1899 / 99 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 27 Apr 1899 18:00:01 GMT) scan diff

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gegen Arbeitslosigkeit, ganz abgesehen davon, daß gegenwärti

keine gr , i. sondern ein Arbeitermangel herrscht. Wer so

die Kesten der Ärbeitslosenversicherung tragen? In der Schweiz ist dieselbe ein geführt; die Arbeiter bezahlen nur einen geringen Theil der Koften, die Gemeinden tragen überwiegend die Lasten allein. Die Arbeitslofenversicherung fördert nur die Simulation, und damit sind gerade die besten Arbeiter, auch die Sozialdemokraten, nicht einverftanden. Ucber die Wohnungeverhältnisse will ich nicht sprechen. Zur. Beaussichtigung derselben haben wir schon genügend Beamte Für die Gewerbeaufsicht haben wir die Gewerbe räthe, und wenn die Arbeitskammer sich auch darum kümmern wollte, fo würden schließlich viele Köche den Brei verderben. Wenn für die Ärbeiter eine Organisation geschaffen wird, so müßte sie auch auf die Arbeitgeber ausgedehnt werden, und die Organisationen der letzteren würden mächtiger sein als diejenigen der Arbeiter Die Auffafsung, daß die Arbeiter ihre Arbeitskraft als Waare möglichst zut velwenden wollen, muß ich als durchaus manchesterlich bekämpfen. Ich betrachte den Arbeiter nicht als Waare. An der Arbeiterfreund⸗ sichkeit der Jerren vom Zentrum zweifle ich in keiner Weise; sie haben die Absicht, eine Versohnung herbeizuführen, Aber das verhindert nicht, daß die Früchte dieser Gesetzgebung den Sozialdemokraten in den Schoß fallen. Deshalb werde ich stets meine Stimme gegen selche Pläne erheben, und ich hoffe, daß die verbündeten Regierungen sich niemals auf solche Abwege drängen lassen werden. Früher war ich es allein, der dem Manchesterthum entgegentrat, und mein Freund von Kardorff schrieb damals seine Aufsehen erregende Broschüre: „Gegen den Strom“. Bi. Nattonalllberalen waren damals fast alle Manchestermänner, Welches Geschiei erbob sich gen den kleinen Getreidezoll von 50 3! Jetzt ist man dem Fürsten ismarck dankbar für seine Wirtbschafts— Folltik, und man wird auch den verbündeten Regierungen schließlich bankbar sein, daß sie auf diesem gesunden sozialpolitischen Boden stehen geblieben sind und derartige Anträge zurückgewiesen haben.

Abg. Freiherr Hin zu Herrns heim (ul.): Im Gegensatz zum Freiherrn von Stumm bat, der Minister von Berlepsch aus= drũcklich , daß die Kaiserlichen Erlasse durch die Versicherungs⸗ gesetzgebung nicht erschöpft sind, daß noch weitere Maßregeln im Sinne der dorgelegten Anträge nothwendig sind. Minister von Berlepsch hat, wie er mir selbst erst kürzlich mitgetheilt hat, die Meinung, daß solche Organisationen, wie wir sie vorschlagen, nothwendig sind. Wenn diefelben aber für die Arbeiter lediglich ein Stein sind, so sind auch die Kalserlichen Erlasse nur ein Stein für die Arbeiter. Eine solche Rritit der Kaiferlichen Erlaffe würde ich mir nicht erlauben, Unsere Anträge find durchaus nicht sozialistisch, sie bringen keinen Riß zwischen den staats⸗ erhaltenden Parteien beivor. Die ‚Kreuzzeitung“ meint, daß unsere Anträge ganz solide Gedanken enthalten. Die Anträge in Holland wegen der Arbeitsämter sind von einem konservativen Abgeordneten ausgegangen, und wenn jetzt durch Dekrete der Königin von Holland unter' der Billigung der Generalstaaten 35 Arbeit? ämter eingerichtet sind, so kann man doch nicht sagen, daß damit sozialdemokratische Bahnen eingeschlagen sind. Die „conseils des prud'hommes? ent- sprechen durchaus den Arbeits kammern und besteben auf dem linken Rheinufer seit mehr als hundert Jahren. Meine Freunde sind von der Presse des Zentralverbandes deutscher Industrieller und auch von der Berliner Torrespondenz“ heftig angegriffen worden, weil wir die Arbeiterorganisation zum Nutzen der Sozialdemokratie förderten. In der Schweiz sind die Arbeiterorganisationsgesetze durch Volksabstimmung gebilligt worden, in der die fonserpative Stimmung meist mebr zum Aut drück kommt als in den Parlamenten. In Belgien haben sich die Arbeits kammern durchaus bewährt, das beweift die Untersuchung, die der conseil supériéur nicht bei den Unternehmern, sondern bei den Gouverneuren der einzelnen Provinzen angestellt hat. Der Zentralverband deutscher Industrieller hat auch einen Ginfluß auf die rechte Seite des Hauses ausüben wollen; er bekauptet, daß unsere Anträge auch die Landwirihschaft treffen wollen. Als es sich um die Dandelsverträge handelte, da hat sich der Zentralperband nicht um die Landwirthschaft gekümmert, die durch die Verträge erheblich geschädigt wurde. Aber jetzt, werde ich angegrsffen, weil meine Anträge geeignet sind, die Herrschaftsgelũste der Großindustriellen ju durchkreuzen. Bie Aufgaben, die wir den Gewerbe⸗ gerichten zuweisen wollen, entsprechen durchaus dem, was der Reichstag diesen Einrichtungen zuweisen wollte. Die Arbeitslofenversicherung wird durchgeführt werden müssen; sie bildet zusammen mit der Wittwen, und Waisen versicherung den Abschluß der , ,,, Die Wobhnungẽ⸗ frage ist für die Arbeiter wobl die wichtigste; hier kann sebr viel geleiftet werden, wenn sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammen⸗ ihun. Die Arbeiter baben praktische Vorschläge für die Wohnungs⸗ anlage gemacht, während die Berschläge der Baumeister durchaus un= brauchbar waren. Warum sollen wir nicht die Hilfe der Arbeiter in dieser Beniehung in Anspruch nehmen? Sollten wir deshalb, weil Sozialdemokraten in den Krankenkassen und Gewerbegerichten sind, diefe Ginrichtungen abschaffen? Haben die Arbeitgeber nicht den Muth, mit den sozialdemokratischen Vertretern iu kämpfen? Wenn üanfere Anträge jetzt abgelehnt werden, so werden sie wiederkommen. Wir sind von der Ueberzeugung durchdrungen, daß auf diesem Wege fortgeschritten werden muß. .

