch den Genuß finnigen Fleisches Finnen in ihre Augen gelangten, — daß dieser Krankheitsprozentsatz seit Ein⸗ führung der obligatorischen Fleischbeschau in Berlin sich erheblich reduztert hat. Ein hervorragender Anatom und Pbysiologe wie Dr. Virchow hat ferner ausgeführt, daß die Krankheitserscheinungen, die mit dem Eindringen von Finnen ins Gehirn von Menschen verbunden sind, wesentlich zurückgegangen sind seit Einführung der obligatorischen Fleischbeschau in Berlin.
Der Herr Referent im Landwirthschaftsrath führt dabei noch einen sehr interessanten Fall an. Er sagt, es habe ihm jemand ge— schrieben, unter seinen Schweinen sei eine Krankheit ausgebrochen, die er nicht kenne. Er habe seinen Leuten von dem Fleisch gegeben und auch solches verschenkt. Demnächst wäre auch das Vieh seiner Leute krank geworden. Er führt dann aus, er habe dies Fleisch einer Unter suchung unteriogen, und es habe sich unjweifelhaft ergeben, daß diese Schwelne an der Schweine seuche gelitten hätten. Der Korreferent des Landwirthschaftsraths fügt dabei hinzu:
„Ich hebe drittens hervor, daß, wenn Sie die Schweine von der Kontrole ausnehmen, Sie dadurch der Ausbreitung der gefähr⸗ lichen Schweinekrankheit, deren Ausbteitung Sie so sehr beklagen, der Ausbreitung des Rothlaufs und der Schweineseuche einen ganz gewaltigen Vorschub leisten. Sie wollen diese Seuchen bekämpfen, und indem Sie in dieser Weise die Schweine freilafsen, entziehen Sie sich dieses Hilfsmittel, welches zu diesem Zwecke dienen soll. z
(Sehr richtig) Meine Herren, das kann ich also nicht anerkennen, daß unter den jetzigen Verhältnissen es so harmlos und so unbedenk⸗ lich sei, wenn man überhaupt im Interesse des Schutzes der mensch⸗ lichen Gesundheit und im Interesse der Verhinderung der Weiter verbreitung von Viehkrankheiten eine obligatorische Fleischschau ein ⸗ fübren will, die Hausschlachtungen davon frei ju lassen, umsomehr als es ganz notorisch ist, daß vielfach Landleute zwar im Hause schlachten, dann aber das Fleisch im Wege des Verkaufs verbreiten. Wir werden uns über diese Frage in der Kommission ja noch des nãheren unterhalten.
Es ist weiter von einem der Herren Vorredner darauf hingewiesen, daß das Auland in diesem Gesetz besser behandelt würde als das Inland, und das sei nicht erträglich. Meine Herren, daß wir das Recht haben, das Ausland ebenso zu behandeln wie das Inland, das habe ich bereits grundsůtzlich autgesprochen. Aber die Herren werden mir auch das zugestehen: wenn wir dieselben formellen Forderungen an die Untersuchung des ausländischen Fleisches stellen wollen, welche wir im Inlande stellen, so ist das einfach das absolute Verbot irgend welcher Einfuhr ausländischen Fleisches. Denn daß eine Vorbeschau des ausländischen Viebes — und gegen diese baben Sie sich ja an sich nicht ausgesprochen, im Gegentheil, Sie haben sich mit ihr ein verstanden erklärt — daß eine Vorbeschau ausländischen Viehes im Auslande nicht ausführbar ist, das ist klar. Gg ist ferner klar, daß geschlachtetes ausländisches Fleisch, wenn es im erkalteten Zustande ju uns kommt, nicht in derselben Weise unter⸗ sucht werden kann wie das einbeimische Fleisch, erftens wegen des Verlaufes der Zeit und jweitens weil gewisse Theile des Thieres, Gehirn, Gingeweide u. s. w. auf weite Strecken nicht transportiert werden können, wenn gleichzeitig nicht das Fleisch verderben soll.
Meine Herren, die Frage liegt aber auch sachlich ganz anders. Wenn Sie dahin kommen, daß Sie ganz mechanisch die Vorschriften, die in diesem Gesetz auf die Untersuchung von inländischem Fleisch Anwendung finden, auf das Ausland übertragen wollen, schließen Sie
ales aualümdisct Flach aberbarpt aus. e wärr eine absobu.
Prohibition, und es wird dann die Frage sein: ist es unter den j Verhäͤltnissen unserer Viehzucht möglich, auf das augländische Fleisch zu verzichten, oder ind wir dann gejwungen, die Vorschriften bezüglich der Ginfuhr ausländischen Biehes laxer zu gestalten? In einem Organ, welches vorzugsweise landwirthschaftliche Interessen vertritt, ist man sich ganz logisch dieser schwierigen Lage vollkommen klar gewesen. Es heißt da:
„Zwar ist bei der unkontrolierten Fleischeinfuhr die Gefahr der Seucheneinschleppung nicht gering, aber immerhin kleiner als bei der Einfuhr lebenden Schlachtviehs. Wenn daber die schon ju weit offen stebenden Thüren an den Grenzen im sogenannten Interesse der Volksernährung noch weiter würden geöffnet werden sollen: dann werden wir lieber die etwas geringere Gefahr der verstärkten Fleischeinfuhr befürworten, als zulassen, daß das bischen Seuchengrenzschutz bei der Einfuhr lebenden Viehes noch welter vermindert wird.“
Sie werden das nicht bestreiten können, daß insonderheit die Gin. fuhr von fremden Fleischwaaren, namentlich von Konserven, jur Zen eine wichtige Rolle in unserer Volksernährung spielt, und daß bei diesen Konserben immerhin die Gefahr einer hyzienischen Schädigung um deshalb geringer ist, weil sie zum großen Theil dadurch, daß sie einem hohen Hitzegrade ausgesetzt werden, sterilisiert sind.
Es fragt sich also: können wir, wenn sich das hohe Haus nicht dazu entschließen kann, ausländische Fleischwaaren bis auf weiteres über die deutsche Grenze hereinzulassen, diesen Ausfall sür unsere Vollsernährung jur Zeit ertragen? Sie werden mir gewiß glauben, daß ich von Herzen wünsche, die deutsche Landwirthschaft möchte im stande sein, die nöthige Fleischnahrung für unser Volk bhervorzu⸗ bringen ohne jeden Zuschuß vom Auslande. Wenn man sich auf einen derartigen orthodoxen Standpunkt stellt, hat man aber doch die Verpflichtung, die Frage objektiv zu vertiefen. Wie liegt nun dann die Sache? Eg sind im Jahre 1898 nach Deutschland 835 983 dz an frischem und ju— bereitetem Fleisch aus dem Auslande eingeführt werden. Rechnet man diese Mengen Schlachtfleisch um in lebendes Schlacht- vieh und nimmt dabei an, daß das Durchschnittsgewicht beim Rind 260 kg beträgt, beim Schaf 23, beim Schwein 80 kg, so ergiebt fich, umgerechnet in Haupt Vieh, eine Ginfuhr von 83 890 Rindern, (817 Schafen und 781 412 Schweinen im Jahre 1898. Weiter: die Ge⸗ sammteinfubr an Schwelneschmalz und Oleomargarin betrug 1898 für Schmalz 1165 899 42, für Oleomargarin 221 797. Rechnet man diese Menge Schwelneschmalz und Oleomargarin un in lebendes Schlacht vieh, und nimmt an, daß aus einem Schwein 50 kg Schmalz, aus einem Rind 60 Kg Oleomargarin gewonnen werden können, so ergiebt sich für 1898 eine Einfuhr von 2331798 Schweinen und 369 660 Rindern. Unter Hinzurechnung der oben er— wähnten, durch Umrechnung des Fleisches in Schlachtthiere gewonnenen Summe ergiebt sich hiernach für 1898 eine Einfuhr von 3113210 Schweinen und 453 550 Rindern in Form von Fleischwaaren. Ich gestebe zu, daß diese Berechnung einen kleinen Fehler hat. (Zuruf — Einen kleinen! Die Schweine werden da, wo sie in Fett um . gewandelt werden, ganz in die Schmelzbottiche gelegt, und es bleibt darum an Fleischtheilen nur wenig übrig, was man von dem als eingeführt berechneten Fleisch wieder abrechnen könnte; dagegen ist es bei Rindvieh anders: wo das Oleomargarin abgelassen wird, bleibt noch eine ziemlich große Masse Fleisch übrig. Ich will deshalb auch die Schlußberechnung nur auf Schweine reduzieren; das Sach. verhältniß würde dann sein, daß die Schweineschmaln und Schweine fleischeinfuhr, umgerechnet in Lebendvieh, im Jahre 1857 ungefähr I /e, 1898 mehr als / des Schweinebestandes des Reichs, wie er am 1. Dejember 1897 festgestellt ist, betrug. Ich werde sehr gern eine Belehrung entgegennehmen, daß diese Zahlen unrichtig sind, daß die deutsche Landwirtbschaft jetzt schon dieses Definit ju decken in der Lage ist.