Abg. Rösicke ˖ Dessau (b. k. F): Die Anträge, welche einen Ausgleich jwischen den Arbeitern und Arbeitgebern herbeiführen sollen, beziehen sich mit Recht auf die Kaiserlichen Erlasse. Die Schaffung eines Ärbeit-amts wird die Arbeit auf diesem Gebiete fördern. Die Kommission für Arbeiterstatistik hat Bemerkensg⸗ werthes geleistet; allein in vier Jahren war sie nur 41 Tage versammelt, und in solchen kurzen Zeiträumen konnte sie keine um⸗— fassende Statistik herstellen. Die Aufgabe der Arbeitskammern hat Herr Hitze so klar dargestalt, daß nur Bögwilligkeit be⸗ haupten kann, daß er mit dem früheren sozialdemokratischen Äntrage einverstanden sei. We Arbeiter und Arbeitgeber zusammen⸗ arbeiten, da findet sich ein Ausgleich sehr leicht; man erkennt die Verhaältniffe der Arbeiter besser. Die besitzenden Klassen halten sich jetzt noch für etwas Befferes und erkennen den Arbeitern nicht bie volle Gleichberechtigung zu. Redner erklärt sein Ein⸗ verftändniß mit dem Antrage Hitze, der die Arbeite kammern lokal gegliedert seben wolle. Wenn der Antrag Heyl durchgeführt werden sollte, so müßten die Gewerbegerichte obligatorisch gemacht werken. Der Staat fei verpflichtet, die Arbeiter ur Vertretung shrer Interessen zu organisieren. Die , e. des patriarchalischen Prinzips oder eigentlich des Arbeitgeber⸗Absolutismus seien natürlich empört über die Abtrünnigkeit der Rationalliberalen. Redner empfieblt hierauf seinen speziellen Antrag wegen des Schutzes des Roasitionsrechtiß und fährt dann fort: Da Frei⸗ herr von Stumm von dem Gesetz über den Schutz der Arbeite willigen gesprochen hat, so können wir vielleicht ig dieser Scession noch mit diesem Gesetze ju thun belommen, Des halb sollten

wir neben er Ginführung von Arbeitskammern die Beruf vereine nicht in den Hintergrund treten lassen, Weil die Arbeitgeber ibre Waffen schmieden können, follen auch die Arbeiter in die Lage ver— setzt werden, sich dagegen zu rüsten. Im Prinzip wird das Koalitions recht der Arbeiter bier in diesem Hause nicht bestritten, aber in der Praxis widersetzt man sich diesem Rechte der Arbeiter auf Leiten der Arbeitgeber. In diesem Streite sollte der Staat nicht Partei nehmen, denn sein Interesse liegt durchaus nicht immer auf eiten der Arbeitgeber. Für die Organisation der Arbeiter ist ein Mann eingetreten, der jetzi noch in der Regierung eine hervorragende Rolle spielt und eine große Autorität genießt, der jetzige Finanz⸗Minister von Miquel. Zwischen mir und Herrn ven Devl besteßen noch manche Meinungsverschiedenheiten in Bezug auf die Sozialpolitik; aber Herr von Heyl ist jetzt der Blitzableiter geworden für die Angriffe des errn' von Stumm, die sich sonst gegen mich allein richteten; ich . mich dieser Bundesgenossenschaft und hoffe, daß sie dauerhaft ein wird.

Abg. Basser mann nl) weist zunächst darauf hin, daß der frühere nationalliberale Abg. Oechelbäuser sich schon vor Jahren jür Arbeits kammern ausgesprochen habe. Der lolale Unterbau dafür, fährt der Redner fort, wird am besten bei den Gewerbegerichten gefunden. Mit dbiefem Antrag haben wir nicht einen Riß zwischen den staatgerhal-⸗ kenden Parteien geschaffen, wit baben uns auch nicht den Sozial

demokraten genähert. Diese Behauptung baben wir in der „Post“ und in den! „Berliner Neuesten Nachrichten“ schon früher ge⸗

sesen. Die „Kreuzzeitung“ spricht ihre volle Sympathie für die An⸗ träge besüglich der Arbeitskammern aus, weil damit der Anfang einer Drganisatlon geschaffen werde, die bestimmt sei, den Einfluß der Sozialdemokratie zu brechen. Das klingt wesentlich anders als die Auslaffungen des Freiherrn von Stumm. Der letztere behauptet, daß in den Organisationen die soslaldemokratischen Ägitatoren sitzen würden. In den Gesellenausschüssen werden wahrscheinlich auch Sozialdemokraten sitzen, trotzdem hat man diese Ausschüsse angenommen. In den Gewerbegerichten u. . w. haben die Arbeiter durchaus ein richtiges Berständniß für die Wahrung ihrer Interessen bewiesen. Mit dem Arbeitgeber. Absolutismus ist es vorüber. Die Angriffe gegen unfere Anträge seitens des Zentralverbandes deutscher Industrieller müssen wir hinnehmen; wir mässen uns aber dagegen verwahren, daß feitens des General. Sekretärs Bueck falsch referiert wird, wie dies be⸗ züglich der Vorschriften über das Einigungsamt gescheben ist. Der Zentralverband hat selbst den Staatesekrelär Grafen don Posadowsky zu den Förderern der Sozialdemokratie gezäblt. Die Kritik unserer Anträge in der sozialdemokratischen Geweikschaftspresse lautet anders; man erkennt dataug, daß die Sofialdemekraten die, gemfin= fame Organisatlon fürchten. Berufsvereine bestehen und bilden sich immer mehr. Man darf sie nicht mit der sozialdemokratischen Be⸗ wegung zusammenwerfen. Millionen von Arbeitern stehen außerhalb der' sozialdemokratischen Organisation. Wenn die Berufsvereine keine juristische Persönlichkeit erbalten, so werden dadurch die Aus⸗ stände nicht verhindert; die Strikekassen bilden sich auch ohne juristische Persönlichkeit und sogar mit recht bedeutenden Summen. Es wäre zweckmäßig, zu einer reichsgesetzlichen Regelung dieser Angelegen⸗ heit zu kommen. Freiherr von Stumm hat uns sozialistische Abwege vor⸗ geworfen. Wir wandeln nicht auf Abwegen, sondern auf einem Wege, der dazu führen wird, den sozialen Frieden zu fördern und manche Schwirrigkeiten aus dem Wege zu räumen. Mit derartigen Reform-

vorschlägen thut man etwas besseres, als wenn man fortwäbrend nach

neuen Strafgefetzen ruft, mit denen man die angeblichen Schäden zu kuriren hofft. Wir befinden uns dabei auf dem Boden der Botschaft Kaiser Wilhelm's J. und der Kaiserlichen Erlasse von 1890.

Nach persönlichen Bemerkungen der Abgg. Freiherr von Stumm und Freiherr Heyl zu Herrnsheim wird um 6 Uhr die Berathung abgebrochen.

Näͤchste Sitzung: Donnerstag, 1 Uhr. Zweite Lesung des Bankgesetzes.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 62. Sitzung vom 26. April 1899.

ö den ersten Theil der Sitzung ist schon berichtet worden.

Das Haus geht zur ersten Berathung des Gesetz⸗ ent wurfs, betreffend die Bewilligung weiterer Staats⸗ mittel zur Verbesserung der Woh nungsverhältnisse hon AÄtpeisern, bie in staatlichen Betrieben be⸗ schäftigt sind; und von gering besol deten Staats⸗ beamten, in Verbindung mit der Denkschrift über die Aus⸗ führung entsprechender Gesetze von 1895 und 1898 über. In der Vorlage werden 5 Milllonen Mark gefordert.

Abg. Dr. Lotichius (nl.) befürwortet, unter Berücksichtigung der lokalen Verhältnisse in Zukunft den Bau kasernenmäßiger Arbeiter⸗ wohnungen zu vermeiden, und beantragt die e ,,. des Gesetz⸗ entwurfs an die Budgetkommission, um auch die Verzinsungsfrage prüfen zu können.

Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister Dr. von Miguel:

Meine Herren! Grundsätzlich stehen wir auf demselben Stand⸗ punkt, den der Herr Vorredner entwickelt hat. Wir halten es auch für das beste, wenn man möglichst wenig Wohnungen in ein Gebäude bringt. (Sehr richtig) Aber Kasernen, Miethskasernen in dem gewöhnlichen Sinne, wie man sie hier in Berlin sieht, bauen wir überhaupt nicht, sondern höchstens gehen wir zu Gebäuden mit sechs Wohnungen. Also von eigentlichem Kasernenbau kann man da noch nicht reden.

Der Herr Vorredner hat den Wunsch ausgesprochen: es möchten mehr Doppelhäuser, für 2 Wohnungen, gebaut werden. Ich bin nicht abgeneigt, daß wir da, wo die Oertlichkeit es gestattet denn das ist eine rein lokale Frage einen Versuch mit solchen Wohn⸗ häusern machen. Aber ein solcher Versuch wird immer davon ab⸗ hängen, wie theuer sich die Häuser stellen, und zweitens, welche Miethen in dem betreffenden Ort gefordert werden können. Die Herren haben gesehen, daß wir durchgängig nur sehr niedrige Miethen normiert haben, und in vielen Fällen ist es auch nicht möglich, die Miethen höher zu stellen mit Rücksicht auf die Gesammtbemessung der Miethspreise in dem betreffenden Ort. Ich glaube indeß, es werden auch Fälle vorkommen, wo es möglich ist, mit Erfolg solche Doppelhäuser herzustellen. Das häugt namentlich von den Bodenpreisen und auch davon ab, wie weit man sich außerhalb der Werkstätten und außerhalb der dicht bebauten Stadt begeben kann. Sind gute und billige Verkehrsmittel da, so daß die Leute leicht zu ihrer Arbeitestätte gelangen können, dann ist es natürlich viel leichter, als wenn das nicht der Fall ist; mit anderen Worten: es ist eine rein lokale Frage, und wir werden jedenfalls einmal, wo die Gelegenbeit sich bietet, versuchsweise zu dem Bau von solchen Doppelhäusern übergehen.

Ich glaube, meine Herren, Sie werden alle die Ueberzeugung baben, daß diese jährlich wiederkehrenden Anleihen für die Herstellung von Miethswohnungen, deren Bezug vollkommen frei für die Beamten, wie für die Arbeiter ist, sehr segensreiche Erfolge gehabt baben. Der Staat büßt kaum irgend etwas dabei ein; er stellt bloß seinen Kredit gewissermaßen zur Disposition, und wir haben doch schon jetzt in den paar Jahren sehr bedeutende Erfolge erreicht. Ich persönlich bin der Meinung, daß das Bedürfniß in den staatlichen Betrieben noch längst nicht erfüllt ist, und daß wir Schritt für Schritt auf diesem Gebiet weitergehen müssen.

Auch finanziell ist diese Art des Vorgehens weit nützlicher, als wenn wir aus den Etats Dienstwohnungen bauen. Wir haben ja erhebliche Summen nicht bloß in unsern Betriebs Verwaltungen, sondern auch in den Verwaltungs⸗Etats ausgeworfen, um namentlich für kleinere Beamte Dienstwohnungen herzustellen. Wo aber das System, welches hier vorliegt, anwendbar ist, da ist es auch vom finanziellen Standpunkt weit vorzuziehen, und wir werden, glaube ich, alle Veranlassung haben, mit der vorliegenden Art der Befriedigung des Wohnungsbedürfnisses weiterzugehen.