Aber eins muß ich doch sagen: Wenn hier im Gesetz die Mög⸗ lichkeit gelassen wird, fremde Fleischwaaren nach Deutschland einzu⸗ führen, obgleich die Untersuchung nicht so gründlich sein kann, wie bei inländischen, so hat uns nicht die Rücksicht auf das Ausland bewogen, sondern die Erwägung, daß es für die deutsche Landwirthschaft und die Gesundheit des deutschen Bolkes weniger schädlich ist, fremde Fleisch= waaren hereinzulassen, als fremdes Vieh aus verseuchten Ländern, und dadurch wieder die Gefahr einer großen Weiterverbreitung gefähr⸗ licher Viehseuchen zum Schaden der deutschen Landwirthschaft berbei⸗ zufũhren.
Ferner wurde gesagt, in Preußen schiene man nach der den Pro— vinzialrãtben unterbreiteten Polizeiwerordnung mehr Verständniß für
die Interessen der Landwirtbschaft ju baben, als in der Reich ver!
waltung. Wenn die preußische Regierung auf dem Wege, auf dem sie den Zweck erreichen wollte, eingehalten und sich an das Reich gewandt hat, so hatte sie dazu ihre guten Gründe. Sie hat ihre Anträge beim Reich gestellt, einfach, weil sie sich überzeugte, eine so all gemeine Polijeiverordnung könne sie in Preußen bei den Provinzial⸗ räthen nicht durchsetzen. Dieser Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf be⸗ ruht auf der Initiative der preußischen Regierung und ift im Königlich preußischen Staats · Ministerium einstimmig, einschließlich det preußischen Herrn Landwirthschaftg· Minifters, angenommen worden; also ein Dissens zwischen Reichsverwaltung und preußischer Ver⸗ waltung existiert nicht.
Man hat auch darauf hingewiesen, durch die Fleischbeschan würden ganz außerordentliche Kosten entstehen; es ist namentlich aut⸗ geführt worden, wie schwierig es sein würde, die Beschau bei de Hausschlachtung vor und nach der Schlachtung vorzunehmn In praxi, meine Herren — wir können uns über diese Fran ganz obiektiv in der Kommission unterhalten — wird fich die Sache in dünnbevölkerten Gegenden wesentlich einfacher ge⸗ stalten: es wird eine jweimalige Beschau in der Art stattfin den. daß der Fleischbeschauer das lebende Thier ansieht, es wird vor seinen Augen geschlachtet werden, dann besieht er das Fleisch des getödteten Viebg. (Heiterkeit rechts) Gewiß, meine Herren, das Schwein wird vor den Augen des Mannes geschlachtet werden und dann nimmt er sofort seine Untersuchungen vor; so wird sich die Sache ganz sicher gestalten. Außerdem wi'rd man selbstverftändlich an diese Fleisch⸗ beschauer zunächft nicht ju bobe Anforderungen stellen. Wir haben auch in den dünnbevölkerten Gegenden die Trichinenschau durchgefuhrt und werden dort auch die Fleischbeschau ausführen können.
Meine Herren, ich bilte, bei diesen ganzen Erörterungen nicht iu vergessen, daß die Bestimmungen, die wir hier getroffen haben, nicht
jm Jateresse des Auslands find. Gs ist augdrücklich vorbehalten,
Augenblick auf die ausläͤndische Einfuhr gan dieselben Grund ate anzuwenden wie auf die heimische. Wir betrachten aber das Gesetz als eine Nebergangsbestimmung, so lange wir aus wirthschaftlichen Gründen genötigt sind, unseren Fleischbedarf zum theil noch vom Auslande ju bejlehen, und so lange die Gesundheitsverhãltnisse des Biehes im Auslande noch nicht so gestaltet sind, daß wir unsere Grenzen für lebendes autlaͤndisches Vieh wieder öffnen tönnen. Ich bin fest überzeugt, meine Herren, manche Irrthümer und Mißverständnisse, die in den Reden der beiden Herren Vorredner beute ju Tage getreten sind, werden sich in dem stilleren Hafen der Komm ission leichter aufklären lassen, und ich werde vor allen Dingen auch manche vielleicht zur Sache wesentliche Aufklärungen abgeben können dort in der Kommission, wohin mir der zärtliche Schatten der
Herren Stenographen nicht folgt. (Heiterkeit.
Abg. Wurm (Soz) erklärt sich im allgemeinen für das Gesetz. Die Schaubezirke seien gesetzlich festzulegen. Er halte die Kontrole des angfändischen Schlachtviehes durch deutsche Beamte für durchaus angängig; so gut, wie Nord Amerika gegen die deutsche Textilindustrie bezüglich der Ausfuhr dorthin ,, ,. sei, werde sich das um⸗ gekehrte Verhältniß bezüglich des Schlachtviehes herstellen lassen. Sehr nothwendig feien wirksame Garantien für die rücksichtslose Durch- führung der doppelten Beschau im. Inlande. Die Kontrole müsse Leuten anvertraut werden, die auch für die einheit ⸗ liche, gründliche, rücksichtslose Durchführung einstehen. Der Zwangs. schutz müůsse schließlich auch geg den Willen der Bauern durchgeführt werden; den Argumenten der 3 Gerstenberger und Graf Klinckow stroem nachgeben, hieße die Vorlage zu absoluter Wir kungslosigkeit berurtbeilen. Für die Kosten der Beschau, soweit sie dem Einzelnen, der abseits von der Heerstraße wohne. zur Last fallen würden, müßte die Gesammtbeit eintreten; der Arbeiter, der kleine Mann sollte sie nicht tragen. Für die Kommissionsberathung seien auch die Sozialdemokraten.