Meine Herren, ich kann nur daran den Wunsch knüpfen, daß die großen Kommunen und Verbände mehr als bisher dem Vorgehen des Staates auf diesem Gebiete folgen. Es giebt eine Reihe von großen

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das Geringste für die Verbesserung der Wohnungsverhältnisse ihrer Beamten und ihrer ständigen Arbeiter gethan haben. Wie der Staat die Verpflichtung anerkennt wenigstens die moralische Ver⸗ pflichtung auf diesem so hoch wichtigen sozialen Gebiet voran zugehen, so trifft nach meiner Meinung Liese moralische Pflicht die großen Kommunen ebenso wie den Staat. Man kann natürlich seitens der Kommunen und daz ist auch vielfach geschehen in⸗ direkt auf anderem Wege, namentlich durch Zurdispositionstellung billiger Bauplätze helfen; aber ich habe das Gefübl: bezüglich der eigenen Beamten und Arbeitnehmer könnte wohl seitens der Kom⸗ munen noch mehr geschehen, als es hier und da in dankenswerther Weise der Fall ist. Mit der Verweisung der Sache in die Budget⸗Kommission bin ich natürlich einverstanden. Wir haben ja bei früheren Berathungen aus dem Hause ganz nützliche Rathschläge in dieser Beziehung be⸗ kommen, und ich kann nur versichern, daß wir für jeden guten Rath dankbar sein werden in dieser Frage, die nicht nach einem Prinzip, nach einem bestimmten Programm behandelt werden kann, sondern die bei der verschiedenen Art der Befriedigung des Wohnungẽbedũrfnisses wesentlich eine lokale Frage ist.

Abg. Saenger (fr. Volksp.): Für Arbeiterwohnungen muß noch viel mebr geihan werden, als bisher geschehen ist. Ich begrüße es als Fortschritt, daß man nicht nach einem Schema in den einzelnen Provinzen gleichmäßig vorgeht, sonzern nach Maßgabe des vorhandenen Bedürfnisses. In Frankfurt a. M ist dieses Bedürfniß besonders dringend. Das Angebot kleiner Wohnungen ist im Verhältniß zur Nachfrage immer geringer geworden. Infolge dessen sind die Preise fuͤr kleine Wohnungen erheblich gestiegen, und es ist deshalb mit Freude zu begrüßen, daß die Regierung diesem Bedürfniß entgegen kommen will. Dabei möchte ich aber bitten, daß nicht vier geschossige, fondern höchstens dreigeschossige Arbeiterbäuser dort gebaut werden, im Interesse der Gesundbeit und des friedlichen Zusammenlebens der Bewohner. Unter welchen Bedingungen werden die Wohnungen an die einzelnen Arbeiter vermiethet?

Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister

Dr. von Miquel: Meine Herren! Ueber die Anerkennung, die die Vorlage bei den beiden Herren Vorredner gefunden hat, kann ich ja natürlich sebr er⸗ freut sein; ich möchte aber doch einen Irthum aufklären, der ju Miß⸗ deutungen führen könnte.

Der Herr Vorredner sagt, die Gisenbahnverwaltung hat erst tausend Wohnungen für ihr kolossales Heer von Beamten und Arbeitern hergestellt. Das ist doch sehr irrthümlich. Meine Herren, tausend Wohnungen sind aus Mitteln dieser Kreditgesetze gebaut worden, aber sonst hat die Eisenbahnverwaltung nicht weniger als 30 250 staatseigene Wohnungen und davon sind Dienstwohnungen 23 250. Nun fahren wir wesentlich mit der jetzt vorliegenden Form der Be⸗ friedigung des Wohnungabedürfnisses fort, was allerdings in manchen Fällen dahin führt, daß, wo sonst Dienstwohnungen gebaut wurden, nun Wohnungen aus diesem Fonds gebaut werden, welche sich von Dienstwohnungen nach meiner Meinung zum Vortheil der Betheiligten auch dadurch unterscheiden, daß der Beamte nicht gezwungen ist, die betreffende Wohnung, die ihm bisweilen sehr unvortheilbaft gelegen und unbequem ist, zu nehmen, sondern frei wählen kann, ob er diese Miethswohnung nehmen will eder nicht und wann er sie wieder auf⸗ geben will. Das ist namentlich in großen Städten wichtig, woselbst die

bekommen, von den Beamten nicht benutzt wird, weil sie in einem

durch Nebenbeschäftigungen ven ihnen selbst oder von ihren Frauen, welche es ibnen wünschenswerth machen, da wohnen ju bleiben, wo es ihren Verhältnissen entspricht.

Meines Wissens bestebt hier in Berlin eine gemeinnützige Bau⸗ gesellschaft, die schon seit langen Jahren sehr segensreich wirkt, auch finanziell durchaus gut situiert ist. Mit derselben habe ich einen. Versuch gemacht und ihr aus Staatsmitteln, gegen sehr gute Ver⸗ zinsung übrigens, 2 Millionen geliehen, wogegen die Gesellschaft die Verpflichtung übernahm, den staatlichen Beamten den Vorzug bei der Uebernabme solcher Mieths wohnungen zu geben. Ich habe bei sämmt⸗ lichen Ressorts herumfragen lassen und nur ganz minimale Meldungen bekommen, weil, obgleich diese Wohnungen ausgezeichnet eingerichtet werden und verhältnißmäßig ungemein billig sind, doch die Beamten vorzogen, selbst höhere Miethen für schlechtere Wohnungen aus den eben bezeichneten besonderen Gründen zu jahlen.

Was nun die Frage des Kasernenbaues betrifft, so sagte ich ja schon: wir sind nach und nach, wo die Ver⸗ hältnisse uns nicht geradein zu etwas Anderem jwingen, zu höchstens drei Geschossen, das Parterre mitgerechnet, also zu zwei Gtagen übergegangen, und wenn man sieht, wie die gesammte übrige Menschheit wohnt, so liegt darin doch schon eine ganz kolossale Ver⸗ besserung. Sehen Sie sich einmal diejenigen Personen an, die nicht beim Staate oder bei Korporationen, die für sie sorgen, oder bei einzelnen Unternehmern beschäftigt sind, die sich dafür interessieren wie es mit diesen in Bezug auf Wohnungen steht.