Abg. Sieg (ul) erklärt sich mit 1, d. b. mit der doppelten Beschau. der Vor. und der Nachschau, vollig einverstanden; die Wir⸗ kung würde eine eminent wohlthätige, namentlich für das platte Land sein. Aber von der Hausschlachtungsbeschau hätte man wenigstens has Schwein gusnehmen sollen. So leicht werde die Beschaffung geeigneter Beschauer auf dem flachen Lande doch nicht sein, ebenso wie zie gesetzliche Festlegung der Schaubezirke sich nicht durchfübren lasse⸗
lutzer Zeit werde es fbrigeng der deutschen Landwirthschaft
die Vsehproduktion ganz wesentlich ju heben, und das für ihn ein besonderer Grund für die Annahme eines solchen Gefetzes. Die deutsche Viehzucht sei noch einer bedeutenden Ausdehnung und Verbesserung der Produßte fähig, wenn auch in den letzten 20 Jahren schon erhebliche Fortschritte gemacht selen. Nicht eine Fleischnoth habe bestanden, worüber die Klagen im vorigen Herbst angestimmt worden seien, wobl aber eine Fleischernoth, und diese sei hervorgerufen worden durch die Neberschwemmung des Marktes mit ausländischen, besonders amerikanischen Konserven. Er⸗ freulich sei, daß von allen Seiten, auch von dem Vorredner, den amersfanischen Attesten wenig Gewicht beigelegt werde. Die Ent⸗ seudung deutscher Beamten nach Amerika werde freilich auch auf große Schwitrlgteiten stoßen. Redner spricht schließlich die offnung aus, daß das Gesetz in annehmbarer Form aus der Kommission heraus⸗ kommen werde.
Abg. Dr. Pachnicke (fr. Vgg.) hält das Gesetz für verbesserungs⸗ bedurftig, aber auch für verbesserungswerth; es bringe übrigens weder aebi, noch in feinem Hat ächlichen Jntaite ewas abfolut Neues. Ginige Verbesserungen würden allerdings, vorgenommen werden mäffen. Wenn für die Hausschlachtungen leine weiteren Ausnahmen zugelafsen werden sollten, dann könnte doch für diese die Vorbeschau obne Schaden wegfallen. Soweit Erregung im Lande über das Gesetz vorhanden und nicht etwa künftlich hineingetragen sei, richte sie sich eben gegen die Vorbeschau, die man wohl als Ballast werde über Bord 6. müssen, um daz Schiff flottjumachen. Die Haus schlachtungen müßten auch in weiterem Umfange von dem Schau⸗ jwange befreit blelben, sonst würden zu viele Beamte . sein, die man in genügender Zahl ohnehin schon schwer aufbieten könne. Die Uebernahme der Kosten auf den Staat sei ein sehr diskutabler Verschlag; jedenfalls müßten die Gebühren, wenn ihre Festsetzun den Ginzelftaaten übertragen würde, so niedrig gehalten werden, . sie für den kleinen Mann die Agrarier für die
keine Belastung bedeuteten. Da einheimische rf Grleichterungen, für die ausländische die höchsten Erschwerungen for⸗
chau die größten dern, fei doch fehr interefsant. Grundsätzlich sei die gleichmãßige Be⸗ handlung beider in der Vorlage ausgesprochen. Für die Erweiterung pundegrätblicher Vollmachten sei freilich au die freisinnige Vereinigung nicht, unter den gegenwärtigen Verh ltnissen aber werde man darauf eingehen müssen. Die Vermehrung der inländischen Vlebproduktion konne man nur wünschen, aber es habe damit noch
gute Wege.