Meine Herten, was Witten betrifft, so ist dieser Bau bervor⸗ gegangen aus der Initiative und der Selbstverwaltung der Beamten: sie haben eine Baugenossenschaft gegründet. Wenn der Staat Dar⸗ lehne giebt, so prüft er allerdings, ob diese Darlehne zur Verwendung kommen für an und für sich jweckmäßige Wohnungen, gegen die man keine wesentlichen Bedenken erheben kann, und so ist es auch in Witten geschehen; ich glaube sogar, wenn ich mich recht entsinne, daß der Bürgermeister von Witten Vorsitzender dieser Bangenossenschaft ist. Wenn diese es nun für richtig hält, ein Stockwerk mehr zu bauen, so soll man sich doch zehnmal besinnen, ehe man das hindert. Wenn es dadurch, daß man etwas höher baut, möglich wird, daß sonst gute Wohnungen billiger gegeben werden können, so ist das doch ein großer Vorzug.

Die Kommission kann ja diese Frage noch einmal näher prüfen; aber ich glaube doch, man muß auch bei Darlehen, die ja meist ganz sicher sind und nicht einmal ein großeg Opfer für den Staat dar⸗ stellen, doch recht vorsichtig sein, um nicht solche Unternehmungen, welche aus der Initiative der Betbeiligten selbst hervorgehen, alli bureaukratisch einjuschnüren. Das würde ich für bedenklich halten.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

Städten, die auch wohl dazu in der Lage waren, indeß bisher nicht

Gelegenheit, eine gute, zweckmäßige, gesunde und billige Wohnung zu

anderen Stadttheil sonstige besondere Vortheile haben, namentlich

Zweite Beilage

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

M 99.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Meine Herren, ich sprach vorhin und jwar absichtlich, weil doch vielleicht ein solches Wort auf einen guten Boden fällt davon, daß nach meiner Meinung in vielen Fällen die großen Städte wohl mehr thun könnten für die Befriedigung des Wohnungsbedürfnisses. Meine Herren, woher kommt diese Unterlassung? Nach meinen Er⸗ fahrungen wesentlich daher, weil die Herren in der Stadtverwaltung, wie überhaupt die besitzenden Klassen, wirklich gar keinen Begriff haben von den Zuständen in den Wohnungsverhältnifsen der armen Leute. (Widerspruch links.) Ich habe das selbst erfahren der Herr Borredner kann das vielleicht bestätigen —, als ich nach Frankfurt kam, und als ich mich bemühte, die traurigsten Wohnungen zu er⸗ mitteln, daß die Schilderungen dieser Verhältnisse für den großen Theil der Frankfurter etwas ganz Reues waren, und dadurch bekamen wir auch erst Hilfe: opferfreudige Leute haben sich an die Spitze ge⸗ stellt, und wir haben allein in einem einzigen Verein viele hundert Wohnungen gebaut, obwohl wir dieselben nur bestimmten für die allergeringst gestellten Leute: für Tagelöhner und derartige Leute, und nicht, wie das sonst vielfach geschehen ist, für besser situierte Arbeiter, kleine Beamte u. s. w. ö

Also die Hauptfrage für diejenigen, die sich dafür interessieren, muß die sein, wie das in Frankfurt neuerdings in einer sehr interessanten statistischen Aufnahme geschehen ist, die wirklichen Zustände erst klar⸗ zustellen, dann wird man auch die meiste Geneigtheit in den ja im großen Ganzen durchaus gutgesinnten, in dieser Beziehung auch durch— aus geneigten Vertretungen der großen Städte finden. (Beifall.)

Abg. von Riepenhausen ß Ich freue mich über die Vorlage und mehr noch über die Worte des Finanz ⸗Ministers. Er h. daß die Arbeiterhäuser höchstens sechs Wohnungen enthalten

ollen. Vie Denkschrift belehrt uns leider eines Anderen. Ich boffe, daß der n , des w dahin führen wird, daß in Zukunft kleinere Arbeiter hãuser gebaut werden, wenn auch die Verzinsung was darunter leiden würde; denn es sind bis jetzt schon 4320 / 9 des en Anlagelavitals herausgekommen. Wir arbeiten für ein so

ohes sittlichkes Moment, daß wir auf F oso sehr wohl verzichten können. Woher kommt es, daß von der Summe von 1094000 4, welche zu Baudarlehen an Baugenossenschaften in den verschiedenen Gifenbahndirektionsbezirken bewilligt worden ist, nur 80 000 M bis jetzt verausgabt sind?

Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Finanz ⸗Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Ich wollte nur kurz die letzte Anfrage des Herrn Abg. von Riepenhausen beantworten. Die Bewilligung dieser Darlebne hat erst im Juli v. J. stattgefunden. Dann sind natürlich noch viele Vorbereitungen, Baupläne u. s. w. Schreibereien hin und her zu machen gewesen, und deswegen hat noch nicht mehr thatsächlich verwendet werden koͤnnen. Das wird ja nun aber bald sehr energisch weitergehen. Ein besonderer Grund der Verjögerung lag nicht vor.

Auf eine Anfrage des Abg. Freiherrn von Plettenberg (kons.) erwidert der

. des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Die letzte Anfrage kann ich dahin beantworten, daß die Aufnahme von Kostgängern in diesen Miethswohnungen nicht ganz verboten, aber an die Genehmigung der vorgesetzten Behörde ge⸗ knüpft ist. Ganz verbieten kann man es nicht. Ich bin auch der Ansicht, daß daraus in vielen Fällen große Unzuträglichkeiten entstehen können; es kann aber auch sein, daß gar keine Unzuträglich⸗ keiten entstehen, und daß es durchaus zu billigen ist. Nehmen Sie . B. wenn ich das sagen darf eine kinderlose Familie, gebildet aus älteren, nicht mebr gefährdeten Cheleuten! Nehmen diese noch einen jungen Mann auf, der sonst ordentlich ist, für den ja auch ge⸗ sorgt werden muß meine Herren, irgendwo müssen die jungen Leute doch unterkommen, da sie selten in der Lage sind, sich eine eigene Wohnung zu miethen —, so würde ich das unbedenklich ge⸗ nehmigen. Ich kann mir aber auch Fälle denken, in denen ich es entschieden abschlagen würde. Ich glaube, in dieser Beziehung kann man überhaupt ein überall zutreffendes Prinzip nicht aufstellen. Aber Wohnungen daraufhin bauen, daß sie gewissermaßen so groß und so theuer sind, daß die Mitglieder zu einem Nebenerwerb gezwungen sind, darauf muß man verzichten.

Mit dieser Erklärung wird der Herr Vorredner, wie ich glaube, wohl befriedigt sein.

Abg. Dr. Hirsch (fr. Volkep.): Bei dem Bau der Arbeiter wohnungen muß nicht nur auf die Gesundheit, sondern auch auf die Sittlichkeit Rücksicht genommen werden. Es ist unter keinen Um— fsänden zu billigen, daß auch der Staat Miethekasernen baut. Der ie il Gesichte punkt der Rentabilität muß zurücktreten. Es sollten der

ommifsion die Miethsverträge vorgelegt werden. Me Koalitiensfreiheit der Arbeiter darf durch sie nicht vermindert werden. In vielen Fällen sind die Bedingungen so hart, daß sie die freie Bewegung der⸗Arbeiter hemmen. Die Bildung von Baugenossenschaften sollte der Staat nach Kräften unterstützen. Das ist besser und förderlicher, als wenn der Staat die Sache selbst in die Hand nimmt. Im allgemeinen ist es vorjuziehen, daß die Arbeiter einige Kilometer von der Stadt ent⸗ fernt wohnen, als in Miethskasernen in der großen Stadt.

Vize⸗Präsident des Staats⸗-Ministeriums, Finanz⸗-Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Mit den theoretischen und allgemeinen Sätzen, die der Herr Vorredner ausgesprochen hat, kann man einverstanden oder auch nicht einderstanden sein, denn sie passen allgemein und überall äberhaupt nicht. Beispielsweise sagt er, man solle möglichst die Arbeiter selbst bauen lassen unter Bildung von Baugenossenschaften. Nun, in Witten ist das geschehen und vorher sogar getadelt worden, daß der Staat nicht eingegriffen hat. Es ist auch sehr schwer, wenn die Arbeiter nun drei oder vier Geschosse haben wollen und infolge dessen die Miethen billiger stellen können, dies staatlicherseits zu ver⸗ bieten. Wie weit soll denn die Beaufsichtigung gehen? Ich bin ganz der Ansicht des Herrn Vorredners, daß es durchaus zweckmäßig ist, diese Gelder möglichst zu verwenden durch Gewährung von Dar— lehen an die Baugenossenschasten. Aber, wenn man das will, muß man den Leuten auch einige Freiheiten lassen. Nicht alle sind in der Lage, in der Beletage ju wohnen. Das ist eine Sache, die auch von

Berlin, Donnerstag, den N. April

der Gewohnheit der Bevölkerung abhängt. Solche allgemeinen Prin⸗ zipien kann man auf diesem Gebiete nicht durchführen.

Meine Herren, ich kenne eine ganze Menge gemeinnütziger Bau⸗ gesellschaften in ganz Deutschland, und ich weiß, wie verschiedenartig Sie bei dem besten Willen und der größten Fürsorge für ein gutes und gesundes Wohnen verfabren müssen, ich würde mir aber in keinem Falle anmaßen, daran eine Kritik mit solchen allgemeinen Sätzen

zu üben.

Der Herr Vorredner hat befürwortet, daß unter keinen Um⸗ staͤnden durch dies System der Miethswohnungen die Arbeiter irgend wie in ihren Rechten und Freiheiten beschränkt würden, und er hat gewünscht, daß die Miethsverträge vorgelegt würden. Meine Herren, diese Verträge bat die Budgetkommission fräher schon ganz genau eingesehen. Daß der Staat aber nicht daran denken kann, das, was eine Fürsorge in sozialer Hinsicht sein soll, zu benutzen, um den Arbeitern ihte Rechte und Freiheiten zu beschränken, das könnte der Herr Vorredner uns schließlich auch wohl jutrauen. Die Mieth⸗ verträge enthalten davon garnichts, aber die Miethvertrãge sind sämmtlich kündbar von beiden Seiten. Also, wenn ein solcher Versuch von irgend einer Behörde gemacht würde, so ist der Arbeiter sofort in der Lage, seine Wohnung zu verlassen, daran kann ihn kein Mensch hindern. Diese Befürchtung braucht daher, glaube ich, der Herr Vorredner in keinem Falle zu haben.

Wie gesagt, es kann uns nur sehr erwünscht sein, wenn die Budgetkommission oder eine andere Kommission dies ganze Vorgehen der Staatsregierung gründlich prüft, und wir werden gern nũtzliche Rathschläge beachten. Vielleicht würde das hohe Haus geneigt sein, sogar einige auf diesem Gebiet praktisch erfahrene Männer, die bau⸗ verständig sind, in die Kommission zu schicken, wo dann Jeder die Erfahrungen, die er gemacht hat, mittheilen kann.

Ich kann aus meiner Praxis nur sagen, daß die Konstruktion eines Arbeiterwohnhauses, wenn es die Zwecke der Billigkeit und der Gesundheit, der Anforderungen nach allen Richtungen hin auf die beste Weise erfüllen soll, eine der schwersten Aufgaben der Bau— verwaltung ist, und daß man an den verschiedenen Systemen, die in dieser Beziehung in Deutschland vorhanden sind, außerordentlich viel tadeln kann. Auf die Höhe der Wohnungen lege ich praktisch aber nicht den höchsten Werth. Dagegen lege ich ein entscheidendes Gewicht darauf, daß nicht an der vollen inneren Selbständigkeit einer jeden Familienwohnung gespart wird l(sehr richtig! rechts), mag sie im ersten Stock, in der Beletage oder im fünften Stock belegen sein. Sie muß abgeschlossene Vorplätze haben und mit allen Einrichtungen zur Befriedigung der täglichen Lebensbedürfnisse ich will das nicht näher erörtern (Heiterkeit) innerhalb dieses abgeschlossenen Raumes versehen sein, das ist nach meiner Meinung für jede Arbeiterfamilie pon der allergrößten Bedeutung in sittlicher Beziehung, aber auch für den Frieden der Bewohner untereinander. (Bravo

Abg. Schall (kons): Wo ausreichende Wohnungen vorhanden sind, sollte der Staat mit den Privatunternehmern nicht konkurrieren, wie es z. B. in Spandau der Fall gewesen ist.