Abg. Holtz (Rp.): Das Bedürfniß einer reichsgese lichen Rege⸗ lung der Frage erkennen wir an. Das Verlangen der obligatorischen Flelschbeschau ist aber seiner Zeit im preußischen Abgeordnetenhause ausdrücklich auf das er , zum Verkauf gelangende Fleisch erffreckt worden. Die Kontrole der Hausschlachtungen bedarf der Ver⸗ schärfung; die jweimalige Besichtigung ist für den kleinen Mann eine unltebsame und kostspielige Belästigung, der gegenũber⸗ stebende Nutzen für die Allgemeinheit minimal. Das Fleischer⸗ gewerbe ift 86 bereit, sich der Kontrole zu unterwerfen, sobald nur auch die entsprechende Kontrole im Auslande eingeführt wird. Da die Konsumenten durchweg den Wunsch haben, lontroliertes Fleis von den Fleischern zu bezieben, ist notorisch. Die Vorschriften, welche das Gesetz für das auslaͤndische Fleisch trifft, genügen nicht; wir können und müssen unter allen Umständen verlangen, daß das von außerhalb eingeführte Fleisch gesund ist. Hier muß die Kommissions⸗ arbelt einsetzen, um die nöthigen Verbesserungen herbeizuführen. Die Vorschriften des Gesetzes müssen für das inländische und das aus— ländische Fleisch gleichzeitig in Kraft treten.
Abg. Lenzm ann (fr. Volksp.) spricht seine und seiner Freunde Freude über das von ihnen längst geforderte Gesetz aus, bedauert aber, daß die Kritik desselben nicht pom Standpunkte der Volks wohl fahrt, sondern von dem der Interessen, und zwar der verschiedenen Intereffen deg Osteng und des Westens gusgegangen sei. Wir legen vor allem Werth darauf, fährt der Redner 3 die Frage zu prüfen, ob nicht vielleicht durch zu weit gehende Rücksichtnahme auf etwaige vermeintliche Schädigungen der Volksgesund⸗ heit der Bolkswohlstand mehr benachtheiligt als gefördert wird. Das Volk büßt an seinem Wohlstand den Preis des Stückes Bieh ein, das zu Unrecht mit dem Stempel der Unbrauchbarkeit ver. seben wird. Auf Grund d Fleischbeschau verfällt so manches Siück Vieh der Abdeckerei, daz nur vermeintlich krank und R menschlichen Nahrung ungeelgnet war. Das agrarische Interesse sich
für ung nicht vorhanden. Aber wir meinen auch, daß
die Hausschlachtung mit der Doppelbeschau kaum werde dereinbaren' lassen; namentlich in den bevölkerten Gegenden dürften sich die nötbigen Schaubeamten nicht. herbeischaffen lassen. ie Gesundheltsgefahr würde sich schon ungemein vermindern, wenn der Landmann und seine Angehörigen daran gewöhnt würden, das Fleisch nur in gekochtem Zustande zu genießen. Die Beftimmung, daß bei Notbs 37 von der Fleischbeschau ab⸗ gefehen werben ann, und dem Bundegrath überlassen bleiben sell, wag unter Nothschlachtung zu versteben sei, geht uns ju weit, be— sonderg da die Motive sagen, 6 über den Begriff der Noth⸗ schlachtung die Gelehrten unter sich noch nicht einig seien, Die Ginfuhr ausländischen Fleischeg auf diesem Wege zur Unmög⸗ lichkeit zu machen, wird den Agrariern nicht gelingen. Wir brauchen die Konkurrenz Amerikag schon deswegen, damit uns die Agrarler nicht die Preise diktieren können, die sie uns diktieren möchten, Im Jntereffe der Wohlfahrt der arbestenden Kiafsen muß die Konkurren erhalten bleiben.
Staats sekretär des Innern, Staats⸗Minister Dr. G von , ö 3
Meine Herren! Alle Instanzen, welche an der Fleischbeschauung ein Interesse haben: Aerzte, Hyzientker, Landwirthe, Fleischer, haben in dringenden Eingaben beantragt, daß die verbündeten Regierungen ein solches Geseß vorlegen möchten, und jetzt, wo das Gesetz vorliegt, scheint es, als ob man doch bei näherem Nach⸗ denken und bei weiterer Vertiefung Bedenken häte, aus wirtbschaftlichen Gründen diesem Gesetze seine Zustimmung zu erthellen. (Zuruf rechts) Ich komme noch darauf zurück, Herr Abg. Gamp. Zunäͤchst ift bedauernd hervorgehoben worden, daß im Gesetz nicht die Grundlagen für eine allgemeine öffentliche Zwangs versicherung festgestellt sind. Daß das namentlich auf landwirtbschaft⸗ licher Seite bedauert wird, ist mir ziemlich verständlich. Ich kann Ihnen aber versichern, daß eine solche Formulierung des Gesetzes im Bundesrath nicht durchzubringen war, und ich vermag den Herren deshalb nur anheimzustellen, daß sie die Anträge auf Einführung einer öffentlichen obligatorischen Schlachtversicherung die Güte haben möchten, in ihren einzelnen Landtagen einzubringen. (Sehr richtig) Der Herr Abg. Holtz hat ausgeführt, daß ja all das Vieh, was jetzt geschlachtet würde, schon deswegen nicht in den Verkehr kommen dürfte, weil es unter das Viebseuchengesetz fällt. Wenn diese Deduktion zuträfe, so wäre sowohl die obligatorische Einführung der Fleischbeschau wie ins⸗ besondere die Kontrole der Hausschlachtungen sachlich vollständig über ⸗ flüssig. Dürfte schon jetzt auf Grund der bestehenden Gesetzgebung krankes Vieh nicht geschlachtet und das gewonnene Fleisch nicht in den Handel gebracht werden, wozu machten wir dann überhaupt ein Fleisch⸗ beschaugesetz? So aber liegt gesetzlich die Frage nicht. Es sind eine ganze Reihe für Menschen außerordentlich gefährliche Viehkrankheiten, die jetzt noch nicht unter die Vorschriften des Viehseuchengesetzes fallen und den Besitzer nicht nöthigen, die Thiere, eventuell gegen Ent⸗ schädigung, zu tödten.