Abg. Pleß entr.) stellt zur Erwägung anheim, ob der Bau von Arbeiterwohnungen nicht durch Nachlaß des Stempels begünstigt werden könnte. Die Hauptsache bleibe, daß der Staat bahnbrechend vorgehe und den Anderen den Weg zeige.

Abg. Felisch (kons.): Die Arbeiterhäuser müssen für den, der sie baut, cine genügende Rente abwerfen. Es wäre eine wirthschaftliche Verschwendung, wenn man lediglich Häuser für 1 bis 6 Familien baute, Warum sollen die Arbeiter besser wohnen als andere Leute? Wirthschaftlich ist es, wenn 6, 7, 8 und mehr Familien in einem Hause wohnen. Staat und Steuerzahler sind nicht dafür da, daß Häuser gebaut werden, die viel kosten, In großen Städten müssen auch andere Leute 4 bis 5 Treppen wohnen, warum nicht auch die Arbeiter? Hochgelegene Wohnungen sind keineswegs ungesund, wenn sie Luft und Licht haben. Ez muß doch auf den Preis des Bau⸗ grundes Rücksicht genammen werden,

Abg. Dr. Hirsch: Allzu hohe Wohnhãuser versperren das Sonn enlicht; sie sind also gesundbeitsschädlich. Was die Miethsver träge betrifft, so begrüße ich die Erklärung des Ministers mit großer Genugthuung. ;

Der Gesetzentwurf und die Denkschrift werden der Budge t⸗ kommission überwiesen.

Es folgt die Berathung des Antrages der Abgg. von Kardorff und Dr. Arendt, die Staatsregierung zu er⸗ suchen, im Bundesrathe dahin zu wirken, daß die Mittel, welche zur Gewährung von Beihilfen von 120 M an alle nach dem Gesetze vom 22. Mai 1895 Art. III als berechtigt anerkannten Veteranen fehlen, durch einen Nachtragsetat für 1899 alsbald beschafft werden. In Verbindung damit steht die Berathung der Petition des Arbeiters Unger in Demmin um Zahlung einer Kriegsinvalidenunterstützung.

Abg. Dr. Arendt kfr. kons.) weist zur Begründung des Antrages auf. den einstimmigen Beschluß des Reichstages hin, der sich in gleicher Richtung bewege. Der Staatssekretär Dr. Freiherr von Thielmann habe im Reichstag betont, daß die preußische Regierung einen solchen Wunsch nicht billige. Darum habe er, Redner, es für nöthig gehalten, diesen Antrag zu stellen. Er nehme an, daß der Staatssekretär nicht einen prinzipiellen Widerspruch der preußischen Regierung im Auge gehabt habe Es würde des Deutschen Reiches nicht würdig sein, die⸗ senigen Veteranen, die nicht selbst für sich sorgen können, aus— schließlich der öffentlichen Armenpflege vreisjugeben. Ihnen ge— bühre vielmehr ein Ehrensold. Finanzrücksichten dürften hier nicht in Betracht kommen. Ein Finanz. Minister, der eine grohe Kanal⸗ vorlage eingebracht habe, werde wohl der letzte sein, der eine solche Forderung bekãmpfe. Hier handle es sich nicht um Mitleid, sondern um die Erfüllung einer Ehrenpflicht. Es sei ein unerträglicher Zustand und müsse Unwillen in der Bevölkerung wachrufen, wenn diese Veteranen war einen Berechtigungsschein erhielten, aber warten müßten, bis ihre Vordermänner gestorben seien, weil die Mittel fehlten. Diese Ungerechtigkeit müsse beseitigt werden.

Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗Minister Dr. von Miquel:

Meine Herren! Das Staats.-Ministerium hält es jwar an sich für unerwũnscht, eine reine Reichsangelegenheit ohne Noth in die Einzel Landtage zu ziehen, und glaubt, daß man damit sehr vor⸗ sichtig vorgehen sollte, namentlich, wenn es sich um Finanzfragen

handelt, die das Reich allein entscheiden kann. Nichts destoweniger will ich das, wozu ich ermächtigt bin, mit Rücksicht auf den Gegen—

stand, den die Interpellation betrifft, hier beantworten.

1899.

Meine Herren, die Staatsregierung hält das gewünschte Vor⸗ gehen auf diesem Gebiete an und für sich für recht bedenklich, nament⸗ lich wegen der Konsequenzen, die es haben könnte. Es soll thatsächlich die Unterhaltung, Verpflegung dieser armen, arbeitsfähigen, bedũrf⸗ tigen Leute, welche die Feldzüge mitgemacht haben, auf das Reich übernommen werden. Das ist der Grundgedanke. Man will das nicht den Kommunen, denen dies ja auch eine besondere Ehrenpflicht ist und die gesetzlich dazu berufen sind, solche Unterstützungen an Hilfsbedürftige zu gewähren, überlassen, sondern ihnen durch das Reich diese Last abnehmen und sie auf das Reich übertragen.

Nun, meine Herren, glaube ich nicht, zuviel zu sagen, daß in der Frage der Hilfsbedürftigkeit, selbst auch der Arbeitsunfähigkeit, die Nächstverpflichteten das würden hier die Kommunen sein, die das erste Gutachten abgegeben haben, ein Gutachten, das dann von den lokalen Beamten weitergegeben wird im Ganzen sehr leicht geneigt sein würden, die Voraussetzungen der Unterstützung zu bejahen, und daß, wenn man auf den großen Beutel die Last abwälzt, leicht erheb⸗ liche Mißbräuche und Mißstände hervorgerufen werden können. Die⸗ selben Erfahrungen haben wohl in allen deutschen Staaten die Ein—⸗ richtungen der Armenpflege überall gezeigt. Das ist ein Bedenken.

Das andere aber, meine Herren, ist dies, daß wir hier prinzipiell und unbeschränkt abgehen von der Grundlage der wirklichen, durch den Krieg herbeigeführten Invalidität. Schon spricht der Herr Vorredner von einem Ehrenfold. Wir haben schon Bestrebungen von greßen Ver⸗ einen, welche verlangen, daß Jeder, ob er hilfsbedürftig ist oder nicht, ob er arbeitsfähig ist oder nicht, wenn er seine staatsbürgerlichen und patriotischen Pflichten in der Vertheidigung des Vaterlandes erfüllt hat, einen Ehrensold aus der Reichskasse bekommen soll. Derartige Konsequenzen, auf welche doch hoffentlich niemals ein Reichstag oder gar die Reichsregierung in Deutschland eingehen würden, und die zu einer vollständigen Degeneration des großen Prinzips der allgemeinen Wehrpflicht führen würden, werden durch eiue Ausdehnung des bis⸗ herigen Gesetzes gefördert, ich hoffe aber, ohne allen Erfolg.

Die finanzielle Seite kann nach meiner Meinung durchaus nicht die allein entscheidende sein, aber daß hier eine sehr bedeutend wachsende finanzielle Belastung der Reichskasse verlangt wird, darüber kann kein Zweifel sein. Ich bin überzeugt, und unsere preußische Verwaltung ist es auch, daß noch lange Jahre hindurch gegenüber dem gegenwärtigen Zustand, den ja der Herr Vorredner bereits zahlen⸗ mäßig geschildert hat, ein dauerndes Wachsen eintreten wird.

Diese und andere Bedenken, die ich, wo wir ja doch keine Ent⸗ scheidung in der Sache haben, hier nicht weiter vortragen will, haben allerdings eine geringere Bedeutung, wenn man den Schritt, der in der Reichsverwaltung schon geschehen ist, wie der Herr Vorredner das auch dargethan hat, in Betracht zieht. Dieser Schritt hat aber doch noch einen andern Charakter, denn er versprach diesen Leuten nur eine bedingte Unterstützung in einer fest begrenzten Höhe. Also an sich kann sich keiner beklagen, wenn er bei der Zahl der Anspruchs—⸗ berechtigten noch nicht an die Reihe kam. Das Reich hatte nur eine bestimmte Summe auf den Invalidenfonds angewiesen, wenn diese vertheilt war, mußten die anderen warten. Obwohl insofern aller⸗ dings ein ganz prinzipieller Unterschied zwischen dem bestehenden und nun verlangten Zustande besteht, so muß man doch zugeben, daß der Herr Vorredner darin nicht Unrecht hat, daß diese Unterscheidung, die zu einer verschiedenartigen Behandlung von Leuten, die im Ganzen in derselben Lage sind, führt, allerdings vielfach nicht verstanden wird und den Anschein der Willkür, der Bevorzugung leicht erwecken kann, und infolgedessen Mißstimmung in die Reihen dieser Leute zu bringen geeignet ist. Das ist auch der Grund, welcher die preußische Staats⸗ regierung geneigt macht, wenn ein Einverständniß mit den übrigen deutschen Staaten erzielt werden kann, nach der Richtung, wie der Herr Antragsteller es wünscht, vorzugehen. (Bravo) Wenn in dieser Beziehung ein Einverständniß erzielt werden kann, so würde ein Hin⸗ derniß in den finanziellen Bedenken seitens der preußischen Regierung jedenfalls nicht entgegengestellt werden. (Bravo!)

Ich bin erfreut, daß die Herren Antragsteller die Frage der Art der Beschaffung der erforderlichen Mittel in ihrer Interpellation un⸗ berührt gelassen haben. Das gehört hier doch in keinem Falle hin. Das muß die Reichs Finanzverwaltung in Uebereinstimmung mit dem Reichstage regeln. Die preußische Regierung allerdings das kann ich wohl sagen würde die Heranziehung des Invalidenfonds zu diesem Zwecke vorziehen. Die Bedenken, die in der Sache selbst liegen, verlieren sich dann einigermaßen, weil der Invalidenfonds einmal zu Gunsten derjenigen bestimmt ist, die die Kriege mitgemacht haben. Außerdem steht nach unserer Ueberzeugung noch keineswegs fest, ob der Invalidenfonds nicht dies noch übernehmen könne (hört, hört); denn die Bilanzen des Invalidenfonds im Reiche sind immer zu ungünstig gewesen gegenüber den späteren Erfahrungen. (Sehr richtig) Wenn das also möglich ist, sollte man vorläufig auf den Invalidenfonds greifen. Würde derselbe etwa mal aufgejehrt und reichte nicht mehr aus, dann muß man das angefangene Werk aller⸗ dings fortsetzen, indem man nun den Rest der Leistungen aus all⸗ gemeinen Reichsfonds entnimmt. (Sehr richtig!)

Meine Herren, ob es noch möglich sein wird, einen Nachtragsetat zu machen, darüber kann ich mich nicht äußern; das muß die Reichs⸗ verwaltung beurtheilen. Ich bin ja bekanntlich persönlich ein großer Gegner namentlich der Reichs-Nachtragsetats, die unser preußisches Budget fortwährend alterieren. Ich will darauf nicht weiter eingehen; das ist auch eine so sekundäre Frage, daß es nicht nöthig sein wird, hierüber noch besondere Erklärungen abzugeben.

Also, meine Herren, trotz der Bedenken und in der Erwartung, daß sowohl der Reichstag wie der preußische Landtag weitergehende Forderungen, wie ich sie eben bezeichnet habe deswegen möchte ich auch schon vor dem Ausdruck „Ehrensold“, den der Interpellant ge⸗ braucht hat, warnen; es ist nicht ein Ehrensold, sondern eine Unter⸗ stützung hilfsbedürftiger Menschen ich sage, in der Hoffnung und Erwartung, daß solche weitergehenden Ansprüche, die bei uns, wo die Vertheidigung des Vaterlandes nicht bloß eine patriotische und mensch⸗

liche Pflicht, sondern auch eine gesetzliche ist, viel schlimmer und un—