Der Herr Abg. Holtz hat meines Erachtens noch einen weiteren Gesichtspunkt hereingebracht, der hier nicht zutrifft. Er sagte: was nützt die ganze Kontrole der Hausschlachtungen? Das Fleisch wird manchmal monatelang aufbewahrt, wird dadurch gesundheitsschädlich, und hiergegen giebt es keine Kontrole. Sehr richtig, Herr Abgeordneter! Aber das ist der Fall auch bei der Marktkontrole. Deshalb ist eben für das Fleisch, welches öffentlich verkauft wird, noch die Marktkontrole eingeführt, damit Fleisch, das zwar beim Schlachten als gesund erkannt ist, im Laufe der Zeit aber oder durch äußere Einflũsse verdorben ist, vom Feilbieten und damit vom menschlichen Genuß zurückgestellt werden kann; das ist der Zweck der Marktkontrole. Eine derartige weitere Kontrole aber auch auf das Fleisch, das durch Haus⸗ schlachtung gewonnen ist, auszudehnen, ist freilich unmöglich. Da muß man sich damit begnügen, daß das Fleisch für menschliche Nahrung geeignet war in dem Moment, wo et aus der Schlachtung hervorging.
Meine Herren, ich möchte doch bitten, recht vorsichtis zu sein mit den Einwendungen gegen die Kontrole der Hausschlachtungen. Die Frage kann ja jweifelhaft sein, wir werden uns in der Kommission weiter darüber unterhalten. Wenn aber alle die Einwände richtig wären, die Sie hier gegen die Hausschlachtungekontrole an⸗ führen, so müßte die Voraussetzung doch die sein, daß aus den Haueschlachtungen tbatsächlich kein Fleisch im Haushalt verwendet wird, das für das Leben und die Gesundheit des Menschen ge— fährlich ist. (Sehr richtig) Diese Voraussetzung trifft aber nicht immer zu. (Widerspruch recht) Im Landwirthschaftsrath ist unter anderem von dem Korreferenten für den Gesetzentwurf gesagt worden (Zuruf rechts; — Sie wissen es Alle so gut, wie ich es Ihnen sagen kann: es ist ihm nicht widersprochen, daß in den Wirth⸗ schaften gerade diejenigen Stücke regelmäßig abgeschlachtet werden, die schon zu einem gewissen Zweifel an der vollen Gesundheit Anlaß geben.“ (Hört, hört! links, lebhafte Zurufe rechts.) Meine Herren, ich lese Ihnen vor, was in dieser Versammlung erklärt ist (3wischen. rufe rechts), und zwar ohne Widerspruch erklärt ist. (Zurufe rechts, Heiterkeit links.)
Also, meine Herren, die Behauptung, daß die Garantie gegeben sei, daß im Haushalt kein krankes Fleisch geschlachtet wird, glaube ich, wird von keiner Seite aufgestellt werden können.
Der Herr Abg. Lenzmann hat ferner darauf hingewiesen, es wäre doch wunderbar, daß jemand, der bei solchem Fleisch, das als zum Genuß untauglich oder als ausländisches Fleisch bezeichnet worden ist, die vorgeschriebenen Kennzeichen beseitigt, nur wegen einer Uebertretung bestraft würde. Im ursprünglichen Entwurf war die Sache anders gedacht; aber nachträglich wurden Bedenken dagegen erhoben, daß ein solcher Fall mit den strengen Strafen der Urkundenfälschung belegt werde. Deshalb hat man die Bestimmung gewählt, die Sie jetzt im Gesetz finden.
Es ist ferner der Zweifel angeregt worden, was eigentlich mit dem Vieh geschehen soll, das schon vor der Schlachtung als so krank erkannt wird, daß dessen Fleisch unter keinen Umständen zum menschlichen Genuß zugelassen werden kann. Meines Grachtens liegt da der Fall entweder so: es fällt unter das Viehseuchen⸗ gesetz — dann muß es getödtet und der Besitzer entschädigt werden — oder der Besitzer sagt: ich will das Vieh noch weiter nutzen, es ist auch keine ansteckende Krankheit, — dann bleibt ihm die Verfügung überlassen, so lange keine Schlachtung stattfindet, und es liegt von seiten des Fleischbeschauers keine Ver ⸗ anlassung vor, auf die Tödtung des Viehes zu dringen. Ich glaube also, dieser Fall, der hier als eine Lücke des Gesetzes bezeichnet wird, wird in der Praxlt zu Bedenken keine Veranlassung geben.
Der Abg. Holtz hat auch bestritten, daß der Antrag des Ab⸗ geordneten hauses beabsichtigt hätte, die obligatorische Fleisch⸗ beschau auf die Hausschlachtungen aus zu dehnen. Wenn er die Güte haben wollte, die Drucksachen des Abgeordnetenhauses anzusehen, wird er sich überzeugen, daß er sich in einem Irrthum befindet; denn der Herr Praͤsident sagt dort auf Seite 2275 in der Sitzung vom 29. April 1898 ausdrücklich:
Ich bitte diejenigen Herren, welche den Antrag der Abgg. Ring und von Mendel⸗Steinfels auf Nr. 159 der Drucksachen, wonach in Theil . Nr. 1 Zeile 4 und 5 die Worte: „Nur für gewerbsmäßig zum Verkauf gelangendes Fleisch und im übrigen gestrichen werden sollen, annehmen wollen, sich in erheben. (Geschieht) Das ist die Majoritat; er ist angenommen. (Zurufe: Gin stimm igh
Also dag Abgeordnetenhaus war ein stim mig der Anficht, dat die Fleischschau auch auf die Hausschlachtungen ausgedehnt werden müsse.
Nun zum Schluß eine allgemeine Bemerkung. Vergessen Sie doch, bitte, Eins nicht, daß durch die Einführung der obligatorischen Fleischbeschau immerhin eine wesentliche Verbesserung eintritt für die deutschen Fleischproduzenten und auch für die deutschen Sändler. Da, wo die obligatorische Fleischbeschau schon eingeführt wurde, ist doch der Zustand so, daß jwar die Last für die Untersuchung des ein⸗ heim ischen Fleisches auf den Fleischproduzenten ruht, daß aber das fremde Fleisch ohne eine ausreichende Fleischkontrole in Deutsch⸗ land eingeht und auch in diesen Landestheilen zum theil verbraucht wird; es liegt deshalb in diesem Gesetze für die Landestheile, wo die obligatorische Fleischbeschau schon eingeführt ist, ein ganz außerordentlicher und gerechter Fortschritt. Aber es liegt auch für diejenigen Landestheile ein wesentlicher Vortheil vor, wo die obligatorische Fleischbeschan noch nicht eingefübrt ist. Es ist doch eine ganz andere Sache, ob jetzt das Fleisch in solchen Massen vom Ausland über alle Zollstellen hereinkommt, vielleicht untersucht wird, vielleicht auch nicht, oder ob es nachher ganz bestimmte Zoll ⸗ stellen passieren muß, wo Sachverständige erften Ranges thätig sein werden, die das Fleisch unter Umständen bis auf jede Büchse, die eingeht, einer eingehenden Untersuchung unterziehen können. Ich glaube, darin liegt ein wesentlicher Schutz gegenüber einer unlauteren Konkurrenz, die etwa vom Auslande getrieben werden sollte.
Gegen big Uhr wird die weitere Berathung auf Dienstag 1 Uhr vertagt.
Prenßischer Landtag. Haus der Abgeordneten.
57. Sitzung vom 17. April 1899.
Es wird die erste Berathung des Gesetzentwurfs betreffend den Bau eines Schiffahrtskanals r Rhein bis zur Elbe, fortgesetzt. hilfen 46 .
Ueber den Beginn der Debatte ist schon berichtet worden.
Minister für Handel und Gewerbe Brefeld:
Meine Herren! In den bisherigen Verhandlungen ist wiederholt der Gesichtzpunkt hervorgetreten und betont worden, daß bei der Prüfung der gegenwärtigen Gesetzesvorlage, bei der Frage, ob ein Verkehrsbedürfniß vorhanden ist für eine so große Verkehrsanlage, die nicht auf Jahre, auf Jahrzehnte, sondern auf Jahrhunderte ge— schaffen werden soll, die das ganze Bild der Gegend landschaftlich und wirthschaftlich umgestalten wird, die eine dauernde Ausstattung der Landettheile bilden soll, die sie durchschneidet, nicht sowohl das jetzige, als das künftige Verkehrsbedürfniß in Betracht komme. Die Frage sei zu beurtheilen nicht nach dem jetzigen Stande der Verkehrsver⸗ hältnisse, sondern nach demjenigen Stande, wie er sich stellen wird, wenn der Bau des Mittelland ⸗Kanals vollendet sein würde, also wie er sich stellen würde im Jahre 1908. .
Wenn man nun die Verkehrsentwickelung, wie sie nach 10 Jabren sein wird, beurtheilen will, so muß man in der gegenwärtigen Ver⸗ kehrgentwickelung die Richtungslinie zu erkennen suchen und sich fragen: wird diese Richtungslinie sich in der Folge in gleicher Weise fortsetzen, oder wird sie sich anders gestalten? Ich möchte nun vom Standpunkt meines Ressorts darauf aufmerksam machen, daß für die Entwickelung unseres gegenwärtigen Verkehrs vorzugsweise zwei Um- stände charalteristisch sind: die Tendenz zur Massenproduktion und die Tendenz dementsprechend zum Massentransport. Wenn Sie die Be⸗ triebsstätten unserer großen Industrie durchwandern, wenn Sie sich ansehen die ungeheuren Flächen, die die Fabriken einnehmen; wenn Sie sich ansehen die kolossalen Werkzeuge und Maschinen, mit denen gearbeitet wird, die Zahl der Arbeiterbevölkerung, die dort thätig ist, die ungeheuren Massen von Waaren, die dort erzeugt werden — können Sie sich dem Eindruck nicht entziehen, daß diese Tendem der massenhaften Waarenerzeugung unaufhaltsam vordringt —. Meine Herren, sie ist nicht eine zufällige, sie ist etwas Nothwendiges, waz erwächst auf dem ganzen Stande unserer technischen und wirth⸗ schaftlichen Entwickelung, es sind technische und wirthschaftliche Be. dingungen, die mit Nothwendigkeit zu dieser Massenerzeugung drängen, es ist die Einführung des Maschinenbetriebes, es ist die Einführung der elementaren Kraft statt der tbierischen, die Fortbildung der Technik, eg sind die neuen Erfindungen, die in immer zunehmendem Maße nothwendig dahin fübren, die Massenproduktion mehr zur Entwickelung lu bringen. Meine Herren, wird das etwa in Zukunft anders sein? Ich weiß, daß manche unter Ihnen sind, die die Rapidität dieser Entwickelung beklagen, und die sagen, es wäre wünschengwerth, wenn die Entwickelung etwas langsam ginge. (Widerspruch rechts) — Ist das nicht der Fall? Das freut mich außerordentlich.
Nun läßt sich ja nicht verkennen, daß die gleiche Tendenz zur Massenproduktion nicht bloß in industriellen Betrieben hervortritt, sie tritt ebenso auch im landwirthschaftlichen Betriebe hervor. Auch die Landwirthschaft produziert zum theil den drei und vierfachen Werth als früher und nimmt Distrikte in Anbau, die sich früher anzubauen nicht lohnte, deswegen, weil die Fortschritte der Landwirtbschaft die Möglichkeit geschaffen haben, jetzt noch Werthe zu erzielen, wo man sie früher nicht errielt hat, und weil die Landwirthschaft jetzt den mehrfachen Werth erzielt, wo man früher nur den einfachen erzielen konnte. Nehmen Sie die landwirthschaftlichen Nebenbetriebe, 3. B. die Zuc'erfabrikation. Wo haben Sie mehr eine Entwickelung zum Massenbetrieb, zur Massenproduktion und jur massenweisen Wertherzeugung wie in der Zuckerfabrikation? Ich glaube, es sind noch eine ganze Reihe von landwirtbschaftlichen Nebenbetrieben vorhanden, bei denen dies in ähnlicher oder gleicher Weise der Fall ist.
Nun, meine Herren, wie ich schon sagte, ist das jetzt der Fall und wird auch in Zukunft der Fall sein. Sie können es niemand ver⸗ wehren, weltere Erfindungen zu machen und die Erfindungen weiter ju verwerthen. Es reiht sich aber das eine an das andere; wir sind — ich möchte sagen — in einem Kometenschwarm von Erfindungen. Es sind nicht alles große Erfindungen, die einzeln die Welt umgestalten, es sind solche, bei denen das eine an das andere sich anreiht, bei denen schließlich eine Kette von Fortschritten sich ergiebt, die in ihrer Gesammtheit es möglich machen, das Drei⸗, Vierfache, mit einem Wort: das Mehr ⸗ fache der Wertherzeugung zu leisten als früher.
Nun, meine Herren, genau so, wie es mit der Produktion ist, geht es auch ganz naturgemäß mit dem Transport, denn es muß ja
die Trantportaufgabe der Produktion folgen. Auch hier sind et die